Zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Suchttherapie

Werbung
Dokumentation
Zur Wirksamkeit
und Nachhaltigkeit
der Suchttherapie
Interdisziplinäre Weiterbildungstagung
8. bis 10. September 2010
Evangelisches Johannesstift
Schönwalder Allee 26
13587 Berlin-Spandau
Inhaltsverzeichnis
Tagungsprogramm
3
Tagungsbericht
von Claudia Biehahn, Freie Mitarbeiterin für
den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des GVS, Bahrentrup
6
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau, Wilhelmsdorf
8
Forschung für die Versorgung
– aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
21
37
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und
Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
57
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von
Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
74
Neuere Forschungsergebnisse aus der
Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
94
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in
Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
109
Zur Wirksamkeit des Therapeuten – Professionalität
durch die Weiterbildung zum Sozialtherapeuten/Sucht
Dipl.-Päd. Irene Helas, Berlin
160
Referentenliste
163
Kontakt Veranstalter
Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe e.V. (GVS)
Institut Fort- und Weiterbildung
Heinrich-Mann-Str. 31, Haus 13, 13156 Berlin
Tel. 030-499 050 70 / Fax 030-499 050 73
E-Mail: [email protected]
Internet: www.sucht.org
Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe e.V. (GVS)
Altensteinstr. 51, 14195 Berlin
Tel. 030-843 123 55 / Fax 030-844 183 36
E-Mail: [email protected]
Internet: www.sucht.org
2
Programm 8. September 2010
13.00
Eröffnung, Begrüßung und Moderation
Dr. Theo Wessel und Irene Helas, GVS, Berlin
Grußworte
Mechthild Dyckmans, Bundesdrogenbeauftragte, Berlin (angefragt)
Sieghard Schilling, Vorsitzender Vorstand des GVS, Duisburg
13.45
Vortrag 1
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau, Wilhelmsdorf
14.30
Kaffeepause
15.00
Vortrag 2
Forschung für die Versorgung
– aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
15.45
Vortrag 3
Nähe, Distanz und Psychotherapie
Dr. Uwe Büchner, Berlin
16.30
Pause
17.00
Vortrag 4
Bedeutung der Gegenübertragung und professionell-therapeutischen
Ich-Spaltung in der psychoanalytisch-interaktionellen Suchttherapie
Dr. Andreas Dieckmann, Berlin
18.00
Festliches Abendbuffet
3
Programm 9. September 2010
9.00
Vortrag 5
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
9.45
Vortrag 6
Alte aktuelle und neue Rückfallmodelle der Verhaltenstherapie
Dipl.-Psych. Heinz C. Vollmer, München
10.30
Kaffeepause
11.00
Vortrag 7
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei
der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
11.45
Vortrag 8
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen:
Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
12.30
Mittagspause
14.30
Workshops
1. Intervention der Achtsamkeit in der
verhaltenstherapeutischen Suchttherapie
Dipl.-Psych. Bettina Lohmann, Münster
2. Diagnostik und Therapie früher Störungen
(Borderline- und Narzisstische Persönlichkeitsstörung)
Dr. Uwe Büchner, Berlin
3. Motivational Interviewing im Einzel- und Gruppen-Setting
Dr. Theo Wessel, Berlin
4. Komorbidität: Angst, Depression
und Trauma in der Suchtbehandlung
Dr. Thomas Redecker, Oerlinghausen
5. Folgerungen für die Therapie männlicher Suchtpatienten
Darius Chahmoradi Tabatabai, Berlin
6. Essstörungen: Diagnostik und Behandlung
im psychoanalytischen Setting
Dr. Peter Subkowski, Miriam Abram, Bad-Essen
16.00
Kaffeepause
16.30
Workshops
Fortsetzung der Workshops
18.00
Tagesabschluss
Anschließend Möglichkeit zur
Teilnahme am Kamingespräch der DG-SAS
4
Programm 10. September 2010
9.00
Vortrag 9
Neuere Forschungsergebnisse aus der
Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
9.45
Vortrag 10
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in
Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
10.30
Kaffeepause
11.00
Vortrag 11
Zur Wirksamkeit des Therapeuten – Professionalität
durch die Weiterbildung zum Sozialtherapeuten/Sucht
Dipl.-Päd. Irene Helas, Berlin
11.45
Vortrag 12
Sehnsucht nach wahrhaftigem Kontakt
– zur Spiritualität in der Suchtberatung
Heidemarie Langer, M.A.Theologin, Hamburg
13.00
Tagungsende
5
Tagungsbericht
Claudia Biehahn
Der Bericht zur Interdisziplinären GVS-Weiterbildungstagung
vom 8. bis zum 10. September 2010
„Heilen kann nur, wer selbst „heil“ ist”
von Claudia Biehahn
Berlin-Spandau - Wie lässt sich der Erfolg der therapeutischen
Arbeit in der Suchthilfe messen? Und welchen Anteil hat der
Therapeut als Person am Gesundungsprozess des Patienten?
Das sind zwei der Kernfragen, mit denen sich die 10.
interdisziplinäre GVS-Weiterbildungstagung Anfang September
im Ev. Johannesstift in Berlin beschäftigte. Etwa 120 Teilnehmer
und Teilnehmerinnen nutzten die dreitätige Veranstaltung, um
Wissen aufzufrischen, neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und
Praxis mitzunehmen und mit Kollegen aus anderen
Fachrichtungen über verschiedene Blickwinkel in der
Suchttherapie zu debattieren.
Den Aufschlag machte Prof. Harald Rau (Die Zieglerschen) mit seinem Beitrag über die Schwierigkeiten
quantitativer Ergebnisforschung in der Suchthilfe. Sie sei als Legitimation gegenüber den Geldgebern
zwingend nötig, so Rau, „sonst haben wir in 100 Jahren keine Suchthilfe mehr“. Gleichzeitig könne sie nicht
völlig wissenschaftlichen Kriterien entsprechen und bleibe deshalb angreifbar. So sind z.B. keine
Doppelblind-Studien in der Psychotherapie möglich. Auch sei es schwierig, die Gesundung eines
abhängigen Menschen zu messen. Der Einfachheit halber bleibe man in den Katamnese-Untersuchungen
deshalb beim Kriterium der Abstinenz. Sie sei allerdings nur eines von vielen denkbaren Kriterien für ein
gesundes und aktives Leben. „Die Daten, die wir bisher erheben, sind schon etwas wert, aber wir brauchen
bessere Werte“, meinte Prof. Rau.
Der Meinung war auch Dr. Ludwig Kraus vom IFT für den Bereich der Versorgungsforschung. Er zeigte,
dass 75 % der Ressourcen in der Suchthilfe an 5% der Abhängigen gehen. Nur die Schwerstabhängigen
würden von der Suchthilfe erreicht, kritisierte er. Vorhandene Programme zur Frühintervention werden nicht
gefördert und aus Kostengründen nicht evaluiert. Insgesamt fehle es vor allem an Untersuchungen zu
systemischen Versorgungsansätzen, resümierte der Wissenschaftler. Einig waren sich Vortragende und
Teilnehmer darüber, dass ein Grundübel für mangelhafte Daten auch in der mangelnden Vernetzung der
Hilfebereiche zu suchen ist.
Die Suche nach validen Zahlen beherrschte indes nur einen Teil der Tagung. Daneben nahm die
Genderperspektive in der Suchtentstehung und -behandlung einen großen und vieldiskutierten Raum ein.
Dr. Peter Subkowski skizzierte sie an der männlichen Suchtentwicklung und Dr. Andrea Möllering beschrieb
in einem sehr spannenden Vortrag die Traumfolge-Störungen bei Frauen. Welche Bedeutung Emotionen in
der Suchtentstehung und -therapie haben, machte Prof. Heiner Ellgring deutlich. Seine Erfahrungen wurden
vom Neurobiologen Prof. Dr. Andreas Heinz (Charité) bestätigt: Es lohnt sich, positive Emotionen bei den
Patienten zu stärken. Auch um Rückfällen vorzubeugen. Ein Thema, mit dem sich der Diplom-Psychologe
Heinz C. Vollmer beschäftigte. Er stellte ein neues Modell zur Rückfall-Prophylaxe vor.
Wie sich Abhängigkeiten über Generationen in Familien „fortpflanzen“ und wie nötig es ist, diese
Zusammenhänge als Therapeut zu erkennen, zeigte Dr. Ruthard Stachowske in seinem Vortrag über den
ICF in Diagnose und Behandlung. Seit dem Jahr 2004 sind Kontextfaktoren in Diagnose und Therapie zu
beachten. Damit habe ein „paradigmatischer Wandel begonnen“, so Stachowske, „der große Auswirkungen
auf die Therapie“ haben werde.
Ein zentrales Thema in der Tagung war auch Therapeut selber: sein Verhalten, seine Beziehung zum
Patienten, seine Rolle im Heilungsprozess. Dr. Uwe Büchner sprach darüber, wie viel Nähe versus Distanz
die Beziehung zum Patienten haben sollte. Und Dr. Andreas Diekmann provozierte mit seinem Vortrag über
die professionelltherapeutische Ich-Spaltung eine lebhafte Diskussion zwischen den Verhaltenstherapeuten
und den Psychoanalytikern unter den Teilnehmern.
6
Tagungsbericht
Claudia Biehahn
Mit der Frage der Wirksamkeit des Therapeuten beschäftigte sich zum Ende der Tagung auch Irene Helas,
langjährige Leiterin des GVS-Instituts Fort- und Weiterbildung. Ihr Fazit ist, dass es „bei der therapeutischen
Wirksamkeit um viel mehr als das bloße Erlernen von Techniken geht.“ Eine positive psychische Haltung
bekomme ein Therapeut nur, wenn er fürsorglich und bewusst mit sich selber umgehe: „Heilung ist nur
möglich, wenn ein Therapeut selbst heil ist, nur dann kann er dem Patienten mit Respekt und Akzeptanz
begegnen.“ Auf diese psychischen Wirkfaktoren beim Therapeuten ziele auch die GVS-Weiterbildung ab.
Insofern sei sie auch eine Investition in die eigene Zukunft, so Irene Helas. Mehr als 4000 Absolventen
haben diese Investition schon getätigt.
Den Schlusspunkt der Tagung setzte die Theologin Heidemarie Langer. Auch ihr ging es um die
Wirksamkeit des Therapeuten, aber auf einer spirituellen Ebene. Sie zeigte, am Beispiel heilender
Geschichten wie der Glauben Kraftquellen freisetzen kann, in den Patienten und in den Therapeuten. Ihr
Fazit: „Das Echo ist immer nachhaltiger als der Ton.“
7
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
1
Berlin, 08. September 2010
GESAMTVERBAND FÜR SUCHTKRANKENHILFE
im Diakonischen Werk der EKD e.V.
GVS Fachkonferenz zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie vom 8. bis 10. September in Berlin - Spandau
Prof. Dr. Harald Rau, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut
Vorstandsvorsitzender der Zieglerschen, [email protected]
Wirksamkeit: Beispiel Akupunktur bei Migräne
GERAC: German Acupuncture Trials
Endres, Diener, Maier, Böwing, Trampisch, Zenz (2007).
Akupunktur bei chronischen Kopfschmerzen. Dtsch Arztebl 2007;
104(3): A-114 / B-105 / C-101
794 Pat., Standardbehandlung (n=187), Shamakupunktur (n=317),
echte Akupunktur (n=290)
1. Sechs Monate nach Akupunkturbehandlung: klinisch relevante
Verringerung der Migränetage (-33%).
2. Die nachgewiesen wirksame medikamentöse Migräneprophylaxe
ist der Akupunkturbehandlung nicht überlegen.
3. Kein signifikanter Unterschied zwischen Echt- und
Scheinakupunktur hinsichtlich der Verringerung der Migränetage.
8
2
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
3
Psychotherapieforschung
Grawe, Klaus; Donati, Ruth; Bernauer,
Friederike (2001). Psychotherapie im
Wandel - von der Konfession zur Profession.
5. unveränd. Aufl. Hogrefe-Verlag, 2001.
4
Evidenzbasierung – weshalb?
1. Nachweis zuverlässiger Wirksamkeit: wofür soll die Öffentlichkeit bezahlen?
2. Nachweis von spezifischer Wirksamkeit:
Rehabilitation …
> Spontanremission / Reifung / Wachstum
> Placebo-Effekt
> Rosenthal-Effekt (Versuchsleiter- / Therapeutenerwartung)
3. Nachweis anhaltender Wirksamkeit
4. Verbesserung des Kosten-Nutzen-Effekts: neues
Verfahren besser oder günstiger als alte Verfahren
5. Was genau wirkt (Wirkfaktorenforschung)?
9
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
5
Randomisierte (doppelblinde) Kontrollgruppenstudie
Randomized controlled trial (RCT)
Vl. / Th.
Untersuchungsstichprobe
Ausgangsdaten; „baseline“
Pat.
Randomisierung
Kontrollgruppe(n)
Warteliste
Standardbeh.
Experimentalgruppe
Behandlungsergebnis
Nachuntersuchung (Katamnese)
Das bio-psycho-soziale Gesundheitsmodell der WHO
„Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit“
10
6
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
7
Akut- vs. Rehabilitationsmedizin
Kurative Versorgung im Sinne
des SGB V
Medizinische Rehabilitation im Sinne
des SGB IX
Focus
klinisches Bild als Manifestation
einer Krankheit/ Schädigung
Krankheitsfolgen
Ziele
•
•
•
•
•
Heilung bzw. Remission
Vermeidung einer
Verschlimmerung / Linderung
der Krankheitsbeschwerden
(chron. Krankheiten)
Vermeidung weiterer
Krankheitsfolgen
•
Partizipation
Vermeidung einer Verschlimmerung /
Linderung der Krankheitsbeschwerden
(chron. Krankheiten)
Vermeidung weiterer Krankheitsfolgen
Orientierung
kausal
aufrechterhaltende Faktoren
Konzeptionelle
Bezugssysteme
•
das bio-medizinische
Krankheitsmodell
•
•
Klassifikation: ICD / DSM
•
bio-psycho-soziales Modell von
funktionaler Gesundheit und deren
Beeinträchtigung
Klassifikation: ICF
Zielvariablen in der quantitativen Forschung
Befindlichkeit
Selbsteinschätzung
Fremdeinschätzung (z.B. GCI)
Konsum
Selbsteinschätzung
Fremdeinschätzung
Laborparameter
Körperliche und psychische Verfassung
Somatischer Untersuchungsbefund
Psychischer Untersuchungsbefund
Mortalität
Merkmale der gesellschaftlichen Teilhabe
Arbeitsplatz (sozialversicherungspflichtig)
soziales Netz
Freizeit
Lebensqualität
Versorgungssysteme: Wie viele Betroffene erhalten Hilfe?
11
8
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
9
Wichtige „Fallen“ bei der quantitativen Forschung
1. Validität der Zielvariablen: Sagen sie das Richtige/Gewünschte aus?
2. Ausgangswerte: Wird die Stichprobe hinreichend beschrieben?
a.
b.
c.
Oft problematisch oder gar fehlend: Beurteilung der Krankheitsschwere, z.B. bei
Vergleich ambulant – stationär
Wie werden Unterschiede bei der Erfolgsmessung berücksichtigt?
Findet Selektion der „guten Risiken“ statt?
3. Werden Wechselwirkungen mehrerer Wirkvariablen hinreichend berücksichtigt
oder können diese überhaupt erfasst werden?
4. Gibt es eine Verzerrung bei der Veröffentlichung?
a.
b.
„publication bias“
Folgen für Metaanalysen
5. Welche Grundgesamtheit wurde beforscht?
6. Herkunft der Studien: Verfügbare Studien aus dem angelsächsischen Raum sind
nicht ohne weiteres auf D übertragbar; in D sind nur wenige Studien verfügbar
(Watzl, 2007).
10
Prognos-Studie: Prä-Post-Effektgrößen
Hintergrund:
Entwicklung
des Arbeitskräftemangels
von 2005 bis
2025
Die Effektgröße d
0,35
Sucht
Auf der Grundlage der Literaturanalysen und in
Psychosomatik
Abstimmung mit dem DEGEMED-Projektbeirat
wurden die integrativen Bewertungen weiter
Rückenschmerzen
differenziert und folgende Prä-Post-Effektgrößen (d)
als Ausgangspunkt für die Szenarien und
Pneumologie
Modellierungen zugrunde gelegt. Die Schätzungen
der Wirksamkeit erfolgten dabei auf konservativer
Kardiologie
Basis.
0,00
0,40
0,25
0,50
0,40
0,10
0,20
0,30
0,40
0,50
0,60
Effektgröße d
Prognos (2009). Die medizinische Rehabilitation Erwerbstätiger – Sicherung von Produktivität und Wachstum.
Auftraggeber: Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e.V. (DEGEMED), Berlin; Verband der Privatkliniken Nordrhein Westfalen e.V. (VDPK
NRW), Düsseldorf; Verband der Privatkliniken in Thüringen e.V. (VPKT), Bad Klosterlausnitz
12
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
Wirksamkeit in der Prognos-Studie
11
Prognos (2009). Die medizinische
Rehabilitation Erwerbstätiger –
Sicherung von Produktivität und
Wachstum.
12
Sozialmedizinischer Verlauf
Buschmann-Steinhage, R. & Zollmann, P. (DRV-Bund). Vortrag „Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit im Zwei-Jahresverlauf nach medizinischer Rehabilitation“ am 18. Rehabilitationswissenschaftlichen
Kolloquium vom 09. bis 11.03.2009 in Münster.
13
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
13
Katamneseuntersuchungen: Kriterium Abstinenz
Abstinenzquoten: Abstinenz + abstinent nach Rückfall (>3 Monate zum Befragungszeitpunkt)
Berechnungsform
Grundgesamtheit
BUSS
FVS
FVS
Drogen
Befragte
responder
8.963
40,2%
10.983
58,8%
429
41,5%
DGSS 1
alle responder, die planmäßig
entlassen wurden
82,0%
73,7%
55,1%
DGSS 2
alle planmäßig Entlassenen
35,7%
45,8%
24,4%
DGSS 3
alle responder
80,9%
71,7%
52,3%
alle
39,3% *
42,2%
21,5%
DGSS 4
• Berechnungsformen nach der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DGSS)
• BUSS: Entlassjahrgang 2008 (n=8.963), FVS: Entlassjahrgang 2007 (n=10.983)
* Einschluss: nur Einrichtungen mit Mindestrücklauf von 45%
BUSS (2010). Auswertung der Katamnesedaten zum Entlassjahrgang 2008.
http://www.suchthilfe.de/themen/basisdaten2008_090914.pdf
Fischer, M. et al. (2007). Ergebnisqualität in der stationären medizinischen Rehabilitation von Drogenabhängigen
(„Drogenkatamnese“) – Teil II: Abstinenz und Rückfall in der Halbjahres- und Jahreskatamnese. SuchtAktuell 14, 37-46.
Missel, P. et al. (2010). Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2007 von
Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige. SuchtAktuell, 17, 9-20.
Prädiktoren für Abstinenz nach Entwöhnung (FVS)
Geschlecht: w 44,0%; m 41,4%
Partnerschaft: keine feste 37,0%; feste 47,9%
Erwerbstätigkeit bei Aufnahme: ja 50,6%; nein 34,6%
Abhängigkeitsdauer: bis 10 Jahre 43,8%; über 10 Jahre 41,2%
Entgiftungen: keine 44,2%; >= eine 50,7%; >= zwei 36,3%
Entlassart: planmäßig 45,8%; nicht planmäßig 20,9%
Behandlungsdauer bei planmäßigen Entlassungen: bis 12 Wo 45,5%;
über 12 bis 16 Wochen 47,1%; über 16 bis 52 Wochen 41,3%
Missel, P. et al. (2010). Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2007 von
Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige. SuchtAktuell 1, 9-20.
14
14
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
15
Wann ereignet sich der erste Rückfall?
Anteil Rückfälle
30,0%
29,3%
20,0%
15,6%
13,4%
10,0%
9,7%
6,5%
8,1%
4,7%
3,4%
2,1% 2,7%
0,0%
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
3,3%
1,1%
11
12
Monat nach Entlassung
Missel, P. et al. (2010). Effektivität der stationären Suchtrehabilitation – FVS-Katamnese des Entlassjahrgangs 2007 von
Fachkliniken für Alkohol- und Medikamentenabhängige. SuchtAktuell, 9-20.
Das deutsche Suchthilfesystem (Wienberg)
16
16
15
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
17
Leistungen des deutschen Suchthilfesystems
Wienberg, 2001
18
Dosis-Wirkungsbeziehung
Auswirkung der Anzahl der Beratungskontakte auf Abstinenzrate (N=45 Studien;
Fiore et al., 2000)
Anzahl Kontakte /
Sitzungen
Anzahl Gruppen
Odds Ratio (95% CI)
Geschätzte Abstinenz
nach 6 Monaten
(95% CI)
0 – 1 Kontakt
43
1,0
12,4%
2 – 3 Kontakte
17
1,4 (1,1 – 1,7)
16,3% (13,7 – 19,0)
4 – 8 Kontakte
23
1,9 (1,6 – 2,2)
20,9% (18,1 – 23,6)
> 8 Kontakte
51
2,3 (2,1 – 3,0)
24,7% (21,0 – 28,4)
16
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
19
Intensivbehandlung: ALITA
ALITA ist ein neues biopsychosoziales Behandlungsprogramm für schwer
Alkoholkranke, das sich direkt an die stationäre Entgiftung anschließt und
über zwei Jahre erstreckt.
20
ALITA: Ergebnisse
20
17
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
21
ALITA: Wesentliche Elemente
Hochfrequente Kurzgesprächskontakte
Strukturierte, sichernde Anbindung durch supportive, wenig fordernde Kurzgespräche; initial täglich 15 Minuten, einschließlich an
Wochenenden und Feiertagen; langsame Reduktion der Kontaktfrequenz mit dem Ziel einer regelmäßigen und dauerhaften
wöchentlichen Gruppenteilnahme.
Kriseninterventionsbereitschaft
Das ALITA-Team ist im Notfall für die Patienten und deren Angehörige immer erreichbar: 4 Stunden, 365 Tage.
Soziale Reintegration
Gezielte Unterstützung beim Wiederaufbau eines abstinenzfördernden sozialen Umfelds; Aktive Hilfe bei Problemen mit
Angehörigen und Freunden; Angehörigen- und Paargespräche; Beratung und Unterstützung bei Wohnungssuche, Umzug,
Behörden, Wiedereinstieg ins Berufsleben, Schuldentilgung und Klärung juristischer Angelegenheiten.
Schaffung einer Alkoholunverträglichkeit
Einnahme von Disulfiram (Antabus ®) als sogenanntes Alkoholaversivum (die Hemmung des alkoholabbauenden Enzyms
Acetaldehyd-Dehydrogenase führt im Falle der Aufnahme von Alkohol zur Anhäufung des toxischen Acetaldehyds mit den
Folgen einer "inneren Vergiftung", der sogenannten "Antabusreaktion", d.h. knallroter Kopf, Blutdruckentgleisung, Pulsrasen,
Übelkeit, Erbrechen, eventuell "Kreislaufkollaps").
Kontrolle
Regelmäßige Urin- und Blutuntersuchungen auf Alkohol und andere Suchtstoffe; wenn notwendig zusätzlich Atemtests.
Kontrollierte Einnahme der Aversiva und Fokussierung auf ihre psychologische Wirkung.
"Aggressive Nachsorge"
Sofortige Beendigung beginnender oder Verhinderung drohender Rückfälle durch "aggressive therapeutische Einsätze":
Patienten, die einen Therapiekontakt versäumt haben, werden aufgefordert, die Therapie weiterzuführen oder die Abstinenz
wieder aufzunehmen; Beispiele der "aggressiven Nachsorge" sind spontane Hausbesuche, Telefonanrufe, Einbeziehen von
nahen Freunden und Verwandten.
Therapeutenrotation
Ein Team aus sechs bis sieben Therapeuten (Leitender Psychiater, Psychologe, Arzt, Sozialpädagoge, Krankenpfleger,
Medizindoktorand, Psychologiediplomand) ist gleichermaßen für alle Patienten zuständig. Die klassische Zuweisung des
Patienten zu einem Einzeltherapeuten wurde aufgehoben.
22
Trends bzgl. des Rauschtrinkens
Suchtsurvey
18
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
23
Weitere Wirksamkeitshinweise
Aktivitäten von ehemaligen Patientinnen
und Patienten der Einrichtungen
Jahresfeste
Förderkreistätigkeit
Spendenprojekte
Zitate
„Zweite Geburt“
„großer Einschnitt in meinem Leben“
„Klinik ist mir zur Heimat geworden“
Aussagen von Arbeitgebern / Personalbeauftragten
Betrieb, der gerne ehemalige Pat. einstellt, weil sich
diese als zuverlässig und reflektiert erwiesen haben
Bereitschaft, Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen
24
Die Rettung !?
19
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Suchttherapie
Prof. Dr. Harald Rau
25
Abstract / Thesen
1. Die auch künftige feste Verankerung der Postakutbehandlung (Rehabilitation) von
Abhängigkeitserkrankungen („Entwöhnungsbehandlung“) im Gesundheits- und
Rehabilitationswesen benötigt möglichst anerkannte Nachweise der spezifischen
Wirksamkeit (Evidenz).
2. Mit zunehmender Objektivität und Reliabilität der Zielvariablen geht oft eine
eingeschränkte „ökologische Validität“ einher: Bessere „Wissenschaftlichkeit“ führt
zu zwar stärker gesicherten, aber möglicherweise auch stärker eingeschränkten
Aussagen.
3. Für den deutschsprachigen Raum liegen keine aussagekräftigen randomisierten
Studien vor; die prä-post-Messungen sprechen für einen mäßigen bis mittelgroßen
Effekt, ähnlich dem Effekt anderer Disziplinen medizinischer Rehabilitation.
4. Es existieren weitere wesentliche Hinweise auf die Wirksamkeit der
Entwöhnungsbehandlung, die oft schwer objektivierbar sind.
5. Weiterhin erreicht das traditionelle Suchthilfesystem zu wenig die schwer
Betroffenen. Damit einhergehend ist es fraglich, die Abstinenz als einzige
Zielvariable zu nutzen. Merkmale der Teilhabe und der Aktivitäten stehen nach der
WHO-Definition der Gesundheit gerade bei chronischen Erkrankungen mindestens
so sehr im Zentrum wie die eigentliche Störung.
20
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Forschung für die Versorgung
Aktuelle Ergebnisse aus der
systemischen Versorgungsforschung
Ludwig Kraus & Daniela Piontek
Interdisziplinäre Weiterbildungstagung:
„Zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Suchttherapie“
Institut für
Therapieforschung
München
8.-10. September 2010, Berlin
1
Übersicht
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Definition Versorgungsforschung im Bereich Sucht
- Bedarf
- Inanspruchnahme
- Ressourcen
- Strukturen
- Prozesse
- Ergebnisse
2
21
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Definition
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Versorgungsforschung
Ö Befasst sich mit „Bedarf, Inanspruchnahme, Ressourcen, Strukturen,
Prozessen, Ergebnissen und zuschreibbaren Resultaten (Outcomes)
von systemisch organisierten Ansätzen der Krankheitsverhütung,
-bekämpfung oder -bewältigung“
(Badura, Schaeffer & Troschke, Z f Gesundheitswiss 2001, 9(4), 294-311)
ƒ
Grundlagenforschung
- Neuropsychologie (z.B. Neuroimaging), Gehirnforschung (z.B. Rolle
von Neurotransmittern)
ƒ
Interventionsforschung
- Effektivität von Behandlungsverfahren (z.B. Heroinstudie), Therapien
(z.B. Match) oder Präventionsmaßnahmen (z.B. schulisches
Nichtraucherprogramm)
ƒ
Forschung in der Versorgung
- Verwendung klinischer Stichproben im ambulanten oder klinischen
Setting. Optimierung von Prävention, Beratung, Behandlung
3
Versorgungsforschung
Versorgungsnahe Förderschwerpunkte des BMBF
Public Health
1992-2003
Epidemiologie
2001-2005
Rehabilitationswissenschaften
1998-2006
Allgemeinmedizin
2001-2007
Versorgungsforschung (+GKV)
2001-2007
Schmerzforschung
2002-2008
Pflegeforschung
2003-2008
Hormonersatztherapie
2005-2008
Angewandte Brustkrebsforschung
2005-2008
17 Kompetenznetze in der Medizin
1999-2008
Präventionsforschung
2005-2011
Chronische Krankheiten und
Patientenorientierung (+RV+GKV+PKV)
2007-2013
Gesundheit im Alter
2007-2013
Kompetenznetze (neue Generation)
ab 2008
Institut für
Therapieforschung
München
Bundesministerium für Bildung und Forschung (2008). Ergebnisse der gemeinsamen Förderung durch das BMBF und die
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen (2000 – 2008)
22
4
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Versorgungsforschung
BMBF-Förderung
Institut für
Therapieforschung
München
Deutsches Suchtforschungsnetz
German Addiction Research Network GARN
ƒ Das Suchtforschungsnetz besteht aus vier vom BMBF
geförderten Forschungsverbünden, die sich seit 2001 (20012004 - 1. Förderphase; 2004-2007 - 2. Förderphase) mit
unterschiedlichen Methoden und inhaltlichen Schwerpunkten
mit Aufklärung, den Entstehungsbedingungen, den Verlauf
beeinflussenden Faktoren und der Verbesserung von Therapieund Versorgungsmaßnahmen von Suchterkrankungen
beschäftigen
ƒ Dabei werden grundlagen- und anwendungsbezogene
Fragestellungen in über 42 geförderten Einzel- und assoziierten
Projekten verfolgt
http://www.psychologie.tu-dresden.de/bmbf/
5
Versorgungsforschung
BMBF-Förderung
Institut für
Therapieforschung
München
Forschungsverbund Sachsen/Bayern: Allocating
Substance Abuse Treatment to Patients Heterogeneity
(ASAT)
ƒ Projekt F1
Epidemiologisch basierte Bedarfs- und Bedürfnisanalysen als
Grundlage für die Planung und Priorisierung von institutionellen
und therapeutischen Zuordnungsstrategien bei
Substanzstörungen
ƒ Projekt F4
Raucherentwöhnungs-Maßnahmen in der allgemeinärztlichen
Versorgung: Implementierung, Effektivität und
Zuordnungsprinzipien
http://www.psychologie.tu-dresden.de/bmbf/
6
23
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Institut für
Therapieforschung
München
(1) Prävalenz und Inzidenz
(2) Risikofaktoren
(3) Verlauf und Stabilität
(4) Soziale Folgen
(5) Remission
7
Bedarf
Prävalenz und Inzidenz
Institut für
Therapieforschung
München
(1) Prävalenz und Inzidenz
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Anstieg der Prävalenz des Cannabiskonsums (Perkonigg et al., 2008,
Addiction 103, 439-449; Kraus et al., 2008 , Sucht 54, S16-25; BZgA, 2009)
Vorverlagerung des Erstkonsumalters von Cannabis sowie des
Beginns von Abhängigkeit und Missbrauch (Perkonigg et al., 2006, Eur
Add Res 12, 187-196)
Schnelle Suchtentwicklung bei Cannabis, zwei Jahre nach
Konsumbeginn (Behrend e al., 2008, Drug Alc Dep; Wittchen et al., 2008, Int J
Meth Psych 17(S1), S16-29)
Konsum illegaler Drogen fördert sekundäre Nikotinabhängigkeit
(Perkonigg et al., 2006, Eur Add Res 12, 187-196)
Steigende Fallzahlen von Jugendlichen, die wegen akuter
Intoxikation im Krankenhaus behandelt werden (Müller et al., 2009, D
Med Wochenschr 21, 1101-05)
Konstanter Rückgang der Prävalenz des Rauchens in den letzten
10-15 Jahren (Kraus et al., sumitted)
8
24
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Prävalenz und Inzidenz
4.500.000
Institut für
Therapieforschung
München
3,8 Mio.
Alkohol
4.000.000
Mißbrauch
Abhängigkeit
Behandlung
Tabak
3.500.000
Abhängigkeit
Psychoaktive Medikamente
3.000.000
Abhängigkeit
Hypnotika/Sedativa
2,0 Mio.
2.500.000
Abhängigkeit
1,4 Mio.
Behandlung
1,3 Mio.
2.000.000
1.500.000
Cannabis
Missbrauch
Abhängigkeit
Behandlung
0
Alkohol
Tabak
Med.
Hyp./Sed.
1
Cannabis
138.000
problematischer Konsum
103.000
180000
95.000
25.800
380000
220.000
380.000
500.000
Illegale Drogen außer Cannabis
9.000
405.000
1.000.000
Behandlung
Opiate
problematischer Konsum
Andere
Drogen
Opiate
Behandlung
(Kraus, L. & Bühringer, G., http://www.ift.de/index.php?id=216; zuletzt aktualisiert 12.08.2008)
9
Bedarf
Prävalenz und Inzidenz
ƒ
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Schätzungen der Inzidenz (neue Fälle) problematischer
Heroinkonsumenten zeigen in Europa eine rückläufige
Tendenz
-
England: De Angelis, Hickman & Yang, American Journal of Epidemiology
2004 160:994-1004
-
Italien: Rava, et al., UN Bulletin on Narcotics 2001 1/2:135-55
-
Schweiz: Nordt & Stohler, Lancet 2006 367:1830-34
-
Barcelona, Spanien: Domingo-Salvani 2005; submitted
Zunahme der Inzidenz in Australien Law, Lynskey, Ross & Hall,
Addiction 2000 96:433-43
10
25
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Prävalenz und Inzidenz
Institut für
Therapieforschung
München
Trends der Heroin-Inzidenz in der Schweiz, England, Italien und Australien
Nordt & Stohler, Lancet 2006;367:1830-34
11
Bedarf
Prävalenz und Inzidenz
Institut für
Therapieforschung
München
Schätzungen der Inzidenz (neue Fälle) problematischer
Kokainkonsumenten
•
Barcelona, Spanien: Sánchez-Niubó et al., Gac Sanit 2005
500
450
COCAINE
400
350
300
N 250
200
150
100
HEROIN
50
0
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Año de primer consumo
(Sánchez-Niubó et al., Gac Sanit 2005)
26
12
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Riskofaktoren
Institut für
Therapieforschung
München
(2) Risikofaktoren
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Kinder nikotinabhängiger Mütter haben ein 3-fach erhöhtes Risiko
für regelmäßigen Tabakkonsum, nahezu ebenso erhöht für
Tabakabhängigkeit (Lieb et al., 2008, Eur Add Res 9, 120-130)
Erhöhtes Risiko für starken Alkoholkonsum, wenn beide
Elternteile Störungen durch Alkoholkonsum aufweisen (Lieb et al.,
2006, Psych Medicin 31, 63-78)
Kinder mit Aufmerksamkeits- und Verhaltensstörungen haben
höheres Risiko für späteren Tabakkonsum (Laucht et al., 2005, Z f
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 34, 258-65)
Psychische Störungen oder Tod der Eltern sowie Erfahrungen mit
legalen Drogen begünstigen Entwicklung von cannabisbezogenen Störungen (von Sydow et al., 2002, Drug Alcohol Dep 68, 49-64)
Hohe Belohnungsabhängigkeit und Bezug zu devianten Peers
beeinflussen Trinkmenge und Alkoholprobleme (Barnow et al., 2004, Z
f Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 32, 85-95)
13
Bedarf
Riskofaktoren
Institut für
Therapieforschung
München
(3) Verlauf und Stabilität
ƒ
ƒ
ƒ
45% der mehrfachen Cannabisnutzer konsumieren im
Erwachsenenalter weiter (Perkonigg et al., 2008, Addiction 103, 439-449)
Chronischem Alkoholkonsum gehen frühe Alkoholprobleme
voraus (Perkonigg et al., 2008, Addiction 103, 439-449)
Hohe 10 Jahres Stabilitätsraten von >50% für gefährlichen
Alkoholkonsum (Perkonigg et al., 2005, Der Nervenarzt 76, 137)
14
27
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Folgen
Institut für
Therapieforschung
München
(4) Folgen
ƒ
ƒ
Personen mit einem Cannabis Missrauch bzw. einer Cannabis
Abhängigkeit, haben ein hohes Risiko für somatische und soziale
Beeinträchtigungen (Zimmermann et al., 2005, Vortrag)
Männer mit Rauschtrinken (mindestens einmal die Woche) haben
das höchste Risiko für soziale Folgen (Kraus et al., 2009, Alcohol and
Alcoholism 44 (3), 314-320).
-
Diese Gruppe trägt den größten Anteil aller alkoholbezogenen
sozialen Probleme in der Gesamtbevölkerung bei: 59% aller
Probleme könnten verhindert werden, wenn diese Gruppe wie
die Referenzgruppe trinken würde. In der Gruppe ohne
Rauschtrinken würden lediglich 5% der Probleme verhindert
werden
-
Obwohl Frauen weniger trinken, zeigen die Risikokurven
ähnliche Muster
15
Bedarf
Folgen
Institut für
Therapieforschung
München
0,5
0,4
kein Rauschtrinken
monatl. Rauschtrinken
wöchentl. Rauschtrinken
Inzidenz
0,3
0,2
0,1
0
bis 1/2 bis 1 Glas bis 2
Glas (7
(14 gr)
Gläser
gr)
(28 gr)
bis 3
Gläser
(42 gr)
bis 4
Gläser
(56 gr)
bis 5
Gläser
(70 gr)
bis 7
Gläser
(98 gr)
bis 9
mehr als
Gläser 9 Gläser
(126 gr) (>126 gr)
Durchschnittliche Alkoholmenge/Tag
(Kraus et al., 2009, Alcohol and Alcoholism 44 (3), 314-320).
16
28
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Bedarf
Folgen
Institut für
Therapieforschung
München
0,12
kein Rauschtrinken
monatl. Rauschtrinken
wöchentl. Rauschtrinken
0,1
BDAF
0,08
0,06
0,04
0,02
0
bis 1/2
Glas (7
gr)
bis 1
Glas (14
gr)
bis 2
Gläser
(28 gr)
bis 3
Gläser
(42 gr)
bis 4
Gläser
(56 gr)
bis 5
Gläser
(70 gr)
bis 7
Gläser
(98 gr)
bis 9 mehr als
Gläser 9 Gläser
(126 gr) (>126 gr)
Durchschnittliche Alkoholmenge/Tag
(Kraus et al., 2009, Alcohol and Alcoholism 44 (3), 314-320).
17
Bedarf
Remission
Institut für
Therapieforschung
München
(5) Remission
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Amerikanische Studien schätzen den Anteil von Personen mit
Alkoholproblemen, die ohne formelle Hilfen remittieren auf 75-77%
(Sobell, Cunninham & Sobell, 1996)
Resilienzfaktoren für Remission ohne formelle Hilfen sind „geringere
Schwere der Störung“ sowie das Vorhandensein „psychosozialer
Unterstützung“ (Sobell et al., 1993; Graufield & Coud, 1996)
Personen, die ohne formelle Hilfen nach Alkoholerkrankung
remittierten, weisen eine höhere nicht-physiologische Abhängigkeit,
einen geringeren sozialen Druck zur Abstinenz und mehr Fahrten
unter Alkoholeinfluss auf (Bischof et al.,2001, Addiction 96, 1317-36)
Remissionsraten in Deutschland unbekannt (Bischof et al., 2001,
Addiction 96, 1317-36)
Bis zu 91 % der Exraucher nahmen keine professionellen Hilfen in
Anspruch (Meyer et al., 2000; Kraus & Augustin, 2001; Lampert & Burger, 2004)
18
29
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Inanspruchnahme
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
U.S. Studien
- 10% aller Personen mit alkoholbezogenen Störungen fragen
nach formellen Hilfen nach (letzte 12 Monate) (Grant, 1996)
ƒ
Illegale Drogen Missbrauch & Abhängigkeit (14-24 Jahre,
Region München)
- 23 % aller Personen mit Missbrauchs- oder
Abhängigkeitssymptomatik
- 15% mit Missbrauchs- oder Abhängigkeitssymptomatik in Bezug
auf illegale Drogen nahmen jemals das Hilfesystem in Anspruch
- Hilfe wird eher in Anspruch genommen, wenn gleichzeitig eine
Angststörung besteht
- Personen mit problematischem Konsum suchen nur in sehr
geringem Ausmaß Kontakt zum Suchthilfesystem. Wenn, dann
hauptsächlich bei Psychotherapeuten und Hausärzten (Perkonigg et
al., 2004, Suchtmed 6(1), 22-31)
19
Inanspruchnahme
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Illegale Drogen Missbrauch & Abhängigkeit (14-24 Jahre,
Region München, … fortgesetzt)
- Suchthilfesystem gekennzeichnet durch eine große Zahl von
Patienten/Klienten in Therapie- und Substitutionseinrichtungen
und relativ wenig Kontakt zu jüngeren Patienten/Klienten
- Spezifische Präventionseinrichtungen haben nur geringe
Kapazität oder sind kaum vorhanden
- In der Suchthilfe werden nur zu einem geringen Teil
Patienten/Klienten mit leichten Abhängigkeitsproblemen oder
Vorstadien betreut oder behandelt
- Cannabis und Ecstasy als Hauptproblemsubstanzen bei jungen
Erwachsenen haben insgesamt geringen Anteil in der
Suchthilfe. Die häufigsten Kontakte bestehen wegen Opiaten
(Perkonigg et al., 2004, Suchtmed 6(1), 22-31)
20
30
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Inanspruchnahme
1-4mal
Hausarzt
1.7
Psychiater
2.1
Suchtklinik
Psychiatr. Klinik
5.4
3.1
6.7
2.2 2.6
Suchtberatung
Erziehungsberatung
3.5
5mal mit Prob.
Abhängigkeit
4.3
9.4
Psychotherapeut
Schulpsychologe
5mal ohne Prob.
Institut für
Therapieforschung
München
10.4
17.3
25.3
6
3.7
14.7
1.7
.4 2.2 2.2
11.2
9.2
.7
3.4
10
(Perkonigg et al., 2004, Suchtmed 6(1), 22-31)
21
Inanspruchnahme
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Pathologisches Glücksspiel (Jugendliche und Erwachsene in
Bayern)
- Personen mit Glücksspielproblemen in ambulanten
Einrichtungen der Suchthilfe weisen zu 95 % die Diagnose
PG und einen hohen Anteil komorbider Störungen auf
(Substanzstörungen, psychische Störungen Achse I und II)
- Schätzungen von 2009 in Bayern weisen eine
Inanspruchnahme von ca. 10% auf (letzte 12 Monate, inkl.
niedergelassener Psychologen, ohne Selbsthilfe) (Kraus et
al., 2010, Forschung zur Optimierung der Versorgung von Personen mit
glücksspielbedingten Störungen in Bayern, Bericht)
22
31
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Inanspruchnahme
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Erreichungsquote für ausgewählte Substanzkategorien (jeweils
Diagnosegruppen „schädlicher Gebrauch/ Missbrauch“ und
„Abhängigkeit“; bei Glücksspiel „Pathologisches Glücksspielen“)
(Hildebrand et al., 2009, Sucht, 55, 15-34)
Erreichungsquote
Hauptdiagnose
Unterer Wert Oberer Wert
ƒ
Alkohol
5%
6%
Opiate
45%
62%
Cannabis
4%
8%
Pathologisches
Glücksspiel
2%
7%
Zum Vergleich: Europa weit nahmen 25,7 % mit einer Diagnose „psychische Störung“
(in den letzte 12 Monate) in diesem Zeitraum Hilfen in Anspruch (Alonso et al., 2004,
Acta Psychiatr Scand 109, 47-54)
Ressourcen
ƒ
ƒ
23
Institut für
Therapieforschung
München
In der Regel haben nur Schwerstabhängige Kontakt mit
dem Suchthilfesystem
75% der Ressourcen gehen an die Versorgung
Schwerstabhängiger, die jedoch nur 5% des
Gesamtanteils illegaler Drogenabhängiger ausmachen
(Perkonigg et al., 2004, Suchtmedizin 6(1), 22-31)
ƒ
Missverhältnis zwischen Ressourcenallokation
hinsichtlich der Versorgung chronisch Abhängiger und
dem Einsatz von Frühinterventionen (Perkonigg et al., 2004,
Suchtmedizin 6(1), 22-31)
24
32
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Strukturen
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Alkoholerkrankungen in der medizinischen Grundversorgung
(John et al., 1996)
-
17,5% der stationären Patienten (18-64 Jahre) mit
Abhängigkeits-/Missbrauchssymptomatik
-
10,7% in Allgemeinarztpraxen
33,8% in Krankenhausambulanz
Zusätzliche Verdachtsfälle für Frühintervention, 9,7% stationär
25
Strukturen
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
SNICAS Studie: Raucher und Personen mit
Nikotinabhängigkeit in der Primärversorgung (Hoch et al., 2004,
Addiction 99, 1586-98)
-
ƒ
29% Raucher, 13,9% DSM-IV Abhängigkeit (Vergleichbar mit
Allg. Bev.)
In 25% der Fälle wird Raucher- bzw. Abhängigkeitsstatus nicht
erkannt
56% erhielten jemals Rat oder Beratung über Tabakabstinenz,
12% nahmen jemals an einem Tabakentwöhnungsprogramm teil
Smoking and Nicotin Dependence Awareness and Screening
(SNICAS) Studie (Hoch et al., Suchtmed 2004, 6(1), 32-46, 47-51)
-
Versorgungsdefizit von Rauchern und Tabakabhängigen in der
Primärversorgung
Schwierigkeiten bei der Umsetzung: geringe Aufhörmotivation,
zeitaufwändig, mangelnde finanzielle Vergütung, Beratung alleine
nicht effizient
33
26
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Strukturen
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Weiter Programme der Früherkennung
-
Hart am Limit (HALT) Intervention bei akuter Intoxikation
Jugendlicher im Krankenhaus (Müller et al., 2009, D Med
Wochenschr 21, 1101-05)
-
Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten (FeD)
(Görgen & Rometsch, 2004, Suchttherapie 5(2), 76-79)
-
Frühintervention bei alkoholbezogenen Störungen in der
Allgemeinarztpraxis: ein stepped-care Ansatz (Rumpf et al., 2003,
Suchtmed 5, 37-40)
-
Kommunale Suchtprävention „Wegschauen ist keine Lösung“ im
Landkreis Karlsruhe (Interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Suchthilfe
und Suchtvorbeugung im Landkreis Karlsruhe, 2007)
27
Prozesse
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Prozessforschung innerhalb der Versorgungsforschung
beinhaltet die Untersuchung von Schnittstellen
-
Drogentod nach Entlassung aus dem Gefängnis (Merrall et al.,
2010, Addiction 105(9), 1545-54)
Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse zeigen ein erhöhtes Risiko
für Drogentod in den ersten zwei Woche nach Entlassung, das
Risiko bleibt bis zu vier Wochen nach Entlassung erhöht
-
Übergang von Entzugsbehandlung in Rehabilitationsmaßnahme
-
U.v.m.
28
34
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Ergebnisse
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Untersuchungen zu den Outcomes systemisch
organisierter Ansätze der Krankheitsverhütung,
-bekämpfung oder -bewältigung
-
Beispiel einer systematischen Untersuchung systemischer
Ansätze: Evaluation of treatment outcomes for cocaine
dependence (DATOS Studie) (Simpson et al., 1999, Arch Gen
Psychiatry 56, 507-514)
Naturalistischer, nicht experimenteller Vergleich von outcomes
(Abstinenz, Urinanalysen) verschiedener ambulanter und stationärer
Behandlungsprogramme unter statistischer Kontrolle der Schwere der
Abhängigkeit und der Behandlungsdauer
29
Zusammenfassung und Diskussion
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Institut für
Therapieforschung
München
Vielzahl von Ergebnissen aus der Epidemiologie zu Bedarf und
Inanspruchnahme
Bisher nur wenige systematische Untersuchungen
systemischer Versorgungsansätze in Bezug auf Ressourcen,
Strukturen, Prozesse und Ergebnisevaluation
Kritik am bestehenden Versorgungssystem mit Schwerpunkt
auf Schwerstabhängige wird gestützt durch epidemiologische
Daten, die die Notwendigkeit von niedrigschwelliger
Frühintervention unterstreichen
Vorschläge zur Struktur einer effektiven Versorgung (primär
(Allgemeinärzte, -krankenhäuser), sekundär (Allg.
psychosoziale Dienste) und tertiär (amb. und stat.
Suchteinrichtungen) (Bühringer et al., 2009, Suchtaktuell, ??)
30
35
Forschung für die Versorgung – aktuelle Ergebnisse aus der Versorgungsforschung
Dr. PH Ludwig Kraus, München
Institut für
Therapieforschung
München
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
31
36
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Emotionen und Sucht
Heiner Ellgring
Interdisziplinäre Weiterbildungstagung „Zur Wirksamkeit und
Nachhaltigkeit der Suchttherapie“ des GVS in BerlinSpandau, 8—10 September 2010
Basis- and Soziale Emotionen
• Basis Emotionen:
– Freude
– Trauer
– Furcht
– Ärger
– Überraschung
– Abscheu
– Interesse
• Soziale Emotionen:
– Eifersucht
– Verlegenheit
– Schuld
– Scham
– Stolz
– Verachtung
37
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Ebenen emotionalen Geschehens
1. Subjektives Erleben
= Psychologisches
Signal nach innen
2. Physiologische
Erregung
= Biologisches Signal
nach innen
3. Ausdruck des Gefühls = Soziales Signal
nach außen
1. und 2. = Entstehen einer Handlungsbereitschaft
3.
= Kommunikation von Handlungsbereitschaft
und Stimmungsübertragung
Buck,
1999
38
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Kriterien der Abhängigkeit nach
ICD-10
•
•
•
•
•
•
Starkes, oft unüberwindbares Verlangen, die
Substanz einzunehmen
Schwierigkeiten, die Einnahme zu kontrollieren
(was den Beginn, die Beendigung und die Menge des
Konsums betrifft)
körperliche Entzugssymptome
Benötigen immer größerer Mengen, damit die
gewünschte Wirkung eintritt
fortschreitende Vernachlässigung anderer
Verpflichtungen, Aktivitäten, Vergnügen oder
Interessen (das Verlangen nach der Droge wird zum
Lebensmittelpunkt)
fortdauernder Gebrauch der Substanz(en) wider
besseres Wissen und trotz eintretender schädlicher
Folgen.
Lernen emotionaler Bedeutung:
Klassische Konditionierung
39
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Limbisches System
LeDoux: Zwei Wege der Angst
40
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Appraisal
-Theorien
Situation
Wahrnehmung
Einschätzung
Appraisal
Aktivität vorprogrammierter
neuraler Strukturen
Erlebtes
Gefühl
Physiologische
Reaktion
AusdrucksVerhalten
Nucleus Accumbens
41
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Dopamin - Serotonin
Funktionen von Emotionen
• Motivationale Funktion
– Aktivierung von Handlungsbereitschaft, „Action
Tendencies“
• “Interface” zwischen Ereignissen und
Verhalten
– Entkoppelung von Stimulus und Reaktionen
• Soziale Funktion
– Beziehungsregulation
– Aktivierung von sozialer Unterstützung und
sozialer Responsivität durch
„Stimmungsübertragung“
42
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Relapse Situations with Alcoholics, Smokers, Heroin
Addicts, Compulsive Gamblers and Dieters.
Marlatt, 1985
Emotionen und Drogen-Kognitionen
• Sucht-Motive als Moderator-Variablen
• Motiv: Befindlichkeitsverbesserung ->
positive Emotionen lösen explizite und
implizite Alkohol-Kognitionen aus
• Motiv: Problembewältigung -> negative
Emotionen lösen explizite AlkoholKognitionen aus
43
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Psychodynamische Sichtweise der
Sucht
• Sucht als Symptom der Genußunfähigkeit
• Strategie und Lösungsversuch innerer
Konflikte
• Unzureichende Ich-Funktionen
• exzessive Befriedigung der oralen Impulse
• die Freisetzung von destruktiven Impulsen
im Überich
Affektive Merkmale bei Sucht
• Geringe Frustrationstoleranz
• Ungenügende Affektdifferenzierung
– Unfähigkeit der Benennung und Einordnung
von Affekten
– Gefühle als bedrohlich, beängstigend erlebt
• Affektregulierung und Affektdämpfung
durch Drogen
44
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Schuld und Scham
• Schuld und Scham als primären Gefühle
bei Suchtstörungen, auf die Wut und
Ärger folgen
• Negative Ereignisse auf eigene Person
attribuiert -> Scham
• interpersonale Schuld als ätiologischer
Faktor
• Drogenabhängige leiden an exzessiver,
fehlangepasster und irrationaler Schuld
Persönlichkeitsmerkmale der
Emotionalität
• „Temperamente“
• Typologie nach vorherrschenden
Abwehrmechanismen
• Typologie nach vorherrschenden
Bewältigungsmechanismen (z.B. Typ AVerhalten)
• Emotionale Intelligenz
• Alexithymie
45
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Emotionale Intelligenz
Definition der Alexithymie
(Sifneos,1996; Taylor, 2000)
(1) Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu beschreiben
und anderen mitzuteilen
(2) Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu
identifizieren und von körperlichen
Empfindungen zu unterscheiden
(3) Mangel an Fantasie und Vorstellungsfähigkeit
(4) Extern orientierter Denkstil (pensée opératoire)
- Konkret, realitätsbezogen, handlungsorientiert,
fehlende Tagträume und Erinnerung an Träume
46
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Beschreibung von Gefühlen in
emotionalen Situationen
• Verwirrung
– „Ich weiß es nicht“
• Vage oder einfache Antworten
– „Ich habe mich schlecht gefühlt“
• Bericht von Körperempfindungen
– „Ich hatte Magenschmerzen“
• Beschreibung von Verhalten oder externen Faktoren
– „Er hat dies getan, und ich habe das getan“
Prävalenz: Internationale Daten
(TAS)
100%
90%
80%
Häufigkeit
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
10,2
13
31,4
42,2
53
50
77
27,5
37,5
55,3
sch nisch pielen
gen ndrom ungen ungen rthritis erosa rtonie
eut
c
run
in
S
pe
nk
sy
tör
e A itis ul
St ö
v . d bev . f ches
Hy
e
erz erkra
e
Ess atoid
b
ol
is
in
in
s
hm
rm
um hn / C
me geme holog atofo if . Sc igkeit
e
e
h
g
t
l
l
o
g
R
m
Al
Al
ro n
Pa
Cr
So
hän
Ch
M.
Ab
47
• Allgemeinbev. Deutsch
(n = 2047; Brosig 2004)
• Allgemeinbev. Finnisch
(n = 1285; Salminen, 1999)
• Pathologisches Spielen
(n = 1147; Lumley, 1995)
• Somatoforme Störungen
(n = 45; Bach, 1994)
• Chron. Schmerzsyndrom
(n = 55; Cox, 1994)
• Abhängigkeitserkrankung
(n = 169; Haviland, 1994)
• Esstörungen
(n = 48; Bourke, 1992)
• Rheumatoide Arthritis
(n = 40; Fernandez, 1989)
• M. Crohn/Colitis ulcerosa
(n = 112; Porcelli, 1995)
• Essenzielle Hypertonie
(n = 114; Todarello, 1995)
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Alexithymie &
Gesundheitsprobleme
• Verglichen mit Gesunden ist Prävalenz von
Alexithymie erhöht bei Patienten mit:
– Rheumatoider Arthritis, Bluthochdruck,
entzündlicher Darmerkrankung, KHK,
Brustschmerz, Brustkrebs, Diabetes,
Kopfschmerzen, Fettsucht, chronischen
Schmerzen, Essstörungen, Nierenerkrankungen,
Magengeschwüren, HIV, Fibromyalgie,
Panikstörung, Impotenz, Sexueller Dysfunktion,….
• Alexithymie als Risikofaktor?
• Wirkmechanismus?
4 mögliche Interpretationen
(Lumley et al., 1996; nach Cohen & Rodriguez, 1995)
1) Alexithymie trägt bei zur biologischen Ebene von Erkrankungen
(Gewebepathologie: Sterblichkeit, Laborbefunde, klinische Beobachtungen)
a) über physiologische Veränderungen
b) über ungesundes Verhalten
2) Alexithymie trägt bei zur psychosozialen Ebene
von Erkrankungen
(Bericht und Verhalten: Schmerzen, Symptome,
Behinderung, Stimmung, Behandlungssuche)
a) über Symptome
Drittvariablen
b) über Behandlungssuche
Physiologischer Pfad
3) Alexithymie resultiert aus Krankheit
(“sekundäre Alexithymie”)
Alexithymie
Verhaltenspfad
Kognitiver
Pfad
Krankheit
Störung
Biologisch
4) Drittvariablen verursachen Alexithymie und Krankheit
48
Psychosozial
Sozialer
Pfad
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Hinweise für den Verhaltenspfad
• Alexithymie erhöht bei:
–
–
–
–
–
–
Essstörungen
Alkohol- und Drogenmissbrauch
Schlechter Ernährung
Sitzendem Lebensstil
Spielsucht
Selbstverletzendem Verhalten
• Wenig bekannt über die meisten
gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen
(Compliance, Risikoverhalten, Körperpflege)
Schlussfolgerung:
Alexithymie und Krankheit
1. Wenig Hinweise für Verursachung biologischer Erkrankungen durch A.
– Kaum Hinweise für physiologische Hyperreaktivität
– u ungesundes Verhalten möglich
2. A. als Risikofaktor für psychosoziale Krankheitsfaktoren
– u Symptombericht
– Mögl. u Behandlungssuche, u Prävalenz
3. Sekundäre Alexithymie in
manchen Fällen
Drittvariablen
Alexithymie
?
Physiologischer Pfad
Verhaltenspfad
Kognitiver
Pfad
Sozialer
Pfad
? 99 ?
? ±
4. Drittvariablen denkbar, die Alex. und
Krankheiten verursachen
(Hirnläsionen, Negative Affektivität)
Krankheit
Störung
Biologisch
t Ursache für erhöhte Prävalenzraten bei
unterschiedlichen Erkrankungen unklar
49
Psychosozial
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Bewusste und willkürliche
Steuerung von Emotionen
• Was an den Emotionen ist bewußt?
– Große Teile des emotionalen Geschehens sind
unbewußt.
• Lassen sich Emotionen willkürlich steueren?
– Eine willkürliche Steuerung ist möglich über
•
•
•
•
•
Psychotrope Substanzen
Auswahl von Situationen
Kognitionen
Veränderung von Körperfunktionen
Willkürliches Verhalten
Emotionsregulation
nach Gross, 2000
50
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Strategien zur Verbesserung schlechter
Stimmung (Thayer et al., 1994)
Am häufigsten angewandte Strategien:
• abwarten, Augen schließen oder schlafen (42%)
• Bewegung, Sport (37%)
• lustige Aktivität (35%)
• Humor, etwas essen (34%),
• fernsehen (32%)
Erfolgreiche Strategien zur Verbesserung schlechter
Stimmung (Thayer et al., 1994)
1.
Aktives Stimmungsmanagement – meistens (6,8 - 7,0):
Bewegung, Entspannungstechniken, reflektieren, duschen, Gedanken kontrollieren,
Sex, Humor
2.
Angenehme Aktivitäten, Ablenkung – meistens (6,4 - 6,6):
Hobby, Musik hören, Ort wechseln, lesen
3.
Rückzug, Vermeidung – (6,3=meistens) (3,9=selten - manchmal):
alleine sein, Ursache (Person, Sache) vermeiden, emotionale Handlungen wie z.B.
weinen, schreien etc.
4.
Soziale Unterstützung, Belohnung – manchmal (5,8 - 4,7):
mit jemandem sprechen, Zigaretten, essen
5.
Passives Stimmungsmanagement (5,6=manchmal) (4,2= selten - manchmal):
fernsehen, Koffeinhaltiges trinken, essen, schlafen
6.
Direkte Anspannungsreduktion - selten (3,5 - 3,2):
Drogen, Sex, Alkohol
* Selbsteinschätzungen auf 9-stufiger Skala mit immer, meistens, manchmal, selten und nie
erfolgreich; Therapeuten-Einschätzung kursiv)
51
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Taxonomie von Strategien zur
Stimmungsregulation (Larsen, 2000)
Verhaltensorientiert
Fokus auf
Situation
Fokus auf
Stimmung
Kognitiv
•
•
•
•
Problemorientiertes Handeln
Lösungen suchen
Zukunft planen
Mit jemandem darüber
sprechen
• Weiter daran arbeiten
• Rückzug / Vermeidung /
Flucht
• Neubewertung der Situation
• Erfolg auf anderen Gebieten
thematisieren
• Nach unten orientierter
sozialer Vergleich
• Hoffnung fördern
• Fatalismus
• Ablenkung, sich beschäftigen
• Sozialisieren
• Gefühl ausdrücken, sich Luft
verschaffen
• Gefühl unterdrücken
• Physische Aktivität
• Essen, Trinken, psychotrope
Substanzen
•
•
•
•
Meditieren / Entspannung
Stoizismus
Phantasieren / Tagträumen
An problemfreie Zukunft
denken
• Aktives Vergessen
• Intellektualisieren
Zielbereiche der Emotionsregulation
in der DBT
•
•
•
•
Interne Gefühlszustände, d.h. das subjektive
Erleben von Emotionen,
Emotions-bezogene Kognitionen, d.h.
gedankliche Reaktionen auf die Situation,
Emotions-bezogene physiologische Prozesse,
z.B. Herzrate, hormonale oder andere
physiologische Prozesse und
Emotions-bezogenes Verhalten, z.B.
Handlungen oder mimische Ausdrucksweisen.
52
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Emotionale Ferigkeiten in der DBT
• Identifizieren und Benennen von Emotionen
• Identifizieren von Widerständen gegenüber der
Veränderung von Emotionen
• Reduktion der Vulnerabilität gegenüber
emotionaler Überfoderung
• Vermehren positiver emotionaler Ereignisse
• Erhöhung der Achtsamkeit auf augenblickliche
Emotionen
• Eine gegenteilige Handlung beginnen
• Anwendung von Techniken zur Erhöhung der
Distress-Toleranz
„Geschichte der Emotion“
•
•
•
•
•
•
•
Auslösendes Ereignis
Interpretation des Ereignisses
Körperliche Empfindungen
Körpersprache
Handlungstendenz
Handlung
Emotions-Bezeichnung, basierend auf
der vorherigern Liste.
53
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Veränderungen Emotionaler
Zustände
Ebene
Ungeeignete
Veränderungsversuche
Verhaltenstherapeutische
Maßnahmen
Somatischphysiologische
Ebene
Veränderung von negativen
Emotionen (Angst, Depression,
Spannung, Stress)
durch Pharmaka, Alkohol, Drogen
Biofeedback
Medikamente
Entspannung
Habituation
Systematische
Desensibilisierung
Kognitive Ebene
Negative Bewertungen von sich,
der Umwelt und der Zukunft in der
Depression, Irrationale Gedanken,
Angst vor Ausbleiben sexueller
Erregung
Kognitive Umstrukturierung
RET
Selbstwahrnehmung
Verhaltensebene
Flucht, Vermeidung
Aktivität (Depression)
Gefühle mitteilen
Training sozialer
Kompetenz
Emotionale Fertigkeiten
• Physiologische Reaktionen
– Interpretation physiologischer Reaktionen
– Kontrolle physiologischer Reaktionen
• Subjektives Erleben
– Differentielles Erleben
– Regulation und Bewältigung des Erlebens
•
Ausdruck von Emotionen
–
–
–
–
Spontaner Ausdruck
Willkürlicher Ausdruck
Hemmung - Inhibition
Darstellung - Display
• Erkennen von Emotionen Anderer
54
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
55
Emotionen und Sucht
Prof. Dr. Heiner Ellgring, München
Soziale Funktion von Emotionen
• Es findet eine kontinuierliche Regulation statt:
– Sympathie, Bewertung
– Aktivität
– Status
• Stimmungsübertragung bzw. Kommunikation
von Gefühlen ist Teil unserer sozialen
Interaktion
Dimensionen der
Beziehungsregulation
Sympathie
Status
Aktivität
gut - schlecht
stark - schwach
ruhig - erregt
angenehm unangenehm
groß - klein
müde - wach
positiv - negativ
dominant submissiv
aktiv - passiv
56
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Sucht und Gender –
Erklärungsansätze
und therapeutische
Zugänge bei der
männlichen
Abhängigkeit
Dr. med. P. Subkowski
Arzt f. Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie
Arzt f. Neurologie und Psychiatrie
-Psychoanalyse (DPV/IPA),
Sozialmedizin, Rehabilitationswesen-
Vortragsgliederung
1. Einleitung – zur Genderforschung
2. Statistisch/epidemiologische Daten zur
Geschlechtsverteilung bei Suchterkrankungen
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
4. Genderbedingte Ursachen der Suchterkrankungen
bei Männern
5. Psychodynamische Modelle der männlichen
Suchtentstehung
6. Zur genderspezifischen bzw. gendersensiblen
Suchttherapie
7. Fallbeispiel
57
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Was bedeutet Gender?
• Sex: das biologische Geschlecht
• Gender: die sozialen Eigenschaften,
Verhaltensweisen und Identitäten von Männern
und Frauen, die das Verhältnis zwischen den
Geschlechtern prägen.
Gender ist historisch, kulturell und gesellschaftlich
geprägt und deshalb auch grundsätzlich
veränderbar und bewusst gestaltbar.
ÄL Dr. Peter Subkowski
3
Gender beeinflusst
• das Körperbewusstsein
• das Gesundheitsverhalten
• die Inanspruchnahme der Gesundheitsdienste
• Krankheit und Tod
• die Gesundheitsberufe (eher männlich geprägt,
wie die Chirurgie, oder auch eher weiblich, wie die
Psychotherapie)
ÄL Dr. Peter Subkowski
4
58
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Genderberücksichtigung in der Medizin
In der naturwissenschaftlichen Medizin werden Entstehung,
Verlauf und Therapie von Krankheiten i.d.R. unabhängig vom
Kranken und seiner Umwelt betrachtet, also vermeintlich
objektiv, wertfrei und genderneutral.
Genderaspekte werden dabei bei Frauen und Männern oft
entweder ganz ignoriert oder aber pathologisiert (z. B.
Schwangerschaft, Menopause).
Auch Sucht wird gemeinhin als geschlechtslos betrachtet.
Der einzelne suchtkranke Mensch zeigt aber eine deutliche
geschlechtsspezifische Ausprägung seiner Abhängigkeit.
Die Gründe und Ursachen für einen Suchtmittelkonsum sind
bei Frauen und Männern sehr oft unterschiedlich!
ÄL Dr. Peter Subkowski
5
Erklärungsansätze für Genderdifferenzen bei
Gesundheit und Krankheit:
•
genetische und andere biologische Faktoren,
•
geschlechtsspezifische Lebens- und Arbeitsbedingungen,
•
unterschiedliche gesellschaftliche und kulturelle
Vorstellungen und Selbstkonzepte von Weiblichkeit und
Männlichkeit,
•
psychodynamische Erklärungsmodelle.
Auch für Abhängigkeitserkrankungen geht die interdisziplinäre
Forschung von multifaktoriellen Theoriemodellen aus, die
psychologische, soziologische, kulturelle und biochemische
Faktoren einschließen.
Die Heterogenität in der Gruppe der Süchtigen resultiert dabei
aus dem Zusammenspiel individuell unterschiedlicher Faktoren.
6
59
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
1. Einleitung – zur Genderforschung
2. Statistisch/epidemiologische Daten zur
Geschlechtsverteilung bei Suchterkrankungen
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
4. Genderbedingte Ursachen der Suchterkrankungen
bei Männern
5. Psychodynamische Modelle der männlichen
Suchtentstehung
6. Zur genderspezifischen bzw. gendersensiblen
Suchttherapie
7. Fallbeispiel
Männer haben häufiger als Frauen einen problematischen
Suchtmittelkonsum. In Deutschland sind ca. 75% der
behandelten Suchtpatienten Männer (Welsch u. Sonntag 2005).
In den USA missbrauchen in der erwachsenen Bevölkerung 10%
der Männer und 5% der Frauen Alkohol bzw. illegale Drogen
(Weiss et al. 2003).
Abhängigkeit
Geschlechterverteilung
Alkohol
1/3 Frauen
2/3 Männer
Illegale Drogen
1/3 Frauen
2/3 Männer
Raucher (>20 Zigaretten/Tag) 1/3 Frauen
2/3 Männer
Medikamente
2/3 Frauen
1/3 Männer
Path. Glücksspiel
10% Frauen
90% Männer
90% Frauen
10% Männer
Bulimie + Anorexie
Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2002
60
8
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Deutsche Suchthilfestatistik der DHS des Entlassjahrgangs 2007
ambulante Behandlung
9
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
• Externalisierung und Außenorientierung in Wahrnehmung und
Handeln mit wenig Bezug zu eigenen Gefühlen und Bedürfnissen.
• geringere Empathiefähigkeit.
• geringere Verbalisierungsfähigkeit: eingeschränkte Fähigkeit über
sich zu reden, vor allem über Gefühle und Hilflosigkeit.
• risikoreichere Verhaltensweisen.
• Gewaltanwendung gegen sich und Frauen, Kinder und Männer.
• Einzelkämpfer u. Einzelgänger mit wenig Freunden, mit denen
Persönliches ausgetauscht wird.
• Größere Körperferne – der Köper soll funktionieren ohne viel
Beachtung, Rücksicht und Pflege. Vernachlässigung der eigenen
Gesundheit.
• Kontrollhaltung und narzisstische Abwehr gegen Gefühle und
10
Impulse, sich fallen zu lassen.
61
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
1. Einleitung – zur Genderforschung
2. Statistisch/epidemiologische Daten zur
Geschlechtsverteilung bei Suchterkrankungen
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
4. Genderbedingte Ursachen der Suchterkrankungen
bei Männern
5. Psychodynamische Modelle der männlichen
Suchtentstehung
6. Zur genderspezifischen bzw. gendersensiblen
Suchttherapie
7. Fallbeispiel
Genderbedingte Suchtursachen bei Männern
• Höheres genetisches Risiko bei Männern für Suchterkrankungen
(Remschmidt 2002).
• Allgemein schlechteres Gesundheitsverhalten.
• Höherer beruflicher und persönlicher Erfolgsdruck.
• Einengend erlebte Rollenerwartungen mit Überforderung durch
familiäre Verpflichtungen/Vaterschaft.
• Externalisierendes Verhalten und riskantere Konsummuster in
Bezug auf Quantität und Qualität.
• Narzisstische Abwehr von Ohnmachtgefühlen und Abhängigkeitsbedürfnissen. Instrumentell/funktionell geprägtes Selbst- und
Körperkonzept.
• Positive Erwartungshaltung an Drogen als Ersatz für Emotionalität,
Machtzuwachs etc..
• Unsicherheiten in der Geschlechtsidentität durch zunehmendes
Fehlen von männlichen Bezugspersonen.
12
62
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Männliches „doing Gender with drugs“ - mit Hilfe von Suchtmitteln
Vorstellungen von Männlichkeit leben und aufrecht erhalten
• Drogen erleichtern die physische Inszenierung von Stärke, Macht,
Gewalt über Frauen und Geschlechtsgenossen (Stöver 2007).
• Ausleben von hegemonialer Männlichkeit im Rausch mit
Größenvorstellungen und Unverletzlichkeitsphantasien.
• Aufrechterhaltung der Averbalität, Rationalität und
Kontrolle/Abwehr der eigenen Gefühle.
• Abbau von inneren Blockaden mit Verstärkung des risikoreichen
Verhaltens.
• Intensiveres Erleben von Gruppendynamik. Rausch auch als
Initiationsritus und Kommunikationsenklave bei Männerbünden.
Reduktion von Komplexität in der Umwelt.
• Verstärktes (Sich-)Erleben im Kampf- und Komatrinken.
• Unter Suchtmitteleinsatz werden Herausforderungen künstlich
hergestellt, um einerseits „thrill“ und „Kick“ zu erleben, aber auch
um diese Gefahren zu meistern und sich so als Mann zu beweisen
(Apter 1992).
Männliches „doing Gender with drugs“ Umgang mit Unsicherheiten in der männlicher Geschlechtsrolle
• Alkohol dient bei Männern stärker als bei Frauen als
Stimulationsmittel für Kampfbereitschaft und Kompensationsmittel
für nicht erfüllte männliche Leistungsansprüche.
• MOA-These (Macht-Ohnmacht-Alkoholkonsum, Siebers 1996):
Zusammenhang zwischen erlebter Ohnmacht, dem Bedürfnis nach
Macht und Alkoholkonsum, der Machtgefühle verschafft. Bei
trinkenden jungen Männern ist das Dominanzstreben am höchsten.
Ihr starker Wunsch nach größerer persönlicher Macht korreliert mit
starkem Trinken.
• Alkohol dient als Ersatz für abgewehrte Gefühlswahrnehmungen
und wird als Konfliktregulierungsmittel eingesetzt.
• Alkohol kann dabei im Rahmen traditioneller Männlichkeit typische
männliche Abwehrstrategien wie Verdrängen, Abspalten und
narzisstischer Rückzug verstärken.
Fazit: Männliche Rollenzwänge prädestinieren zum Alkoholkonsum!
63
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Gewalterfahrung
wirkt als Suchtursache auch unabhängig von anderen
sozialen Faktoren.
Gewalterfahrung ist in der Vorgeschichte von Frauen häufiger:
74% aller Sucht-Reha-Patientinnen haben vor dem 16.
Lebensjahr Gewalt erlitten: Seelische (80%), körperliche (30%)
und sexuelle Gewalt (45% der Frauen, aber nur 16%
der Männer!).
Gewalterf.
Süchtige
Nicht – Süchtige
_________________________________________
Frauen
ca. 60%
ca. 25%
_________________________________________
Männer
ca. 30%
ca. 5%
15
Die allgemeine Genderdifferenz wird in den westlichen
Ländern zunehmend kleiner, was auf die veränderten sozialen
Rollen der Frauen zurückgeführt wird, deren Lebensentwürfe
und Verhaltensweisen sich denen der Männer stetig annähern.
Da diese Trends auch für Jungen und Männer gelten, wird von
einer Geschlechterkonvergenz bzw. kulturellen Konvergenz
gesprochen. >
Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der
Prävalenz des Drogenkonsums verringern sich!
Z. B. steigender Tabak- und Alkoholkonsum junger
Mädchen, v. a. in Ostdeutschland, und steigende
Lungenkrebsraten bei Frauen.
16
64
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Zur Bedeutung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Je belastender die traumatischen Lebenserfahrungen sind,
desto früher treten seelische Störungen bzw. eine Sucht auf,
desto schwerer sind sie und ziehen dann unabhängig vom
Gender einen jeweils anderen Drogengebrauch nach sich.
Es ist fraglich, ob die suchtbezogenen Gemeinsamkeiten
zwischen weiblichen und männlichen Alkoholikern nicht
größer sind als die zwischen einer Alkoholikerin und einer ´
von illegalen Drogen abhängigen Patientin?
>
Nicht die Therapiethemen an sich unterscheiden sich
geschlechtsspezifisch, sondern die Erfahrungen eines
individuellen Patienten müssen gendersensibel bearbeitet
werden!
1. Einleitung – zur Genderforschung
2. Statistisch/epidemiologische Daten zur
Geschlechtsverteilung bei Suchterkrankungen
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
4. Genderbedingte Ursachen der Suchterkrankungen
bei Männern
5. Psychodynamische Modelle der männlichen
Suchtentstehung
6. Zur genderspezifischen bzw. gendersensiblen
Suchttherapie
7. Fallbeispiel
65
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Psychodynamische Modelle der männlichen Suchtentwicklung
• Alkohol stellt ein ideales Medium für eine Realitätsverleugnung
mit positiverem Selbstbild und emotionalerem Erleben dar.
• Rado (1934): Kompensation eines instabilen Selbstgefühls.
Heigl-Evers (1991): das Suchtmittel erfüllt die Aufgaben einer
primitiven guten Teilobjekt-Beziehung bei Ich-struktureller Störung.
Fenichel (1945): „Das Über-Ich ist derjenige Teil des Selbst, der gut
in Alkohol löslich ist“.
• Satre u. Knight (2001): Vor allem junge Männer schreiben dem
Alkohol umfassend positive Effekte zu. Mit dem Ziel: einerseits
Steigerung der Genuss- und Arbeitsfähigkeit, andererseits
Abwehr negativer Affekte.
• Müller (1996): Durch die Abwesenheit männlicher Bezugspersonen entsteht über das Fehlen von Identifikationsfiguren
eine Verunsicherung in der männlichen Geschlechtsrolle.
• Bilitza (2009): bei der Suchtentstehung spielt der „not good
enough father“ eine entscheidende Rolle.
Modell der männlichen Suchtentwicklung (Bilitza 2009)
66
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Versagen des Vaters in der männlichen Entwicklung
Strukturelle Störung: aufgrund das Fehlens oder Versagens eines
frühen triangulierenden männlichen Objekts kann die fusionäre frühe
Mutterbeziehung nicht überwunden werden. >
Persistenz einer hochgradig ambivalenten Abhängigkeit von der Mutter
mit bewusster Idealisierung des weiblichen Objekts bei abgespaltener
unbewusster destruktiver Tendenz und
strukturellen Störungen der Trieb-, Ich-, narzisstischen Selbstwert- und
Über-Ich-Organisation, welche die eigentliche psychische
Abhängigkeitsstruktur ausmachen. >
Männliche Konfliktpathologie: auch in der ödipalen Phase stehen
dem Jungen für die männliche Identitätsentwicklung keine
orientierenden, haltgebenden männlichen Objekte zur Verfügung, bzw.
sie versagen in der ödipalen Triangulierung. Daher können die ödipalen
Konflikte, wie die Identifizierung mit dem Vater, nicht bewältigt werden >
Verstärkte Ich-Schwäche, Störung der männlichen Selbstwertregulation
und fehlende Entwicklung eines autonomen Über-Ichs. >
In der Pubertät können die äußeren Anforderungen nicht erfüllt werden.
Der ausprobierende Substanzkonsum dient hier noch als vorläufiger
künstlicher Ersatz für nicht ausreichende Ich-Funktionen >
Manifeste Sucht: Fehlen dann korrigierende und haltgebende äußere
Bezugspersonen bildet der männliche Patient über Missbrauch und
Gewöhnung die eigentliche Substanzabhängigkeit aus. Die Droge dient:
• als Ersatzbildung ungenügender Selbst-Strukturen und/oder
• im Sinne künstlicher Ich-Funktionen und/oder
• zur illusionären Konfliktbewältigung.
22
67
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Die Gewöhnung an den Alkohol führt dazu, dass dieser aufgrund
seiner omnipotenten Wirkung als apersonale PartialobjektRepräsentanz (unbelebtes Objekt) erlebt wird und so das
Unvereinbare von Fusion und Getrenntsein scheinbar miteinander
vereinbart.
Das unbelebte Objekt „Alkohol“ (Voigtel 1996) ist verlässlich,
berechenbar, verfügbar, nicht enttäuschend oder beschämend,
ängstigend und stellt keine unerfüllbaren Ansprüche wie
menschliche Objekte. So kommt ein Kompromiss zwischen
Abhängigkeitsangst und Beziehungswunsch zustande.
Alkohol schafft die Illusion, jederzeit die Abhängigkeit von
Menschen aufgeben zu können. Am Ende kehrt die Abhängigkeit
im Sinne der Wiederkehr des Verdrängten aber wieder: als
Abhängigkeit von der Droge, die immer mit Trennung oder Tod
endet.
Das Versagen des Vaters bzw. Fehlen der väterlichen Funktion in
der Geschichte eines Süchtigen lässt sich nachweisen in der:
• Entwicklungspsychologischen Perspektive: In der Lebensgeschichte
des Pat. ist auffallend häufig ein unzureichender oder fehlender Vater
festzustellen.
• Psychogenetischen Perspektive: Das Versagen des Vaters als
triangulierendes Objekt in der Ablösung von der Mutter hemmt beim
Betroffenen die Entwicklung der Selbststruktur bei der frühen
Triangulierung und/oder der ödipalen Triangulierung > spezifische
Störung der Abhängigkeits- und Autonomieentwicklung.
• Behandlungstechnischen Perspektive: Im Prozess der ÜbertragungsGegenübertragungs-Verschränkung lassen sich die unbewältigten
Triangulierungsprobleme als Reinszenierungen wiederfinden.
68
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
1. Einleitung – zur Genderforschung
2. Statistisch/epidemiologische Daten zur
Geschlechtsverteilung bei Suchterkrankungen
3. Typische Ausprägungen männlicher Sozialisation
4. Genderbedingte Ursachen der Suchterkrankungen
bei Männern
5. Psychodynamische Modelle der männlichen
Suchtentstehung
6. Zur genderspezifischen bzw. gendersensiblen
Suchttherapie
7. Fallbeispiel
Neue korrigierende emotionale Erfahrungen
treten im Verlauf der Therapie auf:
• wenn der triangulierende Vater im Übertragungsgeschehen
die „strukturierende“ Funktion einer hilfreichen väterlichen
Präsenz erfüllt (z. B. durch das psychoanalytischinteraktionelle Prinzip „Antwort“ Stellung nimmt),
• wenn er eine triangulierende Lösung aus dualen
Abhängigkeiten im Rahmen der Therapie fördert >
dies kann zu Trennungen im Schutz eines verlässlichen
väterlichen Objekts als Entwicklungs- bzw. Reifungsschritt
führen.
• Der analytische Prozess wird bei ausreichend stabiler
Selbststruktur des Pat. natürlich auch durch klassische
Deutungen gefördert.
69
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Die Triangulierung kann auch im Rahmen einer integrativen
psychoanalytischen Entwöhnungsbehandlung (Jansen 1987;
Jansen u. Subkowski 1992; Subkowski 2000, 2008) gefördert werden:
¾ Analytische Psychotherapie im multimodalen und multiprofessionellen
Team mit somatischer Mitbehandlung. Der Patient kann die gesamte
Klinik als Feld für unbewusste Reinzenierungen primitiver und
pathologischer Teilobjektbeziehungen nutzen.
¾ In das Kernstück der analytischen Gruppentherapie werden
nonverbale Psychotherapieverfahren, wie KBT, Sport- und
Bewegungstherapie, Kreativ- und Musiktherapie etc., Einzeltherapie und
spezifische indikative Gruppen integriert.
¾ In den regelmäßigen Teamsitzungen werden die unterschiedlichen
Beziehungsaufnahmen und das Übertragungs-/Gegenübertragungserleben vom Team reflektiert und zu einem Gesamtverständnis der ubw.Szene bzw. des zentralen Beziehungskonfliktthemas (ZBKT) (Luborsky
1987) integriert.
¾ Die in den Teamsitzungen gewonnene Einsicht gibt Orientierung für
die Behandler in ihren jeweiligen therapeutischen Bereichen und dient
auch der psychischen Entlastung der Mitarbeiter.
Unsere Therapiebezugsgruppen sind grundsätzlich gemischt:
Vorteil, dass sich in ihnen die Lebenswirklichkeit der Patienten
widerspiegelt, so dass die Möglichkeit besteht, Konflikte und
Probleme zwischen den Geschlechtern zu bearbeiten und das
andere Geschlecht besser kennen zu lernen und zu verstehen.
Das Sprechen über Befindlichkeiten löst dabei die stoffinduzierte
Beruhigung ab (Schmitt 2009).
Diese werden ergänzt durch eine indikative Männergruppe und
eine Frauengruppe, die von männlichen Therapeuten bzw.
Therapeutinnen geleitet wird. Hier können geschlechtsspezifische Probleme, wie Gewalterfahrungen, sexueller
Missbrauch etc. in einem geschützten Rahmen gendersensibel
bearbeitet werden.
Bei der begleitenden Einzeltherapie wird das Geschlecht der
Therapeuten und die Wünsche des Patienten berücksichtigt.
Z. B. fällt es vielen Patientinnen mit sexuellem Missbrauch in der
Vorgeschichte leichter mit einer Therapeutin zu arbeiten.
Männern mit sexuellen Funktionsstörungen dagegen können
sich oft leichter einem männlichen Therapeuten anvertrauen.
70
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Männerspezifische/sensible Suchttherapie nach Vosshagen (2005)
Psychotherapieanforderungen
Männlichkeitsansprüche
Preisgeben privater Erlebnisse
Aufgabe von Kontrolle
Nicht-sexuelle Intimität
Zeigen von Schwäche
Erleben von Scham
Zeigen von Verletzlichkeit
Hilfe suchen
Gefühlsausdruck
Introspektion, Innenwahrnehmung
Äußern von Beziehungsproblemen
Auseinandersetzen mit Schmerz
Akzeptieren von Misserfolgen
Eingestehen von Ungewissheit
Aushalten von Spannungen
Verbergen privater Erlebnisse
Bewahren von Kontrolle
Sexualisierung von Intimität
Zeigen von Stärke
Ausdruck von Stolz
Zeigen von Unbesiegbarkeit
Selbständigkeit
Gefühlskontrolle
Externalisierung, im Außensein
Vermeiden von Konflikten
Verleugnung von Schmerz
Beharren auf dem Weg
Vortäuschen von Allwissenheit
Ausagieren von Spannungen
7. Fallbeispiel
Hr. A., Mitte 50 Jahre, 16wöchige Entwöhnungsbehandlung
·
seit über 20 Jahren Barbiturat-, später Lexothanil- und Distraneurinabhängigkeit. Seit 16 Jahren
Alkoholabhängigkeit.
·
In der Familie Abhängigkeit zweier Brüder und des Großvaters mütterlicherseits sowie der Mutter.
·
Auslösendes Ereignis: mit 33 Jahren Herzangst und „Kollaps“ auf der Arbeit, als ihn der väterliche,
verlässliche Mitarbeiter verlässt. Die verschriebenen Medikamente werden als „kleine Helfer“ erlebt.
·
Streng katholisch ohne Vater (Gefangenschaft) bei der Mutter bis zum 3,5 Lebensjahr aufgewachsen;
vom Patienten verleugnet.
·
Hohe verinnerlichte Leistungsnormen und Ansprüche (rigides Über-Ich), die schon als Kind mit
Angstzuständen einher gingen. Kurzfristig als Kind deswegen Krankenhausbehandlung.
·
Zur weichen, gefühlvollen, künstlerischen 76jährigen Mutter habe er immer den besseren Kontakt
gehabt (bewusste Idealisierung). Diese habe sich aber durchweg dem Vater unterordnen müssen. Von ihr
habe er aber auch „die schlechten Nerven geerbt“.
·
Sein Vater ist vor 9 Jahren 71jährig verstorben. Er sei dominant, intelligent, „über alles erhaben“ und
den Söhnen gegenüber autoritär gewesen. Der Patient bewunderte ihn, hatte aber auf die Entfernung zu
ihm immer eine angespannte Beziehung. Erst lehnte er den Beruf des Einzelhandelskaufmanns ab, eiferte
aber dann doch dem Vater nach.
·
Psychodynamik: Überwiegen der fusionären negativen S-O-Erfahrungen mit der alkoholabhängigen
Mutter, die abgespalten und verleugnet werden mussten. Fehlen des präödipalen Vaters in der Frühzeit
(mangelhafte männliche Identifikation), kein triangulierender Ausgleich zur Mutterbeziehung. Mit 4 Jahren
Diphtherie mit länger dauernder stationärer Behandlung, ausgeprägte Geschwisterrivalität, Tod des
nachfolgenden Bruders > falsches Selbst mit kontraphobischen und narzisstischen Zügen und forcierter
Autonomie. In der Beziehung zur Ehefrau Wiederholung der ambivalenten Autonomie/ Abhängigkeitsproblematik. Überlassung an das unbelebte Objekt Droge und symbiotische Verschmelzung im Rausch.
71
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
Fallbeispiel
31
71
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
72
Sucht und Gender – Erklärungsansätze und Behandlungszugänge bei der männlichen Abhängigkeit
Dr. Peter Subkowski, Bad Essen
73
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Klinik für psychotherapeutische und
psychosomatische Medizin EVKB
Dr. Andrea Möllering
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von
Trauma-Folgestörungen:
Chancen und Grenzen der Suchttherapie
1
„Ich wußte dass wird immer an mir kleben. Ich
werde mich immer schuldig fühlen für das was
ich mit mir machen lassen mußte. Aber mein
Mund verschloss sich und ich habe bis heute
nicht darüber gesprochen, nur nachts holt mich
der Schrecken wieder ein“
(Worte einer Frau2009, die bei Kriegsende 1945 mehrfach brutal
vergewaltigt wurde)
74
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Psychotraumatologie
• Seit Jahrtausenden gibt es Rituale zur Milderung
traumatischer Erfahrungen
• 1860 Veröffentlichung eindrucksvoller
gerichtsmedizinischer Studien über Missbrauch und
Misshandlung von Kindern
• 1882 zunehmend Veröffentlichungen, die Frauen und
Kindern „hysterische Lügengeschichten“ unterstellen
• 1895 erarbeitet Sigmund Freud das Krankheitsbild der
Hysterie als eine auf Traumatisierungen zurückgehende
Erkrankung. 1897 widerruft er die Traumatheorie
(zumindest scheinbar)
Geschichte der Psychotraumatologie
•
•
•
•
•
Erster Weltkrieg „Kriegszitterer“
Zweiter Weltkrieg und Holocaust
Vietnamkrieg
Frauenbewegung in den 70´er Jahren
Seit den 80´Jahren wieder zunehmende Beschäftigung
mit dem Thema: Traumatisierung und psychische Folgen
• Ramstein, Eschede, Erfurt, 11. September 2001,
weltweiter Terror, Tsunami, weltweite Kriege...
• Aktuelle Debatte um Mißhandlungen und Mißbrauch im
kirchlichen/institutionellen Kontext
• Inflation des Traumabegriffes???
75
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
6
76
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
77
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Nährboden für Angst
Kriminalitätsstatistik
BRD 2009 (BKA)
- Mord/Totschlag/fahrlässige Tötung
2277 Fälle
- Vergewaltigungen u. bes. schwere
sex. Nötigung
7315 Fälle
- Gefährliche und schwere
Körperverletzung
149 301 Fälle
78
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eine PTBS zu entwickeln? (Angaben gemäß
der Leitlinie PTBS AWMF:
www.awmf.org)
• Die Häufigkeit ist abhängig von der Art des
Traumas
– Ca. 50% Prävalenz nach Vergewaltigung
– Ca. 50% Prävalenz bei Kriegs- und
Vertreibungsopfern
– Ca. 25% nach anderen Gewaltverbrechen
– Ca. 15% bei schweren Organerkrankungen
…..
nach aktueller Studienlage ist soziale
Unterstützung nach einer Traumatisierung einer
der wichtigsten Faktoren zu sein, um die
Ausbildung einer Traumafolgestörung zu
verhindern!!!!!
12
79
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Trauma-Begriff nach ICD-10
Traumadefinition Posttraumatische
Belastungsstörung ICD-10 F43.1
„ ....... ein belastendes Ereignis oder eine Situation
kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast
jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde... “
(WHO 1994)
Essstörungen
Suchterkrankungen
Angststörungen
Depressionen
Somatoforme St.
PTSD
TRAUMA
Pers.störungen
Sonst. Psych. St.
Psychosen
Keine Psychopath.
Dissoziative St.
80
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Posttraumatische Belastungsstörung
ICD-10: F43.1
Intrusionen (immer wieder einschießende
Bilder, Gerüche, Gedanken etc.), Albträume..
Vermeideverhalten (Vermeidung von Orten,
Personen aber auch Gefühlen ..)
Hyperarousal (Schreckhaftigkeit,
Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Schlafstörungen
etc.)
„Reguläre Stressreaktionen“
Amygdala
„Alarm“
Großhirn
„Bewußtes“ Handeln
Hippocampus
„Einordnung“ in Raum, Zeit, etc
Stressrkt.
Herzfr.anstieg
Blutdruckan.
Angst
Etc.
Erlebnis wird zusammenGeführt und als Ganzes
abgespeichert
81
Logik und bewußtes
Handeln
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Bild Ellert Nijenhuis
• Trauma als Unmöglichkeit von Kampf und Flucht
• Ohnmacht und Hilflosigkeit
Was passiert bei Traumatisierungen?
Amygdala
„Alarm“
Stressrkt.
Herzfr.anstieg
Blutdruckan.
Angst
Etc.
Vollständige
Großhirn
Oder teilweise
„Bewußtes“ Handeln
Blockierungen
i.B.
des
Hippocampus
Hippocampus
„Einordnung“ in Raum, Zeit, etc
Erlebnis wird zusammenGeführt und als Ganzes
abgespeichert
82
Logik und bewußtes
Handeln
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Bild Ellert Nijenhuis
Bild Ellert Nijenuis
83
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Besonderheiten Trauma-Frauen
• Die Traumatisierungen, die oft die größten Probleme
bereiten erfolgen meist schon im Kindesalter:
– V.a. innerfamiliärer sex. Mißbrauch
• Traumatisierung aufgrund des Geschlechtes in einer
Phase in der die Identitätsentwicklung noch nicht erfolgt
ist
• Gesellschaftliche Bewertung und Tabuisierung
• Oftmals keine Hilfe durch die Mütter
• „wäre ich keine Frau, wäre ich nicht traumatisiert
worden“
PsychodynamischeHypothesen zu
Traumatisierungen
Trauma zeigt: Die Wirklichkeit ist schlimmer als jede Phantasie.
die Bewältigungsmöglichkeiten des Ich sind außer Kraft
u.U. Flucht in die Dissoziation
Versuch durch Verleugnung und Ungeschehenmachen das Trauma zu
verarbeiten
Getrennthalten von Ich-Zuständen
erniedrigte Reizschwelle (die traumatischen Erfahrungen brechen immer
wieder durch „Intrusionen“)
Täterintrojekte
22
84
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Traumatisierungen und
Suchterkrankungen
• Untersuchung an repräsentativer deutscher
Bevölkerungsstichprobe (18.-59.LJ): gaben 2,8% der Männer
und 8,6% der Frauen an vor dem 16.LJ sexuellen Handlungen
ausgesetzt gewesen zu sein (10% körperliche Misshandlungen
bei beiden Geschlechtern) (Wetzels et al 1997)
• Nach neusten Studien liegen die Raten für schwere
Traumatisierungen bei Suchtkranken durchschnittlich bei 7090% (Brown 1994; Giakonia et al 1995; Schäfer et al 2000;
Langeland 2003; Driessen 2008)
(Lüdecke, Sachsse, Faure: Sucht-Bindung-Trauma Schattauer 2010)
23
Hypothesen Beziehung Suchtmittelmissbrauch und PTBS
(nach Lüdecke, Sachsse, Faure: Sucht-Bindung-Trauma)
• 1. Selbstmedikationshypothese (Khantzian 1985 und
viele folgende Studien):Einsatz von psychoaktiven
Substanzen, um Symptome der PTBS zu reduzieren
• 2. Sensibilitätshypothese: erhöhte Sensibilisierung des
limbischen Systems bei Suchterkrankten
• 3. Hochrisikohypothese: Drogenkonsum hochriskantes
Verhalten und damit erhöhtes Risiko einer
Traumaexponierung
Das neuroanatomische Korrelat der Suchterkrankung hat den
Hauptsitz im mesokortikolimbischen Belohnungssystem
24
85
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Traumatherapie
Das oberste Prinzip jeglicher Traumatherapie
ist die Herstellung von Sicherheit im
Außenfeld und im Inneren
1.Keine weitere Traumatisierung oder direkte Gefährdung
durch die Täter bis hin zu keinem Täterkontakt generell
2. Den Betroffenen muß dabei geholfen werden zu
verstehen, dass das Ereignis in der Vergangenheit lag,
abgeschlossen ist und heute keine Gefahr mehr droht
25
Bild Ellert Nijenhuis
S afety first!
86
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Theorie der strukturellen Dissoziation n.
Ellert Nijenhuis
• Strukturelle Dissoziation (psychisch-somatisch)
• Basierend auf den Erkenntnissen Janets
entwickelte Theorie über Folgen von
Traumatisierungen unter Berücksichtigung
neuerer hirnorganischer Forschungsergebnisse
• Beobachtungen, dass u.U. Suchtmittelkonsum
„innerhalb“ einer Person sehr unterschiedlich
besetzt sein kann
87
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Traumatherapie
Stabilisierende Maßnahmen Außen: Versorgung der Grundbedürfnisse,
Sicherheit, Im Vordergrund stehende Symptome (körperlicher u./o.
psychischer Art)etc.
Stabilisierende Maßnahmen Innen: Imagination (Arbeiten mit der
Vorstellungskraft). Bspl.: „innerer sicherer Ort“, „Tresor“,
„Fokussierung auf positive Erfahrungen“, „innere Kind Arbeit“ etc.
Direkte Traumabearbeitung: Bspl.: „Screentechnik“, „innere Kind
Arbeit“, „EMDR“, Verhaltenstherapeutische Interventionen,
psychodynamische Interventionen
Integration des Erlebten in die Persönlichkeit: oft „klassische“
Psychotherapieverfahren
29
Probleme Sucht-Traumabehandlung
• „aber ich trinke/konsumiere doch nur, weil ich
traumatisiert bin, wenn das Trauma bearbeitet
ist, kann ich auch aufhören“
• In „Traumakliniken“ ist akute Sucht oft eine
Kontraindikation
• In „Suchtkliniken“ gibt es oftmals noch keine
ausreichend auf Traumafolgen ausgerichtete
Therapieangebote
• Folge: viele Pat. sind „nirgendwo richtig“
88
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Grundregel Therapie Trauma-Sucht
(aus: Sucht-Bindung-Trauma: Lüdecke, Sachsse, Faure
Schattauer 2010)
• Stabilisierung der Sucht vor
• Stabilisierung der komorbiden Störungen vor
• Stabilisierung der Trauma-Störung vor
• Trauma-Konfrontation
31
Trauma-Sucht: Therapie
die Therapieansätze müssen! ineinander
greifen
Z.B kann die Arbeit am mesokortikolimbischen
Belohnungssystem die Amygdala in höchstem
Maße stressen
Fragen etwa des Umgangs mit Substitution
unter Traumatherapie
32
89
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Notfallkoffer
Anleitung an Pat.: gestalten Sie sich einen Notfallkoffer
für die Psyche, in den sie für allle Sinne etwas nur gutes
hineinlegen (es empfiehlt sich z.B. eine kleine Tasche zu
nehmen, die man immer bei sich haben kann):
–
–
–
–
–
Etwas
Etwas
Etwas
Etwas
Etwas
gutes
gutes
gutes
gutes
gutes
für
für
für
für
für
die Augen (z.B. ein Bild..)
die Ohren (Musik oder ein Ton..)
die Nase (z.B. ein Duftöl,..)
die Haut (z.B. ein Stoff..)
den Geschmack (eine Süßigkeit etc.)
Wichtig ist, dass es nur gute Gefühle erzeugen darf und nicht
ambivalent besetzt ist!
Rahmenbedingungen der Therapie
• Berücksichtigung der Besonderheiten, dass bereits die
Anwesenheit eines Mannes, die Kombination
verschiedener Gerüche oder Stimmlagen
Traumaerfahrungen reaktivieren können
• Frage der Modifikation von Behandlungssettings von
„reinen“ Frauenstationen bis hin zu speziellen
Behandlungsangeboten für Frauen in
gemischtgeschlechtlichen Behandlungseinheiten
• (Psychodynamisches) Verstehen bedeutet nicht, dass
alles toleriert wird und auf alle individuellen
Befindlichkeiten eingegangen werden muß. Manchmal ist
Empathie „kontraindiziert`“!!!
90
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
PITT: insb. Zur Behandlung von komplexen
Traumafolgestörungen entwickelt
Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie (Prof.Dr.Luise
Reddemann) PITT:
Psychotherapie auf der inneren Bühne
•
Innerseelisches wird als Gestalt, d.h. verschiedene Gestalten
beschrieben
•
Dadurch wird das innere Drama handhabbar (Kontrolle)
•
Beispiel: Umgang mit Täterintrojekten
© Veronika Engl
35
Weitere Formen der Traumatherapie
Screentechnik:
TherapeutIn und PatientIn stellen sich vor, sie erleben
das traumatische Erlebnis wie einen Film in der Form,
dass die Pat. die Fernbedienung in der Hand hat
(imaginär) und das Geschehene somit „kontrolliert“
erzählen und erleben kann!!!
36
91
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
EMDR (eye movement desensitization and
reprocessing)
• Erfolgt anhand eines strukturierten Protokolls
• Fokussierung auf einen umschriebenen Aspekt der
Traumatisierung
• Frage nach negativer (überdauernder) Kognition
(Einordnung SUD 0-10)
• Identifizierung der entspr. Körperfixierung
• Erarbeitung einer positiven Kognition
(Einordnung VOC 1-7)
• Vereinbarung eines Stoppsignals
• Bilaterale Hirnstimulation (Augenbewegungen, Tapping, Gehör
etc.)
Trauma und Medikation
(Behring et.al ZPPM 2009
Heft 3)
• Die Psychopharmakotherapie ist als Ergänzung zur
Psychotherapie zu sehen und schweren Fällen vorbehalten
• Der Studienvergleich macht deutlich, dass zur Behandlung der
PTBS SSRIs als Pharmakon der Wahl anzusehen sind
• Der Verlaufstyp der PTBS ist bei der psychopharmakologischen
Behandlungsstrategie zu berücksichtigen
• Die Erfahrung zeigt, dass die AD ein günstiges Wirkprofil
entfalten, zwischen den „ego states“ der Vermeidung und
Übererregung zu vermitteln
• Cave insb. Bei Benzoediazepinen (siehe auch AWMF-Leitlinie:
akute Folgen psychischer Traumatisierung)
92
Suchtentwicklung bei Frauen im Rahmen von Trauma-Folgestörungen: Chancen und Grenzen der Suchttherapie
Dr. Andrea Möllering, Bielefeld
Literaturhinweise (eine kleine Auswahl)
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Sucht-Bindung-Trauma: Psychotherapie von Sucht und Traumafolgen
im neurobiologischen Kontext. Lüdecke, Sachsse, Faure, Schattauer
2010
Trauma und Sucht: Konzepte-Diagnostik-Behandlung. Schäfer, Krausz,
Klett-Cotta 2006
Trauma und Sucht in Zeitschrift für Psychotraumatologie und
Psychologische Medizin 2005, Heft 3 Reddemann
Trauma und Persönlichkeitsstörung. Wöller. Schattauer
Trauma: ein Übungsbuch. Reddemann, Dehner-Rau Trias 2004
Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie Klett-Cotta. Reddemann
2004.
Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und
überwinden. Kindler 1993
Hofmann. EMDR in der Therapie psychotraumatische
Belastungssymptome Thieme 1999
Und viele mehr!!
!Ressourcenorientierung!
Und auch das unglücklichste Leben hat
seine Sonnenstrahlen und seine kleinen
Glücksblumen zwischen dem Sand und
Gestein
(Hermann Hesse)
93
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Neurobiologie und
Suchttherapie
Andreas Heinz
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Charité Universitätsmedizin Berlin
Charité Campus-Mitte
Schädlicher Gebrauch
z.B. Depression
94
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Hirnatrophie bei
Alkoholabhängigkeit
Toleranzentwicklung &
Entzugssymptomatik
95
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
GABAerge Neurotransmission und
Alkoholwirkung
Chronischer Alkoholkonsum
GABA-artig
GABA
GABA-A
Frühe Abstinenz
GABA
GABA-artig
GABA-A
Reduzierte GABA-A Rezeptoren bei
abstinenten Alkoholabhängigen
Abi-Dargham et al., Am J Psychiatry, 1998
96
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Alkohol & glutamaterge Neurotransmission:
Glutamat-Rezeptor
Glutamat
Exzitation
Normal
Ethanol
Ethanol
Inhibition
Hyperaktivitätstadium
Exzitotoxizität
Entzug
Schumann et al., Nervenarzt 2005; Spanagel et al., Nat Med 2005
Verlangen &
Kontrollminderung
97
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Akute Alkoholwirkung
Dopamin
L-Tyrosin
MAO
DOPA
COMT
MAO
DA
Transporter
COMT
3-Methoxytyrumin
Vor der Konditionierung
Light
Reward
Reward
erhalten = 1,
R erwartet = 0:
1-0 = 1
Nach der Konditionierung
Light
CS-R erhalten = 1,
CS-R
= 0:
Beginerwartet
of
1-0arm
= movement
1
Reward
Schultz et al., 1993
98
R erhalten = 1,
R erwartet = 1:
1-1 = 0
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Alkoholabhängigkeit: DA Dysfunktion
F-DOPA
D2
Dopamin
L-Tyrosin
MAO
DOPA
COMT
MAO
DA
Transporter
COMT
3-Methoxytyrumin
Dopamine D2-receptor availability and craving
Cortex
white matter
Ventricle
Caudate
Putamen
Nucleus
accumbens
Claustrum
SPM-overlay
BP
Talairach-atlas (Thieme 1988)
Plot of the correlation
at xyz 16 / 14 / -6
ACQ
99
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Alcohol Craving & [18F]DOPA-uptake (left) / [18F]DOPA-uptake/[18F] DMFP BP (right)
Cortex
white matter
Ventricle
Caudate
Putamen
Nucleus
accumbens
0.012
0.010
0.008
ratio Ki/BP
Ki
0.010
0.008
0.006
0.004
0.006
0.002
0.004
0.000
40
60
80
100
120
140
40
60
80
ACQ
100
120
ACQ
Heinz et al., Am J Psychiatry 2004 & 2005
Belohnungsanzeigende versus belohnende Reize
Cue
Reward
Knutson et al., J Neurosci 2001
Schultz et al., Science 1996
100
140
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Fehlende Aktivierung des ventralen Striatums bei
Gewinnerwartung & Alkoholverlangen
Wrase et al.
(eingereicht)
Reversal learning Paradigma
2 runs * 100 trials
6 – 10 conditions per run
101
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Vermindertes belohnungsabhängiges Lernen
bei Alkoholabhängigen
Fehlende Feedback-bezogene präfrontale
Modulation bei Alkoholabhängigen &
verminderte Lerngeschwindigkeit
Lerngeschwindigkeit wird vorausgesagt durch Feedbackbezogene Modulation der functionalen Konnektivität:
(R2 = 0.15, p < 0.05)
102
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Schultz et al.,
Science 1997
R erhalten = 1,
R erwartet = 0:
1-0 = 1
R erhalten = 1,
R erwartet = 1:
1-1 = 0
R erhalten = 0,
R erwartet = 1:
0-1 = -1
103
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
104
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
For
presentation
P<0.001
uncorrected
Vor der Konditionierung
Light
Reward
Reward
erhalten = 1,
R erwartet = 0:
1-0 = 1
Nach der Konditionierung
Light
CS-R erhalten = 1,
CS-R
= 0:
Beginerwartet
of
1-0arm
= movement
1
Reward
Schultz et al., 1993
105
R erhalten = 1,
R erwartet = 1:
1-1 = 0
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Heinz et al.,
Arch Gen
Psychiatry
2004
normaliz
ed
[11C]Car
fentanil
concentr
ation
Alcoholics
alcoholics
healthy controls
ve 4
controls
1
ventral
striatum
ventral
striatum
ntr
al
stri
atu 3
m
(V3
")
+1 SD
mean ± SEM
2
-1 SD
1
occipital cortex
1
0-60 min. p.i.
Valenz
Arousal
International Affective Picture System: Lang et al., 1990
106
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Positive versus neutrale Bilder:
Alkoholabhängige > Kontrollen
Heinz … Mann, ACER 2007
Neurobiologische Korrelate
alkohol-abhängigen Verhaltens
• Neuroadaption und Entzugssymptomatik
• Genuss assoziiert mit opioiderger Neurotransmission
• Verlangen assoziiert mit dopaminerger
Neurotransmission
• Verlangen nach Alkohol trotz Wunsch/Willen, abstinent
zu bleiben: Dysfunktionelle Verbindung ventrales
Striatum – präfrontaler Kortex
• Protektive Wirkungen hedoner Erlebnismöglichkeiten?
107
Neuere Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie und ihre Bedeutung für die Suchttherapie
Prof. Dr. Andreas Heinz, Berlin
Wrase J, Hein J, Beck A, Schlagenhauf F, Gallinat J, Grüsser SM+. Kienast T
Charité Campus Mitte
Kooperationen:
Mann K, Flor H
ZI Mannheim, University of heidelberg
Schumann G
Institute of Psychiatry, London
Bares R, Reimold M, Machulla HJ
PET Center Univ. Tübingen
Knutson B
Stanford University
Jones DW, Higley JD, Goldman D, Hommer D, Weinberger DR
National Institutes of Health, Bethesda, MD
108
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Interdisziplinäre Weiterbildungstagung:
„Zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit
der Suchttherapie“
8. – 10. September 2010
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF
in Diagnose und Behandlung der
Abhängigkeitserkrankungen
Folie 1
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Die Entwicklung von Abhängigkeiten wurde bisher
überwiegend in einer „individualzentrierten
Perspektive“ erklärt
Æ dies ergibt sich auch aus der ICD-10 und den für
Suchttherapie anerkannten Therapieverfahren
Folie 2
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
109
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ diese individual-zentrierte Perspektive verstellt
gleichsam den Blick auf das Mikrosystem Familie und
das Makrosystem Gesellschaft und Kultur
Æ der Kontext, der individuelle Lebensentwürfe
nachhaltig beeinflusst, bleibt in Diagnose und
Therapie weitgehend unberücksichtigt
Folie 3
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ daher hat die WHO 2001 beschlossen, weltweit ein
neues Klassifikationssystem für Krankheiten,
Gesundheitsstörungen und Behinderungen
einzuführen, die ICF
Æ „International Classification of Functioning, Disability
and Health“ = „Internationale Klassifikation der
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“
(ICF)
Folie 4
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
110
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Inhalt...in den nächsten 45 Min.
Æ die ICF vorstellen
Æ in die „erste“ Geschichte des Themas einführen
Æ den Kontextfaktor in der ICF erklären
Æ die ICF in der Medizinischen Rehabilitation
Abhängigkeitserkrankungen
Æ in die „zweite“ Geschichte des Themas einführen
Æ Frage: „Was wird durch die ICF Kontextfaktoren neu?“
Æ Resumee
Folie 5
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Vortrag und PowerPoint auf:
www.stachowske.de
Berlin 2010
Æ Download der ICF:
www.dimdi.de
Klassifikationen
ICF
Æ www.asanger.de
Suchwort: ICF
Folie 6
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
111
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ die ICD 10 definiert und erklärt mit einer individualzentrierten Symptom- bzw. Defizit-Orientierung
Krankheiten „linear“
Æ die ICF beschreibt ergänzend dazu auch die
retrospektivischen, perspektivischen und kontextuellen
Folgen einer Krankheit/Störung für den Betroffenen
„dialogisch“.
ICF
ICD 10
=
ICD Kodifizierung +
Folgen einer Krankheit/Störung
=
Definition von Krankheit
Folie 7
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Struktur der ICF
ICD 10
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
Umweltfaktoren
Folie 8
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
112
personenbezogene Faktoren
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ „Das medizinische Modell begreift „Behinderung“ als ein
Problem der Person, welches unmittelbar von einer
Krankheit, einem Trauma oder einem anderen
Gesundheitsprobleme verursacht wird, das der
medizinischen Versorgung bedarf“
Æ „Das soziale Modell der Behinderung hingegen betrachtet
Behinderung hauptsächlich als ein gesellschaftlich
verursachtes Problem und im wesentlichen als eine Frage
der vollen Integration Betroffener in die Gesellschaft.
Hierbei ist ‚Behinderung‘ kein Merkmal einer Person,
sondern ein komplexes Geflecht von Bedingungen“
ICF 2005, 25-pdf
Folie 9
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ komplexe Entwicklungsbedingungen, auch
systemische
Æ kontextuelle Einflussfaktoren
Æ und komplexe Auswirkungen von Störungen der
Gesundheit werden in Diagnose und Therapie
integriert
Folie 10
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
113
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ In Deutschland sind wesentliche Prinzipien der ICF in
das Sozialgesetzbuch, Teil IX
Æ in den Richtlinien über Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinien) nach § 92
Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V des Gemeinsamen
Bundesausschusses vom 01.04.2004 integriert GBA
Æ somit ist die ICF „Rechtsgrundlage“
Æ Sie wirkt „verordnet“
Æ und noch wenig „geliebt“
Folie 11
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ die Philosophie und Struktur der ICF ist, historisch
betrachtet, nicht neu
Æ sie schließt an altes Wissen an, das durch die
Prinzipien der ICF neu rekonstruiert wird
Folie 12
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
114
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Medizin
Æ „Krankheit entsteht immer dann, wenn das gerechte
Gleichgewicht der Teile gestört ist, im Organismus
ebenso wie im Staat.“
Æ (arabische Medizin ca. 4000 v. Chr.)
Lauer 1994, 182
Folie 13
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Einflüsse unsichtbarer, übernatürlicher Mächte
Geister – Dämonen – Götter – Gott
Weltseele – ideae morbosae
Astropathologie
Magnetismus
Einflüsse
der Zivilisation – vo
Mitwelt und
Gesellschaft,
von Affekten,
von Informationen
Aetiologische
Außen-Einflüsse
Geisterwelt
Spiritukinese
Spiritudynamik
Mitwelt
Soziokinese
Umwelt
Oekokinese
Soziodynamik
Seele
Psychogenese
Interpsychische
Dynamik
Submentalpathologie
Mentalpathologie
Biographische Pathologie
Personale Pathologie
Emotionalpathologie
Psychodynamik
Einflüsse der natürlichen
Umwelt, der Lebensweise,
mechanischer, chemischer,
elektrischer,
belebter usw. Art
Oekodynamik
Körper
Physicogenese
Leben
Biogenese
Physikodynamik
Biodynamik
Pathogenetische
Innen - Vorgänge
Solidarpathologie,
Humoralpathologie,
iatrophysikalische,
iatromorphologische,
iatrophysiologische
Pathologie
Phychiatrische Pathologie
Pathologie der facultates und instrumenta
Pneumopathologie, Vitalkräftepathologie
Naturhistorische Pathologie
Missproportionen der Lebenspotenzen
Folie 14
(Rothschuh 1978, 13)
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
115
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Psychoanalyse
Freud: „Das Unbehagen in der Kultur“ (1930)
Æ „Das hysterische Unglück, mit dem die
psychoanalytische Aufklärungsarbeit konfrontiert ist,
ist kein Organgeschehen, das man aus dem
lebensgeschichtlichen Zusammenhang des
Betroffenen herauspräparieren könnte; es ist vielmehr
eingebunden in einen ganz bestimmten kulturellen
Zusammenhang, ein Kultur-Konflikt, der in seiner
lebenspraktischen Unmittelbarkeit Ausdruck sucht“
(Lorenzen/Görlich 1994, 8/9).
Folie 15
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Kontextuelle Familientherapie
Æ Sie führen aus: „Geradlinig kausalem Denken erscheint
Krankheit als durch eine Ursache oder eine Kette von
Ursachen determiniert. Der dialektisch geschulte Blick
dagegen achtet auf die dualistische psychische Realität
jeder Beziehung. Ein Dialog wiederum ist niemals nur auf
zwei Personen beschränkt. In jedem Dialog begegnet ein
Mensch mit seiner Welt einem anderen Menschen mit
dessen Welt.“
(Boszormenyi-Nagy und Spark 2001, 50)
Folie 16
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
116
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Kontextuelle Familientherapie
Æ „Wir erkennen heute, dass Verhalten aus sozialen
Systemen heraus entsteht und dass sich Verhaltensänderungen – zumindest teilweise – aus der Änderung
von sozialen Systemen ergeben.“
Pattison 1986, 9
Folie 17
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Kontextuelle Familientherapie
Æ „Familientherapeuten gehen von der therapeutischen
Annahme aus, dass der Mensch Teil seiner Umgebung
ist und dass eine individuelle Veränderung eine
Veränderung der Beziehung des Menschen in seinem
Kontext erfordert. Die Familientherapeuten suchen
nach Störungen zwischen Individuum und seinem
sozialen Netz“
Minuchin, zit. a. Kaufmann & Kaufmann 1986, 20
Folie 18
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
117
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Soziologie
„Unsere Lebensform ist mit der Lebensform unserer
Eltern und Großeltern verbunden durch ein schwer
entwirrbares Geflecht von familialen, örtlichen,
politischen, auch intellektuellen Überlieferungen – durch
ein geschichtliches Milieu also, das uns erst zu dem
gemacht hat, was und wer wir heute sind “
Habermas 1986/1, zit. N. Heimannsberg 1992, 18
Folie 19
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Soziologie
Æ „[…] daß durch die Berücksichtigung der kulturellhistorischen Kontextbedingungen von
Entwicklungsprozessen u. U. wesentliche Varianzanteile in
entwicklungs-psychologischen Daten aufgeklärt werden
können […]. Ein umfassenderes Verständnis von
Entwicklungsdynamiken im Lebenslauf setzt also voraus,
daß die Einbettungen ontogenetischer und lebenszyklischer
Entwicklungsprozesse in umgreifende historische und
kulturelle Evolutionsprozesse berücksichtigt werden.“
Brandstätter 1990, 331
Folie 20
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
118
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Theologie
„Werden die Missetaten der Väter heimgesucht bis ins
dritte und vierte Glied“
(Römer II)
Folie 21
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Kontextuelle Therapie 2005
Æ „Leben vollzieht sich in Beziehungen. […] . Es ist meine
Beziehung zur Umwelt und zu Menschen, die mir die
Fähigkeit gibt, etwas zu wissen. Bubers Satz, ‚Das Ich
wächst am Du‘ ist so zu verstehen: Damit ein Ich sich selbst
verstehen kann, muss es in Beziehung zu einem Du treten.
(...) Menschliches Leben ist ohne Beziehungen undenkbar.“
Pfitzer & Hargrave 2005, 19f; Hervorh. i. Orig.
Folie 22
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
119
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ „Im weiteren lebensgeschichtlichen
Entwicklungsprozess werden im Verlauf der Zeit diese
früheren Fakten ‚Umwelt‘ und ‚Lebenserfahrung‘
wiederum mit neuen Faktoren ‚Umwelt‘ und
‚Lebenserfahrung‘ interagieren“
Pfitzer & Hargrave 2005, 33
Folie 23
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
„Allgemein gesagt, ist die menschliche Entwicklung ein biopsycho-sozialer Prozess, in dem genetische Faktoren, der
Einfluss sozialer Kontexte und die Eigenaktivität des
Individuums als Mitgestalter seiner Entwicklung
zusammenspielen. Für die Herausbildung des
Substanzkonsums wichtige soziale Kontexte sind vor allem
die Familie und die Gruppe Gleichaltriger (Peergruppe)
(...) und globalen gesellschaftlichen Faktoren (z. B. kulturelle
Normen bezüglich des Substanzgebrauchs) die die
Entwicklung des Substanzkonsums beeinflussen.“
Folie 24
(Thomasius/Küstner 2005, 13)
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
120
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Der Begriff „Kontext“
Æ Mit Kontext ist im etymologischen Sinne ein Sinn- und
Sachzusammenhang gemeint, aus dem heraus etwas
verstanden werden soll
Æ Kontext meint einen Zusammenhang, der einen Sinn
ergibt.
Folie 25
Æ Der Begriff „Kontext“ stellt einen inhaltlichen und
einen Sinn-Zusammenhang zu den verschiedenen
Teilen des „Ganzen“ her – erst aus der Betrachtung
dieses komplexen Gesamtzusammenhanges wird der
Inhalt verständlich
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Mit dem Begriff Kontext ist das erklärt, was mit der
Philosophie der ICF gemeint ist – die sinnhafte
Beachtung aller Teile, die im Zusammenhang einer
Störung der Gesundheit, hier der Abhängigkeit, eine
Relevanz haben.
Folie 26
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
121
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ diesem Begriff könnte eine „Brückenfunktion“
zukommen, der eine Verbindung zwischen
verschiedenen wissenschaftlicher Disziplinen, Schulen
der Psychotherapie und der ICF ermöglicht.
Folie 27
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Die ICF in der
medizinischen Rehabilitation
von Abhängigkeitserkrankung
auch „Drogenabhängigkeit“ genannt
Folie 28
I
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
122
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Wie kann der Prozess der Integration der ICFPhilosophie in Theorie und Praxis gelingen?
Æ Dies ist dem Grunde nach einfach zu realisieren...
Æ ...gemäss der ICF in Diagnose und Therapie von
Abhängigkeit zu handeln ist wissenschaftlich und
methodisch „vorbereitet“
Folie 29
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ „Kontextfaktoren“ (ICF Teil 2) betreffen den sozialen
Lebenshintergrund des Menschen, sein So-gewordenSein. Störungen seiner Gesundheit sind aus diesem
Kontext heraus entstanden, diese
Æ „Kontextfaktoren“ sind somit als Teil von Diagnose
und Therapie in der Behandlung der so entstandenen
Störungen der Gesundheit zu beachten....
Æ so einfach ist das....
Æ in der Theorie
Folie 30
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
123
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Zeitdimension
Gesellschaft
Großelterngeneration
Elterngeneration
Individuum
Folie 31
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
die ICF in 5 Minuten erklärt …
Folie 32
I
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
124
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Struktur der ICF
ICD 10
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
Umweltfaktoren
personenbezogene Faktoren
Folie 33
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Struktur der ICF
ICD 10
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
Änderungen
Körperfunktionen
Änderungen
Körperstrukturen
Leistungsfähigkeit
Item-Ebenen
1-4
Item-Ebenen
1-4
Item-Ebenen
1-4
Umweltfaktoren
Leistung
Item-Ebenen
1-4
Folie 34
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
125
Förderfaktoren
Barrieren
Item-Ebenen
1-4
personenbezogene Faktoren
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
ICF
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Klassifikation der Körperfunktionen:
Kapitel 1: Mentale Funktionen
Kapitel 2: Sinnesfunktionen und Schmerz
Kapitel 3: Stimm- und Sprechfunktionen
Kapitel 4: Funktionen des kardiovaskulären, hämatologischen,
Immun Atmungssystem
Kapitel 5: Funktionen des Verdauungs-, des Stoffwechsels- und
des endokrinen Systems
Kapitel 6: Funktionen des Urogenital- und reproduktiven Systems
Kapitel 7: Neuromuskuloskeletale und bewegungsbezogene Funktionen
Kapitel 8: Funktionen des Haut und der Hautanhangsgebilde
Folie 35
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Körperfunktionen:
Kapitel 1: Mentale Funktionen
Kapitel 1: Mentale Funktionen
Globale mentale Funktionen (b110–b139)
b110 Funktionen des Bewusstseins
b114 Funktionen der Orientierung
b117 Funktionen der Intelligenz
b122 Globale psychosoziale Funktionen
b126 Funktionen von Temperament und Persönlichkeit
b130 Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs
b134 Funktionen des Schlafes
b139 Globale mentale Funktionen, anders oder nicht näher bezeichnet
Spezifische
b140 b144 b147 …
mentale Funktionen (b140-b189)
Funktionen der Aufmerksamkeit
Funktionen des Gedächtnisses
Psychomotorische Funktionen
Folie 36
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
126
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Körperfunktionen:
Kapitel 1: Mentale Funktionen
b122 -
Globale psychosoziale Funktionen
Sich über das gesamte Leben entwickelnde allgemeine mentale Funktionen, die
für das Verständnis und die konstruktive Integration jener mentalen
Funktionen erforderlich sind, die zur Bildung interpersoneller Fähigkeiten
führen, welche für den Aufbau reziproker sozialer Interaktionen, die sinnvoll
und zweckmäßig sind, benötigt werden.
Folie 37
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Körperfunktionen:
Kapitel 1: Mentale Funktionen
b130 -
Funktionen der psychischen Energie und
des Antriebs
Allgemeine mentale Funktionen, die physiologische und psychologische Vorgänge betreffen, welche bei
einer Person ein nachhaltiges Streben nach Befriedigung bestimmter Bedürfnisse und die Verfolgung
allgemeiner Ziele verursachen
b1300 -
Ausmaß der psychischen Energie
b1301 -
Motivation
b1302 -
Appetit
b1303 -
Drang nach Suchtmitteln
b1304 -
Impulskontrolle
b1308 -
Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs, anders
b1309 -
Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs, nicht
näher bezeichnet
bezeichnet
Folie 38
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
127
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
ICF
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Klassifikation der Körperstrukturen:
Kapitel 1: Strukturen des Nervensystems
Kapitel 2: Das Auge, das Ohr und mit diesen in Zusammenhang
stehende Strukturen
Kapitel 3: Strukturen, die an der Stimme und dem Sprechen
beteiligt sind
Kapitel 4: Strukturen des kardiovaskulären, des Immun- und des
Atmungssystems
Kapitel 5: Mit dem Verdauungs-, Stoffwechsel und endokrinen System
in Zusammenhang stehende Funktionen
Kapitel 6: Mit dem Urogenital- und dem Reproduktionssystem im
Zusammenhang stehende Funktionen
Kapitel 7: Mit der Bewegung in Zusammenhang stehende Strukturen
Kapitel 8: Strukturen der Haut und Hautanhangsgebilde
Folie 39
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Körperstrukturen:
Kapitel 1: Strukturen des Nervensystems
Kapitel 1: Strukturen des Nervensystems
s110 - Struktur des Gehirns
s120 - Struktur des Rückenmarks und mit ihr im Zusammenhang stehende
Strukturen
s130Struktur der Hirnhaut
s140 - Struktur des sympathischen Nervensystems
s150 - Struktur des parasympathischen Nervensystems
s198 - Struktur des Nervensystems, anders bezeichnet
s199 - Struktur des Nervensystems, nicht näher bezeichnet
Folie 40
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
128
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Körperstrukturen:
Kapitel 1: Strukturen des Nervensystems
s110 -
Folie 41
Struktur des Gehirns
s1100 -
Struktur der Großhirnhälften
s11000 -
Stirnlappen (Frontallappen)
s11001 -
Schläfenlappen (Temporallappen)
s11002 -
Scheitellappen (Parieallappen)
s11003 -
Hinterhauptslappen (Occipitallappen)
s11008 -
Struktur des Großhirns, anders bezeichnet
s11009 -
Struktur des Großhirns, nicht näher bezeichnet
s1101 -
Struktur des Mittelhirns
s1102 -
Struktur des Zwischenhirns
s1103 -
Basalganglien und mit ihnen in Zusammenhang stehende
Strukturen
s1104 -
Struktur des Kleinhirns
s1105 -
Struktur des Hirnstamms
…
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Umweltfaktoren
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 1: Produkte und Technologien
Kapitel 2: Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt
Kapitel 3: Unterstützung und Beziehungen
Kapitel 4: Einstellungen
Kapitel 5: Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze
Folie 42
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
129
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 3: Unterstützung und Beziehungen
Kapitel 3: Unterstützung und Beziehungen
e310Engster Familienkreis
e315 Erweiterter Familienkreis
e320 Freunde
e325 Bekannte, Seinesgleichen (Peers), Kollegen, Nachbarn und andere
Gemeindemitglieder
e330 Autoritätspersonen
e335 Untergebene
e340 Persönliche Hilfs- und Pflegepersonen
e345 Fremde
e350 Domestizierte Tiere
e355 Fachleute der Gesundheitsberufe
e360 Andere Fachleute
e398 Unterstützung und Beziehungen, anders bezeichnet
e399 Unterstützung und Beziehungen, nicht näher bezeichnet
Folie 43
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 3 – Unterstützung und Beziehungen
e310 e315 -
engster Familienkreis
erweiterter Familienkreis
e310 - engster Familienkreis
e315 - erweiterter Familienkreis
Personen, die infolge von Krankheit oder Heirat verwandt
sind oder andere Beziehungen, die von der Kultur als
engster Familienkreis bekannt sind, wie Ehepartner,
Lebensgefährten, Eltern, Geschwister, Kinder, Pflegeeltern,
Adoptiveltern und Großeltern
Personen, die über Familie oder Heirat
verwandt sind oder andere Beziehungen, die
von der Kultur als erweiterter Familienkreis
anerkannt sind, wie Tanten, Onkel, Neffen,
Nichten
Folie 44
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
130
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4 – Einstellungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
Allgemeine oder spezifische Meinungen und
Überzeugungen, die im allgemeinen von Mitgliedern
einer Kultur, Gesellschaft oder subkulturellen oder
anderen gesellschaftlichen Gruppen zu anderen
Menschen oder zu sozialen, politischen und
ökonomischen Themen vertreten werden, und die
Verhaltensweisen oder Handlungen einer
Einzelperson oder Personengruppe beeinflussen
Folie 45
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
Sitten, Praktiken/Bräuche, Regeln sowie abstrakte
Wertsysteme und normative Überzeugungen, welche
innerhalb gesellschaftlicher Kontexte entstehen, und die
gesellschaftliche und individuelle Gewohnheiten und
Verhaltensweisen beeinflussen oder schaffen, wie
gesellschaftliche Normen der Moral, der religiösen
Verhaltensweisen oder Etikette, religiöse Lehren und
daraus abgeleitete Normen und Konventionen, Normen,
die Rituale oder das Zusammensein sozialer Gruppen
bestimmen.
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ ....ist systemisch – wird jedoch nicht so genannt...
Folie 46
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
131
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Kontextfaktoren
bei Abhängigkeiten
dargestellt am Beispiel der
Drogenabhängigkeit
Folie 47
I
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ ich bitte Sie in den nächsten Minuten mir in die Welt
der Pharmaziegeschichte zu folgen …
Æ einem Kontextfaktor der „Drogenabhängigkeiten“
Æ diese Art einer Analyse des Kontextes von kann für
Abhängigkeiten ICD 10 F 10 - F.19f., also für alle
Arten von Abhängigkeit, erarbeitet werden.
Folie 48
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
132
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Dieses Thema hat eine alte Geschichte …
Æ diese lehrt uns, wenn wir sie hören wollen, dass das
Thema „Abhängigkeit, Familie, Generationen eine
jahrtausendealte Geschichte hat
Æ aus der wir für Prävention und Therapie viel lernen
können
Æ ...einige Beispiele
Folie 49
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Bibel …
Æ „Die Eltern essen saure Trauben, und den Kindern
werden die Zähne stumpf.“
Bibel in gerechter Sprache 2006, 886
Folie 50
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
133
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Seefelder …
Æ „Die Griechen haben diesem mächtigen
Extrakt den Namen Opium, das heißt ‚Saft‘,
gegeben. Opium – diese älteste
überlieferte Bezeichnung ist bis in unsere
Zeit gültig geblieben.“
Seefelder 1990, 8
Folie 51
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Aristoteles in Hausväterliteratur …
Æ ‚Zu wenig thun/ oder zu viel/ die beede sind deß
Teuffels Ziel. das Mittel ist die Tugend=bahn/ die
wandle/ so bleibst du ein Mann.‘ (Thieme S. 48)“
Æ „‘Zuwenig und zuviel/ verderbet alle Spiel.‘ (Fischer
Hausbuch) S. 120“
Julius Hoffmann 1959, 104
Folie 52
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
134
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Paracelsus …
Æ „Paracelsus nannte das Opium den ‚Stein der
Unsterblichkeit‘. Er prieß sein Laudanum, wie er
es nannte, in den höchsten Tönen. ‚Ich hab ein
Arcanum, heiß ich Laudanum, ist über das alles,
wo es zum Tode weichen will.‘“
zit. n. Seefelder 1990, 122
Folie 53
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Paracelsus …
Æ „Paracelsus […:] ‚Alle Dinge sind Gift und nichts ist
ohne Gift, allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift
ist. Um ein Beispiel zu nennen: Eine jede Speise und ein jedes
Getränk, das über seine Dosis eingenommen wird, ist schon ein Gift;
das beweist sein Ausgang. Ich gebe zu, daß Gift Gift sei, daß es
aber darum verworfen werde, das möge nicht sein. Weil nun nichts
ist, das nit Gift sei, warum korrigiert ihr? Doch nur, daß das Gift
keinen Schaden tue.‘“
zit. n. Seefelder 1990, 124
Folie 54
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
135
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Die „Hausväterliteratur“ in Hoffmann …
Æ
Æ
Æ
„Für die energische Wendung gegen die Trunksucht scheint jedoch
die weite Verbreitung ‚in teutschen landen‘ ausschlaggebend
gewesen zu sein. Die erscheint deshalb so gefährlich, weil der
Alkohol die Vernunft ertränkt, die das Handeln des Menschen
leiten sollte.
‚Da/wo der Wein glatt gehet ein/ pflegt die Vernunft gar fern zu
sein‘, heißt es bei Hohberg. (III, S. 108)“
„Der trunksüchtige Hausvater verpraßt und verschenkt sein
Vermögen […]. Damit handelt der Hausvater der Grundregel des
Haushaltens zuwider.“
Julius Hoffmann 1959, 102
Folie 55
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Die Beschreibung dieser Abhängigkeiten von diesen
Substanzen bezieht sich auf die Beschreibung von
Abhängigkeiten und ihre Folgen
– im vorgeburtlichen leben
– im individuellen Leben
– in Familiensystemen
– im System der Generationen
– in der Kultur
Folie 56
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
136
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Phantastica –
Die betäubenden und
erregenden Genußmittel –
Für Ärzte und Nichtärzte
Louis Lewin 1927
Folie 58
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
137
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Drogen-Substanzen
Jahr d. Isolierung/ Synthese
Internationaler Freiname
Entdeckung / Isolierung
durch
Zitiert nach
1806* (1)
Morphin
Sertuerner
III : 596
1817
Emetin
Pelletier
I : 462
1819
Coffein
Runge
II : 745
1826
Brom
1829
Nicotin
Posselt-Reimann
II : 745
1832
Narcein
Pelletier
II : 745
1833
Codein
Robiquet
II : 745
1833
Atropin
Geiger-Hesse-Main III : 596
1860
Cocain
Niemann,
Göttingen
1874
Salicylsäure synth.
Kolbe
1875
Codein wird als Hustensedativum angewandt
Folie 59
III : 596
III : 597
III : 598
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Drogen-Substanzen
Jahr d. Isolierung/Synthese
Internationaler Freiname
Entdeckung / Isolierung
durch
Zitiert nach
III : 598
1884
Cocain wird in die
augenärztliche Anästhesie
eingeführt
1887
Ephedrin T
Nagai
I : 461
1887
Amphetamin synth.
Edelano
III : 598
1888* (5)
Dionin/therap.Anwendung
1889* (6)
Sulfonal
1893
Migränin
1895
Barbitursäure
Synthese
Fischer
III : 599
1896
Eucaine
Vinci/Harries
III : 599
III : 598
Raumann/Kast
III : 598
RMI 10.391
Folie 60
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
138
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Drogen-Substanzen
Jahr d. Isolierung/ Synthese
Internationaler Freiname
Entdeckung / Isolierung
durch
Zitiert nach
1898* (7)
Heroin/Diacetylmorphin T
Dreser
III : 599
1898
Mescalin
Heffter
III : 599
1899
Aspirin/Anti-Pyreticum
Dreser
III : 599
1903* (8)
Veronal T/ Einführung
in die Therapie
III : 599
1904
Novocain/Pro-cain,
Lokalanästhetika
III : 600
1906* (9)
Eukodal
1907* (10)
Bromural
III : 600
1908
Pantapon
I : 387
Folie
61
1910-1918
Freund
Dilaudid T
Dicodid T
Knoll
Knoll
I : 386
I : 387
I : 387
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Drogen-Substanzen
Jahr d. Isolierung/Synthese
Internationaler Freiname
Entdeckung / Isolierung
durch
Zitiert nach
1912* (11)
Trivalin
1912
Luminal
III : 600
1920
Ephedrin/
Synthese T
III : 601
1922
Barbitursäuren/synth. und
asymmetrische
III : 601
1938
Pervitin
1940
Dolantin
1942
Polamidon/
Methadon
III : 605;
III : 605
1943
Dexedrin/
Appetithemmer
III : 605
1943
Folie
62
LSD T
1948
Antabus/Alk.Prof. Dr. RuthardEntziehung
Stachowske - Lüneburg
Schaumann
Hoffmann
III : 605
III : 606
139
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
… Welt Opium Produktion 1906 und 1922.
Folgende Mengen wurden produziert
in
1 9 0 6
79)
K leinasien und M azedonien . . .
480 000 kg
P ersien . . . . . . . . . . . . . .
850 000
“
V orderindien . . . . . . . . . . .
7 000 000
“
H interindien . . . . . . . . . . . .
5 000
“
C hina . . . . . . . . . . . . . . .
35 300 000
“
M ittelasien . . . . . . . . . . . . .
?
Insgesam t . . . . . . . . . . . . .
43 635 000 kg
in
1 9 2 2
80)
B ulgarien . . . . . . . . . . . . . .
10 000 kg
G riechenland . . . . . . . . . . . .
22 700
“
Jugoslavien . . . . . . . . . . . . .
107 000
“
A egypten . . . . . . . . . . . . . .
2 300
“
T ürkei . . . . . . . . . . . . . . . .
295 000
“
P ersien . . . . . . . . . . . . . . .
205 000
“
A fghanistan . . . . . . . . . . . . .
11 750
“
T urkestan . . . . . . . . . . . . . .
C hina (w ahrscheinlich viel zu niedrig)
20 000
“
1 997 000
“
Indien (einschl. Burm a) . . . . . . .
887 000
“
Indochina . . . . . . . . . . . . . .
4 700
“
Japan (einschl. Korea und Form osa) .
5 000
“
S iam . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 000
“
Insgesam t . . . . . . . . . . . . . .
3 574 450 kg
...“
Source: Redlich “Rauschgifte und Suchten” ( Narcotics and Addictions), 1929.
Raw opium imports to
morphine producing
countries in kg
Völkerrecht
Resulat Germany 1921-1926
404 506 kg
Resulat Great Britian 1921-1926
347 820 kg
Resulat Japan 1920-1926
701 639 kg
Resulat Switzerland 1921-1926
205 611 kg
Total Resulat 1 659 576 kg
Folie 64
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
140
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Gesundheitsrecht
141
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
142
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Rassengesetze
Æ
„[In der] ‚Reichszentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen‘
spielte zwar der Alkoholismus (und der Tabakmissbrauch) eine
gewisse Rolle, doch ‚erfuhren Heroin und Cannabis im
Nationalsozialismus kaum Aufmerksamkeit, weder von
Konsumenten noch von staatlicher Stelle‘ , während das neu
entdeckte und ausgiebig verwendete Pervitin (heute auch Chrytal,
Speed) ‚die strenge Orientierung an der Leitidee Rassenhygiene
zugunsten der in diesem Falle konkurrierenden Idee
‚Leistungssteigerung‘ verdrängte“
Stephan Quensel. Rezension zu: Tilmann Holzer2007.
Folie 69
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
„‘Es war für mich eine bittere Erkenntnis, daß der
zweite Mann im Staate Morphinist war. Nun erklärte
sich so vieles, namentlich seine stets falschen
Voraussagen über die Abwehr feindlicher
Fliegerangriffe. Als Morphinist sah Göring alles in
rosigem Lichte, verschloß sich gegen die
unangenehme Wirklichkeit.‘“
Fetcher in Shelliem 2006, 100f
Folie 70
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
143
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Aus Hitler Apotheke
Folie 71
Neumann,
Hans-Joachim
und Eberle,
Prof.
Dr. Ruthard
Stachowske
- Lüneburg
Henrik 2009, 146 f
Neumann, Hans-Joachim und Eberle,
Henrik 2009
Folie 72
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
144
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Folie 74
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
145
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
das Arzneimittel „Subutex“
Æ
… Buprenorphin ist 1967 entwickelt worden …
Æ
...es wurde später als Arzeneimittel „Fortral“ zugelassen...
Æ
…und 1980 als Arzeneimittel „Temgesic“
Æ
„Temgesic wurde in der Bundesrepublik wegen der sich
seit 1982 epidemieartig ausbreitenden Missbrauchs am
1.9.1984 den Regeln der BtmVV unterstellt“
Keupp 1980
Folie 75
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ der Wirkstoff „ Buprenorphin“ ist dann ca.1990 f. als
„ neues “ Substitut unter dem Warennammen
„Subutex“ nach Methadon und Polamidon als drittes
Arzeneimittel für die Substituion zugelassen worden
Folie 76
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
146
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Pharmaziegeschichte
Æ übrigens – die allermeisten der heute
bekannten Drogen sind in Deutschland
entwickelt
Æ einige auch in Frankreich und der Schweiz0
Folie 77
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4: Einstellungen
e410e415 e420 e425 e430
e435
e440
e445
e450
e455
e460
e465
e498
e499
-
Individuelle Einstellungen der Mitglieder des engsten Familienkreises
Individuelle Einstellungen der Mitglieder des erweiterten Familienkreises
Individuelle Einstellungen von Freunden
Individuelle Einstellungen von Bekannten, Seinesgleichen (Peers),
Kollegen, Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern
Individuelle Einstellungen von Autoritätspersonen
Individuelle Einstellungen von Untergebenen
Individuelle Einstellungen von persönlichen Hilfs- und Pflegepersonen
Individuelle Einstellungen von Fremden
Individuelle Einstellungen von Fachleuten der Gesundheitsberufe
Individuelle Einstellungen von anderen Fachleuten
Gesellschaftliche Einstellungen
Gesellschaftliche Normen, Konventionen und Weltanschauungen
Einstellungen, anders bezeichnet
Einstellungen, nicht näher bezeichnet
Folie 78
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
147
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4 – Einstellungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
Allgemeine oder spezifische Meinungen und
Überzeugungen, die im allgemeinen von Mitgliedern
einer Kultur, Gesellschaft oder subkulturellen oder
anderen gesellschaftlichen Gruppen zu anderen
Menschen oder zu sozialen, politischen und
ökonomischen Themen vertreten werden, und die
Verhaltensweisen oder Handlungen einer
Einzelperson oder Personengruppe beeinflussen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
Sitten, Praktiken/Bräuche, Regeln sowie abstrakte
Wertsysteme und normative Überzeugungen, welche
innerhalb gesellschaftlicher Kontexte entstehen, und die
gesellschaftliche und individuelle Gewohnheiten und
Verhaltensweisen beeinflussen oder schaffen, wie
gesellschaftliche Normen der Moral, der religiösen
Verhaltensweisen oder Etikette, religiöse Lehren und
daraus abgeleitete Normen und Konventionen, Normen,
die Rituale oder das Zusammensein sozialer Gruppen
bestimmen.
Folie 79
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Wenn wir jedoch die aktuell „gültigen
wissenschaftlichen Aussagen“ analysieren, dann fällt
auf, dass die Geschichte der aktuellen
Drogenepedemie durch die Wissenschaften
„negiert“ oder „nicht erinnert“ oder abgespalten
sind.
Folie 80
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
148
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Individualzentrierte Perspektive
Petzold:
Æ „Im Drogenbereich werden Behandlungsmodelle
gleichsam über Nacht entwickelt, weil die
Drogenepidemie – erst Anfang der 70er Jahre konnte
man von einer solchen sprechen – über Nacht auftrat
und zwar mit einer solchen Heftigkeit und mit einer
Intensivität, die von niemandem antizipiert worden war
…“
Petzold 1989
Folie 81
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Die existente Geschichte der aktuellen Drogenepidemie
in ihrer generationalen und zeitgeschichtlichen
Bedeutung wird durch die wissenschaftlichen
Grundlagen „abgespalten“.
Folie 82
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
149
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Struktur der ICF
ICD 10
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
Umweltfaktoren
Folie 83
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Die ICF in der medizinischen Rehabilitation „
Abhängigkeit...
Æ zwei Beispiele
Folie 84
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
150
personenbezogene Faktoren
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Folie 85
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
b 1260 - positive
Extraversion
b1264 - Neugier/positiv
b1304 - Störung der
Impulskontrolle
b1303 - Drang nach
Suchtmitteln
s560 - Hepatitis C
s8100 - vorgealtert
s3200 - Zahnprobleme
(erheblich)
d2202 - alleinerziehend
d830 - höhere Bildung
d850 - bezahlte Tätigkeit
Leistungsfähigkeit
-vollschichtig
Folie 86
Umweltfaktoren
Leistung
-doppelte
Berufstätigkeit
-Doppelbelastung
Kinder/Beruf
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
151
e410 - Frauenhass
e415 - Suchtgeneration
Nationalsozialismus
Suizide
Flucht-Kriegserlebnisse
e455 - ...Schwager,,,,
e330 - Bezugstherapeut
e355 - TG Wilschenbruch
e450 - Drogenfreiheit
e430 - Bindung
personenbez.
Faktoren
-Mehrsprachigkeit
-sportlich
-Dissozialität
Förderfaktoren
Barrieren
-Langzeitkonzept
-Familientherapie
GENO 2
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Folie 87
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
b1303 - Alkohol
b1304 - Störung der
Impulskontrolle
b1521 - Störung der
Affektkontrolle
d830 - Sanitäterin
Folie 88
Änderung
Körperstruktur
Leistungsfähigkeit
b7800 - Muskelverspannung
(Härte)
-traumabedingt
reduziert
(d830)
Umweltfaktoren
e415 e410 -
Gewalt/Missbrauch
Krieg/Gefangenschaft
Alkoholismus
Drogen/Kriminalität
Gewalt
e455 - drogenabhängiger
Mann
gewalttätiger Mann
e410 - „Drogentote“
Migration
e330 - Bezugstherapeut
e355 - TG Wilschenbruch
e2150 - demographischer
Wandel durch Krieg
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
152
personenbez.
Faktoren
-Deutsch-Russin
-nicht gelungene
Integration
GENO 4
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Resumee
Folie 89
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ Vortrag und PowerPoint auf:
www.stachowske.de
Berlin 2010
Æ Download der ICF:
www.dimdi.de
Klassifikationen
ICF
Æ www.asanger.de
Suchwort: ICF
Folie 90
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
153
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4: Einstellungen
e410e415 e420 e425 e430
e435
e440
e445
e450
e455
e460
e465
e498
e499
-
Individuelle Einstellungen der Mitglieder des engsten Familienkreises
Individuelle Einstellungen der Mitglieder des erweiterten Familienkreises
Individuelle Einstellungen von Freunden
Individuelle Einstellungen von Bekannten, Seinesgleichen (Peers),
Kollegen, Nachbarn und anderen Gemeindemitgliedern
Individuelle Einstellungen von Autoritätspersonen
Individuelle Einstellungen von Untergebenen
Individuelle Einstellungen von persönlichen Hilfs- und Pflegepersonen
Individuelle Einstellungen von Fremden
Individuelle Einstellungen von Fachleuten der Gesundheitsberufe
Individuelle Einstellungen von anderen Fachleuten
Gesellschaftliche Einstellungen
Gesellschaftliche Normen, Konventionen und Weltanschauungen
Einstellungen, anders bezeichnet
Einstellungen, nicht näher bezeichnet
Folie 91
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4 – Einstellungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
Allgemeine oder spezifische Meinungen und
Überzeugungen, die im allgemeinen von Mitgliedern
einer Kultur, Gesellschaft oder subkulturellen oder
anderen gesellschaftlichen Gruppen zu anderen
Menschen oder zu sozialen, politischen und
ökonomischen Themen vertreten werden, und die
Verhaltensweisen oder Handlungen einer
Einzelperson oder Personengruppe beeinflussen
Folie 92
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
Sitten, Praktiken/Bräuche, Regeln sowie abstrakte
Wertsysteme und normative Überzeugungen, welche
innerhalb gesellschaftlicher Kontexte entstehen, und die
gesellschaftliche und individuelle Gewohnheiten und
Verhaltensweisen beeinflussen oder schaffen, wie
gesellschaftliche Normen der Moral, der religiösen
Verhaltensweisen oder Etikette, religiöse Lehren und
daraus abgeleitete Normen und Konventionen, Normen,
die Rituale oder das Zusammensein sozialer Gruppen
bestimmen.
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
154
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
VIELEN DANK
für Ihre Aufmerksamkeit.
Folie 93
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Æ ImFT
Institut für mehrgenerationale Forschung und Therapie
Prof. Dr. Ruthard Stachowske
Schlesienstraße 2
21391 Reppenstedt
Telefon 04131 / 67 11 44
Telefax 04131 / 67 11 45
[email protected]
www.stachowske.de
Folie 94
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
155
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Struktur der ICF
ICD 10
ICF
Teil 2
Kontextfaktoren
Teil 1
Funktionsfähigkeit und Behinderung
Körperfunktionen
und -strukturen
Aktivitäten
Partizipation
Umweltfaktoren
personenbezogene Faktoren
Folie 95
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4 – Einstellungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
Allgemeine oder spezifische Meinungen und
Überzeugungen, die im allgemeinen von Mitgliedern
einer Kultur, Gesellschaft oder subkulturellen oder
anderen gesellschaftlichen Gruppen zu anderen
Menschen oder zu sozialen, politischen und
ökonomischen Themen vertreten werden, und die
Verhaltensweisen oder Handlungen einer
Einzelperson oder Personengruppe beeinflussen
Folie 96
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
Sitten, Praktiken/Bräuche, Regeln sowie abstrakte
Wertsysteme und normative Überzeugungen, welche
innerhalb gesellschaftlicher Kontexte entstehen, und die
gesellschaftliche und individuelle Gewohnheiten und
Verhaltensweisen beeinflussen oder schaffen, wie
gesellschaftliche Normen der Moral, der religiösen
Verhaltensweisen oder Etikette, religiöse Lehren und
daraus abgeleitete Normen und Konventionen, Normen,
die Rituale oder das Zusammensein sozialer Gruppen
bestimmen.
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
156
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Klassifikation der Umweltfaktoren
Kapitel 4 – Einstellungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
e460 - Gesellschaftliche Einstellungen
e465 - Gesellschaftliche Normen, Konventionen
und Weltanschauungen
Allgemeine oder spezifische Meinungen und
Überzeugungen, die im allgemeinen von Mitgliedern
einer Kultur, Gesellschaft oder subkulturellen oder
anderen gesellschaftlichen Gruppen zu anderen
Menschen oder zu sozialen, politischen und
ökonomischen Themen vertreten werden, und die
Verhaltensweisen oder Handlungen einer
Einzelperson oder Personengruppe beeinflussen
Sitten, Praktiken/Bräuche, Regeln sowie abstrakte
Wertsysteme und normative Überzeugungen, welche
innerhalb gesellschaftlicher Kontexte entstehen, und die
gesellschaftliche und individuelle Gewohnheiten und
Verhaltensweisen beeinflussen oder schaffen, wie
gesellschaftliche Normen der Moral, der religiösen
Verhaltensweisen oder Etikette, religiöse Lehren und
daraus abgeleitete Normen und Konventionen, Normen,
die Rituale oder das Zusammensein sozialer Gruppen
bestimmen.
Folie 97
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Pharmazie-Geschichte ab 1800
Morphin 1806
Urgroßeltern
Codein 1833
Kokain 1860
Ephedrin 1887
1880
Heroin 1898
Großeltern
Eltern
1910
Barbiturate 1922
Methadon/ 1942
Polamidon
1940
LSD 1943
Kinder
1970
2000
Folie 98
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
157
Appetithemmer 1943
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Æ in individuellen Lebensentwicklungen
Æ in Familiensystemen
Æ im System der Generation
Æ in der pränatalen Entwicklung (Beispiele)
Folie 99
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
Großeltern
1910
Eltern
1940
Kinder
1969/70
Legende:
männlich
Folie 100
weiblich
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
158
Bedeutung der Kontextbezogenheit des ICF in Diagnose und Behandlung der Abhängigkeitserkrankungen
Prof. Dr. Ruthard Stachowske, Lüneburg
Großeltern
Eltern
1910
X
X
1940
Kinder
1969/70
Alkohol- oder
Medikamentabhängigkeit
Drogenabhängigkeit
Folie 101
polytokikoman
lebt clean
Embryopathie
(Alkohol-, Drogen,Medikamentenembryopathie)
Prof. Dr. Ruthard Stachowske - Lüneburg
159
Zur Wirksamkeit des Therapeuten – Professionalität durch die Weiterbildung zum Sozialtherapeuten/Sucht
Dipl.-Päd. Irene Helas, Berlin
Zur Wirksamkeit des
Therapeuten
Professionalität durch die
Weiterbildung zum
Sozialtherapeuten/ Sucht
Irene Helas, Dipl.Päd., Berlin
1. Was ist mit Wirksamkeit im
suchttherapeutischen Handeln
gemeint ?
160
Zur Wirksamkeit des Therapeuten – Professionalität durch die Weiterbildung zum Sozialtherapeuten/Sucht
Dipl.-Päd. Irene Helas, Berlin
2. Was ist eine wirksame
Therapeutenhaltung ?
Das emotionale
„ Operationsfeld „
3. Wie erwirbt der Suchttherapeut
eine Haltung, die auch wirksam
ist ?
Struktur zentraler Lernprozesse
in der GVS Weiterbildung
161
Zur Wirksamkeit des Therapeuten – Professionalität durch die Weiterbildung zum Sozialtherapeuten/Sucht
Dipl.-Päd. Irene Helas, Berlin
5.Was den Therapeuten
im „ Innersten zusammenhält“ !
Bedeutung der
Selbstwahrnehmung
6.Das Glück der seelischen
Gesundheit des Patienten
…… das Glück des Therapeuten
?
162
Referenten
Abram, Miriam
Leitende Diplom-Psychologin, Paracelsus-Berghof-Klinik Bad Essen
Büchner Dr. med., Uwe
Lehr- und Kontrollanalytiker (DPG), Klinikdirektor a.D., Berlin
Dieckmann Dr. med., Andreas
Chefarzt der Vivantes Entwöhnungstherapie, Hartmut-Spittler Fachklinik, Berlin
Ellgring Prof. Dr. phil., Heiner
Em. Universitäts-Professor für Psychologie der Universität Würzburg,
Psychologischer Psychotherapeut, München
Heinz Prof. Dr. med., Andreas
Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité-Universitätsmedizin, Berlin
Helas, Irene
Diplom-Pädagogin, Leiterin des GVS Instituts für Fort- und Weiterbildung, Berlin
Kraus, Dr. PH Ludwig
IFT Institut für Therapieforschung München
Langer, Heidemarie (M.A.)
Theologin, Kommunikationsberaterin in freier Praxis, Hamburg
Lohmann, Bettina
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin, Münster;
Leiterin der Supervisions-Weiterbildung der IFT-Gesundheitsförderung, München
Möllering Dr. med., Andrea
Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
FA Psychiatrie, Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin, Bielefeld
Rau Prof. Dr. phil., Harald
Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut
und Vorstandsvorsitzender der Zieglerschen Anstalten, Wilhelmsdorf
Redecker Dr. med.,Thomas
Diplom-Psychologe, Ärztlicher Direktor der Hellweg-Klinik, Oerlinghausen bei Bielefeld
Schilling, Sieghard
Vorsitzender Vorstand des GVS, Geschäftsführer des Diakoniewerks Duisburg GmbH
Stachowske Prof. Dr. phil., Ruthard
Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut,
Leiter der Therapeutischen Gemeinschaft Wilschenbruch, Lüneburg
Subkowski, Dr. med. Peter
Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, FA Neurologie und Psychiatrie, Lehrund Kontrollanalytiker DPV/ IPA, Ärztlicher Direktor des Paracelsus-Therapiezentrums Bad Essen
Tabatabai, Darius Chahmoradi
Oberarzt, Hartmut-Spittler-Klinik, Berlin
Vollmer, Heinz C.
Diplom-Psychologe, Salus-Klinken, Qualitätsmanagement, München
Wessel Dr. PH, Theo
Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Geschäftsführer des GVS, Berlin
163
Herunterladen