WBT2016Vortrag_Schirra - DLR Rheinpfalz - in Rheinland

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Dr. Karl-Josef Schirra
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Die Kirschessigfliege: Strohfeuer oder Dauerbrenner?
DLR Rheinpfalz, Institut für Phytomedizin, Dr. Karl-Josef Schirra
2011 wurde die Kirschessigfliege Drosophila suzukii erstmals in wenigen Exemplaren in
Deutschland nachgewiesen, unter anderem in Rheinland-Pfalz im südpfälzischen Siebeldingen. Drei Jahre später verursachte der mittlerweile fast bundesweit verbreitete Schädling bereits in vielen Obstkulturen und Rebflächen des Bundeslandes massive wirtschaftliche Schäden. Im Weinbau konzentrierten sich die Schäden auf verschiedene Rotweinsorten. Zu nennen
sind unter anderem die Sorten Acolon, Cabernet Dorsa, Dornfelder, Dunkelfelder, Frühburgunder, Portugieser, Regent und St. Laurent. Weißweine, aber auch Spätburgunder, wurden
nur vereinzelt und in geringem Maße von der Fliege geschädigt. Insgesamt wurden 17 gängige
Sorten in regelmäßigen Stichproben auf Eiablage und Befall an den Beeren ausgewertet. Die
Befallshäufigkeit lag 2014 bei knapp 8 Prozent. Zugelassene Mittel für einen Insektizideinsatz
waren 2014 SpinTor (Wirkstoff Spinosad) sowie Piretro Verde (Wirkstoff Pyrethrine).
Günstige Witterungsbedingungen in 2014!
Mitverantwortlich für den gebietsweise starken Populationsaufbau der Kirschessigfliege waren
die Witterungsbedingungen ab Jahresmitte. Seit Ende Juni traten in vielen Regionen der Pfalz
zum Teil heftige Niederschläge auf, die sich bis September/Oktober regelmäßig wiederholten
und zu anhaltend feuchten Bedingungen in den Rebanlagen führten. Zusammen mit den im
gleichen Zeitraum moderaten Temperaturen waren dies optimale Voraussetzungen für einen
starken Populationsaufbau der Kirschessigfliege. Im Verlauf der Lese trat an geschädigten
beziehungsweise verletzten Trauben zusätzlich überdurchschnittlich häufig Essigfäule auf,
was zu weiteren massiven Qualitätsverlusten bis zum Totalausfall einzelner gelesener Kontingente führte. Neben der Kirschessigfliege bereiteten weitere fäulnisfördernde Faktoren wie
beispielsweise aufgeplatzte Beeren, Mäuse- oder Wespenfraß zusätzliche Probleme. Das
Jahr 2014 wird in den meisten deutschen Anbaugebieten als ein „Fäulnisjahr“ in die weinbauliche Geschichte eingehen.
Die Befürchtungen für 2015 waren sehr groß!
Seit 2012 werden im Institut für Phytomedizin spezielle Köderfallen an ausgewählten Standorten montiert und kontinuierlich auch über die Wintermonate ausgewertet, um das Auftreten der
Kirschessigfliege im Gebiet dokumentieren zu können. Aufgrund von zahlreichen Fliegenfängen im Dezember/Januar 2014/2015 war zu befürchten, das 2015 ein vergleichbar problematisches „Kirschessigfliegenjahr“ werden könnte wie 2014. An einigen Standorten im Bereich
des Weinbiet (Pfälzer Wald) wurden beispielsweise im Januar innerhalb von drei Wochen zwischen 2.500 und mehr als 3.000 Kirschessigfliegen pro Falle erfasst. Die außergewöhnliche
Witterung im weiteren Jahresverlauf spielte mit eine entscheidende Rolle, dass diese Befürchtungen nicht eintraten! Im Frühjahr waren bis in den Juni regelmäßig sehr kühle Nächte mit
Temperaturen im einstelligen Bereich zu verzeichnen. Dies führte mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass sich der Populationsaufbau der Kirschessigfliege im Vergleich zu 2014 deutlich
verzögerte und weniger Generationen entwickelten als im Vorjahr. Hierauf deutet auch die
Tatsache, dass 2015 die ersten reifen Eier in weiblichen Kirschessigfliegen erst Mitte April
nachgewiesen wurden, etwa 4 Wochen später als 2014. Eine erste Eiablage wurde 2015 Mitte
Mai an Efeufrüchten nachgewiesen. Im Jahr zuvor wurden die ersten Eier bereits Anfang April
ebenfalls an Efeufrüchten gefunden. In der Folge führte der überdurchschnittlich trockene und
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anhaltend heiße Sommer in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz zu Bedingungen, die den Populationsaufbau der Kirschessigfliege zusätzlich einschränkte.
Kirschessigfliegen (n)
25000
2014 Pfalz
20000
2015 Pfalz
15000
10000
5000
0
Abbildung 1: Fallenfänge der Kirschessigfliege im Jahresverlauf, Vergleich 2014 und 2015
2014: - Reife Eier ab Mitte März
- Erste Eiablage Anfang April
2015: - Reife Eier ab Mitte April
- Erste Eiablage Mitte Mai
Abbildung 2: Weibchen der Kirschessigfliege mit reifen Eiern (Pfeil)
(Foto: S. Alexander)
Konstruktive Zusammenarbeit mit der weinbaulichen Praxis
Aufgrund der Erfahrungen aus dem Jahr 2014 wurde das Monitoring mit Köderfallen 2015 in
Kooperation mit der weinbaulichen Praxis ausgeweitet. Insgesamt 18 Winzerinnen und Winzer
erklärten sich bereit, über die Vegetationsperiode jeweils zwei Köderfallen pro Standort zu
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betreuen. Hierzu wurden die Teilnehmer von Mitarbeitern des Instituts für Phytomedizin im
Vorfeld am DLR Rheinpfalz speziell geschult. Pro Standort wurden zwei Köderfallen montiert.
Die Standorte wurden den jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasst und von den Winzerinnen und Winzern ausgewählt. Je eine Falle wurde im Umfeld von geeigneten Rebflächen
(gefährdete Rotweinsorten, möglichst mit Befall im Vorjahr) und eine weitere in einer Hecken/Gehölzzone beziehungsweise einer Saumstruktur mit entsprechenden Wirtspflanzen der Kirschessigfliege aufgehängt. Die Fallenmontage erfolgte Anfang Juli. In der Regel wurden die
Fallen in wöchentlichen Intervallen ausgewertet. Erfasst wurden die mit einer Lupe gut zu erkennenden Männchen der Kirschessigfliege. Die Auswertungen 2015 ergaben, dass in der
Regel nur geringe bis keine Fliegen in den Köderfallen der Rebflächen erfasst wurden. Demgegenüber waren an einigen Standorten (Hochdorf, Dackenheim, Dirmstein) auffallend hohe
Fänge im Bereich von Saumstrukturen und gleichzeitig deutlich geringere Fänge in den entsprechenden „Weinbergsfallen“ zu verzeichnen. Die in der Praxis erfassten Männchenfänge
wurden zeitnah und für jedermann zugänglich auf die Internetseite des DLR Rheinpfalz unter
„Warndienst/Weinbau“ eingestellt.
Abbildung 3: Mit Köderfallen erfasste Männchen der Kirschessigfliege.
Heckenbereich (oben) und entsprechende Rebfläche (unten), Beispiel Dackenheim 2015
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Umfangreiche Beerenauswertungen brachten zusätzliche Sicherheit!
Ab Reifebeginn wurden von gefährdeten Rebsorten an ausgewählten Standorten fortlaufend
und in kurzen Abständen stichprobenartig Beeren entnommen und im Labor auf Eiablage untersucht. Die Probennahmen wurden in der Pfalz auf 23 Rebsorten ausgeweitet. Insgesamt
wurden im Labor etwa 9.000 Beeren auf Eiablage und Larvenschlupf bzw. Schlupf der Folgegeneration ausgewertet. Die Zahl an mit Eiern belegten Beeren war signifikant geringer als
2014 und betrug zwischen 0,37 % (vor der Lese) und etwa 1,2 % (inklusive Proben von hängengebliebenen Trauben nach der Lese).
Aufgrund des äußerst geringen Befallsdrucks war im Anbaugebiet Pfalz nur in Ausnahmefällen
eine Insektizidbehandlung gegen die Kirschessigfliege notwendig. Neben SpinTor und Piretro
Verde war 2015 zusätzlich das Mittel Mospilan (Wirkstoff Acetamiprid) gegen den Schädling
zugelassen. Der für die weinbauliche Praxis positive „Befallseinbruch“ in 2015 hatte leider negative Auswirkungen auf das Forschungsprogramm an fast allen Institutionen deutschlandweit, so auch im Institut für Phytomedizin am DLR Rheinpfalz: Die umfangreich geplanten und
teilweise begonnenen Freilandversuche zur Wirkung von Insektiziden und alternativen Produkten konnten in der Regel nicht durchgeführt beziehungsweise ausgewertet werden. Der
Befallsdruck war hierfür zu gering.
Trotz dieser erfreulichen Entwicklung in 2015 muss dringend davor gewarnt werden, die Kirschessigfliege als einmaliges „Strohfeuer“ einzustufen und sich in Sicherheit zu wiegen! Man
sollte eher von einem von Jahr zu Jahr neu zu bewertenden „Dauerbrenner“ ausgehen! Die
Erfahrungen im benachbarten Ausland wie zum Beispiel in Südtirol bestätigen dies eindringlich: nach einem starken Befallsjahr 2011 folgten mit 2012 und 2013 zwei relativ entspannte
Jahre. Das Jahr 2014 war dann, wie in vielen deutschen Anbaugebieten auch, in Südtirol geprägt durch massive Schäden und Ertragsverluste. Die Karten werden also für jedes Jahr neu
gemischt!
Weibchen mit sklerotisierten
Zähnen am Eiablageapparat
Männchen mit
charakteristischen
Flügelflecken
Rote Augen sind kein Artmerkmal!
Weitere Fragen? Dr. Karl-Josef Schirra, Tel. 0 63 21/6 71-3 50, [email protected]
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