Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie sieht gesellschaftl

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Caritas Behindertenhilfe
und Psychiatrie e.V.
Fachverband des Deutschen
Caritasverbands
Bonner Erklärung – Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie sieht
gesellschaftliche Gefahren in den Trisomie-Bluttests und
Forschungen zur Präimplantationsdiagnostik (PID)
Gesellschaftliche Vorurteile
In der deutschen Gesellschaft gibt es gegenüber Menschen mit Behinderungen noch viele
Vorurteile und Diskriminierungen.1 Fehlende Möglichkeiten zur Begegnung und
Auseinandersetzung können zu Vorurteilen führen. Es ist ein solches Klima, das dazu
beiträgt, dass die Geburt von Kindern mit Behinderung gesellschaftlich auf wenig
Verständnis stößt und dass beispielsweise Schwangerschaften von Embryos mit
Downsyndrom fast regelhaft abgebrochen werden. Eltern mit einem behinderten Kind stehen
unter einem hohen sozialen Rechtfertigungsdruck und das neben den eigenen Fragen,
Zweifeln und Bedenken.
Werdenden Eltern entsprechend Behindertenfeindlichkeit vorzuwerfen, weil sie sich in
Anbetracht der Behinderung ihres Kindes für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden,
wäre verfehlt. Jede individuelle Entscheidung steht jedoch in einem sozialen und
gesellschaftlichen Kontext, und diesen gilt es im vorliegenden Themenfeld kritisch zu
hinterfragen. Auch wenn ein Schwangerschaftsabbruch nach der Abschaffung der
embryopathischen Indikation nicht wegen des Zustandes des Kindes, sondern nur wegen
des Zustandes der Mutter zulässig ist: Die Entscheidung ist letztlich immer auch geprägt von
der gesellschaftlichen Sicht auf Menschen mit Behinderungen.
Gesellschaftliche Zuspitzungen
Diese gesellschaftliche Sicht hat nicht nur in Deutschland sondern auch weltweit die
Forschung motiviert, weitere Verfahren zu entwickeln, um bereits in frühen Stadien einer
Schwangerschaft festzustellen, ob es genetische Defekte oder absehbare Schädigungen am
Embryo gibt, die zu einem Leben mit Behinderung führen. In Deutschland ist in diesem
Sommer von der Firma LifeCodexx ein Bluttest mit dem Namen Praena Test auf den Markt
gebracht worden, der es ermöglicht Embryos ab der 12 Schwangerschaftswoche auf
Trisomie 21 zu testen.2 Im Falle eines Befunds von Trisomie 21 empfiehlt LifeCodexx eine
humangenetische Beratung zur weiteren Entscheidungsfindung der Eltern. Mittlerweile
bieten in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 150 Praxen und Kliniken den Test
an. Mehrere private Krankenkassen übernehmen bereits die Kosten des Tests. Nach
Unternehmensangaben haben bislang rund 1.000 Frauen ihr ungeborenes Kind mithilfe des
Bluttest auf Trisomie 21 untersuchen lassen. Zudem soll der Test bald auch für die
Diagnosen von Trisomie 13 und 18 marktreif sein.
1
Folgende aktuelle Studie belegt dies am Beispiel von Frauen mit Behinderung: Schröttle et al,
Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland,
Bielefeld/ Berlin 2012 (BMFSFJ).
2
Der Praena Test ist auch in den Ländern Österreich, Lichtenstein und der Schweiz zugelassen. Die
Zulassung in weitere Länder soll bald folgen. LifeCodexx gibt für den Test eine Zuverlässigkeit von 95% an.
Validiert wurde der Test für die Zeitspanne von der 12. bis 33. Schwangerschaftswoche.
Die Selbstverständlichkeit mit der aktuell die Bluttest-Debatte, die kaum noch an die PIDEntscheidung des Bundestags vom 7. Juli 2011 anknüpft und gesellschaftlich weitgehend
ignoriert wird, verdeckt die Selektions-Optionen, die sich in diesen Entwicklungen zeigen.
Der Druck auf Mütter, die mit einem Kind mit Behinderung schwanger sind, wird sich weiter
erhöhen. In absehbarer Zeit werden durch Bluttests weitere chromosomale Veränderungen
erkennbar und identifizierbar sein. Die Gesellschaft muss sich mit dieser Entwicklung und
deren Folgen befassen, damit der Anspruch, eine inklusive Gesellschaft der Vielfalt zu
schaffen, und menschenrechtliche Ansprüche von Menschen mit Behinderung nicht von der
Wirklichkeit konterkariert und dadurch in ihrer Glaubwürdigkeit fundamental beschädigt
werden.
Sozialethische Positionen
Ausgehend vom christlichen Menschenbild lehnt der CBP Bluttests,
Präimplantationsforschung und Pränataldiagnostik ab, die zur Verhinderung von Leben
führen, das selbstgesetzten Normen nicht entspricht.
Der CBP setzt sich weiterhin nachdrücklich und auch im Lichte der
Behindertenrechtskonvention für die uneingeschränkte Verwirklichung des grundrechtlich
garantierten Lebensrechts von Menschen mit Behinderung ein.
Der CBP sieht die Ärzteschaft in einer besonderen Verantwortung: Sie sollen reflektiert über
die Pränataldiagnostik (PND) beraten und Frauen nicht drängen, die PID in Anspruch zu
nehmen. Damit eine Schwangere eine tragfähige Entscheidung für oder gegen ein Kind mit
Behinderung treffen kann, benötigt sie umfassende Beratung und Begleitung. Ärzte sollen
ein lebensnahes und differenziertes Bild des Lebens mit Behinderung und der vorhandenen
Hilfen vermitteln. Der CBP sucht daher das Gespräch mit der Ärzteschaft und will dabei die
problematische gesellschaftliche Wirkung von PID, PND und Bluttests thematisieren.
Gefordert sind hier Regelgespräche – regional und auf Bundesebene – in denen die
Ärzteschaft (Humangenetiker, Geburtshelfer und Gynäkologen), die psychosozialen
Beratungsstellen, die Schwangerschaftsberatungsstellen gemeinsam mit den
Behindertenverbänden die Entwicklungen der PND und PID kritisch begleiten.
Politik und Gesellschaft sind aufgefordert nachdrücklich für eine Gesellschaft der Vielfalt
einzutreten, die auch Kinder mit genetisch bedingten Behinderungen in ihrer Mitte
willkommen heißt. Nur rund 4% von den tatsächlichen Behinderungen sind genetisch
bedingt, die meisten Behinderungen treten mit oder nach der Geburt auf. Werdende Eltern
von Kindern mit angeborenen Behinderungen müssen alle Unterstützung erfahren, die sie
brauchen, um sich für das Leben ihres behinderten Kindes entscheiden zu können. Jeder
Form von öffentlichem gesellschaftlichem Druck auf Eltern behinderter Kinder muss
entgegengetreten werden.
Der CBP fordert Politik und Gesellschaft auf, sich nachhaltig für den Abbau von Vorurteilen
und Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Behinderung einzusetzen.
CBP Mitgliederversammlung
Kontakt: Dr. Thorsten Hinz
[email protected]
CBP Geschäftsstelle
Bonn, den 22.11.2012
Tel. 0761-200-301
Karlstr. 40, 79104 Freiburg
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