förder verein jüdisches museum franken 2005 Exkursion zu „Europas Juden im Mittelalter“ – einer Ausstellung in Speyer Als der Bus am 19. Februar 2005 mit 40 sowie äußerst fundierte und lebendige Führungen wissbegierigen Teilnehmern an Bord pünktlich um ermöglichten uns, in eine weitgehend fremde, 7.30 Uhr in Fürth startete, schüttelte der Busfahrer mittelalterliche Welt einzutauchen, und unsere mit Blick auf die Wetterlage – kräftiger Schneefall neuen Kenntnisse in anschließenden individuellen über Nacht – bedenklich den Kopf; aber dank Erkundungen zu vertiefen. seiner versierten Fahrweise brachte er uns rechtzeitig zum Historischen Museum der Pfalz. Für manchen Teilnehmer die erste Überraschung Dort erwarteten uns aus dem Kuratorenteam die war, dass viele schriftliche Exponate sich nicht – Projektleiterin Karin Birk M.A. und der wie erwartet – auf die textliche Darstellung wissenschaftliche Mitarbeiter Markus Wener M.A., beschränkten, sondern auf sehr vielfältige Weise die uns dann in zwei Gruppen außerordentlich bildlich ergänzt wurden. Besonders eindrucksvoll kenntnisreich durch die Ausstellung „Europas ist etwa die sog. Drachen-Haggada aus dem späten Juden im Mittelalter“ führten. 13. Jahrhundert, die Menschen, Tiere und stilisierte Drachen zeigt. Die Ausstellung widerlegt Warum diese Ausstellung in Speyer? „Im Glauben, auch das traditionelle Geschichtsbild, wonach die Ehre unseres Ortes tausendfach zu mehren, Juden nur als Händler, Geldverleiher und Bankiers habe ich Juden angesiedelt“ verkündete Bischof tätig sein durften: sie waren gleichsam Rüdiger von Speyer 1084. Nur zwanzig Jahre später Brückenbauer zwischen den Kulturen. Sie weihte die junge jüdische Gemeinde ihre erste transportierten eben nicht nur Waren auf den Synagoge ein, von der Fundamente erhalten sind. internationalen Handelswegen, sondern 900 Jahre später war das willkommener Anlass für vermittelten Kenntnisse aus Asien, dem Vorderen das Museum, in dreijähriger intensiver Arbeit eine Orient und dem Mittelmeerraum in ein seinerzeit Ausstellung zu erstellen, die nicht nur das Leben vergleichsweise unterentwickeltes Europa. der Juden im mittelalterlichen Deutschland, So wird in einem Themenraum anhand z.T. äußerst sondern in Europa zwischen dem 9. und dem 16. wertvoller Exponate belegt, dass Juden bevorzugte Jahrhundert dokumentiert. Heilkundige jener Epoche waren. Für viele Besucher neu dürfte auch die Erkenntnis gewesen Das aschkenasische Judentum hatte sein sein, dass die sephardischen Juden weit weniger mittelalterliches Zentrum im Rheinland; es erlebte berufliche Einschränkungen hinnehmen mussten in den Städten Speyer, Worms und Mainz zwischen als in Mitteleuropa; sie waren Handwerker, dem 11. und 13. Jahrhundert eine große kulturelle Landwirte, ja Politiker ebenso wie ihre christlichen Blüte. Zeitgleich erreichte auch das ältere Nachbarn. sephardische Judentum auf der Iberischen Halbinsel seinen Höhepunkt. In dieser Zeit wurden Trotz aller Verdienste und Anerkennung waren in ganz Europa Gesellschaft und Wirtschaft, Kultur- diese Jahrhunderte keine Epoche ungetrübter und Sozialleben wesentlich durch das Judentum Toleranz: Schon zu Zeiten der Kreuzzüge und beeinflusst. Eine kluge, informative und später der Pest wurden Juden zu Sündenböcken übersichtlich gegliederte Ausstellungspräsentation 1 förder verein jüdisches museum franken 2005 Exkursion zu „Europas Juden im Mittelalter“ – einer Ausstellung in Speyer abgestempelt, vertrieben und ermordet. Die Gruppe – und nicht wie sonst mehreren Gruppen Wiederansiedlung erfolgte vielfach in Ghettos. gleichzeitig – widmen konnte. Der Dombau begann 1030 unter Kaiser Konrad II., und es entstand das Zur Ausstellung gehören die nahe dem Museum größte romanische Bauwerk in Deutschland, das gelegene Ruine der mittelalterlichen Synagoge und 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt das Ritualbad. Unsere Führung ging also weiter zu wurde. Die sechstürmige, dreischiffige, historischer Stätte im mittelalterlichen Speyer: ungewöhnlich hohe Basilika ist von Frau Birk führte uns zu dem alten Siedlungsgebiet überwältigendem Raumeindruck. Der Domführer – zwischen heutiger Judengasse und Kleiner froh über eine überschaubare Gruppe und wohl Pfaffengasse. Das zeitgleich mit der Synagoge auch angeregt durch zahlreiche fachliche Fragen – erbaute Ritualbad gilt als die früheste, größte und lenkte unsere Blicke auf viele architektonische und schönste erhaltene Anlage dieser Art in Europa. kunsthistorische Details und Besonderheiten. Es Eine breite Treppenanlage mit Sitznischen führt folgte ein hochinteressanter Gang durch die große nach unten zum Vorraum mit Ankleidekammer; von Krypta aus der ersten Bauphase und die Grablege dort geht dann im Halbkreis eine schmalere Treppe der Kaiser. hinab zum Badebecken. Die Synagoge hingegen ist nur als Ruine erhalten, die aber Grundriss und Nach dieser ausführlichen und interessanten Dimension gut erkennen läßt. In der Ausstellung Führung blieb noch Zeit für einen kleinen vermittelt eine eindrucksvolle Computeranimation Stadtbummel, für Nachlese im Museum oder die Vision der unzerstörten Synagoge mit ihren einfach zum Entspannen. Ein Tag voller neuer Ausbauabschnitten. Erhaltene Bauelemente und Eindrücke, vielfältiger Einblicke und unerwarteter Ornamente legen die Vermutung nahe, dass Zusammenhänge ging zu Ende. Der Busfahrer Handwerker der Dombauhütte auch die Synagoge brachte die zufriedene Gruppe in ruhiger und erbaut hatten. zügiger Fahrt nach Fürth zurück. Frau Birk und Herr Wener standen uns über das für Übrigens: Wer im Februar nicht mitfahren konnte die Führungen vorgesehene Zeitlimit hinaus und die Ausstellung doch noch sehen möchte, großzügig zur Verfügung; es gab eben doch immer kann dies vom 23. 04. bis 28. 08. 05 im Deutschen wieder viele Nachfragen aus dem Teilnehmerkreis, Historischen Museum in Berlin nachholen. die mit großem Sachverstand beantwortet wurden – der Dank der Gruppe galt ihrem Engagement und einer wirklich gelungenen, unglaublich Dr. Dieter Lölhöffel informativen Ausstellung. Einmal in der Dom- und Kaiserstadt Speyer durfte natürlich ein Besuch des Domes nicht fehlen. Unser Glück war, dass wir außerhalb der Saison kamen und der Domführer sich allein unserer 2