18. Internationales Philosophie-Kolloquium Evian 15.-21

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18. Internationales
Philosophie-Kolloquium Evian
15.-21. Juli 2012
Kontingenz – Zufall, Glück, Widerfahrnis
La contingence – hasard, chance, événement
Contingency – Chance, Luck, Haphazardness
THEMA
Kontingent ist, was auch anders oder gar nicht sein könnte, was also weder notwendig noch unmöglich ist. Das
Kontingente ist das Feld dessen, was weder durch logische oder metaphysische Prinzipien noch durch Schicksal
oder göttliche Vorsehung vollständig bestimmt ist: das Feld des Veränderlichen und Veränderbaren, und mithin
das Feld des menschlichen Handelns. Weil dieses Handeln im Reich des Kontingenten stattfindet, ist jede praktische Selbstreflexion mit Kontingenz als konstitutivem Problem konfrontiert: Praktische Vernunft, rationale
Planung und freier Entschluss sind an die unkontrollierbare Kontingenz von Zufall, Glück und Widerfahrnis gebunden. Zufall, weil die Folgen des Handelns sich aufgrund der unüberschaubaren Wirkungen akzidenteller
Begleitursachen nicht vollständig voraussehen oder erklären lassen; Glück, weil die Verwirklichung intendierter
Ziele oder Haltungen oft nur durch das Entgegenkommen der Welt, durch die zufällige Koinzidenz von Ereignissen hinter dem Rücken des Handelnden, zustande kommen kann; Widerfahrnis, weil das gute Leben selbst,
eingerahmt durch die Ur-Widerfahrnisse Geburt und Tod, stets mit dem zu rechnen hat, was im Kleinen und im
Großen über uns hereinbricht, so dass man in einer unsere Begriffe von Tugend und Gerechtigkeit herausfordernden Weise Glück (fortuna, luck, chance) zum Glück (beatitudo, happiness, bonheur) braucht.
Das Spannungsverhältnis von Kontingenz und Vernunft in der menschlichen Praxis ist in der Geschichte der
Philosophie unterschiedlich bestimmt worden. Es besteht eine von Platon über Leibniz bis zum frühen Wittgenstein reichende Strömung, die Kontingenz als Störfaktor betrachtet, der den Anspruch auf vernünftige Erfassung und Ordnung unterminiert und daher ausgeschaltet werden sollte. An dieser Auffassung partizipiert ex
negativo noch der vernunftkritische Diskurs, der – wie bei Nietzsche, Lyotard und Rorty – die Annahme teilt,
dass Kontingenz alle Begründungsprätentionen der Vernunft in Theorie und Praxis aushöhlt. Bereits mit Aristoteles jedoch setzt eine alternative Tradition ein, in der unter anderem Hegel und Derrida stehen und in der
Kontingenz als Basis der Entstehung des Neuen und menschlicher Freiheit insgesamt begriffen wird.
Zahlreiche Debatten auf den unterschiedlichen Feldern der Philosophie widmen sich dem Problem der Kontingenz zwischen diesen Polen: In der philosophischen Betrachtung der Geschichte (Vico, Dilthey, Foucault) diskreditiert die Anerkennung der Kontingenz den Rekurs auf die Notwendigkeiten sozialer Ordnung und historischer Entwicklung (ob nun als Fortschritt oder Verfall); in der politischen Philosophie ist die Kontingenz der
sozialen und politischen Ordnung sogar als Ermöglichungsbedingung von Demokratie verstanden worden (Laclau/Mouffe, Lefort, Rancière). Die Kulturphilosophie und die philosophische Anthropologie haben Institutionen,
Religionen, Traditionen und Kultur als Formen und Praktiken der Kontingenzbewältigung bzw. -bearbeitung in
den Blick genommen (Gehlen, Plessner). In der Ethik (Williams, Nagel) taucht Kontingenz in Gestalt von „moral
luck“, moralischen Dilemmata und „schmutzigen Händen“ auf sowie in der Frage, inwieweit Gerechtigkeit es
gebietet, einen Ausgleich für die Folgen von blindem Zufall, Glück und Widerfahrnissen zu schaffen (Rawls,
Cohen, Dworkin). In der Erkenntnistheorie wird diskutiert, wie sich „epistemic luck“ auf unseren Status als Wissende auswirkt (Sosa, Greco, Pritchard). Die Existenzphilosophie (Kierkegaard, Heidegger, Sartre) schließlich
hat das Sichverhalten zur Kontingenz des eigenen Seins (Geworfenheit) zum Grundmodus menschlicher Existenz erhoben.
Welche Bedeutung hat Kontingenz für ein Selbstverständnis des Menschen in seinen vernünftigen Praktiken?
Das 18. Internationale Philosophie-Kolloquium Evian lädt Philosophinnen und Philosophen an den Genfer See,
um den Begriff der Kontingenz im Spannungsfeld der unterschiedlichen mit ihm verbundenen Bestimmungen
und Fragestellungen zu diskutieren.
Die Internationalen Philosophie-Kolloquien Evian wenden sich an Philosophinnen und Philosophen, die Interesse
an Diskussionen über alle Schulgrenzen hinweg haben. Sie sind als ein Ort gedacht, an dem die Spaltung zwischen kontinentaler und analytischer Philosophie überwunden ist bzw. als Differenz produktiv wird. Für eine
Teilnahme am Kolloquium ist die zumindest passive Beherrschung der drei Diskussionssprachen
Französisch, Englisch und Deutsch unerlässliche Voraussetzung.
18. Internationales
Philosophie-Kolloquium Evian
15.-21. Juli 2012
Kontingenz – Zufall, Glück, Widerfahrnis
La contingence – hasard, chance, événement
Contingency – Chance, Luck, Haphazardness
EINLADUNG
Die Internationalen Philosophie-Kolloquien Evian sind ein Ort der intensiven philosophischen Diskussion und des
philosophischen Miteinanders. Ihr Ziel ist, über die Dauer des gesamten Kolloquiums einen gemeinsamen, sich
fortentwickelnden Gesprächszusammenhang zu schaffen. Aus diesem Grund ist das Kolloquium auf eine Zahl
von etwa 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern begrenzt.
Die Kolloquien sind international ausgerichtet. Inhaltlich liegt ein Schwerpunkt auf der französischen Philosophie
(der Gegenwart) im Besonderen und der kontinentalen Philosophie im Allgemeinen. Diese werden sowohl im
Kontext der deutschen als auch der angloamerikanischen Philosophie diskutiert. Mit dieser Zielsetzung sind die
Internationalen Philosophie-Kolloquien Evian auch als ein Ort gedacht, an dem die Spaltung zwischen kontinentaler und angloamerikanischer Philosophie überwunden ist.
An den Kolloquien kann man sowohl als Vortragende(r) als auch als Diskutant(in) (ohne eigenen Beitrag im
engeren Sinne) teilnehmen. Vorträge können auf Deutsch, Englisch oder Französisch gehalten werden. Sie haben eine Länge von 25, höchstens 30 Minuten. Der thematische Ablauf der Kolloquien wird gemäß den vorgeschlagenen Referaten organisiert (es gibt keine im Vorhinein festgelegten Sektionen). Die Tagungssprachen des
Kolloquiums sind Deutsch, Englisch und Französisch. Alle Teilnehmer/innen können in den Diskussionen, unabhängig von der Sprache des Vortrags, die Sprache sprechen, die sie am besten beherrschen.
Bitte beachten Sie folgende Bedingungen für eine Teilnahme:
-
Passive Kenntnisse aller drei Tagungssprachen: Teilnehmer/innen müssen sich nicht in allen drei Sprachen philosophisch artikulieren können. Sie sollten aber in der Lage sein, Fragen und Diskussionsbeiträge, die in allen drei Sprachen an sie gerichtet werden können, zu verstehen.
-
Interesse an intensiver philosophischer Diskussion: Dies impliziert die Bereitschaft, den eigenen
Vortrag diskussionsfördernd, d.h. möglichst thesenförmig, kurz und klar zu gestalten.
-
Bereitschaft zur Teilnahme während der gesamten Dauer des Kolloquiums.
Call for papers: Vorschläge für Vorträge erbitten wir mit einem kurzen Exposé von maximal einer Seite und einem kurzen akademischen Lebenslauf (maximal zwei Seiten) bis zum 15. März 2012 an folgende EmailAdresse: [email protected].
ORT, UNTERBRINGUNG UND KOSTEN
Das Kolloquium tagt seit 1997 in einer Villa direkt am Ufer des Genfer Sees, dem Centre Jean Foa, das von der
französischen Organisation ADAPT betrieben wird. Im Haus stehen sowohl Doppel- als auch Einzelzimmer, jeweils mit Bad und WC, zur Verfügung. Frühstück sowie ein warmes Mittag- und Abendessen sind im Preis der
Veranstaltung enthalten. Der Beitrag für die Teilnahme beträgt € 350,- in einem Doppelzimmer und € 480,- in
einem Einzelzimmer. Dieser Beitrag deckt Unterbringung und Vollverpflegung für die gesamte Dauer des Kolloquiums. In Härtefällen können besondere Konditionen vereinbart werden.
Mehr Informationen unter: http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/eviancolloquium/
Organisation: Georg W. Bertram (Berlin), Robin Celikates (Amsterdam), David Lauer (Berlin).
In Zusammenarbeit mit: Karin de Boer (Leuven), Karen Feldman (Berkeley),
Jo-Jo Koo (Montreal), Christophe Laudou (Madrid), Jérôme Lèbre (Paris),
Diane Perpich (Clemson), Hans Bernhard Schmid (Wien), Chris Doude van Troostvijk (Strasbourg)
Kontakt: Georg W. Bertram / Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin / Habelschwerdter Allee 30 /
D-14195 Berlin / Tel. ++49-30-838-54083 / Fax. ++49-30-838-52736 / [email protected]
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