2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik

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2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
Da in Medizin und Technik meistens relativistische, also schnelle Teilchen erzeugt und verwendet werden, beginnt dieses Kapitel mit einer Wiederholung der wichtigsten Gleichungen
der Relativitätstheorie. Anschließend wird in einem kurzen Überblick das Prinzip der Beschleunigung geladener Teilchen dargestellt. Danach folgt eine Einführung in die Bewegung
elektrisch geladener Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern.
____________________________
2.1 Relativistische Energien und Massen
Da die in der Medizin und Technik verwendeten Strahlungsquellen in der Regel sehr
schnelle, relativistische Teilchen mit Geschwindigkeiten knapp unterhalb der Vakuumlichtgeschwindigkeit c erzeugen, müssen zu ihrer Beschreibung die relativistischen
Regeln und Formeln herangezogen werden. In der Relativitätstheorie werden Teilchen
durch ihre Gesamtenergie Etot beschrieben, die als Produkt von relativistischer Masse
und dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit berechnet wird. Die Gesamtenergie besteht aus der Ruheenergie E0 und der Bewegungsenergie der Teilchen.
Etot = E0 + Ekin = m⋅c2
(2.1)
c = 2,99792458⋅108 m/s
(2.2)
c ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, für deren Zahlenwert man bei Überschlagsrechnungen in sehr guter Näherung c = 3⋅108 m/s verwenden kann. Die Ruheenergie wird aus der Ruhemasse m0 nach der (Gl. 2.3) berechnet.
E0 = m0⋅c2
(2.3)
Gleichungen (2.1 und 2.3) werden als Energie-Massenäquivalent-Gleichungen bezeichnet und erlauben die Beschreibung eines Teilchens wahlweise über seine Energie
oder deren Massenäquivalent. Haben Teilchen wie die Photonen keine Ruhemasse, so
haben sie auch keine Ruheenergie. Photonen bewegen sich grundsätzlich mit Lichtgeschwindigkeit. Ihre Gesamtenergie ist identisch mit der relativistischen Bewegungsenergie. Teilchen mit einer von Null verschiedenen Ruhemasse m0, die Korpuskeln,
können die Lichtgeschwindigkeit wegen (Gl. 2.4) nie erreichen. Sie werden beim Beschleunigen nicht nur schneller sondern auch schwerer, sie ändern also mit zunehmender Geschwindigkeit v ihre relativistische Masse m nach der folgenden Beziehung:
m=
m0
1− v2 / c2
(2.4)
Das Verhältnis v/c wird üblicherweise mit dem Kürzel β bezeichnet. Solange die Geschwindigkeit von Teilchen deutlich kleiner ist als die Vakuumlichtgeschwindigkeit
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(v < 0,15c, also β < 0,15), unterscheiden sich die relativistische Masse und die Ruhemasse nur um etwa 1%. Man kann in diesem Fall ohne allzu große Fehler mit den
klassischen Formeln rechnen. Dies ist bei den in der Strahlenkunde üblichen Energien
bei schwereren Teilchen wie Alphas, sonstigen leichteren Ionen, nicht zu schnellen
Neutronen und Spaltfragmenten der Fall (Fig. 2.1, Tab. 2.1). Der relativistische Impuls ist das Produkt aus Teilchengeschwindigkeit und relativistischer Masse m.
r
r
p = m⋅v
(2.5)
Mit Hilfe der Gleichungen (2.4 und 2.5) erhält man den relativistischen Energiesatz1:
E 2 = E 02 + p 2 ⋅ c 2
(2.6)
1
0,9
0,8
e-
p
238
α
U
0,7
v/c
0,6
0,5
d
0,4
0,3
0,2
0,1
0
1,E+00
v/c<0,15
1,E+02
1,E+04
1,E+06
1,E+08
1,E+10
1,E+12
1,E+14
Teilchenenergie (eV)
Fig. 2.1: Verlauf der relativen Geschwindigkeit v/c von Elektronen, Protonen, Deuteronen, Alphateilchen und 238Uran-Kernen (von links) als Funktion ihrer Bewegungsenergie. v/c
= 0,15 wird als obere Grenze für die klassische Behandlung von Teilchenbewegungen betrachtet.
1
Aus m0c2=c2p/v⋅(1-v2/c2)1/2 und Quadrieren der beiden Seiten dieser Gleichung erhält man nach leichten
Umformungen den relativistischen Energiesatz m02c4+c2p2 = c4p2/v2 = c4m2 =Etot2.
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Ein Überblick über weitere wichtige Formeln der Relativitätstheorie befindet sich
beispielsweise in [Krieger1].
Trotz der hohen Teilchengeschwindigkeiten sind die Bewegungsenergien der atomaren Teilchen wegen ihrer sehr kleinen Massen so gering, dass die makroskopische
Energieeinheit (das Joule J) für die alltäglichen Anwendungen zu unhandlich ist. Die
Energien der ionisierenden Strahlungen werden deshalb bevorzugt mit der praktischen
atomphysikalischen Energieeinheit - dem Elektronenvolt (eV) - gekennzeichnet. Der
Zusammenhang mit der SI-Einheit der Energie, dem Joule, ist durch die folgende
Gleichung (2.7) gegeben:
1eV = 1e0⋅1V = 1,6022 ⋅ 10-19 J
(2.7)
Übliche Vielfache des Elektronenvolt sind das keV =103 eV, das MeV = 106 eV, das
GeV = 109 eV, das TeV = 1012 eV und das meV = 10-3 eV.
v/c
m/m0
Bewegungsenergie Ekin
e-
p
α
0,0001
1,000 000 005
2,555 meV
4,691 eV
18,64 eV
0,001
1,000 000 5
0,256 eV
0,469 keV
1,864 keV
0,01
1,000 05
25,55 eV
46,90 keV
186,4 keV
0,1
1,005 04
2,574 keV
4,727 MeV
18,78 MeV
0,15(*)
1,011 7
≈6,0 keV
≈10 MeV
≈43 MeV
0,5
1,154 7
79,05 keV
145,2 MeV
576,6 MeV
0,9
2,294 2
661,3 keV
1,214 GeV
4,824 GeV
0,99
7,088 8
3,111 MeV
5,713 GeV
22,69 GeV
0,999
22,366
10,92 MeV
20,05 GeV
79,64 GeV
0,9999
70,712
35,62 MeV
65,41 GeV
259,8 GeV
Tab. 2.1: Massenverhältnisse und Bewegungsenergien für Elektronen, Protonen (näherungsweise auch für Neutronen) und Alphateilchen als Funktion der relativen Teilchengeschwindigkeit. (*): Obere Geschwindigkeitsgrenze zur Verwendung der "klassischen" Formeln für die Bewegungsenergie von Korpuskeln.
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2.2 Prinzip der Beschleunigung geladener Teilchen
Jeder Teilchenbeschleuniger besteht im Prinzip aus einer Teilchenquelle, in der die zu
beschleunigenden Teilchen erzeugt oder freigesetzt werden, einer Beschleunigungsstruktur und einem Wechselwirkungsbereich (Fig. 2.2). Handelt es sich um Elektronenquellen, so können die Teilchenquellen im einfachsten Fall Glühwendeln aus
Wolfram sein, in denen wie in der Röntgenröhre Elektronen thermisch freigesetzt werden. Viele Kathoden enthalten dagegen indirekt geheizte und je nach Anforderung
auch tastbare Elektronenemitter. Sollen andere geladene Teilchen beschleunigt werden, müssen komplexere Ionenquellen eingesetzt werden. Die eigentliche Teilchenbeschleunigung findet in den Beschleunigerstrukturen statt. Diese können linear angeordnet sein, als Ringbeschleuniger ausgelegt werden, oder sie können wie beim Synchrotron oder den Race-Track-Mikrotrons eine Kombination von Linearbeschleunigerstrecken und ringförmiger Strahlführung sein.
Sollen Teilchen beschleunigt werden, so benötigen sie eine elektrische Ladung q. Der
Grund ist die so genannte Lorentzgleichung2, die die Kräfte elektrischer und magnetischer Felder auf elektrisch geladene Teilchen beschreibt. Sie lautet:
r
r r r
FL = q ⋅ ( E + v x B)
(2.8)
r
r
r
Dabei ist FL die Lorentzkraft,
E der elektrische Feldstärke-Vektor,
v die Geschwinr
r r
digkeit des Teilchens, B die magnetische Flussdichte und ( v x B) deren Vektorprodukt3. Der elektrische Anteil der Lorentzkraft ist unabhängig von der Teilchengeschwindigkeit und zeigt immer in Richtung des elektrischen Feldes. Der magnetische
Kraftanteil ist dagegen proportional zur Geschwindigkeit, wirkt also nicht auf ruhende
Teilchen.
Die magnetische Kraft wirkt darüber hinaus wegen des Vektorprodukts
r r
( v x B ) immer senkrecht zum Magnetfeld und zum Geschwindigkeitsvektor des Teilchens. Geladene Teilchen werden in Magnetfeldern daher zwar senkrecht zu ihrer
Bewegungsrichtung und zur Richtung des Magnetfeldes abgelenkt; sie können durch
Magnetfelder aber keine Beschleunigung in Bewegungsrichtung erfahren: Ihr Bewegungsenergiegewinn in Magnetfeldern ist folglich Null.
Den Energiegewinn ∆E eines beschleunigten Teilchens berechnet man aus dem Pror
dukt "Kraft mal Weg" oder allgemeiner aus dem Wegintegral von einem Ortsvektor r1
2
Hendrik Antoon Lorentz (18. 7. 1853 – 4. 2. 1928), holländischer Physiker, erhielt 1902 zusammen
mit Pieter Zeeman (25. 5. 1865 – 9. 10. 1953) den Nobelpreis in Physik "als Anerkennung des außerordentlichen Verdienstes, den sie sich durch ihre Untersuchungen über den Einfluss des Magnetismus
auf die Strahlungsphänomene erworben haben".
r
r r
3
Das Vektorprodukt zweier Vektoren (a x b) , die den Winkel ϕ aufspannen, ist der Vektor c , der senkrecht auf der von den Vektoren (a,b) aufgespannten Ebene steht und die Länge c = a⋅b⋅sin(ϕ) hat.
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21
r
r
zum Ortsvektor r2 über das skalare Produkt4 der Feldstärke E und des Ortsvektors
r
d r . Man erhält den Ausdruck:
r2
r r
∆E = q ⋅ E ⋅ d r = q ⋅ U
∫
(2.9)
r1
Um ein Teilchen zu beschleunigen, muss das elektrische Feld natürlich eine Komponente in der Bewegungsrichtung der Teilchen aufweisen. Der Energiegewinn eines mit
einem elektrischen Feld beschleunigten Teilchens ist also gerade das Produkt aus Ladung und durchlaufener Spannung U. Dabei ist der zurückgelegte Weg des Teilchens
unerheblich, es kommt ausschließlich auf die Potentialdifferenz, die Spannung U, an.
q
Ekin
0 Volt
U
Teilchenquelle
Target
Fig. 2.2: Energiegewinn eines geladenen Teilchens in einem elektrischen Feld. Die Teilchen
mit der elektrischen Ladung q aus einer geeigneten Teilchenquelle durchlaufen eine
Potentialdifferenz U und gewinnen dabei unabhängig vom zurückgelegten Weg die
Energie Ekin = q⋅U.
Dies bietet im Prinzip zwei Möglichkeiten zur Teilchenbeschleunigung: Die Beschleunigung mit statischen elektrischen Feldern oder die Beschleunigung mit elektrischen
Wechselfeldern. Die Gleichspannungsbeschleunigung mit einem statischen elektrischen Feld wird in den so genannten Gleichspannungsbeschleunigern angewendet
(s. Kap. 5). Beträgt die vom Teilchen durchlaufene Potentialdifferenz U, so erhält das
Teilchen mit der Ladung q die Bewegungsenergie
Ekin = q⋅U
(2.10)
Da die erreichbare Bewegungsenergie immer gerade das Produkt aus Ladung und
Gleichspannung ist, können höhere Teilchenenergien nur durch Erhöhung der elektrischen Feldstärken erreicht werden. Gleichspannungsbeschleunigern sind deshalb aus
4
r r
Das skalare Produkt zweier Vektoren (a ⋅ b) , die den Winkel ϕ aufspannen, ist der Skalar c mit dem
Wert c = a⋅b⋅cos(ϕ). Stehen zwei Vektoren senkrecht aufeinander, so ist das Skalarprodukt daher Null.
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technischen Gründen Energieobergrenzen gesetzt. Der Grund dafür sind die mit zunehmender Hochspannung auftretenden Isolationsprobleme und die so genannte "Corona-Entladung". Bei dieser handelt es sich um spontane Entladungen, die vorwiegend
an Orten hoher Feldstärken auftreten. Solche Orte finden sich an Strukturen mit kleinen Krümmungsradien wie an metallenen Spitzen (Blitzableiter), Kanten oder Ecken
von Körpern. Das wohl bekannteste und bedeutendste historische Beispiel für einen
Gleichspannungsbeschleuniger ist die Röntgenröhre (Kap. 4), in der die Anodenspannungen (die "kV") die Rolle der Beschleunigungsspannung U übernehmen. Weitere
Gleichspannungsbeschleuniger sind der Kaskadengenerator von Cockcroft-Walton
und der Van de Graaff Beschleuniger.
Möglichkeiten, die technischen Hochspannungs- und Energiegrenzen an Gleichspannungsbeschleunigern zu überwinden, sind die periodische Beschleunigung mit elektrischen Wechselfeldern niedrigerer Feldstärke oder die Beschleunigung mit magnetfeldinduzierten elektrischen Umlauffeldern. Beide Methoden werden zusammen auch als
"resonante" Beschleunigungen bezeichnet, da die Teilchenbewegung und die zeitliche
Veränderung des elektrischen Feldes aufeinander abgestimmt sein müssen. Verwendet
man zeitlich periodische elektrische Felder, muss das geladene Teilchen diese natürlich in geeigneten Anordnungen phasensynchron durchlaufen, um einen Nettoenergiegewinn zu erhalten. Durch die vielfache Anwendung der gleichen Hochspannung addieren sich dann die einzelnen Energieüberträge. Je häufiger die Teilchen das Hochspannungsfeld durchlaufen, umso größer wird ihr Nettoenergiegewinn. Bei n-facher
gleichphasiger Beschleunigung eines Teilchens der Ladung q mit der Spannung U
erhält man bei verlustfreier Beschleunigung und Bewegung als Gesamtenergie:
Ekin = n⋅q⋅U
(2.11)
Für den gleichen Energiegewinn wie bei einer Beschleunigung mit einem statischen
elektrischen Feld benötigt man bei n-facher Einwirkung des elektrischen Feldes also
nur 1/n-tel der Beschleunigungsspannung. So können die Feldstärken geringer und
technisch beherrschbar gehalten werden. Damit die einzelnen Beschleunigungen sich
addieren, muss man allerdings Anordnungen schaffen, in denen das zu beschleunigende Teilchen durch geeignete Geometrien immer nur der beschleunigenden Phase der
Wechselspannungen ausgesetzt wird. Andernfalls würde die bei der vorherigen Beschleunigung gewonnene Energie durch die Gegenfelder wieder zunichte gemacht.
Die Teilchenbewegung und das beschleunigende elektrische Wechselfeld müssen also
synchronisiert und geometrisch aufeinander abgestimmt werden. Zwei Lösungsmöglichkeiten sind die Linearbeschleuniger und die Ring- oder Kreisbeschleuniger.
Bei mit elektrischen Wechselfeldern betriebenen Linearbeschleunigern (Fig. 2.3)
durchlaufen die Partikel nach Verlassen der Teilchenquelle linear in Bewegungsrichtung angeordnete periodische Beschleunigerstrukturen (Beschleunigungselektroden).
An diese wird eine hochfrequente Wechselspannung angelegt. Damit die Teilchen bei
einem Polaritätswechsel der beschleunigenden Wechselspannung nicht wieder abge-
2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
Quelle
Beschleunigungseinheit
23
Target
HF-Generator
Steuerung
Fig. 2.3: Prinzipieller Aufbau eines Linearbeschleunigers mit der Quelle für die zu beschleunigenden Teilchen, einem HF-Beschleunigungsrohr mit periodischen Strukturen und
einem Target- bzw. Wechselwirkungsbereich. Im Generator werden die zur Beschleunigung benötigten HF-Wechselspannungen und die Steuersignale für den Betrieb und die Regelungen erzeugt.
bremst werden, müssen sie während der Gegenphase vor dem elektrischen Feld abgeschirmt werden. Die einfachste Lösung sind hintereinander angeordnete metallene
Driftröhren, die im Inneren feldfrei sind, und die das Teilchen genau während der
bremsenden Gegenphasen der Hochfrequenz durchläuft. Eine Beschleunigung findet
bei richtiger Synchronisation dann nur zwischen den einzelnen Driftelektroden statt.
Ein historisches Beispiel für diese Technologie ist der Wideröesche Linearbeschleuniger (s. Kap. 7).
Moderne Linearbeschleuniger (s. Kap. 7 und Kap. 8) arbeiten dagegen mit hochfrequenzgespeisten und in Reihe angeordneten Hohlraumresonatoren, in denen sich bei
geeigneter Geometrie longitudinale elektrische Wechselfelder ausbilden. Die eingeschossenen Teilchen werden dadurch bei richtiger Phase in den Hohlräumen in Bewegungsrichtung beschleunigt. Die Geometrie dieser Strukturen hängt wegen der teils
relativistischen Bewegungen von der Teilchenart und der angestrebten Energie ab. Der
am häufigsten in Medizin und Technik verwendete lineare Wechselspannungs-Beschleuniger ist der Elektronenlinearbeschleuniger, der wegen der extrem relativistischen Bewegungsenergien der beschleunigten Elektronen besonders einfache Geometrien erlaubt.
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2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
Bei Kreisbeschleunigern bzw. Ringbeschleunigern muss das Teilchen auf zyklische
Umlaufbahnen gezwungen werden: Dies geschieht mit geeignet dimensionierten
Magnetfeldern. An festen Orten der Umlaufbahnen befinden sich Beschleunigungsstrukturen, die das geladene Teilchen natürlich wieder phasengerecht durchlaufen
muss. Dabei ist also zu beachten, dass die Umlauffrequenz des Teilchens mit der Frequenz des elektrischen Feldes synchronisiert wird, so dass das Teilchen beim Durchlaufen der Beschleunigungsstrecke ausschließlich vorwärts beschleunigende Kräfte
sieht. Die wichtigsten Vertreter der hochfrequenzbetriebenen Kreisbeschleuniger sind
das Zyklotron, das Mikrotron und das Synchrotron (s. Kap. 9).
v
v+∆v
≈
B(t,r)
HF
Fig. 2.4: Prinzip eines HF-Kreisbeschleunigers mit einer an einer Wechselspannung (HF)
angeschlossenen Beschleunigungsstruktur und einem geeigneten Magnetfeld B(t,r)
zur Führung des beschleunigten Teilchens auf einer Kreis- oder Spiralbahn, dessen
Stärke je nach Beschleunigertyp und Teilchenenergie mit der Zeit und/oder dem
Teilchenbahnradius verändert werden muss.
Eine Sonderform der Ringbeschleuniger sind Anlagen mit zeitlich veränderlichen
Magnetfeldern, bei denen niederfrequente magnetische Wechselfelder die beschleunigende Feldstärke nach dem Induktionsgesetz erzeugen und simultan die beschleunigten Teilchen auf einer Kreisbahn in einem Vakuumgefäß halten. Solche Beschleuniger
werden als Betatrons bezeichnet. Sie gehen auf Ideen von Wideröe im Jahr 1923 zurück und wurden 1940 erstmals technisch verwirklicht [Kerst]. Die grundlegende physikalische Gleichung ist die zweite Maxwellgleichung5 der klassischen Elektrizitätslehre, nach der zeitliche Änderungen eines Magnetfeldes rotierende elektrische Felder
5
Die zweite Maxwellgleichung lautet: rot E = -dB/dt. Ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt also
ein umlaufendes ("rotierendes") elektrisches Feld.
2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
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erzeugen. Diese Art der Spannungserzeugung entspricht dem Transformatorprinzip.
Die Teilchen werden durch diese elektrischen Umlauffelder beschleunigt. Sie müssen
dazu aber wieder durch Magnetfelder auf Kreisbahnen gehalten werden (s. Kap. 9.1).
Beide Arten der Wechselspannungsbeschleuniger, die Linearbeschleuniger und die
Ringbeschleuniger, sind heute die physikalisch und technisch wichtigsten Beschleunigertypen. Sie haben bei hohen Teilchenenergien mittlerweile die historischen Gleichspannungsbeschleuniger weitgehend abgelöst. Diese dienen bei vielen Anwendungen
nur noch als Vorbeschleuniger für die Hochenergie-Ringbeschleuniger. Die Wechselspannungsbeschleuniger unterscheiden sich durch die Frequenzen ihrer Wechselfelder
und die geometrischen Anordnungen.
Zusammenfassung
•
Damit Teilchen beschleunigt werden können, benötigen sie wegen der Lorentzkraft eine elektrische Ladung.
•
Bei Gleichspannungsbeschleunigern wird ein statisches elektrisches Feld
zur Beschleunigung verwendet.
•
Bei Hochfrequenzbeschleunigern werden periodische elektrische Wechselfelder eingesetzt.
•
In Linearbeschleunigern werden elektrische Wechselfelder verwendet, die
eine longitudinale Feldkomponente in Bewegungsrichtung der Teilchen
aufweisen.
•
In Ringbeschleunigern werden die Teilchen durch Magnetfelder auf Umlaufbahnen gezwungen, so dass sie mehrfach und phasenrichtig den beschleunigenden elektrischen Feldern ausgesetzt werden können.
•
Eine Sonderform ist das Betatron, bei dem ein zeitlich variables Magnetfeld ein beschleunigendes elektrisches Umlauffeld induziert und gleichzeitig die Teilchen auf Kreisbahnen mit konstanten Radien führt.
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2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
2.3 Grundlagen zur Strahloptik mit elektrischen und magnetischen
Feldern*
Die grundlegende Gleichung zur Strahlführung geladener Teilchen ist wieder die Lorentzgleichung (Gl. 2.12). Kräfte auf geladene Teilchen können danach durch elektrische und durch magnetische Felder ausgeübt werden.
r
r r r
FL = q ⋅ (E + v x B)
(2.12)
Dabei zeigen die elektrischen Kräfte immer in Feldrichtung, die magnetischen Kräfte
stehen dagegen grundsätzlich senkrecht auf Magnetfeld und Teilchenbahn (s. o.).
Gleiche Kräfte werden von einem
und einem magnetischen Feld dann
r elektrischen
r r
ausgeübt, wenn die Beträge von E und v x B gleich groß sind, also E = v⋅B gilt. Die
magnetische Kraftwirkung ist daher bei gleicher Feldstärke um den Betrag der Geschwindigkeit größer als die Wirkung des elektrischen Feldes. Langsame nicht relativistische geladene Teilchen können deshalb leicht und ohne technische Probleme mit
elektrischen oder magnetischen Feldern oder auch einer Kombination beider Felder
geführt und abgelenkt werden.
Für relativistische Teilchen mit einer Geschwindigkeit nahe der Vakuumlichtgeschwindigkeit, also mit v ≈ c = 3⋅108 m/s, wirkt ein Magnetfeld der Stärke 1 T (1 Tesla
= 1Vs/m2) um den Faktor 3⋅108 stärker als ein elektrisches Feld mit der Feldstärke
1V/m. Während Magnetfelder von 1 T leicht zu erzeugen sind, sind Feldstärken von
300 Millionen V/m technisch nicht mehr zu beherrschen. Bei höheren Teilchengeschwindigkeiten werden deshalb ausschließlich Magnetfelder zur Strahlführung und
Strahlformung verwendet.
Elektrische oder magnetische Felder werden nach ihrer räumlichen Feldstärkeverteilung gekennzeichnet. Sind die Feldstärken in der Ebene senkrecht zu den Feldlinien
konstant, so spricht man vom einem homogenen Feld oder einem Dipolfeld. Solche
Magnetische Dipolfelder entstehen zum Beispiel zwischen ausreichend großen ebenen
Elektromagnetpolen oder näherungsweise in Hufeisenmagneten. Elektrische Dipolfelder treten zwischen den Metallflächen eines Plattenkondensators auf. Verändern sich
die Feldstärken mit dem Abstand zur Feldmitte, hat man also inhomogene Felder, so
spricht man von Multipolfeldern. Felder, deren Feldstärken linear mit dem Abstand
zunehmen, werden als Quadrupolfelder, die mit dem Abstandsquadrat zunehmenden
Felder als Sextupol-, die mit der dritten Potenz der Abstandskoordinate veränderlichen
Felder als Oktupolfelder bezeichnet. Dipolfelder und Quadrupolfelder werden zur
Strahlablenkung und Strahlfokussierung verwendet (Fig. 2.5). Da diese Felder maximal linear mit dem Abstand variieren, wird die entsprechende Theorie als "lineare
Strahloptik" bezeichnet. Dipolfelder liefern parallele Feldlinien, die senkrecht zu den
Elektroden oder zu den Polschuhen der Magnete verlaufen. Senkrecht zu den Feldlinien verlaufen die Äquipotentiallinien bzw. –flächen. Quadrupoldfelder haben ge-
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2 Grundlagen zur Teilchenbeschleunigung und Strahloptik
schwungene Feldlinien, die sich zwischen den nebeneinander liegenden Polen ausbilden. Die zugehörigen Äquipotentiallinien sind Hyperbeln, die in der Mitte der Felder
verschwinden, also den Wert Null haben. An dieser Stelle befinden sich bei Strahlführungssystemen die Sollbahnen der zu beschleunigenden oder geführten Teilchen.
N
N
ÄPL
S
S
S
N
N
S
S
N
N
S
Fig. 2.5: Anordnungen zur Erzeugung von magnetischen Dipolfeldern (oben) und magnetischen Quadrupolfeldern (unten). Links sind jeweils die Eisenjochmagnete mit den
umgebenden Spulen angedeutet, rechts die dadurch erzeugten Magnetfeldverläufe.
Die Äquipotentiallinien (ÄPL) sind beim Dipol Geraden, die senkrecht auf den Feldlinien stehen. Beim Quadrupol sind es Hyperbeln, deren Form den Oberflächen der
Polschuhe ähnelt. In der Mitte des Quadrupolfeldes sind die magnetischen Feldstärken Null. Dort befindet sich in der Regel die Sollbahn beschleunigter Teilchen. In
den Magneten ist das Strahlrohr angedeutet (Ellipsen).
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