ENTSTEHUNG UND ENDE DER WELT Grenz

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ENTSTEHUNG UND ENDE DER WELT
Grenz-Schrei & Geschichten des Begehrens
DŽEVAD KARAHASAN, Lesung
JOHANNES DICKBAUER, Violine
HK GRUBER (*1943)
Vier Stücke für Violine Solo, op. 11 (1963)
Elegie
Rhapsodie
Notturno
Concertino
JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750)
Sarabande aus der Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 (1720)
DŽEVAD KARAHASAN (*1953)
„Geburt der Welt“
aus dem Roman „Schahrijârs Ring“
GEORG FRIEDRICH HAAS (*1953)
„de terrae fine“ für Violine solo (2001)
DŽEVAD KARAHASAN
„Geburt des Verrates“
aus dem Roman „Der nächtliche Rat“
STEVE REICH (*1936)
Violin Phase (1967)
HK GRUBER
HK Gruber, 1943 in Wien geboren, begann im Alter von sechs Jahren mit dem
Klavierspiel und sang bei den Wiener Sängerknaben, wo er bei Prof. Ferdinand
Grossmann eine profunde Gesangsausbildung erhielt, welche die Grundlage
für sein späteres Wirken als Chansonnier bildete. Bei Alfred Planyavski und
Ludwig Streicher studierte Gruber Kontrabass. Erst verpflichteten ihn die Niederösterreichischen Tonkünstler als Ersten Solo-Kontrabassisten, nach sechs
Jahren wurde er vom ORF-Symphonieorchester engagiert, dessen Mitglied
er bis 1998 war. Ab 1961 spielte Gruber außerdem im Ensemble „die reihe“.
Komposition studierte HK Gruber bei Alfred Uhl und Gottfried von Einem,
Letzterer wurde zu einem Freund und Mentor. Wichtig waren für den Musikstudenten auch die Analysekurse bei Erwin Ratz, einem Schüler Schönbergs.
Zu den Lehrern an der Musikhochschule zählte auch Hanns Jelinek, der noch
in Freundschaft mit Alban Berg verbunden war.
Seinen internationalen Durchbruch als Komponist feierte HK Gruber mit dem
Pandämonium für Chansonnier und Orchester „Frankenstein!!“ nach Texten des verehrten Dichters und Freundes H. C. Artmann. Die Uraufführung
mit einer englischen Übersetzung der Texte dirigierte 1978 Simon Rattle in
Liverpool, bis heute ist «Frankenstein!!» das populärste Werk HK Grubers, es
wurde auf der ganzen Welt in verschiedenen Sprachen sowohl auf der Bühne
als auch konzertant und im Fernsehen aufgeführt. Grubers kompositorisches
Schaffen umfasst des Weiteren u. a. zwei Violinkonzerte mit den Titeln „aus
schatten duft gewebt“ und „Nebelsteinmusik“, ein für Yo Yo Ma geschriebenes
Cellokonzert, ein Konzert für Schlagzeug und Orchester mit dem Titel „Rough
Music“, das Trompetenkonzert „Aerial“ für Håkan Hardenberger und das Konzertstück „Dancing in the Dark“, ein Auftragswerk der Wiener Philharmoniker.
Zum Musiktheaterschaffen Grubers zählen die Oper „Gomorra“, der Einakter
„Gloria von Jaxtberg“ und „der herr nordwind“ nach einem Libretto von
H. C. Artmann. HK Grubers pulsierende und energisch melodische und rhythmische Entwicklungen vorantreibende Musik stellt im Prinzip mit unwiderstehlicher Kraft immer tonale Zusammenhänge her, scheut dabei aber nie die
Regionen, in denen scharfe Reibungen und heftige Konflikte entstehen.
HK Grubers frühen Werken ist noch seine Auseinandersetzung mit der Zweiten Wiener Schule, der Zwölftontechnik und seriellen Techniken anzuhören,
die von Hanns Jelinek angeregt wurde, der eine eigene Zwölftontheorie zwischen Reihentechnik und Jazzelementen entwickelte. So sind auch die 1966
von Ernst Kovacic im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts uraufgeführten
Vier Stücke für Violine von seriellen Techniken geprägt, die aber verschiedenen musikalischen Ausdrucksformen untergeordnet sind. HK Gruber setzt
sich mit lyrischen und dramatischen Prototypen auseinander: Elegie und
Notturno auf der einen, Rhapsodie und Concertino auf der anderen Seite. Beide Seiten verschmilzt Gruber aber auch durch thematische Verklammerungen
der Außensätze. In der Folge langsam-schnell-langsam-schnell kann man auch
eine Anlehnung an die Form der Sonata da chiesa erkennen. Wie immer bei
Gruber ist die Musik aber vor allem auch dem instrumentalen Charakter eng
anvertraut.
JOHANN SEBASTIAN BACH
Wie vom Himmel gefallen erscheinen Johann Sebastian Bachs Sonaten und
Partiten für Violine solo, die er 1720 am Hof des musikbegeisterten Prinzen
Leopold von Anhalt-Köthen komponierte. Die Werke konzentrieren auf einzigartige Weise einen musikalischen Kosmos mit verschiedensten Gestalten
und Formen auf ein einziges Instrument, das zudem ein Melodieinstrument
mit an sich eingeschränkten Möglichkeiten zu akkordischem Spiel und polyphonem Verlauf ist. Aber Bach vermochte durch intensive melodische Linienführung große harmonische Räume zu entwerfen und kontrapunktische
Wirkungen zu entfachen.
Bach war auch als Praktiker ein Universalmusiker, der als Organist und Cembalist seine Zeitgenossen überragte und genauso ein hervorragender Geiger
und Bratschist gewesen sein muss. Auf der Geige noch von seinem Vater
profund ausgebildet, erhielt er seine erste Musikeranstellung 1703 als Violinist
in der Weimarer Hofkapelle, der er später auch als Konzertmeister vorstand.
Fingersätze im überlieferten Autograph der Sonaten und Partiten können ein
Hinweis darauf sein, dass Bach diese seine höchst komplexen Werke selber
spielte. Aber ganz allein vom Himmel gefallen sind Bachs Violinsolowerke
doch nicht, da gibt es auch irdische Anknüpfungspunkte. Am Weimarer Hof,
an den der junge Bach kam, wirkte auch der Komponist, Geiger, Diplomat und
Sprachmeister Johann Paul von Westhoff aus Dresden. Seine virtuose Geigenschule entsprach jener seiner Zeitgenossen Heinrich Ignaz Franz Biber und
Johann Jakob Walther, womit die bedeutendsten Geiger dieser Epoche nördlich
der Alpen genannt sind. An Westhoffs Stil ist die stark eingesetzte Mehrstimmigkeit auffällig. Westhoff blieb als Geiger und Komponist ganz sicher nicht
ohne Eindruck auf den jungen Johann Sebastian Bach. Westhoffs Partiten, die
– davon können wir ausgehen – Bach am Weimarer Hof sicher kennen gelernt
und gehört, ja vielleicht auch selber gespielt hat, blieben zweifellos in seinem
Gedächtnis haften und können auch eine Anregung für ihn gewesen sein,
selber Solowerke für die Violine zu komponieren. Als Anreger und Adressaten der Kompositionen kommen aber auch der am Dresdner Hof wirkende
Geigenvirtuose Johann Georg Pisendel sowie zwei Köthener Hofmusiker, der
„Premier Cammer musicus“ Joseph Spieß und der Geiger und Gambist Christian Ferdinand Abel, in Frage.
Freilich setzte sich Bach mit seinen Sonaten und Partiten von allen Violinkompositionen seiner Vorläufer und Zeitgenossen deutlich ab. So war er nicht
mehr so stark am akkordischen Satz für die Violine orientiert. Dieser kommt
zwar schon noch deutlich zum Tragen, aber Bach erreichte durch die schnelle
Abfolge von einstimmigen melodischen Figuren in aufeinander folgenden, verschiedenen Registern den verblüffenden Eindruck von Mehrstimmigkeit. Auch
immer wieder nur statuarisch als Akkorde gesetzte mehrstimmige Gebilde
wurden in der Spielpraxis von Bachs Zeit sicherlich als Arpeggien aufgefädelt
gespielt, womit ein dichtes harmonisches Gewebe entstand. Der polyphone
Charakter in Bachs Kompositionen ist zweifellos mit den damals lockerer
gespannten Bögen besser zu erfassen und bewältigen gewesen als mit modernerer Bogentechnik.
Die d-Moll-Partita ist vor allem durch die sie beschließende, monumentale
Chaconne in die Musikgeschichte eingegangen, ein singuläres, alles überragendes Kunstwerk, das die Dimensionen von Solomusik ins Universum
aufsprengt. Aber schon die Sarabande erscheint wie ein Monument, wie ein
Denkmal, das Bach diesem höfischen Schreittanz setzt. Auch hier überhöht er
das vorliegende Tanzmodell durch immer expressiver werdende Figurenfolgen.
Bestimmte Takte der Sarabande nehmen schon die Chaconne voraus. Auch in
der Formgestaltung bricht Bach schon in diesem Satz alle Konventionen auf.
DŽEVAD KARAHASAN
Dževad Karahasan wurde als Muslim in Duvno im heutigen Bosnien-Herzegowina geboren. Seine erste prägende Bildung erhielt er von Franziskaner-Patres.
Karahasan studierte Theaterwissenschaft und Vergleichende Literaturwissenschaft in Sarajevo und promovierte in Zagreb mit einer Arbeit über den kroatischen Schriftsteller Miroslav Krleža. An der Akademie für Szenische Künste
der Universität Sarajevo lehrte er Dramaturgie und Dramengeschichte. 1993
floh Karahasan aus der im Krieg im ehemaligen Jugoslawien umkämpften Stadt
Sarajevo, die in Teilen seines Werkes eine zentrale Rolle spielt. Er war Gastdozent an der Universität Salzburg, Lektor in Göttingen, DAAD-Stipendiat und
Gastdozent in Berlin und Stadtschreiber von Graz. 1994 bekam er in Wien den
Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch verliehen, 1999 den Herder-Preis
ebenfalls in Wien, 2004 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen
Verständigung, jeweils 2012 wurde er mit der Ehrengabe der Heinrich-Heine
Gesellschaft Düsseldorf und mit der Goethe-Medaille des Goethe-Instituts
Weimar ausgezeichnet.
Auf Deutsch sind von Karahasan erschienen: „Tagebuch der Aussiedlung“,
„Der östliche Diwan“, „Königslegenden“, „Schahrijârs Ring“, „Formen des Lebens“ (gemeinsam mit Herbert Gantschacher), „Die Fragen an den Kalender,
Essays, Aufsätze, Reden“, „Sara und Serafina“, „Das Buch der Gärten: Grenzgänge zwischen Islam und Christentum“, „Der nächtliche Rat“, „Berichte aus
der dunklen Welt“ und „Die Schatten der Städte“. Seine Bücher in deutscher
Sprache erscheinen bei den Verlagen Wieser, Galrev, Suhrkamp, Rowohlt, Insel, edition selene. Für ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater schrieb er
außerdem mehrere Theaterstücke. Dževad Karahasan lebt in Graz und Sarajevo.
Unter dem Titel „Die Geschichte des Begehrens“ greift Dževad Karahasan in
seiner heutigen Lesung Passagen aus seinen Romanen „Schahrijârs Ring“ und
„Der nächtliche Rat“ heraus. Zum Beispiel das Kapitel „Indien ist fern“.
Karahasan taucht in die Apokryphen von Arkad und den Mythos von der Entstehung der Welt aus der Zeit der Sumerer und Syrer ein. Er schildert die verklärte Beziehung zwischen Begehren und Hass von Enki, dem Gott des Meeres,
und seinem Gegenstück, seiner Frau Nin’tu, der Herrin der Geburt, die nach
ihrer Empfängnis zur Herrin des Gebirges wird. Karahasan zeichnet Judas als
Ebenbild unserer menschlichen Existenz, der Wirklichkeit in unserem Dasein,
und demgegenüber Jesus als Synonym für das ideale Leben.
In seinem Roman „Der nächtliche Rat“ kehrt Simon Mihailovic, Arzt in
Berlin, verheiratet mit einer Journalistin, die er 1968 auf einer Demonstration
kennengelernt hat, nach einem Vierteljahrhundert in seine Heimatstadt Foca
zurück. Es ist Ende August 1991, Gewalt, Angst, Fanatismus, nationalistischer
Wahn vergiften die Atmosphäre. Kurz nach seiner Ankunft wird eine frühere Mitschülerin, in die er verliebt war, bestialisch ermordet: Zuhra Cengic,
Mitglied einer alten bosnischen Familie. Drei weitere Menschen, die ihm
nahestanden, werden auf ungeklärte Weise umgebracht. Der Verdacht fällt auf
Simon, den Fremden aus dem Westen.
Eines Abends steht Enver Pilav vor der Tür, sein lange verschollener bester
Freund, ein Sufi-Mönch. Etwas stimmt nicht mit ihm. In den Tagen und Nächten, die sie träumend und diskutierend miteinander verbringen, geschieht eine
Verwandlung: Je tiefer Simon in sich selbst hineingeht, desto mehr vermag er
sich einer anderen Welt zu öffnen. Bis er mit Enver in den Barzakh, das unterirdische Zwischenreich, wo sich die Seelen der seit Jahrhunderten Ermordeten
versammeln, hinabsteigt, um die große Kette der Gewalt zu durchtrennen.
(Klappentext)
Im Roman „Schahrijârs Ring“ steht in Sarajevo ein Mann am Fenster und
heult den Mond an. Eine junge Frau, die gerade beschlossen hat, die Stadt zu
verlassen und nach Venedig zu gehen, bleibt stehen und stimmt ein. So bizarr
und nicht ganz von dieser Welt beginnt kurz vor Ausbruch des Krieges die
Liebe zwischen Azra und Faruk. Er ist ein schwärmerischer Phantast, sie eine
nüchterne, unabhängige Frau, die ihn trotz heftiger Liebe nur schwer erträgt.
Von seiner Erotik geht etwas tief Irritierendes aus. Als sei er kein richtiger
Mensch. Zwischen ihm und der Realität stehen seine Geschichten, in denen
sich die Identität von Ereignissen und Personen dauernd ändert. Nach der
Trennung von ihm stößt sie auf seine poetische Hinterlassenschaft: den Kriminalbericht über einen osmanischen Dichter und Sufi-Schüler, der in Istanbul
einer Verschwörung zum Opfer fiel, und das sumerische Märchen über einen
Dschinn, der durch Liebe Mensch werden will. Während Faruk durch verlassene bosnische Dörfer irrt, erkennt Azra, wer er ist: ein intellektueller Träumer,
der sich auf der Suche nach Wahrheit und Selbsterkenntnis die Ideologien
jeglicher Couleur zum Feind macht. Sie beschließt, auf ihn zu warten. Zwischen Epochen und Kulturen wechselnd, erzählt Karahasan von der irdischen
Unmöglichkeit vollkommener Liebe, von Lüge, Angst und dem umstürzlerischen Geist des Lachens. Zur Zeit der Belagerung Sarajevos geschrieben, ist
dieses epische Werk ein leidenschaftlicher Einspruch gegen das Verschwinden
des Menschen aus einer Welt, die einmal seine Heimat war.
GEORG FRIEDRICH HAAS
Georg Friedrich Haas wurde 1953 in Graz geboren und studierte in seiner
Heimatstadt bei Ivan Eröd und Gösta Neuwirth sowie in Wien bei Friedrich
Cerha. Das Verhältnis des ehemaligen Schülers Haas und seines ehemaligen
Lehrers Cerha ist von großer gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Cerha
als Doyen der österreichischen Komponisten hat Haas auch für den Großen
Österreichischen Staatspreis vorgeschlagen, der Haas 2007 verliehen wurde.
Georg Friedrich Haas ist international bekannt und anerkannt „als ein hoch
sensibler, fantasiereicher Erforscher der Innenwelt der Klänge“, wie es in
einem Porträt von Haas’ Verlag, der Universal-Edition, heißt. Haas beschäftigt
sich in seinem Schaffen und in der Theorie mit Mikrotonalität, angeregt und
ausgehend von den Pionieren der Vierteltonmusik im 20. Jahrhundert, Ivan
Wyschnegradsky und Alois Hába. Das Schöpferische geht bei Haas stets mit
besonderer Feinhörigkeit einher, indem er in seinen Werken die etablierte
wohltemperierte Skala durch mikrotonale Prozesse aufspaltet und durch das
Hervorrufen von Obertonschwebungen eine aufgefächerte Wahrnehmung der
Töne ermöglicht.
Nachklänge und Übergänge sorgen für meist pausenlos durchgängige Kompositionen, die von einer großen dynamischen Spannweite geprägt sind.
Bestimmten im Voraus determinierten formalen Gesetzmäßigkeiten folgt
Haas nicht. Die freie Entwicklung des Klanges lässt die Form entstehen. „Ich
hoffe, manches in meiner Musik auszudrücken, das nicht nur mich, sondern
auch andere Menschen bewegt. Die Trauer über die verlorenen Utopien. Die
Sehnsucht nach Frieden und Toleranz. Die Liebe zu dem, was sich in Freiheit
entwickelt ...“ so der Komponist.
In seinem 2001 entstandenen Solostück für Violine „de terrae fine“ ist die mikrotonale Kompositionsweise eindrucksvoll zu hören. Am Anfang bewegt sich
die Musik in Vierteltonmelodien innerhalb des tiefsten Oktavraums der Violine. Die Intervalle verkleinert Haas zum Teil bis zu Sechsteltönen. Es kommt
zu Akkordpassagen, in denen die Intervalle auf der Obertonreihe basieren,
womit ein extremer Kontrast zwischen diesen natürlich-freien Schwingungen
und den in der Enge wandernden Vierteltonschritten entsteht. „Wie aus einer
anderen Welt kommend“ (Haas) fallen ungefähr in der Mitte des Stückes reine
große Terzen in kleinen mikrotonalen Stufen von einer zur nächsten. Die
Spannung und Dynamik nimmt mit hohen, aufsteigenden Glissandi und mikrotonalen Skalen intensiv zu, ehe sie mit einem ruhigen Akkord, aus mehreren Obertönen zusammengesetzt, leise ausklingt.
„de terrae fine“ ist geographisch gesehen tatsächlich an einem „Ende der Welt“,
am Rande Europas in Irland entstanden. Musikalisch führt das Werk durch
die Erforschung der Möglichkeiten der Violin-Register in extreme Situationen
und an den Rand von Endpunkten. Das Werk wurde 2001 von Ernst Kovacic
beim Festival Klangspuren in Schwaz in Tirol uraufgeführt.
STEVE REICH
Steve Reich wurde in New York geboren. Ab seinem 6. Lebensjahr erhielt er
Klavierunterricht. Mit 14 begann er ein Schlagwerkstudium beim damaligen ersten Paukisten der New Yorker Philharmoniker, Roland Kohloff. Reich
studierte an der Cornell University Musik, interessierte sich aber vor allem
für Philosophie und insbesondere die logistische Lehre Ludwig Wittgensteins.
Durch Privatstudien bei dem Komponisten und Pianisten Hall Overton in
New York, der u. a. Arrangements für Thelonious Monk schrieb, bekam Reich
enge Kontakte zur amerikanischen Jazzszene. Musiker wie John Coltrane,
Miles Davis, Charlie Parker und der Schlagzeuger Kenny Clarke beeinflussten
ihn nachhaltig. Viele von Reichs Werken, so die „Desert Music“ und das Sextett, klingen zwar nicht nach Jazz, ihre Entstehung wäre aber nach Aussage des
Komponisten ohne die Jazzerfahrungen nicht möglich gewesen.
Am Mills College in Kalifornien erhielt Reich Kompositionsunterricht bei
europäischen Größen, Darius Milhaud und Luciano Berio. Der Student hatte
Schwierigkeiten mit den Erfahrungen der damals modernen Zwölftontechnik
und der seriellen Musik. Wenn er eine Zwölftonreihe schrieb, verarbeitete er
sie nicht nach den üblichen Möglichkeiten der Umkehrung oder der Transposition, sondern wiederholte sie immer wieder. Luciano Berio stellte daraufhin
seinem Schüler die wichtige Frage: „Warum schreibst du nicht tonale Musik,
wenn du tonale Musik schreiben willst?“
In der New Yorker Greenwich-Village-Szene um 1965 bekam Steve Reich
prägende Impulse im Kreis der minimalistischen Künstler Robert Smithson
und Sol Lewitt. Aufführungsgelegenheiten für seine Musik fand Reich damals
vorwiegend in Galerien. Er gründete sein erstes eigenes Ensemble: „Steve
Reich and Musicians“. In seinen Kompositionen spielte aber auch der Einsatz
des Tonbandes eine wichtige Rolle. Reich ließ sich vom Rhythmus der amerikanischen Sprache inspirieren, mit einer Aufnahme der Ansprache eines
schwarzen Predigers im Central Park kam es zum entscheidenden Erlebnis.
Reich verfertigte zwei gleich lange Tonbandschleifen von den Predigerworten „It’s gonna rain“ und ließ sie auf zwei Tonbandmaschinen gleichzeitig
abspielen. Da aber die Bandmaschinen nicht exakt gleich liefen, kam es zu
Phasenverschiebungen, aus denen Reich hinkünftig kompositorisches Material
gewann: Musikalische Impulse, die in der gleichen Frequenz ablaufen, bilden
Akkorde, bei ihrer Phasenverschiebung, die Reich dank der Konstruktion eines elektronischen Geräts erzielen kann, brechen die Akkorde auf und ergeben
neue musikalische Verläufe bis hin zu Melodien. Eine kompositorische Herausforderung fand Reich in der Übertragung der Phasenverschiebungen von
Tonband-Loops auf live gespielte Musik.
Starke Inspiration bezog Reich aus Eindrücken verschiedener Ethnomusik, der
er in Ghana in Afrika und durch das Studium der balinesischen Gamelanmusik nachspürte. Daraufhin beeinflusste ihn eine andere musikalische Organisation vorwiegend über den rhythmischen Prozess bei konstant gleichbleibender
Harmonik, was in Kompositionen wie „Drumming“ und „Music for Eighteen
Musicians“ zur Geltung kommt. In „Violin Phase“ aber bestimmen Schleifen
und Phasenverschiebungen das Geschehen, ja sind Ursache und Wirkung des
Stückes. Seine magische Wirkung entsteht durch die Wiederholung von Mustern und deren graduelle Verschiebung gegeneinander. Daraus ergeben sich
sowohl phasengleiche als auch phasenverschiedene Passagen. Der Geiger spielt
in „Violin Phase“ zuerst gegen eine, dann zwei und schließlich drei auf Band
eingespielte Muster-Kombinationen.
Gegenüber den stationären Band-Phasen beschleunigt der live spielende Geiger das Tempo seines Spiels, wodurch die graduellen Verschiebungen entstehen. Gleichmäßiger Puls der Elektronik und körperlicher Puls des Musikers
treffen aufeinander.
Texte über die vier Musikwerke: Rainer Lepuschitz
Der Dank gilt der Universal-Edition für die Bereitstellung von wesentlichem Material
über die Werke von Haas und Reich sowie dem Verlag Boosey and Hawkes für Unterlagen zu Grubers Stück.
Quellen für den Text über Karahasan: wikipedia, Humboldt-Universität zu Berlin,
Perlentaucher, Insel Verlag
JOHANNES DICKBAUER
Johannes Dickbauer hat eine große künstlerische Bandbreite. Er ist als klassischer Violinsolist, Kammermusiker, Jazzer, Volksmusikant, Komponist und
Arrangeur tätig. Der Schüler von Ernst Kovacic studierte des Weiteren am
Curtis Institute of Music in den USA bei Pamela Frank und nahm an Meisterkursen mit Dave Douglas, Uri Caine, dem Guarneri String Quartet, Shmuel
Ashkenasi und Claude Frank teil. Der Preisträger des Concours International
de Violon von Sion konzertiert als Solist mit Klangkörpern wie der Wiener
Kammerphilharmonie, dem Dohnanyi Budafolk Orchester unter der Leitung
von Shlomo Mintz und dem Wiener Kammerorchester. Johannes
Dickbauer musizierte noch unter der Leitung des legendären Dirigenten
und Geigers Yehudi Menuhin. Er gewann zwei Mal den Wettbewerb Musica
Juventutis in Wien und konnte in der Folge einerseits mit einem klassischen
Programm im Wiener Konzerthaus debütieren, andererseits gemeinsam mit
Manu Mayr das Jazz-Duo-Projekt „Cardboard Heroes“ mit großteils selbst
komponierten Stücken verwirklichen. Vier Jahre lang war Johannes Dickbauer
Mitglied im radio.string.quartet.vienna, welches in kürzester Zeit den Aufstieg
in die europäische Jazz-Szene geschafft hat. Für das Quartett komponierte und
arrangierte er einige Stücke, die mittlerweile auf vier CD-Alben beim renommierten Label ACT erschienen sind. Johannes Dickbauer war beim Festival
4020 in der Uraufführung des Programms „Is this really Riley“ zu hören und
präsentiert gemeinsam mit seinem Onkel, dem Saxophonisten Klaus
Dickbauer, und seinem Bruder Stephan Dickbauer das Festival „jazz am bauernhof “ in seiner Heimatgemeinde Kremsmünster. Mit der gemeinsam mit der
Geigerin und Bratschistin Lily Francis gegründeten Gruppe KammerConnect
konzertierte Dickbauer im Wiener Musikverein und in den USA.
osterkonzert
GRAFENEGG
KLANG TRIFFT KULISSE.
G. F. Händel «der Messias»
Foto: Sunhae im ©Lilac
SONNTAG 31. MÄRZ 2013 · 18.30 UhR · AUdiTORiUM
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