Bis dass der Klang Euch scheidet

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DEUTSCHLANDFUNK
Abteilung Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur
Redaktion: Tina Klopp
Feature
Bis dass der Klang Euch scheidet
Komponistenpaare im Portrait
Von Sabine Fringes
Produktion: DLF 2016
Regie: Helga Mathea
Erzählerin: Demet Fey
Urheberrechtlicher Hinweis
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt
und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein
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Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige
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geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.
©
- korrigiertes Exemplar -
Sendung: Freitag, 13.05.2016, 20.10 - 21.00 Uhr
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Musik
O M 1 Gerhard:
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, mit jemandem zusammen zu leben und dann
noch mit nem Komponisten schon gar nicht! Und das hat sich halt dann so
ergeben!
Musik
O B 1 Carola:
Ich bin ja Tag und Nacht damit beschäftigt, ja, mit ästhetischer Wahrnehmung,
sagen wir mal so. Und da jetzt nen Partner zu haben, mit dem ich nicht ständig
eigentlich im Austausch auch darüber sein könnte, ich glaube, da würde ich mich
komisch fühlen. Wenn der nach Hause kommt und hat Feierabend und will jetzt
Feierabend machen! Da hätten wir allein schon ein Problem.
Musik
O Y 1 Younghi:
Es ist nicht so wie man normalerweise denkt, Spaziergänge machen und dann
Idee kommt, und dann schreibt. Das ist typische Idee vom Film, Brahms oder
Beethoven gehen spazieren und dann kommt schöne Idee.
Musik hoch
Ansage:
Bis dass der Klang Euch scheidet
Komponistenpaare im Portrait
Von Sabine Fringes
Musik hoch und unter Erzählerin aus
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Erzählerin:
Gerhard Stäbler, Carola Bauckholt und Younghi Pagh-Paan sind Komponisten ebenso wie ihre Ehe-Partner: Kunsu Shim, Caspar Johannes Walter und Klaus
Huber. Wie verbindet sich bei Ihnen Kunst und Leben? Die Reise führt quer durch
die Republik, von Freiburg nach Duisburg und Bremen.
O B 2 Carola mit Atmo:
Ok, dann mache ich mal Mineralwasser? Er: und ich kümmere mich um diverse
Optionen beim Kaffee. Sie: Das ist nämlich unser neues Haustier hier. Wir
brauchen das Wasser nicht mehr zu schleppen, weil wir eine neue Sodamaschine
haben. Und die mag ich sehr gerne.
Geräusch: Druckgeräusch der Sodamaschine (Wassersprudelmacher)
Erzählerin:
Zu Besuch bei Carola Bauckholt und Caspar Johannes Walter in Freiburg. Eine
große Altbauwohnung in einer denkmalgeschützten Jugendstilvilla. Es ist
Mittagszeit, in der hellen Wohnküche wird gleich gekocht.
O B 3 Carola mit Atmo
Das Schöne ist natürlich vorher das Britzeln und so und dieses laute Signal, was
ich auch überhaupt nicht verstehe, was das eigentlich heißt, das ist eher so ein
bisschen ordinär. (Atmo: Wasser wird eingeschenkt)
Geräusch: Druckgeräusch der Sodamaschine (Wassersprudelmacher)
O B 4 Johannes mit Atmo:
Ok. also, wenn ich schnell reagieren darf, dann mal so macht mit dem Mund dazu
boppoppoppp, das sind zwei Töne gewesen, das Bop und das Boop, Boooopppp,
in dem Bereich, das kann man relativ schnell hören und dann genau jetzt das
zeitlich zu definieren, das bwwwpphttbwpppht, irgendwie klangfarblich zu
definieren, das kann ich halt ganz gut, ich höre den Ton sofort, und kann es
schnell aufschreiben, und dann hat Carola jetzt die Möglichkeit, zu überlegen, mit
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welchem Instrument macht sie das. Wie würdest du das jetzt machen? Mit ner
Posaune? Vielleicht mit nem Rasseldämpfer? oder so?
Carola: (kurze Stille) Ja, ich muss sagen, ich glaube, bei dem Klang würd mich
das Rhythmische interessieren, also dieses dumpfe Stoßen sozusagen, da würde
ich perkussiv denken. Also, irgendwas, was ne gute Resonanz hat, ich würde
eigentlich gar keinen Bläser nehmen. Ja. Und eben den entsprechenden Kontext
finden, wo es Sinn macht.
Geräusch: Druckgeräusch der Sodamaschine (Wassersprudelmacher)
O B 5 Carola:
Was ist das denn eigentlich im Kern? Ist das ein Stöhnen? Auf jeden Fall ist da
viel Druck dabei. Ne?! Da ist Gegendruck. Das stößt gegen was. Also, diese
Eigenschaft des Klangs, die ist das, die mich interessiert.
Musik: Carola Bauckholt
Erzählerin:
Carola Bauckholt, Jahrgang 1959. Für ihre Musik benutzt sie Alltagsgeräusche.
Bauckholt studierte bis 1984 bei Mauricio Kagel, als sie ihren ersten
Kompositionsauftrag erhielt. Sie zählt zu den wenigen, die vom Komponieren
leben können.
Musik hoch, zugleich Atmo weiterlaufen lassen
O B 7 Carola:
Ja, also für mich ist das Mikrophon ja wie so ein Mikroskop. Also, wenn man mal
so genauer hinhören will, dann geht man eben mit dem Mikro dran und nimmt das
gleich ganz anders wahr, und ich gehe ja grundsätzlich von dem aus, was ich
außerhalb des Konzertsaals höre. Deswegen ist das alles für mich Material.
Musik hoch und unter Erzählerin aus
O B 8 Atmo: Küchenmaschine.
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Erzählerin:
Während sie das Wasser in der Sodamaschine zubereitet, kocht ihr Mann Kaffee.
O B 9 Johannes mit Atmo:
Das hat auch ein bisschen mit Musik zu tun, weil ich immer die Sekunden zähle,
wegen der Kaffeemenge. Atmo, Kaffeetassen klappern Das ist so eine schöne
ganz mechanische Kaffeemaschine ohne Elektronik. Atmo: Sound der
Kaffeemaschine
Erzählerin:
Caspar Johannes Walter ist Jahrgang 1964. Auch er studierte in Köln, wo er noch
während des Studiums seine zukünftige Frau kennen lernte. Gemeinsam mit ihr
gründete er ein Ensemble für zeitgenössische Musik, das Thürmchen Ensemble.
Er arbeitet sowohl als Komponist wie Cellist. In seiner Musik geht es ihm um
feinste Schwingungen.
Musik: Caspar Johannes Walter: Klavierquartett hoch und unterlegen
OB 10 Johannes:
Jetzt die Mikrointervalle oder auch die Geräusche, die sind für mich durchaus
ganz, ganz wichtig. Das ist vielleicht wie wenn man in nem Raum ist und man
macht die Tür auf, und da ist man noch nie gewesen, und das ist ein ganz, ganz
dunkles Zimmer, ich kann nichts erkennen, oder fast gar nichts, aber was ist das?
So’ne Faszination. Musik hoch Deswegen interessieren mich die Zwischentöne
unglaublich stark, das, was zwischen den Tönen ist im intervallischen Sinn, auch
im klanglichen Sinn, was kann ein Klavier und ein Cello ganz ähnlich machen?
Musik hoch Die Klangproduktion, das ist ganz verschieden, aber wenn die z.B.
beide kratzen, ein Geräusch machen, dann können sie fast nicht unterscheidbar
sein, das hab ich mein Leben lang eigentlich dann kultiviert.
Musik: Walter: Klavierquartett, hoch und unter O-Ton aus
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OB 11 Carola:
Ich merke genau, wenn Johannes ein Stück schreibt, dann brodelt was, dann
muss ich ihn so ein bisschen in Ruhe lassen. Und das muss man schon ein
bisschen auffangen. Der Partner muss das auffangen. Wenn der andere Druck
hat, oder jetzt dran sitzt, dann weiß der schon Bescheid, und das ist dann, tja,
muss man sozusagen einfach wissen und mitmachen. Also, die Kooperation bei
uns beiden ist schon echt wichtig.
Atmo: Kochgeräusche hoch
Erzählerin:
Seit 20 Jahren sind die beiden verheiratet und teilen sich den Familienalltag mit
ihren zwei Söhnen. Bislang lebten sie in Köln, nun sind sie für ihre
Kompositionsprofessuren nach Freiburg gezogen. Er unterrichtet in Basel, sie in
Linz. Zentraler Treffpunkt ist das Mittagessen.
O B 12 Carola und Johannes mit Atmo:
Er: So. Sie: Man kann komponieren vergleichen mit dem Kochen: Man hat
Hunger, dann fragt man: Was soll es denn geben? Und dann kauft man ein und es
gibt nur das und das und dann fängt man an zu kochen und muss ständig
reagieren: oh, jetzt ist es zu süß, dann muss man wieder das rein tun. Man
reagiert immer auf das Material. Und dann kommt was raus, es entspricht nicht
dem Ausgangspunkt aber es schmeckt dann und ist was geworden und ich finde
das ähnlich wie das Musikschreiben. Er: Ja, hat Carola gut gesagt. (lachen)
Sie: Es ist so, Johannes kocht gerne alleine. Ich koche gerne, wenn mir jemand
hilft, da sind wir sehr verschieden: Er: Das ist wie beim Komponieren.
O B 13 Carola und Johannes Atmo:
Ok, ich lass dich mal in Ruh. Er: Ja, du machst deinen Kram, ich mach meinen.
Atmo: Geraschel, Topfgeklapper.
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Folgenden O-Ton über Atmo legen:
O B 14 Carola und Johannes:
Die Position als KomponistIN. Es gibt ja sehr wenige davon, leider, immer noch,
und es ist was anderes für die Frau als für den Mann, glaube ich. Es war z.B. für
mich sehr günstig, ich hab Johannes kennen gelernt, da war ich mit dem Studium
fertig und er hat gerade angefangen. Also, er ist fünf Jahre jünger als ich. Das gab
mir eine ganz gute Ausgangsposition. Wir haben uns immer ganz gut
ausbalanciert, das war für mich auch wichtig, und ich hatte viele Jahrzehnte
anfangs Angst, dass er jetzt weiß nicht, durchstartet, und dann hängt man nämlich
ganz doof da. Ich glaube, es ist ganz blöd für ein Paar, wenn es dem einen
künstlerisch super geht, und der Andere kann sich eigentlich nicht verwirklichen,
das ist glaube ich, mega-hart und das wir beide uns verwirklichen können, das ist
eben eine ganz wichtige Voraussetzung.
Johannes: Also wir haben zum Beispiel beide den deutschen Rom-Preis gekriegt,
gleichzeitig, da war die NRW-Auswahl, zwei Personen pro fünf Jahre, und die
wussten, dass wir ein Paar sind, und haben uns dann auch hinterher gesagt, ja,
eigentlich - ja, man muss ja an alle denken - aber wir waren da wohl so weit oben,
dann haben sie uns das doch beide gegeben. So konnten wir zwei Jahre nach
Rom, aber wir sind da beide auch da auch stark aufgetreten. So was ist irgendwo
doch wichtig.
Atmo Koch-Geräusche: Geklapper, Stuhlrücken, Brutzeln, Wasser läuft,
Schrubben einer Pfanne, Sie (kommentiert:) Sind wir jetzt Musiker oder was
(lacht)? Er: also ich koche jetzt ganz normal. Sie: Hannes, du musst mir 5
Minuten vorher Bescheid sagen, bevor es fertig ist. Er: Ach so, ja. Wegen der
Zucchini? Sie: Ja. Gekruschel
OB 16 Carola:
Also wir teilen uns den Haushalt nicht systematisch auf, das wird von Fall zu Fall
bestimmt, wir können beide alles. Autorin: Also das ist kein heißes Eisen, der
Haushalt? Johannes: doch, manchmal gibt es ein bisschen Stress, das ist wenn
beide keine Zeit haben und die Sachen bleiben liegen. das ist normal. Carola: Da
geht so viel Zeit mit drauf, wir leben seit 2 Jahren in Freiburg und es gibt immer
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noch 50 unausgepackte Kartons, weil wir kommen nicht dazu, da braucht man erst
ein Regal, oje.
OB 17 Atmo: Gekruschel, Aufschrauben von Gläsern. Hinstellen, Rühren, Zischen
OB 18 Carola mit Atmo
Und schwierig wird das Ganze überhaupt mit Kindern, weil zu zweit kann man
sagen, der eine lebt so der andere so, das müssen wir tolerieren, aber sobald
Kinder da sind, dann ist man ja auch Vorbild, dh. Die Kinder erziehen uns ganz
schön, wir müssen uns besser verhalten als wir sind, damit wir Vorbilder sind.
(lacht)
OB 19 Johannes:
Er aus dem off: Wir hatten früher, als wir noch keine Kinder hatten, sind wir zum
Arbeiten nach Frankreich gefahren, ein Tag wandern, ein Tag schreiben und
mischen und zwischendurch essen und kochen, da sind die diversen Regionen
von Frankreich abgegrast worden und viele Stücke entstanden.
Musik
OB 21 Carola und Johannes:
Carola: Und zum Thema Kinder, das war für mich auch sehr interessant. Ich hab
tatsächlich viele Leute befragt, auch Kollegen, mhhm Kinder, nein, tu's nicht! Weil
ein Künstler muss hundertprozentig für seine Sache da sein. Und das hat mich
geärgert, weil ich finde, das tägliche Leben ist das Maß aller Dinge. Also, das ist
die Wahrheit, sag ich mal. Und wenn da Kinder nicht rein passen, dann ist das
schon wieder nicht wahr, dann stimmt das Gerüst nicht. Und ich bin ja sowieso
sehr kritisch gegen jegliche Theorien und geistige Überbauten, ich versuche ja mit
meiner Kunst das Leben zu begreifen! Wenn ich jetzt sage, nein, ich nehme nur
die Hälfte des Lebens, weil das andere mich stört, dann habe ich es schon nicht
begriffen.
Johannes: Also, es hat irgendwie keine Relevanz: Die Vorstellung, dass ein
Künstler nur für die Kunst lebt. Das passiert dann sowieso nicht, der ist dann
irgendwie spielsüchtig oder sonst irgendwas und das ist dann natürlich
gesellschaftlich irgendwie legitimiert, weil das passt zum Künstlersein. Aber wir
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kennen auch viele Leute so wie uns, die ziemlich normal sind, und dann aber
geht's los bei dem was die machen.
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O M 2 Atmo
Toy Piano(Kettengerassel, Geschepper), Gerhard Stäbler: rrrr, i uuui, neheee,
hrrrr, Toy Piano. Geflüster, Ahh! T! klapp. Ehhh! P! t!
Gerhard: irgendwie so, allerdings hast du früher angefangen, aber das ist vielleicht
ganz gut. Kunsu: ich muss auch das Instrument kennen lernen ...
Erzählerin:
Bei Gerhard Stäbler und Kunsu Shim in Duisburg. Wenn sie nicht in ihrer
Wohnung in Düsseldorf wohnen oder in ihrem Bungalow in Rheurdt – wohin sie
sich zum Komponieren zurückziehen– leben sie in einem Künstlerhaus, einem
ehemaligen Handels- und Lagerhaus, das am Innenhafen von Duisburg liegt.
Atmo: Gerhard: eigentlich mit den Stäbchen, Kunsu: aber klingen nicht, der Stab
ist doch verbogen. Gerhard: Weißt du noch, wir waren auf dem Friedhof in Kreta
und im Wind klapperten die Gläser. Probier mal, ob du das produzieren kannst.
Kunsu: Geräusche.
Erzählerin:
Den großen Raum im Erdgeschoss nutzen sie, um Performances und andere
experimentelle Musikformen zu entwickeln, hier lagern Noten, Berge von CDs mit
den eigenen Werken und allerlei Utensilien, wie die Stachelschweinstacheln, mit
denen Kunsu Shim das Toy-Piano präpariert.
Atmo: Kunsu: Vielleicht nach vorne. Gerhard: Vielleicht kann ich am Schluss
mitspielen... Aber die Schläge fand ich ganz gut bei den explosiven Konsonanten.
Wie hast du das gemacht? Kunsu: Das ist auch so ein Stäbchen, das habe ich
gegen das Instrument geschlagen. Kunsu: können wir woanders probieren, ich
muss Noten sehen... Gerhard: Ne, höre einfach, wenn ich das zweite Mal die
hohen Klänge, dann gehste rein.
Musik/Atmo hoch
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OM-3 Gerhard:
Eigentlich komponieren wir selten miteinander, es geht, wenn wir was zusammen
machen, meistens um Performances. Bei unserem ersten Stück für Koto, da war
das so, wir kriegten den Auftrag ein Stück zu schreiben, dann meinte Kunsu: fang
mal an, ich radier das dann raus. Dann war ich natürlich erstmal ein bisschen
sauer, du machst die Arbeit und der andere radiert raus! Aber die Idee fand ich
dann doch faszinierend und Kunsu hat tatsächlich dann das ausradiert und
bestimmte Dinge übrig gelassen. Es gab dann ein völlig anderes Stück, aber aus
einem gemeinsamen Ursprung und gemeinsam diskutiert.
Fortsetzung Musik/ Atmo hoch
Erzählerin:
„Earport“ heißt das Duisburger Künstlerhaus, für dessen Konzertsaal Stäbler und
Shim Konzerte und Lesungen organisieren. Zugleich haben sie noch andere
Konzertreihen für zeitgenössische Musik, die sie gemeinsam leiten und
vorbereiten.
OM-4 Gerhard:
Gerhard: Wir sind eigentlich ziemlich oft zusammen, wir wohnen auch beständig
zusammen und geraten durcheinander, wenn wir alleine sind, einer ist auf
Konzertreise oder so, gerät erst mal der Tagesablauf durcheinander. Im Prinzip
haben wir einen ziemlich geregelten Ablauf, also in Düsseldorf organisieren wir
ziemlich viel, und das nimmt dann einfach überhand, und bringt dann einfach
diese Gelassenheit und diesen Ausgleich durcheinander. Aber mittlerweile haben
wir das eigentlich ganz gut im Griff, denke ich. Insgesamt ist unser Tag dennoch
nicht unter 12 Stunden eigentlich. Eher manchmal mehr, das heißt, wenn wir gut
überleben wollen, dann muss man viel arbeiten. (Lachen von Kunsu) Autorin: Und
was ist dann Freizeit für euch? Shim: Heute zum Beispiel (lachen) das ist FreuZeit. Stäbler: ...Interview ist Freizeit (Shim lacht weiter), Stäbler: Wir reisen auch
viel, und dann schauen wir uns die Städte an, gehen in Museen, wir haben dann
so ne Angewohnheit, dass wir spät abends noch einen Film gucken. Shim: einen
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hal-ben Film! Stäbler: oder einen halben Film. Und also, dann dazwischen gibt es Shim: Abendessen, Mittagessen - Stäbler: kochen, wir kochen zusammen,
meistens. Obwohl Kunsu der bessere Koch ist als ich, Shim: nein, nein, das
stimmt nicht. Stäbler: und dann, um einfach locker zu werden, am Schreibtisch zu
sitzen, gehen wir in den Garten und pflanzen Kräuter oder dies oder jenes.
Erzählerin:
Gerhard Stäbler, Jahrgang 1949, ist ein politisch engagierter Künstler. Er schrieb
unter anderem große Musiktheaterstücke, darunter „Letzte Dinge“ nach einem
Roman von Paul Auster.
Kunsu Shim ist neun Jahre jünger, seine Musik basiert auf östlicher Philosophie
und dem Zen-Buddhismus. Die beiden begegneten einander in den 80er-Jahren,
als Kunsu Shim für ein Kompositionsstipendium aus Korea nach Deutschland
kam.
OM 5 Gerhard:
Für mich war einfach auch ganz toll, dass Du einfach auch aus einer anderen Welt
kommst. Aus einer anderen Kultur, dass das insgesamt auch ne Bereicherung ist,
ich sowieso auch immer haderte, mit irgendwie auch deutsch zu sein, also schon
auch wegen der Geschichte schon sehr im Zweifel war, und deswegen war das
einfach toll, dass ich jemanden traf, der auch noch aus einem anderen Kulturkreis
kam und die Gedanken erweiterte in allen Facetten eigentlich, wir hatten ja auch
unterschiedliche ästhetische Anschauungen, obwohl wir gemeinsame Interessen
hatten, aber einfach unterschiedliche Ansätze wie wir dann quasi dann die Welt
interpretierten oder wie wir auf die Welt reagierten.
Musik
OM 6 Gerhard:
Ich kann jetzt nicht genau sagen, was jetzt an Kunsus Ästhetik mich dann direkt
beeinflusst hat. Aber es gibt so nen Umfeld und Kunsu hat sich 1990ern auch sehr
viel mit Stille, mit Stücken von extrem langen Pausen beschäftigt, und dieses
wirkte natürlich dann zurück auf Konzeptionen von mir vielleicht auf eine andere
Weise, weil ich einfach eine westliche Erziehung habe, aber der Umgang mit
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extremen Zeitdauern und auch Phasen der Stille und Ruhe, das hatte schon in
vielen Stücken Auswirkungen dann gehabt.
Also der Aspekt ist sicher erweitert worden durch Kunsus Musik oder Ästhetik
auch und seiner Erfahrung auch mit dem Buddhismus und der chinesischen
Philosophie, und hat sicherlich meinen Blick, mein Ohr auch sehr erweitert. Und
auch mich mutig gemacht, bestimmte Dinge, die ich nicht geschrieben hätte, wenn
ich Kunsu nicht gekannt hätte, zu schreiben.
Musik
**
O Y 2 Younghi:
In Korea oder in Asien wird Männer nicht Kunst hauptsächlich als Beruf gewählt.
Sonst sind die Eltern sauer. Männer sollen Generaldirektor werden oder Ärzte
oder Rechtsanwälte oder so. Und Frauen studieren sehr viel Musik oder Literatur.
Und asiatische Gesellschaft ist immer noch Männerdomäne.
Erzählerin:
Zu Besuch bei Younghi Pagh-Paan und Klaus Huber, dem derzeit wohl ältesten
Komponistenpaar Deutschlands. Sie wurde 1945 im südkoreanischen Cheongju
geboren, er 1924 in Bern. Wenn die beiden nicht in ihrem Haus im umbrischen
Panicale sind, dann leben sie in Bremen. Ihre große Altbau-Wohnung in einem
ruhigen Villenviertel in der Innenstadt erstreckt sich über zwei Stockwerke.
O Y 3 Younghi:
Jeder im eigenen Stockwerk, in eigener Arbeitsatmosphäre,
von meiner Situation her. Ich kann nicht komponieren oder denken, wenn wir
gleich daneben sitzen würden.
Musik: Klaus Huber: Plainte
Erzählerin:
Bunte Teppiche, alte Möbel und antiquarische Bücher füllen das Wohnzimmer. An
der Wand hängt ein Ölgemälde „vom gekreuzigten Christus“. Von hier aus geht es
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in das Arbeitszimmer von Klaus Huber, vom großen Schreibtisch aus fällt der Blick
auf die Baumkronen eines weiten Hinterhofs. Musik hoch
Hubers Musik ist schwer einzuordnen, breit und vielseitig, politisch engagiert und
christlich und reicht von Kammermusik bis hin zu Oratorien und Opern. Er
verbindet alte und neue Musiksprachen. Mit 85 erhielt er für sein Lebenswerk den
Ernst von Siemens Preis, den „Nobelpreis für Komponisten“. Doch seit ein paar
Jahren schreibt er keine Musik mehr.
O Y 4 Klaus:
Ich hab so viel komponiert, dass ich nicht mir sagen kann, du musst jetzt weiter
komponieren. Immer weiter, immer weiter, das gibt's ja auch, dass so berühmte
Komponisten dann Produktionen anfangen, wo es eigentlich gar keine Grenzen
mehr gibt, nirgends. Und das ist schade, dann schließt sich ihre Musik. Und dem
Musikverständnis vor allem. Autorin: Fehlt ihnen heute das Komponieren? Huber:
Seufzend: Ja, es fehlt mir sehr! Aber ich meine, ich bin schon noch der Musik, der
zeitgenössischen Musik treu, indem ich vieles höre und auch dann und wann was
darüber schreibe. Ja schon weniger als früher aber dann und wann, wenn mich
was packt. Kommt's noch. Jaja.
Musik hoch
O Y 5 Klaus und Younghi:
YPP: Wie viel Stücke hast Du komponiert? KH: ich hab's nie gezählt. YPP: Mehr
als 130. KH: Ja. Warum du auf 130 kommst?! YPP: einfach so. KH: Ja, ich hab
ziemlich viel komponiert. Es gab ja Zeiten, wo ich dann wirklich Aufträge hatte von
allen Seiten. Sie: ...aus off. KH: Und schwer unter Druck war dann.
Musik hoch: Plainte - Für Luigi Nono
O Y 6 Klaus und Younghi
YPP: Für Nono. Für Nono hast du sehr schöne Komposition geschrieben. Jaja,
Welche war das? YPP:Viola d'amore. KH: Viola d' amore, si. In dieses Instrument
hab ich mich nicht wegen ihrem Namen, sondern wegen ihrer Klanglichkeiten
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habe ich mich in dieses Instrument verliebt, und immer mal wieder was für sie
komponiert. YPP: ja.
Musik hoch
O Y 7 Younghi:
Autorin: Wenn Sie noch komponieren - besprechen Sie Stücke miteinander?
YPP: nein. Keine Zeit mehr. Keine Kraft mehr mit anderen darüber zu sprechen,
weil ich empfinde immer wieder: die Komposition selbst ist so ein eifersüchtiges
Lebewesen, das erlaubt überhaupt gar nichts! In meinem Fall. Er: jaja! Sie: Die
Komposition verlangt von mir, 24 Stunden nur für sie zu leben. Ich koche auch
nicht, jemand kocht für uns. Und einfach ich bin total nur beim Arbeiten. Sie: Wir
gehen auch spazieren, und... Er: ...Und Reisen machen wir. Sie: Nein, während
wir komponieren reisen wir ja auch nicht. Das ist einfach vollkommen in Klausur,
ja?! Es ist unvorstellbar, und daher brauchen wir zwei Stock.
Musik: von Younghi für koreanische Instrumente
Erzählerin:
Verheiratet sind die beiden seit 1999. Kennen gelernt haben sie sich in den 70erJahren in Freiburg, als Younghi Pagh-Paan zum Studium zu Klaus Huber kam.
Huber - der damals noch in erster Ehe lebte - hatte in Freiburg einen Lehrstuhl für
Komposition inne.
Die Koreanerin war die einzige Studentin ihres Jahrgangs, in Bremen wurde sie
dann die erste Kompositionsprofessorin Deutschlands.
O Y 8 Younghi und Klaus:
Ich glaube nicht, dass speziell Komponistinnen zu kämpfen haben, sondern auch
männliche Komponisten sind auch gleich Schwierigkeit. Weil es gibt immer
weniger Unterstützung vom Staat oder von einer Institution. Und in früherer Zeit,
eine Generation davor eindeutig die Frauen viel schwieriger gehabt als die
männlichen. Aber jetzt haben es beide schwer. Und es gibt auch sehr viel
namhafte und sehr gute Komponistinnen, und die unglaublich viel Erfolg haben. ja.
Klaus Huber: aus off: mehr als Du.
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Younghi: Mehr Erfolg oder weniger Erfolg zählt nicht, sondern welchen Rahmen
und welche Bedeutung (sie) in der Gesellschaft hat. KH: im off: Ja. Sie: Das ist
sehr erfreulich. KH: Ja, ich war schon froh, dass ich eine solche Studentin
unterrichten durfte, weil sie hat alles unheimlich ehrlich und gerade und tief
geschafft. Und es ist dann wunderbare Musik entstanden.
Musik: von YPP
O Y 9 Younghi:
Und folgenden Satz habe ich von meinem Lehrer Klaus Huber gelernt: Künstler
muss immer offenen Ohren an die Gesellschaft und was das Geschehen ist, offen
sein und auch darüber viel nachdenken, welche Rolle wir komponierenden
Menschen beitragen kann. Nicht nur schöner Himmel oder Blumen. Und das ist
meine Essenz geworden, dass ich ein Teil dieser Gesellschaft beitrage. Und dann
suche ich selber dieses Thema.
O Y 10 Klaus:
Ich habe immer an dem Gedanken gehangen, es muss der Menschheit nicht so
miserabel schlecht gehen, wie es von Zeit zu Zeit ausgesehen hat. Sondern die
Menschheit muss sich erlösen durch Jesus Christus. Ich bin ja ein gläubiger
Christ. Doch, doch.
O Y 11 Younghi
Spirituelles wird immer ein bisschen ausgelacht. Und meine Idee ist nicht, die
Leute zu erziehen, sondern ich wollte diesen Weg forschen. Und da treffen wir uns
wiederum mit der Zeit. Was das Komponieren mir hauptsächlich interessiert: Im
15. Jahrhundert ein koreanischer Dichter, Tsong Tsol heißt er, er hat gesagt, in
jedem Menschen im Herzen gibt es einen Knoten, einen Groll, und diesen zu
lösen sei Aufgabe vom Dichter. Als ich das las, dachte ich, dieses Lösen sei
Aufgabe vom Musiker oder Komponist vor allem, weil Musik kommt direkt durch
Ohr direkt in die Seele, denke ich.
Musik: Die Insel schwimmt
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O Y 12 Younghi:
Was ich mit den koreanischen, traditionellen Instrumenten komponiere, bedeutet
mir sehr viel. Das ist meine Liebe an meine Heimat: und das sind die Klänge.
Oben in meinem Arbeitszimmer habe ich noch ein Zupfinstrument oder mehrere
Schlaginstrumente aus Korea, ich lebe hier, aber zugleich auch in koreanischen
Klängen herum. Das macht mir große Freude.
Musik hoch
O Y 13 Younghi:
Ich kann nicht die Instrument spielen, ich habe früher vor 50 Jahren in Korea
gelernt und inzwischen habe ich die Übung nicht, und ich will auch nicht üben, weil
bei mir ist schon so schön, und wenn ich Instrument anschaue, die Klänge
kommen zu mir, und ich bin drin. Und das genieße ich. Das ist wie Gedicht von
Rose Ausländer, ich zitiere: "Die Insel schwimmt an meiner Brust, ich streichele
goldene Bäume". Das ist unheimlich schön. „Die Insel schwimmt an meiner Brust,
- und das ist Liebe: „Insel“ bedeutet einsam. Die Insel schwimmt an meiner Brust die Liebe kommt einfach zu mir. Selber. Und ich kann nicht antworten, das ist so
schön, Schönheit, das ist goldene Bäume. Und ich spreche nicht. Sondern: ich
streichle goldene Bäume.
Musik hoch: Die Insel schwimmt
O Y 14 Younghi:
Ich vergesse nie, dass ich eine Fremde bin, und dass ich hier eine Gastrolle habe.
Seit 80er Jahre habe ich das als Thema genommen: Das Eigene muss so gut
gelernt sein wie das Fremde. Das ist Zitat vom Hölderlin. Goethe hat auch
gleichen Inhalt geschrieben, in dem östlichen Diwan, und ich suche immer weiter,
was macht die beide Kulturen so fremd oder was macht miteinander ähnlich? Zum
Beispiel Meister Eckhard, was er geschrieben hat und gesagt hat, haben auch
Buddhisten geschrieben: Menschliche Seele ist so tief, wenn jemand von Brunnen
Stein wirft, wie viele Sekunden bis unten geht. So tief, unendlich tief.
Musik hoch und unter nächstem O-Ton aus
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O 15 Y Younghi:
YPP: Das Eigene muss so gut gelernt sein, wie das Fremde.
Autorin: Das gilt doch auch für Paare, für ein Paar untereinander.
YPP: Ja, unbedingt!!! Wenn die Paare diesen Satz von Hölderlin gut bemerken
und bewusst einhalten und (sich) so verhalten, geht diese Ehe sehr lange und
glücklich. - Die (meisten) möchten immer, der andere soll mich verstehen. Und
finito! Dann gibt es schon Probleme.
OB 22 Carola:
Ja es ist natürlich so, wenn man als Paar spricht, die Fragen sind total privat!! Und
wir äußern uns jetzt auch sehr privat. Wir Künstler, da kann man ja auch sehr
allgemein sprechen, wir äußern uns ja immer das Innerste. Das ist ja alles privat,
was wir machen. Und wenn wir uns nicht nackt ausziehen würden, dann wär es
auch langweilig. Ich meine jetzt einfach, dann ist es pauschal. Also, Künstler
zeigen sich nackt, das ist auch wahnsinnig schmerzlich, so ein Stück, wenn das
z.B. abgelehnt wird, weil das ist ja auch irgendwie die eigene Nacktheit, deswegen
sind wir das gewohnt, auch Privates zu äußern.
Geräusch: Quietschen einer Kassettenhülle
OB 22 Carola und Johannes:
Carola: Also zu diesem Klang (quietscht) Das ist das klassische Quietschen. Das
findet man ja ganz viel. Und da ist jetzt die Frage: was sind das eigentlich für
Tonhöhen? Johannes: ja, erstes Problem: Wenn du jetzt lange spielst, wird es für
mich ein Riesenstress C: Also! J: Nee, nee, nee, nee. Weil mein Kopf, der hat
jetzt, das didadadidad, was wie es angefangen hat, (spielt die Noten auf dem
Klavier) ungefähr die beiden Töne, bisschen tiefer, dann gabs zwar ne höhere
Variante. C: also dann machen wir die kurz: (Geräusch nochmals, kürzer), J: o.k.,
das war dupendopp! (spielt Klavier) ich würd sagen, das ist dieser Ton, also immer
rhythmisch total regelmäßig, dibodibodi (spielt auf Klavier)
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Erzählerin:
Im Wohnzimmer von Carola Bauckholt und Caspar Johannes Walter.
OB 23 Carola:
Unser Multifunktionsraum, also, wenn ne Probe ist, dann ist das Musikraum, wenn
wir Gäste haben, wohnen hier die Gäste, und wenn die Wäsche gewaschen wird,
dann hängt hier die Wäsche.
Erzählerin:
Ein großer Chippendale-Flügel aus Kirschholz steht mitten im Raum, zwei
Matratzen liegen auf dem Boden, unausgepackte Umzugskartons stapeln sich an
der Wand.
Atmo hoch
Carola Bauckholt hat eine leere Kassettenhülle in der Hand und bringt sie zum
Schwingen. Ihr Mann sucht indes die Tonhöhen auf der Klaviertastatur.
OB 24 Carola und Johannes:
J: ja, mach noch mal ne Variante, Geräusch. J: also, das ist jetzt natürlich sind
Töne, die ziemlich geräuschhaft waren, aber ich würd sagen, das ist fis und gis
(spielt), nee stimmt nicht: a und h (spielt). Carola: Ist das nicht eigentlich ne Oktav
höher? (J spielt) Nein! ist es nicht. J: da war eben das h, haste gehört, ein
bisschen größer dazwischen. C: ja. Carola: Er kann das schneller, und er ist da
sicherer, weil - er hat einfach die besseren Ohren.
Musik: Bauckholt: Geräusche
OB 25 Carola:
Ja, das heißt Geräusche, das ist ein ganz kurzes Stück, das hab ich für John
Cage, als John Cage starb, am 12. 9.1992, wenn ich mich recht erinnere, wurden
kleine Klangeschenke in Auftrag gegeben und ich habe „Geräusche“ einfach zu
Akkorden gemacht. Ganz roh gelassen. Kein Instrument. Sondern, es sind einfach
Geräusch-Akkorde. Mit Pausen, die Zusammenstellung ist gewürfelt. Sozusagen
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als Test: Harmonielehre. Wie viel kann man gleichzeitig hören? Wie weit
verschmelzen die?
Musik: Bauckholt: „Geräusche“
OB 26 Carola und Johannes:
Autorin: jetzt umgekehrt: Wo hilft ihnen ihre Frau? Carola: Beim Wäschewaschen!
Beim Kochen! Johannes aus off: Neeiiiinnn!! Carola: Nein, das hat er ja zum Glück
nicht gesagt! Stimmt auch nicht! Aber... Johannes: ja, gibt, gibt so Seitenbereiche
also, das ist, was Carola jetzt erzählt, ist so ne Art Material überhaupt irgendwie
zur Verfügung bringen, da helfe ich ihr so ein bisschen, und genau so ein wichtiger
Seitenaspekt ist, die Gedanken so zum Abschluss zu bringen, das z.B. das Stück
einen Titel hat. Oder dass man ne bestimmte Idee mehr in den Vordergrund stellt,
vielleicht auch bei der Formulierung von nem Text oder so. Da hilft mir Carola total
viel. Carola:. Aber ich glaube, man kann schon sagen, das ist ein Unterschied, ich
arbeite anders, ich brauche ganz viel Kommunikation, also ich brauche den
Johannes mehr für meine Arbeit als er mich. Das ist ohne Zweifel klar. Wo man
sich jetzt ergänzt, das sind dann ganz feine andere Bereiche.
Musik hoch
O B 27 Carola und Johannes:
Ich bin sehr selbstkritisch. Ich bin auch sehr kritisch zu den anderen, ich bin aber
auch tierisch selbstkritisch und eigentlich immer unzufrieden, und hab immer ne
Depression beim Schreiben, das kennt Johannes schon, da sagt er immer, ja,ja.
Aber, wenn ich jetzt irgendwo stecken bleibe, dann bitte ich ihn, kannst du mal
bitte gucken, und dann guckt er und sagt er: ist doch gut, mach weiter. Und das
reicht dann schon, das ist dann schon mal super. Und dann kommt der nächste
Tag, oder kommt wieder. Das sind so Sachen, die sich wirklich ständig
wiederholen.
Johannes: Also, was mich betrifft, ist es jetzt nicht so, dass ich jetzt entspannt
arbeite, und das jetzt flüssig in Ordnung finde, ich bin auch glaube ich ziemlich
selbstkritisch, aber man kann das auf ne eher melodramatische Art sein, und man
kann es einfach ein bisschen stiller sein. Und ich bin dann die stille Variante.
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Musik hoch und aus
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OM 7 Kunsu:
Kunsu: Eine Komposition an sich hat immer zwei Seiten. Die Idee an sich scheint
oft perfekt und dann durch die Arbeitsphase lernt man, der Weg zu dieser
Vollkommenheit einer reinen Idee ist sehr, sehr weit, holperig und dann zu einem
bestimmten Zeitpunkt müssen wir auch dann die Arbeit abschließen – dann heißt
das, eine Komposition ist nahe gekommen zu dieser Idee und bleibt gleichzeitig
doch fern. Und da in dem Werk an sich sehe ich auch diese Art von Konflikt und
das ist dann für uns eine Sache, die uns hoffentlich auch dann weit bringen kann
und zusammenhalten kann.
Ich arbeite seit einer Weile an einer Art von Idee: Sich für den anderen opfern,
komplett dass zwei Wesen in eins zusammenkommen. Weil ich mich sehr für
diese Entsubjektivierung in meiner Arbeit interessiere, Entsubjektivierung heißt
meinen Wunsch so sehr einem anderen dann aneigne, dass ich selbst fast nicht
existiere. Es ist sehr interessant, weil wir möchten gerne eins werden, aber unsere
Körper wollen das nicht.
Gerhard fällt ihm ins Wort: Ich würd vorschlagen du nimmst mal ein Stück von mir:
Es gibt ein sehr geräuschhaftes Stück, „Auf gefährlicher Waage“, das arbeitet mit
sehr schrillen Klängen.
Kunsu: Da siehst du einen kleinen Konflikt: Ich könnte auch in dem Falle
Beethoven Sinfonie spielen - und Gerhard will jetzt will doch einen Wunsch
äußern, aber das finde ich interessant, dass er sein eigenes Stück quasi
nachsingt.... Gerhard: dass er seinen Dickkopf durchsetzt Kunsu (lacht): Dann
nehme ich das gerne das, hat auch tolle Klanglichkeiten.
OM 8 Atmo: “Ok dann probieren wir mal“ Umräumen, Gemurmel, Geschepper
OM 9 Kunsu mit Musik:
Kunsu: Du musst anfangen, etwas singen. Gerhard: Nein DU fängst an.
OM 10 Geräusche über Kopfhörer, Gerhard: tsss. Pfff..ksssss
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OM 11- Gerhard:
Ein ganz neues Stück, das ist ne Idee von Kunsu: „Empfänger“, aber diese Idee
basiert dann wiederum auf einem Stück von mir: Er spielt an einem
Schallplattenapparat, hat als Basis eine alte Komposition von mir, die von Kunsu
bearbeiteten Klänge auf der Platte bekomme ich über einen Kopfhörer zu hören
und muss dieses Ensemblestück, so wie es mir ins Ohr kommt, imitieren. Das ist
eine Idee von Kunsu, aber ich bin eigentlich auch insofern involviert, weil ohne
meine Interpretationen kann das gar nicht existieren. Und natürlich das Publikum
muss das jetzt wieder rezipieren, kann aber nur das rezipieren, was ich
interpretiere, weil die Veränderung der Schallplatte nicht gehört wird.
Musik: Empfänger hoch
OM 12 Gerhard:
Zusammenfassend könnte man sagen, dass es mir darum geht, die Sinne kennen
zu lernen und sie möglichst zu erweitern.
Musik
OM 13 Kunsu:Was wir hören und sehen, ist ja eigentlich fast alles vorbestimmt, vorprogrammiert,
d.h. es gibt keine in dem Sinne reine Wahrnehmung, sondern die Beurteilung,
Eindrücke und Beschreibung, all dieses ist eigentlich ein gesellschaftliches
Produkt.
OM 14 Kunsu:
Das heißt wenn die Dinge in der Natur sind, dann gibt es diese Art von Beurteilung
nicht, somit sind die Dinge dann eigentlich frei. Eine Blume – das ist weder schön
noch hässlich, das ist ein Dasein und die Kunst, oder ganze Kultur schafft, dies
ständig zu bewerten! Und daher gibt’s eine Norminierung von allen Dingen, von
allen Tätigkeiten, dies nennen wir auch dann Ästhetisierung und ich versuche, die
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Dinge, auseinander zu nehmen, d.h. deren Beurteilung oder Werte auseinander
zu nehmen und dann neu zu verbinden.
Musik hoch
O-M15: Kunsu:
Aber sei froh, dass zwei Komponisten sich nicht ständig streiten!! (lachen) weil das
ist im Prinzip unmöglich. Wir sind sehr verschieden. Gerhard war Frühaufsteher,
und ich war genau umgekehrt, also, wir hatten aber in einer kleinen Wohnung
gewohnt, als wir uns kennen lernten. Und dann musst du eine Lösung finden.
Gerhard: ich mochte den Morgen und ich mochte die Nacht, jetzt habe ich
irgendwie beides. Kunsu: Gerhard ist Schnellentscheidender, ich brauche Zeit, zu
überlegen, und dann manchmal ich verpasse die Gelegenheit. Dann später kam
heraus, dass das doch nicht so richtig ist, so treffen wir uns wieder zusammen auf
einen Punkt.
Musik
OB 28 Carola und Johannes:
Carola: Wir sind verschiedene Temperamente. Also, ich kritisiere, locker, ständig,
hart - finde ich auch gut, wenn man das mit mir macht. Aber Johannes ist ein ganz
anderes Temperament, er ist sehr vorsichtig, und - das sagst du besser selber: (er
lacht) Johannes: ja, ich würd schon sagen, dass ich auch kritisiere, aber eben
eher leise, ja, ich komm gut, sehr gut zurecht, auch wenn deutlich die Sachen
gesagt zu bekommen, manchmal sage ich auch, das reicht jetzt und so und dann
denke ich halt, ich mache meine eigenen Sachen, also, ich will meine Fehler lieber
selber gemacht haben. Und, jetzt so für die Pädagogik ist das auch ne
interessante Frage. Carola: Ja, jetzt hör mal auf mit der Pädagogik, da ist immer
der Hochschullehrer, J: ja, ist halt so, lachen, da finde ich, es geht auch ohne
Kritik.
O-Ton Autorin: Das Feature hat einen reißerischen Titel: „Bis dass der Klang euch
scheide.“
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OB 29 Carola und Johannes:
Upps! Nein. Das hat überhaupt nix damit zu tun. Also, ich fänd’s blöd, wenn er
überhaupt keine Kunst mehr machen würde und jetzt nur noch Inlineskater wäre,
da bin ich auch ein bisschen kiebig, wenn er immer trainiert und die Stücke dann
irgendwie - aber, wenn er nichts mehr mit Kunst machen würde, dann - fänd ich
ihn ziemlich langweilig.
Johannes: lacht. Also, ich sehe das völlig entspannt. Weil ich kenn sie ja, so wie
man Leute denn dann kennt, kriegt man auch ne feste Sicherheit auch über den
Kern der Persönlichkeit und bei Carola besonders, und ich weiß, dass sie keine
blöde Kunst machen würd. Carola: Naja, und wenn ich blöde Kunst machen
würde, was würd's de dann tun? Johannes: Ja, aber du machst das doch nicht?!
Carola (fällt ihm ins Wort): Naja, aber WENN ich blöde Kunst machen würde, kann
ja sein. Johannes: Naja, dann würde ich versuchen, diesen Zustand irgendwie zu
helfen abzustellen. Aber nee, das passiert nicht, du würdest keine blöde Kunst
machen. Carola (aus off rein): Naja, naja. Lacht.
Musik
O 16 Younghi und Klaus:
YPP: Nein! Seine Sache ist seine Sache. Meine Klänge sind meine. Wir haben nie
darüber gestritten, ne?! Klaus Huber: Haben wir? YPP: Nee, brauchen wir nicht!
Er: Aha. Sie: Weil, seine Musik und seine Klänge muss er verantworten. Meine in
mir. Er: Jaja. Sie: Und warum in deine Angelegenheit hinein streiten? Ich brauche
das gar nicht. Er: ich hab's auch nicht gemacht. Sie: Nein, brauchst du auch nicht.
Er: Dir gegenüber. Sie: Wir sind gegenseitig so selbstständig und hochachtende.
Das brauchen wir nicht. Ja. Er: Das ist schön, dass wir es bis da geschafft haben.
Also, das ist sogar wunderbar produktiv geworden, gell? Jaja, ich meine, ich bin
glücklich, dass die die Younghi mich so geliebt hat. Dass sie tatsächlich mich
geheiratet hat.
Musik
O Y 17 Younghi und Klaus
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Wir sind jetzt bei Übung. Jeder Tag muss vorbereitet sein. Und jeden Tag
dankbar. Bis der Klang uns scheidet!!!! KH: Ja? YPP: Ja. Sie hat unser Feature so
genannt! KH: Aha. YPP: Das muss jeder Mensch! Kaiser von China bis zum Papst
und alle. KH: Eueu. Uiuieueuaiai, sisi, Schluss!
Musik
Absage:
Bis dass der Klang Euch scheidet
Komponistenpaare im Portrait
O Y 18
(lacht) Ja, das ist wahr. Irgendwann. Ich akzeptiere ihren Titel!
Feature von Sabine Fringes
Mit Klaus Huber und Younghi Pagh-Paan,
Gerhard Stäbler und Kunsu Shim,
Carola Bauckholt und Caspar Johannes Walter.
Es sprach: Demet Fey
Technische Realisation: Gunther Rose und Kiwi Hornung
Regie: Helga Mathea
Redaktion: Tina Klopp
O Y 19 Younghi:
Oh ja, das ist ein Klang, der wirklich ewige große Pause bedeutet. Ohne Pause
gibt es keine Musik. Und die Stille, die klingende Stille. Und dieser Tod ist
tatsächlich klingende Stille. Jeder Mensch geht in die klingende Stille hinein,
jenseits. Bewusst oder unbewusst.
Produktion: Deutschlandfunk 2016
Musik hoch und aus
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