Gemeinschaftsgastronomie Forum Kommt jetzt der Trend zu Vegan und Superfood? Gerade im Kreise der jungen Generation — der Teens und Twens — ist der Trend zu einer gesunden, umwelt- und ressourcenschonenden Ernährung stark gewachsen. Mehr und mehr wird sich die junge, informierte und aufgeweckte Generation bewusst, dass die aktuelle Tier- und Fleischproduktion unseren Planeten überdurchschnittlich stark belastet. Sie bevorzugt deshalb eine fleischlose Ernährung und priorisiert vegetarische und — in aller Konsequenz — vegane Gerichte. Es sind diese heranwachsenden und künftigen Gäste und Kunden von Hotellerie, Gastronomie und Gemeinschaftsgastronomie, welche die Speisekarte der Zukunft mitbestimmen werden. Während man in der herkömmlichen Gastronomie und Hotellerie noch immer glaubt, dem Vegetarismus und Veganismus mit einem Gemüseteller, einem Pasta- und Risotto-Gericht Genüge zu tun, entwickelte sich die Gemeinschaftsgastronomie zu einer innovativen Pionierin beim Anbieten von vegetarischen Gerichten, die mit veganen Angeboten getoppt werden. Das kommt nicht von ungefähr: Wer sich jeden Tag in einer Schul- oder Universitätsmensa oder in einem Mitarbeiter- und Betriebsrestaurant verpflegen muss und Vegetarier oder Veganer ist, erwartet zu Recht ein entsprechendes Angebot. Die Gemeinschaftsgastronomie kommt solchen Erwartungen mehr und mehr entgegen. Das spricht für die Weitsicht, das Verantwortungsbewusstsein und die Gästeorientierung der Gemeinschaftsgastronomie, wie die spannenden Statements unserer Experten zeigen. 110 Die fleischlose Ernährung wird immer häufiger Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Welche Strategie und welche Konzepte verfolgen Sie in Ihrem Bereich hinsichtlich der «Flexitarier» und der Vegetarier unter Ihren Gästen? 1. Sehr aktuell ist der Veganismus. Die Publikation von veganen Kochbüchern boomt. In Bern und Basel sollen Volksinitiativen gestartet werden, welche als Alternative zu den üblichen Mahlzeiten vegane Angebote in Kantinen, Mensen, Spitälern und Heimen fordern. Was halten Sie davon? 2. Was unternehmen Sie zur Förderung der vegetarischen und veganen Kochkunst? Gibt es bei Ihnen Aus- und Weiterbildungseinheiten für vegetarische und vegane Kochkunst? 3. Gibt es bei Ihnen jetzt oder in Zukunft Mahlzeiten und Gerichte im Angebot, in welchen «Superfood» (z.B. Quinoa, Teff, Amaranth, Chia-Samen, Maca, Goji-Beeren, usw.) integriert werden? Was denken Sie über «Superfood»? Und sind entsprechende Gäste-Wünsche und -Erwartungen zu beobachten? 4. 4/14 Dr. Regula Pfister, Präsidentin des Verwaltungsrats, ZFV-Unternehmungen, Zürich Wolfgang Pierer Leiter Gastronomie, Kantonsspital, St. Gallen Wir bieten eine vielseitige Verpflegung an, so auch vegetarische und vegane Gerichte. Der Grossteil der Gäste isst gerne Fleisch und Fisch, schätzt aber auch eine fleischlose Alternative. Dieses Angebot haben wir ausgebaut, so an den Universitäten Zürich und Bern mit demVegimenü «Vegi+». An der Universität Zürich eröffnen wir 2015 eine Mensa mit ausschliesslich vegetarischen und veganen Speisen. An der Pädagogischen Hochschule in Zürich wurde die vegetarische Cafeteria «vitamin reich» lanciert. In den UBS Restaurants gibt es seit Juli 2013 den «Meatless Monday». Wir haben im Februar am Standort St. Gallen ein neues Restaurant eröffnet, das 95 % vegetarische Gerichte anbietet. In den letzten Jahren wurde der Ruf unserer Gäste nach vegetarischen Gerichten immer lauter, und aus diesem Grund haben wir die neue Restauration danach ausgerichtet. Orientiert haben wir uns an den Pionieren in der Schweiz im Bereich vegetarischer Küche, also an Hiltl und Tibits. Der Veganismus wird von den Medien als neuer Lebensstil zelebriert, steht aber in keinem Verhältnis zur Realität, ist doch der Bevölkerungsanteil, der sich ausschliesslich vegan ernährt, sehr klein. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, haben wir Ende 2013 im Mishio Vatterland (Bern) nebst vegetarischen auch vegane Gerichte eingeführt. Die vegane Speisekarte hat eingeschlagen. Mittlerweile generieren wir im Mishio Vatterland knapp 10 % des Umsatzes mit veganen Gerichten. Seit März 2014 bieten wir auch in den Zürcher Mishios vegane Gerichte an. Bei uns spürt man auch eine leichte Nachfrage zur veganen Küche. Wir sind der Meinung, dass dies nicht einfach ein Modetrend ist, wie z.B. die Molekularküche, sonderen eine Lebensphilosophie. Wir versuchen, wo es möglich ist, dem Wunsch dieser Gästegruppe Rechnung zu tragen. Die Gäste schätzen es sehr, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Im Februar 2014 haben wir unsere Aus- und Weiterbildungsnachmittage dem Thema vegetarische Angebote gewidmet. Die «World of Veggi» war eine Art ZFV-Hausmesse für unsere Küchenchefs sowie Küchenmitarbeitenden. Im Weiteren steht unseren Küchenchefs eine Rezeptdatenbank mit vegetarischen und veganen Menüs sowie Sandwiches zur Verfügung. Schliesslich finden regelmässige Chefs Tables (Küchenchefmeetings) statt, wo Fachwissen und Ideen auch über vegetarische und vegane Gerichte ausgetauscht werden. Bei der Konzeption der neuen, nach vegetarischen Gerichten ausgerichteten Restauration haben wir schnell bemerkt, dass uns ein Teil Know-How im Bereich vegetarischer Küche fehlt. Wir haben unsere dafür zuständigen Köche in spezielle vegetarische Kochkurse geschickt, wo sie ziemlich rasch festgestellt haben, dass vegetarisches Kochen sehr komplex ist und nichts mit der leider immer noch verbreiteten Meinung «Gemüse und Stärkebeilagen ist automatisch vegetarisch» zu tun hat. Diese Produkte werden nur punktuell und eher zurückhaltend ins Speiseangebot integriert, da sie meistens einen langen Transportweg haben. Die regionale Beschaffung und der saisonale Einsatz von Produkten gewichten wir höher als die Vorteile von «Superfood». Eine gestiegene Nachfrage nach «Superfood» seitens unserer Gäste besteht bisher nicht. Zur Zeit arbeiten wir mit einem nicht so extrem grossen Anteil von sogenannten «Superfood»-Artikeln. Auch hier steht natürlich wieder die Frage im Raum «Modetrend kontra Lebensphilosophie». Wir sind der Ansicht, dass man das Ganze nicht unterschätzen darf. Die Ausrichtung der Gäste geht ganz klar zu gesundem Essen, und dort hat der Begriff «Superfood» sicherlich seine Berechtigung. 4/14 111 Gemeinschaftsgastronomie Forum Thomas Loew, Leiter Hotellerie soH, Solothurner Spitäler AG, Präsident SVG, Solothurn 1. Die fleischlose Ernährung wird immer häufiger Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Welche Strategie und welche Konzepte verfolgen Sie in Ihrem Bereich hinsichtlich der «Flexitarier» und der Vegetarier unter Ihren Gästen? Unser Angebot in den Restaurants ist durchwegs für «Flexitarier» ausgerichtet. So bieten wir täglich nebst den traditionellen auch fleischlose, abwechslungsreiche kalte und warme Köstlichkeiten. Mit Einführung der neuen Patientenmenümappe an allen vier soHStandorten findet nun im Wochenmenüplan ein separat ausgeschildertes vollwertiges Vegi-Menü seinen täglichen Platz und trägt damit dem vielseitigem Wunsch nach fleischlosen Gerichten Rechnung. 2. Sehr aktuell ist der Veganismus. Die Publikation von veganen Kochbüchern boomt. In Bern und Basel sollen Volksinitiativen gestartet werden, welche als Alternative zu den üblichen Mahlzeiten vegane Angebote in Kantinen, Mensen, Spitälern und Heimen fordern. Was halten Sie davon? Ich bin kein Befürworter von zusätzlichen Verboten und Gesetzesvorgaben in der Gastronomie. Der Markt regelt das Angebot von alleine. Als Spital haben wir bei der Verpflegung einen Grundauftrag einer möglichst breiten Palette von Gästen und Patienten gerecht zu werden und haben entschieden, keine veganischen Gerichte als Standard zu führen. Unsere Diätküchen sind natürlich jederzeit in der Lage, einen entsprechenden Gäste- oder Patientenwunsch zu erfüllen. 3. Was unternehmen Sie zur Förderung der vegetarischen und veganen Kochkunst? Gibt es bei Ihnen Aus- und Weiterbildungseinheiten für vegetarische und vegane Kochkunst? Unsere Köche müssen sich aktiv einbringen mit Vorschlägen für kreative Rezepte, neue Gerichte und aktuellen Trends. So soll das Angebot attraktiv und abwechslungsreich gestaltet werden, mit dem tollen Nebeneffekt, dass man sich im eigenen Job auch persönlich weiterbildet. Ideen holen sich unsere Köchinnen und Köche aus diversen Fachzeitschriften, aus dem Internet und der Vielzahl von vegetarischen und neu auch veganen Kochbüchern. Gibt es bei Ihnen jetzt oder in Zukunft Mahlzeiten und Gerichte im Angebot, in welchen «Superfood» (z.B. Quinoa, Teff, Amaranth, Chia-Samen, Maca, Goji-Beeren, usw.) integriert werden? Was denken Sie über «Superfood»? Und sind entsprechende Gäste-Wünsche und -Erwartungen zu beobachten? Vereinzelt finden bereits heute Komponenten von «Superfood» Verwendung in unserem Angebot. Dies jedoch, weil die Köche sich mit neuen Ideen und Produkten einbringen und weniger, weil dieser Gästewunsch besteht. Die Erwartungen unserer Gäste liegen vielmehr auf fair produzierten und regionalen Lebensmitteln. 4. 112 4/14 Markus Daniel, Geschäftsführer, Menu and More AG, Zürich Urs Egli, Stv. Bereichsleiter Gastronomie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Bern Die Ernährung in der Schweiz trägt mit 17 % zum CO2-Fussabdruck bei, hauptsächlich aufgrund der Produktion von tierischen Lebensmitteln. Unser Angebot besteht darum schon heute zu etwa einem Drittel aus vegetarischen Gerichten. Wir schreiben unseren Kunden nichts vor, sondern wir wollen sie dazu verführen, in Zukunft häufiger vegetarisch zu bestellen, indem wir den Anteil an vegetarischen Angeboten weiter ausbauen und noch beliebtere Vegi-Gerichte entwickeln. Diese Diskussion war vor rund zwei Jahren bei uns in der Gastronomie Inselspital immer wieder ein Thema. Wir haben uns deshalb entschieden, unserer Angebot «femininer», sprich leichter, also weniger Fleisch, mehr Gemüse und Früchte, anzubieten. Dank des lunch4vitality Mittagsangebotes (wähle 4 aus 8 Komponenten) können unsere Gäste sich somit ohne Fleisch (Ovo-Lacto vegatabil) sehr ausgewogen ernähren, und dies zu einem äusserst attraktiven Preis. Alle tierischen Lebensmittel, also auch Eier und Käse usw., tragen massgeblich zum CO2-Fussabdruck bei, darum müssen solche emotionalen Themen sachlich diskutiert werden dürfen. Eine rein vegane Ernährung ist jedoch nicht nur aus ernährungsphysiologischer Sicht umstritten. Gemäss Experten ist eine vegane Lebensweise auch keine Lösung für die globalen Ernährungsprobleme. Denn auf trockenem Steppenland kann der Bauer nun mal kein Getreide anbauen, aber er kann darauf sein Vieh weiden lassen. Vegane Ernährung stellt uns vor weitere Herausforderungen. Entschieden ist in Absprache mit der Ernährungsberatung und Konsultativkommission für klinische Ernährung (KFE), dass wir den Veganismus im Moment nicht als geeignete Form für eine ausgewogene Ernährung ansehen und nicht unterstützen. Eine rein vegane Kost deckt den Nährstoffbedarf des Menschen nicht vollumfänglich ab, da gewisse Inhaltsstoffe nur in tierischen Produkten zu finden sind. Käse, Rahm, Butter, Honig und Eier sind wesentliche Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung. Diesbezüglich haben wir noch Handlungsbedarf. Wir haben uns aber auch einiges vorgenommen. Zwar haben wir einen Burgerformer beschafft, mit dem wir selber verschiedene vegetarische Burger in allen Formen zubereiten können. Aber an den Rezepten müssen wir noch weiter arbeiten. Vegetarische Kochkurse, aber auch die Zusammenarbeit mit entsprechenden Profis, sind unter anderem Möglichkeiten, um innovative vegetarische Gerichte zu kreieren. Wir bilden insgesamt 23 Lernende in der Küche als Koch oder Diätkoch aus. Bereits bei der Grundausbildung sind verschiedene Ernährungsformen ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Bei den Lernenden Diätkoch wird diese Thematik natürlich noch vertieft durch Ernährungslehre und der Schulung und Anwendung der korrekten Kostformen-Schemen. Die gestandenen Köche werden durch das neue lunch4vitality Mittagsangebot in der Thematik der Zubereitung fleischloser Küche regelmässig geschult. Superfood – ein reiner Marketingbegriff, der besonderen gesundheitlichen Nutzen einzelner Lebensmittel herausstreichen soll. Auf dieser Liste könnte auch Sauerkraut oder Joghurt stehen. Das einzige Zaubermittel ist und bleibt eine ausgewogene Ernährung auf Basis der Lebensmittelpyramide. Das schliesst die Verwendung von solchen – meist teuren – Produkten natürlich nicht aus. Quinoa verwenden wir bereits aus eigenem Antrieb, Kunden hatten bisher keine diesbezüglichen Erwartungen. Neue Produkte werden bei uns im Gremium des ProduktePlanungs-Meetings degustiert und besprochen. Wenn ein Potential für ein solches Produkt erkennbar ist, gibt es daraus zuerst eine Aktion. Falls diese erfolgreich ist, werden darüber hinaus verschiedene Aktivitäten geplant, und so finden sich solche Produkte danach punktuell im Hauptangebot wieder. Oftmals ist beim Anbieten solcher Rohprodukte bei den Gästen noch eine gewisse Unsicherheit spürbar. Die meisten Gäste kennen diese Produkte noch nicht. 4/14 113