Informationen und Tipps für die Schule Ausgabe 31, Juli 2008 ADAC signale Fakten und Hintergründe (S. 1 – 7), Tipps für die Praxis (S. 7 – 8) erkennung von Sehfehlern bei Jung und Alt hingewiesen. Wer seine Augen im Auge behält, regelmäßig testet und bei Bedarf korrigieren lässt, trägt entscheidend zur eigenen und allgemeinen Sicherheit bei. Verkehrssicheres Verhalten ist aber nicht nur von einem intakten Augenpaar abhängig. Auditive und taktile Wahrnehmungen haben hier ebenso ihren Einfluss wie bestimmte psychische Faktoren und alle Beeinträchtigungen durch Alkohol, Drogen oder Medikamente. Eine häufig unterschätzte Rolle spielen aber auch andere „Umweltfaktoren" wie verkehrstechnische Fehlplanungen oder auch Konstruktionsmängel beim Fahrzeugbau. Wer hat schon den richtigen „Durchblick“? Um im zunehmend hektischen Straßenverkehr die Übersicht und den Durchblick zu behalten, benötigt man „scharfe Augen“. Verkehrssicheres Verhalten ohne richtiges Sehen und gutes Reagieren ist ein Ding der Unmöglichkeit – denn schließlich steht fest, dass 90 % aller wichtigen Informationen auf der Straße zunächst einmal visuell aufgenommen und verarbeitet werden. Für die Erfassung der Verkehrswirklichkeit ist die visuelle Wahrnehmung von großer Bedeutung, da man sich im Straßenverkehr vornehmlich mit den Augen orientiert. Verkehrszeichen und Ampeln müssen erkannt werden. Die für die Teilnahme am Verkehr wichtige Fähigkeit, Entfernungen optisch einzuschätzen, hängt nicht allein von Wahrnehmungsvorgängen ab, sondern auch von vielfältigen Erfahrungen. Dies gilt sowohl für die Auswahl bestimmter Reize aus der Fülle des Dargebotenen (selektive Wahrnehmung) als auch für deren Deutung. Viele dieser erfahrungsabhängigen Wahrnehmungsleistungen können trainiert und erlernt werden. Reichen aber unsere zwei Augen aus, um sicher am Verkehr teilzunehmen? Kann unsere Verarbeitungszentrale „Gehirn" mit der technologischen Entwicklung überhaupt noch Schritt halten? Oder sind etwa die Grenzen der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit schon erreicht? Das alles sind berechtigte Fragen angesichts der Tatsache, dass Fehlsichtigkeit und daraus resultierende Fehleinschätzungen seit Jahren zu den Hauptunfallursachen zählen. Verkehrssicherheitsexperten, Augenärzte und Optiker haben hier schon lange Alarm geschlagen und immer wieder eindringlich auf die Bedeutung eines intakten Sehapparates und die enorme Wichtigkeit der Früh- Diese ganze Thematik ist so interessant, dass sie in jeden Verkehrsunterricht einfach hineingehört. In dieser Ausgabe: ❑ Wer hat schon den richtigen Durchblick? ❑ Der menschliche Sehapparat ❑ Wahrnehmung und Verkehrs­ sicherheit ❑ Sehschwächen und Korrek­ turmöglichkeiten ❑ Verkehrsteilnehmer und Umweltfaktoren ❑ Sehen und gesehen werden ❑ Blind vor Wut: Psyche und Wahrnehmung ❑ „Schlechte Beifahrer“ ❑ Tipps für die Unterrichtspraxis ADACsignale FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Der menschliche Sehapparat Das Auge ist das komplizierteste und zugleich wichtigste menschliche „Fernsinnesorgan“. Es ist in der Lage, über die lichtempfindlichen Sinneszellen der Netzhaut eine Informationsmenge von bis zu 200 Millionen bit/Sekunde (bit = kleinste mögliche Informationseinheit) aufzunehmen. Das Auge liefert den Durchblick Der Aufbau des Auges und seine Funktion lassen sich mit einer analogen Fotokamera vergleichen. Das optische System besteht aus Hornhaut und Linse, die Blende ist die Pupille, und die Netzhaut dient als lichtempfindliche Platte. Anders als eine fotographische Platte, deren Lichtempfindlichkeit immer gleich bleibt, passt sich die gesunde Netzhaut jedoch automatisch den unterschiedlichen Lichtverhältnissen an. Man kann es auch mit dem Fotochip einer Digitalkamera vergleichen, in dem bereits jede Menge Bildverarbeitung stattfindet. Allerdings sind selbst die neuesten Produkte auf dem Markt primitiv gegenüber den Fähigkeiten unseres Auges. Das auf der Netzhaut abgebildete „Bild der Umwelt" wird in einer sehr aufwendigen und komplizierten Form weiterverarbeitet. Über die Sehnerven werden die von der Netzhaut registrierten Daten an das „erste optische Zentrum“ im Zwischenhirn weitergeleitet, wo dann nur noch einige 100.000 Fasern für die nun fällige Datenübermittlung zur Verfügung stehen. Von der ursprünglichen Informationsmenge gelangen folglich nur wenige Prozent überhaupt bis ins Gehirn. Alle Informationen, die diese Konzentration und Verdichtung durchlaufen haben, erreichen dann die „Sehrinde" im Großhirn, wo Milliarden von Nervenzellen für die abschließende Informationsaufbereitung zur Verfügung stehen. In der Großhirnrinde liegen neben dem Sehzen­ trum mehrere weitere „Zentren". In einem davon werden – auch in Abhängigkeit von den Informa­ tionen des gesamten Sehapparates – die Bewe­ gungen der einzelnen Körperteile veranlagt und gesteuert. Hintere Kammer Regenbogenhaut Vordere Kammer Pupille Hornhaut Linse Wie die Bilder im Kopf entstehen So vollbringt das Auge seine phänomenalen Leistungen: 1. E infallende Lichtstrahlen werden über die Hornhaut aufgenommen. 2. D urch die Pupille, eine Öffnung, deren Größe durch die Iris (Regenbogenhaut) verändert werden kann, wird die Menge des einfallenden Lichtes geregelt. 3. D ieses Licht wird durch die Linse weiter gebündelt 4. u nd trifft schließlich auf die Netzhaut. 5. D ort sitzen Rezeptoren für das Tag- und Nachtsehen, die Zäpfchen und die Stäbchen. 6. H ier wird das Licht umgewandelt, weiterverarbeitet und über den Sehnerv und die Sehbahnen ins Gehirn weitergeleitet. 7. A us der Kombination der Sinneseindrücke beider Augen entsteht dann das räumliche Bild. 2 ADACsignale Lederhaut Aderhaut Netzhaut Glaskörper Gelber Fleck Blinder Fleck Sehnerv Linsenbänder Ziliarmuskel Bindehaut Muskeln des Augapfels Dadurch werden optische Verzerrungen verhindert und ein optimales Verhältnis zwischen größter Tiefenschärfe und größter Lichtempfindlichkeit hergestellt. Die Anpassungsgeschwindigkeit der Pupille ist unterschiedlich groß. Die maximale Kontraktion bei einem Wechsel von dunkel nach hell dauert ca. 5 Sekunden, die maximale Erweiterung bei einem Wechsel von hell nach dunkel bis zu 5 Minuten. „Ich schau dir in die Augen, Kleines!“ Schon in der Antike galten große Pupillen als ansprechend, sympathisch und erotisch. Mit Augentropfen versuchten Römerinnen, ihre Pupillen zu vergrößern, um noch attraktiver zu erscheinen. Auch Gemütsbewegungen wie Angst, Ärger oder Freude können für eine Vergrößerung der Pupille verantwortlich sein. Besonders enge Pupillen können zum Beispiel auch einem Polizisten Hinweise auf einen möglichen Heroinkonsum geben, auffällig weite Pupillen können dagegen ein Indiz für z. B. Kokain- oder Ecstasy-Konsum sein. Die Linse Die „optische Qualität" der Linse ist nicht besonders gut. Sie besteht aus mehreren dünnen Lagen eines kristallartigen Gewebes. Die Aufgabe der Linse ist es, Gegenstände auf dem Augenhintergrund (Netzhaut) scharf abzubilden. Die Scharfstellung wird dadurch erreicht, dass die Linse dicker und dünner wird und dabei ihre Brennweite verändert. Dies geschieht durch Muskeln, die an einer dünnen Membran ansetzen, welche die Linse umgibt. Wie alle lebenden Zellen braucht auch die Linse eine ständige Versorgung mit Nährstoffen. Im Gegensatz zu anderen lebenden Organismen, deren Versorgung über den Blutkreislauf erreicht wird, würden Blutgefäße, die durch die Linse „laufen“, die optische Qualität jedoch gewaltig verschlechtern. Die Pupille Dieses Organ kann sich in einem Bereich von 8 mm bis 2 mm im Durchmesser verändern. Im Zustand der stärksten Kontraktion lässt es dann nur noch 1/16 der Lichtmenge hindurch. Eine permanente Anpassung der Pupillenweite an herrschende Lichtverhältnisse erfolgt durch einen Regelkreis, die „Schaltzentrale“ ist im Mittelhirn. Die Pupillengröße ist abhängig von der einfallen­ den Lichtmenge. Dies schützt die Netzhaut vor zu hoher Lichteinstrahlung und eliminiert die Randstrahlung, was zu einer Erhöhung der Schärfentiefe führt. Deshalb ist die Linse zur Versorgung mit Nährstoffen auf die sie umgebende Flüssigkeit angewiesen. Die inneren Schichten der Linse werden dabei auf Dauer nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt und sterben im Verlauf des Lebens allmählich ab. Wenn der Organismus alt wird, stören diese abgestorbenen Zellen die Linsenfunktion. So ergibt sich z. B. eine erhöhte Blendung durch Streulicht, welches an den abgestorbenen Schichten entsteht. Augenbewegungen Pro Sekunde führt das Auge etwa 4 bis 5 Blicksprünge (Saccaden) durch. So löst z. B. eine Bewe- FAKTEN UND HINTERGRÜNDE gung in den Randgebieten des Blickfeldes häufig eine unbeabsichtigte (automatische) Saccade in Richtung auf den Ausgangspunkt der Bewegung aus. Damit geraten periphere Objekte in die Mitte des Gesichtsfeldes. Dieser mittlere Teil des Gesichtsfeldes gewährleistet die größte Feinauflösung, da hier auch die größte Dichte an Nervenzellen auf der Netzhaut vorliegt. In der Regel sind die Augenbewegungen jedoch das Ergebnis einer systematischen Prüfung der Umweltfaktoren und ihrer sinnvollen Interpretation. Die Folgen dieses begrenzten Zusammenspiels zwischen Auge und Gehirn sind vielfältig. Im Schilderwald mancher Straßen ist man überfordert – mehr als 3 Schilder pro Sekunde kann man nicht erkennen. Wenn diese dann auch noch „beschriftet“ sind, wird es noch schwieriger. Fast schon unmöglich ist es, gleichzeitig zwei Radfahrer, den scharf abbremsenden Vordermann und vielleicht noch den Querverkehr im Auge zu haben – das geht nicht. Mit zunehmender Verkehrsdichte werden diese Schwierigkeiten immer häufiger und größer. Das Auge in Zahlen Manchmal fällt der Mensch auch auf optische Täuschungen herein. Er lässt sich zum Beispiel durch die Breite der Straße in die Irre führen und realisiert nicht, dass die schmalere Querstraße vorfahrtsberechtigt ist. Auch bei abknickenden Vorfahrtsstraßen kann man leicht aufgrund der baulichen Gegebenheiten optischen Täuschungen unterliegen und somit die Straßenführung nicht richtig wahrnehmen. Durchmesser ca. 2,3 cm bei einem Erwachsenen und ca. 1,7 cm bei einem Kind. ● Die Produktion der Tränenflüssigkeit beginnt in der 3. Lebenswoche. Bei Erwachsenen werden 38 mg/Stunde und bei Kindern 84 mg/Stunde ausgeschieden. ● Der Sehnerv, der die Bildinformationen zum Gehirn weiterleitet, ist ca. 1 mm dick und hat etwa 1 Millionen Fasern. ● Im Bereich des schärfsten Sehens auf der Netzhaut (Fovea) befinden sich 147.000 Zapfen pro Quadratmillimeter. ● Im weißen Bereich, der sog. Lederhaut, ist die Augenwand 0,3 – 1,35 mm dick. Die Hornhautdicke beträgt in der Regel ca. 0,5 – 0,6 mm. Interessant, was das menschliche Hirn so alles leistet! Versuchen Sie einmal, den anschließenden Artikel fließend zu lesen: Ncah eneir Sutide der Cmabridge Uinervtistät, ist es eagl in wlehcer Riehenfloge die Bcuhstbaen in eneim Wrot sethen, huaptschae der esrte und ltzete Bcuhstbae snid an der rhcitgien Setlle. Der Rset knan ttoaels Druchenianedr sien und man knan es torztedm onhe Porbelme lseen, wiel das mneschilhce Gherin nhcit jdeen Bcuhstbaen enizlen leist, snodren das Wrot als Gnazes. Die Wahrnehmung: Der Kopf entscheidet Das eigentliche Sehen geschieht im Gehirn, wo die optischen Informationen, die das Auge liefert, zu einem Bild zusammengefasst werden. Dies nennt man visuelle Wahrnehmung. Allerdings sieht das Auge viel mehr, als das Gehirn verarbeiten kann. Deshalb beschränkt sich der Kopf auf das Wesentliche. Das muss er auch. Denn mehr als 3 Informationen pro Sekunde kann die oberste Schaltstelle nicht im Detail erkennen. Das liegt daran, dass man nur dann etwas genau wahrnehmen kann, wenn man ihm den Blick zugewandt hat. Denn nur im zentralen Blickfeld, in der Mitte des Auges, sieht man scharf. langes Spielen oder Arbeiten am Bildschirm oder auch das zu nahe vor dem Fernseher Sitzen können das Auge ermüden und zusätzlich negativ beeinträchtigen. In Deutschland brauchen 64 % der über 16-Jährigen eine Augenkorrektur. Die Zahl der Brillen­ träger ist seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen kontinuierlich gestiegen, besonders in der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Übrigens: Je schlechter man sieht, umso eher wird man Opfer optischer Täuschungen. Probleme mit der Wahrnehmung gibt es auch, wenn unser Gehirn nicht fit ist, zum Beispiel durch Stress oder Alkohol, Medikamente und Drogen. Schlechte Augen: Kinder sind besonders gefährdet Rund 18 Prozent der deutschen Kinder leiden bereits im Kindergartenalter an unentdeckten Sehschwächen. Bleibt ein Sehfehler unkorrigiert, sind die Kinder dauerhaft in ihrer Entwicklung gehemmt. Wiederholte Vorsorgeuntersuchungen sind daher dringend notwendig, da normalerweise der letzte Test im Alter von fünf Jahren vor der Einschulung stattfindet und dann bis zum Sehtest für den Führerschein nichts mehr passiert. Eltern wissen oft nicht, dass das Sehvermögen einen großen Einfluss auf den Lernerfolg der Kinder hat. Schlecht sehende Kinder können Buchstaben und Zahlen nicht richtig erkennen, geben sie falsch wieder oder verwechseln sie. Das Sehen ist für diese Kinder sehr anstrengend, sie ermüden schnell und können sich weniger konzentrieren. Auch auf dem Schulweg machen sich Sehstörungen bemerkbar. Kinder mit schlechten Augen haben noch größere Probleme, Entfernungen richtig einzuschätzen und Verkehrssituationen richtig zu erfassen. Ihr Unfallrisiko erhöht sich dadurch noch mehr. Beeinträchtigungen der visuellen Wahr­ nehmung und Korrekturmöglichkeiten Das Auge ist zwar ein Wunderwerk, aber selten perfekt. Schuld daran sind fast immer genetische Einflüsse. Lesen bei schlechtem Licht, stunden- Typische Sehschwächen Ein zu langer Augapfel hat „Kurzsichtigkeit" (Myopie) zur Folge. In Europa ist rund ein Viertel bis ein Drittel der Gesamtbevölkerung kurzsichtig. Myopie resultiert daraus, dass die Lichtstrahlen der wahrgenommenen Umwelt sich bereits vor der Retina (Netzhaut) vereinigen und somit insbesondere Objekte in der Ferne nicht scharf abbilden können. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen spielt die Kurzsichtigkeit im Hinblick auf eine sichere Verkehrsteilnahme eine große Rolle: Die Betroffenen sind selbst kaum oder nicht in der Lage, ihre Fehlsichtigkeit zu erkennen. Eine Vergleichsmöglichkeit fehlt ihnen. Gerade bei den im Straßenverkehr notwendigen Reaktionen kommt es im Vergleich zu Normalsichtigen zu ganz erheblichen zeitlichen Verzögerungen, die bis zu mehreren Sekunden betragen können. Bei einem zu kurzen Augapfel spricht man von Weitsichtigkeit (Hyperopie). Die Lichtstrahlen fokussieren erst hinter der Netz- ADACsignale 3 FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Umweltfaktoren (Witterung, Straßen, Fahrzeuge) Die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit wird auch in starkem Maße von Faktoren bestimmt, die unabhängig vom Menschen bzw. als nicht von ihm beeinflussbar zu sehen sind. So beeinträchtigen z. B. schlechtes Wetter, Dämmerung, Dunkelheit und Nebel die Sicht. Unter diesen Bedingungen führt verstärkt auftretendes Streulicht zur Blendung und hat unterschiedliche Reflexionen zur Folge. haut und ein unscharfer Seheindruck auf die Nähe ist die Folge. Die altersbedingte Weitsichtigkeit kommt u. a. dadurch zustande, dass die Augenlinse ihre Elastizität einbüßt und nicht mehr die starke Oberflächenkrümmung zulässt, die eine scharfe Abbildung erfordert. Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) Eine weitere anlagebedingte Sehschwäche ist der Astigmatismus, der unabhängig von Kurz- oder Weitsichtigkeit auftreten kann. Bei dieser Sehschwäche werden punktförmige Gegenstände länglich verzerrt abgebildet. Schielen Im Kindes- und Jugendalter können Schielstellungen der Augen ein besonderes Problem sein. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung sieht ein schielendes Kind nicht ständig doppelte Bilder, weil das „defekte" Auge quasi vom Gehirn „abgeschaltet" wird. Ohne eine frühzeitige Behandlung, die schon im Kleinkindalter einsetzen muss, wird deshalb die Funktion des nicht behandelten Schielauges immer schlechter, bis man letztlich von einer „Blindheit" auf diesem Auge sprechen kann. Krankheiten: Grauer Star Eine weitere Sichteinschränkung stellen Kurven, Kuppen und Bebauungen dar. Diesen aufgeführten Beeinträchtigungsfaktoren kann teilweise mit verkehrstechnischen Lösungen begegnet werden. Mit einer einwandfreien optischen Linienführung im Straßenraum, mit entsprechenden Bepflanzungen, Leitpfosten und Markierungen kann die Sichtein- schränkung in Kurven oder bei Kuppen vermindert werden. Auch spielen Signalfarben, Reflexmaterial, Sicherheitskleidung und die richtige Beleuchtung von Fahrzeug und Straße eine wichtige Rolle, um witterungsbedingten Einflüssen und Dunkelheit zu begegnen. Aber auch die Sicht aus dem Fahrzeug führt zu Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit. So reduzieren verschmutzte Autoscheiben oder Brillengläser die Sehweite und führen durch vermehrtes Streulicht zur Blendung. Im Extremfall können auch optische Täuschungen und Doppelbilder die Folgen der mangelnden „klaren" Sicht sein. Weitere Störfaktoren sind Karosserieteile, die eine Rundumsicht einschränken. Auch falsch eingestellte Beleuchtung anderer Kfz führt zu Blendungen. Die dunkle Jahreszeit in der Unfallstatistik Anhaltende Dunkelheit und schlechte Witterungsbedingungen führen im Herbst und im Winter zu höheren Risiken im Straßenverkehr. Das Unfallrisiko ist in der dunklen Jahreszeit besonders hoch, denn es ereignen sich nachweislich mehr Unfälle mit Verletzten und Getöteten. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes ereignen sich circa 40 Prozent aller Verkehrsunfälle bei Nacht, obwohl der Anteil der Nachtfahrten lediglich 20 Prozent der Gesamtfahrleistung beträgt. Das Risiko, in einen nächtlichen Verkehrsunfall verwickelt zu werden, ist annähernd 3-mal so hoch. Kollisionen von Fahrzeugen mit Fußgängern ereignen sich innerorts zu 60 % während der Dämmerung und Dunkelheit morgens und abends. Dies sind genau die Zeiten, zu denen die meisten Menschen unterwegs sind, die Kinder auf dem Schul- weg und die Berufstätigen auf dem Weg zu und von der Arbeit nach Hause. Rund ein Drittel aller Straßenverkehrsunfälle, welche die Schülerunfallversicherungen jährlich dokumentieren, ereigneten sich in der Zeit zwischen 7 und 8 Uhr. Faktoren, die das Unfallrisiko erhöhen, sind der Berufsverkehr – insbesondere in der Morgendämmerung –, aber auch die Dunkelheit am späteren Nachmittag sowie bei schlechten Witterungsbedingungen. Interessant ist auch, dass das Unfallrisiko zu Wochenbeginn und -ende ansteigt. Sichtbar werden Um Gefahren zu vermeiden, sollte man darauf achten, im Straßenverkehr gut sichtbar zu sein. In der Dunkelheit sind besonders für Kinder Entfernungen schwerer einschätzbar. Grüner Star Entgegen landläufiger Meinung sind auch helle Farben in der Dunkelheit nicht wesentlich besser erkennbar (ca. 40 m) als dunkle. Deshalb sollte man zusätzlich die Kleidung mit Lichtreflektoren ausstatten bzw. Kleidung wählen, in die Reflexmaterial eingearbeitet ist. Reflektierende Spezialkleidung leuchtet im Scheinwerferlicht eines Autos bis zu 150 Meter weit. Personen ohne entsprechende Kleidung werden im Lichtkegel hingegen erst ab 25 Metern Entfernung sichtbar. Der grüne Star (Glaukom) ist eine heimtückische Erkrankung. Das Risiko einer Erkrankung steigt bereits mit dem 40. Lebensjahr. Es kommt zur allmählichen Schädigung der Netzhaut und schließlich zur Zerstörung des Sehnervs und schlimmstenfalls zur Erblindung. Bei einer nächtlichen Panne kann das Gesehenwerden lebensrettend sein. Deshalb sollte immer eine Warnweste im Fahrzeug mitgeführt werden. Pflicht ist diese schon in vielen Ländern, in Deutschland nur für den gewerblichen Verkehr. Beim Grauen Star (Katarakt) handelt es sich um eine Eintrübung der normalerweise klaren Augenlinse. Diese führt zu einem langsamen, schmerzlosen Sehverlust. Der Graue Star tritt überwiegend im Alter auf, kann aber auch angeboren sein. Mit Laserbehandlungen werden sehr gute Erfolge erzielt. 4 ADACsignale FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Hell und Grell Am besten ist, wenn die gesamte Kleidung (Mütze, Jacke, Hose, Schultasche) ausreichend rund herum mit Reflektoren bestückt ist (europäische Norm 13356). Spielerisch lernen Damit kleinere Kinder begreifen, warum reflektierende Kleidung so wichtig ist, kann man ihnen demonstrieren, was ein Autofahrer im Dunkeln sehen bzw. nicht sehen kann. Die Mutter, der Vater oder Geschwister können sich an den Bordstein mit jeweils unterschiedlicher – dunkler, heller und reflektierender – Kleidung stellen. Das Kind kann mit dem Vater oder der Mutter im Auto versuchen, die am Bordstein stehende Person zu sehen. Reflektoren: Leuchtende Leibwächter Besonders effektiv ist das sog. retroreflektierende Material, dies bedeutet, dass das Licht in die gleiche Richtung zurückgeworfen wird, aus der es kommt. Katzenaugen oder herkömmliche Speichenreflektoren funktionieren nicht nach diesem Prinzip, es handelt sich hierbei um einen Tripelspiegel, der aus drei zueinander senkrechten, ebenen Spiegelflächen besteht. Diese Reflexmaterialien sind im Handel erhältlich: ● Reflektorstreifen zum Aufkleben, Aufnähen oder Aufbügeln ● reflektierende Sicherheitsweste ● Reflektorbänder zum Befestigen an Beinen und Armen (mit Klettverschluss, Schnalle oder selbst schließend) ● Reflektoren zum Aufkleben, z. B. für Fahrradhelme oder Schultaschen (die Schulranzennorm DIN 58124 schreibt 10 % retroreflektierendes und 20 % fluoreszierendes Material vor) ● reflektierende Folien, zum Zuschneiden und Aufkleben ● Reflektoranhänger, Blinkreflektoren Reflektierende Kleidung ersetzt nicht richtiges, vorausschauendes Verhalten: Kinder müssen daher lernen, stark befahrene Straßen immer nur an einer gut beleuchteten Stelle und wenn möglich nicht hinter einem parkenden Fahrzeug zu überqueren. Achtung bei Fahrzeugen, die von rechts kommen: Bei spärlicher Beleuchtung ist der linke Das auffälligste Signal wird durch Speichenclips erreicht, die als Ersatz für die Straßenrand von den gelben Katzenaugen nach StVZO zugelassen sind Autofahrern schlechter zu sehen. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist eine zusätzAuch für Fußgänger/Jogger/Hunde etc. sind Reflekliche Batteriebeleuchtung (mit sparsamen LED) toren oder eine Batteriebeleuchtung sinnvoll. sinnvoll, damit man auch im Stand wie z. B. beim Warten an der Ampel für alle anderen VerkehrsteilMit dem Fahrrad unterwegs nehmer sichtbar ist. Achtung: Eine BatterieIst man mit dem Fahrrad unterwegs, muss man beleuchtung ersetzt die dynamobetriebene regelmäßig die Funktionalität der Vorder- und Beleuchtung am Fahrrad nicht! Rücklichter überprüfen. Mittlerweile gibt es sehr gute, witterungsunabhängige Nabendynamos und StVZO § 67 sparsame und sehr helle LED Leuchten. Speichen1. Fahrräder dürfen zusätzlich mit einem Standreflektoren, reflektierende Reifen sowie Katzenaulicht für die Rückleuchte ausgestattet werden gen dienen zusätzlich als Helfer. (Standlicht wird durch Batterie oder Kondensator versorgt). Bei Fahrrädern sind diverse Reflektoren vorge2. Eine batteriebetriebene, ansteckbare Lichtanlage schrieben. Zur Ausstattung gehören: ohne Dynamo ist – wie bisher – erlaubt für ● je zwei gelbe Reflektoren (ein nach vorn, ein Rennräder bis zu einem Gewicht von 11 kg und nach hinten gerichteter) pro Pedal zukünftig auch für Mountain-Bikes bis zu einem ● zwei gelbe Speichenreflektoren pro Rad (alterGewicht von 13 kg. nativ reflektierende weiße Streifen an den Rei3. Lichtanlagen mit einer Leistung von 6 W und fen oder Speichen-Clips) einer Spannung von 12 V dürfen zusätzlich zu ● ein roter Großflächen-Rückstrahler der standardmäßigen dynamobetriebenen ● ein großer weißer Frontreflektor Beleuchtung verwendet werden. ● weiße Front- und rote Heckreflektoren (können 4. Es ist ein Standlicht für den Scheinwerfer in die Beleuchtung integriert sein) erlaubt. Wie hell ist eigentlich...? Hell oder dunkel – das ist eine subjektive Empfindung – oder nicht? Physiker haben dafür eine objektive Entsprechung, die Lichtstärke mit der Einheit „Lux“: Beispiele: Diffuse Reflexion Spiegelnde Reflexion Retroreflexion Diffuse Reflexion tritt dann auf, wenn die Oberfläche rau ist (in Bezug auf die Wellenlänge des Lichts). Es ist hier keine Raumrichtung bei der Reflexion bevorzugt. Bei der spiegelnden Reflexion gilt das Gesetz: Die Größe des Einfallwinkels ist gleich der des Ausfallwinkels. Bei der Retroreflexion gehen die Strahlen in die Richtung zurück, aus der sie gekommen sind. ● Heller Sonnentag: 100.000 Lux ● Schatten im Sommer: 10.000 Lux ● Bürobeleuchtung: 750 Lux ● Autoscheinwerfer in 25 m Entfernung: 15 Lux ● Kerze in einem Meter Entfernung: 0,25 Lux Gemessen wird mit einem Luxmeter. Die Beleuchtungsstärke hängt von der Distanz der Lichtquelle ab und nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. ADACsignale 5 FAKTEN UND HINTERGRÜNDE Psyche und Wahrnehmung Es leuchtet ein, dass für ein sicheres Verhalten — besonders im Straßenverkehr – ausschlaggebend ist, ob und wie viele Objekte aus der Umwelt wahrgenommen, kurzzeitig gemerkt und auch wieder aus dem Gedächtnis abgerufen worden können. Unter normalen Bedingungen reicht die sehr große, aber letztlich begrenzte Informationsverarbeitungs­ kapazität des Gehirns aus, um alle wichtigen Infor­ mationen auszuwählen, zu verarbeiten und eine richtige Reaktion zu veranlassen. zen und nehmen an, dass, wenn sie selbst das Auto sehen können, der Fahrer sie auch erkennt. Kinder können Entfernungen noch nicht konkret einschät­ zen. Erst viel später lernen sie, Geschwindigkeiten wahrzunehmen und sicher einzuschätzen. Ab 7 Jahren sind Kinder in der Lage, anhand von Fahrzeugmodellen (Lkw, Sportwagen, Traktor...) die unterschiedliche Schnelligkeit von Fahrzeugen zu schätzen. Jüngere Kinder schätzen fast alle Autos schneller ein als z. B. Motorräder, und auch laute Autos werden schneller eingeschätzt als leise. Hier nun einige der wichtigsten Beeinträchtigungen des Sehens und der Wahrnehmung durch Alkohol im Überblick: ● Verminderung der Sehschärfe ● Absinken der Tiefensehschärfe ● Nachlassen der Rotempfindlichkeit ● Einengung des Blickfeldes (sog. „Tunnelblick") ● Erhöhung der Blendempfindlichkeit bei Nacht ● Beeinträchtigung des Entfernungsschätzens ● Entstehung von Doppelbildern ● Verlängerung der Informationsverarbeitung Müdigkeit Sekundenschlaf „Blind vor Wut“ Es ist jedoch seit langem bekannt, dass auch emo­ tionale und motivationale Faktoren das Volumen des Informationshaushaltes beeinflussen und ganz drastisch reduzieren können. Angst, Ärger, Stress, aber auch euphorische Stimmungen beeinträchti­ gen die Wahrnehmung. Dabei bleibt natürlich die Funktionsfähigkeit der Sinnesorgane für sich allein betrachtet unverändert erhalten. Das Gehirn muss jedoch einen oft erheblichen Teil seiner Leistungs­ fähigkeit zur gleichzeitigen „Verarbeitung" der Emotionen abzweigen. Man spricht nicht ohne Grund davon, dass jemand „blind vor Wut" ist, oft genug leider auch im Straßenverkehr. Es darf auch nicht verwundern, dass beispielsweise ein Schul­ kind mit einer schlechten Note im Schulranzen oder nach Streitigkeiten mit Klassenkameraden zum unaufmerksamen und somit unsicheren Ver­ kehrsteilnehmer wird. Ein Kind ist erst mit 8 Jahren fähig, eine Beziehung zwischen zurückgelegter Strecke und dafür benötig­ ter Zeit herzustellen. Kinder sehen von der Seite kommende Fahrzeuge viel später als Erwachsene, und zwar aufgrund der Einschränkung des so genannten „nutzbaren Sehfeldes" – es ist bei Kin­ dern ca. 1/3 kleiner als das der Erwachsenen – und der geringeren Körperhöhe. Eine zuverlässige Links-Rechts-Wahrnehmung kann auch von 8-Jährigen noch nicht verlangt werden. Zwar wissen fast alle Kinder, dass sie vor dem Betreten der Straße nach links und rechts schauen müssen, aber nur ca. die Hälfte ist in der Lage, bei Aufforderung nach „links" zu schauen. Vorschulkinder sehen die Bezeichnung links/rechts noch als Merkmal der Umgebung an und nicht als relative Beziehungen zur eigenen Person. Müdigkeit lässt sich nicht bezwingen, weder durch Ignorieren noch durch Zeigen von Willensstärke. Viele Autofahrer bemerken nicht, dass sie eigent­ lich bereits zu müde sind, um weiterzufahren. Laut Untersuchungen sind es 15 %, das ist mehr als jeder Siebte! Wenn beim Autofahren ungewollt die Augen zufal­ len, wenn man plötzlich erschrickt, weil man nicht mehr auf den Verkehr geachtet hat – dann bedeu­ tet dies Alarmstufe Rot und es ist höchste Zeit, nicht mehr weiterzufahren bzw. eine Pause zu machen. „Schlechte Beifahrer“ Wahrnehmung bei Kindern Physiologische und psychologische Besonderheiten der kindlichen Wahrnehmung stehen in engem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. So sind die Sinnesfunktionen bis zu einem Alter von 7 Jah­ ren noch unvollständig ausgebildet, und die Wahr­ nehmung wird stark durch Vorstellungen und Gefühle geleitet. Die Kinder haben noch eine „lange Leitung“, da sie für Reaktionen die fast 2,5fache Zeit eines Erwachsenen benötigen. In sehr starkem Maße werden Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Reaktion von Alko­ hol, Medikamenten und Drogen beeinträchtigt. Hinsichtlich der Medikamente sind für den aktiven Verkehrsteilnehmer vor allem Schlaf-, Beruhi­ gungs- und Aufputschmittel gefährlich, da sie Ein­ fluss auf die vegetativen Funktionen ausüben und somit u. a. die Aufmerksamkeit und die Reaktions­ fähigkeit beeinträchtigen. Gesellt sich zur Arznei­ mitteleinnahme noch Alkohol, kommt es zu äußerst gefährlichen Wechselwirkungen. Helligkeit und Farbe: Die Unterscheidungsfähig­ keit ist bis 5 Jahre gut entwickelt, auch, wenn die Benennung der Farben noch Schwierigkeiten macht. Das heißt, dass das Erkennen der AmpelFarben meist kein Problem bereitet. Die egozentrische Raumwahrnehmung stellt für Kinder im Straßenverkehr die größte Beeinträchti­ gung dar. Denn bis etwa 7-8 Jahre können sie sich nicht in andere Verkehrsteilnehmer hineinverset­ 6 ADACsignale Auch der Faktor „Restalkohol" wird oft unter­ schätzt. Nicht jeder weiß, dass in einem gesunden Körper nur durchschnittlich 0,1 Promille Blutalko­ hol pro Stunde abgebaut werden und weder Schlaf noch sogenannte „Nüchternmacher" diesen Abbau beschleunigen können. Anzeichen der Müdigkeit sind u. a.: ● Die Augen schließen sich unwillkürlich für einen Moment oder man beginnt zu blinzeln und unscharf zu sehen. ● Die Augen brennen, die Lider werden schwer und man hat häufig das Bedürfnis, sich die Augen zu reiben. ● Man fröstelt, obwohl sich die Temperatur nicht geändert hat. ● Man gähnt oft, das Gähnen kann nicht unter­ drückt werden. ● Man kann sich nur schwer konzentrieren. TIPPS FÜR DIE PRAXIS „Solange ich die Augen offen halten kann, schlafe ich nicht ein“ Das stimmt nicht! Entscheidend ist die Hirnaktivität, nicht die Augen. Auch wenn die Augen geöffnet sind, kann das Gehirn in eine Art Schlafzustand übergehen, den die Experten als Mikroschlaf bezeichnen. Dann werden visuelle Reize nur noch extrem verlangsamt oder überhaupt nicht mehr bewusst verarbeitet. Taucht dann plötzlich ein Hindernis auf, eine Baustelle oder das Ende eines Staus, erkennt man dies nicht rechtzeitig – und bremst zu spät oder gar nicht. „Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit" - ein Thema für jede Klasse Wahrnehmung ist laut Brockhaus „ein psychophysischer Prozess, in dessen Verlauf ein Organismus aufgrund von physikalischen und chemischen Reizen, vermittelt durch seine Sinnesorgane und aufbereitet nach speziellen Gesetzmäßigkeiten, eine anschauliche Repräsentation der Umwelt und des eigenen Körpers herstellt". Die Wissenschaften haben sich mit allen möglichen Aspekten dieses Prozesses beschäftigt. Für die schulische Verkehrserziehung bedeutsam ist eine Erkenntnis: Die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen steht in enger Verbindung mit seinem körperlichen und geistigen Entwicklungsstand und dem Umfang seiner individuellen Erfahrungen. Damit ist auch der Ansatz für entsprechende Wissensvermittlung und kontinuierliche Schulung gegeben. Das Thema in seiner Vielfalt ist für alle Jahrgangsstufen und Fächer interessant und wichtig. Im Wesentlichen geht es darum, die Wahrnehmungsund Reaktionsfähigkeit der Schüler zu entwickeln sowie verkehrsgerechte und vorausschauende Verhaltensweisen einzuüben. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Schwerpunkte auf dem Sehen und Gesehenwerden sowie den psychischen und physischen Voraussetzungen und ihrem Einfluss auf das menschliche Verhalten liegen. Da ein intakter Sehapparat die Basis für die erfolgreiche Schulung der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit ist, müssen Eltern und Pädagogen beobachtend tätig werden und in regelmäßigen Abständen Sehtests durchführen, um Sehfehler möglichst frühzeitig zu erkennen. Ein Schnelltest mit Landolt-Ringen steht zum Download unter: http://www.adac.de/Verkehr/Verkehrserziehung/Medien/ADAC_Signale In der Grundschule Pupillometrie Mit dem Pupillometer wird die maximale Größe und die Beweglichkeit der Pupille des Auges gemessen. Da die Pupille sich bei Dunkelheit weitet, um mehr Licht aufnehmen zu können, wird die Untersuchung in einem dunklen Raum durchgeführt. Nachdem sich die Augen des Patienten einige Minuten an die Dunkelheit angepasst haben, erfolgt die Messung selbst innerhalb weniger Sekunden. Da die Pupillengröße entscheidend für die Qualität des Nachtsehens ist, gibt diese Messung dem Augenarzt Hinweise darüber, woher eine eventuelle Nachtsehschwäche kommt. Die Pupille gilt auch als das Fenster zur Seele. Starke Gefühle, Erregungen oder Gefühlsregungen führen zu einer Erweiterung der Pupille. Die objektive Messung der Pupillenreaktion wird zum Parameter der vegetativen Erregung. Mithilfe eines neuen biometrischen Verfahrens lassen sich kognitive Prozesse und Reaktionen von Konsumenten und Mediennutzern objektiv untersuchen. Man kann so erkennen, welche Sequenz eines Filmes, einer Sendung oder eines Werbespots wie viel Aufmerksamkeit beim Betrachter erregt. Das so genannte Eyetracking misst, wohin ein Betrachter schaut und welche Objekte in seinem Blickfeld liegen. Kinder in dieser Altersklasse sind immer noch sehr Ich-bezogen und müssen erst kontinuierlich lernen, sich in andere Personen und Situationen hineinzuversetzen. Wichtige Aspekte der Wahrnehmungsschulung müssen daher sein: ➢ Wahrnehmung von Farben, Formen und Größen ➢ Übungen zur Geschwindigkeits- und Entfernungsschätzung ➢ Erkennen von optischen und akustischen Signalen ➢ Funktionstraining (Sehen und Reagieren) ➢ Sehen und gesehen werden (Sichthindernisse, Blickkontakt, Sicherheitskleidung, Reflexmaterial, „Toter Winkel”) ➢ 3 A Training für die kleinen Fußgänger (Abschätzen von Alter, Aufmerksamkeit und Absicht) In den Klassen 5-10 anderer Schularten Nach dem Grundlagenerwerb zur visuellen Wahrnehmung in den ersten 4 Schuljahren stehen nun andere Themen im Vordergrund: ➢ Training im Erkennen und Einschätzen von Gefahren ➢ Reduzierung der Risikobereitschaft ➢ 3-A-Training aus der Sicht des Fahrrad- und Mofafahrers ➢ Einüben von partnerschaftlichem Verhalten im Straßenverkehr Anknüpfungsmöglichkeiten in verschiedenen Fächern Biologie: Bei der Behandlung der Sinnes- und Nervenfunktionen lassen sich vielfältige Bezüge herstellen: ➢ Beeinflussbarkeit der Reizaufnahme durch die Sinnesorgane ➢ Sehbeeinträchtigungen und ihre Folgen im Straßenverkehr ➢ Informationsverarbeitung im Gehirn ADACsignale 7 TIPPS FÜR DIE PRAXIS ➢ Drogen, Medikamente und Alkohol als Risikofaktoren ➢ Verkehrsgerechte Körperverfassung ➢ Ernährung und Verdauung Besonders wichtige Aspekte können in der Optik durchgenommen werden: ➢ Reflexion und Brechung ➢ Streulicht (Sauberkeit von Scheiben, Helmvisier, Reflektoren, Spiegel) ➢ Katzenauge ➢ Lichtquellen (Farben, Schutzkleidung) ➢ Umkehrbarkeit des Strahlenganges, Blenden und Geblendet werden (Straßenbelag, Nässe, Scheinwerfereinstellung) ➢ Linsen (Sehhilfen, Sehschärfe, Sehtests) ➢ Der „Tote Winkel“ Geographie: ➢ Verkehrsplanung Mathematik: Interessante Ansätze gibt es hier bei der Behandlung des Funktionsbegriffes oder der linearen Funktionen: ➢ Teilstrecken des Überholweges und ihre Berechnung ➢ Zusammensetzung und Berechnung des Anhalteweges Die Schüler sollen noch stärker den Bezug sehen, dass zur richtigen Einschätzung von Geschwindigkeiten und Entfernungen ein intakter Sehapparat notwendig ist und erkennen, wie wichtig es ist, den notwendigen Sicherheits­abstand einzuhalten und keine riskanten Überholmanöver durchzuführen. Bei der Durchnahme von Prozent-/Promillerechnungen bietet sich zudem das Thema Alkohol an. Deutsch: In den Klassen 5 bis 6 kann anhand eines Unfallberichtes die besondere Bedeutung der Beobachtung behandelt werden. Erörterungen zu den Themen Risiko, Rücksicht, Alkohol und Drogen bieten sich in den höheren Jahrgangsstufen an. Kunsterziehung / Werken: Hier können Erlebnisse der Schüler, eigene Erfahrungen und Einsichten dargestellt werden. Über die Analyse von künstlerischen Objekten oder auch optischen Phänomenen können Verhaltensweisen beeinflusst und geändert werden. Mögliche Ansätze sind: ➢ Verfremdung von Verkehrszeichen ➢ Bedeutung von Piktogrammen ➢ Optische Täuschungen ➢ Kontrastfarben ➢ Licht- und Schattenphänomene In der gymnasialen Oberstufe Für die Altersgruppe, die größtenteils die Sehnsucht nach dem Führerschein bewegt, ist die Wahrnehmung aus der Sicht motorisierter Verkehrsteilnehmer sicher von besonderer Wichtigkeit. Biologie: Um den Umweltbezug des Menschen darzustellen, eignen sich aus verkehrs­ pädagogischer Sicht z. B. folgende Themen ➢ Anatomische und physiologische Grundlagen des Verhaltens ➢ Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung, Reaktionsauslösung ➢ Steuerung und Koordination der Körpermotorik ➢ Einfluss von Alkohol, Drogen und Medikamenten 8 ADACsignale „Weil du die Augen offen hast, glaubst du, du siehst.“ J. W. v. Goethe Physik: Die individuelle Verkehrssicherheit ist immer abhängig auch von den physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Zur praktischen Bewältigung der vorgegebenen Naturgesetze können z. B. folgende Themen beitragen: ➢ Einfache lineare Bewegungen (Zeit-Ort-Funktion, Geschwindigkeit, Beschleunigung) ➢ Drehbewegungen starrer Körper (Dreh- und Trägheitsmoment, Rotationsenergie) ➢ Aktive und passive Sicherheit am Fahrzeug ➢ Vertiefende Behandlung der Themen „Licht“ und „Reflexion“ Aktivitäten Studien- oder Projekttage Die Themen sollen aus der unmittelbaren Erfahrungswelt der Schüler stammen. Gefragt sind z. B. handfeste Falluntersuchungen zu fahrphysikalischen und physiologischen Problemen oder zur Verbesserung insbesondere der optischen Ausgestaltung des gesamten Verkehrsraums. Film- und Videogruppen Diese Form des „learning by doing" fördert das Interesse der Schüler und die thematische Durchdringung in besonderer Weise. Die Chancen, damit auch Verhaltensänderungen zu bewirken, sind sehr groß. ADAC-Fahrsicherheitstraining für Auto- und Motorradfahrer Hierbei lernen die Kursteilnehmer in Theorie und Praxis das Verhalten und die Grenzen ihres Fahrzeugs in verschiedenen Situationen kennen. Sie üben Fahrtechniken, um im Ernstfall richtig und schnell zu reagieren. Sie erfahren, was moderne Fahrzeugtechnik bewirkt. Es werden Lenk- und Blicktechniken im Slalomparcours ebenso wie das richtige Bremsen und Ausweichen trainiert. Das Training steht jedem Führerschein-Inhaber offen. Weitere Auskünfte erteilen die Verkehrsabteilungen der ADAC-Regionalclubs und sind im Internet zu finden. Impressum ADACsignale Informationen und Tipps für die Schule Herausgegeben vom ADAC e.V., München Bereich Verkehrssicherheitsprogramme (VSP) Verantwortlich: Beate Pappritz, Leiterin VSP Redaktion: Beate Pappritz, Renate Rössle-Ståhl Beratung: Dr. Ursula Kreusel (VME) Am Westpark 8, 81373 München, Tel: (089) 76 76 24 73 Fax: (089) 76 00 208 E-Mail: [email protected] www.adac.de/verkehr/verkehrserziehung Fotos/Graphiken: ADAC, Willy Ewert, globuspress, Max Liebermann, 3 M Nachdruck und Kopien mit Quellenangabe gestattet. Ausgabe 31, Juli 2008 2833493/07.08/30' Physik: