Stromnetz • • • • Europäisches Verbundnetz Netztechnologie Intelligentes Netz (Smart Grid) Backup Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Stromnetz + diverse Links http://www.alt.fh-achen.de/index.php?s=downloads&folder=/Vorlesung EV DKE_Normungsroadmap_GER-20 - gV[1].pdf EIKE Klima- Energiekonferenz Muenchen 01.12.2012.pdf Leitfaden_Energiewende_Technology_Review_.pdf 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 1 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 2 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 3 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 4 Europäisches Verbundsystem Das europäische Verbundsystem ist ein europaweites engmaschiges Stromnetz aus Hoch- und Höchstspannungs-Leitungen zur Verteilung von elektrischer Energie. Es existieren zwar in Europa aufgrund der räumlichen Aufteilung mehrere voneinander getrennte Verbundsysteme, im Allgemeinen wird unter dem europäischen Verbundsystem das zentraleuropäische Verbundnetz jener Länder verstanden, welche die ehemalige Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity (UCTE) umfassen („UCTE-Verbundnetz“). Das europäische Verbundsystem wird mit Dreiphasenwechselstrom in Form der Drehstrom-Hochspannungs-Übertragung betrieben, der Austausch von elektrischer Energie erfolgt auf Transportnetzebene mit Hochspannung von 220 kV und 400 kV zwischen den verschiedenen Netzbetreibern. Der Vorteil eines solchen Netzes ist, dass Schwankungen im Verbrauch und in der Erzeugung erheblich besser ausgeglichen werden können, als wenn jedes Land oder Region ein alleinstehendes Stromversorgungsnetz hätte. Jedes Verbundsystem ist dadurch gekennzeichnet, dass darin alle Erzeuger wie Kraftwerke synchron, also mit identischer Netzfrequenz und entsprechender Phasenlage, arbeiten. Dadurch können sie über Umspannwerke direkt elektrisch zusammengeschaltet werden. Wäre bei Wechselspannung die Frequenz bzw. Phasenlage nicht bei allen Erzeugern exakt gleich, wären Kurzschlüsse die Folge. Benachbarte Verbundnetze können zwar mit nominal gleicher Netzfrequenz von beispielsweise 50 Hz ausgestattet sein, durch laufende geringe Schwankungen der Nennfrequenz sind die konkreten Werte allerdings nicht identisch, womit kein direkter elektrischer Verbund hergestellt werden kann. Jedes Verbundsystem ist in mehrere Regelzonen aufgeteilt. Deutschland umfasst beispielsweise vier Regelzonen, Österreich und die Schweiz je eine Regelzone mit je einem Übertragungsnetzbetreiber, welcher als Regelzonenführer auftritt. Aufgabe der Regelzonenführung ist unter anderem, die von den Netzbetreibern vorzuhaltende Regelleistung zu koordinieren. Der Grund liegt darin, dass elektrische Stromnetze, und auch Verbundnetze, elektrische Energie nicht speichern können. Es muss zu jedem Zeitpunkt die erzeugte elektrische Leistung dem nachgefragten elektrischen Verbrauch entsprechen, andernfalls weicht die Netzfrequenz im gesamten Verbundnetz nach oben (zu geringe Nachfrage), bzw. nach unten (zu hohe Nachfrage) ab. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 5 Diese Abweichungen sind auf der Transportnetzebene durch entsprechende Leistungsflüsse als Ausgleich gekennzeichnet und können in Extremfällen zur Überlastung der Leitungen und Transformatoren führen. Kommt es daher zu einer Abweichung, die bestimmte Toleranzschwellen über- oder unterschreitet, muss dies in Rahmen der Netzregelung und über Regelleistung ausgeglichen werden, wobei zwischen den Regelzonen auch elektrische Energie zwecks Bilanzausgleich ausgetauscht werden kann. Damit kann in einem Verbundnetz die vorgehaltene Regelleistung geringer als in kleinen Inselnetzen sein. Im Jahr 2010 wurden beispielsweise im Mittel im gesamten UCTE-Verbundnetz ca. 3 GW Primärregelleistung vorgehalten, der Frequenzgradient der Regelleistung beträgt im europäischen Verbundsystem ca. 20 GW pro Hz Abweichung der Netzfrequenz. Kommt es aufgrund von Bilanzdefiziten zu einer starken Abweichung der Netzfrequenz von der Nennfrequenz, wie beispielsweise bei Unterfrequenz, werden Notmaßnahmen ergriffen, welche in Extremfällen neben Stromausfällen zum temporären Auftrennen des Verbundnetzes in mehrere eigenständige Teilnetze führen kann. Mögliches Zukunftskonzept Als europäisches Supergrid wird ein fiktives europaweites Weitverkehrs-Höchstspannungsnetz bezeichnet. Dieses könnte insbesondere zum Austausch von fluktuierenden, erneuerbaren Energien über weite Entfernungen dienen. So soll es dazu beitragen die regional wetterbedingt unterschiedliche Erzeugung auszugleichen. Der Begriff Supergrid bezeichnet ein großräumiges Übertragungsnetz hoher Kapazität, z. B. zur Anbindung der Offshore-Windkraft in der Nordsee an die Anrainerstaaten (Offshore-Grid). Technisch sind vermaschte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungen (HGÜ) hoher Kapazität mit Stand 2011 nicht realisierbar, und beschränken sich, bis auf wenige Anlagen mit einfachen Abzweigungen, auf Endpunktverbindungen zwischen zwei Stromrichterstationen. In den üblichen vermaschten Wechselspannungsnetzen basierend mit Drehstrom-Hochspannungs-Übertragung steht neben dem Parameter der Knotenspannungen auch davon unabhängig die Phasenlage und damit verknüpft die Parameter der Wirkleistung und Blindleistung zur Verfügung. Allerdings wurde im November 2012 eines der grundsätzlichen Probleme der HGÜ gelöst: Die Firma ABB hat die Entwicklung eines Schalters für Hochspannungs-Gleichstrom bekannt gegeben. Dadurch werden vermaschte HGÜ zukünftig realisierbar. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 6 Zukunftsvision für ein Europäisches Stromnetz 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 7 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 8 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 9 Aufgaben des Stromnetzes Transportnetz, Verteilungsnetz Um die Verbraucher mit elektrischer Energie zu versorgen, benötigt man Leitungen von den Stromerzeugern (Kraftwerken) zu den Verbrauchern. Dazu verwendet man Stromnetze mit verschiedenen, festgelegten Spannungen; bei Wechselstrom sind auch Frequenzen festgelegt. In Europa wird die elektrische Energie mittels Dreiphasenwechselstrom mit einer Netzfrequenz von 50 Hz und einer Netzspannung von im Regelfall bis zu 400 kV im Verbundnetz übertragen. Erst in der Nähe des Verbrauchers wird sie auf eine Niederspannung mit einem Effektivwert von 230 V (Einphasenwechselstrom) bzw. 400 V (Dreiphasenwechselstrom) transformiert. Um große Leistung zu übertragen, werden hohe Spannungen benötigt. Dadurch werden die elektrischen Verluste verringert. Es treten geringere Stromwärmeverluste auf. Hohe Spannungen sind außerdem leichter zu schalten als hohe Ströme und es können dünnere Kabeladern bzw. Leiterseile verlegt werden. Kommunikationsnetz Freileitungsnetze zur Verteilung von Elektroenergie werden auch zur Nachrichtenübertragung eingesetzt: • mittels Trägerfrequenzverfahren auf den Leiterseilen • über die Erdseile • über mitverlegte Nachrichtenkabel (meist Glasfaserkabel) Die Nachrichtenübertragung wird von den Energieversorgern selbst verwendet oder auch anderen Nutzern angeboten. Dabei werden Mess- und Steuerungsinformationen übertragen, mit deren Hilfe in den Leitstellen das Netz gesteuert und überwacht wird. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 10 Funktion der einzelnen Netze Das Übertragungsnetz bedient sich der Drehstrom-Hochspannungs-Übertragung (DHÜ, engl. HVAC). Es verteilt die von Kraftwerken erzeugte und ins Netz eingespeiste Energie landesweit an Leistungstransformatoren, die nahe an den Verbrauchsschwerpunkten liegen. Auch ist es über sogenannte Kuppelleitungen an das internationale Verbundnetz angeschlossen. Das in Europa üblicherweise mit 110 kV betriebene Verteilnetz sorgt für die Grobverteilung elektrischer Energie. Leitungen führen hier in verschiedene Regionen, Ballungszentren zu deren Umspannwerken oder große Industriebetriebe. Abgedeckt wird ein Leistungsbedarf von 10 bis 100 MW. Das Mittelspannungsnetz verteilt die elektrische Energie an die regional verteilten Transformatorenstationen oder größere Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäuser oder Fabriken. Stadtwerke, die ebenfalls kleinere Kraftwerke oft auch mit Kraft-Wärme-Kopplung betreiben, speisen ihren Strom in das Mittelspannungsnetz. Die Niederspannungsnetze sind für die Feinverteilung zuständig. Die Niederspannung wird in Europa auf die üblichen 400 V bzw. 230 V transformiert und damit werden private Haushalte, kleinere Industriebetriebe, Gewerbe und Verwaltungen versorgt. Diese Leitungen werden auch als die letzte Meile bezeichnet. Kleine – etwa private – Photovoltaikanlagen speisen Überschussleistung auf dieser Niederspannungsebene ein. Die Verteiltransformatoren im Mittelspannungsnetz haben im Allgemeinen ein festes Übersetzungsverhältnis. Um trotz der im Laufe eines Tages auftretenden großen Lastschwankungen die Netzspannung beim Verbraucher in etwa konstant halten zu können, kann das Übersetzungsverhältnis der Leistungstransformatoren zwischen Hoch- und Mittelspannungsnetz (z. B. 110 kV/20 kV) in Grenzen variiert werden. Dazu werden von der Primärwicklung mehrere Anzapfungen nach außen geführt. Ein extra dafür gebauter Schalter, ein sogenannter Stufenschalter, erlaubt das Umschalten zwischen den Anzapfungen, ohne den Transformator dazu abschalten zu müssen. Dieser Vorgang wird Spannungsregelung genannt. Für die einwandfreie Funktion vieler Geräte muss die Netzspannung innerhalb enger Grenzen gehalten werden. Zu hohe oder zu niedrige Spannungen können durch Störungen verursacht werden. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 11 Dreiphasenwechselstrom-Übertragung Zur Energieübertragung in Stromnetzen werden aufgrund der Materialeinsparung fast ausschließlich Dreiphasensysteme verwendet. Ausnahmen stellen in einigen Ländern Bahnstromnetze dar, welche historisch bedingt als Einphasennetze aufgebaut sind, und für Verbindung zwischen zwei Punkten unter speziellen Bedingungen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Drehstrom kann in Stromnetzen durch Leistungstransformatoren, üblicherweise als Dreiphasentransformatoren in Umspannwerken ausgeführt, zwischen den verschiedenen Spannungsebenen technisch einfach und mit hohem Wirkungsgrad von über 99 % transformiert werden. Im Gegensatz zu Gleichstromnetzen können Wechselspannungsnetze und somit auch Dreiphasensysteme als vermaschte Netze oder als Verbundnetz betrieben werden, wo mehrere Stromerzeuger an verschiedenen Punkten des Netzes Energie einspeisen und an unterschiedlichen Punkten elektrische Energie für die Verbraucher entnommen wird. Alle Erzeuger müssen dabei synchron arbeiten. Die Steuerung der Leistungsflüsse zur Vermeidung von Überlastungen einzelner Leitungen erfolgt in vermaschten Netzen über die Einstellung der Knotenspannungen und die Beeinflussung der Blindleistung über die Phasenlage. Dazu bestehen in den Leistungstransformatoren Stufenschalter für die Spannungssteuerung, für die Blindleistungsflüsse so genannte Phasenschiebertransformatoren oder Synchrongeneratoren, die als Phasenschieber arbeiten, und Spulen bzw. Kondensatorbatterien zur Blindleistungskompensation. Seit Ende der 1990er-Jahre kommt zur Leistungsflussbeeinflussung auch Leistungselektronik im Rahmen der FlexibleAC-Transmission-Systems (FACTS) zur Anwendung. Bei Gleichspannungsnetzen wie HGÜ fehlt die Möglichkeit, über eine Phasenverschiebung wie bei Drehstrom die Leistungsflüsse in einem Verbundnetz zu steuern. Deshalb kann hohe Gleichspannung derzeit nur für direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen benutzt werden. Der Vorteil von hoher Gleichspannung zur Energieübertragung besteht darin, dass die kapazitiven Ladeleistungen bei langen Leitungen oder Erdkabeln keine Rolle spielen. Deshalb werden HGÜ-Punktverbindungen vor allem bei Freileitungslängen über 750 km und bei Seekabeln von einigen 10 km bis zu einigen 100 km Kabellänge eingesetzt. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 12 Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ist ein Verfahren der elektrischen Energieübertragung mit hoher Gleichspannung. Elektrische Energie wird in Kraftwerken fast immer durch Synchron-Generatoren als Dreiphasenwechselstrom der Frequenz 50 Hz bzw. 60 Hz erzeugt. Die Übertragung großer Leistung, ab etwa 1000 MW aufwärts, über Entfernungen von einigen 100 km über finanzierbare und technisch handhabbare Leitungsdurchmesser erzwingt sehr hohe elektrische Spannungen von über 400 kV, damit die Stromstärke unter rund 2,5 kA bleiben kann. Traditionell wird diese Hochspannung bei Wechselstrom im Kraftwerk mit sehr gutem Wirkungsgrad durch Leistungstransformatoren erzeugt. Am Ende der Freileitung wird sie in Umspannwerken auf niedrigere Wechselspannungen wie 110 kV oder 30 kV heruntertransformiert. Bei der Wechselstromübertragung ist eine der Grundvoraussetzungen, dass die Kapazität zwischen den Leitungen und Erdpotential klein bleibt, um die Blindleistung gering zu halten. Bei Freileitungen lässt sich das durch ausreichenden Abstand erreichen, bei Seekabeln über einigen 10 km Länge erlaubt die kapazitive Belastung keinen wirtschaftlichen Betrieb. In diesem Fall bringt die Übertragung mit Gleichstrom Vorteile, weil es dabei keine Blindleistung gibt. Nachteilig ist der – im Vergleich mit einem Transformator – sehr hohe technische Aufwand für hochspannungstaugliche, aufwendige Stromrichter, die in der sogenannten Konverterhalle oder Stromrichterstation untergebracht sind. Weiterhin besteht die Schwierigkeit, Leistungsflüsse in vermaschten Verbundnetzen zu steuern. In vermaschten Wechselstromnetzen wird die Steuerung der Lastflüsse in einzelnen Leitungen durch gezielte Phasenschiebungen und Blindleistungssteuerung gut beherrscht. Diese Möglichkeit fehlt bei der Gleichstromübertragung, welche grundsätzlich nur Wirkleistung übertragen kann. Deshalb ist die HGÜ bis auf wenige Ausnahmen mit einfachen Abzweigungen nur auf direkte Verbindungen zwischen zwei Punkten beschränkt. Methoden und Techniken zur Realisierung von vermaschten Gleichstromnetzen werden derzeit studiert. Im November 2012 gab die Firma ABB bekannt, einen Gleichstrom-Leistungsschutzschalter für hohe Spannungen und Ströme entwickelt zu haben und in Pilotprojekten einsetzten zu wollen. Der Aufbau eines vermaschten HGÜ-Netzes würde dadurch erheblich erleichtert. Der Schutzschalter besteht aus einer Kombination von elektronischen und mechanischen Elementen. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 13 Bei den verbreiteten Dreiphasendrehstromnetzen sind stets Verbindungen mit mindestens drei Leitersträngen nötig. Demgegenüber kommt die Gleichstromübertragung mit zwei, bei Nutzung der Erde als zweitem Pol sogar nur einem einzigen Leiter aus. Dies spart sowohl beim Leitungsmaterial als auch der Freileitungsanlage (Masten und Isolatoren etc.) hohe Kosten. Die HGÜ erlaubt eine Energieübertragung durch Unterseekabel über lange Strecken. Durch den prinzipbedingten Aufbau eines Kabel mit Außen Abschirmung in Innenleiter hat ein Unterseekabel im Vergleich zu einer Freileitung einen hohen Kapazitätsbelag. Die Umladung dieser Kapazität durch Wechselspannung erzeugt Blindströme, die das Kabel zusätzlich belasten. Bei Drehstromleitungen ist eine Blindleistungskompensation der Leitung erforderlich, damit das Kabel etwa mit der natürlichen Leistung belastet wird. In gewissen Abständen müssen daher Kompensationsspulen entlang der Leitung installiert werden. Deshalb wird ab etwa 70 km Übertragungslänge unter Wasser die HGÜ eingesetzt. Die Unterschiede sind im nebenstehenden Bild gezeigt und werden anhand der Übertragung von 1500 MVA über eine Distanz von 500 km erläutert. • • • Bei einer Freileitung beträgt die gesamte Blindleistung 500·3,8 MVA = 1900 MVA (induktiv). Diese ist also größer als die Wirkleistung, das System ist noch wirtschaftlich. Bei einem Kabelsystem beträgt die gesamte Blindleistung 500·8 MVA = 4000 MVA (kapazitiv). Da diese die Wirkleistung mehrfach übersteigt, ist das System sehr unwirtschaftlich. Bei einer HGÜ beträgt die gesamte Blindleistung 0 MVA. Bei Gleichstrom tritt der Skin-Effekt nicht in Erscheinung, der bei Wechselstrom zur Stromverdrängung an die Ränder des Leitungsquerschnitts führt. Daher können die Leitungsquerschnitte besser ausgenutzt werden als bei einer vergleichbaren Wechselstromübertragung. Bei Gleichspannung treten in der Kabelisolation keine dielektrischen Verluste auf, und Inhomogenitäten führen nicht zu Vorentladungen. Die Isolierung kann deshalb weniger aufwändig ausgeführt sein als für ein Drehstromkabel. Bei Freileitungen sind bei Gleichspannung die Verluste durch Koronaentladungen wesentlich geringer als bei einer gleichhohen Wechselspannung; sie erfordern bei Wechselspannung schon bei niedrigeren Spannungen über etwa 100 kV Bündelleiter, um die Feldstärke an der Leiteroberfläche zu verringern. Während innerhalb eines Wechselstromnetzes zwingend eine Synchronisierung erforderlich ist, entfällt dies bei der Gleichstromübertragung. Darüber hinaus muss im Gleichstromnetz die Isolation nicht auf einen Spitzenwert von ausgelegt werden, da bei Gleichstrom die Spitzenspannung der Effektivspannung entspricht. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 14 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 15 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 16 Komponenten eines Smart Grid 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 17 Kommunikation im Smart Grid 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 18 Aufbau eines intelligenten Stromnetzes (Smart Grid) [Grid = Versorgungsnetz, Verbundnetz, …] Ein intelligentes Stromnetz integriert sämtliche Akteure auf dem Strommarkt durch das Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch in ein Gesamtsystem. Kraft- und Speicherwerke werden bereits heute so gesteuert, dass stets nur so viel Strom produziert wird wie benötigt. Intelligente Stromnetze beziehen in diese Steuerung die Verbraucher sowie dezentrale kleine Energielieferanten und -speicherorte mit ein, sodass einerseits ein zeitlich und räumlich homogenerer Verbrauch entsteht und andererseits prinzipiell inhomogene Erzeuger (z.B. Windkraft) und Verbraucher (z.B. Beleuchtung) besser integriert werden können. Die Stromspeicherung, welche aufgrund der schwankenden Erzeugung erneuerbarer Energien an Bedeutung gewinnt, wird seit langem mit Hilfe von Speicherkraftwerken realisiert. Hinzu kommen beispielsweise dezentrale Speicher wie Fahrzeugakkumulatoren, was jedoch derzeit noch fernab der Kostendeckung ist. Für die Verbraucher ist eine wesentliche Änderung der Einbau von Intelligenten Zählern (auch smart meter). Ihre Kernaufgaben sind Fernauslesung und die Möglichkeit, kurzfristig innerhalb eines Tages schwankende Preise realisieren zu können. Alle Stromzähler müssen also gegen solche mit Datenfernübertragung ausgetauscht werden. Die Datenübertragung zwischen den einzelnen Komponenten läuft in Pilotprojekten meist über TelefonModem – das smart power Projekt in der Schweiz arbeitet dagegen bereits mit ADSL Verbindungen. Der Verbraucher kann jedoch nur dann ohne Komfort-Einbußen Preisvorteile realisieren, wenn er auch über Geräte verfügt, die automatisch vorzugsweise während Niedertarif-Zeiten arbeiten. Dabei handelt es sich um zeitunkritische Prozesse wie Wärmepumpen mit Latentwärmespeichern, Tiefkühlen, Heizen (Elektroboiler), Waschen oder Geschirrspülen. Mit Nachtspeicheröfen und festen Nachttarifen wurde dies bereits vor Jahrzehnten realisiert, moderne Systeme können jedoch flexibler und intelligenter arbeiten, was insbesondere für die Einbeziehung erneuerbarer Energien wichtig ist. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 19 Intelligentes Stromnetz Probleme und Herausforderungen bei intelligenten Stromnetzen In der Schweiz obliegt die Strommessung dem lokalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) im Rahmen des diskriminierungsfreien Netzanschlusses. Diskriminierungsfrei heißt, dass alle Stromkunden gleiche Bedingungen erhalten (also einzelne Kunden weder Sonderrabatt noch Sonderleistungen beziehen dürfen). Die Messinformationen stehen hierbei dem Energielieferanten zu, d. h. sie dürfen derzeit nicht frei zugänglich gemacht werden, insbesondere nicht einem Wettbewerber. Weiterhin ist bei den gewonnenen Messdaten der Datenschutz zu beachten (denn dadurch lässt sich z. B. anhand des Stromverbrauches der Kaffeemaschine erkennen, wann jemand morgens aufsteht). Problematisch ist weiterhin, dass es noch keine überall anerkannten Standards gibt, was gemessen wird, und wie die Daten an ein Ziel übertragen werden. Deshalb werden derzeit in Versuchsanlagen proprietäre Messsysteme eingesetzt, die nicht einfach miteinander kombinierbar oder austauschbar sind. Nach der Einführung von Standards ist möglicherweise ein aufwändiger Wechsel der Systeme notwendig. Beim Projekt smart power wird mit in der IKT üblichen Protokollen gearbeitet. Dadurch lassen sich beliebige nicht proprietäre Systeme kombinieren. Ein populärer Ansatz zur Vermeidung von unterschiedlichen Standards, bedingt durch den Einsatz von unterschiedlichen Gateways, ist die Harmonisierung mittels einer offenen Gateway-Plattform OSGi. Obwohl die Entwicklung und Standardisierung noch läuft, kann man bereits heute ein einfaches eigenes "Smart Grid" bei sich zu Hause installieren. Ein schönes Beispiel hierfür sind Verbrauchsanzeigegeräte und "StandBy Killer" eines Kantonswerkes der Schweiz. Mit diesen Geräten, die über eine Funkverbindung kabellos arbeiten, kann der Kunde. den Stromverbrauch sehen die aktuelle Leistung und er kann abends seine Verbraucher (Fernseher, Video usw.) vom Stromnetz trennen (damit spart man zwischen 20 und 30 Euro pro Jahr). 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 20 Intelligenter Zähler Vorteile Die intelligenten Zähler bieten die Möglichkeit zum besseren Informations- und Kostenüberblick für den Kunden und bedeuten daher eine Sensibilisierung für den Stromverbrauch im Haushalt. Weiterhin kann durch den Stromversorger eine kurzfristigere (zum Beispiel monatliche) Rechnungsstellung gemäß dem tatsächlichen Verbrauch erstellt werden (beispielsweise bei einer Änderung des Tarifs). Gegenüber der bisherigen Zählerablesung durch einen Mitarbeiter oder Beauftragten des Energieversorgers kann bei diesen Zählern die Ablesung elektronisch erfolgen. Bei einer automatischen Zählerablesung kann auch Stromdiebstahl reduziert werden. Darüber hinaus kann der Kunde durch das Verschieben des Zeitraum seines Stromverbrauchs (beispielsweise Waschvorgänge mit der Waschmaschine oder der Wärmepumpe) in Nebenzeiten mit günstigeren Tarifen finanzielle Vorteile erhalten. Der Energieversorger kann eine bessere Lastplanung durch entsprechende Tarifgestaltung und Anreize zur Verschiebung von Stromnutzung weg von Spitzenlastzeiten ermöglichen. Nachteile Erhöhter Energieverbrauch Bedingt durch die zusätzliche Kommunikation kommt es, verglichen mit einem bisher üblichen Ferraris-Zähler zu einem höheren Eigenverbrauch. Datenschutz: gläserner Kunde Der Schutz der Privatsphäre ist fraglich – es besteht das Risiko, dass der Kunde zum „gläsernen Kunden“ wird, sofern Verbrauchsprofile an den Stromlieferanten übertragen werden. Erfassung und missbräuchliche Auswertung der Verbrauchsdaten gestatten weitreichende Rückschlüsse über die Lebensgewohnheiten der Kunden. Aus den Lastkurven lässt sich ablesen: Bewohner steht gegen 6:00 Uhr auf, duscht und frühstückt. Er geht aus dem Haus und kehrt gegen 18:00 Uhr zurück und kocht. Er wäscht und besitzt einen Wäschetrockner. Kurz vor Mitternacht löscht er das Licht. Die Anzahl der Personen im Haushalt folgt aus der Dusch- und Waschfrequenz. Genauere Aussagen ergeben sich aus der Korrelation mit dem Wasserverbrauch. Im Extremfall kann aus den Daten über den Stromverbrauch sogar das konsumierte Fernsehprogramm identifiziert werden. Der Stromverbrauch moderner Fernseher variiert mit der Bildhelligkeit. Ist die zeitliche Sequenz von Hell-Dunkel-Phasen eines Films bekannt, lässt sich diese Signatur mit der Verbrauchskurve korrelieren. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 21 Höhere Kosten für Stromkunden Weiterhin entstehen dem Stromkunden höhere fixe und/oder variable Kosten (Anschaffungskosten für die Zähler und Bereitstellungskosten für die erforderliche Infrastruktur). Laut Deutsche Energie-Agentur wurden 2010 je nach Anbieter einmalig 35 bis 100 Euro und jährlich zwischen 60 Euro und 240 Euro in Rechnung gestellt. Dem stehen im Mittel optimistisch gerechnete Einsparungen von 9 bis 42 Euro gegenüber. Ist des Weiteren ein paralleles Telekommunikationsnetz notwendig und noch keine DSL-Verbindung vorhanden, verbraucht die permanente DSL-Verbindung (Stand 2009/10) pro Jahr rund 131 kWh, ein Kühlschrank kommt im Vergleich auf weniger als 100 kWh im Jahr. Die höhere Systemkomplexität impliziert eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit des Systems. Theoretisch können viele Kunden Teile ihres Stromverbrauchs (zum Beispiel Waschvorgänge mit der Waschmaschine, Wäschetrockner, Sauna, Speicherheizung) in Nebenzeiten verschieben. Finanzielle Vorteile für Kunden durch Verschieben von Stromverbrauch (zum Beispiel Waschvorgänge mit der Waschmaschine, Wäschetrockner, Sauna, Speicherheizung) in Nebenzeiten mit günstigeren Tarifen sind fraglich, da Nebenzeiten gesamtlastabhängig sind, also möglicherweise nur temporär, nicht vorhersehbar und kürzer als ein Geräte-Programmzyklus. Ein durch den Verbraucher bestimmtes, preisgesteuertes Zu- und Abschalten von Verbraucheranschlüssen mit hohem Energiebedarf ist aus Verbrauchersicht wünschenswert jedoch bestehen derzeit keine praktischen Modelle umgesetzter Interoperabilität zwischen verbraucherseitigen Geräten und intelligenten Zählern. Weiterhin sind kurzfristige Preisexplosionen durch spekulative oder tatsächlich hohe Gesamtnachfrage beim Anbieter nicht ausgeschlossen. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 22 Intelligente Zähler ermöglichen den Stromanbietern zielgruppenorientierte Tarife. Zurzeit kann ein Stromanbieter mit jährlicher Verbrauchserfassung nicht unterscheiden, ob ein Kleinverbraucher das ganze Jahr hindurch gleichmäßig wenig Strom verbraucht (etwa: Kühlschrank im Wochenendhaus) oder ob er sein Stromverbrauch überwiegend aus Lastspitzen besteht (z.B. Durchlauferhitzer, Sauna). Intelligente Zähler verschaffen dem Stromanbieter einen großen Informationsvorsprung, den sie zu ihrem Vorteil einsetzen können. Ängste hinsichtlich tatsächlicher oder vermeintlicher Nachteile "intelligenter Zähler" – insbesondere vermuteter gesundheitlicher Risiken durch Elektro-Smog – haben in Kalifornien im September 2010 eine Petitionskampagne ausgelöst, die über ein Moratorium zum totalen Verzicht auf diese Technologie gelangen will. Auch in anderen US-Bundesstaaten wächst inzwischen (2011) der Widerstand gegen geplante Installierungen von Zählern. Sicherheit Derzeit liegen kaum Risikoanalysen vor, welche möglichen Gefährdungen für die kritische und strategische Infrastruktur und letztendlich für die Versorgungssicherheit der Bürger bestehen. Kritisch setzt sich der österreichische Verein „Cyber Security Austria – Verein zur Förderung der IT Sicherheit Österreichs strategischer Infrastruktur“ mit diesem Thema auseinander. Unter anderem wird auch eine Analyse „Smart Metering – Auswirkungen auf die nationale Sicherheit“ bereitgestellt. Siehe hierzu: Das Stromnetz c‘t 2010, Heft 2, Seite 68-73 Fünf nach zwölf c‘t 2013, Heft 15, Seite 16-17 Gefahr im Kraftwerk, Industrieanlagen schutzlos im Internet, c‘t 2011, Heft 13, Seite 78 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 23 Backup (Stromnetz) im Vortrag berücksichtigte Folien 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 24 In Deutschland lag der Primärenergieverbrauch im Jahr 2011 bei rd. 13.500 Petajoule (PJ) (entsprechend 3.753 Mrd. kWh) und der Endenergieverbrauch bei rd. 8.000 Petajoule (PJ), (entsprechend 2.220 Mrd. kWh). Die Energiebilanz für die Bundesrepublik Deutschland weist zwischen Primär- und Endenergieverbrauch Umwandlungsverluste von 35 % aus (Bilanzjahr 2011). Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. (AGEB) 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 25 Verteilung Endenergieverbrauch in Deutschland nach Bereichen 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 26 Hausinstallation mit dem Drehstrom An der häuslichen Steckdose liegt nur jeweils eine der drei Phasen des Drehstroms Schematische Darstellung der einphasigen Stromversorgung im Haushalt: Jeder Stromkreis - mit Ausnahme des Herds, der als starker Verbraucher dreiphasig angeschlossen ist - liegt mit seinem Eingang an einer der drei Phasen und erhält somit die "Strangspannung" von 230 Volt. Da die einzelnen Stromkreise je nach Anzahl und Leistung der gerade angeschalteten Geräte unterschiedlich belastet werden, entstehen Unsymmetrien zwischen den drei Phasen, die über den "Neutralleiter" N ausgeglichen werden. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 27 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 28 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 29 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 30 "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." (Helmut Schmidt einst im Bundestagswahlkampf 1980) 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 31 Backup (Stromnetz) im Vortrag nicht berücksichtigte Folien 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 32 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 33 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 34 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 35 Ferranti-Effekt in Hochspannungsnetzen Der nach seinem Entdecker Sebastian Ziani de Ferranti benannte Ferranti-Effekt tritt in Hochspannungsnetzen auf, wenn lange Freileitungen oder Kabelstrecken mit hoher Betriebskapazität am abnahmeseitigen Ende durch Ausschalten des Leistungsschalters plötzlich entlastet werden, bzw. eine am Ende unbelastete Freileitung oder Kabelstrecke eingeschaltet wird. Ferranti entdeckte bei der Inbetriebnahme des Kraftwerkes in Deptford im Jahre 1890 bei den Funktionsprüfungen (Lastabwurf bzw. Wiederinbetriebnahme) betriebsfrequente Spannungserhöhungen an den Freileitungsabgängen. Ferranti-Effekt für eine 380-kV-Leitung bei 50 Hz (mit L = 1,01 mH/km und C = 11,48 nF/km) Länge Überhöhung 100 km 0,6 % 200 km 2,3 % 300 km 5,4 % 400 km 9,9 % Durch den Ferranti-Effekt treten betriebsfrequente Spannungsüberhöhungen infolge des kapazitiven Ladestroms auf, die von dem Blindwiderstand (Reaktanz) der Freileitung oder der Kabelstrecke abhängen. Damit wird die Netzspannung UE am unbelasteten Ende der Leitung um einen Faktor größer als die Netzspannung am Einspeisepunkt. Die Spannungserhöhungen nehmen zu, je länger die unbelastete Freileitung oder Kabelstrecke l und der damit steigende kapazitive Blindwiderstand XC der Leitung ist. Der induktive Blindwiderstand XL wirkt sich, wie auch der ohmsche Belag der Leitung, reduzierend aus. Beim Zuschalten einer unbelasteten Freileitung oder Kabelstrecke treten noch zusätzlich transiente Vorgänge (Schaltüberspannungen) auf. Wirkt gleichzeitig noch ein einpoliger und durch die Erdschlusskompensation kompensierter Leiter-Erde-Fehler, werden die Spannungsüberhöhungen durch den zusätzlichen Erdfehlerfaktor beträchtlich gesteigert, was zu einer Zerstörung von Anlageteilen führen kann. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 36 Stromnetze Polen und Tschechien wehren sich gegen deutschen Windstrom Schon länger nimmt in Norddeutschland aus Windkraft erzeugter Strom für den Weg nach Süddeutschland einen Umweg – über Tschechien und Polen, und überlastet immer häufiger dort die Netze. Fällt diese Trasse weg, muss Atomstrom aus Tschechien und Frankreich importiert werden. Am 19. Februar war es wieder so weit. Über das tschechische Hochspannungsnetz wälzten sich 2000 MW "deutsche" Elektroenergie. Normal sind es 1000 MW. Der tschechische Netzbetreiber, die staatlich kontrollierte CEPS, musste alle Anstrengung aufwenden, um einen Kollaps der Leitungen zu verhindern. "Das Sicherheitskriterium n-1 war über mehrere Stunden nicht erfüllt", unterstreicht CEPS-Vorstand Miroslav Vrba den Ernst der Lage. Es soll gewährleisten, dass der Ausfall einer Leitung oder eines Transformators nicht auf andere Netzanlagen übergreift und so eine Kettenreaktion auslöst. Dabei hatte CEPS Glück, denn im Nordosten Deutschlands herrschte an jenem Sonntag Flaute. Gut 11 000 MW Windkraft sind dort installiert, bei gutem Wind erzeugen diese Anlagen einen beachtlichen Energiefluss, der schon länger mangels ausreichender innerdeutscher Leitungen über Polen und Tschechien nach Süden transportiert wird. Doch mit der Abschaltung von acht deutschen Atomkraftwerken im März letzten Jahres hat sich die Lage verschärft. Die Frequenz der Krisensituationen ist seitdem stark gestiegen und hält manchmal tagelang an, heißt es unisono bei CEPS und dem polnischen Netzbetreiber PSE Operator (PSE-O). Polen und Tschechien wollen nicht für deutsche Versäumnisse büßen Der im Süden Deutschlands fehlende Strom muss durch Kapazitäten aus anderen Teilen der Republik ersetzt werden, die größtenteils im Nordosten liegen. Doch die bestehenden Leitungen von Nordost nach Süd sind dafür nicht ausgelegt und der Bau neuer Trassen kommt nur schleppend voran. Also nimmt der Strom den Umweg des geringsten Widerstands über Polen und Tschechien. Das ist üblich, abgesichert durch internationale Verträge, doch die Nachbarn im Osten sind immer weniger gewillt, mit ihren Netzen für deutsche Versäumnisse geradestehen zu müssen. Um eine Überlastung zu vermeiden, steuern die Netzbetreiber gegen. Durch das Drosseln und Anfahren von Kraftwerksleistungen, dem sogenannten Redispatch, wird der Stromfluss umverteilt. Doch das verursacht Kosten, die letztlich polnische und tschechische Verbraucher tragen müssen. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 37 Polen zieht die Reißleine Deshalb zieht Polen nun die Reißleine. "Im Zuge der Modernisierung der Umspannwerke in Krajnik und Mikulow planen wir den Einbau von Phasenschiebern", erklärt PSE-O-Sprecher Slawomir Smoktunowicz. Dort enden die Kuppelleitungen aus dem brandenburgischen Vierraden und dem sächsischen Hagenwerder. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Smoktunowicz nennt 2014 als Jahr der Inbetriebnahme. Mit diesen Phasenschiebern, der Spezialform eines Transformators, lässt sich der Stromfluss je nach Bedarf hoch- oder runterregeln. Diese Querregler sind nicht billig, sie haben eine Abschreibung von 40 Jahren. Und sie würden den parallel geplanten Ausbau der Kuppelleitung Vierraden-Krajnik ad absurdum führen. "Darüber wird noch verhandelt", reagiert 50Hertz-Sprecher Volker Kamm zurückhaltend auf die polnischen Pläne. 50Hertz betreibt das angrenzende ostdeutsche Höchstspannungs-Übertragungsnetz. Kramm hofft, die Polen letztendlich zu überzeugen. Im Gespräch ist eine stärkere Beteiligung am Redispatch. Kommen die Phasenschieber, würde das den Druck auf das deutsche Netz erhöhen. Um Überlastungen zu vermeiden, werden vermehrt in Deutschland Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen vom Netz genommen, obwohl diese Kapazitäten erst zuletzt abgeschaltet werden dürfen. 2011 war dies laut 50Hertz bereits an 46 Tagen im Jahr so. "Das ist klimapolitischer und volkswirtschaftlicher Unsinn", wettert Kamm. Der dann fehlende, öffentlich gestützte Strom aus erneuerbaren Energien – für den ein Ausfall an die Anlagenbetreiber gezahlt werden muss – müsste in Süddeutschland durch Atomstrom aus Tschechien und Frankreich ersetzt werden. Deutschland muss den Netzausbau zügig vorantreiben Das dürfte ein Grund für die Zurückhaltung Prags beim dem Thema sein. Premierminister Petr Necas hatte Phasenschieber kürzlich in Berlin sogar als "nicht adäquat" abgehakt. Das Land exportiert jedes Jahr mehr Energie. 2011 waren es mehr als 17 TWh. Und mit dem geplanten Ausbau des KKW Temelín könnte der Export weiter steigen. Dafür kann Tschechien keinen Zwist mit dem deutschen Nachbarn gebrauchen. Insofern passt die polnische Initiative ins Konzept. "Der Einbau eines Phasenschiebers an der deutsch-polnischen Grenze schützt auch den polnisch-tschechischen Übergang", bestätigt CEPS-Vorstand Vrba. Denn während man sich an der eigenen Grenze mit Deutschland den Strom mit einer Kette von Kohlekraftwerken vom Leibe hält, dringt er über den polnischen Umweg ungehindert nach Tschechien. In einem sind sich alle drei benachbarten Netzbetreiber einig: Deutschland muss den geplanten Bau neuer Leitungen zügig umsetzen. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 38 Transformator Turbine 02.07.2013, Alfred Sust Umspannwerk Hochspannungstrassen Walchenseekraftwerk-1 Turbinenhalle Stromnetz Hoover Dam Generator Turbinenhalle 39 Kenngrößen des Wechselstroms Unter dem Effektivwert versteht man in der Elektrotechnik den quadratischen Mittelwert einer zeitlich veränderlichen physikalischen Größe. Die Darstellung für sinusförmige Wechselspannung gilt entsprechend auch für den Strom. 1 = Scheitelwert 2 = Spitze-Spitze-Wert 3 = Effektivwert 4 = Periodendauer links Sinusgröße; rechts quadrierte Sinusgröße mit zugehörigem Mittelwert (gestrichelt) 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 40 Wechselstrom Phasenverschiebung kapazitiv Phasenverschiebung induktiv Leistung-ohmisch Leistung-induktiv Zeitlicher Verlauf von Spannung u, Strom i und Leistung p bei rein ohmschem 02.07.2013, Alfred Sust Zeitlicher Verlauf von Spannung u, Strom i und Leistung p bei rein induktivem Verbraucher Stromnetz 41 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 42 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 43 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 44 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 45 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 46 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 47 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 48 Zeitlicher Verlauf der Spannungen in einem Dreiphasensystem Eine bedeutsame Schaltung der Drehstromtechnik ist die Sternschaltung mit einem Mittelpunkt, der mit einem Neutralleiter N verbunden wird. Dieser führt bei gleichmäßiger Belastung der drei Außenleiter keinen Strom, bei ungleichmäßiger Belastung lediglich die Differenz der Ströme. Eine weitere wichtige Schaltung ist die Dreieckschaltung, in der kein Neutralleiter vorkommt. In Dreiphasensystemen wird die Spannung zwischen zwei beliebigen Außenleitern als verkettete Spannung bezeichnet, die Spannung zwischen dem Neutralleiter und einem beliebigen Außenleiter als Sternspannung. Die Effektivwerte dieser Spannungen stehen zueinander über ein fixes Verhältnis in Bezug, das als Verkettungsfaktor bezeichnet wird und bei Dreiphasensystemen immer den Wert aufweist. In der in Niederspannungsnetzen in Europa üblicherweise verwendeten Spannungen beträgt der Nennwert der Sternspannung 230 V, womit sich zwischen zwei Außenleitern eine verkettete Spannung von ergibt. Die Spannungen von Dreiphasensystemen werden gemäß DIN 40108 nach dem Effektivwert der verketteten Spannung benannt, für die in Europa üblichen Niederspannungsnetze beispielsweise als „400-V-Drehstromnetz“. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 49 Bewertung der Energiewende Vorteile 1. Erhöhung der Versorgungssicherheit durch Dezentralität. Die zunehmende dezentrale Stromerzeugung durch die Energiewende erhöht die Netzstabilität. Der Ausfall einzelner, kleiner Erzeugereinheiten kann besser kompensiert werden als ungeplante Ausfälle von Großkraftwerken. Da allerdings ein Teil der regenerativen Energieerzeuger fluktuierend ins Stromnetz einspeist, können Maßnahmen wie Freileitungs-Monitoring und die Einführung eines Smart Grids notwendig werden, um die Spannung des Stromnetzes stabil zu halten. Auch Virtuelle Kraftwerke, in denen verschiedene regenerative Energieerzeuger sowie gegebenenfalls Abnehmer intelligent vernetzt sind, tragen zur Versorgungssicherheit bei. Zudem können Erneuerbare Energien, insbesondere Photovoltaik, einspringen, wenn konventionelle Kraftwerke im Sommer aufgrund einer zu großen Flusserwärmung durch abgegebenes Kühlwasser gedrosselt bzw. ganz heruntergefahren werden müssen, ein seit längerem bekannter Effekt, der mit Verstärkung der Globalen Erwärmung immer häufiger auftreten wird. 2. Demokratisierung von Produktions- und Distributionsstrukturen (Energiegenossenschaften, Energieautonome Regionen) 3. Vermeidung von Umweltzerstörung bzw. Umweltverschmutzung beim Abbau fossiler Energieträger (siehe Erdölgewinnung, Erdgas, Steinkohlenbergbau, Braunkohlebergbau) bzw. beim Fördern von Uran („Uranabbau“) 4. Vermeidung von Atommüll und von weiteren Risiken der Kernenergie 5. Verringerung der Treibhausgas- und Schadstoffemissionen fossiler Energien 6. Schonung begrenzter Ressourcen wie Erdöl (Peak Oil), Erdgas und Kohle, deren Reichweiten (Stand 2009) 41, 62 bzw. 124 Jahre betragen 7. Größere wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit von Exporteuren fossiler Energieträger bzw. von Uranexporteuren 8. Verminderung der wirtschaftlichen Risiken einer Energieknappheit bzw. einer Energiekrise (z. B. Ölkrise) durch praktisch unbegrenzte Primärenergie 9. Vermeidung von Ressourcenkonflikten, z. B. Ressourcenkriegen 10. Volkswirtschaftliche Vorteile durch eine langfristig betrachtet günstigere Energieversorgung 11. Erhöhung der inländischen Wertschöpfung durch Verringerung von Energieimporten: So betrug die Nettoimportabhängigkeit in Deutschland 2010 laut Bundeswirtschaftsministerium bei der Kernenergie 100 %, bei Naturgasen 81,8 %, bei Mineralöl 97,8 % und bei der Steinkohle 77,0 %. Im Jahr 2011 waren die Erneuerbaren Energien mit einem Anteil von 35 % an der heimischen Primärenergieerzeugung nach der Braunkohle mit 38,5 % Anteil und mit großem Abstand vor Erdgas mit 10,0 % der zweitwichtigste heimische Energieträger. Beispielsweise importierte Deutschland in den ersten 9 Monaten des Jahres 2012 68,9 Mio. Tonnen Erdöl im Wert von 44,7 Mrd. Euro. 12. Da kleinere Kraftwerke ihre Leistung schnell dem Bedarf anpassen können, das Höchstspannungsnetz entlasten, den Abstand zwischen Verbraucher und Kraftwerk reduzieren und zwangsläufig eine höhere Anzahl von Kraftwerken bedingen, wird zudem die Netzsicherheit verbessert. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 50 Bewertung der Energiewende Nachteile 1. Die Produktion von Windkraft, Solar- und in geringerem Maße von Wasserkraftanlagen ist aufgrund ihrer Wetterabhängigkeit deutlich weniger planbar als die von konventionellen Kraftwerken. Um die real benötigte Leistung zu decken, muss daher auf Speichertechnologien, sowie einen Mix von Kraftwerkstypen und eine geographisch weit verteilte Aufstellung der Anlagen zurückgegriffen werden. Problematisch ist dabei in Deutschland der Bau von grundlastfähigen Kraftwerken für die Übergangszeit bis zu einer regenerativen Vollversorgung (ca. 2050) geworden. Insbesondere die Abschaltung von Kernkraftwerken in Süddeutschland führte zur Notwendigkeit der Erweiterung bestehender bzw. des Neubaus von Gaskraftwerken, bis genügend Speicher errichtet sind. Allerdings halten die niedrigen Börsenstrompreise durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien die Stromunternehmen derzeit von der Errichtung von Gaskraftwerken eher ab. Seitens der Stromwirtschaft wird hierfür sogar die Zahlung von staatlichen Zuschüssen geltend gemacht. 2. Bestimmte Arten von Speichertechnologien wie Pumpspeicherkraftwerke haben einen großen Flächenverbrauch. 3. Eine regionale Energiewende in den entwickelten Industriestaaten ohne übergeordnetes internationales Klimaabkommen verkennt das derzeitige globale Allokationsproblem fossilen Energieverbrauchs. Selbst wenn einige Vorreiterländer ihre Energiegewinnung in Richtung CO2-Minimierung oder Vermeidung optimieren, lässt sich dadurch der anthropogene globale CO2-Eintrag in die Atmosphäre nicht reduzieren, falls die Emissionen den Marktbedingungen folgend in andere Staaten verlagert werden, beispielsweise durch Verlagerung der Produktionsinfrastruktur in energiepreisgünstige Regionen der Schwellen- und Entwicklungsländer. Die hierfür notwendigen Mechanismen des Emissionshandels existieren auf internationaler Ebene jedoch noch nicht in ausreichendem Maße. Ausweislich des Jahresberichts der EU-Kommission und einer Studie des niederländischen Umweltforschungsinstituts PBL stiegen die CO2-Emmisionen der exportorientierten Volksrepublik Chinas im Vergleich der Jahre 2010 und 2011 um 9 % auf 7,2 Tonnen pro Jahr und Einwohner. Damit hat China das derzeit leicht fallende CO 2-Eintragsniveau der Europäischen Gemeinschaft in Höhe von derzeit 7,5 Tonnen pro Jahr und Einwohner fast erreicht. Im Vergleich hierzu stieg der weltweite CO 2-Eintrag um 3 %. D. h. energiepreisgünstig, jedoch CO2-emissionsintensiv in den Schwellenländern produzierte Güter werden in die industriell hoch entwickelten Regionen exportiert. 4. Die Photovoltaik ist derzeit (2012) noch deutlich teurer als fossile Energien (und auch als Windenergienutzung), bislang sind die Preise allerdings stetig gesunken (siehe Einspeisevergütung). Ausgelöst wurde diese Preisreduktion durch eine starke Ausweitung der Produktion, durch daraus resultierenden Skaleneffekte, die starke Konkurrenz und technische Weiterentwicklungen ('Lernkurve'). Man rechnet mit weiter sinkenden Kosten pro erzeugtem Kilowatt, auch durch eine Verbesserung des Wirkungsgrades. Auch die Kosten für Windstrom sind in den letzten Jahren stark gesunken und werden voraussichtlich weiter sinken. Zudem kommen immer mehr WEA in ein Alter, in dem sie abgeschrieben sind und dann aus diesem Grund günstiger Strom produzieren können. 5. Flächen- und Nutzungskonkurrenz zwischen Nahrungsmittelerzeugung und Energiepflanzenanbau. In den Industrieländern zunehmend verwendeter Biosprit wird als Mitursache für die zeitweilige starke Verteuerung von Nahrungsmitteln Ende 2007 (sogenannte Tortilla-Krise) angesehen. Daher wird der Einsatz einiger Bioenergien (z. B. Biokraftstoffe wie Bioethanol aus Maisstärke) in Frage gestellt bzw. abgelehnt. Eingewandt wird dagegen, dass die Nahrungsmittelpreise nach 2007 auf in etwa vorherige Werte absanken (siehe FAO Food Price Index). Ein weiterer Ausbau der Bioenergien und der steigende Nahrungsmittelbedarf durch die steigende Weltbevölkerung verschärfen jedoch diese Nutzungskonkurrenz. Zudem sind auch ökologische und andere Aspekte von Bedeutung. In der Zeit von 2007 bis Anfang 2012 verteuerten sich in Deutschland landwirtschaftliche Grundstücke im Schnitt um 25 % – in Ostdeutschland sogar um mehr als 85 %, im Westen um rund 13 %. Es findet laut Bauernverband ein Verdrängungswettbewerb zwischen landwirtschaftlicher Nahrungs- und Energieproduktion statt. 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 51 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 52 Windkraft Deutschland - Halbjahresbericht. Mit knapp 17% Auslastung des gewaltigen Maschinenparks mit über 32.000 MW Spitzenleistung wahrlich kein überragendes, aber auch kein überraschendes Ergebnis! Datenquelle für die Grafiken: EEX 02.07.2013, Alfred Sust Stromnetz 53