1. Einleitung

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1. Einleitung
In der vorliegenden Dissertation geht es um die Frage, wie Frauen unter sich wandelnden
ökonomischen und sozialen Verhältnissen1 ihre verschiedenen reproduktiven und produktiven
Tätigkeiten in Subsistenzproduktion und Markt nutzen und kombinieren, um ein Auskommen
für sich und ihre Familien sicherzustellen, und wie sie sich dabei neue Handlungsräume eröffnen.
Der Forschungsgegenstand ist weder allein die `Hausarbeit´ noch die `Marktproduktion´ von
Frauen. Diese Begriffe verbergen mehr als sie enthüllen: Hausarbeit ist nicht allein Arbeit im
Haushalt, sondern umfasst Versorgung, Pflege und sozialen Austausch mit Familienangehörigen, Verwandten und NachbarInnen ebenso wie Gartenbau und Landwirtschaft in der Stadt
und eventuell auf dem Lande; Marktproduktion umfasst auch Vermarktung und wird individuell, aber auch in unterschiedlichen Formen von Kooperation mit anderen Frauen geleistet.
Tätigkeiten in Haus- und Familienarbeit und Tätigkeiten in der Marktproduktion werden im
Tagesablauf abwechselnd oder sogar gleichzeitig ausgeführt, wie z.B. bei den Gemüsehändlerinnen, die oft Babys und Kleinkinder mit am Stand betreuen, oder bei den Frauen, die auf
dem Fußweg zur Frauengruppe an einem Pullover stricken sichtbar wird.
Die Fragestellung entwickelte sich aus meiner dreieinhalbjährigen Arbeitserfahrung (im Zeitraum von 1993 bis 1996) als „Entwicklungshelferin“ des Deutschen Entwicklungsdienstes
(DED) mit Frauen und Frauengruppen in Gemeinwesenarbeit und Kleingewerbeförderung in
den townships von Harare. Bei der Initiierung und Beratung von Kleingewerbeprojekten von
Frauen mussten meine Kolleginnen und ich uns immer wieder mit dem Problem auseinandersetzen, dass Frauen neben ihrer Arbeit in den Projekten noch vielfältige andere Arbeitsfelder
in Familie und in eigenen kleingewerblichen Unternehmungen hatten. Uns blieb unklar, welche enorme Bedeutung diese Arbeitsfelder in ihrem Alltag haben und welche Rolle sie in der
Herstellung wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit spielen. Offensichtlich war nur, dass
Frauen neben der Projektarbeit auch noch andere wichtige Verpflichtungen hatten. Obwohl in
entwicklungspolitischen Handreichungen für die Praxis immer wieder betont wird, dass solche Verpflichtungen von Frauen in der Planung von Projekten berücksichtigt werden müssen
(DED Leitlinien Frauenförderung), nahmen wir sie oft nur als Hindernis für ein volles Engagement der Frauen in den Kleingewerbegruppen wahr. Nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben bewegten sich die Kleingewerbeprojekte in einem Teufelskreis aus zu geringer Produktionseffizienz in Menge und Qualität, zu geringer Marktpräsenz und zu niedrigem Umsatz, was
wiederum eine Ausweitung der Produktion zu verhindern schien. Viele dieser Probleme
führten wir auf die Doppelbelastung der Frauen zurück. Aber auch ihre eigenen Einkommen
schaffenden Tätigkeiten, sei es das Häkeln und Nähen oder der Gemüsestand vor der Haustür,
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An dieser Stelle kann ich nur stichwortartig nennen: teilweise Industrialisierung, teilweiser Umbruch alter
Gesellschaftsformen, Urbanisierung und damit Überlagerung verschiedener ökonomischer und sozialer
Verhältnisse.
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schienen uns die Mühe nicht wert. Es schien rätselhaft, wie sie mit den anscheinend geringen
Einkommen aus ihren individuellen Kleingewerbeaktivitäten überlebten.
Weiterhin fiel auf, dass sich in den Gruppen ein reges soziales Leben entwickelte, dessen Dimensionen, Handlungsregeln und Begründungen sich uns jedoch nur zum Teil erschlossen.
Die sozialen Aufgaben, die Frauen z.B. bei Festen und Familienfeiern übernahmen, wurden
einerseits mit Interesse an der `Kultur´ zur Kenntnis genommen, andererseits aber als Störfaktor betrachtet, wenn sie sich auf die Gruppenproduktion auswirkten. Die gleiche Einschätzung betraf die saisonalen Aufenthalte der Frauen zur landwirtschaftlichen Arbeit auf dem
Lande. Aufgrund dieser Alltagserscheinungen, die auf eine Verflechtung zwischen sozialen
und ökonomischen Arbeitsfeldern und Handlungsorientierungen der Frauen hindeuteten,
schwankten wir in unseren Zielvorstellungen über die Projektarbeit immer wieder zwischen
einer Schwerpunktsetzung auf die sozialen oder die ökonomischen Aspekte der Arbeit. Je
nachdem wurde die soziale Funktion der Kleingewerbegruppen, so wie wir sie wahrnahmen,
positiv herausgestrichen, oder es wurden Pläne für eine effizientere Produktion bzw. `Professionalisierung´ der Gruppen gefordert, wobei dann meist soziale Intentionen hintangestellt
werden sollten.
Der Zweifel am wirtschaftlichen Sinn von kleingewerblichen Aktivitäten von Frauen, ob
selbstinitiert oder von der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt, ist in der entwicklungspolitischen Diskussion auf allen Ebenen verbreitet. Kollegen, die gerade einen Antrag auf
Finanzierung von Landmaschinen für eine Kooperative bewilligt bekommen haben, belächeln
die Kleinanträge, die für die Förderung von Frauengruppen gestellt werden, als `peanuts´.
Landesbeauftragte der Entwicklungsorganisation bezeichnen die Frauengruppen als soziale
`Häkelkränzchen´ und ihre Erlöse als `Taschengeld´. Engagierte Entwicklungsexpertinnen
verfassen kritische Stellungnahmen gegen die sogenannten Einkommen schaffenden Projekte
und kritisieren diese als doppelte Ausbeutung oder `income-losing projects´, weisen dabei
aber auch auf die bedeutsame Rolle der Frauen für die Gemeinschaft hin (Chigudu 1991;
v.Braunmühl 1993). Die programmatische Forderung der Integration von Frauen in die Entwicklung, die mit einer dadurch erhofften Effizienzsteigerung von Entwicklungsmaßnahmen
begründet wird, wird meist überwiegend als Marktintegration verstanden. Die Aufgabe,
Frauen Zugang zu lukrativen Bereiche der Wirtschaft zu eröffnen und gleichzeitig ihre reproduktiven und gemeinschaftlichen Verpflichtungen abzusichern, stößt in der Umsetzung oft
auf Hindernisse: Wirtschaftsstrukturelle Bedingungen ebenso wie die Geschlechterkultur der
mit der Umsetzung betrauten Organisationen lassen sich nicht per Beschluss verändern. Der
paradigmatische Fortschritt von WID (Women in Development) zu GAD (Gender and
Development) hat die Diskussion beflügelt (Stauth 1985; Wallace 1991; Moser 1993). Feministische Ökonominnen haben den Androzentrismus in der Makroökonomie und
Entwicklungsökonomie analysiert (Elson 1991; Ferber/Nelson 1993; Kabeer 1994, Palmer
1994; Waring 1988, etc.). Die Umsetzung in die Praxis erfordert jedoch bei den Entwicklungsorganisationen ein radikales Umdenken und einen politischen Willen zur Veränderung,
der nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Frauen sehen sich dem Dilemma gegen-
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über, sich an das Primat der Ökonomie, z.B. als Effizienz-Postulat, anzupassen, sich an der
gläsernen Decke des `upgrading´ oder einer Förderung in „Männerberufen“ den Kopf einzustoßen, oder mit oberflächlichen Gender-Analysen und angehängten Frauenkomponenten abgespeist zu werden. Auf dem freien Weltmarkt schließlich wird die Forderung nach Integration der Frauen in die Entwicklung in eine Feminisierung der Arbeit umgesetzt, bei der
sich das Leben der Arbeiterinnen weitgehend den Marktgesetzen unterzuordnen hat.
Das dualistische Verständnis von Sozialem und Wirtschaftlichem, das sich allenthalben zeigt,
durchzieht die Frauenförderung in der Entwicklungszusammenarbeit als Zwiespalt zwischen
der Verfolgung sozialer und ökonomischer Zielsetzungen. Beim DED, der hier nur als Beispiel dienen soll, findet die Arbeit mit Frauen, auch wenn sie de facto Kleingewerbeförderung
ist, vorzugsweise im Fachbereich Gemeinwesenarbeit statt, während die Kleingewerbeförderung eher von Projekten für eine männliche Klientel geprägt ist. Beides weist darauf hin, dass
die Arbeit von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit immer noch in einen allerdings
nebulösen Raum von Hausarbeit bis Gemeinwesenarbeit abgeschoben wird.
Entwicklungshelferinnen an der Basis arbeiten in Strukturen, über die die theoretische und
programmatische Diskussion in `Modewellen´ wechselnder Begrifflichkeiten und Zielsetzungen hinwegzuziehen scheint, ohne sie entscheidend zu wandeln. Sie fühlen sich der Kritik von
allen Seiten ausgesetzt, ohne selbst erkennbar über Handlungsspielräume der Veränderung zu
verfügen; bei Veränderungsversuchen stoßen sie jedenfalls schnell an institutionelle und
strukturelle Grenzen. Selbst potentielle Verbündete, die die Formen der Frauenförderung in
der Entwicklungszusammenarbeit zu Recht kritisieren, werden deshalb an der Basis oft als
praxisfern abgelehnt. Der Diskurs zwischen Entwicklungstheorie und -praxis scheint von gegenseitigen Zweifeln an der jeweiligen Kompetenz und nicht an einem fruchtbaren Austausch
verschiedener Sichtweisen geprägt.
Simbabwesche Frauen sind mit dem Mythos konfrontiert, Hausfrauenarbeit und nur diese zu
leisten. Diese Wahrnehmung von Frauen und ihrer Arbeit entstand vor allem in den Städten
als Kehrseite der zunehmenden Integration von Männern in Lohnarbeit. So bezeichnen sich
viele Frauen selbst mit der typischen Formulierung "I am just seated at home" und "I am
assisting my husband" als Hausfrau, die ihren Ehemann als Haupternährer der Familie unterstützt. Abgesehen davon, dass Hausarbeit auch in urbanen Verhältnissen
Subsistenzproduktion im Sinne von Herstellung und nicht nur Verarbeitung von Lebensmitteln umfasst, sind viele Frauen scheinbar `nebenbei´ auch mit der Produktion für den Markt
beschäftigt. Dabei sahen und sehen sie sich mit Schwierigkeiten der Integration in gesicherte
Arbeitsverhältnisse und lukrative Märkte konfrontiert. Im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms werden in Simbabwe hauptsächlich Kleingewerbeprojekte von ehemals abhängig
Beschäftigten des formellen Sektors, überwiegend Männern, finanziell gefördert. Frauen werden dagegen nicht als aktiv an der Wirtschaft Teilnehmende und Mit- oder Alleinverantwortliche für das Auskommen ihrer Familien wahrgenommen und gefördert. Im Gegenteil sind sie, z.B. durch die Streichungen von Lebensmittelsubventionen und Gesundheits-
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und Sozialleistungen in ihrem Arbeitsfeld der Reproduktion eher nachteilig betroffen, so zumindest der Tenor der sozialwissenschaftlichen Analysen des Strukturanpassungsprogramms
von Seiten simbabwescher Forschungsinstitute.
Aus meiner Fragestellung, wie Frauen in Harare ihre wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeiten organisieren, erwuchs die Notwendigkeit der Suche nach theoretischen Begrifflichkeiten
oder Konzepten, die keine künstlichen Dichotomien zwischen den Arbeitsbereichen von
Frauen aufbauen. Der Bielefelder Verflechtungsansatz bietet für diese Fragestellungen eine
Perspektive an, die die dualistische Sichtweise der Entwicklungsplanung auf das Verhältnis
von `Wirtschaft´ und `Sozialem´ zugunsten einer integrativen Sichtweise auflöst. Aus ihren
Forschungen über Verflechtungen zwischen Subsistenz- und Marktproduktion entwickelten
die Bielefelder EntwicklungssoziologInnen die empirisch begründete Erkenntnis: „Es gibt
praktisch keine Subsistenzwirtschaft, in der alles, was produziert wird, auch von den Produzenten konsumiert wird. Ebenso gibt es keine Marktwirtschaft, in der alle Güter und Dienstleistungen allein durch Marktkanäle verteilt werden. Keine Wirtschaftsgesellschaft kann ohne
Subsistenzproduktion in kleinen Einheiten funktionieren“ (Evers/Clauss/Wong 1984:29).
Anstelle dualistischer Konzepte von `traditionellen´ und `modernen´ Ökonomien für alle
Produktionsformen, die nicht dem Modell Marktwirtschaft entsprechen, wurde der sozioökonomische Sektor als Teilstruktur von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften definiert, und die Fragestellung richtete sich auf „Relationen von Komplementarität“ und „interne
Transformationen der Produktionssektoren als Resultat dieser Verflechtungen“ (Elwert
1984:385). Neue Forschungsfelder entwickelten sich im Blick auf die Bezüge zwischen den
Produktionsformen bzw. -sektoren, namentlich in Bezug auf den „Transfer von Gütern und
Dienstleistungen zwischen Sektoren, die Relation der sozialen Kontrolle und Macht, die
Transfer ermöglichen, den Konflikt zwischen den verschiedenen ökonomischen Rationalitäten in verschiedenen Sektoren, denen u. U. ein und derselbe Produzent unterworfen sein kann,
und die Darstellung des historischen Wandels der Binnenstruktur in den Sektoren in Abhängigkeit von den Relationen der Sektoren und deren Wandel" (Elwert 1984:385). Die Verflechtungen werden als gegenseitige Überformungen gesehen (Elwert 1984:386). Der
informelle Sektor wurde als Wirtschaftsbereich nicht nur der Marginalisierten auf der Suche
nach Sicherheit und Gemeinschaft entdeckt (Evers/Elwert/Wilkens 1983).
In weiteren empirischen Forschungen wurde der besondere Anteil von Frauen an der
Subsistenzproduktion herausgearbeitet und die These von der `Hausfrauisierung´, d.h. der
weltweiten „Feminisierung“ und „Marginalisierung“ der Arbeitskraft in Form unfreier NichtLohnarbeit entwickelt (Bennholdt-Thomsen/Mies/v.Werlhof (1988) 1992).
Mit dem Begriff der Frauenökonomie (Lachenmann 1992a, 1995 a, 1997 a, 1999a) wird an
einer Erweiterung des Subsistenzansatzes in Richtung auf ein Konzept der geschlechtsspezifischen Einbettung ökonomischen Handelns in soziale Strukturen gearbeitet. Das Konzept der
Frauenökonomie bietet sich als Forschungsperspektive an, da es „dem systemischen Charakter der Wirtschaftstätigkeiten der Frauen und der sozialen und kulturellen Einbettung Rech-
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nung tragen soll und eine komplette Analyse der anfallenden Arbeitsbereiche, Geschlechterverhältnisse etc. beinhaltet“ (Lachenmann 1995a:9).
Der Diskurs in Entwicklungsplanung und Entwicklungssoziologie ordnet sich in den
aktuellen gesellschaftlichen Diskurs über das Verhältnis zwischen Wirtschaft und
Gesellschaft ein. Da wir alle, wie ein bon mot besagt, `auf den Schultern von Riesen stehen´,
sollen einige Facetten der Auseinandersetzung zwischen Wirtschaftstheorien und Soziologie
im Folgenden nachgezeichnet werden, die die Fundamente des Subsistenzansatzes wie auch
der Frauenökonomie bilden.
Wirtschaftstheorie, Entwicklungsökonomie und Globalisierung: Wirtschaft als eigengesetzlicher Raum?
Im wirtschaftswissenschaftlichen Diskurs und seinen populärwissenschaftlichen Varianten in
der praktischen Entwicklungszusammenarbeit wird der Glaube an den Markt und die Marktgesetze als Allheilmittel gesellschaftlicher Entwicklungsprobleme nicht mehr in Frage
gestellt. Mit der Öffnung von Märkten durch Handelsliberalisierung sollen rückständige
Länder in die Weltwirtschaft einbezogen werden und ihre Bevölkerungen an den Segnungen
moderner Marktwirtschaft beteiligt werden. Die effiziente Verteilung von Gütern und die
optimale Allokation von Ressourcen soll sich durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage selbst regulieren. In den klassischen Wirtschaftstheorien sind Märkte Orte der Wahl
zwischen Gütern, deren Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt ist. Im weithin
verbreiteten neoklassischen Basismodell handelt das Individuum nach ökonomischen Rationalitätskriterien in der Wahl zwischen knappen Mitteln mit alternativen Verwendungsmöglichkeiten. Dazu kommen eventuell Eigeninteressen und persönliche Präferenzen, die außerhalb des Marktes liegen und damit als nicht begründbar ausgegrenzt werden. Soziale oder gar
geschlechtsspezifische Dimensionen werden nicht, oder nur als Störfaktoren, etwa im Sinne
von Benachteiligungen des Humankapitals, mit einbezogen. Dieser von Wirtschaftswissenschaftlern, Vertretern der Wirtschaft und Politikern in verschiedenen Schattierungen vertretene Glaube „kann mit Recht als Marktfundamentalismus bezeichnet werden, da er in eine
starre Orthodoxie eingeflochten ist und rückhaltlos verteidigt wird“ (Evers /Gerke 1999:3).2
Wirtschaft erscheint als ein außergesellschaftlicher Raum, der eigenen Gesetzen folgt. Dies
war nicht immer so: Der Begriff `Ökonomie´ ist auf `oikos´, das Haus, zurückzuführen, die
Ökonomie also ursprünglich auf das `Haus´ und die Wirtschaft von Familien bezogen. Adam
Smith, einer der Gründerväter der Wirtschaftswissenschaften, betrachtete die Ökonomie als
Frage der gesellschaftlichen Organisation von Austausch und von `provisioning´, also der
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Dass es sich bei diesem Markt-Glauben in vielen Aspekten um eine Fiktion handelt, der die reale
Wirtschaftspolitik kaum entspricht, zeigen die Autoren am Beispielen ostasiatischer Länder, die immer noch
stark von postsozialistischen Strukturen und überdimensionierten Staatsbürokratien geprägt sind. Märkte
erscheinen hier v.a. als kulturelle Konstruktion, legitimiert von Expertenwissen und politischer Hegemonie, und
als virtuelle Märkte, in denen die neuen Mittelschichten ihren Status durch symbolischen Konsum
dokumentieren (Evers/Gerke 1999:4, 11).
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Versorgung mit den Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens (Nelson 1993:23).
Obwohl er ein Konzept des sich selbstregulierenden Marktes vertrat, in dem die Summe der
eigennützigen Handlungen der Marktteilnehmer dem Allgemeininteresse und dem Wohlstand
aller nützt, war sein Ansatz in der `Theory of Moral Sentiments´ doch moralphilosophisch begründet (Schrader 1994:5).
Im Laufe ihrer Geschichte erst entwickelten sich die Wirtschaftswissenschaften in eine Richtung, die sich an wissenschaftstheoretischen Maximen der Naturwissenschaften orientiert.
Allerdings war diese Perspektive nie unumstritten. Durch die historische Entwicklung der
Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie zieht sich der paradigmatische Konflikt um das
Verhältnis zwischen `ökonomischer´ und `sozialer´ Sphäre. Zu Beginn des Jahrhunderts verlief die Debatte zwischen abstrakt-deduktiv orientierten und historisch-sozial orientierten
Wirtschaftswissenschaftlern als "Methodenstreit" (Swedberg/Granovetter 1992:3).
In den fünfziger Jahren wurde die Debatte in der Wirtschaftsanthropologie zwischen den
sogenannten `Formalisten´ und `Substantivisten´ ausgetragen. Das formale Konzept von wirtschaftlichem Handeln bestimmt es nach einer vielzitierten Definition als „relationship
between ends and scarce means which have alternative uses“ (Robbins 1952:16). In einem
vollkommenen Markt herrschen perfekte Konkurrenz und uneingeschränkte Informationsmöglichkeiten, die automatisch zu einem Gleichgewichtspreis führen. Macht und Herrschaftsverhältnisse, aber auch Traditionen und Kultur sind in diesem Konzept in einen außerwirtschaftlichen Raum verbannt. Dagegen bestimmt das substantivistische Konzept ökonomisches Handeln als "instituted process of interaction between man and his environment, which
results in a continuous supply of want satisfying material means" (Polanyi 1992:33). Damit
wird Bedürfnisbefriedigung als letztes Ziel bestimmt. Polanyi zog aus seinen Sekundäranalysen historischer und anthropologischer Forschungen „die große Erkenntnis, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen in der Regel in seine Sozialbeziehungen eingebettet ist.
Sein Tun gilt nicht der Sicherung seines individuellen Interesses an materiellem Besitz, sondern der Sicherung seines gesellschaftlichen Rangs, seiner gesellschaftlichen Ansprüche und
seiner gesellschaftlichen Wertvorstellungen“ (Polanyi 1978: 75).
Mit dem Einsetzen der `Großen Transformation´ als gesamtgesellschaftlicher Durchsetzung
des selbstregulierenden Marktes kehrte sich nach Ansicht der Substantivisten allerdings das
Verhältnis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft um: Die Wirtschaft begann, die Gesellschaft
nach ihren Gesetzmäßigkeiten zu strukturieren. Funktionen der Wohlfahrt, der Förderung der
Entwicklung von Humankapital, der demokratischen Mitsprache und der Kontrolle werden an
den Staat delegiert. Diese Ansicht impliziert die Annahme der Ausbettung der Wirtschaft aus
der Gesellschaft. Im Anschluss entstanden einerseits Dualismustheorien, die die These vertraten, dass nichtwestliche Gesellschaften nicht mit Hilfe der formalistischen Wirtschaftstheorien analysiert werden können, und die Existenz von `traditionellen´ Wirtschaftssektoren annahmen, die sich der Vereinnahmung durch die Kolonialpolitik widersetzen (Boeke 1980,
nach Evers 1987:356). Auf der anderen Seite entstanden Konvergenztheorien und neomarxi-
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stische Entwicklungstheorien wie Dependenz- und Weltsystemtheorie (Wallerstein 1974), die
von einer Vereinheitlichung einer Industriekultur weltweit ausgehen (Evers 1987:353).
Weiterentwicklungen des Konzepts der Einbettung der Wirtschaft
Verschiedene Strömungen in Wirtschaftswissenschaften und Soziologie (Wahlhandlungstheorien, Neue Institutionenökonomie, Neue Wirtschaftssoziologie, Wirtschaftsanthropologie etc.)
versuchen jeweils aus ihrer Perspektive, das offensichtlich unvollkommene Basismodell der
neoklassischen Wirtschaftslehre zu erweitern bzw. die Frage des Verhältnisses zwischen
Wirtschaft und Sozialem zu klären. Dabei wird allerdings häufig ein enges wirtschaftswissenschaftliches Verständnis von Rationalität auf soziales Handeln übertragen. So wird von den
Neuen Institutionalisten die These vertreten, dass soziale Institutionen die jeweils
effizienteste Lösung ökonomischer Probleme darstellen (Williamson 1975, nach Granovetter
1992:493). Ähnlich argumentiert die Neue Haushaltsökonomie (Becker 1981), die
geschlechtliche Ungleichheiten in der Arbeitsteilung in Haushalt und Gesellschaft auf der
Grundlage von Wahlhandlungstheorien und Humankapitaltheorien zu erklären versucht
(Kap.3). Solche Analysen sozialer Institutionen unter wirtschaftswissenschaftlichen
Rationalitätskategorien stießen auf feministische Kritik, wurden aber auch von Seiten der
Neuen Wirtschaftssoziologie als `economic imperialism´ abgelehnt (Swedberg/Granovetter
1992:1).
Der Anfangspunkt der Entwicklung dieser neuen theoretischen Konzeption wird mit
Granovetters Artikel über "Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness" gesetzt (1985, Neudruck 1992). Granovetter nimmt darin das Thema der "embeddedness", der Einbettung von Wirtschaft in Gesellschaft wieder auf, und wendet sich damit
gegen die These von Polanyi und seinen Nachfolgern von der Ausbettung der Wirtschaft aus
gesellschaftlichen Bezügen im Verlaufe der Großen Tansformation. Die Perspektive der neoklassischen Theorieströmung und ihre Konzepte des selbstregulierenden Marktes bezeichnet
er als "undersocialized view", kritisiert aber ebenso auch sozialstrukturelle Konzepte wie
Schicht- und Klassentheorien, die die individuellen Handlungsmöglichkeiten von sozialen
Faktoren abhängig machen, als mechanistische Erklärungsmuster und als "oversocialized
view" (Granovetter 1992:483 f). Ironischerweise, so Granovetter, kennzeichnet diese beiden
doch scheinbar so entgegengesetzten Perspektiven auf das Verhältnis von Wirtschaft und
Gesellschaft die Annahme von atomisierten Individuen: Im untersozialisierten Konzept
handeln die Individuen nur nach wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rationalitäten, in übersozialisierten Modellen handeln die Individuen nach mechanisch internalisierten
Handlungsmustern und nicht in direkter sozialer Interaktion (1992:485). Granovetters Konzept der Einbettung versucht dagegen eine Balance zwischen unter- und übersozialisierter
Perspektive herzustellen. Die interaktive Herstellung von gegenseitigem Vertrauen, aber auch
seine Kehrseite, die Durchführung von Betrugsabsichten, gelten ihm als Beispiele für die
zentrale Bedeutung von sozialen Beziehungen im ökonomischen Leben - weder Vertrauen,
noch Betrug, der oft auf Mitwisserschaft und Mittäterschaft basiert, kann ohne die
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permanente Arbeit an sozialen Netzwerken bestehen. In der Einleitung zu ihrer "Sociology of
Economic Life" (1992:1-28) entwickeln Swedberg und Granovetter das Konzept der
Einbettung wirtschaftlichen Handelns weiter.
Ihre These von der Einbettung ökonomischen Handelns in soziale Strukturen beruht auf drei
Grundannahmen. Erstens ist ökonomisches Handeln eine Form sozialen Handelns; zweitens
spielt dieses Handeln sich in sozialen Netzwerken ab; und drittens werden ökonomische
Institutionen von Menschen hervorgebracht (Swedberg/Granovetter 1992:6). Mit dieser Perspektive auf ökonomisches Handeln als einer Form sozialen Handelns nehmen sie eine zentrale These Max Weber´s wieder auf, die besagt, dass (ökonomisches ) Handeln das Verhalten
anderer in Form sinnhaften Handelns berücksichtigt (Swedberg/Granovetter 1992:8, im
Anschluss an Weber 1922 (1978:4). Das Geld und sein Wert wäre so als kollektive Repräsentation zu betrachten. In alltäglichen Transaktionen ist die Funktionsweise sozial geteilten
Sinns in der ökonomischen Interaktion auch auf der Mikroebene laufend zu beobachten: Wie
sonst könnte man dem Tankwart eine 20-Dollar-Note geben, wenn man nur für fünf Dollar
Benzin gekauft hat? (Granovetter 1985:489). Solche Einzel-Transaktionen sind in soziale Bedeutungen eingebunden, die sie damit gleichzeitig immer wieder bestätigen und ohne die ein
Austausch nicht funktionieren könnte. Gesetzlich legitimierte Verfügungsgewalt als Kennzeichen hierarchischer sozialer Beziehungen ist ein weiterer Faktor, durch den ökonomisches
Handeln in soziale Strukturen eingebettet ist. Auch hier beziehen Swedberg/Granovetter sich
auf Max Weber, der Austausch als Konfliktlösung durch Kompromiss und legitimierte Verfügungsgewalt als zentralen Faktor in der Festsetzung von Preisen betrachtete (Weber (1922)
1978:108, nach Swedberg/Granovetter 1992:9). Neben ökonomischen Handlungsrationalitäten folgt das Handeln auch sozialen Handlungsorientierungen wie denen nach Anerkennung,
Status, Gemeinschaft und Macht (Swedberg/Granovetter 1992:7).
Ökonomisches Handeln ist sozial situiert: „It is embedded in ongoing networks of personal
relationships rather than being carried out by atomized actors“ (Swedberg/Granovetter
1992:9). Als Netzwerke werden dabei soziale Beziehungen als Verbindungen zwischen Individuen oder Gruppen verstanden, in die die Mitglieder durch Interaktion eingebettet sind. Im
Gegensatz zu Polanyi´s These von der Ausbettung der Wirtschaft aus der Gesellschaft im
Verlaufe der Entstehung des Marktsystems gehen Swedberg/Granovetter davon aus, dass der
Grad der Einbettung in verschiedenen Gesellschaftssystemen variiert (Swedberg/Granovetter
1992:10). Beispiele für ökonomisches Handeln in Netzwerken finden sich auf unterschiedlichsten Ebenen der Wirtschaft und zu unterschiedlichen Zeiten, wie etwa bei den Banknetzwerken der französischen Hugenotten des 18. Jahrhunderts und bei den Investmenthändlern
im heutigen Börsengeschehen, aber ebenso auch auf der Ebene der Arbeiter und Angestellten
in Firmen, oder bei ethnischen Händlerminoritäten (Evers/Schrader 1994). Gegenseitiges
Vertrauen in der wirtschaftlichen Transaktion, ebenso aber auch die Durchführung von Betrugsabsichten, sind Ergebnisse des Handelns in Netzwerken (Granovetter (1985) 1992).
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Institutionen als soziale Gebilde entstehen aus der Habitualisierung und Typisierung menschlicher Interaktionen: „Die institutionale Welt ist vergegenständlichte menschliche Tätigkeit,
und jede Institution ist dies ebenso“ Berger/Luckmann 1996:65). Im Prozess der Vergegenständlichung produziert der Mensch eine scheinbar objektive, von ihm selbst unabhängige
Welt, die gleichwohl menschengemachte konstruierte Objektivität ist (a.a.O.). Ökonomische
Institutionen, von der Makroebene des Marktes bis zur Mikroebene einzelner Transaktionen
erscheinen als von objektiven Marktgesetzen gesteuert. Aus der soziologischen Perspektive
der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit, die gesellschaftliche Ordnung nicht von
„Naturgesetzen“ ableitet, sondern als Produkt menschlichen Tuns betrachtet, entstehen auch
wirtschaftliche Institutionen, ob nun Großfirmen, Börsen oder Finanzmärkte, in einem historischen Prozess der Typisierung von Handlungen. Sie verhärten und verfestigen sich, bis sie
schließlich den Handelnden als objektive und unveränderliche Wirklichkeit erscheinen
(Swedberg/Granovetter 1992:17, im Anschluss an Berger/Luckmann 1966:54-55). 3
Anknüpfungspunkte an diese Perspektive finden sich schon bei Polanyi und dessen substantivistischem Konzept von Wirtschaft. Institutionen bestehen in Polanyis Verständnis aus
Verfestigungen oder Konzentrationen von sozialen Aktivitäten (1992:33). Seine Analyse
dreier zentraler Hauptmuster von Austausch, "reciprocity", "redistribution" und "exchange",
in verschiedenen Gesellschaftsformen zeigt die Einbettung der jeweiligen Austauschform in
institutionelle Arrangements. So ist Reziprozität in symmetrischen sozialen Strukturen auffindbar, Redistribution erfordert ein allokatives Zentrum in der Gemeinschaft, und Handel
erfordert ein Marktsystem, in dem Preise für Güter gesetzt werden (Polanyi 1992:35f).
Reziprozität ist eine übergeordnete Integrationsform sozialen Handelns, die Redistribution
und Austausch als untergeordnete Methoden verwenden kann. Märkte und Marktaustausch
entstehen nicht als evolutionäre Weiterentwicklungen der anderen Austauschformen, sondern
sind nur eine Variante des Austausches (Polanyi 1978:97). Umgekehrt sind Handlungsorientierungen der Moralökonomie, wie die Reziprozitätsverpflichtung, in Situationen des
Marktaustauschs auffindbar, etwa in Geschäften zu Freundschaftspreisen, die mit der
Hoffnung auf Festigung der Geschäftsbeziehungen getätigt werden. Ein Beispiel für Redistribution in Marktgesellschaften sind Versicherungsgesellschaften aller Art. Diese zentralen
Integrationsformen des Wirtschaftens werden bei der Analyse der Aktivitäten von Frauen in
ihren Handlungsfeldern eine wichtige Rolle spielen. In Simbabwe durchzieht das Konzept der
Reziprozität den Ablauf des Alltagslebens und wird in den Ritualen des Alltags, vom
Morgen- bis zum Abendgruß, immer wieder benannt und bestätigt: "Mangwanani, marara
sei?" - "Ndarara mararawo„ – "Ndarara" ist die morgendliche Begrüßungsformel, die
bedeutet: „Guten Morgen, wie hast Du geschlafen?“ - „ Ich habe gut geschlafen, wenn Du gut
geschlafen hast“ - „Ich habe gut geschlafen“. Und abends wird gefragt: "Maswera sei?" "Ndaswera maskwerawo" - "Ndaswera" - „Wie hast Du den Tag verbracht?“ „Ich habe den
Tag gut verbracht, wenn du ihn gut verbracht hast“ - „Ich habe den Tag gut verbracht“ (Vieth
1993: 16).
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Swedberg/Granovetter beziehen sich auf die amerikanische Originalausgabe von Berger/Luckmann: The
Social Construction of Reality. In der deutschen Ausgabe entsprechen die Seitenangaben S. 55 ff.
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Ökonomischer Austausch auf der Makro- wie auf der Mikroebene basiert auf sozialen Institutionen wie z.B. Vertrauen und generalisierter Moral: Aber auch die Produktions- und Handelsnetzwerke von großen Firmen, ihre Beziehungen zu Zulieferfirmen, und die internen
Arbeitsbeziehungen sind in interpersonale Beziehungen eingebettet: "... the anonymous market of neoclassical models is virtually nonexistent in economic life and ... transactions of all
kinds are rife with the social connections described" (Granovetter 1985:495). Diese Perspektive schließt hierarchische Beziehungsstrukturen, die von Macht und Herrschaft geprägt sind,
ausdrücklich ein (Granovetter 1985: 501). Die Einbettung wirtschaftlichen Handelns in
soziale Netzwerke spielt eine große Rolle in der Herstellung von Vertrauen. Dies ist insbesondere wichtig im Kontext des informellen Sektors, in dem die Kleingewerbeaktivitäten
meiner Untersuchungsgruppe angesiedelt sind. In einem Handlungsfeld, das nur am Rande,
und eher im Sinne von Sanktionen, von staatlichem Handeln berührt wird, in dem Vertragssicherheit mangels Formalisierung nicht durch den Rekurs auf die Schutzfunktion staatlicher
Gesetze hergestellt werden kann, wird Vertragssicherheit durch den Rekurs auf die soziale
Einbindung der Vertragspartner gestaltet. Aber auch der Austausch über marktrelevante Informationen via informelle Kanäle, z.B. über Marktlücken, Produktionstechniken, und Zugänge zu anderen Ressourcen wie Kapital und Absatzmöglichkeiten verläuft über soziale
Netzwerke. Die Forschungen der Neuen Wirtschaftssoziologie und des Neuen Institutionalismus (Powell/Smith-Doerr 1994) bieten hier, auch wenn sie sich überwiegend auf Firmen in
westlichen Industriegesellschaften beziehen, wichtige Hinweise für die Fragestellung, welche
Rolle soziale Netzwerke im wirtschaftlichen Handeln spielen.
Die Grundannahme der Einbettung von ökonomischem Handeln in soziale Strukturen kann
auf die Makro- und die Mikroebene gleichermaßen angewandt werden. Eine soziologische
Analyse von Marktbeziehungen und Markthandeln lehnt dabei durchaus nicht die wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise auf die Menschen als rational handelnde Akteure ab - sie
erweitert sie nur auf Handlungsorientierungen hin, die in der sozialen Einbettung des Markthandelns begründet sind.
Feministische Perspektiven auf Wirtschaft und Wirtschaftstheorie
Die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft wurden seit den ersten
Untersuchungen über die scheinbar `unsichtbare´ Frauenarbeit auch unter der Perspektive des
Geschlechterverhältnisses thematisiert: „Frauen tauchen nicht auf - genauso wenig wie
Männer“,
stellt
Elson
(1993:532)
für
makroökonomische
Konzepte
fest.
Gesamtwirtschaftliche Daten wie Bruttosozialprodukt, Wirtschaftswachstum und
Handelsbilanz sind aggregierte Datensätze, in denen Menschen allenfalls als Bestandteil ökonomischer Funktionen von Angebot und Nachfrage erscheinen. Feministische Ökonominnen
führen Geschlecht als Kategorie in die Volkswirtschaftslehre ein: Das Geschlechterverhältnis
steht nicht als separate Domäne neben der Makroökonomie, sondern die Volkswirtschaft ist
selbst "gendered via the institutions through which economic agents operate" (Elson
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1995:1852). Gerade in der scheinbaren Geschlechtsneutralität der Wirtschaftstheorie und planung auf Makro- und Mikroebene liegt eine geschlechtsspezifische Verzerrung vor. Dass
diese sich im praktischen Wirtschaftsleben wie in der Theorie als Androzentrismus auswirkt,
begründet Elson mit der spezifischen Art und Weise der Verflechtung von reproduktiven und
produktiven Aufgaben: „Das entscheidende strukturelle Moment ist dabei weder die Art und
Weise, wie der Lebensunterhalt bestritten wird, noch wie die Erziehung und Versorgung der
Kinder organisiert ist, sondern die Art und Weise, wie diese beiden Bereiche miteinander verknüpft sind“ (Elson 1993:531). In neoklassischen Kategorien bezeichnet Palmer die weltweit
vorausgesetzte Verpflichtung von Frauen zur Reproduktionsarbeit, inklusive der Subsistenzproduktion bzw. Selbstversorgung mit Wasser, Energie und Lebensmitteln als positive Externalität für die Wirtschaft und als Reproduktionssteuer für die Betroffenen (Palmer 1994:10).
In der These von der `Hausfrauisierung´ wird dieses Verhältnis dahingehend zugespitzt, dass
die Warenproduktion insgesamt nicht nur auf der Hausfrauenarbeit beruhe, sondern auf weltweit `hausfrauisierten´, d.h. ungesicherten Arbeitsverhältnissen von Menschen in marginalisierten Sektoren der Wirtschaft: „Es ist alles umgekehrt. Nicht 10 % freie Lohnarbeiter,
sondern 90 % unfreie Nichtlohnarbeiter sind die Säule der Akkumulation und des Wachstums, sind die wahren Ausgebeuteten, sind die `Norm´, der allgemeine Zustand, in dem sich
der Mensch im Kapitalismus befindet.“ (v.Werlhof 1992:121). In der Wirtschaftspolitik wird
implizit vorausgesetzt, dass die Leistungen der Subsistenzproduktion stets in ausreichender
Menge zur Verfügung stehen. Dass sie vielfach nur unter enormer Belastung aufgebracht
werden und vor allem Frauen an ihrer gleichberechtigten Teilnahme am Markt hindern, ist in
zahlreichen Studien dokumentiert. Eine detaillierte Analyse zeigt, welche Leistungen dies im
einzelnen sind, aber auch die Problematik, sie in neoklassischen Kategorien messen zu wollen
(Waring 1988). Aufgrund geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung ist ein großer Teil der
Arbeitskraft von Frauen in solchen Tätigkeiten gebunden, denen unter wirtschaftlichen Kriterien oft niedrige Produktivität attestiert wird. Neben anderen Kategorien muss Geschlecht als
ein Grundelement der sozialen Einbettung wirtschaftlicher Strukturen wahrgenommen werden. Durch die Geschlechterverhältnisse wird der Zugang zu und die Kontrolle von Produktionsressourcen wie Kredit, Land, Arbeitskraft, Arbeitsteilung im Haushalt, Infrastruktur und
politischer Einflussnahme geschlechtsspezifisch verteilt (Elson 1995:1856). So zeigt sich
auch in der Makroökonomie die soziale Einbettung wirtschaftlichen Handelns in geschlechtsspezifisch strukturierte Institutionen.
Auch die feministische Kritik an neoklassischen Modellen bleibt diesen allerdings oft verhaftet, indem sie z.B. eine effizientere Integration von Frauen in den mainstream der Wirtschaft fordert (Elson 1995:1864). Auf die Problematik dieser Handlungsperspektive weist
Kabeer hin, die eine Verwechslung von Mittel und Zweck, bzw. Wirtschaftswachstum und
Entwicklung auch in der Entwicklungsökonomie feststellt (Kabeer 1994:76). Forderungen
nach Gleichbehandlung der Geschlechter unter dem Postulat der Effizienz implizieren die Gefahr, geschlechterdifferente Handlungsräume, insbesondere autonome Frauenräume, zu eliminieren. Stattdessen ist es notwendig, Geschlecht auch als Möglichkeit von Differenz
wahrzunehmen, die spezifischen ökonomischen Aktivitäten von Frauen nicht von vornherein
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als restringiert und diskriminiert anzunehmen und mit einer solcherart veränderten Perspektive zu einer Erweiterung ihrer Handlungsräume beizutragen (Lachenmann 1999a:8).
Frauenökonomie: Die soziale Einbettung von Frauenarbeit
Mit dem Konzept der Frauenökonomie wird versucht, die Fragestellung des Verhältnisses
zwischen Wirtschaft und Gesellschaft um die Dimension der geschlechtsspezifischen Einbettung zu erweitern. Gegenstand der empirischen Untersuchung sind die Aktivitäten von Frauen
und ihre Verflechtungen, die quer zu der Unterteilung in Reproduktion und Produktion, Subsistenz- und Marktproduktion, `sozialen´ und `ökonomischen` Bereichen und anderen
Dualismen stattfinden. Konzeptionelles Ziel ist die gleichgewichtige Integration der
reproduktiven Wirtschaftstätigkeiten in die ökonomische Analyse, d.h. die Herausarbeitung
der Verflechtungen zwischen Reproduktion und Produktion, mit denen Überleben und soziale
Sicherheit gewährleistet werden.
Das Konzept der Einbettung der Frauenökonomie (Lachenmann 1999a) richtet die Aufmerksamkeit auf die Verflechtungen, die Frauen individuell zwischen ihren Handlungsfeldern herstellen, aber ebenso sehr auch auf den mittlere Ebene ihrer ökonomischen Beziehungen mit
Gruppen und Institutionen über den Haushalt hinaus (Lachenmann 1999a:7). In der Wirtschaft und ihren Institutionen stehen, vermittelt durch die Geschlechterordnung, unterschiedliche Handlungsfelder für Frauen und Männer bereit; der Markt wird also als
geschlechtsspezifisch strukturiert betrachtet. Die Handlungsräume von Frauen, die in der
feministischen Kritik der Wirtschaft und ihrer Theorien als Ergebnis diskriminatorischer Ausgrenzung oder androzentristischer Verzerrung analysiert werden, können aus der Sicht des
Konzepts der Frauenökonomie als geschlechtsspezifische Handlungsräume betrachtet werden,
die „nicht grundsätzlich als diskriminierend, sondern als Handlungsspielraum und Möglichkeiten der Differenz“ wahrgenommen werden (Lachenmann 1997a:42). Das Verständnis von
ökonomischem Handeln als sozialem Handeln erlaubt es, die Handlungslogiken zu verstehen,
mit denen Frauen `reproduktive´ und `produktive´, `soziale´ und `ökonomische´ Handlungen
und Handlungsorientierungen in Verbindung bringen, ohne künstliche Dichotomien zu bilden.
Handlungstheoretische Perspektive auf Frauenökonomie
Für die Analyse der Tätigkeiten von Frauen schlage ich die Unterscheidung nach den
Arbeitsbereichen bzw. Handlungsfeldern Haushalt, urbane Subsistenzproduktion, erweiterte
Verwandtschaft, ländliche Subsistenzproduktion, Nachbarschaft und neuen sozialen Netzwerken, und Marktproduktion, unterschieden nach individuell betriebenem Gewerbe und Gruppenprojekten, vor.
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Handlungsfelder der Frauenökonomie in Harare
In dem Diagramm sollen die Überschneidungen, Schnittstellen und Verflechtungen der
Handlungsfelder miteinander visualisiert werden. Die Perspektive richtet sich dabei nicht
allein auf den Fluss der Ressourcen, Produkte oder Güter, sondern auf die Interaktionen der
Akteurinnen in ihren Handlungsfeldern, in denen Dinge, aber auch Arbeits- und Hilfeleistungen Elemente des Austauschs sind. Eine akteursorientierte Analyse untersucht Handeln, das
von sozialen Interessen, kulturellen Interpretationen, Wissen und Macht geleitet ist, im Kontext von sozialen Beziehungen und Netzwerken (Long 1989: 222). Eine Perspektive, die sich
an den Handlungsmöglichkeiten der AkteurInnen orientiert, geht über die impact-Analysen,
wie sie in Entwicklungsplanung und -politik verbreitet sind, hinaus. Es ist zwar schon ein
Fortschritt, wenn Frauen explizit in die Planung und Durchführung von Programmen einbezogen werden sollen (Osterhaus/Salzer 1995). In der Praxis reicht dies jedoch häufig nur zu
einer Integration in bestehende Programme, die nach wie vor überwiegend technisch-erwerbsökonomisch und nicht an der Erhaltung der Lebensgrundlagen (livelihood) in einem weiteren
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Sinne orientiert sind.4 Ein Beispiel dafür aus dem simbabweschen Kontext bietet das Informal
Sector Training and Resource Network ISTARN, das sich allein auf die Förderung von
Kleingewerbeaktivitäten konzentrierte und dabei die geschlechtsspezifischen Strukturen der
gesamten Produktions- und Reproduktionsverhältnisse in seinen Fördermaßnahmen wiederholte (Nell/Maganje 1996; Chenaux-Repond 1996). Stattdessen müsste die Gender-Perspektive schon bei der Untersuchung der Lebensgrundlagen und bei der Formulierung von
Entwicklungszielen erkenntnisleitend sein. Die der Planung von Programmen und Projekten
inhärente Prämisse der Planbarkeit von Entwicklung beschränkt sich auf als geschlossen angenommene Systeme, wie etwa das Dorf, die Wasserversorgung oder das Gesundheitssystem.
Diese Einschränkung des Planungsprozesses bezieht die gesellschaftliche und politische Einbettung und die Aushandlungsprozesse mit dem gesellschaftlichen Umfeld nicht mit ein
(Lachenmann 1995b:23)
Mit dem Konzept der Frauenökonomie werden Frauen als Akteurinnen in den Mittelpunkt der
Analyse gesellschaftlichen Wandels im Kontext von Globalisierung und Strukturanpassungsmaßnahmen gestellt, werden ihre Anpassungsleistungen, aber auch ihre Handlungsspielräume
und ihre Lösungswege sozialer und wirtschaftlicher Probleme sichtbar. Damit wird das Bild
von Frauen als verletzlicher Gruppe transformiert in Bilder5 von Frauen, die in vielfältiger
Weise sozial und wirtschaftlich tätig sind. Dass es an den Schnittstellen zwischen Handlungsfeldern, z.B. zwischen Handlungsorientierungen der Subsistenz- und der Marktproduktion, zu
Konflikten kommen kann, soll dabei allerdings nicht unterschlagen werden. Ein Beispiel
dafür ist die Monetarisierung und damit einhergehende Venalität (Elwert 1987) von verwandtschaftlichen Netzwerken, in denen Handlungsrationalitäten aus `traditionellen´ und
`modernen´ Wirtschaftsweisen aufeinandertreffen, die zwischen Solidarität in Reziprozitätsnetzwerken und Individualisierung liegen. Eine Schnittstellenanalyse kann als
Schlüsseldimensionen die Verbindungen, die Interessenkonflikte und die unterschiedlichen
kulturellen Interpretationen zwischen den handelnden Individuen und/oder sozialen Gruppen
herausarbeiten. (Long 1989:237 ff). Geschlecht als soziale Konstruktion ist dabei ein wichtiges Element, das die Wahrnehmungen und Weltsichten der Akteure leitet und ihre Handlungsspielräume umschreibt. Für die Entwicklungsplanung bietet die Schnittstellenanalyse
Möglichkeiten, ihre Maßnahmen nicht mehr nur als Intervention, sondern als Interaktion mit
den Beteiligten zu verstehen, die im Prozess eben nicht nur reagieren, sondern Akteure sind
(Long 1989: 240f).
Als weitere Dimensionen der Analyse verwende ich die Kategorien Strategien, Definitionsmacht, Wissen, und Identität von Gütern und Menschen. Unter der Perspektive auf Strategien
4
Dieser Begriff schließt „Aufwendungen für andere als ernährungssichernde Versorgungsgüter, die Erhaltung
zukunftssichernder Vermögenswerte sowie die Bewahrung sozialer Beziehungen und Ansprüche ein, um
kommende Notlagen abfedern zu können. Er geht damit über die ökonomischen und ökologischen Bereiche
hinaus und versteht soziale Verhältnisse als Grundlage für die Erzeugung und Aufrechterhaltung von
Absicherung.„ Mit dem livelihood-Ansatz werden komplexe sozioökonomische Absicherungsformen analysiert
(Grawert 1998:68).
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Der Plural wird hier ausdrücklich verwendet, um die vielfältigen Unterschiede zwischen Frauen je nach
Ethnizität, Klasse und Status im Lebenslauf zu betonen.
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können Handlungen von Menschen auf der Mikroebene, aber auch in sozialen Institutionen
geronnene Handlungen betrachtet werden. Definitionsmacht ist nicht einzelnen Akteuren zueigen, sondern wird in der Interaktion immer neu konstituiert wird (Verschoor 1992:177).
Wissen ist kontextspezifisch, wird in sozialer Interaktion ausgetauscht und ist interessengeleitet. Die Identität von Menschen und Gütern wird durch strategische Aktion in Interaktionen, in denen die Akteure unterschiedliche Definitionsmacht und unterschiedliches Wissen
miteinander konstruieren, ausgehandelt.6 Die Bedeutung solcher interaktionstheoretischer
Kategorien für die Analyse von Interaktion auf dem Markt wird auch bei der Frage der
Bewertung von Arbeit und Arbeitsprodukten deutlich. Die Äußerung "I am just seated at
home" zur Beschreibung des häuslichen Arbeitstages einer Frau (Kap.4) ist ein Beispiel für
die Definitionsmacht verschiedener Akteure, die in die Bewertung von Arbeit eingeht. Eine
weitere Dimension der Analyse ist die der sozialen und ökonomischen Netzwerke, in und mit
denen Frauen operieren. Das Konzept der Frauenökonomie orientiert sich dabei an der Perspektive der Neuen Wirtschaftssoziologie, die wirtschaftliches Handeln als eine Form sozialen Handelns betrachtet, das in "ongoing networks of personal relationships" eingebettet ist
(Swedberg/Granovetter 1992:9). Diese Betrachtungsweise bezieht auch Handeln mit ein, das
nicht unmittelbar von wirtschaftlichen Rationalitäten bestimmt ist, sondern von sozialen
Orientierungen wie Status und Macht, aber ebenso auch von Elementen der Moralökonomie,
wie Subsistenzsicherheit, sozialen Bindungen und Reziprozität in sozialen Netzwerken
geleitet wird. Diese Netzwerke sind als Formen ökonomischer Institutionen auf der mittleren
Ebene zu verstehen, in denen Elemente sozial-ökonomischen Handelns auf der Mikroebene
enthalten sind.7 Für mein Untersuchungsfeld drängt sich diese Dimension förmlich auf, als
die meisten Frauen in irgendeiner Weise in Gruppen kooperieren; aber auch die, die sich
zunächst als Einzelunternehmerinnen darstellen, erweisen sich letztlich immer als
Teilhaberinnen in verschiedenen ökonomischen Netzwerken. Wie bedeutsam die sozialen
Netzwerke in der Frauenökonomie sind, wird schon in der Beschreibung ihrer
Handlungsfelder in Haushalt, Nachbarschaft, erweiterter Familie und sozialem Umfeld
sichtbar.
Damit zusammenhängend, ist „Space“, d.h. der sozial konstruierte Raum, in dem sich die
Aktivitäten abspielen, eine Dimension der Untersuchung (Ardener 1993; Lachenmann 1995a;
1997a/b, 1999a; Verschoor 1992:186). Durch den zur Verfügung stehenden Raum, sei es das
Wohnzimmer, das zum Nähzimmer umfunktioniert wird, ein Gruppenraum im Gemeindezentrum, der Parkplatz vor dem Supermarkt, auf dem Frauen ihren Gemüsehandel betreiben,
oder der Kunstgewerbemarkt in der Stadtmitte, werden Handlungsmöglichkeiten umschrie6
Ganz ähnliche Kategorien schlägt auch Maier in ihrer Auseinandersetzung mit dem männlichen Bias in der
neoklassischen Ökonomie vor: „Es ist jedoch zu fragen, ... ob ökonomische Theorie nicht grundsätzlich
ausgehen muss von Kategorien wie Abhängigkeit, Interdependenz des Handelns, Macht, Interessen, Tradition
und Normen. Für die ökonomische Analyse des Geschlechterverhältnisses ist eine solche Erweiterung
fundamental notwendig.„ (Maier 1993:558)
7
Damit soll die üblicherweise allein auf die Haushaltsebene begrenzte Analyse des wirtschaftlichen Handelns
von Frauen überwunden werden; stattdessen muß "die Erfassung der Wirtschaftsbereiche, nämlich der
Produktion nach bestimmten Aufgaben, Produktzuständigkeit, Ressourcenzugang, der gesamte Bereich der
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ben. Soziale Netzwerke wie Frauenkleingewerbegruppen oder Sparclubs benötigen Räume, in
denen sie ihre Geschäfte oder ihren sozialen Austausch bewerkstelligen können. Raum als
Raum zum ökonomischen Handeln ist eine Ressource, die geschlechtsspezifisch und unter
Umständen auch ethnisch verteilt wird, wie sich an der wiederkehrenden Diskussion um den
Straßenhandel zeigen lässt, die ihre Wurzel in kolonialen Konzepten von Stadtverwaltung hat.
Ähnlich ist der Konflikt um die Nutzung der offenen Flächen zwischen den townships für die
Subsistenzlandwirtschaft zu betrachten. Eine andere Qualität, als Verbindung zwischen entfernten Märkten, erhält die Kategorie des Raumes in den Handelsnetzen der grenzüberschreitenden Händlerinnen. Die detaillierte Analyse wird aber noch weitere Räume des Handelns in
den Blick bringen. Dazu gehören die sozusagen virtuellen Verkaufsräume, die z.B. die Heimarbeiterinnen im Handel mit selbstproduzierter Kleidung herstellen (Kap. 5). Die Bedeutung
von Raum, wie ich sie im folgenden verwende, umfasst also nicht nur den rein physischen
Raum, sondern Raum als soziale Dimension, der Handlungsspielräume, `room for
manoeuvre´ erlaubt.
Die genannten Dimensionen der Analyse eignen sich meines Erachtens ebenso für die Beschreibung der makroökonomischen Einbettung der Marktaktivitäten von Frauen wie für die
Analyse der Mikroebene der Kleingewerbe.
Die Verflechtungen und Überschneidungen der Handlungsfelder der Frauenökonomie erfordern an vielen Stellen eine Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven: So werden z.B.
im Handlungsfeld Haushalt die Haushaltsbeiträge aus verschiedenen Tätigkeiten und Aushandlungsprozesse um die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung thematisiert. Im Kontext des
Handlungsfeldes Marktproduktion kommen die dort erwirtschafteten Haushaltsbeiträge von
Frauen, aber auch die Kombination von Ressourcen aus Haushalt und Gewerbe zum Tragen.
So werden, entsprechend der Struktur des Untersuchungsfeldes, in der Darstellung seine Verflechtungen und Überschneidungen nachvollzogen.
Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, der Beschaffungs- und Energiewirtschaft einschließlich
Sammelwirtschaft" in ihren Verflechtungen mit der Marktproduktion geleistet werden (Lachenmann 1995a:9).
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