1. Einleitung Unter dem Begriff Wasserstoffbrückenbindung versteht man eine molekulare Wechselwirkung zwischen einem Protonendonor und einem über freie Elektronenpaare bzw. π-Elektronen verfügenden Protonenakzeptor. In der Biochemie (Sekundärstruktur von Proteinen; β-Faltblatt oder α-Helix) [1], der Pharmazie, der Kristallographie [2] und der Chemie spielt diese Art der Bindung eine besondere Rolle, für die hier einige Beispiele angeführt werden. So ist sie die Ursache für die α-helikale Struktur der DNS [3] und die anomale Ausdehnung von Wasser beim Gefrieren [4]. Ihr Auftreten ist auch maßgeblich verantwortlich für die Aktivität von Enzymen. In der Pharmazie ist sie bei Transportprozessen und für die Wirkungsmechanismen von Medikamenten von beachtlicher Bedeutung. Um solche schwer faßbare Mechanismen aufzuklären, verwendet man Modellsysteme, die eine einfache, auf das Wesentliche reduzierte Beschreibung der Wechselwirkungen ermöglichen. So setzt man an Stelle der kompliziert gebauten Stickstoffbasen einfacher gebaute Pyridinbasen und statt der diffizilen Hydroxyverbindungen einfache aliphatische und aromatische Alkohole ein. Wasserstoffbrücken zwischen Alkoholen und Aminen [5-12] wurden schon vielfältig und unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht, ebenfalls die Deuteriumbrücken [9, 11, 13-16]. Auch die weitaus schwächeren Wasserstoffbrücken von Protonendonoren mit freien Elektronenpaaren wie etwa von Halogenalkanen [17, 18] bzw. mit delokalisierten π-Systemen von Olefinen und Aromaten [19-27] wurden beobachtet. In dieser Arbeit soll der noch wenig bekannte Einfluß von Wasserstoffbrücken auf das Diffusionsverhalten von Alkohol-Amin-Assoziaten untersucht werden. Mit der Thematik beschäftigten sich schon SCHUPPE [29] und KAPS [30]. In ihren Arbeiten wurde das Diffusionsverhalten von Benzylalkohol-Amin-Komplexen in Toluol bzw. in Tetrachlorkohlenstoff untersucht. SCHUPPE bemerkte nach Vergleich der Diffusionsgeschwindigkeiten des unassoziierten Benzylalkohols (und der Amine) in Toluol mit denen der Assoziatkomplexe, daß wider Erwarten das gebildete Assoziat schneller diffundiert als der freie Alkohol. KAPS hingegen kam nach Tausch des Lösungsmittels Toluol gegen Tetrachlorkohlenstoff und unter Verwendung eines anderen Kapillarentyps zu einem entgegengesetzten Ergebnis, daß nämlich die Assoziate etwas langsamer diffundieren. Eine umfassende Erklärung dieses Phänomens konnten beide nicht geben. Deshalb soll in dieser Arbeit durch Vergleich des Diffusionsverhaltens verschiedener aliphatischer und aromatischer sowie einiger deuterierter Alkohole 1 mit dem ihrer Assoziate zu einem tertiären aromatischen Amin in verschiedenen Lösungsmitteln der diesem Phänomen zugrundeliegende spezielle Transportmechanismus geklärt werden. 2