2 - Ruhr-Universität Bochum

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Instrumentelle Bestimmungsverfahren
169
Elektrogravimetrie
Grundlagen
Prinzip der Elektrogravimetrie ist die elektrolytische Abscheidung von Probenbestandteilen als Metall oder Metalloxid auf einer Elektrode. Die Bestimmung erfolgt über die
Gewichtszunahme der Elektrode nach vollständiger Abscheidung des Bestandteils als
dichter, fest anhaftender Belag aus der Probenlösung. Die Vollständigkeit der Abscheidung wird am besten mit Hilfe einer empfindlichen Farbreaktion an einem der Lösung
entnommenen Tropfen kontrolliert ("Tüpfelreaktion").
Bei der Elektrogravimetrie dienen Elektronen (anstelle eines "chemischen" Reagenzes
wie bei der klassischen Gravimetrie) als Fällungsmittel:
Gravimetrie:
Elektrogravimetrie:
→ Ni[DMG ]2 + 2H +
Ni 2 + + H[DMG ] 
(H[DMG ] = Dimethylglyoxim)
Ni 2 + + 2e − 
→ Ni
Da Metallniederschläge den stöchiometrischen Faktor 1 besitzen, verfälschen Fehler,
die durch unvollständige Abscheidung oder durch ungenügendes Auswaschen verursacht werden, das Analysenergebnis weitaus stärker als bei Verwendung organischer
Fällungsreagenzien. Die Elektrogravimetrie ist für die Bestimmung einer Reihe von
Schwermetallen aber die raschere und weniger arbeitsaufwendige Methode. Bei sorgfältigem Arbeiten wird eine relative Standardabweichung um 0,1% erzielt.
Grundlage der Elektrogravimetrie ist das FARADAY-Gesetz, das die abgeschiedene
Stoffmasse m und die dazu umgesetzte Ladungsmenge Q in Beziehung bringt:
M⋅Q
[g]
m=
n⋅F
Q
M
n
F
Ladungsmenge (Stromstärke⋅Zeit) [A⋅s]
Atom- bzw. Molmasse des Fällungsproduktes [g⋅mol-1]
Zahl der pro Formelumsatz übertragenen Ladungen (Wertigkeit)
elektrochemisches Äquivalent (FARADAY-Konstante);
~ 96490 [A⋅s⋅mol-1 ].
170
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Nach dem FARADAY-Gesetz verhalten sich also die durch gleiche Ladungen abgeschiedenen Stoffmassen wie die zugehörigen Äquivalentmassen.
Elektrodenvorgänge
Zur Diskussion der an stromdurchflossenen Elektroden ablaufenden Vorgänge diene der nebenstehende Versuchsaufbau: In eine Kupfersulfatlösung mit der Konzentration c Cu 2+ tauchen zwei
Kupferbleche als Elektroden ein. Die Elektroden
sind an einer variablen Gleichspannungsquelle
angeschlossen; Strom I und Spannung U können
gemessen werden.
Vor Anlegen der Spannung haben beide
Elektroden dasselbe durch die NERNST-Gleichung
gegebene Potential:
E1 = E 2 = E Cu 2+
Cu
+
0,059
lgc Cu 2+
2
[Volt ].
Dementsprechend gilt für die elektromotorische Kraft (EMK) der aus diesen beiden
Elektroden und der Kupferlösung aufgebauten Zelle:
EMK = E1 − E 2 = 0 [Volt ]
Bei Anlegen einer von 0 Volt ansteigender Gleichspannung U fließt gleichzeitig ein
entsprechend ansteigender Strom I. Eine der Elektroden wird dabei zur Kathode, die
andere zur Anode. An der Kathode wird Kupfer aus der Lösung abgeschieden, von der
Anode löst sich die gleiche Kupfermenge ab, so dass die Gesamtkonzentration der Kupferlösung unverändert bleibt.
Kathodenvorgang :
Cu 2 + + 2e − 
→ Cu
Anodenvorgang :
Cu
− 2e − 
→ Cu 2 +
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
171
Da sich der Elektrolyt bei diesem Vorgang nicht verändert, bleibt auch der elektrische
Widerstand Ri der Lösung unverändert. Nach dem OHM'schen Gesetz
U = R i ⋅ I [Volt ]
kann man also eine Gerade erwarten, wenn man den bei ansteigender Spannung fließenden Strom I in ein Diagramm einträgt.
Dieselben Elektrodenprozesse
laufen ab, wenn die Stromrichtung verändert, also wenn umgepolt wird. Es handelt sich
demnach um einen reversiblen
Vorgang.
Tatsächlich wird die erwartete
Linearität zwischen I und U nur
sehr kurze Zeit gemessen:
Durch die Metallabscheidung
an der Kathode bzw. durch die Auflösung der Anode entsteht eine inhomogene Cu2+Verteilung in der Lösung: In unmittelbarer Umgebung der Kathode verarmt die Lösung
an Cu2+, an der Anode reichert sich Cu2+ an. Sofern die Lösung nicht gerührt wird, erfolgt der Konzentrationsausgleich im Wesentlichen durch Diffusion.
Der zeitliche Materialtransport in der Nähe der Elektroden wird dabei durch das
1.FICK'sche Gesetz beschrieben:
dm
dc
= −D ⋅ q ⋅
dt
dx
Hierin bedeuten:
D
q
dc/dx
Diffusionskoeffizient;
Elektrodenoberfläche
Konzentrationsgefälle
Auch durch intensives Rühren kann ein vollständiger Konzentrationsausgleich nicht
erzielt werden. Zumindest in den Phasengrenzschichten zwischen Elektroden und Lösung bleiben Konzentrationsunterschiede bestehen. Da die Ionenkonzentration an der
Phasengrenze einer Elektrode aber deren Potential bestimmt, erhalten Kathode und
Anode während des Elektrolysevorganges unterschiedliche Potentiale.
172
Für die Konzentration gilt:
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
K
A
c Cu
< c Cu
2+ < c
2+ .
Cu 2 +
(K für Kathode, A für Anode, c Konzentration vor Anlegen der Elektrolysespannung)
Nach Aussage der NERNST-Gleichung haben die Konzentrationsänderungen eine Erhöhung des Anodenpotentials sowie eine Erniedrigung des Kathodenpotentials zur Folge:
EA > EK
Den Vorgang der Konzentrationsänderung in der Phasengrenzschicht der Elektrode bezeichnet man als "Konzentrations-Polarisation", wobei als "Polarisation" allgemein alle
Veränderungen einer Elektrodenoberfläche verstanden werden, welche zu Abweichungen vom erwarteten "NERNST-Verhalten" führen (siehe auch: chemische Polarisation,
Überspannungs-Polarisation).
Die Potentialdifferenz an Kathode und Anode bewirkt nun aber eine von Null verschiedene EMK der Größe
A
0,059 c Cu 2+
[Volt ],
lg K
EMK = E A − E K =
2
c Cu 2+
welche der angelegten Elektrolysenspannung entgegengerichtet ist, so dass deren wirksamer
Anteil kleiner wird. Einer vorgegebenen Spannung U entspricht dadurch ein um ∆Ι verringerter Strom als nach dem
OHM'schen Gesetz hätte erwartet werden können. Um die
Konzentrationspolarisation
möglichst weitgehend zu eliminieren, werden die Probenlösungen bei der Elektrogravimetrie nicht nur gerührt, sondern - zur Erhöhung der Diffusionsgeschwindigkeit - auch
erhitzt.
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
173
Um die Elektrolyse trotz der durch die Konzentrations-Polarisation verursachten "Gegen-EMK" aufrecht zu erhalten, muss die angelegte Spannung - die man auch als Badspannung oder Klemmenspannung bezeichnet - um den Betrag EMK = EA - EK erhöht
werden:
U = R i ⋅ I + (E A − E K ) [Volt ]
Die bei der elektrolytischen Abscheidung des Kupfers und anderer Metalle ablaufenden
Elektrodenvorgänge werden auch vom Elektrodenmaterial erheblich mitbestimmt.
Nimmt man - wie in der Praxis üblich - anstelle der Kupferbleche Elektroden aus Platin,
so fließt beim Anlegen einer von 0 Volt ansteigender Klemmenspannung zunächst
praktisch kein durch Kupferabscheidung bedingter Strom. Man beobachtet lediglich
einen geringen "Reststrom", der durch Adsorption und Entladung von Gasspuren oder
von Spurenverunreinigungen der Probenlösung hervorgerufen wird. Erst oberhalb einer
bestimmten Spannung, der "Zersetzungsspannung EZ" des Elektrolyten, beginnt die
Metallabscheidung; es fließt
dann
der
entsprechende
Strom. Die Platin-Kathode
wird dabei zur Kupfer-Kathode ("chemische Polarisation" der Elektrode), an der
Anode scheidet sich Sauerstoff ab:
Kathodenvorgang:
Cu 2 + + 2e − → Cu
Anodenvorgang:
2OH − − 2e − → 1 2 O 2 + H 2 O
Nach NERNST erhält man die zugehörigen Elektrodenpotentiale:
0,059
E K = 0,34 +
⋅ lgcCu 2+ + μ Cu [Volt ]
2
pO
0,059
E A = 0,40 +
⋅ lg 4 2 + μ O 2 [Volt ]
4
c OH −
174
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Obwohl die SO42–-Konzentration der Elektrolytlösung bei weitem höher ist als die der
OH–-Ionen, wird an der Anode doch OH– zu O2 oxidiert und nicht SO42– zu S2O82– (Peroxodisulfat): Die letztere Reaktion erfordert ein wesentlich höheres Anodenpotential
(E0 = 2,0 Volt) als die Oxidation von OH– (E0 = 0,40 Volt). Die in den NERNST-Gleichungen aufgeführten Größen μ Cu und μ O2 sind die "Überspannungen" bei der Abscheidung von Kupfer bzw. Sauerstoff an Platin-Elektroden (siehe weiter unten).
Die NERNST-Gleichung für die Anodenreaktion kann zu einem einfacheren Ausdruck
umgeformt werden:
Im Augenblick der O2-Abscheidung ist p O 2 etwa 1 atm.
E A = 0,40 +
0,059
⋅ lgp O 2 − 0,059 ⋅ lgc OH − + μ O 2
4
[Volt ]
Nach Ersatz von c OH − durch das Ionenprodukt des Wassers folgt
K
[Volt ]
E A = 0,40 − 0,059 ⋅ lg W + μ O 2
cH +
(
)
= 0,40 − 0,059 lg10 −14 − lgc H + + μ O 2
= 0,40 + 0,83 + 0,059 ⋅ lgc H + + μ O 2
= 1,23 − 0,059 ⋅ pH + μ O 2
[Volt ]
[Volt ]
[Volt ]
Die Zersetzungsspannung eines Elektrolyten ergibt sich nun - analog der durch Konzentrations-Polarisation verursachten EMK - zu:
EZ = EA - EK [Volt]
Für die Kupfer-Elektrolyse hängt der Zahlenwert von EZ, wie aus den NERNST-Gleichungen hervorgeht, von einer Reihe von Konstanten und Parametern ab:
− E0-Werte für Kathoden- und Anodenreaktion
− pH-Wert und Cu2+-Konzentration
− Überspannungen (diese hängen stark vom Elektrodenmaterial ab).
Das Anion des Elektrolyten spielt dabei also eine große Rolle. Durch die mit dem Fortgang der Elektrolyse auftretenden Konzentrationsänderungen des Elektrolyten steigt die
Zersetzungsspannung laufend an, zwischen Elektrolysebeginn und -ende um den Betrag
∆EZ [Volt]. Dieser Betrag errechnet sich aus den Potentialänderungen der Elektroden:
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
175
∆EZ = EA - EK [Volt]
∆EA = 0,059 ⋅ ∆pH [Volt]
c aCu 2+
0,059
[Volt ]
ΔE K =
⋅ lg e
2
c Cu 2+
mit
und
(
ΔE Z = 0,030 2∆pH − lgc aCu 2+ + lgc eCu 2+
)
[Volt] .
(ca Anfangskonzentration; ce Endkonzentration)
Die Gleichung zeigt, dass ein Metall durch Elektrolyse nicht vollständig abgeschieden
werden kann c eCu 2+ = 0 , da EZ dann gegen -∞ gehen müsste.
(
)
Scheidet man das Kupfer bis auf einen Rest von 0,01 % des Anfangsgehaltes ab, so ändert sich das Kathodenpotential um
0,059
100 0,059
ΔE K =
⋅ lg
=
⋅ lg10 4 [Volt ]
2
0,01
2
= 0,118 [Volt ]
Bei der Abscheidung einwertiger Metallionen ändert sich EK unter diesen Bedingungen
um 0,236 Volt. Die Änderung des Elektrodenpotentials während der Abscheidung bezeichnet man als "Fällungszone" für den abgeschiedenen Stoff. Eine Trennung zweier
Komponenten durch Elektrolyse ist nur möglich, wenn sich deren Fällungszonen nicht
überschneiden (siehe auch bei "Elektrolytische Stofftrennungen").
Zersetzungsspannungen (in Volt) für 1 N Elektrolyte (18°C):
ZnSO4
2,35
CdSO4
2,03
CdCl2
1,88
NiSO4
2,09
NiCl2
1,85
CuSO4
1,49
Cd(NO3)2
1,98
Pb(NO3)2
1,52
AgNO3
0,70
176
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Überspannungs-Polarisation
Wie bereits erwähnt wurde, werden die Elektrodenpotentiale durch Beträge µ beeinflusst, welche zur Abscheidung von Stoffen zusätzlich bei der Klemmenspannung aufgebracht werden müssen. Die erforderliche Klemmenspannung liegt demnach über der
durch die NERNST-Gleichung errechenbaren Zellenspannung - um den Betrag der
"Überspannung". Ursache für die zusätzliche Abscheidungsenergie sind im Allgemeinen kinetische Vorgänge an den Elektroden, die besonders bei der Abscheidung von
Gasen wirksam sind. Die Überspannungsbeträge für die Metallabscheidung sind dagegen so gering, dass sie meist vernachlässigt werden können.
Bei der Elektrolyse von Metallen spielt vor allem das Verhalten des Wasserstoffs eine
große Rolle. Entsprechend seiner Stellung in der elektrochemischen Spannungsreihe der
Elemente sollte seine Abscheidung die der unedleren Metalle in saurer Lösung verhindern.
Die Abscheidung von Gasen an Metall-Elektroden ist ein aus mehreren Einzelvorgängen zusammengesetzter komplizierter Prozess, der sich an der Phasengrenze abspielt:
− Übergang der Ionen aus der flüssigen Phase des Elektrolyten an die feste Phase
der Elektrode,
− Entladung der Ionen,
− Transport des Reaktionsproduktes von der Elektrodenoberfläche durch Diffusion (infolge des Konzentrationsgefälles) oder durch Migration (Wanderung im
elektrischen Feld).
Entladung und Abscheidung von Gasen sind dabei im Allgemeinen wiederum mehrstufige Vorgänge, beim Wasserstoff z.B.
Entladung :
Rekombination :
H + + e− → H
2H
→ H2.
Die kinetische Hemmung solcher Teilvorgänge muss dabei durch Überspannungsbeträge überwunden werden.
Die Größe der Überspannung für die Abscheidung von Wasserstoff (ähnliches gilt für
andere Gase) hängt stark vom Elektrodenmetall sowie von seiner Oberflächenbeschaf-
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
177
fenheit ab: Sie ist für Pd und für Pt, das mit feinverteiltem Platin ("Platinmohr") bedeckt
ist, praktisch gleich Null. Für andere Metalle werden Überspannungen bis zu einigen
100 Millivolt erhalten; bei glatten Oberflächen sind die Beträge jeweils deutlich größer
als bei aufgerauten. Einen besonders hohen Betrag der Wasserstoff-Überspannung liefert mit etwa -1,2 Volt das Quecksilber.
Unter Berücksichtigung der Wasserstoff-Überspannung μ H 2 kann die elektrolytische
Fällbarkeit von Metallionen durch folgende Beziehung ausgedrückt werden:
Ein Metallion Men+ ist abscheidbar, wenn gilt
0,059
E 0 Men + Me +
⋅ lgc Men + > −0,059 ⋅ pH + μ H 2
n
[Volt ]
Das bedeutet:
− Metalle, deren Potentiale positiver sind als das von Wasserstoff, können auch
aus saurer Lösung abgeschieden werden (z.B. Ag, Cu, Bi).
− Metalle, die unedler als Wasserstoff sind, können aus saurer Lösung abgeschieden werden, wenn der Wert für μ H 2 (für blankes Platin und den entstehenden
Metallbelag) dies zulässt. pH-Werte < 4 sind aber nur selten tolerierbar.
− Ist die obige Beziehung für ein Metall nicht erfüllt, so arbeitet man in alkalischer Lösung, gegebenenfalls unter Verwenden von Komplexbildnern, um die
Ausfällung von Hydroxiden zu vermeiden (z.B. Bildung von Amminkomplexen bei der Elektrolyse in ammoniakalischer Lösung).
178
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Arbeitsbedingungen für elektrolytische Einzelbestimmungen
Elektroden:
Kathode: Platin-Netzelektrode mit großer Oberfläche (100-150 cm2), um ein gutes Anhaften des
Metallbelages zu erzielen.
Anode: Bei der kathodischen Metallabscheidung:
Platin-Drahtspirale oder Platin-Netz von geringerer
Oberfläche als die Kathode. Bei der anodischen
Oxidabscheidung: Platin-Blechzylinder.
Spannungsquelle:
Netzgerät für Gleichspannung, ausgelegt für 10 V, 10 A. Messgeräte für Spannung und
Strom (Schaltung siehe Seite 160).
Zur Beschleunigung der Abscheidung und zur Erhöhung der Haftfähigkeit der Beläge
wird die Lösung während der Elektrolyse gerührt und in manchen Fällen erhitzt.
Zusatz-Elektrolyte, Verhalten der Anionen:
Die elektrische Leitfähigkeit des Elektrolyten (innerer Widerstand der Elektrolysezelle
Ri) wird im Wesentlichen durch den Zusatz nicht abscheidbarer Fremdelektrolyte zur
Probenlösung bestimmt. Die abzuscheidenden Metallionen sind im Elektrolysebad im
Vergleich dazu in untergeordneter Konzentration enthalten. Wichtigste Zusatzelektrolyte sind: H2SO4, NH3/(NH4)2SO4-Puffer, NaCN, NaOH, Na2S, HF.
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
179
Bevorzugte Zusatz-Elektrolyte
Element
Ag
CN–
bzw. NH3/NH4+
bzw. H+
Hg (*)
H+
bzw. NH3/NH4+
bzw. CN–
Cu
H+
bzw. NH3/NH4+
Bi (*)
H+
Ni
NH3/NH4+
Co
NH3/NH4+
Cd (*)
CN–
Zn (*)
OH–
Sn (*)
Na2S
Sb (*)
Na2S
Pb (als PbO2)
HNO3
bzw. H+
bzw. HF
Da Platin leicht mit zahlreichen Metallen legiert, muss die Kathode vor der Elektrolyse der in der vorstehenden Tabelle mit (*) gekennzeichneten Elemente vollständig elektrolytisch versilbert oder verkupfert
werden.
Besonders dichte und fest anhaftende Metallbeläge erhält man aus Lösungen, in denen
die Metallionen-Konzentration durch Komplexbildung klein gehalten wird. Auch aus
anionischen Komplexen werden dabei die im Gleichgewicht vorhandenen Metallkationen abgeschieden:
[Zn(OH)4]2– + 2e–
Zn + 4 OH–
[Cd(CN)4]2– + 2e–
Cd + 4 CN–
SO42–: Verhält sich bei der Elektrolyse weitgehend indifferent. Reduktion zu SO32–
ist stark gehemmt und findet praktisch nicht statt; Oxidation zu S2O82– ist
wegen der zu geringen Stromdichte nicht möglich.
NO3–:
Prinzipiell Reduktion zu NO2–, NO und NH4+ möglich; der Vorgang verläuft
aber langsam, so dass Störungen bei raschem Elektrolysieren gering bleiben.
NO2–, das anodisch zu NO3– reoxidiert wird, kann durch Zusatz von Harnstoff aus dem Gleichgewicht entfernt werden:
2 HNO2 + CO(NH2)2
2 N2 + CO2 + 3 H2O.
180
Cl–:
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Wird anodisch zu Cl2 oxidiert. Wegen der guten Löslichkeit gelangt das Cl2
an die Kathode, wird dort wieder zu Cl– reduziert und bewegt sich im
Kreislauf zwischen Anode und Kathode.
)
(
Das Redox-Potential des Chlors ist sehr positiv E Cl Cl− = +1,36 Volt ; in
2
chloridhaltiger Lösung können deshalb nur wenige Stoffe reduziert werden,
deren Potential positiver ist als das des Chlors. Entsprechend werden nur
solche Stoffe in Gegenwart von Chlorid anodisch oxidiert, deren Potential
negativer ist als das des Chlors. So kann Pb2+ in chloridhaltiger Lösung
nicht als PbO2 abgeschieden werden E PbO Pb 2+ = +1,46 Volt .
2
Weitere Störungen durch Cl– entstehen dadurch, dass die Platin-Anode
durch Cl2 angegriffen wird, wobei aufgelöstes Platin auf der Kathode abgeschieden wird und das Analysenergebnis verfälscht.
(
)
Chloridhaltige Probenlösungen müssen deshalb vor der Elektrolyse mit konzentrierter Schwefelsäure abgeraucht werden. Aus Chloridspuren gebildetes
Chlor kann durch Zusatz von Hydrazin zur Probenlösung aus dem RedoxGleichgewicht entfernt werden.
Elektrolytische Trennung von Stoffgemischen
Die Trennung und elektrogravimetrische Analyse von Elementgemischen ist eine häufig
vorkommende analytische Aufgabe. Arbeitet man - wie allgemein üblich - mit praktisch
konstantem Elektrolysestrom, so werden die Metalle entsprechend ihrer Stellung in der
Spannungsreihe nacheinander abgeschieden: Zuerst das edelste, dann die weniger edlen.
Eine quantitative Trennung ist dabei nur möglich, wenn sich die Fällungszonen der Elemente nicht überschneiden und die Klemmenspannung so eingestellt wird, dass nur die
Zersetzungsspannung des jeweils edelsten Elementes überschritten wird.
Beispiel:
Aus einer Lösung, die Ag+ und Cu2+ zu je 10-2 mol L-1 enthält, soll das
Silber elektrolytisch so weit abgeschieden werden, dass nur noch
10-6 mol L-1 in der Lösung zurückbleiben. Durch Rechnung soll überprüft
werden, ob sich die Fällungszonen der Elemente überschneiden.
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
181
Entscheidend für die Metallabscheidung ist das Kathodenpotential; es wird durch das
Normalpotential des abgeschiedenen Metalls sowie durch die jeweilige Konzentration
der zugehörigen Metallionen bestimmt.
EK zu Beginn der Ag-Abscheidung:
E K = E Ag + Ag = 0,799 + 0,059 ⋅ lg10 −2
= 0,799 − 0,118 = 0,681
[Volt ].
EK am Ende der Ag-Abscheidung:
E K = E Ag + Ag = 0,799 + 0,059 ⋅ lg10 −6
= 0,799 − 0,345 = 0,445
[Volt ]
[Volt ]
[Volt ].
EK zu Beginn der Cu-Abscheidung:
0,059
⋅ lg10 − 2
Cu
2
= 0,345 − 0,059 = 0,286 [Volt ].
E K = E Cu 2+
= 0,345 +
[Volt ]
Während der Elektrolyse muss also dafür gesorgt werden, dass das Kathodenpotential
möglichst nicht negativer wird als etwa 0,4 Volt; dann ist die gewünschte Trennung
möglich.
Mit Hilfe "potentialkontrollierter" Elektrolyseverfahren können vielfach auch Stoffe
voneinander getrennt werden, deren Potentiale sich nur wenig unterscheiden. Dazu wird
das Kathodenpotential während der Elektrolyse fortlaufend gemessen und der Elektrolyseprozess im geeigneten Moment unterbrochen.
182
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Eine solche Messung ist möglich, wenn man die EMK zwischen der Kathode und einer
in unmittelbarer Nähe der Kathode angebrachten Bezugselektrode registriert (siehe
Praktikumsaufgabe "Potentiometrie"). Im Verlaufe der Metallabscheidung erhält man
einen Potentialverlauf, der demjenigen potentiometrischer Titrationskurven analog ist
und ebenso anhand der NERNST-Gleichung berechnet werden kann. Bei MetallionenGemischen erkennt man an der Größe des Potentialsprunges zwischen den Fällungszonen die Güte der Trennung.
Eine Begrenzung des Kathodenpotentials ist im Allgemeinen auch erforderlich, um die
Abscheidung von Wasserstoff zu vermeiden oder wenigstens in Grenzen zu halten. Intensive Wasserstoff-Bildung behindert vielfach die quantitative Metallabscheidung und
verursacht poröse und mechanisch nur wenig stabile Beläge.
Für die elektrolytische Stofftrennung im Routinelaboratorium verwendet man häufig
Geräte, an denen das Kathodenpotential vorgegeben werden kann und dann während
des gesamten Elektrolyseprozesses konstant gehalten wird ("Potentiostat"). Sie ermöglichen saubere Trennungen ohne ständige Beobachtung des Potentialverlaufs.
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
183
In Fällen, in denen störende Komponenten in der Probenlösung selektiv komplexiert
werden können, erzielt man auch ohne aufwendige Potentialkontrolle u.U. gute Trennungen.
Beispiel:
Kupfer und Bismut besitzen sehr ähnliche Normalpotentiale:
E 0 Cu 2+ Cu = +0,345 [Volt ]
E 0 BiO+
Bi
= +0,320
[Volt ]
Auf Zusatz von Cyanid zu einer Cu2+ und BiO+ enthaltenden Lösung entsteht der sehr
stabile Cyanokomplex des einwertigen Kupfers, während Bismut keinen entsprechenden Komplex bildet:
Cu2+ + 5 CN–
[Cu(CN)4]3– + 1/2 (CN)2 .
Durch die große Komplexstabilität ist die Konzentration an Cu2+ so stark herabgesetzt,
dass eine Kupferabscheidung erst bei einem Kathodenpotential um -1Volt beginnt.
Die im Praktikum durchzuführende Trennung von Kupfer und Nickel gelingt ebenfalls
ohne Potentialkontrolle, weil Cu edler, Ni unedler als Wasserstoff ist.
E 0 Cu 2+ Cu = +0,345 [Volt ]
E0H +
H2
E 0 Ni 2+
Ni
= 0
= −0,250
[Volt ]
[Volt ]
Die nach vollständiger Abscheidung des Kupfers auftretende Potentialerniedrigung
führt allenfalls zur Entladung des in der sauren Lösung stark überschüssigen H+, nicht
aber zur Abscheidung von Ni. Erst nach Abtrennung des Kupfers wird die H+-Konzentration durch Zusatz an Ammoniak so weit gesenkt, dass das Potential des Nickels größer wird als − 0,059pH + μ H 2 [Volt ] (siehe Seite 168). Ni kann dann störungsfrei abgeschieden werden.
Problematisch ist dagegen die Metallabscheidung aus eisenhaltigen Probenlösungen.
Hier müssen zwei Normalpotentiale unterschieden werden:
E 0 Fe2+ Fe = −0,44 [Volt ]
E 0 Fe3+
Fe2+
= +0,771
[Volt ]
184
Instrumentelle Bestimmungsverfahren
Bevorzugt vor einer Fe-Abscheidung aus Lösungen mit Fe2+ ist also die anodische Oxidation zu Fe3+, in Lösungen mit Fe3+ die kathodische Reduktion zu Fe2+. Ähnlich wie
beim Redoxpaar Cl2/Cl– wird auch Eisen "im Kreis elektrolysiert", wobei andere Metallionen mit Normalpotentialen <0,771 Volt unabgeschieden in der Probenlösung bleiben. Dies gilt etwa auch für Kupfer E 0 Cu 2+ Cu = +0,345 Volt . Zur elektrogravimetrischen Kupferbestimmung in eisenhaltigen Lösungen muss das Eisen zuvor - etwa durch
Extraktion - abgetrennt werden.
(
)
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