ENTSTEHUNG UND ENDE DER WELT Grenz-Schrei & Geschichten des Begehrens DŽEVAD KARAHASAN, Lesung JOHANNES DICKBAUER, Violine HK GRUBER (*1943) Vier Stücke für Violine Solo, op. 11 (1963) Elegie Rhapsodie Notturno Concertino JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750) Sarabande aus der Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 (1720) DŽEVAD KARAHASAN (*1953) „Geburt der Welt“ aus dem Roman „Schahrijârs Ring“ GEORG FRIEDRICH HAAS (*1953) „de terrae fine“ für Violine solo (2001) DŽEVAD KARAHASAN „Geburt des Verrates“ aus dem Roman „Der nächtliche Rat“ STEVE REICH (*1936) Violin Phase (1967) HK GRUBER HK Gruber, 1943 in Wien geboren, begann im Alter von sechs Jahren mit dem Klavierspiel und sang bei den Wiener Sängerknaben, wo er bei Prof. Ferdinand Grossmann eine profunde Gesangsausbildung erhielt, welche die Grundlage für sein späteres Wirken als Chansonnier bildete. Bei Alfred Planyavski und Ludwig Streicher studierte Gruber Kontrabass. Erst verpflichteten ihn die Niederösterreichischen Tonkünstler als Ersten Solo-Kontrabassisten, nach sechs Jahren wurde er vom ORF-Symphonieorchester engagiert, dessen Mitglied er bis 1998 war. Ab 1961 spielte Gruber außerdem im Ensemble „die reihe“. Komposition studierte HK Gruber bei Alfred Uhl und Gottfried von Einem, Letzterer wurde zu einem Freund und Mentor. Wichtig waren für den Musikstudenten auch die Analysekurse bei Erwin Ratz, einem Schüler Schönbergs. Zu den Lehrern an der Musikhochschule zählte auch Hanns Jelinek, der noch in Freundschaft mit Alban Berg verbunden war. Seinen internationalen Durchbruch als Komponist feierte HK Gruber mit dem Pandämonium für Chansonnier und Orchester „Frankenstein!!“ nach Texten des verehrten Dichters und Freundes H. C. Artmann. Die Uraufführung mit einer englischen Übersetzung der Texte dirigierte 1978 Simon Rattle in Liverpool, bis heute ist «Frankenstein!!» das populärste Werk HK Grubers, es wurde auf der ganzen Welt in verschiedenen Sprachen sowohl auf der Bühne als auch konzertant und im Fernsehen aufgeführt. Grubers kompositorisches Schaffen umfasst des Weiteren u. a. zwei Violinkonzerte mit den Titeln „aus schatten duft gewebt“ und „Nebelsteinmusik“, ein für Yo Yo Ma geschriebenes Cellokonzert, ein Konzert für Schlagzeug und Orchester mit dem Titel „Rough Music“, das Trompetenkonzert „Aerial“ für Håkan Hardenberger und das Konzertstück „Dancing in the Dark“, ein Auftragswerk der Wiener Philharmoniker. Zum Musiktheaterschaffen Grubers zählen die Oper „Gomorra“, der Einakter „Gloria von Jaxtberg“ und „der herr nordwind“ nach einem Libretto von H. C. Artmann. HK Grubers pulsierende und energisch melodische und rhythmische Entwicklungen vorantreibende Musik stellt im Prinzip mit unwiderstehlicher Kraft immer tonale Zusammenhänge her, scheut dabei aber nie die Regionen, in denen scharfe Reibungen und heftige Konflikte entstehen. HK Grubers frühen Werken ist noch seine Auseinandersetzung mit der Zweiten Wiener Schule, der Zwölftontechnik und seriellen Techniken anzuhören, die von Hanns Jelinek angeregt wurde, der eine eigene Zwölftontheorie zwischen Reihentechnik und Jazzelementen entwickelte. So sind auch die 1966 von Ernst Kovacic im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts uraufgeführten Vier Stücke für Violine von seriellen Techniken geprägt, die aber verschiedenen musikalischen Ausdrucksformen untergeordnet sind. HK Gruber setzt sich mit lyrischen und dramatischen Prototypen auseinander: Elegie und Notturno auf der einen, Rhapsodie und Concertino auf der anderen Seite. Beide Seiten verschmilzt Gruber aber auch durch thematische Verklammerungen der Außensätze. In der Folge langsam-schnell-langsam-schnell kann man auch eine Anlehnung an die Form der Sonata da chiesa erkennen. Wie immer bei Gruber ist die Musik aber vor allem auch dem instrumentalen Charakter eng anvertraut. JOHANN SEBASTIAN BACH Wie vom Himmel gefallen erscheinen Johann Sebastian Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo, die er 1720 am Hof des musikbegeisterten Prinzen Leopold von Anhalt-Köthen komponierte. Die Werke konzentrieren auf einzigartige Weise einen musikalischen Kosmos mit verschiedensten Gestalten und Formen auf ein einziges Instrument, das zudem ein Melodieinstrument mit an sich eingeschränkten Möglichkeiten zu akkordischem Spiel und polyphonem Verlauf ist. Aber Bach vermochte durch intensive melodische Linienführung große harmonische Räume zu entwerfen und kontrapunktische Wirkungen zu entfachen. Bach war auch als Praktiker ein Universalmusiker, der als Organist und Cembalist seine Zeitgenossen überragte und genauso ein hervorragender Geiger und Bratschist gewesen sein muss. Auf der Geige noch von seinem Vater profund ausgebildet, erhielt er seine erste Musikeranstellung 1703 als Violinist in der Weimarer Hofkapelle, der er später auch als Konzertmeister vorstand. Fingersätze im überlieferten Autograph der Sonaten und Partiten können ein Hinweis darauf sein, dass Bach diese seine höchst komplexen Werke selber spielte. Aber ganz allein vom Himmel gefallen sind Bachs Violinsolowerke doch nicht, da gibt es auch irdische Anknüpfungspunkte. Am Weimarer Hof, an den der junge Bach kam, wirkte auch der Komponist, Geiger, Diplomat und Sprachmeister Johann Paul von Westhoff aus Dresden. Seine virtuose Geigenschule entsprach jener seiner Zeitgenossen Heinrich Ignaz Franz Biber und Johann Jakob Walther, womit die bedeutendsten Geiger dieser Epoche nördlich der Alpen genannt sind. An Westhoffs Stil ist die stark eingesetzte Mehrstimmigkeit auffällig. Westhoff blieb als Geiger und Komponist ganz sicher nicht ohne Eindruck auf den jungen Johann Sebastian Bach. Westhoffs Partiten, die – davon können wir ausgehen – Bach am Weimarer Hof sicher kennen gelernt und gehört, ja vielleicht auch selber gespielt hat, blieben zweifellos in seinem Gedächtnis haften und können auch eine Anregung für ihn gewesen sein, selber Solowerke für die Violine zu komponieren. Als Anreger und Adressaten der Kompositionen kommen aber auch der am Dresdner Hof wirkende Geigenvirtuose Johann Georg Pisendel sowie zwei Köthener Hofmusiker, der „Premier Cammer musicus“ Joseph Spieß und der Geiger und Gambist Christian Ferdinand Abel, in Frage. Freilich setzte sich Bach mit seinen Sonaten und Partiten von allen Violinkompositionen seiner Vorläufer und Zeitgenossen deutlich ab. So war er nicht mehr so stark am akkordischen Satz für die Violine orientiert. Dieser kommt zwar schon noch deutlich zum Tragen, aber Bach erreichte durch die schnelle Abfolge von einstimmigen melodischen Figuren in aufeinander folgenden, verschiedenen Registern den verblüffenden Eindruck von Mehrstimmigkeit. Auch immer wieder nur statuarisch als Akkorde gesetzte mehrstimmige Gebilde wurden in der Spielpraxis von Bachs Zeit sicherlich als Arpeggien aufgefädelt gespielt, womit ein dichtes harmonisches Gewebe entstand. Der polyphone Charakter in Bachs Kompositionen ist zweifellos mit den damals lockerer gespannten Bögen besser zu erfassen und bewältigen gewesen als mit modernerer Bogentechnik. Die d-Moll-Partita ist vor allem durch die sie beschließende, monumentale Chaconne in die Musikgeschichte eingegangen, ein singuläres, alles überragendes Kunstwerk, das die Dimensionen von Solomusik ins Universum aufsprengt. Aber schon die Sarabande erscheint wie ein Monument, wie ein Denkmal, das Bach diesem höfischen Schreittanz setzt. Auch hier überhöht er das vorliegende Tanzmodell durch immer expressiver werdende Figurenfolgen. Bestimmte Takte der Sarabande nehmen schon die Chaconne voraus. Auch in der Formgestaltung bricht Bach schon in diesem Satz alle Konventionen auf. DŽEVAD KARAHASAN Dževad Karahasan wurde als Muslim in Duvno im heutigen Bosnien-Herzegowina geboren. Seine erste prägende Bildung erhielt er von Franziskaner-Patres. Karahasan studierte Theaterwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft in Sarajevo und promovierte in Zagreb mit einer Arbeit über den kroatischen Schriftsteller Miroslav Krleža. An der Akademie für Szenische Künste der Universität Sarajevo lehrte er Dramaturgie und Dramengeschichte. 1993 floh Karahasan aus der im Krieg im ehemaligen Jugoslawien umkämpften Stadt Sarajevo, die in Teilen seines Werkes eine zentrale Rolle spielt. Er war Gastdozent an der Universität Salzburg, Lektor in Göttingen, DAAD-Stipendiat und Gastdozent in Berlin und Stadtschreiber von Graz. 1994 bekam er in Wien den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch verliehen, 1999 den Herder-Preis ebenfalls in Wien, 2004 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, jeweils 2012 wurde er mit der Ehrengabe der Heinrich-Heine Gesellschaft Düsseldorf und mit der Goethe-Medaille des Goethe-Instituts Weimar ausgezeichnet. Auf Deutsch sind von Karahasan erschienen: „Tagebuch der Aussiedlung“, „Der östliche Diwan“, „Königslegenden“, „Schahrijârs Ring“, „Formen des Lebens“ (gemeinsam mit Herbert Gantschacher), „Die Fragen an den Kalender, Essays, Aufsätze, Reden“, „Sara und Serafina“, „Das Buch der Gärten: Grenzgänge zwischen Islam und Christentum“, „Der nächtliche Rat“, „Berichte aus der dunklen Welt“ und „Die Schatten der Städte“. Seine Bücher in deutscher Sprache erscheinen bei den Verlagen Wieser, Galrev, Suhrkamp, Rowohlt, Insel, edition selene. Für ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater schrieb er außerdem mehrere Theaterstücke. Dževad Karahasan lebt in Graz und Sarajevo. Unter dem Titel „Die Geschichte des Begehrens“ greift Dževad Karahasan in seiner heutigen Lesung Passagen aus seinen Romanen „Schahrijârs Ring“ und „Der nächtliche Rat“ heraus. Zum Beispiel das Kapitel „Indien ist fern“. Karahasan taucht in die Apokryphen von Arkad und den Mythos von der Entstehung der Welt aus der Zeit der Sumerer und Syrer ein. Er schildert die verklärte Beziehung zwischen Begehren und Hass von Enki, dem Gott des Meeres, und seinem Gegenstück, seiner Frau Nin’tu, der Herrin der Geburt, die nach ihrer Empfängnis zur Herrin des Gebirges wird. Karahasan zeichnet Judas als Ebenbild unserer menschlichen Existenz, der Wirklichkeit in unserem Dasein, und demgegenüber Jesus als Synonym für das ideale Leben. In seinem Roman „Der nächtliche Rat“ kehrt Simon Mihailovic, Arzt in Berlin, verheiratet mit einer Journalistin, die er 1968 auf einer Demonstration kennengelernt hat, nach einem Vierteljahrhundert in seine Heimatstadt Foca zurück. Es ist Ende August 1991, Gewalt, Angst, Fanatismus, nationalistischer Wahn vergiften die Atmosphäre. Kurz nach seiner Ankunft wird eine frühere Mitschülerin, in die er verliebt war, bestialisch ermordet: Zuhra Cengic, Mitglied einer alten bosnischen Familie. Drei weitere Menschen, die ihm nahestanden, werden auf ungeklärte Weise umgebracht. Der Verdacht fällt auf Simon, den Fremden aus dem Westen. Eines Abends steht Enver Pilav vor der Tür, sein lange verschollener bester Freund, ein Sufi-Mönch. Etwas stimmt nicht mit ihm. In den Tagen und Nächten, die sie träumend und diskutierend miteinander verbringen, geschieht eine Verwandlung: Je tiefer Simon in sich selbst hineingeht, desto mehr vermag er sich einer anderen Welt zu öffnen. Bis er mit Enver in den Barzakh, das unterirdische Zwischenreich, wo sich die Seelen der seit Jahrhunderten Ermordeten versammeln, hinabsteigt, um die große Kette der Gewalt zu durchtrennen. (Klappentext) Im Roman „Schahrijârs Ring“ steht in Sarajevo ein Mann am Fenster und heult den Mond an. Eine junge Frau, die gerade beschlossen hat, die Stadt zu verlassen und nach Venedig zu gehen, bleibt stehen und stimmt ein. So bizarr und nicht ganz von dieser Welt beginnt kurz vor Ausbruch des Krieges die Liebe zwischen Azra und Faruk. Er ist ein schwärmerischer Phantast, sie eine nüchterne, unabhängige Frau, die ihn trotz heftiger Liebe nur schwer erträgt. Von seiner Erotik geht etwas tief Irritierendes aus. Als sei er kein richtiger Mensch. Zwischen ihm und der Realität stehen seine Geschichten, in denen sich die Identität von Ereignissen und Personen dauernd ändert. Nach der Trennung von ihm stößt sie auf seine poetische Hinterlassenschaft: den Kriminalbericht über einen osmanischen Dichter und Sufi-Schüler, der in Istanbul einer Verschwörung zum Opfer fiel, und das sumerische Märchen über einen Dschinn, der durch Liebe Mensch werden will. Während Faruk durch verlassene bosnische Dörfer irrt, erkennt Azra, wer er ist: ein intellektueller Träumer, der sich auf der Suche nach Wahrheit und Selbsterkenntnis die Ideologien jeglicher Couleur zum Feind macht. Sie beschließt, auf ihn zu warten. Zwischen Epochen und Kulturen wechselnd, erzählt Karahasan von der irdischen Unmöglichkeit vollkommener Liebe, von Lüge, Angst und dem umstürzlerischen Geist des Lachens. Zur Zeit der Belagerung Sarajevos geschrieben, ist dieses epische Werk ein leidenschaftlicher Einspruch gegen das Verschwinden des Menschen aus einer Welt, die einmal seine Heimat war. GEORG FRIEDRICH HAAS Georg Friedrich Haas wurde 1953 in Graz geboren und studierte in seiner Heimatstadt bei Ivan Eröd und Gösta Neuwirth sowie in Wien bei Friedrich Cerha. Das Verhältnis des ehemaligen Schülers Haas und seines ehemaligen Lehrers Cerha ist von großer gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Cerha als Doyen der österreichischen Komponisten hat Haas auch für den Großen Österreichischen Staatspreis vorgeschlagen, der Haas 2007 verliehen wurde. Georg Friedrich Haas ist international bekannt und anerkannt „als ein hoch sensibler, fantasiereicher Erforscher der Innenwelt der Klänge“, wie es in einem Porträt von Haas’ Verlag, der Universal-Edition, heißt. Haas beschäftigt sich in seinem Schaffen und in der Theorie mit Mikrotonalität, angeregt und ausgehend von den Pionieren der Vierteltonmusik im 20. Jahrhundert, Ivan Wyschnegradsky und Alois Hába. Das Schöpferische geht bei Haas stets mit besonderer Feinhörigkeit einher, indem er in seinen Werken die etablierte wohltemperierte Skala durch mikrotonale Prozesse aufspaltet und durch das Hervorrufen von Obertonschwebungen eine aufgefächerte Wahrnehmung der Töne ermöglicht. Nachklänge und Übergänge sorgen für meist pausenlos durchgängige Kompositionen, die von einer großen dynamischen Spannweite geprägt sind. Bestimmten im Voraus determinierten formalen Gesetzmäßigkeiten folgt Haas nicht. Die freie Entwicklung des Klanges lässt die Form entstehen. „Ich hoffe, manches in meiner Musik auszudrücken, das nicht nur mich, sondern auch andere Menschen bewegt. Die Trauer über die verlorenen Utopien. Die Sehnsucht nach Frieden und Toleranz. Die Liebe zu dem, was sich in Freiheit entwickelt ...“ so der Komponist. In seinem 2001 entstandenen Solostück für Violine „de terrae fine“ ist die mikrotonale Kompositionsweise eindrucksvoll zu hören. Am Anfang bewegt sich die Musik in Vierteltonmelodien innerhalb des tiefsten Oktavraums der Violine. Die Intervalle verkleinert Haas zum Teil bis zu Sechsteltönen. Es kommt zu Akkordpassagen, in denen die Intervalle auf der Obertonreihe basieren, womit ein extremer Kontrast zwischen diesen natürlich-freien Schwingungen und den in der Enge wandernden Vierteltonschritten entsteht. „Wie aus einer anderen Welt kommend“ (Haas) fallen ungefähr in der Mitte des Stückes reine große Terzen in kleinen mikrotonalen Stufen von einer zur nächsten. Die Spannung und Dynamik nimmt mit hohen, aufsteigenden Glissandi und mikrotonalen Skalen intensiv zu, ehe sie mit einem ruhigen Akkord, aus mehreren Obertönen zusammengesetzt, leise ausklingt. „de terrae fine“ ist geographisch gesehen tatsächlich an einem „Ende der Welt“, am Rande Europas in Irland entstanden. Musikalisch führt das Werk durch die Erforschung der Möglichkeiten der Violin-Register in extreme Situationen und an den Rand von Endpunkten. Das Werk wurde 2001 von Ernst Kovacic beim Festival Klangspuren in Schwaz in Tirol uraufgeführt. STEVE REICH Steve Reich wurde in New York geboren. Ab seinem 6. Lebensjahr erhielt er Klavierunterricht. Mit 14 begann er ein Schlagwerkstudium beim damaligen ersten Paukisten der New Yorker Philharmoniker, Roland Kohloff. Reich studierte an der Cornell University Musik, interessierte sich aber vor allem für Philosophie und insbesondere die logistische Lehre Ludwig Wittgensteins. Durch Privatstudien bei dem Komponisten und Pianisten Hall Overton in New York, der u. a. Arrangements für Thelonious Monk schrieb, bekam Reich enge Kontakte zur amerikanischen Jazzszene. Musiker wie John Coltrane, Miles Davis, Charlie Parker und der Schlagzeuger Kenny Clarke beeinflussten ihn nachhaltig. Viele von Reichs Werken, so die „Desert Music“ und das Sextett, klingen zwar nicht nach Jazz, ihre Entstehung wäre aber nach Aussage des Komponisten ohne die Jazzerfahrungen nicht möglich gewesen. Am Mills College in Kalifornien erhielt Reich Kompositionsunterricht bei europäischen Größen, Darius Milhaud und Luciano Berio. Der Student hatte Schwierigkeiten mit den Erfahrungen der damals modernen Zwölftontechnik und der seriellen Musik. Wenn er eine Zwölftonreihe schrieb, verarbeitete er sie nicht nach den üblichen Möglichkeiten der Umkehrung oder der Transposition, sondern wiederholte sie immer wieder. Luciano Berio stellte daraufhin seinem Schüler die wichtige Frage: „Warum schreibst du nicht tonale Musik, wenn du tonale Musik schreiben willst?“ In der New Yorker Greenwich-Village-Szene um 1965 bekam Steve Reich prägende Impulse im Kreis der minimalistischen Künstler Robert Smithson und Sol Lewitt. Aufführungsgelegenheiten für seine Musik fand Reich damals vorwiegend in Galerien. Er gründete sein erstes eigenes Ensemble: „Steve Reich and Musicians“. In seinen Kompositionen spielte aber auch der Einsatz des Tonbandes eine wichtige Rolle. Reich ließ sich vom Rhythmus der amerikanischen Sprache inspirieren, mit einer Aufnahme der Ansprache eines schwarzen Predigers im Central Park kam es zum entscheidenden Erlebnis. Reich verfertigte zwei gleich lange Tonbandschleifen von den Predigerworten „It’s gonna rain“ und ließ sie auf zwei Tonbandmaschinen gleichzeitig abspielen. Da aber die Bandmaschinen nicht exakt gleich liefen, kam es zu Phasenverschiebungen, aus denen Reich hinkünftig kompositorisches Material gewann: Musikalische Impulse, die in der gleichen Frequenz ablaufen, bilden Akkorde, bei ihrer Phasenverschiebung, die Reich dank der Konstruktion eines elektronischen Geräts erzielen kann, brechen die Akkorde auf und ergeben neue musikalische Verläufe bis hin zu Melodien. Eine kompositorische Herausforderung fand Reich in der Übertragung der Phasenverschiebungen von Tonband-Loops auf live gespielte Musik. Starke Inspiration bezog Reich aus Eindrücken verschiedener Ethnomusik, der er in Ghana in Afrika und durch das Studium der balinesischen Gamelanmusik nachspürte. Daraufhin beeinflusste ihn eine andere musikalische Organisation vorwiegend über den rhythmischen Prozess bei konstant gleichbleibender Harmonik, was in Kompositionen wie „Drumming“ und „Music for Eighteen Musicians“ zur Geltung kommt. In „Violin Phase“ aber bestimmen Schleifen und Phasenverschiebungen das Geschehen, ja sind Ursache und Wirkung des Stückes. Seine magische Wirkung entsteht durch die Wiederholung von Mustern und deren graduelle Verschiebung gegeneinander. Daraus ergeben sich sowohl phasengleiche als auch phasenverschiedene Passagen. Der Geiger spielt in „Violin Phase“ zuerst gegen eine, dann zwei und schließlich drei auf Band eingespielte Muster-Kombinationen. Gegenüber den stationären Band-Phasen beschleunigt der live spielende Geiger das Tempo seines Spiels, wodurch die graduellen Verschiebungen entstehen. Gleichmäßiger Puls der Elektronik und körperlicher Puls des Musikers treffen aufeinander. Texte über die vier Musikwerke: Rainer Lepuschitz Der Dank gilt der Universal-Edition für die Bereitstellung von wesentlichem Material über die Werke von Haas und Reich sowie dem Verlag Boosey and Hawkes für Unterlagen zu Grubers Stück. Quellen für den Text über Karahasan: wikipedia, Humboldt-Universität zu Berlin, Perlentaucher, Insel Verlag JOHANNES DICKBAUER Johannes Dickbauer hat eine große künstlerische Bandbreite. Er ist als klassischer Violinsolist, Kammermusiker, Jazzer, Volksmusikant, Komponist und Arrangeur tätig. Der Schüler von Ernst Kovacic studierte des Weiteren am Curtis Institute of Music in den USA bei Pamela Frank und nahm an Meisterkursen mit Dave Douglas, Uri Caine, dem Guarneri String Quartet, Shmuel Ashkenasi und Claude Frank teil. Der Preisträger des Concours International de Violon von Sion konzertiert als Solist mit Klangkörpern wie der Wiener Kammerphilharmonie, dem Dohnanyi Budafolk Orchester unter der Leitung von Shlomo Mintz und dem Wiener Kammerorchester. Johannes Dickbauer musizierte noch unter der Leitung des legendären Dirigenten und Geigers Yehudi Menuhin. Er gewann zwei Mal den Wettbewerb Musica Juventutis in Wien und konnte in der Folge einerseits mit einem klassischen Programm im Wiener Konzerthaus debütieren, andererseits gemeinsam mit Manu Mayr das Jazz-Duo-Projekt „Cardboard Heroes“ mit großteils selbst komponierten Stücken verwirklichen. Vier Jahre lang war Johannes Dickbauer Mitglied im radio.string.quartet.vienna, welches in kürzester Zeit den Aufstieg in die europäische Jazz-Szene geschafft hat. Für das Quartett komponierte und arrangierte er einige Stücke, die mittlerweile auf vier CD-Alben beim renommierten Label ACT erschienen sind. Johannes Dickbauer war beim Festival 4020 in der Uraufführung des Programms „Is this really Riley“ zu hören und präsentiert gemeinsam mit seinem Onkel, dem Saxophonisten Klaus Dickbauer, und seinem Bruder Stephan Dickbauer das Festival „jazz am bauernhof “ in seiner Heimatgemeinde Kremsmünster. Mit der gemeinsam mit der Geigerin und Bratschistin Lily Francis gegründeten Gruppe KammerConnect konzertierte Dickbauer im Wiener Musikverein und in den USA. osterkonzert GRAFENEGG KLANG TRIFFT KULISSE. G. F. Händel «der Messias» Foto: Sunhae im ©Lilac SONNTAG 31. MÄRZ 2013 · 18.30 UhR · AUdiTORiUM tonkünstler-orcHester niederösterreicH · MattHew Halls dirigent sunHae iM Sopran · katHarina kaMMerloHer Alt · andrew kennedy Tenor Florian boescH Bariton · PHilHarMonia cHor wien grafenegg.com