Im Fokus:

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Nadja Podbregar
Dieter Lohmann
Im Fokus:
Geowissen
Wie funktioniert
unser Planet ?
Naturwissenschaften im Fokus
Reihenherausgeber
Harald Frater
Nadja Podbregar Dieter Lohmann
Im Fokus: Geowissen
Wie funktioniert unser Planet?
Mit Beiträgen von
Daniel Goliasch
Andreas Heitkamp
Roman Jowanowitsch
Autoren
Nadja Podbregar
MMCD, NEW MEDIA GmbH
Fürstenplatz 228
40215 Düsseldorf, Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-34790-0
DOI 10.1007/978-3-642-34791-7
Dieter Lohmann
MMCD, NEW MEDIA GmbH
Fürstenplatz 228
40215 Düsseldorf, Deutschland
[email protected]
e-ISBN 978-3-642-34791-7
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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c Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Lektorat: Frank Wigger, Dr. Meike Barth
Einbandentwurf: deblik, Berlin
Einbandabbildung: © NASA
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
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www.springer-spektrum.de
Inhaltsverzeichnis
1
2
Plattentektonik – Kontinente in Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Auf der Suche nach einer „Theorie der Erde“ . . . . . . . . . . . . . . . .
Feuer oder Wasser? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen . . . . . . . . . . .
Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Keine Erklärung für alles. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die „Bombe“ platzt – Alfred Wegener präsentiert
seine Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auf tönernen Füßen – Ablehnung und Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Konvektion kommt ins Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
„Und sie bewegen sich doch...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was passiert an den Plattengrenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die leise Revolution in der Theorie der Tektonik. . . . . . . . . . . . .
Reise zum Mittelpunkt der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Wellen als Hörrohr in die Tiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eine dünne Haut mit „Pickeln“: die Erdkruste. . . . . . . . . . . . . . . .
Motor mit Überraschungen: der Erdmantel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Sache mit den Superplumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kompakt ist Trumpf: vom oberen Mantel
bis zur Kerngrenze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Wirbel im Metallbad: der äußere Erdkern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eisen in „Atomium“-Struktur: der innere Erdkern . . . . . . . . . . . .
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Magnet Erde – kommt die große Umpolung?. . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Das Rätsel der Wundernadel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Norden ist nicht Norden... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der unsichtbare Schutzschild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verräterische Feuersteine – Umkehrungen des globalen
Magnetfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kommt der große Polwechsel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Den Ursachen auf der Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Henne-Ei-Problem im Geodynamo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Paläomagnetismus und der wandernde Meeresboden . . . . . . . . .
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Eine Kartoffel im Weltall – der irdischen Schwerkraft
auf der Spur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Daniel Goliasch
Herunterfallen nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wenn die Erde Karussell fährt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dellen, Beulen und eine Kartoffel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wo ist Normalnull? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aus der Ferne sieht man besser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schweremessung in der Schwerelosigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wettrennen im All bringt Daten auf die Erde . . . . . . . . . . . . . . . .
Hawaii – tropisches Paradies auf heißem Untergrund . . . . .
Dieter Lohmann
Wie kommen die Vulkane ins Meer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was die Hawaii-Inseln über die Erdgeschichte erzählen. . . . . . .
Und sie bewegen sich doch - Streit um Hot Spots . . . . . . . . . . . .
Krater, Aa-Lava und ein „Drive-in“-Vulkan . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Ein Kontinent zerbricht –
das Afrikanische Grabensystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Daniel Goliasch
Millionen Jahre in Sekunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Reißverschluss öffnet sich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grabenbrüche mit System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Entsteht ein neuer Kontinent?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Riesenwuchs und Salzseen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kontinentalränder – Streifzug in Europas
Unterwasserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Andreas Heitkamp
Unbekannte Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Vom Strand in die Tiefsee –
Reise zu den Kontinentalabhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Gebirge am Meeresgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Von Sedimentfallen und Unterwasserlawinen . . . . . . . . . . . . . . . . 96
„Grand Canyon“ unter Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Mal Land, mal Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
Süßwasser im Ozean: kalte Quellen am Meeresgrund. . . . . . . . . 100
Kaltwasserkorallen im Nordmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
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Gebirgsbildung – Wenn Berge in den Himmel wachsen. . . .
Andreas Heitkamp
Ein geologischer Unfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Himalaya auf der Streckbank, Alpen im Höhenrausch . . . . . . . .
Zerbrechliche Giganten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Feuriges Erwachen: vulkanische Gebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gebirge unter Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Falten, Sättel und Klüfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sprechende Steine: vom Alter der Gebirge. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nichts ist für die Ewigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mehr als nur die Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Erosion und Verwitterung – Landschaft im Wandel. . . . . . .
Andreas Heitkamp
Hungrige Flüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Uferlos - wie das Meer an der Küste nagt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Es gibt für alles eine Lösung – die chemische Verwitterung . . .
Im Wechselbad der Temperaturen –
die physikalische Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vom Winde verweht - das „Peeling“ der Steine . . . . . . . . . . . . . .
Wenn der Humus baden geht –
Erosion in der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gefahr am Hang - von Erdrutschen und Schlammlawinen . . . .
10 Wind – der unsichtbare Baumeister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Sturm und Staub – der Wind als Transportmittel . . . . . . . . . . . . .
Springende Körner – wie Dünen entstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Geheimnis der singenden Dünen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Löss – fruchtbares Geschenk des Windes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Treibsand – wenn Sand zur Falle wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sandstrahlgebläse in Aktion – Wind schafft Formen. . . . . . . . . .
11 Globale Zirkulationen – Alles im Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Roman Jowanowitsch
Die globale atmosphärische Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rennbahn Atmosphäre - die Jetstreams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ozeane in Bewegung – die Meeresströmungen. . . . . . . . . . . . . . .
Der Golfstrom – Europas Warmwasserheizung . . . . . . . . . . . . . .
Wimmelndes Leben und karge Wüsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hydrologische Weltenbummler – der Wasserkreislauf . . . . . . . .
12 Organismus Erde? Von der Gaia-Hypothese
zum System Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Vom passiven Spielball zum komplexen System . . . . . . . . . . . . .
Gaia – eine Idee wird geboren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tabubruch oder Pioniertat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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Daisyworld - Gänseblümchen erklären die Welt. . . . . . . . . . . . . . 156
Von Gaia zum „System Erde“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Beispiele für die Selbstregulation irdischer Stellgrößen . . . . . . . 159
13 Die Erde nach uns – Was bleibt
von der menschlichen Zivilisation?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nadja Podbregar
Die Bühne: unser Planet in 100 Millionen Jahren. . . . . . . . . . . . .
Knochen und Versteinerungen – was bleibt von uns? . . . . . . . . .
Konservierung als Lotterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schiefer, Moor und Plattenkalk –
„gelungene Konservierung“ in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . .
Mord als Konservierungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schatzsuche in der „Urbanschicht“ – Was bleibt
von unseren Städten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
License: creative commons – Attribution-ShareAlike 3.0
Unported . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Plattentektonik –
Kontinente in Bewegung
1
Nadja Podbregar
Zusammenfassung
Einer gegen alle, hieß es am 6. Januar 1912 auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main. An jenem
Tag hielt der damals 31-jährige Alfred Wegener seinen Vortrag über
die Entstehung der Ozeane und Kontinente und brachte damit althergebrachte Vorstellungen ins Wanken. Denn er stellte die These auf,
dass die Kontinente nicht unverrückbar an immer der gleichen Stelle
der Erdkruste bleiben, sondern im Laufe der Erdgeschichte ihre Lage
verändern können.
„Völliger Blödsinn!“ - so wie der Präsident der angesehenen amerikanischen philosophischen Gesellschaft reagierte die Mehrheit der
wissenschaftlichen Welt zunächst auf Wegeners Theorie. Wie vor
ihm Charles Darwin rüttelte auch Wegener an den Grundfesten eines
gängigen Weltbilds, auch er musste Ablehnung, beißenden Spott und
wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Die Mehrheit der
Wissenschaftlerkollegen weigerte sich, Wegeners Theorie überhaupt
ernst zu nehmen, schrieb sie als Ideen eines „inkompetenten Quereinsteigers“ der Geowissenschaften ab. Die Vorstellung, Teile der
festen Erdkruste könnten umherwandern, galt als absurd, widersprach allem, was bisher als richtig und gegeben galt.
Fast ein halbes Jahrhundert sollte es dauern, bis neue Vermessungen und Forschungen Wegener rehabilitierten und seine Theorie
bestätigten. Heute gilt Wegener als „Vater der Plattentektonik“.
N. Podbregar, D. Lohmann,
Im Fokus: Geowissen, Naturwissenschaften im Fokus,
DOI 10.1007/978-3-642-34791-7_1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
1
2
Plattentektonik – Kontinente in Bewegung
„Rückblickend darf man ihn aber auch als den Kopernikus der
Geowissenschaften bezeichnen, denn Wegener hat unser Bild von
der Erde revolutioniert und dafür am Anfang eine Menge Spott und
Häme in Kauf genommen“, sagt Reinhard Krause, Wissenschaftshistoriker am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Den Durchbruch seiner Theorie konnte der vor allem als
Polarforscher bekannte Alfred Wegener jedoch nicht mehr miterleben. Er starb im November 1930 in den Eiswüsten Grönlands - fast
30 Jahre vor der Rehabilitation der Plattentektonik. Doch was machte diese Theorie der „wandernden Kontinente“ so revolutionär? Warum wehrte sich die wissenschaftliche Welt so lange und vehement
gegen die doch scheinbar so einleuchtenden Erklärungen?
Auf der Suche nach einer „Theorie der Erde“
Mit dem Ende des Mittelalters und dem langsamen Entstehen der modernen Wissenschaften im 17. Jahrhundert begannen Forscher und Gelehrte mehr und mehr, nach einer „Theorie der Erde“ zu suchen - einer
glaubwürdigen Geschichte, die erklären konnte, wie die Erde und mit
ihr Gebirgsketten, Gräben und andere auffallende Phänomene entstanden sein könnten.
Der französische Philosoph René Descartes war einer der ersten, die
sich von einer rein biblisch geprägten Schöpfungsgeschichte zu lösen
begannen und eine eigene Theorie aufstellten. Nach dieser hatte sich
die Erde aus einem Stern gebildet, der durch zunehmende Ansammlung von Sonnenflecken langsam erkaltete. Dabei bildeten sich verschiedene, abwechselnd flüssige und feste Schichten, in denen auch
Hohlräume vorhanden waren. Brachen solche Hohlräume ein, kollabierten auch die darüber liegenden Strukturen der Erdkruste und falteten sich dabei auf - ein Gebirge entstand. Mit dieser „Hohlraumtheorie“ bot Descartes immerhin eine mögliche Erklärung für die
Entstehung der Gebirge und postulierte sogar schon das Vorhandensein von unterschiedlichen Erdschichten. Doch warum waren die Gebirge dann nicht gleichmäßig auf der Erde verteilt, sondern traten
gehäuft in Zügen und Bergketten auf? Und wie war zu erklären, dass
Feuer oder Wasser?
3
die Überreste von einstigen Meeresbewohnern auch auf dem Festland
gefunden worden waren?
Mit diesen Fragen befasste sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts
auch der englische Universalgelehrte Robert Hooke, Zeitgenosse und
Gegner des Physikers Isaac Newton. Er war der erste, der erkannte,
dass die Schichten der Erde und die in ihnen enthaltenen Objekte eine
Art Chronik der Erde darstellten. An ihrer Lage und Beschaffenheit
waren Informationen über die Erdgeschichte abzulesen. Weil er auch
im Binnenland, Kilometer von jedem Meer entfernt, Fossilien von Meereslebewesen fand, schloss Hooke, dass sich im Laufe der Erdgeschichte die Verteilung von Land und Wasser verändert haben musste.
Hooke stellte eine eigene Theorie auf, nach der sich die Pole der Erde großräumig verschoben. Dabei sollten sich die Äquatorialregionen
der Erde langsam in Richtung der Pole und die Pole langsam in Richtung des Äquators bewegen. Bei dieser Bewegung, so seine Vorstellung, müssten sich die Kräfte, die auf die Landmassen wirkten, wegen
der unterschiedlich starken Zentrifugalkraft schrittweise verändern. Als
Folge könnten sich Erdschichten verschieben oder zusammenbrechen,
Erdbeben entstehen und Teile des Landes ins Meer absinken oder angehoben werden. Da jedoch auch Hooke, wie noch alle seine Zeitgenossen, glaubte, die Erde sei bestenfalls einige tausend Jahre alt, hätten
diese umwälzenden Ereignisse in einem unwahrscheinlichen Tempo
stattfinden müssen. Folglich setzte sich die Idee der Polwanderung
nicht durch und geriet bald wieder in Vergessenheit. Doch Hooke hatte
mit dieser Idee einer sich wandelnden Erde bereits den Weg beschritten, auf dem mehr als zwei Jahrhunderte später auch unser heutiges
Weltbild basiert.
Feuer oder Wasser?
Im 18. Jahrhundert konzentrierte sich die Suche nach einer „Theorie der
Erde“ vor allem auf die Frage nach den Entstehungsmechanismen der
beobachteten Landschaftsformen und Phänomene. Gelehrte und Forscher teilten sich dabei in zwei Lager. Die einen sahen in der Kraft des
Wassers und der Meere den ausschlaggebenden Faktor für geologische
4
Plattentektonik – Kontinente in Bewegung
Veränderungen, während andere eher das Feuer, die Hitze des Erdinneren, favorisierten. Die formende Wirkung des Wassers - als Regen, in
den Flüssen und Weltmeeren - war leicht zu erkennen. Aber auch die
Macht des Feuers, in Form von Vulkanen, galt vor allem für die Bewohner des Mittelmeerraums als ein wichtiger Verursacher dramatischer Umwälzungen. Doch welche der beiden Kräfte spielte bei der
Gestaltung der Erde die Hauptrolle?
Einer der Wissenschaftler, die zwar den feurigen Ursprung der Erde
in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellten, aber auch dem Wasser
breiten Raum gaben, war der deutsche Universalgelehrte Gottfried
Wilhelm Leibniz. 1749 veröffentlichte er seine Theorie unter dem Titel
„Progaea“. Ähnlich wie Descartes nahm auch er an, dass die Erde aus
einem Stern entstanden sei und sich abgekühlt habe. Teile der Erdkruste seien dabei eingestürzt und die Meere bildeten sich. Nach Leibniz'
Vorstellungen sollte die Wirkung des Wassers dann aber das ursprüngliche Material weiter aufgebrochen und verändert haben, Fossilien in
Gesteinen erklärte er mit sintflutartigen Ereignissen. Mit dieser Theorie
war Leibniz gleichzeitig auch der Erste, der zwischen Gesteinen, die
auf die Entstehung der Erde zurückgingen, und Sekundärgesteinen, die
erst durch Verwitterung und Erosion dieses Urgesteins entstanden,
unterschied.
Einer der führenden strengen „Feuer-Theoretiker“ war dagegen der
schottische Geschäftsmann und Naturwissenschaftler James Hutton. Er
interessierte sich in erster Linie für die Hitze des Erdinneren und ihre
Auswirkungen auf die Veränderungen der Erde. Er erklärte 1749 die Entstehung von Vulkanen und Gebirgen mit einer Ausdehnung des geschmolzenen inneren Erdmaterials. Bräche das geschmolzene Material
dabei durch die darüber liegende Erdkruste, entstünden dort Vulkane,
hebe es die Kruste nur in die Höhe, seien Gebirgszüge die Folge. Im Gegensatz zu Leibniz war Hutton davon überzeugt, dass kein an der Erdoberfläche gefundenes Gestein echtes „Urgestein“ sein könne, da Aufstiegs- und Erosionsprozesse die Erdoberfläche fortwährend veränderten.
Zeitgleich mit Leibniz und Hutton beschäftigte sich auch ein französischer Naturforscher, der Comte de Buffon, mit der Frage nach den
Ursachen der Geologie. Auch er ging von einer sich langsam abkühlenden Erde und großen Hohlräumen in der Erdkruste aus, gehörte jedoch
eher zu den „Wasser-Theoretikern“. Er sah in Meeresströmungen „unter
Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen
5
dem Meer“ die ausschlaggebende Ursache für die Veränderungen der
Landmassen. Unter dem Einfluss der Erdrotation und der Strömungen
würden sich, so glaubte Buffon, am Meeresboden die Sedimente zu
gewaltigen Gebirgszügen auftürmen. Diese Gebirge traten an die Oberfläche und wurden zu Festland, wenn Wassermassen in die großen, ab
und zu einstürzenden Hohlräume der Erdkruste eindrangen und der
Meeresspiegel dadurch absank. Als einer der ersten beschrieb Buffon
auch die Ähnlichkeiten zwischen den urzeitlichen Tieren Nordamerikas
und Eurasiens und schloss daraus auf frühere Landverbindungen zwischen beiden Kontinenten. Er glaubte, dass in einem der letzten katastrophalen Großereignisse der Erdgeschichte diese Landbrücke über den
Atlantik eingestürzt und abgesunken sei. Die Idee einer solchen Landbrücke als Erklärung für biogeographische Besonderheiten sollte sich
noch bis weit in das 20. Jahrhundert halten.
Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen
Eine der immer wiederkehrenden Fragen in allen „Theorien der Erde“
war die Entstehung der Gebirge. Für Buffon oder Leibniz waren sie
urzeitliche Gebilde aus der Entstehungszeit der Erde. Für Hutton, den
Verfechter der Feuertheorie, entstanden sie dagegen fortwährend neu.
Sie waren Teile der Erdkruste, die durch unterirdische Verlagerung von
Magma angehoben worden waren und erst später durch Verwitterung
und Erosion ihr heutiges Gesicht erhielten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt die bis dahin vorwiegend theoretische Diskussion durch die zunehmende Feldforschung neue Impulse. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand dabei die Frage, wie und
warum die Gebirge der Erde so ungleichmäßig verteilt waren und zu
welcher Zeit sie entstanden sein könnten. Unter den Gelehrten, die sich
mit diesen Problemen befassten, war auch der Forschungsreisende und
Universalgelehrte Alexander von Humboldt. Auf seiner Südamerikareise im Jahr 1801 erforschte er nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt dieses Kontinents. Er erkundete auch die Lage und Ausrichtung von Gebirgsketten und suchte dabei nach einem übergeordneten Muster, einer
Analogie zwischen dem Verlauf von Küstenlinien und den Gebirgszü-
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Plattentektonik – Kontinente in Bewegung
gen in verschiedenen Ländern. Er entdeckte Anzeichen dafür, dass
Gebirgszüge bevorzugt in bestimmte Richtungen verliefen und dass sie
durch gewaltige, aus dem Erdinneren heraus wirkende Kräfte entstanden sein müssten.
Basierend auf den Beobachtungen Humboldts und anderer Feldforscher entwickelte der Franzose Elie de Beaumont, Professor am Collège
de France, eine Theorie zur Gebirgsbildung, die für weite Teile des
19. Jahrhunderts zum tonangebenden Paradigma werden sollte. Schon
1829 hatte de Beaumont festgestellt, dass die Gebirge nicht alle gleich
alt waren, sondern es offenbar mehrere Hauptphasen der Gebirgsbildung gegeben haben musste. Seine Erklärung dafür war einfach: Als die
Erde langsam abkühlte, zog sie sich zusammen, so dass sich die feste
Kruste von Zeit zu Zeit verwarf und verzog wie die Schale eines Apfels. Im Unterschied zur Apfelanalogie glaubte Beaumont jedoch, dass
diese Verrunzelungen plötzlich aufgetreten und mit Flutwellen und
anderen Katastrophen einhergegangen seien.
Doch wie war die ungleichmäßige Verteilung der Gebirge zu erklären? Wie schon Humboldt ging auch de Beaumont davon aus, dass die
Gebirgszüge der Erde nicht willkürlich angeordnet waren, sondern dass
ihrer Entstehung bestimmte zeitliche und räumliche Muster zugrunde
lagen. Aus den Berichten und Karten der Forschungsreisenden und Feldforscher glaubte Beaumont zu erkennen, dass sich die Gebirgsbildungszonen der Erde in fünfzehn Halbkreisen um den Globus zogen. Aus
Kreuzungen dieser Halbkreise ergab sich wiederum ein Netz aus zwölf
Fünfecken, das sogenannte „Pentagonalnetz“. Obwohl diese Hypothese
kaum von Fakten untermauert werden konnte, setzte sie sich zunächst
durch - nicht zuletzt dank der herausragenden Stellung Beaumonts in der
wissenschaftlichen Gemeinschaft. Reste dieser Apfeltheorie blieben,
wenn auch in veränderter Form, bis ins 20. Jahrhundert hinein erhalten.
Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte
Auch wenn die Theorie des „schrumpfenden Apfels“ nach wie vor die
Grundlage der meisten geologischen Überlegungen bildete: Im Laufe
des 19. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass sie zur Erklärung der
Keine Erklärung für alles
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Gebirgsentstehung nicht ausreichte. Es musste noch andere Kräfte und
Bewegungen geben, die die merkwürdigen Faltungen und Verwerfungen der Alpen, Anden und Appalachen erklären konnten. Besonders die
komplexen Formationen in den Alpen gaben den Geologen Rätsel auf.
Die gefalteten und teilweise überkippten Gesteinsschichten waren teilweise auffällig nach Norden gekippt, wie Wellen an einem Strand zeigten sie in eine Richtung. Diese Beobachtung widersprach der gängigen
Annahme, Gebirge seien durch Stauchung und Zusammendrücken der
Gesteine beim Schrumpfen der Erdkruste entstanden. Stattdessen legten
sie den Gedanken nahe, dass hier einseitig wirkende seitliche Verschiebungen am Werk gewesen sein mussten.
Und noch eine weitere Beobachtung warf Probleme auf: Im Zuge der
Vermessung Indiens wurde die gewaltige Größe und Ausdehnung des
Himalaya-Massivs immer deutlicher. Wie konnten diese aufgetürmten
Materialmengen nur durch Schrumpfen der Kruste erklärt werden? Und
warum blieb ein solcher Koloss von einem Gebirge auf der nur dünnen
Erdkruste, ohne in das glutflüssige Innere der Erde einzusinken? Die
einzige plausible Erklärung war die, mit der der Geologe und Astronom
G.B. Airy aufwartete: Er verglich die Gebirge mit Eisbergen, und stellte
fest, dass sie unter der Oberfläche tiefreichende „Wurzeln“ haben mussten, die sie im Gleichgewicht hielten. Zusätzlich aber müsse es einen
Unterschied in der Dichte des Materials geben, damit die Berge auch
wie Eisberge auf dem flüssigen Magma schwimmen. Tatsächlich schienen die Gesteinsschichten unter den Gebirgen erheblich dicker zu sein,
als die dünnen Ablagerungen auf dem Meeresgrund. Und auch ein
Dichteunterschied zeigte sich: Die ozeanischen Böden bestanden meist
aus dunklem basaltischen Gestein hoher Dichte, während in den Gebirgen meist helles Granitgestein geringerer Dichte überwog. Doch wie
waren diese Unterschiede zustande gekommen? Der „schrumpfende
Apfel“ allein lieferte dafür keinerlei Erklärung.
Keine Erklärung für alles
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das vorherrschende Bild der Erde
noch immer von der Idee der Stabilität geprägt. Viele Wissenschaftler
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Plattentektonik – Kontinente in Bewegung
hielten die Aufteilung der Erdoberfläche in Meeresbecken und Kontinente für seit Urzeiten vorhanden und unabänderlich. Veränderungen
waren ihrer Ansicht nach nur durch die Abkühlung des heißen Erdinneren und die damit verbundene Schrumpfung der Erde möglich. Andere
sahen die Ursache für Gebirgsbildungen, Ablagerungen von Sedimenten und anderen Phänomenen in einem unregelmäßigen Auf und Ab
von Teilen der Erdkruste. Bei allen Unterschieden war es bisher jedoch
keinem dieser Erklärungsversuche gelungen, die immer neuen Beobachtungen und Erkenntnisse, die die Geoforscher gewannen, zufriedenstellend zu erklären. Dazu gehörte auch die schon von Humboldt
und anderen Forschern gemachte Beobachtung, dass die Küstenlinien
Südamerikas und Afrikas, aber auch die Umrisse anderer Kontinente
und Inseln auffallend gut zusammenpassten. Auch die Tier und Pflanzenwelt einiger Kontinente und Landstriche zeigte deutliche Übereinstimmungen.
Ein Versuch, dieses Phänomen der Biogeographie zu erklären, stellte
die Theorie der „Landbrücken“ dar. So sollten zu unterschiedlichen
Zeiten in der Vergangenheit mehr oder weniger breite Landverbindungen zwischen den Kontinenten das Ein- und Auswandern von Pflanzen
und Tieren ermöglicht haben. Durch Absenken dieser Brücken sei dann
schließlich die heutige Trennung der Kontinente entstanden. Diese
Hypothese vermochte allerdings weder die klimatischen Veränderungen, noch die widersprüchlichen Befunde aus der Struktur der Ozeanböden zu erklären.
Eine andere ungelöste Frage warf die noch junge Wissenschaftsrichtung der Seismologie auf: Bei der Aufzeichnung von Erdbebenwellen
zeigte sich, dass Erdbeben keineswegs gleichmäßig verteilt auftraten,
sondern sich in bestimmten Regionen häuften. Wie Gürtel zogen sich
diese Bereiche seismischer Aktivität um die Erde und an den Rändern
der Kontinente entlang. Wie war diese Häufung zu erklären? Der Geologe Hugo Benioff vom California Institute of Technology fand in seinen Untersuchungen Hinweise auf „abnorme“ Verwerfungen und
Bruchflächen, die sich in ozeanischen Regionen und an den Rändern
von Kontinenten erheblich voneinander unterschieden. Außerdem zeigten die seismischen Messungen, dass die Erdkruste nicht, wie früher
angenommen, auf einem glutflüssigen Erdinneren schwamm, sondern
dass auch der Erdmantel zumindest in Teilen fest sein musste.
Die „Bombe“ platzt – Alfred Wegener präsentiert seine Theorie
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Die „Bombe“ platzt – Alfred Wegener präsentiert
seine Theorie
In diese scheinbar so verfahrene und verworrene Situation platzte ein
junger deutscher Wissenschaftler, der sich zwar bereits als Meteorologe
und Polarforscher einen Namen gemacht hatte, in den Geowissenschaften aber höchstens als „Quereinsteiger“ gelten konnte - Alfred Wegener. Paradoxerweise erhielt Wegener den Anstoß für die Theorie der
Plattentektonik ausgerechnet von der Landbrücken-Theorie, der er später so vehement widersprechen sollte. Wegener hatte gerade seinen
Posten als Dozent für Meteorologie und Astronomie an der kleinen
Universität von Marburg angetreten, als er 1910 in der Bibliothek auf
eine Reihe von Veröffentlichungen zu den Landbrücken stieß. In ihnen
wurden ausführlich die Fossilien beschrieben, die beiderseits des Atlantiks gefunden worden waren und die das Bestehen einer Landverbindung zwischen Südamerika und Afrika beweisen sollten.
Wegener war von diesen Übereinstimmungen fasziniert und suchte
nun auch in anderen Berichten nach weiteren Indizien für Ähnlichkeiten
zwischen beiden Kontinenten. Seiner zukünftigen Frau schrieb der
junge Meteorologe wenig später begeistert: „Passt nicht die Ostküste
Südamerikas genau in die Westküste Afrikas, als wenn sie einmal Teil
eines Ganzen gewesen wären? Dies ist ein Gedanke, den ich verfolgen
muss...“ Und genau das tat Wegener. Je mehr er sich mit dem Thema
befasste, desto klarer wurde ihm jedoch, dass die herrschende Lehrmeinung falsch sein musste. Er schrieb seinem zukünftigen Schwiegervater, dem anerkannten Klimatologen Wladimir Köppen: „Wenn die
Geschichte der Erde plötzlich eine völlig neue und sinnvolle Deutung
nahelegt, warum sollten wir dann zögern, die alten Ansichten über Bord
zu werfen?“ Zwei Wochen später trat er zum ersten Mal mit einer radikal neuen Sicht der Dinge ans Licht der Öffentlichkeit.
Am 6. Januar 1912, auf der Hauptversammlung der Geologischen
Vereinigung in Frankfurt am Main, ließ Wegener die Bombe platzen:
Er verwarf die gängige Theorie der Landbrücken und präsentierte stattdessen seine Vision von wandernden Kontinenten und sich aufweitenden Meeren. „Der Kern seiner These lautete: Die Großform der Erdoberfläche, genauer gesagt die Verteilung der Kontinente und Ozeane
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Plattentektonik – Kontinente in Bewegung
würde sich stetig ändern, weil die Kontinente wanderten“, erklärt der
Wissenschaftshistoriker Reinhard Krause vom Alfred-Wegener-Institut.
Für Wegener war klar, dass allein schon die unterschiedliche Beschaffenheit von Ozeanboden und Kontinentalplateaus ein längerfristiges
Versinken von Landverbindungen extrem unwahrscheinlich machte.
Durch die geringere Dichte der Landmassen hätten die Brücken wie ein
Korken auf dem Wasser immer wieder an die Oberfläche schwimmen
müssen. Weil aber Fossilienfunde und geologische Formationen andererseits eine frühere Verbindung der Kontinente eindeutig belegten,
musste es eine andere Erklärung geben - die Wanderung der Kontinente selbst.
Auf tönernen Füßen – Ablehnung und Kritik
Die Reaktion der Wissenschaftlerkollegen auf diese revolutionäre Idee
war ebenso eindeutig wie einhellig - Ablehnung auf der ganzen Linie.
Als „völliger Blödsinn“ bezeichnete sie der Präsident der amerikanischen Philosophischen Gesellschaft und Rollin Chamberlin, Geologe
der Chicagoer Universität erklärte: „Wegeners Hypothese ist von der
eher oberflächlichen Sorte. Sie nimmt sich einige Freiheiten mit unserem Globus heraus, ohne sich von lästigen Fakten binden zu lassen.“
Doch was war der Grund für diesen fast einhelligen und heftigen
Widerstand gegen Wegener und seine Theorie der Plattentektonik? Immerhin konnte er damit nicht nur die erstaunlichen biogeographischen
Übereinstimmungen zwischen den Kontinenten erklären, sondern bot
sogar eine dringend benötigte Erklärung für die Entstehung von Gebirgen im Inneren von Erdteilen wie dem Ural oder dem Himalaya an.
Wegener postulierte, dass der Ural Rest einer lange zurückliegenden
Kontinentkollision war, der tektonisch aktive Himalaya dagegen das
Ergebnis eines verhältnismäßig jungen Zusammenstoßes. Heute ist dies
eine selbstverständliche und eingängige Vorstellung, zu Wegeners Zeit
aber sorgte sie für einen Eklat. Dieser Proteststurm und Widerstand war
umso erstaunlicher, als dass die Idee von sich bewegenden Kontinenten
ja keineswegs neu war: Schon 1596 hatte der holländische Kartograph
Abraham Ortelius angedeutet, dass Amerika durch „Erdbeben und Flu-
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