1.2 Rechtssubjekt und R echtsobjekt Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen Geschäftsunfähigkeit Geschäftsunfähig ist (§ 104 BGB), ■ wer das 7. Lebensjahr nicht vollendet hat. ■ wer sich in einem dauernden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Geburt Beschränkte Geschäftsfähigkeit Beschränkt geschäftsfähig ist, ■ wer als Minderjähriger das 7. Lebensjahr vollendet hat (§ 106 BGB). Vollendung 7. Lebensjahr GESCHÄFTSUNFÄHIGKEIT ■ Willenserklärungen sind nichtig (§ 105 BGB). Anstelle des Geschäftsunfähigen muss sein gesetzlicher Vertreter (Eltern, Vormund) handeln. Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit ■ Unbeschränkt geschäftsfähig ist jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 BGB). Vollendung 18. Lebensjahr BESCHRÄNKTE GESCHÄFTSFÄHIGKEIT ■ Willenserklärungen bedürfen grund- sätzlich der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). –– Einseitige Rechtsgeschäfte sind ohne schriftliche Einwilligung nichtig (§ 111 BGB). –– Zweiseitige Rechtsgeschäfte ohne Einwilligung sind schwebend unwirksam. Mit Erklärung der Genehmigung gilt das Rechtsgeschäft als von Anfang an wirksam, bei Verweigerung als nichtig (§ 108 BGB). Tod UNBESCHRÄNKTE GESCHÄFTSFÄHIGKEIT ■ Willenserklärungen sind unabhängig von ihrer Tragweite uneingeschränkt rechtswirksam. Rechtswirksame Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger Nicht zustimmungsbedürftige Willenserklärungen Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kann der beschränkt Geschäftsfähige rechtswirksam ■ Willenserklärungen abgeben, durch die er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (§ 107 BGB), ■ Verträge abschließen, die er mit Mitteln erfüllen kann, die ihm für den Abschluss solcher Verträge oder zur freien Verfügung überlassen worden sind (§ 110 BGB, sogenannter „Taschengeldparagraf“). Beispiele: ■ Ein 12-jähriger Jugendlicher erhält von seiner Tante ein Fahrrad geschenkt. Da sich aus dieser Schenkung keine Pflicht ergibt, z. B. Zahlung eines Kaufpreises, Zahlung einer Fahrradsteuer, kann der Jugendliche das Geschenk rechtsverbindlich ohne Einwilligung der Eltern annehmen. ■ Eine 16-jährige Jugendliche erwirbt 4 DVDs zum Gesamtpreis von 50,00 EUR. Da sie die DVDs von ihrem Taschengeld, das ihr vom gesetzlichen Vertreter zur freien Verfügung überlassen wurde (100,00 EUR monatlich), bezahlt, ist der Kaufvertrag auch ohne Einwilligung der Eltern rechtswirksam. Erweiterung der beschränkten Geschäftsfähigkeit Der beschränkt Geschäftsfähige ist unbeschränkt geschäftsfähig für Rechtsgeschäfte, die im Rahmen folgender Ermächtigungen liegen: ■ Er wird durch seinen gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ermächtigt (§ 112 BGB). ■ Er wird durch seinen gesetzlichen Vertreter zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses und zur Erfüllung aller sich daraus ergebenden Verpflichtungen ermächtigt (§ 113 BGB). Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Dienst- oder ­Arbeitsverhältnis im Sinne von § 113 BGB. Die Eingehung eines Ausbildungsvertrags erweitert die Geschäftsfähigkeit daher nicht. Beispiel: ■ Eine 17-jährige Angestellte eröffnet für die bar- geldlose Lohnzahlung ein Bankkonto. Da ihre Eltern sie zur Eingehung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses ermächtigt haben, kann sie selbstständig, ohne erneute besondere Einwilligung der Eltern, den Kontovertrag mit der Bank rechtswirksam schließen. 19 20 Der Vormund hat das Vermögen des Mündels mündelsicher anzulegen. Bestimmte Rechtsgeschäfte, die im Namen des Mündels vorgenommen werden, bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts (z. B. Kreditaufnahme, Übernahme einer Bürgschaft, Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Verkauf und Belastung von Grundstücken). Ein Betreuer kann vom Betreuungsgericht bestellt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: ■ der Betroffene muss volljährig sein und ■ er kann seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen. Eine Vormundschaft wird gerichtlich angeordnet, wenn ein Minderjähriger nicht unter elterlicher Sorge steht. Dies ist z. B. der Fall, wenn beide Eltern verstorben sind oder beiden Eltern die elterliche Sorge entzogen worden ist. Im Rahmen der Vormundschaft obliegt dem Vormund: ■ die Vertretung des Minderjährigen, ■ die Personensorge, ■ die Vermögenssorge. Die Vertretungsmacht des Vormunds ist weniger umfassend als die der Eltern. Für die Betreuung sind im Übrigen u. a. bestimmte Vorschriften über die Vormundschaft (z. B. §§ 1803, 1805–1822 BGB) anzuwenden. Einseitige Rechtsgeschäfte im Sinne des § 111 BGB sind nichtig (§ 1903 I, S. 2). In Ausnahmefällen besteht ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 I BGB). Dies bedeutet, dass eine Willenserklärung des Betreuten, die eine erhebliche Gefahr für seine Person oder sein Vermögen darstellen kann, der Einwilligung des Betreuers bedarf. Der Einwilligungsvorbehalt erfolgt auf Anordnung des Betreuungsgerichts. Im Falle des Einwilligungsvorbehalts steht der Betreute einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen gleich, d. h., die Willenserklärungen des Betreuten sind als schwebend unwirksam anzusehen, bis der Betreuer die Rechtshandlung genehmigt oder seine Zustimmung verweigert. Rechtswirksam gem. § 1903 III sind aber immer Willenserklärungen, die sich beziehen auf ■ geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens, ■ Erlangung eines rechtlichen Vorteils. Der Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Betreute ist grundsätzlich als (voll) geschäftsfähig anzusehen. Ursache dafür muss eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung sein. Betreuer (§§ 1896, 1902, 1903 BGB) Vormund (§ 1773 BGB) Die gesetzliche Vertretung durch Vormund, Betreuer und Pfleger Ein Pfleger kann stets nur im Rahmen der ihm gerichtlich zugewiesenen Aufgaben und unter Beachtung der ihm auferlegten Grenzen als Vertreter tätig werden. Er legitimiert sich durch eine Bestallungsurkunde. Dabei handelt es sich ■ um eine Ergänzung der elterlichen Sorge oder der vormundschaft­ lichen Fürsorge für geschäftsunfähige oder beschränkt geschäfts­ fähige Personen, ■ um die Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten voll geschäftsfähiger, aber abwesender Personen oder ■ um die Sicherung des Nachlasses bis zur Annahme einer Erbschaft. Eine Pflegschaft wird vom Familiengericht angeordnet, wenn für die Besorgung bestimmter einzelner Angelegenheiten ein Fürsorge- oder Schutzbedürfnis besteht. Pfleger (§§ 1909 ff. BGB) 1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns Die gelieferte Sache ist mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet. Unverzügliche und genaue Mängelrüge beim zweiseitigen Handelskauf. 1. Stufe (vorrangig): Nacherfüllung, d. h. Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (Wahlrecht). Zusätzlich, sofern Verschulden des Verkäufers vorliegt: Schadensersatz neben der Leistung (Verzögerungsschaden). Führt die 1. Stufe nicht zum Ziel: 2. Stufe (nachrangig): 1. Nachfrist und Rücktritt vom Kaufvertrag (nicht bei unerheblichen Mängeln) oder 2.Nachfrist und Minderung (auch bei unerheblichen Mängeln) Neben Rücktritt und Minderung 3. Nachfrist und Schadensersatz (Schadensersatz neben der Leistung; Schadensersatz statt der Leistung) Voraussetzung: Verschulden des Verkäufers oder 4. Nachfrist und Ersatz vergeblicher Aufwendungen Voraussetzung: Verschulden des Verkäufers Rechte: Schlechtlieferung mangelhafte Lieferung mangelfreie Lieferung Voraussetzungen für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen: Tatbestand: Störungen: Pflichten aus dem Kaufvertrag: Recht 2 und 3 sind gleichzeitig anwendbar 1. Recht auf nachträgliche Lieferung und Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung 2. Nachfrist und Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen 3. Nachfrist und Rücktritt vom Vertrag (auch bei unverschuldeter Leistungsverspätung möglich) 1.Fälligkeit der Lieferung 2.Mahnung 3.Verschulden des Lieferers Nicht-RechtzeitigLieferung bzw. Lieferungsverzug Nichteinhaltung des Liefertermins pünktliche Lieferung Hinterlegung der Ware auf Kosten und Gefahr des Käufers und 1. Klage auf Abnahme oder 2.Selbsthilfeverkauf (Notverkauf bei leicht verderblicher Ware) Nichtabnahme der bestellten und ordnungsgemäß gelieferten Ware. Annahmeverzug Kunde nimmt Ware nicht ab Abnahme der Ware Störungen bei der Erfüllung des Kaufvertrags Forderung der Zahlung und Verzugszinsen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Beim zweiseitigen Handelskauf beträgt der Verzugszinssatz 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz und Ersatz des sonstigen Schadens. Beim bürgerlichen Kauf und beim einseitigen Handelskauf sind Verzugszinsen ab Verzug, beim zweiseitigen Handelskauf ab Fälligkeit zu zahlen. Nichtzahlung 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung. Nicht-RechtzeitigZahlung bzw. Zahlungsverzug Kunde zahlt nicht Zahlung des Kaufpreises 1.3 Rechtsgeschäfte 41 1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns Gutgläubiger Erwerb von Eigentum. An beweglichen Sachen kann man gutgläubig Eigentum erwerben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: ■■ Der Erwerber muss den Veräußerer für den Eigentümer gehalten haben. ■■ Der Erwerber von Handelsware wird auch dann Eigentümer, wenn er zwar weiß, dass ein Kaufmann nicht Eigentümer ist, ihn aber für verfügungsbefugt hält (§ 366 HGB). ■■ Die Übereignung erfolgt durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 BGB. ■■ Der Erwerber muss den Besitz an der Sache erlangen. ■■ Die Sache darf nicht abhanden gekommen sein. Abhandengekommene Sachen sind solche, die dem unmittelbaren Besitzer ohne Willen aus dem Besitz gekommen sind. Dazu rechnen verlorene und gestohlene Sachen. An Geld und Inhaberpapieren kann man auch gutgläubig Eigentum erwerben, wenn sie abhandengekommen sind (§ 935 BGB). Übersicht: „Gutgläubiger Erwerb“ 1. Fall: B ist nicht Eigentümer, aber rechtmäßiger Besitzer. Wenn C gutgläubig ist, erwirbt er das Eigentum an dem Fahrrad. Leihvertrag A B Fahrrad Verkauf Fahrrad C 2. Fall: B ist nicht Eigentümer und unrechtmäßiger Besitzer (verbotene Eigenmacht). C kann, auch wenn er gutgläubig ist, nicht das Eigentum am Fahrrad erwerben, da das Fahrrad gestohlen bzw. abhandengekommen ist. Diebstahl A B Fahrrad Verkauf Fahrrad C Diebstahl A B Inhaberaktie oder B ist nicht Eigentümer und unrechtmäVerkauf der Inhaber100,00-Euro-Schein ßiger Besitzer (verbotene Eigenmacht). aktie bzw. Zahlung mit C wird Eigentümer der Inhaberaktie 100,00-Euro-Schein bzw. des Geldscheins, da Inhaberwert- C papiere, Geld und versteigerte Sachen auch dann gutgläubig erworben werden können, wenn sie gestohlen oder abhandengekommen sind. 3. Fall: 4. Fall: Leihvertrag A B Fahrrad B ist nicht Eigentümer, aber rechtmäßiVerkauf unter Vereinbager Besitzer. Auch wenn C gutgläubig rung eines Besitzkonstituts ist, erwirbt er das Eigentum an dem – keine Übergabe – Fahrrad nicht, da gutgläubiger Erwerb C nur bei Übergabe der Sache möglich ist. 44 1.3 Rechtsgeschäfte Arten der Bürgschaft. Bei der BGB-Bürgschaft steht dem Bürgen bei Nichtleistung des Schuldners die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zu, d. h., der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers so lange verweigern, bis feststeht, dass eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ergebnislos ist. Die Zwangsvollstreckung bezieht sich nur auf die beweglichen Sachen des Schuldners (§ 772 BGB). Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (§ 773 BGB) verzichtet der Bürge auf die „Einrede der Vorausklage“. Der Gläubiger kann sich bei Fälligkeit unmittelbar an den Bürgen halten, selbst dann, wenn der Hauptschuldner den Gläubiger befriedigen könnte. Die Bürgschaft eines Kaufmanns ist immer selbstschuldnerisch (§ 350 HGB). 1 Übersicht1 Veräußerungsgeschäfte (→ Erwerb von Sachen oder Rechten) Kauf §§ 433 ff. BGB allgemeines Kaufrecht §§ 474 ff. BGB Verbrauchsgüterkauf Schenkung §§ 516 ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Beispiele: Sachkauf: Verkäuferpflicht: Übereignung der Sache ohne Sachmangel Käuferpflicht: Zahlung des Kaufpreises Verkauf von Sorten, Goldmünzen Rechtskauf: Verkäuferpflicht: Verschaffung des Rechts ohne Rechtsmangel Käuferpflicht: Zahlung des Kaufpreises Ankauf einer Forderung → Einseitig verpflichtender Vertrag Pflicht des Schenkenden Übertragung des Schenkungsgegenstandes (Die Vermögenszuwendung ist unentgeltlich!) Gebrauchsüberlassungsgeschäfte (→ zeitweilige Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung) Mietvertrag §§ 535 ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Beispiele: Pflicht des Vermieters: Gebrauchsüberlassung auf Zeit Pflicht des Mieters: Zahlung des Mietzinses Safe-Vermietung Pachtvertrag §§ 581 ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Brauerei verpachtet Gaststätte Pflicht des Verpächters: Gebrauchs- und Ertragsüberlassung Pflicht des Pächters: Zahlung des Pachtzinses 1 Vgl. „Typologie der vertraglichen Schuldverhältnisse“, WISU-Studienblatt, 6. Juni 1975; Beilage der Zeitschrift: Das Wirtschafts­ studium – WISU, Tübingen/Düsseldorf 1975. 51 1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns Übersicht (Fortsetzung) Gebrauchsüberlassungsgeschäfte (→ zeitweilige Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung) Leihe §§ 598 ff. BGB → Einseitig verpflichtender Vertrag1 Pflicht des Verleihers: vorübergehende Gebrauchsüberlassung Besitzkonstitut gem. § 930 BGB Beachte: Bei allen Gebrauchsüberlassungsverträgen besteht die Pflicht zur Rückgabe Tätigkeitsverträge → Tätigkeit im Dienste oder Interesse eines anderen Darlehensvertrag §§ 488 ff. BGB Gelddarlehen → (i. d. R.) Gegenseitig verpflichtender Vertrag Beispiele: Pflicht des Darlehensgebers: Zurverfügungstellung des Darlehensbetrags Pflicht des Darlehensnehmers: Zins-/Entgeltzahlung Spareinlage §§ 607 ff. BGB Sachdarlehen Pflicht des Darlehensgebers: Zurverfügungstellung einer vertretbaren Sache Pflicht des Darlehensnehmers: Rückerstattung einer Sache gleicher Art, Güte und Menge Wertpapierleihe Dienstvertrag §§ 611 ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Vertrag mit einem Rechtsanwalt Werkvertrag §§ 631 ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Pflicht des Dienstverpflichteten: selbstständige oder unselbstständige Dienste Pflicht des Dienstleistungsberechtigten: Zahlung der Vergütung Reparatur Pflicht des Werkunternehmers: Herstellung des Werkes Pflicht des Werkbestellers: Zahlung der Vergütung Beachte: Dienstvertrag → zeitbezogene Tätigkeit, Werkvertrag → erfolgsbezogene Tätigkeit Reisevertrag §§ 651 a ff. BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Auftrag §§ 662 ff. BGB → Einseitig verpflichtender Vertrag Pflicht des Reiseveranstalters: Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen Pflicht des Reisenden: Zahlung des Reisepreises Pflichten des Beauftragten: Durchführung der Geschäftsbesorgung und Herausgabe des dabei Erlangten Evtl. Aufwendungsersatz (keine Vergütung!) durch Auftraggeber 1 1 Die vorübergehende Gebrauchsüberlassung umschließt die Pflicht zur Rückgabe. 52 1.3 Rechtsgeschäfte Übersicht (Fortsetzung) Tätigkeitsverträge → Tätigkeit im Dienste oder Interesse eines anderen Entgeltliche Geschäftsbesorgung § 675 BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Zahlungsdienstevertrag §§ 675 f bis 676 c BGB → Gegenseitig verpflichtender Vertrag ■■ Einzelzahlungs- Pflicht des Zahlungsdienstleisters: Ausführung eines Zahlungsvorgangs für den Zahlungsdienstnutzer (Zahler oder Zahlungsempfänger) ■■ Zahlungsdienste- Pflichten des Zahlungsdienstleisters: Ausführung einzelner oder aufeinanderfolgender Zahlungsvorgänge für den Zahlungsdienstnutzer (Zahler oder Zahlungsempfänger) sowie Führung eines Zahlungskontos für den Zahlungsdienstnutzer Pflichten des Zahlungsdienstnutzers: z. B. Zahlung des vereinbarten Entgelts, Formularbenutzung, Anerkennung und Beachtung der Bedingungen für Zahlungsdienste des Zahlungsdienstleisters vertrag rahmenvertrag Pflichten des Beauftragten: Durchführung der Geschäftsbesorgung (Gegenstand der Geschäftsbesorgung → Dienst- oder Werkvertrag) und Herausgabe des dabei Erlangten Pflicht des Auftraggebers: Zahlung der Vergütung Sicherungsverträge → Sicherung oder Stärkung eines Anspruchs oder sonstiger Interessen Bürgschaftsvertrag §§ 765 ff. BGB → Einseitig verpflichtender Vertrag Beispiele: Pflicht des Bürgen: Zahlung der Bürgschaftssumme Kreditsicherung Versicherungsvertrag §§ 1 ff. VVG → Gegenseitig verpflichtender Vertrag Versicherung gegen Einbruch Pflicht des Versicherers: Zahlung der Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalles Pflicht des Versicherten: Zahlung der Prämie Gesellschaftsvertrag → Zusammenschluss zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks Gesellschaft des bürgerlichen Rechts §§ 705 ff. BGB Pflicht der Gesellschafter: Beitragspflicht (u. a.) Beispiele: Bankenkonsortium Beachte: Ist der Gesellschaftszweck der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma, liegt eine offene Handelsgesellschaft vor. 53 1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns Notwendigkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs Wann im Einzelfall Art oder Umfang der Tätigkeit einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof dazu in einem Urteil vom 28. April 1960 festgestellt, dass bei einer solchen Entscheidung über die Notwendigkeit kaufmännischer Einrichtungen die Verhältnisse des einzelnen Betriebes in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Insbesondere sind dabei in Betracht zu ziehen: – die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Tätigkeit, – der Umsatz, – das Anlage- und Betriebskapital, – die Vielfalt der erbrachten Leistungen und Geschäftsbeziehungen, – die Inanspruchnahme von Kredit. Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb wird zudem an einer kaufmännischen Buchführung erkennbar. Die Entscheidung, ob ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig ist, trifft das Amtsgericht (→ Unterstützung durch Handwerkskammer und IHK). Der Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb führt, ist verpflichtet, sich ins Handelsregister (Handelsregister: Verzeichnis der Kaufleute eines Amtsgerichtsbezirks) eintragen zu lassen. Die Ist-Kaufmannseigenschaft entsteht bereits mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs. Die notwendige Eintragung ins Handels­ register hat daher rechtsbekundende oder deklaratorische Wirkung. „Kannkaufmann“ (§ 2 HGB). Benötigt eine Unternehmung keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (Kleingewerbetreibende wie z. B. Imbissstände, Kioske, kleine Gaststätten, kleine Bäckereien), so ist der Inhaber kein Kaufmann. Er hat jedoch die Möglichkeit zum Erwerb der Kaufmannseigenschaft, indem er sich freiwillig als Kaufmann ins Handelsregister eintragen lassen kann. Im Falle der Eintragung gilt das Unternehmen als Handelsgewerbe im Sinne des HGB. Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen oder damit verbundene Nebenbetriebe (z. B. Molkereien, Sägewerke, Mühlen), die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern, sind ebenfalls berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen (§ 3 HGB). Die Kaufmannseigenschaft wird bei freiwilliger Eintragung erst mit der Eintragung ins Handelsregister erworben. Die Eintragung hat daher rechtsbegründende oder konstitutive Wirkung. Ist eine freiwillige Eintragung ins Handelsregister erfolgt, so findet eine Löschung der Firma auch auf Antrag des Unternehmens statt, sofern nicht die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 HGB (Geschäftsumfang) eingetreten ist. „Formkaufmann“ (§ 6 HGB). Alle Kapitalgesellschaften (z. B. Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und Genossenschaften erwerben die Kaufmannseigenschaft mit der Wahl der Rechtsform und der Eintragung in das Handels- bzw. Genossenschaftsregister, unabhängig davon, ob sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben oder nicht. Personengesellschaften hingegen, also offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft, sind Kaufleute kraft ihres Gewerbes. Sie erlangen die Kaufmannseigenschaft entweder kraft ihres Geschäftsumfangs oder kraft Eintragung ins Handelsregister (§§ 105, 123 HGB). 74 1.6 Grundlagen des Handelsrechts Kaufleute haben gemäß HGB . . . das Recht: ■■ eine Firma zu führen, ■■ Prokuristen zu ernennen, ■■ Bürgschaftsverpflichtungen (im Rahmen ihres Handelsgewerbes) mündlich zu übernehmen, ■■ den Gerichtsstand frei zu vereinbaren. . . . die Pflicht: ■■ erhaltene Lieferungen unverzüglich zu prüfen und Mängel unverzüglich zu rügen, ■■ neben den steuerrechtlichen die handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvor- schriften zu beachten, ■■ stets selbstschuldnerische Bürgschaften zu übernehmen. Kaufmannsarten Kaufmann kraft Geschäftsumfang (Istkaufmann § 1 HGB) Kaufmann kraft freiwilliger Eintragung ins Handelsregister (Kannkaufmann) ■■ Kleingewerbetreibende § 2 HGB ■■ Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen § 3 HGB Kaufmann kraft Rechtsform (Formkaufmann § 6 HGB) Die Kaufmannseigenschaft ent- Die Kaufmannseigenschaft wird erst mit der Eintragung ins steht bereits mit der Aufnahme Handelsregister1 erworben. Die Eintragung hat konstitutive, des Geschäftsbetriebs. Die rechtsbegründende Wirkung. pflichtgemäße Eintragung ins Handelsregister hat deklaratorische, rechtsbekundende Wirkung. Kein Gewerbe: Im Falle einer Eintragung Kaufmann kraft unberechtigter Eintragung (Scheinkaufmann) gem. § 5 HGB. 1.6.2 Firma 1 Wesen. Die Firma ist der Handelsname eines Kaufmanns (§ 17 HGB). Der Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Unter seiner Firma betreibt er seine Geschäfte und gibt er seine Unterschrift ab. 1Genossenschaft → Genossenschaftsregister 75 2.3 Mitbestimmung der Arbeitnehmer Beteiligungsrechte des Betriebsrats (§§ 81 ff. BetrVG). Der Betriebsrat kann bei Entscheidungen, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren, entweder gleichberechtigt mitbestimmen oder lediglich mitwirken, d. h. beratend tätig werden. Die Rechte in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sind nach der Intensität der Mitbestimmungsmöglichkeiten abgestuft: Mitbestimmungsrecht Widerspruchsrecht Informations- und Beratungsrecht Eine Entscheidung kommt nur mit Zustimmung des Betriebsrats zustande. Bei Nichteinigung erfolgt eine verbindliche Entscheidung durch die Einigungsstelle. Der Betriebsrat kann den Entscheidungen der Geschäftsleitung widersprechen. Der Arbeitgeber kann zur endgültigen Entscheidung das Arbeitsgericht oder die Einigungsstelle anrufen. Die Geschäftsleitung muss den Betriebsrat über anstehende Entscheidungen unterrichten und sich mit ihm beraten. Ein Widerspruch des Betriebsrats bleibt ohne Rechtsfolgen. ■■ Soziale Angelegenheiten ■■ Personelle Einzelmaßnah- ■■ Wirtschaftliche Angelegen- (§ 87 BetrVG) –– Betriebsordnung –– Urlaubsregelung –– Beginn und Ende der Arbeitszeit –– Zeit, Ort, Art der Entgeltzahlung –– Entlohnungsgrundsätze –– Akkord- und Prämiensätze –– Vorschlagswesen –– Pausenregelung –– Soziale Einrichtungen (Kantine, Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen), –– Überstunden –– Durchführung von Gruppenarbeit ■■ Betriebliche Bildungsmaß- nahmen (§ 98 BetrVG) ■■ Sozialplan bei Betriebsver- men (§ 99 BetrVG) –– Versetzung –– Ein- und Umgruppierungen –– Kurzarbeit –– Einstellungen (bei Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern) ■■ Kündigungen (§ 102 BetrVG) heiten (§ 106 BetrVG) –– Wirtschaftliche und finanzielle Lage –– Produktions- und Absatzlage –– Einführung neuer Arbeits- und Rationalisierungsmethoden –– Fragen des betrieblichen Umweltschutzes ■■ Arbeitsplatzgestaltung (§ 90 BetrVG) –– Baumaßnahmen –– Technische Anlagen –– Arbeitsablauf ■■ Personalplanung, Förde- rung betrieblicher Bildung (§§ 92 ff. BetrVG) ■■ Betriebsänderungen, Stilllegung (§§ 106, 111 BetrVG) änderung (§§ 112, 112 a BetrVG) 157 2 Rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Arbeit im Betrieb Die Übermittlung der Meldungen und Beitragszahlungen erfolgt durch den Arbeitgeber an die Rechenzentren der Krankenkassen, die dann die jeweiligen Beiträge an den Gesundheitsfonds bzw. die übrigen Sozialversicherungsträger weiterleiten. Das soziale Netz in Deutschland ist aus vielen Knoten geknüpft – großen und kleinen. Größter Knoten ist die Rentenversicherung mit fast 271 Milliarden Euro im Jahr 2014. Es folgen die gesetzliche Krankenversicherung mit 204 Milliarden Euro und die Beamtenpensionen mit 50,6 Milliarden Euro. Wesentlich kleinere Knoten – dennoch für viele Menschen wichtig – sind beispielsweise das Wohngeld, die Ausbildungsförderung oder das Erziehungsgeld. Alle direkten Sozialleistungen zusammengenommen erreichen im Jahr 2014 einen Umfang von rund 849 Milliarden Euro. Das entspricht gut 29 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt). Schließt man noch die steuerlichen Leistungen ein, so ergibt sich sogar eine Summe von rund 878 Milliarden Euro. Das soziale Netz Sozialleistungen in Deutschland 2014 in Milliarden Euro (Schätzung) Rentenversicherung Krankenversicherung 270,8 GrundMrd. € sicherung für Arbeitsuchende 204,0 Betriebl. Altersversorgung 12,3 Familienzuschläge 3,2 43,5 41,8 Zusatzversorgung im öffentl. Dienst 11,5 Steuerliche Leistungen* 31,8 Gesetzl. Pflegeversicherung 26,0 Unfallversicherung Kindergeld u. Familienleistungsausgleich Sozialhilfe 34,0 28,2 Lohn- und Gehaltsfortzahlung 50,6 Kinder- u. Jugendhilfe 41,7 Arbeitslosenversicherung Beamtenpensionen 28,4 Priv. Kranken- u. Pflegeversicherung 25,4 Erziehungs-, Elterngeld 6,2 Beihilfen für Beamte 22,5 14,2 Versorgungswerke 5,0 WiedergutAusbildungsSoziale machung u. a. förderung Entschädigung** 2,5 1,3 0,9 sonstige ArbeitgeberArbeitsPriv. Altersleistungen losenhilfe u.a. vorsorge 0,3 0,7 0,7 Alterssicherung der Landwirte 2,8 Wohngeld 0,9 *z. B. Ehegattensplitting **z. B. Kriegsopferversorgung Angaben ohne Verrechnungen Stand Mai 2015 Quelle: BMAS © Globus 10390 2.4.7 Staatlich geförderte Altersvorsorge 2.4.7.1 Drei-Schichten-Modell der Altersvorsorge In der gesetzlichen Rentenversicherung werden die Beiträge der Erwerbstätigen sofort zur Zahlung der Renten genutzt (Umlageverfahren). Aufgrund der demografischen Entwicklung kann der Staat bei vertretbaren Rentenversicherungsbeiträgen das derzeitige Rentenniveau nicht aufrechterhalten. Mit der gesetzlichen Rente allein kann der gewohnte Lebensstandard im Alter kaum gehalten werden, es entsteht eine Versorgungslücke, die durch eine private Altersvorsorge geschlossen werden kann. Quelle: In Anlehnung an: Postbank AG Durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) hat die Bundesregierung die Neustrukturierung in der Altersvorsorge beschlossen. Grundsätzlich gliedert sich die Altersvorsorge nach steuerlichen Gesichtspunkten in drei Schichten. 182 2.4 Soziale Sicherung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 1. Schicht: Basisversorgung Die erste Schicht enthält die sogenannte Basisversorgung. Dazu zählen die gesetzliche Rentenversicherung, die Versorgungsleistungen der berufsständischen Versorgungswerke (z. B. für Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte), die Alterssicherung der Landwirte und die Basisrente (kapitalgedeckte Leibrente, „Rürup-Rente“). Beiträge zur Altersvorsorge aus der Basisversorgung nach dem Alterseinkünftegesetz können in der Erwerbsphase als Altersvorsorgeaufwendungen im Zuge der Einkommenbesteuerung geltend gemacht werden. Die steuerliche Abzugsfähigkeit ist während einer bis zum Jahre 2025 dauernden Übergangsfrist durch ein Stufenmodell begrenzt (vgl. „Rürup-Rente“ Kapitel 2.4.7.2). Die Besteuerung der Renten in der Auszahlphase (Rentenphase) erfolgt nachgelagert (nachgelagerte Besteuerung), allerdings zunächst nicht im vollen Umfang, vielmehr gibt es bis zum Jahr 2040 Übergangsregelungen. 2. Schicht: Kapitalgedeckte Zusatzversorgung Die zweite Schicht beinhaltet Zusatzversorgungen wie die kapitalgedeckte Altersvorsorge (Riester-Rente) und die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersvorsorge (Direktzusage, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse, Direktversicherung). Arbeitgeber müssen seit 2002 ihren Beschäftigten eine Entgeltumwandlung des Lohnes oder Gehaltes ermöglichen. Die Anlageform bestimmt der Arbeitgeber, wobei bei ihm die Anlage in eine der Formen der bAV zur Auswahl steht. Die erhaltenen Renten aus dem Bereich der zweiten Schicht werden ebenfalls vollständig nachgelagert besteuert. Dafür wird im Gegenzug während der Ansparphase eine staat­ liche Förderung z. B. über Zulagen oder den Sonderausgabenabzug gewährt. Zertifizierung. Geförderte Anlageformen der kapitalgedeckten Basisrente (Rürup-Rente) und der kapitalgedeckten Altersvorsorge (Riester-Rente) benötigen eine Zertifizierung durch das Bundeszentralamt für Steuern und müssen folgende Merkmale aufweisen: ■■ Der Vertrag muss eine lebenslange und unabhängig vom Geschlecht berechnete Altersver- sorgung vorsehen ■■ Eine Leistungserbringung aus dem Vertrag nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres (bei ■■ ■■ ■■ ■■ Vertragsabschluss nach dem 31. 12. 2011 nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres) oder dem Beginn einer Alters- oder Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 AltZertG) Garantie der eingezahlten Beiträge zu Beginn der Auszahlungsphase Auszahlung in Form einer monatlichen lebenslangen Leibrente1 in steigenden oder gleichbleibenden Beträgen oder in Form eines Auszahlungsplanes mit anschließender Teilkapitalverrentung ab dem 85. Lebensjahr einmalige Teilkapitalauszahlung von bis zu 30 % des zu Beginn der Auszahlphase zur Ver­ fügung stehenden Kapitals Regelungen über Ruhenlassen, Kündigung und Übertragung des Altersvorsorgevertrags Das Bundeszentralamt für Steuern prüft und bescheinigt als Zertifizierungsstelle, ob Altersvorsorgeprodukte die geforderten Kriterien erfüllen, ohne aber Rentabilität und Sicherheit der Anlage zu prüfen (§ 3 AltZertG). 1 Eine Leibrente ist nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleih- oder veräußerbar. Sie ist auch nicht kapitalisierbar. Das bedeutet, dass sie nicht vorzeitig in abgezinster Form ausbezahlt werden kann. 183 2 Rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Arbeit im Betrieb Produkte der betrieblichen Altersversorgung müssen nicht zertifiziert werden. Für alle Produktgruppen zertifizierter steuerlich geförderter Altersvorsorge-Verträge muss der Anbieter ein Produktinformationsblatt erstellen. Es soll Verbrauchern in gebündelter, leicht verständ­licher und standardisierter Form einen Produktvergleich ermöglichen. Gleichzeitig erhöht es den Wettbewerbsdruck im Hinblick auf eine möglichst geringe Kostenbelastung der angebotenen Produkte. 3. Schicht: Kapitalanlageprodukte Zur dritten Schicht der Altersvorsorge zählen private Kapitalanlageprodukte wie z. B. private Rentenversicherungen (außer die genannten Riester- und Rürup-Renten sowie Rentenversicherungen aus der Kategorie der betrieblichen Altersvorsorge). Diese Produkte sind meist relativ flexible Produkte. So bieten diese oft die Möglichkeit, neben einer Absicherung für das Alter noch viele Zusatzversicherungen (zum Beispiel für den Todesfall oder Berufsunfähigkeit) einzuschließen. Ebenso beinhalten die Produkte der dritten Schicht das Kapitalwahlrecht bzw. Rentenwahlrecht, sodass die Versicherten zum Zeitpunkt des Rentenzahlungsbeginns bzw. der Kapitalauszahlung noch wählen können, ob sie ihr Geld in Form einer lebenslangen Rentenzahlung oder einer Kapitalauszahlung bzw. einer Mischform aus beiden Alternativen erhalten möchten. Typisch für diese Schicht ist, dass die Beiträge für diese Art der Altersvorsorge bereits aus versteuertem Einkommen resultieren und daher weniger Einschränkungen unterliegen als die Anlageformen der ersten beiden Schichten. Kapitalanlageprodukte werden steuerlich nicht mehr als Altersvorsorge angesehen, sondern als Kapitalanlage. Dennoch bleiben diese Produkte ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge. Renten aus Verträgen der dritten Schicht werden nur mit dem sogenannten Ertragsanteil (Ertragsanteilbesteuerung) besteuert, dessen Höhe vom Alter des Renteneintritts abhängig ist. Drei-Schichten-Modell der Altersversorgung Schicht 3: Kapitalanlage Schicht 2: Zusatzversorgung Schicht 1: Basisversorgung Kapitalbildende Lebensversicherung Aktien Investmentsparpläne etc. Beiträge aus versteuertem Einkommen Rentenbezüge sind nur mit Ertragsanteil zu versteuern Erträge aus Kapitalauszahlungen teilweise steuerfrei Betriebliche Altersversorgung, z. B. Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse Riester-Renten Beiträge/Aufwendungen sind i. d. R. in begrenztem Umfang steuerlich absetzbar z. T. zusätzliche Förderung durch Zulagen Rentenbezüge sind (ohne Übergangszeit) in voller Höhe nachgelagert zu versteuern Gesetzliche Rentenversicherung Landwirtschaftliche Alterskassen Berufsständische Versorgungen Rürup-Renten Beiträge sind in hohem Maße steuerlich absetzbar Rentenbezüge sind (nach der Übergangsphase bis 2040) in voller Höhe nachgelagert zu versteuern Quelle: in Anlehnung an Deutsche Bank, 2005 184 Kapitalbildende Rentenversicherung 3.2 Wirtschaftsordnungen Gegenüberstellung der freien Marktwirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft Freie Marktwirtschaft Soziale Marktwirtschaft Der Staat greift überhaupt nicht in das Wirtschaftsgeschehen ein. Er hat lediglich Überwachungsfunktionen (Nachtwächterstaat). Der Staat greift in das Wirtschaftsgeschehen ein, um den Wohlstand und die soziale Sicherheit breiter Schichten zu gewährleisten (Sozialstaat). Die Entscheidung darüber, was und wie viel produziert wird, liegt ausschließlich bei den Unternehmen (Produktionsfreiheit, Gewerbefreiheit). Grundsätzlich besteht Gewerbefreiheit, nicht jedoch für Gewerbezweige, die die Gesundheit und/oder die Sicherheit der Bevölkerung gefährden können (eingeschränkte Gewerbefreiheit). Die Entscheidung darüber, was und wie viel gekauft wird, liegt ausschließlich bei den Konsumenten (Konsumfreiheit). Grundsätzlich besteht Konsumfreiheit, nicht jedoch bei gesundheitsgefährdenden Konsumgütern (z. B. Rauschgifte). Es bleibt den Unternehmen und Haushalten überlassen, ob und wie viel sie importieren oder exportieren wollen (uneingeschränkter Freihandel). Grundsätzlich besteht Freihandel und freie Austauschbarkeit der Währungen. Eingriffe in den Außenhandel sind aus konjunkturpolitischen Gründen erlaubt und erwünscht (z. B. Aufoder Abwertungen, Freigabe der Wechselkurse, Devisenpolitik der Notenbank, Zollsatzänderungen, Verbot des Waffenhandels mit kriegsgefährdeten Gebieten usw.). Die Ausgestaltung der Verträge (Kauf-, Miet-, Pacht-, Kartellverträge usw.) wird den Vertragsparteien überlassen (Vertragsfreiheit). Eingeschränkte Vertragsfreiheit durch Verbot des Wuchers, der Ausnutzung der Notlage eines anderen, Kartellgesetzgebung, Missbrauchsaufsicht, Fusionskontrolle, Unternehmensrecht usw. Das Geld übt seine Funktionen ohne Eingriffe des Staates bzw. einer Zentralbank aus. Das Geld ist darüber hinaus Steuerungsmittel: Durch die notenbankpolitischen Instrumentarien (z. B. Offenmarktpolitik, Mindestreservepolitik) soll der Wirtschaftsablauf in der gewünschten Richtung beeinflusst werden. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln ist gewährleistet. Grundsätzlich steht das Eigentum unter dem Schutz des Staates. Staatseigentum an Produktionsmitteln ist möglich oder erwünscht (z. B. Sozialisierung, um Arbeitsplätze zu sichern). Freie Berufswahl, Arbeitsplatzwahl und Freizügigkeit müssen garantiert sein. Grundsätzlich bestehen freie Berufswahl, Arbeitsplatzwahl und Freizügigkeit. Um Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt abzuschwächen, sind staatliche indirekte Lenkungsmaßnahmen erwünscht (Beihilfen zur Umschulung, Stellenvermittlung durch die Agenturen für Arbeit, Berufsberatung, Bildungspolitik). Die Verteilung des Volkseinkommens ist das Ergebnis der Marktprozesse. Der Staat nimmt eine Einkommensumverteilung mit dem Ziel einer „sozialverträglichen Einkommensverteilung“ vor: prozentual höhere Versteuerung der mittleren und höheren Einkommen (Steuerprogression), Kindergeldzahlungen, Wohngeld für Bezieher niedrigerer Einkommen, Ausbildungsförderung, Arbeitslosengeld, Sparförderung. Bildung ist Privatsache. Bildung ist grundsätzlich Aufgabe des Staates. Jeder soll gemäß seinen Fähigkeiten und Neigungen die gleichen Bildungschancen haben („Chancengleichheit“). Der Staat stellt die Mittel für die Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Die sozial Schwachen erhalten Beihilfen. 233 4 Grundlagen der Preisbildung 4.1 Märkte und Marktformen 4.1.1 Der Markt als Treffpunkt von Angebot und Nachfrage In der Marktwirtschaft stellen die Wirtschaftssubjekte autonom ihre Wirtschaftspläne auf. Sie wirtschaften, indem sie knappe Mittel planmäßig für die Bedürfnisbefriedigung einsetzen. Die Koordination der einzelwirtschaftlichen Pläne erfolgt über den Markt. Dort werden Angebot und Nachfrage zusammengeführt und mittels des Preises aufeinander abgestimmt. Die mit Kaufkraft (bzw. Einkommen) versehenen Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte1 nennen wir Bedarf. Kann der Bedarf nicht durch Eigenproduktion gedeckt werden, wird er auf dem Markt als Nachfrage wirksam. Somit kann man sagen: Die Nachfrage setzt sich aus der Summe aller mit Kaufkraft ausgestatteten Kaufwünsche der Wirtschaftssubjekte zusammen. Andererseits werden aufgrund der Nachfrage in den wirtschaftlichen Betrieben Sachgüter und Dienstleistungen produziert, um sie den Kaufwilligen gewinnbringend oder zumindest kostendeckend anzubieten: Das Angebot setzt sich aus der Summe aller Verkaufswünsche der Wirtschaftssubjekte zusammen. Treffen Angebot und Nachfrage zusammen, sodass Kaufabschlüsse getätigt werden können, sprechen wir von Markt. So treten z. B. auf dem Wochenmarkt Hausfrauen (-männer) als Nachfrager auf, Markthändler hingegen als Anbieter. Unter Markt versteht man das Zusammentreffen der kaufwilligen und kaufkräftigen Nachfrage mit dem verkaufswilligen und lieferfähigen Angebot. 4.1.1.1 Entstehung der Nachfrage Bedürfnisse. Jeder Mensch hat Wünsche, die er zu befriedigen sucht. Sie entspringen einem Gefühl des Mangels. Der Hungrige hat z. B. Mangel an Nahrung, der Frierende Mangel an Wärme usw. Mangelgefühle, die mit dem Streben nach Beseitigung des Mangels verbunden sind, bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre als Bedürfnisse. Bedürfnis = Mangelgefühl, verbunden mit dem Streben, den Mangel zu beseitigen. Die Bedürfnisse des Menschen werden als unendlich groß gekennzeichnet. Einsichtig ist die Tatsache, dass die Wünsche der Menschen die ihnen zur Befriedigung zur Verfügung stehenden Mittel übersteigen. Die Bedürfnisse sind unendlich groß. Die Wünsche des Menschen übersteigen die verfügbaren Mittel. 1 Wirtschaftssubjekte sind einzelne an der Wirtschaft beteiligte Menschen oder Sozialgebilde wie Familien, private Wirtschaftsbetriebe oder staatliche Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsanstalten). 281 4 Grundlagen der P reisbildung Beispiele für B2C-Marktplätze: Branche Name Shopfinder.de Virtuelles Shopregister mit über 5 000 Shop-Einträgen. wowowo.de Meta-Shop für den Privatbereich. Bündelt die Angebote von über 7 000 Online-Shops. Check24.de Deutschlands größter Ratenkreditvermittler, der mittlerweile auch Versicherungen sowie Strom-, Gas,- Handy-, DSL-, Reise- und Fluganbieter vergleicht. Ebay.de Deutscher Ableger des nach eigenen Angaben größten Auktionshauses im Internet. Letsbuyit.com Pionier des Powershopping in Deutschland. Dabei wird ein angebotenes Produkt umso billiger, je mehr es über die Website bestellen. 4.5 Staatliche Beeinflussung der Preisbildung Indirekte (mittelbare) Preislenkung (marktkonforme Eingriffe). Der Staat kann versuchen, die Preisbildung indirekt (= mittelbar) zu beeinflussen. Hier verringert oder erhöht der Staat das Angebot oder die Nachfrage, indem er selbst als Anbieter oder als Nachfrager auftritt. Der Marktmechanismus wird also nicht außer Kraft gesetzt. Auch mithilfe von Steuersatzänderungen und Subventionszahlungen (= Gewährung von Zuschüssen) kann der Staat mittelbar auf Angebot und Nachfrage und damit auf den Preis einwirken. Beispiele: Es mag z. B. sein, dass der Staat aus sozialen Gründen den Wohnungsbau anregen will. Dies kann er erreichen, indem er selbst für sozial schwache Bevölkerungsschichten Wohnbauten in Auftrag gibt. Er kann aber auch auf die Weise auf den Markt einwirken, dass er ­einkommensschwachen Bevölkerungskreisen Wohngeld auszahlt, wodurch diese in die Lage versetzt werden, mehr und besseren Wohnraum nachzufragen (Subventionspolitik). Die Gefahr derartiger staatlicher Interventionen (= Staatseingriffe) besteht natürlich darin, dass – bei Vollbeschäftigung – die Preise steigen. Steigende Baupreise kann der Staat bremsen, indem er eigene Bauvorhaben zurückstellt, und zwar so lange, bis ein Beschäftigungsrückgang in der Bauindustrie eintritt. Dann nämlich kann der Staat die Beschäftigung sichern, indem er die zurückgehaltenen Aufträge an die Bauwirtschaft erteilt. Auch auf der Angebotsseite kann der Staat marktkonforme Mittel einsetzen. So ist es z. B. möglich, durch Zollsenkungen die Importe zu erhöhen, um Preissteigerungen im Inland zu begegnen. Oder er kann den Produzenten Steuererleichterungen (= indirekte Subventionen) gewähren, in der Hoffnung, dass diese die Kostensenkung an die Abnehmer weitergeben werden. Direkte Preislenkung (marktkonträrer Eingriff) ist gegeben, wenn der Staat die Preise vorschreibt. Höchstpreise. Es mag beispielsweise sein, dass die soziale Rücksichtnahme auf einkommensschwache Bevölkerungsschichten eine Regierung dazu veranlasst, Höchstpreise für bestimmte Güter vorzuschreiben. Dies bedeutet, dass sich unterhalb dieser Höchstpreise eine freie Preisbildung vollziehen kann. Der Regelfall wird jedoch sein, dass der Preis, der sich bei freier Konkurrenz ergäbe (= natürlicher Preis, Gleichgewichtspreis), höher als der staatliche Höchstpreis ist – denn sonst benötigte man die Höchstpreisvorschriften nicht. 316 4.5 Staatliche Beeinflussung der Preisbildung Formen politischer Preisbildung Marktkonforme Eingriffe des Staates Beeinflussung der Nachfrage Beeinflussung des Angebots Marktkonträre Eingriffe des Staates Höchstpreis Mindestpreis Festpreis Aus der Abbildung lässt sich ablesen, P A dass beim Höchstpreis P0 die Menge x2 nachgefragt, aber wegen des niedrigen N Preises nur die Menge x1 angeboten wird. Es besteht also eine Angebotslücke in Höhe der Menge x2 – x1, d. h., die Käufer, die zu diesem Preis zu kaufen in der Lage sind, können nicht alle beliefert werden. Die Höchstpreisvorschrift verlangt also vom Staat weitere Maßnahmen. Entweder muss das Angebot zwangsweise ver­ Höchstpreis größert (Ablieferungspflicht für die Anbie­ P0 ter) oder die Nachfrage verkleinert wer­ den (Bezugsscheinsystem, Rationierung), wenn die Entstehung eines schwarzen 0x1 x2x Marktes verhindert werden soll. Unter schwarzem Markt versteht man den ungesetzlichen Handel zu Preisen, die über den staat­ lich fixierten Preisen liegen. Mindestpreise. Im Unterschied zum Höchstpreis, der zum Schutz des Verbrauchers oder der Vertuschung staatlicher Inflationspolitik (verdeckte Inflation) dienen soll, ist der staat­ liche Mindestpreis ein Mittel zum Schutz des Produzenten (Anbieters). In den meisten westlichen Industriestaaten finden wir den Mindestpreis vor allem bei landwirtschaftli­ chen Erzeugnissen, also zum Schutz der A N P einheimischen Landwirtschaft. Liegt der vorgeschriebene Mindestpreis unter dem Preis, der sich bei freier Konkurrenz ergeben würde (natürlicher Preis, Gleich­ gewichtspreis), kann sich der Marktpreis frei bilden. Die staatliche Preisvorschrift hat keinen Einfluss, sodass sie eigentlich Mindestpreis überflüssig ist. Im Normalfall wird daher P0 der Mindestpreis über dem Gleichge­ wichtspreis liegen. Aus der Abbildung ist zu entnehmen, dass sich in diesem Fall eine Nachfragelücke ergeben muss, denn bei dem vorge­ schriebenen (zu hohen) Preis P0 wird die Menge x1 nachgefragt, aber die Menge x2 0x1 x2x 317 7 Der Wert des Geldes 7.2 Der Außenwert des Geldes 7.2.1 Begriff Während der Binnenwert des Geldes an der einzutauschenden Gütermenge gemessen wird, verstehen wir unter dem Außenwert des Geldes das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen, das sich im Wechselkurs niederschlägt. Der Kurs (Wechselkurs) drückt das Wertverhältnis zwischen zwei Währungen aus. Mengennotierung Preisnotierung Kurs = Menge der Auslandswährung, die man für eine Einheit der Inlandswährung erhält. Anwendung in angelsächsischen Ländern und bei der Euro-Notierung Beispiel: Im Euroland notiert der USD: EUR/USD: 1,0885 bedeutet: für 1 Euro erhält man 1,0885 USD Kurs =Preis in Inlandswährung, der für eine bestimmte Menge der Auslandswährung (1, 100, 1 000) zu zahlen ist. Anwendung in bestimmten Ländern außerhalb des Eurolandes Beispiel: In Tokio notiert der USD: USD/JPY: 118,947 bedeutet: 1 USD kostet 118,947 japanische Yen Gehandelte Währung → Inlandswährung Gehandelte Währung → Auslandswährung 7.2.2 Arten der Wechselkurse Das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen kann durch völlig flexible, stabile oder starre Devisenkurse ausgedrückt werden. ■■ Völlig flexible Wechselkurse sind gegeben, wenn sich der Preis für Devisen frei am Markt bilden kann. Beim „Floating“ haben wir eine solche völlig flexible Wechselkursbildung (z. B. USD oder GBP). Das kommt auch den Verbrauchern zugute. Denn ein schwacher Euro treibt die Preise für Benzin und Heizöl in die Höhe: Rohöl wird weltweit in Dollar abgerechnet. ■■ Stabile Wechselkurse (begrenzt flexible Wechselkurse) bilden sich, wenn Devisenkurs- änderungen nur innerhalb bestimmter Grenzen möglich sind. Das Austauschverhältnis der einheimischen Währung wird als Parität zum Gold, zu Sonderziehungsrechten oder Fremdwährungseinheiten festgelegt. Abweichungen von der Parität werden nur innerhalb bestimmter Bandbreiten zugelassen. Beispiel: WKM II (vgl. Kapitel 10.11.3). EU-Länder 1 EUR = 7,4501 DKK (Schwankungsbreite +/– 2,25 %) Für Dänemark wurde eine Bandbreite von +/– 2,25 % beschlossen. Bei Erreichen der Bandbreitengrenzen besteht vonseiten der Zentralbanken die grundsätzlich automatische und betragsmäßig unlimitierte Verpflichtung zu kursstützenden Interventionen. 402 7 Der Wert des Geldes 7.2.3 Auf- und Abwertung einer Währung Die Erhöhung oder Herabsetzung des Wechselkurses gegenüber dem Wertmaß (z. B. USD, SZR, EUR) verändert den Wert der eigenen Währung zu allen anderen Währungen. Die Begriffe Auf- und Abwertung beziehen sich auf feste bzw. relativ feste Wechselkurse. Bei frei schwankenden Wechselkursen wird auch von De-Fakto-Aufwertung/-Abwertung gesprochen. Aufwertung Abwertung Erhöhung Herabsetzung des Außenwerts und damit der Menge eintauschbarer Güter für eine Geldeinheit des Außenwerts und damit der Menge eintauschbarer Güter für eine Geldeinheit bedeutet Kurserhöhung bedeutet Kurssenkung Beispiel:t1 1 Euro = 8,9961 SEK t2 1 Euro = 9,3605 SEK Beispiel:t1 1 Euro = 9,3066 SEK t2 1 Euro = 8,9975 SEK 7.2.3.1 Aufwertung Ursachen einer Aufwertung können sein: ■■ Unterschiede in der Entwicklung der Preisniveaus von Währungsgebieten. Steigen im Fremdwährungsland die Preise schneller als im eigenen Währungsgebiet, führt das in der Regel zu einem Anstieg des Exports, während der Import aufgrund der gestiegenen Einfuhrkosten nachlässt. Die Folge sind Überschüsse in der Handelsbilanz und, wenn anderweitig kein Ausgleich erfolgt (z. B. Kapitalexporte), in der Zahlungsbilanz. ■■ Geld- und Kapitalzuflüsse, die teilweise angeregt werden durch die Hoffnung auf ­ pekulationsgewinne bei einer bevorstehenden Aufwertung oder durch das AusnutS zen von Zinsunterschieden, die sich evtl. durch Maßnahmen der Notenbanken ergeben können. Folgen der Aufwertung müssen mit ihren Wirkungen im Fremdwährungsland und im eigenen Währungsgebiet gesehen werden. Für das Fremdwährungsgebiet als Importland bedeutet die Aufwertung eine Verteuerung der eingeführten Güter und in vielen Fällen ein Ausweichen auf gleiche oder ähnliche Güter, die nunmehr gleich teuer oder gar billiger geworden sind. Damit ist häufig ein Nachlassen der Nachfrage verbunden. Eine gleiche Entwicklung ist für die Dienstleistungen des aufwertenden Währungsgebiets (Reisen u. Ä.) festzustellen. Auf der anderen Seite ist für das Fremdwährungsgebiet der Export in das aufwertende Land günstiger, denn nunmehr kann billiger und damit wahrscheinlich auch mehr exportiert werden. Ebenso werden Dienstleistungen im eigenen Währungsgebiet günstiger angeboten, d. h., Reisen in ein Fremdwährungsland werden sich kurz nach einer Aufwertung fast immer „lohnen“. Durch die Folgen der Aufwertung, so könnte man annehmen, ist das Ungleichgewicht schneller wieder ins Gleichgewicht gebracht. Aber ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Im aufwertenden Währungsgebiet können durch ein Zurückgehen des Exports in das Devisenland und ein gleichzeitiges Zunehmen des Imports aus dem Devisenausland nachteilige Folgen für die Beschäftigung mit evtl. folgender Arbeitslosigkeit auftreten. Der Verzicht auf eine Aufwertung kann jedoch auf der 404 7 Der Wert des Geldes Deutschlands Außenhandel hat neue RekordmarDeutschlands Außenhandel ken erreicht. Mit Ausin Milliarden Euro fuhren im Wert von rund 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* 1 195,8 Milliarden Euro 1 195,8 1 123,7 lagen die deutschen 1 092,6 1 088,0 Exporte um 6,4 Prozent 1 061,2 984,1 über dem VorjahreserAusfuhr 965,2 952,0 gebnis. Die Importe stie893,0 803,3 948,0 gen um 4,2 Prozent auf 910,1 786,3 902,5 899,4 890,4 948 Milliarden Euro. Im 805,8 797,1 Mrd. € 769,9 Ergebnis kletterte der 734,0 Überschuss im Außen664,6 628,1 handel auf einen Rekordwert von 247,8 Milliarden Einfuhr Euro. Im Jahr zuvor war der Saldo mit 213,6 Milli247,8 Mrd. € 213,6 arden Euro deutlich nied195,3 197,6 193,2 178,3 + 158,2 159,0 158,7 154,9 138,7 riger. Besonders positiv im Vergleich zum Vorjahr entwickelte sich erneut Handelsüberschuss der Handel mit den EU*vorläufig, Stand Feb. 2016 Quelle: Statistisches Bundesamt © Globus 10834 Partnerländern, die nicht zur Eurozone gehören, also beispielsweise Großbritannien und Polen. Dort gab es insgesamt ein Plus von 8,9 Prozent bei den Exporten und 5,9 Prozent bei den Importen. Der Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels geht davon aus, dass 2016 die Exporte noch einmal um 4,5 Prozent und die Importe um vier Prozent zulegen werden. 7.4 Geldwertstörungen 7.4.1 Die Inflation 7.4.1.1 Begriff und Wesen Inflation = Vermehrung des Geldumlaufs über den volkswirtschaftlichen Bedarf hinaus. (inflare = aufblähen) Inflation nennen wir die Situation, die durch die Veränderung des Gleichgewichts von Güternachfrage und Güterangebot hervorgerufen wird und sich in der Steigerung des Preisniveaus ausdrückt. Gründe für das Entstehen einer Inflation können auf der Angebotsseite und auf der Nachfrageseite liegen. Man spricht deshalb von: 1 angebotsinduzierter1 Inflation und nachfrageinduzierter Inflation Die Anbieter rechnen gestiegene Herstellungs- oder Beschaffungskosten oder zusätzliche Gewinne unabhängig von der Güternachfrage in die Güterpreise ein. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage übersteigt das gesamtwirtschaftliche Güterangebot. Preissteigerung Preissteigerung 1 Induzieren = einleiten, verursachen. 422 7.4 Geldwertstörungen Die Ursache für eine angebotsinduzierte Inflation liegt u. a. darin, dass das Angebot aufgrund steigender Kosten zunimmt (jede denkbare Angebotsmenge muss zu höheren Preisen angeboten werden). Ist die Nachfrage nicht vollkommen elastisch, steigen die Preise bei zurückgehender Absatzmenge (bei zurückgehender Beschäftigung). Die Ursache für eine nachfrageinduzierte Inflation liegt darin, dass die Wirtschaft nicht in der Lage ist, der erhöhten Nachfrage in kurzer Zeit mit einem erhöhten Angebot zu begegnen. Das ist beispielsweise im Stadium der Vollbeschäftigung der Fall. 7.4.1.2 Arten der Inflation ■■ Unterscheidung nach Entstehungsbereichen Angebotsinduzierte Inflationsarten Inflationsart Erläuterungen Rohstoffkosteninflation Steigende Rohstoffkosten führen, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, zu Preissteigerungen. (Die Ölkrise brachte hohe Einkaufspreise für Öl und damit ein Ansteigen der Energiekosten.) Lohnkosteninflation Je nach Machtverhältnissen ist es möglich, dass die Gewerkschaften Lohnund Gehaltsforderungen durchsetzen, die über dem Produktivitätszuwachs liegen. Die Unternehmen ihrerseits wälzen die erhöhten Lohnkosten über die Preise auf die Nachfrager ab. Die Folge der auf die Preise überwälzten Kosten werden i. d. R. erneute, höhere Lohnforderungen der Gewerkschaften sein, die dann wieder durch höhere Preisforderungen der Unternehmer beantwortet werden. Ein solches Abwechseln von Lohn- und Preisforderungen bezeichnet man als „Lohn-Preis-Spirale“ oder „Preis-Lohn-Spirale“, je nachdem, wen man als Verursacher der Spirale ansieht. Zinskosteninflation Die Verringerung des Geldwerts durch eine Inflation führt oft zu einer Erhöhung der Zinssätze. Darunter haben besonders die Unternehmen zu leiden, die auf Kredite angewiesen sind. Die Zinskosten werden über die Preise an die Nachfrager weitergegeben. Gewinninflation Eine Inflation, die von der Nachfrageseite ausgeht, bedeutet im Allgemeinen Gewinnerhöhungen für die Unternehmen, da die „andere Seite“ meist mit den neuen Forderungen hinterherhinkt. Eine Gewinninflation liegt aber nur dann vor, wenn der Gewinn der Unternehmer auch gleichzeitig die Inflation auslöst. Das kann der Fall sein, wenn ■■ die Preiserhöhung nicht Folge einer erhöhten Nachfrage ist, sondern wegen eines Mehrgewinns vorgenommen wird, ■■ die Preiserhöhung bei erhöhter Nachfrage oder Kostensteigerung unverhältnismäßig höher ausfällt, ■■ die Preiserhöhung durch die Fixkostensteigerung bei abnehmender Beschäftigung (und zunehmender Arbeitslosigkeit) so ausfällt, dass die Unternehmen den gleichen prozentualen Gewinnsatz wie vorher erzielen. 423 7 Der Wert des Geldes Nachfrageinduzierte Inflationsarten Inflationsart Erläuterungen Staatsinflation Stehen dem Staat nicht genügend Steuereinnahmen zur Finanzierung seiner Vorhaben zur Verfügung, wird er versuchen, Kredite bei der Notenbank aufzunehmen. Wird nur mehr Einkommen geschaffen, aber keine Erhöhung des Güterangebots erreicht, führt dieses Vorgehen zu einer Inflation. Paradebeispiel für ein solches Vorgehen sind Aufrüstungen und Kriege. In Friedenszeiten können sowohl zusätzliche Investitionen als auch verstärkte Sozialleistungen (soweit kreditfinanziert) zu einer inflatorischen Entwicklung beitragen. Konsuminflation Von einer Konsuminflation sprechen wir, wenn private Haushalte durch Sozialleistungen des Staates, durch Kreditaufnahme bei den Banken oder durch Lohnerhöhungen über den Produktivitätszuwachs hinaus in die Lage versetzt werden, die Nachfrage gegenüber dem Güterangebot erheblich zu erhöhen. Dabei wird Vollbeschäftigung unterstellt. Investitionsinflation Wir sprechen auch von einer Investitionsinflation, wenn Unternehmer aus günstigen Zukunftserwartungen heraus Investitionen vornehmen, die weit über den Möglichkeiten der Investitionsgüterindustrie liegen und damit auf dem Investitionsgütermarkt zu Preiserhöhungen beitragen, die auf den Konsumgütermarkt übertragen werden. Importierte Inflation Wie der Begriff schon sagt, hängt diese Form der Inflation mit dem Ausland und dem Außenhandel zusammen. Wir unterscheiden dabei zwei Ursachen: 1. Durch Exportüberschüsse entstehen Zahlungsbilanzüberschüsse. Dem Zustrom von Geldern aus dem Ausland steht keine Erhöhung des Güterangebots im Inland gegenüber. Besteht dazu noch ein höheres Zinsniveau als im Ausland, zieht der höhere Zins fremdes Kapital an und erhöht damit die Zahlungsbilanzüberschüsse. Diese beiden Ereignisse können einzeln oder zusammen auftreten. 2. Dieser Effekt kann eine Verstärkung erfahren, wenn im Ausland inflationäre Tendenzen herrschen. Der Inland-Produzent kann daraufhin sein Auslandsangebot zulasten des Inlandsangebots erweitern oder im Inland durch Preiserhöhungen gleiche Erträge wie im Ausland erzielen wollen. Zudem wäre noch eine Exportausweitung durch Ausweitung der Kapazität mit Voll- oder Überbeschäftigung möglich. Das Ergebnis zeigt sich auch hier wieder in einer Geldvermehrung im Exportland, hervorgerufen durch das Ungleichgewicht von Export und Import. ■■ Unterscheidung nach der Erkennbarkeit Inflationsart Erläuterungen Offene Inflation Bei der offenen Inflation ist der Geldentwertungsprozess erkennbar, weil die Preise sichtbar ansteigen. Die Erwartung steigender Preise führt beim Verbraucher zu steigender Nachfrage und beim Unternehmer zur Zurückhaltung von Waren. Warenverknappung und Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes führen zu einem Prozess ständig sich steigernder Geldentwertung. 424 7.4 Geldwertstörungen Inflationsart Erläuterungen Verdeckte Inflation Bei der verdeckten Inflation werden lediglich die Symptome der offenen Inflation durch staatliche Maßnahmen beseitigt. Der Preisanstieg wird durch Preisstopp verdeckt, der das Steigen der Preise unterbindet. Der Güterverknappung begegnet man durch Rationierung der Güter und Produktionsauflagen. Der Nachfrageüberhang lässt sich durch die genannten Maßnahmen nicht beseitigen. Es bilden sich „Schwarzmärkte“, auf denen sich – entgegen den staatlichen Vorschriften – die Preise frei bilden. ■■ Unterscheidung nach der Geschwindigkeit der Geldentwertung Inflationsart Erläuterungen Schleichende Inflation Die schleichende Inflation ist durch ständige geringfügige Preissteigerungen gekennzeichnet. Der Umfang der Geldentwertung ist demnach relativ gering. Schleichende Inflation ist eine typische Erscheinung unserer Zeit. Galoppierende Inflation (Hyperinflation) Die galoppierende Inflation ist gegeben, wenn die Geldentwertung schnell innerhalb kurzer Zeiträume erfolgt. Übersicht der Inflationsarten Unterscheidungsmerkmale Inflationsarten angebotsinduziert Rohstoffkosteninflation Lohnkosteninflation Zinskosteninflation Gewinninflation nachfrageinduziert Staatsinflation Konsuminflation Investitionsinflation Importierte Inflation Entstehungsbereiche Erkennbarkeit Offene Inflation Verdeckte Inflation Geschwindigkeit der Geldentwertung Schleichende Inflation Galoppierende Inflation 7.4.1.3 Wirkungen der Inflation Die Wirkungen der Inflation zeigen sich sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite. ■■ Die Wirkungen auf die Unternehmen. Im Allgemeinen steigen zunächst die Gewinne, da meistens die Kosten für Löhne und Gehälter sowie die Kosten für Güter und Leistungen, die von öffentlichen Institutionen bezogen werden – Wasser, Energie, Frachtkosten der DB Cargo – mit einer zeitlichen Verzögerung angehoben werden. 425 8 Der Wirtschaftskreislauf 8.1 Einfacher Wirtschaftskreislauf Alle wirtschaftliche Produktion ist letztlich auf den Verbrauch ausgerichtet. Die Produktion erfolgt durch Kombination von Produktionsfaktoren. Das geschieht in den Unternehmen, die in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft die Faktorkombination vornehmen. Die erzeugten Güter (Sachgüter und Dienstleistungen) gehen von den Produktionseinheiten, den Unternehmen, an die Verbrauchseinheiten, die wir als Haushalte bezeichnen. Von den Unternehmen fließt ein Strom von Konsumgütern an die Haushalte. Die Haushalte stellen den Unternehmen die benötigten Produktionsfaktoren zur Verfügung. Es handelt sich ebenfalls um einen Strom von knappen Gütern (Arbeit, Boden, Kapital), der von den Haushalten zu den Unternehmen fließt. Güterstrom Arbeit, Boden, Kapital Haushalte Verbrauc h P roduk tion Unternehmen Güterstrom Konsumgüter Durch die Zurverfügungstellung von Arbeit, Boden und Kapital erzielen die Haushalte Einkommen (Lohn,1 Zins, Grundrente). Von den Unternehmen zu den Haushalten fließt demnach ein – dem Güterstrom entgegengerichteter – Geldstrom. Die Haushalte müssen die von ihnen erworbenen Konsumgüter bezahlen. Dem Konsumgüterstrom entspricht also ein von den Haushalten zu den Unternehmen fließender Geldstrom in Form von Konsumausgaben. Geldstrom Lohn, Zins, Grundrente Güterstrom (Realstrom) Arbeit, Boden, Kapital H U Güterstrom (Realstrom) Konsumgüter Geldstrom Konsumausgaben 1 Lohn im volkswirtschaftlichen Sinne ist das Arbeitsentgelt für abhängig Beschäftigte (z. B. für Arbeiter, Angestellte, Richter, Soldaten). 441 8 Der Wirtschaftskreislauf 8.2 Erweiterter Wirtschaftskreislauf Bei der Darstellung des einfachen Wirtschaftskreislaufs wurde von der vereinfachten Annahme ausgegangen, dass die Haushalte die erzielten Einkommen nur konsumtiv verwenden. Das Sparen als weitere Möglichkeit der Einkommensverwendung wurde also nicht berücksichtigt. Bezieht man das Sparen in die Kreislaufbetrachtung ein, so muss man den Institutionen Haushalte und Unternehmen die Kapitalsammelstellen hinzufügen. Zu den Kapitalsammelstellen rechnen in erster Linie die Kreditinstitute, aber auch die Versicherungen. Von den Haushalten fließt ein Geldstrom in Form von Ersparnissen zu den Kapitalsammelstellen und von diesen ein Zinsstrom zu den Haushalten. Unterstellt man, dass auch betriebliches Sparen über die Kapitalsammelstellen erfolgt, werden auch die Kapitalsammelstellen und die Unternehmen durch je einen Strom von Ersparnissen und Zinsen verbunden. Die Kreditinstitute (Versicherungen u. a.) arbeiten mit den ihnen zugeflossenen Geldern. Sie führen sie als Kredite den Haushalten (Konsumkredite) und Unternehmen (Kredite für Investitionen) zu. Die Kredite für Investitionszwecke dienen der Bildung von Produktivkapital und sollen letztlich zur Ausweitung des Güterangebots führen. Unternehmen und Haushalte zahlen für die gewährten Kredite Zinsen an die Kapitalsammelstellen. Konsumk redite Zinsen H Zinsen tio Investi Kapitalsammelstellen Ersparnisse nsk redite Zinsen U Zinsen Ersparnisse Konsumgüter Konsumausgaben Eine bedeutsame Wirtschaftseinheit stellt – neben Haushalten, Unternehmen und Kapitalsammelstellen – der Staat dar. Unter den Sektor Staat fallen bei unserer Betrachtung: Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände und Organisationen ohne Erwerbscharakter (z. B. Sozialversicherungen). 442 8.2 Erweiterter Wirtschaftskreislauf Der Staat erbringt für die Allgemeinheit – und damit auch für die Wirtschaft – vielfältige Leistungen wie z. B.: Verwaltung, Sozialleistungen (Elterngeld, Unterhaltszuschuss, Hilfe in außergewöhnlichen Notlagen, Sozialversicherung), Rechtsprechung, Bildungswesen, Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen (Unterhalt von Straßen und Autobahnen, Betrieb von Nahverkehrsmitteln, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung), Gesundheitswesen. Die Finanzierung der staatlichen Leistungen erfolgt überwiegend durch die Erhebung von ■ Steuern = Zwangsabgaben ohne spezielle Entgeltlichkeit, ■ Gebühren = spezielles Entgelt für die Inanspruchnahme einer staatlichen Institution; z. B. Gebühr für die Ausstellung eines Passes oder für ein polizeiliches Führungszeugnis und ■ Beiträgen = von öffentlich-rechtlichen Institutionen erhobene Geldleistungen bei denjenigen, die einen unmittelbaren Vorteil aus im öffentlichen Interesse gemachten Aufwendungen erlangen; z. B. Sozialversicherungsbeiträge, Straßenbaukosten bei Grundstückserwerb. Staatliche Investitionen werden teilweise durch Aufnahme von Krediten (Staatsanleihen, Kommunalobligationen) finanziert, die auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden. Konsumk redite U n Zinsen ng tu is Le ge un Le is t e tli ch e ch tli aa aa St en Ersparnisse Zinsen St Zinsen Kapitalsammelstellen nskredite Kredite Zinsen H tio Investi Staat 443 9 Inlandsprodukt, Nationaleinkommen und Volkseinkommen 9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und die Verteilung des Volkseinkommens Die Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses einer Volkswirtschaft für eine bestimmte Periode (z. B. ein Jahr) werden von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) erfasst. Sie liefern den Trägern der Wirtschaftspolitik wichtige Informationen u. a. darüber, was die eingeleiteten wirtschaftspolitischen Maßnahmen bewirkt haben. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gibt es drei verschiedene Ansätze zur Berechnung des Bruttoinlandsprodukts: ■ Entstehungsrechnung: Wo ist das Bruttoinlandsprodukt entstanden? ■ Verwendungsrechnung: Wie wird das Bruttoinlandsprodukt verwendet? ■ Verteilungsrechnung: Wie werden die bei der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts erzielten Einkommen verteilt? 9.2.1 Entstehungsrechnung Die Entstehungsrechnung erfasst die wirtschaftliche Leistung einer Periode nach ihren Quellen, d. h. nach den Wirtschaftsbereichen (Produktionsansatz). Die Wirtschaftsbereiche, die Güter produzieren, werden in drei Gruppen untergliedert: Primärer Sektor Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Sekundärer Sektor produzierendes Gewerbe Tertiärer Sektor ■ Dienstleistungen mit den Bereichen Handel, Gastgewerbe und Verkehr ■ Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister ■ öffentliche und private Dienstleister Die Summe der wirtschaftlichen Leistungen der einzelnen Wirtschaftsbereiche (Produktionswert – Vorleistungen) ergibt die Bruttowertschöpfung. Werden anschließend die Gütersteuern hinzugezählt und die Gütersubventionen abgezogen,1 so erhält man das Bruttoinlandsprodukt. Um den tatsächlichen Wertzuwachs/Wertverlust der Wirtschaftsbereiche feststellen zu können, muss der Wertverlust (Abschreibungen), der durch die Nutzung der Produktionsmittel entstanden ist, abgezogen werden (Nettowertschöpfung). Nettowertschöpfung = Bruttowertschöpfung – Abschreibungen 1 Der Saldo zwischen den Gütersteuern und den -subventionen heißt Nettoproduktionsabgabe. 450 9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und die Verteilung des Volkseinkommens Werden die Abschreibungen vom Bruttoinlandsprodukt abgezogen, so erhält man das Nettoinlandsprodukt. Nettoinlandsprodukt = Bruttoinlandsprodukt – Abschreibungen Entstehung des Bruttoinlandsprodukts in der Bundesrepublik Deutschland 2015 (in Mrd. €) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei + Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe + Baugewerbe + Handel, Gastgewerbe und Verkehr + Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister1 + Öffentliche und private Dienstleister2 = Bruttowertschöpfung f + Gütersteuern h – Gütersubventionen 4 j =Bruttoinlandsprodukt – Abschreibungen = Nettoinlandsprodukt Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): VGR 2015, Wiesbaden 2016. Das Bruttoinlandsprodukt und seine Komponenten lassen sich sowohl nominal (in jeweiligen Preisen) als auch preisbereinigt (real) darstellen. Diese Preisbereinigung erfolgt nach der Vorjahrespreismethode, d. h., die jeweiligen Gütermengen des betrachteten Jahres werden mit den Preisen des Vorjahres multipliziert und dann addiert. Die dabei errechneten Realwerte der einzelnen Jahre können nicht miteinander verglichen werden, da ihnen unterschiedliche Preise zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund veröffentlicht das Statistische Bundesamt keine Absolutwerte des realen Bruttoinlandsprodukts, sondern lediglich sogenannte Indexwerte. 15,0 701,2 128,1 421,6 715,7 741,1 2 722,7 Saldo3 + 303,2 3 025,9 531,2 2 497,7 1 2 3 4 Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2016, S. 65. Die Entstehungsrechnung macht den Anteil der einzelnen Wirtschaftsbereiche am Bruttoinlandsprodukt deutlich. 1 Die Position „Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister“ beinhaltet folgende Positionen: Finanz- und Versicherungsdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen, Unternehmensdienstleister. 2 Die Position „Öffentliche und private Dienstleister“ umfasst folgende Positionen: Information und Kommunikation, Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Sonstige Dienstleister. 3 Der Saldo zwischen den Gütersteuern und den -subventionen heißt Nettoproduktionsabgabe. 4 Kleinere Abweichungen zu den nachfolgenden Zahlen aus dem Begleitmaterial zur Pressekonferenz resultieren aus mittlerweile vorgenommenen kleineren Korrekturen des Statistischen Bundesamts. 451 9 Inlandsprodukt, Nationaleinkommen und Volkseinkommen 9.2.2 Verwendungsrechnung Eine andere Möglichkeit, das BIP zu errechnen, setzt an der Nachfrageseite an. Dabei wird untersucht, wofür die hergestellten Güter und Dienstleistungen verwendet wurden. So kann beispielsweise ein PC in einer Volkswirtschaft für den privaten Konsum verwandt werden, er könnte allerdings auch in Form einer Investition in einem Unternehmen zum Einsatz kommen oder gar in das Ausland exportiert werden. Im Rahmen der Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) werden die Ausgaben für die Endverwendung von Waren und Dienstleistungen ermittelt, d. h. private und staatliche Konsumausgaben, Investitionen sowie Außenbeitrag (Exportüberschuss = Exporte minus Importe). Die Verwendungsrechnung zeigt, wofür die Güter des Bruttoinlandsprodukts verwendet werden. Verwendung des deutschen Bruttoinlandsprodukts 2015 (Zahlen in Mrd. € in jeweiligen Preisen) Private Konsumausgaben + Konsumausgaben des Staates + Bruttoinvestitionen Ausrüstungen Bauten Sonstige Anlagen Vorratsveränderungen + Außenbeitrag (Exporte minus Importe) = Bruttoinlandsprodukt 1 632,7 589,2 197,3 297,2 108,5 – 35,2 567,8 236,9 3 026,6 Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016. 9.2.3 Verteilungsrechnung Die dritte Möglichkeit, das Bruttoinlandsprodukt zu berechnen, setzt an der Verteilungsseite an. Sie ermittelt die Aufteilung des Volkseinkommens auf das Arbeitnehmerentgelt und das Unternehmer- und Vermögenseinkommen (z. B. Zinsen, Dividenden, Gewinne, Miet- und Pachterträge). Der prozentuale Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen wird als Lohnquote bezeichnet. Sie stellt jedoch die materielle Einkommenslage der Arbeitnehmer schlechter dar als sie ist, weil in Deutschland rund die Hälfte aller Vermögenseinkommen den Arbeitnehmern zufließt. Die Berechnung der Lohnquote erfolgt nach folgender Formel: Arbeitnehmerentgelt · 100 Lohnquote = _________________________ Volkseinkommen Für das Jahr 2015 ergibt sich folgende Lohnquote: 1 542,8 · 100 Lohnquote = ____________ = 68,1 % 2 265,1 452 9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und die Verteilung des Volkseinkommens Verteilung des Volkseinkommens in der Bundesrepublik Deutschland 2015 und die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts 2015 (in Mrd. €) Arbeitnehmerentgelt (Inländer) Unternehmens- und Vermögenseinkommen Volkseinkommen Produktions- und Importabgaben an den Staat abzüglich Subventionen Abschreibungen Bruttonationaleinkommen Primäreinkommen, die Inländer aus dem Ausland beziehen Primäreinkommen, die Ausländer aus dem Inland beziehen Saldo = Bruttoinlandsprodukt 1 542,8 722,3 2 265,11 297,6 531,1 3 093,8 + = + + = – + – 67,2 3 026,6 Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016. Den prozentualen Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen bezeichnet man als Gewinnquote. 1 Unternehmens- und Vermögenseinkommen · 100 Gewinnquote = ______________________________________________ Volkseinkommen Für das Jahr 2015 ergibt sich folgende Gewinnquote: 722,3 · 100 Gewinnquote = ___________ = 31,9 % 2 265,1 Die Verteilungsrechnung zeigt die Aufteilung des Volkseinkommens auf die beiden Einkommensarten Arbeitnehmerentgelt einerseits sowie Unternehmens- und Vermögenseinkommen andererseits. Schematische Darstellung des deutschen Bruttonationaleinkommens 2015 Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt 67,2 Mrd. € + Bruttoinlandsprodukt 3 026,6 Mrd. € Produktions- und Importabgaben abzgl. Subventionen 297,6 Mrd. € + Bruttonationaleinkommen 3 093,8 Mrd. € Abschreibungen 531,1 Mrd. € + Volkseinkommen 2 265,1 Mrd. € Unternehmens- und Vermögenseinkommen 722,3 Mrd. € + Arbeitnehmerentgelt 1 542,8 Mrd. € Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016. 1 Es ergeben sich Rundungsdifferenzen. 453 10 Grundzüge der W irtschaftspolitik 10.5.4 Konjunkturpolitik des Staates Wesen. Zur Konjunkturpolitik rechnet man alle staatlichen Maßnahmen, die der Erreichung konjunktureller Ziele dienen. Ziele. Die Ziele der Konjunkturpolitik sind: Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Maßnahmen. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen, die getroffen werden, hängen von der Konzeption der Wirtschaftspolitik ab. Heute stehen zwei Konzeptionen im Vordergrund: 10.5.4.1 Nachfrageorientierte Konjunkturpolitik Die nachfrageorientierte Konjunkturpolitik basiert auf dem Grundgedanken, Konjunkturschwankungen durch Korrektur der Nachfragebedingungen zu beseitigen oder zu mildern (Fiskalismus).1 Im Vordergrund stehen dabei Maßnahmen der Finanzpolitik. Im Rahmen einer antizyklischen (dem Konjunkturzyklus entgegengerichteten) Finanzpolitik werden z. B. folgende Forderungen aufgestellt: Boom Rezession Ausgabengestaltung Senkung der Staatsausgaben Erhöhung der Staatsausgaben Einnahmengestaltung Steuererhöhung Steuersenkung In Zeiten der Rezession (des Abschwungs) und der Depression sollte der Staat notfalls mithilfe des sogenannten „Deficit-Spending“ (Staatsverschuldung) zur Förderung der Beschäftigung beitragen. Antizyklische Finanzpolitik Ausgaben IP = Inlandsprodukt Einnahmen Staatsausgaben Konjunkturverlauf Staatseinnahmen 0 Zeit 1 Unter „Fiskus“ versteht man den Staat schlechthin, insoweit er es mit den Staatseinnahmen (vor allem Steuern), Staatsausgaben oder Staatsvermögen zu tun hat. Das Wort Fiskus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Korb, Geldkorb, Kasse. Fiskalpolitik ist somit Wirtschaftspolitik mit Geldmitteln aus der Staatskasse. 490 10 Grundzüge der Wirtschaftspolitik ■ Wird das Geldmengenwachstum gestoppt, kann die mögliche zusätzliche Nachfrage nicht finanziert werden; die Preissteigerungsraten werden geringer; die Güterproduk­ tion stagniert oder geht zurück. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Aus diesen beiden Thesen folgt, dass eine Verstetigung des Geldmengenwachstums auch zu einer Verstetigung des Wirtschaftswachstums führen muss. Die führende Rolle in der Wirtschaftspolitik muss also die Zentralbank (Notenbank) eines Währungsgebiets haben. 1 Zusammenhang zwischen Fiskal- und Geldpolitik1 Ausgangslage Rezession Hochkonjunktur Staatshaushalt Geldmengensteuerung Staatshaushalt Geldmengensteuerung Ausweitung des Staatshaushalts (entsprechend den mittelfristigen Wachs­ tumsmöglichkeiten) Nachfrage des Staates steigt kräftiger als private Nachfrage Geldmengenerhöhung (in mittelfristigem Rahmen) unverändert steigen­ des Geldangebot trifft auf zurückhaltende Geldnachfrage (Inves­ toren/Konsumenten) Zinssenkungen mittelfristig übliche Wachstumsrate des Staatshaushalts Nachfrage des Staates wächst langsamer als private Nachfrage Geldmengenerhöhung (in mittelfristigem Rahmen) unverändert steigen­ des Geldangebot trifft auf hohe Geldnach­ frage (Investoren/ Konsumenten) Zinssteigerungen Konjunkturstabilisierung Konjunkturdämpfung Die Wirkungszusammenhänge bei den „feindlichen Schulen“ Fiskalisten Monetaristen Steuerpolitik die Vermögensaufteilung der Wirtschaftssubjekte, Veränderungen der relativen Preise und der Ertragsraten. Die Anpassung an die veränderten Situationen, bei der allerdings Informations- und Anpassungskosten berücksichtigt werden müssen, bewirkt . . . Nachfrageänderungen nach Investitionsund Konsumgütern und wirkt sich so aus auf ... Preise Inlandsprodukt Zentralbank Geldpolitik . . . beeinflusst nur sehr schwach über . . . . Geldmengenpolitik . . . Staat Staatsausgabenpolitik bew irkt . . wirkt ohne Geldpolitik nur sehr schwach ein auf . . . Zentralbank beein fluss t . .. Staat Fiskalpolitik hat unmittelbar Auswirkungen auf . . . und wirkt sich so aus auf ... Beschäftigung 1 In Anlehnung an: Landauer, Hans­Joachim: Wirtschaftskonjunktur und Konjunkturpolitik, Köln 1981, S. 42 f. 492 Zinssatz