Pädiatrisch-Kardiologische

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12.1 · Pädiatrisch-Kardiologische Diagnostik
12.1
Pädiatrisch-Kardiologische
Diagnostik
12.1.2
Klinische Untersuchung
Inspektion
> Herz- und Kreislauferkrankungen im Kindesalter umfassen
die große Gruppe der angeborenen Herzfehler, die erworbenen Herz-Kreislauferkrankungen, die Störungen des
Herzrhythmus und die Herz-Kreislauferkrankungen, die als
»Begleiterkrankung« bei anderen Erkrankungen auftreten.
6–8 von 1000 Neugeborenen werden mit einem angeborenen Herzfehler geboren! Durch die heutigen Möglichkeiten der interventionellen Kardiologie (Therapie mittels
Kathetertechniken) hat sich die Kinderkardiologie in den
letzten Jahren gewandelt. Diagnostik und Therapie in der
Pädiatrischen Kardiologie sind dadurch schwierig, dass
alle Befunde altersabhängig interpretiert werden müssen.
Anamnese, Untersuchung, EKG etc. müssen immer in Bezug auf das Lebensalter interpretiert werden.
Merke
Für die Diagnostik von Herz-Kreislauferkrankungen
steht eine Vielzahl von diagnostischen Methoden zur
Verfügung. Aus Anamnese, Untersuchung, EKG und
Echokardiographie kann fast immer eine akkurate
Diagnose gestellt werden. Die diagnostischen Verfahren müssen unter Berücksichtigung des Lebensalters
bewertet werden.
12.1.1
Die Inspektion erfasst Hinweise für ein übergeordnetes
Syndrom (»Stigmata«), das mit Herzfehlern assoziiert
sein kann. Eine kardiale Dystrophie weist auf eine längerdauernde Herzinsuffizienz hin, ein Herzbuckel auf eine
länger bestehende Herzvergrößerung. Eine »zentrale«
Zyanose (⊡ Abb. 12.1) (Beimischung von venösem zum
arteriellen Blut durch einen Rechts-links-Shunt) zeigt
sich in einer Blaufärbung der Lippen und der Zunge, der
Fingernägel und Zehen, bei sehr langem Bestehen in
Trommelschlegelfingern und Uhrglasnägeln. Oft besteht
eine vermehrte Injektion der Konjunktivalgefäße vor allem bei gleichzeitig bestehender Polyglobulie. Eine zentrale Zyanose unterscheidet sich von einer »peripheren
Zyanose« (durch eine vermehrte periphere Sauerstoffausschöpfung bedingt) dadurch, dass bei letzterer die
Zunge rosig bleibt (⊡ Abb. 12.1).
Eine obere Einflussstauung zeigt eine kräftig gefüllte
V. jugularis externa, Lidödeme und eine kräftige Venenzeichnung der oberen Extremität. Zeichen der Herzinsuffizienz sind Tachypnoe und Dyspnoe (angestrengte Atmung mit Einziehungen und Nasenflügeln). Schließlich
sollte auf ein aufgetriebenes Abdomen durch einen Aszites oder eine Hepatosplenomegalie als Zeichen der
Rechtsherzinsuffizienz bzw. Globalinsuffizienz geachtet
werden. Auch Hauterscheinungen können wegweisend
sein (z. B. Hautembolien bei Endokarditis).
Anamnese
Neben der Familienanamnese (erbliche Herzerkrankungen), der Schwangerschafts- und Geburtsanamnese,
muss gezielt nach Zeichen einer Herzinsuffizienz gefragt
werden. Im 1. Lebensjahr äußert sich eine Herzinsuffizienz in einer Trinkschwäche, vermehrtem Schwitzen, einer Gedeihstörung und einer beschleunigten und angestrengten Atmung (Einziehungen, Nasenflügeln). Nach
dem 1. Lebensjahr zeigen sich vermehrtes Schwitzen, eine
Gedeihstörung, und eine Infektanfälligkeit. Beim Kleinkind und Schulkind fällt oft ein Hang zu ruhigen Spielen
und wenig Freude an körperlicher Belastung auf, später
befindet sich das herzkranke Kind bei sportlichen Betätigungen im letzten Drittel seiner Altersgruppe. Nach einer
Zyanose muss meist nicht gefragt werden, meist sind die
Eltern sehr beunruhigt. Gezielt muss nach Anfällen von
Herzrasen, Schwindel und einer Synkope (Bewusstseinsverlust), gefragt werden. Nicht selten wird eine kardiale
Synkope zunächst als Krampfanfall gedeutet.
Palpation
Bei der Palpation wird präkordiales Schwirren erkannt.
Von großem Wert ist die Palpation der Pulse. Der persistierende Ductus Botalli (Pulsus celer et altus) und die
Aortenisthmusstenose (obere Extremitäten: kräftige Pulse; untere Extremitäten: abgeschwächte oder fehlende
Pulse) können so leicht diagnostiziert werden. Eine Pulsdifferenz zwischen oberer und unterer Extremität sollte
durch die Blutdruckmessung objektiviert werden.
Die Palpation der Leber- und Milzgröße ist unverzichtbarer Bestandteil jeder kardiologischen Untersuchung. Hepato- oder Hepatosplenomegalie sind klinische
Zeichen einer Herzinsuffizienz und dienen ihrer Verlaufbeobachtung. Der Herzspitzenstoß ist im Kindesalter
wegen des variablen subkutanen Fettgewebes diagnostisch wenig aussagekräftig.
12
360
Kapitel 12 · Herz- und Kreislauferkrankungen
Auskultation
a
Die Auskultation des Herzens ist eine der wichtigsten
Methoden für die klinische Diagnose angeborener Herzfehler. Die Auskultation erfolgt immer im Liegen und im
Sitzen, um die Lageabhängigkeit von Geräuschen zu prüfen. Das Stethoskop wird beidseits parasternal vom Jugulum bis zur Herzspitze hin (an mögliche Dextrokardie
denken!) in kleinen Abständen aufgesetzt. Zusätzlich
wird immer am Hals über den Carotiden und im Jugulum, am Rücken interscapulär links paravertebral und
über den Mittelfeldern beider Lungen abgehorcht, um die
Ausstrahlung eines Herzgeräusches beurteilen zu können.
Beurteilt wird zunächst, ob die Herzaktion rhythmisch und normofrequent ist. Danach erfolgt die Beurteilung der Herztöne. Wichtig ist die atemvariable Spaltung des 2. Herztones zu erkennen, diese Spaltung nimmt
mit der Inspiration zu (⊡ Abb. 12.2). Ein Verlust der atemvariablen Spaltung des 2. Herztones ist immer pathologisch und bedarf einer weitergehenden Abklärung. Nach
der Beurteilung des 2. Herztones wird nach Zusatztönen,
also einem 3. und 4. Herzton als Zeichen einer Myokardinsuffizienz und Clicks (Ejection Click, Mitralöffnungston, mittsystolischer Click bei Mitralprolaps) gesucht.
b
EKG
normal
akzidentell
Mitralinsuffizienz
12
Aortenstenose
Ventrikelseptum-Defekt
⊡ Abb. 12.1. Zentrale und periphere Zyanose.
a Zentrale Zyanose: Zyanotische Lippen und Finger, Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel, injizierte Konjuktiven; die ebenfalls zynotische Zunge ist nicht sichtbar. b Periphere Zyanose: Gesundes
Kind, bei dem nach langem Baden zyanotische Lippen auffallen, die
Zunge bleibt jedoch rosa. Es besteht eine periphere Zyanose durch
periphere Vasokonstriktion und vermehrte Sauerstoffausschöpfung
in der peripheren Strombahn (Normalbefund)
Pulmonalstenose
Vorhofseptum-Defekt
Ductus arteriosus apertus
Pulmonalinsuffizienz
Aorteninsuffizienz
⊡ Abb. 12.2. Typische Geräuschbefunde
361
12.1 · Pädiatrisch-Kardiologische Diagnostik
Elektrokardiogramm (EKG)
⊡ Tabelle 12.1. Lautstärke von Herzgeräuschen
Grad 1/6: Geräusch kann nur bei absoluter Stille gehört
werden.
Grad 2/6: Geräusch kann auch bei leisen Hintergrundgeräuschen gehört werden.
Grad 3/6: Lautes Geräusch ohne präkordiales Schwirren.
Grad 4/6: Lautes Geräusch mit präkordialem Schwirren.
Grad 5/6: Stethoskop muss nur zum Teil aufgesetzt werden.
Grad 6/6: Distanzgeräusch, kann ohne Aufsetzen des
Stethoskops gehört werden.
Danach werden systolische und diastolische Herzgeräusche, deren Punktum maximum und Ausstrahlung, Frequenz (hoch-, mittel-, niederfrequent) und Rauhigkeit
(rauh/ scharf, mäßig rauh, weich) des Geräusches beurteilt. Die Lautstärke wird in 1/6-Graden angegeben (⊡ Tabelle 12.1). Schließlich muss die exakte zeitliche Einordnung des Geräusches und des Geräuschmaximums erfolgen (⊡ Abb. 12.2). Die Auskultation der Lunge erfasst z. B.
feinblasige Rasselgeräusche als Stauungszeichen.
Perkussion
Die Perkussion ermöglicht die klinische Diagnose von
Pleuraergüssen, Atelektasen und Infiltraten; zur Beurteilung der Herzgröße ist die Perkussion zu unzuverlässig.
12.1.3
Apparative Methoden
Das EKG umfasst immer Standard- und Brustwandableitungen. Beurteilt werden der Rhythmus (rhythmisch,arrhythmisch) und die Frequenz der QRS-Komplexe (bradykard, normofrequent, tachykard). Jedem QRSKomplex sollte eine P-Welle vorangehen. Die Zeiten werden in Ableitung II gemessen (P-, PQ-, QRS-, QT-Dauer).
Schließlich wird die QRS-Achse bestimmt, die sich mit
dem Lebensalter ändert. Der Hauptvektor des QRS-Komplexes wird aus der Höhe der Amplituden in den einzelnen
Extremitätenableitungen bestimmt. Eine abnorme Richtung des in den einzelnen Altersstufen unterschiedlichen
Hauptvektors spricht für ein pathologisches Verhältnis
von rechts- und linksseitigem Ventrikelmyokard (z. B.Tricuspidalatresie,( s. S. 380),Fehllage des Herzens oder abnormer intrakardialer Erregungsleitung (z. B. AV-Septumdefekt). Beim gesunden Herzen wandelt sich das EKG
von der physiologischen Rechtshypertrophie des Neugeborenen zum Erwachsenen-EKG mit überwiegenden
linksventrikulären Potentialen (⊡ Abb. 12.3). Bei der Beurteilung der Repolarisation, muss das Verhalten der TWelle in V1 angeführt werden: diese ist in den ersten 24
Stunden nach der Geburt positiv, wird dann negativ, um
bei der Mehrzahl der Menschen um das 12. Lebensjahr herum wiederum positiv zu werden. Ein positives T in V1 ist
nach dem 2. Lebenstag und vor der Pubertät pathologisch!
Die Beurteilung der Repolarisation kann durch die
Ableitung des EKG’s unter Belastung (Fahrrad-Ergometrie) verfeinert werden, dies setzt jedoch eine entsprechende Körpergröße voraus (ab dem 5. Lebensjahr). Zur
Beurteilung von Rhythmusstörungen ist ein 24-StundenEKG (Holter-EKG) unverzichtbar, bei dem das EKG unter
alltäglichen Belastungen kontinuierlich registriert wird.
Einfache apparative Untersuchungen
Bei allen Patienten mit Verdacht auf einen Herzfehler,
besonders bei Neugeborenen, sollte eine transkutane
Messung der Sauerstoffsättigung erfolgen. Eine Messung des Blutdruckes an rechter oberer und unterer
Extremität (vorzugsweise oszillometrisch, Manschettenbreite = 2/3 Oberarmlänge) gehört zu jeder kinderkardiologischen Untersuchung. Bei Vorliegen eines
Hypertonus bzw. grenzwertigen Blutdruckwerten sollte
eine 24h-Blutdruckmessung erfolgen, um den zirkadianen Blutdruckverlauf und Blutdruckspitzen erfassen
zu können. Zur Diagnose einer orthostatischen Dysregulation ( vgl. 12.9.2.) stellt die Messung von Herzfrequenz und Blutdruck im Liegen und nach plötzlichem
Aufstehen (»Schellong-Test«) ein einfaches Verfahren
dar.
Echokardiographie
Die Echokardiographie ist in den letzten 15 Jahren zum
wichtigsten diagnostischen Instrument der Pädiatrischen Kardiologie geworden. Sie erlaubt die zweidimensionale Darstellung von Anatomie und Funktion des Herzens (⊡ Abb. 12.4), die Farbdoppler-Echokardiographie
die Darstellung der Blutflüsse im Herzen. Funktionelle
Details können mit der M-Mode Echokardiographie erfasst werden. Die Blutflussgeschwindigkeit wird mit dem
gepulsten Doppler (PW-Doppler), bei dem in rascher Folge Ultraschallwellen gesendet und empfangen werden,
und dem CW-Doppler ermittelt, bei dem kontinuierlich
Ultraschallwellen ausgesendet werden. Auf diese Weise
können Druckgradienten im Bereich von Herz und Gefä-
12
362
Abl.
Kapitel 12 · Herz- und Kreislauferkrankungen
Neugeborenes
1. Lebenstag
Neugeborenes
3. Lebenstag
Kleinkind
Adoleszent
I
II
III
⊡ Abb. 12.3. Das normale EKG beim
Neugeborenen, Kleinkind, und Jugendlichen.
V1
Beachte die Änderung der T-Welle nach dem
ersten Lebenstag und den Rückgang der
physiologischen rechtsventrikulären Hypertrophie
V6
12
ßen nicht-invasiv bestimmt werden (Bernoulli-Gleichung DP = 4 Vmax2). Bei Kindern ist die Qualität der
transthorakalen Echokardiographie fast immer ausreichend. Bei speziellen Fragestellungen und bei Jugendlichen erfolgt wegen der überlegenen Bildqualität ggf.
eine transösophageale Echokardiographie.
Echokardiographische Untersuchungen können
schon intrauterin vorgenommen werden, so dass angeborene Herzfehler während der Schwangerschaft diagnostiziert werden können. Jedoch ist der Anteil der vom
Geburtshelfer schon pränatal diagnostizierten angeborenen Herzfehler gering.
ständen und Druckgradienten.Aus der Messung der Sauerstoffsättigung und des Drucks in den einzelnen Herzund Gefäßabschnitten (⊡ Abb 12.5) lassen sich nach dem
Fick’schen Prinzip bei Kenntnis respektive Messung des
Sauerstoffverbrauchs verschiedene Kreislaufgrößen bestimmen, so das Groß- und Kreislaufminutenvolumen,
Links-Rechts und Rechts-Links-Shunts sowie der Widerstand des Körper- und Lungenkreislaufs. Eine besondere
Disziplin der Herzkatheterdiagnostik stellt die elektrophysiologische Untersuchung (EPU) dar, die eine exakte
Diagnose von Herzrhythmusstörungen und oft deren definitive Therapie durch Hochfrequenz-Ablation erlaubt.
Herzkatheteruntersuchung
Röntgen-Verfahren und Magnetresonanz-Tomographie
Die Angiokardiographie erfolgt mittels Röntgenkontrastmittel und dient der selektiven Darstellung der verschiedenen Herz- und Gefäßabschnitte. Technische Verbesserungen haben das Untersuchungsrisiko auf ein Minimum
reduziert. Die verwendeten Katheter haben nurmehr
einen Durchmesser ab 1,3 mm (4 French). Man unterscheidet die Rechtsherzkatheterisierung nach perkutaner
Punktion der V. femoralis (bei Neugeborenen auch nach
Kathetereinlage über die Nabelvene) sowie die Linksherzkatheterisierung, die – wenn möglich – über das Foramen
ovale (oder durch transseptale Punktion) oder aber nach
Punktion der A. femoralis durch retrograde Sondierung
der Aorta und des linken Ventrikels erfolgt. Nach arteriellen Zugang ist speziell bei Neugeborenen und Säuglingen
auf eine einwandfreie pulsatile Durchblutung des betreffenden Beins zu achten, um Komplikationen durch einen
Gefäßverschluss zu vermeiden.
Die Bedeutung der diagnostischen Herzkatheteruntersuchung liegt in der Messung von Drucken, von
absoluten und relativen Blutflüssen, von Gefäßwider-
Während das Röntgenbild des Thorax noch vor wenigen
Jahren unverzichtbarer Bestandteil der pädiatrisch-kardiologischen Diagnostik war, wird es heute nur noch für
gezielte Fragestellungen angefordert. Aussagekräftigere
Verfahren stellen das Computer-Tomogramm (CT) und
das Spiral-CT dar, die jedoch mit einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung verbunden sind. Mit der Magnetresonanz-Tomographie gelingt die Darstellung der
Anatomie und zusätzlich die Erfassung von Blutflüssen.
Im Vergleich zur Echokardiographie ist die Zeit für den
Bildaufbau lang,so dass Bewegungsartefakte das Bild verzerren. Bei kleinen Kindern muss die Untersuchung deshalb in Narkose oder tiefer Sedierung vorgenommen werden.
Labordiagnostik
Neben den klassischen genetischen Methoden (Chromosomenanalysen) sind die modernen molekularbiologi-
363
12.1 · Pädiatrisch-Kardiologische Diagnostik
a
110/70
96%
25/10
78%
6
96%
5
78%
110/0
96%
b
25/0
78%
⊡ Abb. 12.5. Halbschematische Darstellung der Herzhöhlen
und der großen Gefäße.
Druckwerte in mm Hg, systolisch und diastolisch, bei den Vorhöfen
Mitteldruck. Sauerstoffsättigung des Blutes in Prozent. Charakteristische Werte bei der Sondierung eines normalgebildeten kindlichen
Herzens zum Vergleich für die folgenden pathologischen Werte bei
angeborenen Herzfehlern
c
schen Methoden von zunehmender Bedeutung, weil für
eine Vielzahl von Erkrankungen (Williams-BeurenSyndrom: Elastin Gen; Marfan-Syndrom: Fibrillin Gen;
Myopathien–Kardiomyopathien, QT-Syndrom) deren
molekulare Grundlage aufgeklärt ist.
Bei zyanotischen Vitien müssen das Ausmaß einer
Polyglobulie und Polyzythämie (Hämatokrit) und der oft
assozierte Eisenmangel überwacht werden. Die Veränderungen des roten Blutbildes stellen einerseits einen Kompensationsmechanismus auf die vorhandene Hypoxämie
dar, sind aber auch die Ursache thrombotischer sowie
embolischer, speziell cerebraler Komplikationen. Zeichen
einer Myokardschädigung sind ein Anstieg der CK und
der myokardspezifischen CK-MB (sollte nicht höher als
10 % der CK sein). Bei erhöhter CK-MB muss eine soge⊡ Abb. 12.4. Die Echokardiographie ist zur wichtigsten diagnostischen Methode der Kinderkardiologie geworden.
Die zweidimensionale Echokardiographie a erlaubt die Darstellung
der Anatomie des Herzens (RV – rechter Ventrikel, LV – linker Ventrikel, PA – Pulmonalarterie); hier ist ein hypoplastischer linker Ventrikel
bei hypoplastischem Linksherzsyndrom dargestellt. Mit der M-Mode
Echokardiographie b wird die Bewegung des Herzens an einer Stelle
erfasst, so können Funktion und Dimensionen erfasst werden. Mit
der Doppler-Echokardiographie c wird die Flussgeschwindigkeit bestimmt, so dass Gradienten über Herzklappen gemessen werden können. Hier ein Normalbefund, die Flussgeschwindigkeit über die Pulmonalklappe beträgt 0,9 m/sec
12
364
Kapitel 12 · Herz- und Kreislauferkrankungen
nannte Makro-CK als Normvariante ausgeschlossen werden. Hilfreich ist hier die Bestimmung des Troponins.
Bei schwer herzinsuffizienten Patienten ist die rechtzeitige Erkennung eines Multiorganversagens von entscheidender Bedeutung für eine Intensivierung der Therapie bzw. die Implantation eines »assist device« (Kunstherzens) zur Überbrückung bis zur Herztransplantation.
Ein Nierenversagen zeigt sich in einem Anstieg von Kreatinin und Harnstoff; ein Leberversagen im Anstieg der
Transaminasen (GOT, GPT, yGT), einer gestörten Produktionsleistung der Leber (Abfall von CHE, Gerinnungsfaktoren, Albumin) und einer gestörten Exkretionsleistung der Leber (Anstieg des Bilirubins).
12.2
Kardiologische Therapie
12.2.1
Konservative Therapie
Herzinsuffizienztherapie
Digitalis führt zu einer Steigerung der Inotropie, meist
werden Digoxin-Derivate verwendet, seltener Digitoxin
(hepatische Elimination). Bei schwerer Herzinsuffizienz
kann die Resorption von Digitalis (und anderen Medikamenten) gestört sein. Bei Überdosierung treten als
Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen, Gelbsehen
und Rhythmusstörungen auf, sie werden durch eine Hypokaliämie verstärkt. Bei Digitalis-Intoxikation Gabe von
Digitalis-Antidot (FAB; 80 mg binden 1 mg Digoxin/Digitoxin).
pamin) und Phosphodiesterase-Hemmern (Enoximon)
eine Herzinsuffizienz wirksam behandelt werden.
Beeinflussung der Lungendurchblutung
Die Lungendurchblutung ist bei vielen angeborenen
Herzfehlern von zentraler Bedeutung und bei einigen
Herzfehlern »ductus-abhängig« (z. B. Pulmonalatresie).
Kommt es nach der Geburt zum Verschluss des Ductus
Botalli sistiert die Lungendurchblutung. Mittels Prostaglandin E1-Infusion (Minprog®, 0,005–0,1 mg/kg/min)
kann der Ductus Botalli pharmakologisch wieder eröffnet werden und so die Lungendurchblutung sichergestellt werden. Bei Frühgeborenen kann hingegen
durch Prostaglandinsynthese-Hemmer (z.B. Indomethazin) ein Verschluss des Ductus Botalli herbeigeführt
werden.
Beim Neugeborenen ist der pulmonale Gefäßwiderstand erhöht und fällt erst in den ersten Lebenstagen
bis -wochen ab. Durch die Gabe von Sauerstoff wird
der pulmonale Gefäßwiderstand gesenkt, ebenso
durch Prostazyklin-Infusion, eine Hyperventilation und
durch Zusatz von Stickstoffmonoxid (NO) zum Beatmungsgas.
Bei einigen Herzfehlern (z. B. Fallot’sche Tetralogie)
kann durch die Gabe von b-Blockern (Dociton®, Tenormin®) die Lungendurchblutung dann verbessert werden,
wenn eine muskuläre Kontraktion des rechtsventrikulären Infundibulums zu einer pulmonalen Minderperfusion führt ( »hypoxämischer Anfall« 12.4.1.).
Diuretika bewirken eine Reduzierung der Salz- und
Wasserretention und führen zu einer Senkung der Vor-
12
last. Meist wird Furosemid (Lasix®) in einer Dosierung
von 0,1 mg/kg bis 1 mg/kg in 3 bis 6 Einzeldosen gegeben.
Die Dosierung richtet sich nach dem Effekt (Körpergewicht kontrollieren!), kleinere Kinder benötigen bezogen
auf das Körpergewicht höhere Dosen als ältere Kinder. Da
Furosemid zu einem renalen Kaliumverlust führt, wird es
mit Spironolacton (Aldactone®, 1–3 mg/kg) kombiniert.
Bei einigen Herzfehlern ist die Gabe eines ACE-Inhibitors als Nachlastsenker indiziert, z. B. bei Aorten- und
Mitralinsuffizienz sowie bei Kardiomyopathien. Schließlich stellen einfache supportive Maßnahmen wirksame
Hilfen dar, wie eine milde Sedierung zur Senkung des
Sauerstoffbedarfs, eine Schräglagerung (Kopf erhöht) zur
Erleichterung der Atmung und ein Andicken der Nahrung bei Trinkschwäche und rezidivierendem Erbrechen.
Bei höhergradiger Herzinsuffizienz kann durch die
Gabe von Katecholaminen (Adrenalin, Dobutamin, Do-
Endokarditisprophylaxe
Bei angeborenen und erworbenen Herzfehlern ist das
Endokarditisrisiko erhöht, deshalb wird eine Endokarditisprophylaxe durchgeführt: 30–60 min vor Eingriffen im
Mund- und Rachenraum erhalten die Patienten 50 000
E/kg Penicillin G oral (max. 2 Mega) oder 15 mg/kg Clindamycin oral (max. 600 mg). Vor Eingriffen an Verdauungstrakt und Harnwegen 50 mg/kg Ampicillin intravenös (max. 2 g); vor Eingriffen an der Haut 50 mg/kg Flucloxacillin oral (max 2 g). Bei Penicillinallergie wird 15
mg/kg Clindamycin (max. 600 mg) oral verabreicht. Bei
hohem Endokarditisrisiko sollte eine intravenöse Prophylaxe (unmittelbar vor dem Eingriff und 8 Std. danach) erfolgen.
365
12.2 · Kardiologische Therapie
Arterielle Hypertonie
Eine arterielle Hypertonie liegt vor, wenn der systolische
und/oder der diastolische Blutdruck bei wiederholten
Messungen über der 95. Perzentile liegt (⊡ Abb. 12.6).
Eine milde Hypertonie liegt bei Werten von bis zu
10 mmHg über der 95. Perzentile, eine mittelschwere bis
30 mmHg, eine schwere bei Werten darüber vor. Bei
ängstlichen Kindern ist der Blutdruck oft situativ erhöht,
die 24-Stunden Langzeit-Blutdruckmessung in der gewohnten Umgebung schafft dann Klarheit. An der Regulation des Blutdrucks sind das Renin-Angiotensin-System, die natriuretischen Hormone sowie das zentrale
und periphere sympathische und parasympathische
Nervensystem beteiligt. Es muss zwischen einer primären (sog. essentiellen) und sekundären Hypertonie
unterschieden werden. 0,75 % aller Kinder sind Hypertoniker, bei 80 % von ihnen lässt sich keine Ursache finden.
Epidemiologische Untersuchungen und die bekannte Familienaggregation sprechen für eine polygenetische Ursache der primären Hypertonie, die häufig bei gleichzeitiger Adipositas vorliegt. Die häufigste Ursache für eine
sekundäre Hypertonie sind Erkrankungen der Niere.
Hierzu zählen vor allem die akute und chronische Glomerulonephritis (z. B. auch Purpura Schönlein-Henoch-
Nephritis), chronische Niereninsuffizienz, Refluxnephropathie, polycystische Nierendegeneration und Nierenhypoplasie. Die häufigste kardiovaskuläre Ursache ist die
nicht erkannte Aortenisthmusstenose, gefolgt von Nierenarterienstenosen. Zu den endokrinen Ursachen sind
Hyperthyreose, katecholaminproduzierende Tumoren
(Phäochromoctom, Neuroblastom) und Erkrankungen
der Nebennierenrinde (Cushing-Syndrom, adrenogenitales Syndrom, Hyperaldosteronismus) zu zählen, auch
eine zentrale Fehlsteuerung (Hirndruck, Hirntumor)
kann eine Hypertonie verursachen. Je jünger der Patient
und je schwerer der Hypertonus, desto wahrscheinlicher
liegt eine sekundäre Hypertonie vor, die dann einer kausalen Behandlung zugeführt werden muss. In der Therapie des essentiellen Hypertonus ist eine Senkung des
Kochsalzkonsums und ggf. eine Gewichtsreduktion anzuraten. Medikamentös ist als erster Schritt eine MonoTherapie mit b-Rezeptorenblockern (Atenolol, Metoprolol), einem AngiotensinConverting-Enzym (ACE)-Hemmer (z. B. Captopril) oder seltener Kalziumantagonisten
(z. B. Nifedipin, Diltiazem) indiziert, in der 2. Behandlungsstufe sollte eines dieser Medikamente mit einem Diuretikum (Hydrochlorothiazid oder Furosemid) kombiniert werden oder alternativ ein ACE-Hemmer oder b-
[ mmHg]
160
[ mmHg ]
160
Gelegenheitsblutdruck
bei Jungen
140
systolisch
95.PC
90.PC
systolisch
Gelegenheitsblutdruck
bei Mädchen
140
95.PC
90.PC
75.PC
75.PC
50.PC
120
100
50.PC
120
100
diastolisch
diastolisch
95.PC
90.PC
75.PC
80
50.PC
60
40
95.PC
90.PC
75.PC
80
50.PC
60
40
100
120
140
Körpergröße [cm]
160
⊡ Abb. 12.6. Gelegenheitsblutdruckwerte
bei gesunden Kindern
180
100
120
140
Körpergröße [cm]
160
180
12
366
Kapitel 12 · Herz- und Kreislauferkrankungen
Blocker mit einem Kalziumantagonisten. Bei TherapieResistenz kommt in einer 3. Stufe eine Dreierkombination von 2 Medikamenten der 1. Stufe und einem Diuretikum zur Anwendung.
Beeinflussung der Blutgerinnung
12
Nach einer Vielzahl von Operationen und Interventionen
ist eine passagere Beeinflussung der Blutgerinnung notwendig, bis es z.B. zur Endothelisierung eines Implantates gekommen ist. Nach der Implantation von künstlichen Herzklappen ist eine dauerhafte Antikoagulation
notwendig.
Heparin: Zur passageren Antikoagulation, intravenöse oder subcutane Applikation. Dosierung: 300–
500 E/kg/24 Std.; Kontrolle der Wirksamkeit: PTT
> 45 sec.
Azetylsalicylsäure (ASS, Aspirin Junior®): Thrombozytenaggregationshemmer, Dosierung: 2–3 mg/kg über
einige Wochen bis Monate.
Dicumarin-Derivate (Marcumar®): Dicumarin-Derivate wirken über eine Hemmung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren. Die Einstellung auf den therapeutischen Zielbereich ist durch häusliche Bestimmung der Prothrombinzeit, angegeben als INR-Wert
(international normalized ratio) wesentlich einfacher
geworden. Die Indikation liegt im wesentlichen bei
Patienten mit Kunstklappen, das Blutungsrisiko ist leider im Kindesalter nicht unerheblich. Das Therapieziel
liegt meist bei einem INR-Wert von 3,0–4,9. Vorsicht
ist bei der Gabe von Barbituraten und butazolidinhaltigen Verbindungen wegen einer Verdrängung aus der Eiweißbindung gegeben, bei der Gabe von Antibiotika
muss beachtet werden, dass diese die Darmflora hemmen.
12.2.2
Interventionelle Therapie
Ballondilatation
Mit Ballonkathetern (⊡ Abb. 12.7) können Gefäßstenosen
(»Angioplastie«) und Klappenstenosen (»Valvuloplastie«) erweitert werden. Es kommt zum Einriss der stenosierten Klappe im Bereich der verwachsenen Kommissuren bzw. des stenosierten Gefäßes im Bereich von Endothel und Media bis zur umgebenden Adventitis. Risiken
liegen in einer Klappeninsuffizienz nach Valvuloplastie
und der Ausbildung eines Aneurysmas nach Angioplastie. Bei elastischen Stenosen kommt es nicht zum Wand-
⊡ Abb. 12.7. Ballondilatation einer Aortenstenose bei einem
Frühgeborenen (1800 g):
Der Ballonkatheter wurde über die Nabelvene eingeführt und über
den rechten Vorhof, das offene Foramen ovale, den linken Vorhof, die
Mitralklappe und den linken Ventrikel in die Aorta vorgeführt. In der
Aortenklappe wurde der Ballonkatheter mit einem Druck von 8 atm
inflatiert. Die komplizierte Katheterführung vermeidet einen arteriellen Gefäßverschluss, eine der wichtigsten Komplikationen bei diesem
Eingriff
einriss, das Gefäß kann sich nach dem Aufdehnen wieder
zusammenziehen, so dass die Angioplastie ineffektiv
bleibt.
Stent-Implantation
Bei ineffektiver Angioplastie stellt die Stent-Implantation
eine therapeutische Alternative dar (Stent=Gefäßstütze).
Hier wird ein aufdehnbares Drahtgeflecht auf einen Ballonkatheter montiert, mit dem Ballon aufgedehnt und in
die Stenose implantiert. Alternativ gibt es »selbst-expanierende« Stents. Ein grundsätzliches Problem liegt im
Wachstum des Kindes, weil der Stent nicht mitwächst. Die
Implantation überdimensionierter Stents führt zu einer
Intimaproliferation, deshalb sollten im Kindesalter nur
Stents implantiert werden die später nachdilatiert werden können (⊡ Abb. 12.8). Selbstexpandierende Stents
sind wegen ihres definierten Enddurchmessers im Kindesalter nur in Ausnahmefällen indiziert.
Atrioseptostomie
Die interventionelle Vergrößerung eines Defektes im Vorhofseptum wird als Atrioseptostomie bezeichnet und
wurde 1965 erstmals von Rashkind durchgeführt, um bei
http://www.springer.com/978-3-540-44365-0
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