Münchner Merkur: „Ärztefehler oder

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Münchner Merkur Nr. 147 | Mittwoch, 29. Juni 2011
MEDIZINKOLUMNE
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Man konnte es fast in jeder
Zeitung lesen: „Tausende Opfer von Ärztefehlern!“ Es ist
von Betrug und Ärztepfusch
zu lesen. Sprechen wir von
der Profitgier einiger weniger
Ärzte und bewusster Täuschung der Patienten, mögen
diese Schlagworte auch angebracht sein. Für den Medizinalltag sind diese Worte jedoch
völlig unangebracht.
Natürlich sind wir Ärzte in
einer Verteidigungsposition
und können nun sagen: Wo
Menschen arbeiten, da passieren auch Fehler und wo viel
gearbeitet wird, da passieren
auch viele Fehler. Ein Fehler,
insbesondere wenn er mit
Schmerzen, Leid oder gar einer dauerhaften Beeinträchtigung unserer Patienten verbunden ist, ist natürlich nie zu
entschuldigen.
Trotzdem,
sollte zunächst eine Statistik
aufdecken, von welchen Zahlen wir überhaupt sprechen.
40 000 Patienten haben
MEDIZIN
Leben
nach einer medizinischen Behandlung Beschwerde eingelegt, 10 000 haben Recht bekommen. Diese Zahlen müssen aber in Relation zu den
stattgefundenen Arzt-Patienten-Behandlungen
gestellt
werden. Das sind pro Jahr
nämlich 400 Millionen. Das
heißt, einer von 40 000 behandelten Patienten ist falsch behandelt worden und hat auch
Recht bekommen. Und was ist
mit den restlichen 39 999?
Zunächst sollte man unterscheiden, ob es sich bei dem
„Ärztefehler“ um eine Komplikation oder um einen echten Behandlungsfehler handelt. Kommt es nach einer
Hüft-OP zu einer Nachblutung – trotz korrekt durchgeführter Operation – spricht
man von einer Komplikation
und nicht von einem Behandlungsfehler. Der Patient wurde zuvor darüber informiert.
Kommt es zu einer Nachblutung, weil der Patient vor der
Hauptsache gesund
Dr. Barbara Richartz
Ärztefehler oder Komplikation?
Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz,
Chefärztin in der Klinik Jägerwinkel in
Bad Wiessee, erklärt den Unterschied.
OP blutverdünnende Mittel
eingenommen hat, sieht die
Sache anders aus. Hätten diese vorher abgesetzt werden
dürfen, spricht man von einer
vermeidbaren Komplikation.
Dürfen die Medikamente aus
medizinischen Gründen (et-
wa ASS oder Clopidogrel
nach einem Herzinfarkt)
nicht abgesetzt werden, handelt es sich „nur“ um eine
Komplikation. Der Patient
muss aber vorher schriftlich
über das erhöhte Blutungsrisiko aufgeklärt werden.
Bei diesen drei Beispielen
liegt kein Behandlungsfehler
vor. Wird die linke statt der
rechten Hüfte operiert, handelt es sich dagegen klar um
einen solchen. Hier lassen
sich Komplikation, vermeidbare Komplikation oder Behandlungsfehler leicht abgrenzen. Oft ist die Behandlung aber so komplex, dass
dies nicht mehr so gut möglich
sind. Aber eines steht fest: Es
ist weder Pfusch noch Betrug,
denn es ist nie von vorsätzlichem Handeln auszugehen.
Denn der ärztliche Vorsatz ist
immer zu heilen und zu lindern. Wenn das misslingt, ist
es oft schwer, sich selbst und
anderen das einzugestehen.
Was können wir Ärzte besser machen? An erster Stelle
steht hier die Kommunikation
mit den Patienten. Natürlich
nicht erst, wenn Fehler aufgetreten sind. Solche müssen jedoch ehrlich offengelegt werden. Ein Ausdruck des Bedauerns vonseiten des Arztes hat
ebenfalls große Bedeutung.
Wichtig ist jedoch: Eine medizinische Behandlung, auch
wenn sie nicht so, wie es angestrebt war, abläuft, ist nicht
zwangsläufig ein Behandlungsfehler. Ein weiteres Problem ist die Überlastung vieler
Ärzte. Schon jetzt haben wir
einen erheblichen Ärztemangel in strukturschwachen Regionen. Viele Medizinstudenten gehen lieber in die theoretische Medizin oder schlagen
andere Wege ein. Der Ärztemangel wird daher weiter zunehmen. Schade, denn gerade
der Beruf des Arztes ist einer
der schönsten und zugleich
wichtigsten!
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Myome: Ultraschall statt Skalpell
Etwa ein Drittel der Frauen leidet daran: Myome.
Führt eine solche gutartige Wucherung zu Problemen, entfernen Ärzte oft
die Gebärmutter. Dabei
können minimal-invasive
Verfahren diese meist erhalten. Jetzt verspricht eine weitere Methode raschen Erfolg: die Therapie mit Ultraschall.
VON SONJA GIBIS
Die
Blutungen
kommen
plötzlich. Jeden Monat werden sie stärker. Schuld ist ein
Myom, eine gutartige Geschwulst, die in der Gebärmutter von Linda E. wächst.
Eine Operation könnte der
55-Jährigen helfen. Doch wegen ihres behinderten Kindes
schiebt sie den Eingriff vor
sich her. Dann erfährt sie von
einer neuen Methode, das
Myom zu entfernen. Nicht mit
dem Skalpell, sondern per Ultraschall. Sie lässt sich in der
Uni-Klinik Lübeck bestrahlen. „Noch am Abend bin ich
mit meinem Mann essen gegangen“, erzählt sie. Die Blutungen sind sofort gestoppt.
Viele Frauen leiden unter
ähnlichen Beschwerden wie
Linda E. Denn bei mehr als jeder Dritten bilden sich bis
zum 50. Lebensjahr in der Gebärmutter gutartige Muskelknoten, sogenannte Myome.
Diese können in die Gebärmutter hineinwachsen, sich
aber auch an ihrer Außenwand oder innerhalb der
Schleimhaut bilden. Oft merken die Betroffenen nichts da-
Behandlung ohne Schnitte: Eine Patientin wird im Münchner Uni-Klinikum für die Ultraschall-Therapie vorbereitet.
von. Doch in manchen Fällen
kommt es zu Beschwerden,
etwa wenn große Myome auf
innere Organe drücken. Einige Frauen haben Bauchschmerzen, andere leiden unter starken Blutungen, bis hin
zur Blutarmut.
Führt ein Myom zu Problemen, gab es bisher vor allem
eine Therapie: die Entfernung
in einer Operation. Zwar können auch Medikamente die
Beschwerden lindern, indem
sie die Betroffenen quasi
künstlich in die Wechseljahre
versetzen. Wie in den natürlichen Wechseljahren beginnen
die Myome dann meist zu
schrumpfen. „Das ist aber keine Langzeittherapie“, sagt Dr.
Darius Dian, Frauenarzt am
Klinikum der Universität
München in der Innenstadt.
Werden Myome entfernt,
wird den Patientinnen auch
heute noch oft ihre Gebärmutter entnommen – was teils
zu erheblichen psychischen
Problemen führt. „Drei Jahre
nach der OP hat ein Drittel
der Frauen den Verlust noch
nicht verarbeitet“, sagt Dian.
Dabei gibt es in vielen Fällen
längst eine Alternative: In einem minimal-invasiven Eingriff, für den nur ein paar kleine Schnitte nötig sind, entfernen die Chirurgen nur die
Myome. Der Eingriff ist allerdings durchaus aufwändig.
Ergänzend zur Operation
gibt es jetzt auch eine neue
Methode mit Ultraschall: Als
eines der wenigen deutschen
Zentren bietet das Klinikum
der Universität München die
Therapie in der Innenstadt an.
Eine Aufnahme im Magnetresonanztomografen
(MRT)
muss zunächst zeigen, ob die
Myome sich mit dem Verfahren behandeln lassen. Nicht
infrage kommt die Therapie
wegen des starken Magnetfelds im MRT für Patientinnen
mit einem Herzschrittmacher
oder einem Innenohrimplantat. Auch starke Narben im
Bauch können ein Hindernis
sein. „Eine Kaiserschnittnarbe ist aber in der Regel kein
Problem“, sagt Dian.
KLAUS HAAG
Gut therapierbar sind Geschwulste von drei bis zehn
Zentimetern Größe. Bisher
wurden nur Frauen behandelt, deren Familienplanung
abgeschlossen war. In einer
Studie sollen in der Münchner
Uni-Klinik jetzt aber auch Patientinnen mit Kinderwunsch
therapiert werden.
Die Therapie komme ohne
radioaktive Strahlen und
Röntgenstrahlen aus, erklärt
Dr. Ulrich Linsenmaier vom
Institut für klinische Radiologie des Uni-Klinikums. Zerstört wird das Gewebe des
Myoms durch Hitze, die ein
gebündelter Ultraschallstrahl
erzeugt. Im Innern des Myoms erhöht sich die Tempera-
tur dann auf 60 bis 80 Grad.
Während der Behandlung
liegt die Patientin auf dem
Bauch in einem MRT. So sehen die Ärzte während der Bestrahlung, was im Inneren der
Patientin geschieht, auch wie
sich die Temperatur im Gewebe verändert. Die Gefahr, andere Gewebe zu verletzen,
werde so minimiert.
Etwa 5000 Patientinnen
wurden schon mit der neuen
Methode behandelt. Schwere
Nebenwirkungen gab es bisher nicht. Während der Therapie erhalten die Patientinnen
dabei nur Schmerz- und Beruhigungsmittel.
Manchmal
kann es dabei zu leichten
Schmerzen kommen. Je größer das Myom ist, desto weniger fühlen die Behandelten offenbar. Sie können noch am
Tag des Eingriffs die Klinik
verlassen.
Nach der Ultraschallbehandlung wird das abgestorbene Gewebe vom Körper
langsam abgebaut. Die Beschwerden können aber auch
sofort verschwinden – wie bei
Linda E. Denn das Myom
wird danach nicht mehr
durchblutet. Verursacht allerdings die Größe der Geschwulst die Probleme, kann
es einige Zeit dauern, bis genug Gewebe abgebaut ist, damit sich diese verringern.
Noch zögern die gesetzlichen Krankenkassen, die
Kosten zu übernehmen. Doch
sind die Mediziner zuversichtlich, dass die Methode bald in
den Leistungskatalog aufgenommen wird. Zurzeit müssen die Patienten aber noch
vorab mit ihrer Kasse verhandeln, ob die Behandlung bezahlt wird.
STERNENHIMMEL IM JULI ..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Laue Nächte unterm Sommerdreieck
Am abendlichen Himmel stehen jetzt die Sommersternbilder. Nach Einbruch der Dunkelheit erkennt man hoch im
Osten ein Dreieck aus hellen
Sternen, das von Wega in der
Leier, Deneb im Schwan und
Atair im Adler gebildet wird –
das Sommerdreieck. Im Westen strahlt der orangefarbene
Arktur. Wega und Arktur sind
die hellsten Sterne des Nordhimmels. Wega sendet im Unterschied zu Arktur ein weißlich-bläuliches Licht aus, da
sie viel heißer als der rötliche
Arktur ist. Der Große Wagen
ist hoch im Westen zu sehen,
er steigt langsam hinab, während weit im Nordosten das
Himmels-W, die Königin Kassiopeia, allmählich aufsteigt.
Im westlichen Teil des Firmaments sieht man noch die
Frühlingsbilder. Weit im Westen steht das große Sternen-
trapez, das den Rumpf des Löwen bildet, schräg zum Horizont gerichtet. Im Südwesten
trifft man auf die Jungfrau mit
ihrem bläulichen Hauptstern
Spica. Die Jungfrau wurde
auch als Göttin Astraea angesehen, die Gerechtigkeitsgöttin. Sie hält eine Waage in der
Hand, um die Seelen der
jüngst Verstorbenen zu wiegen und zu entscheiden, ob sie
in den Himmel auffahren dürfen oder in die Unterwelt gestürzt werden. Der Jungfrau
folgt im Tierkreis das Sternbild Waage.
Saturn ist der einzige helle
Planet am Abendhimmel. Er
entfernt sich langsam vom
Jungfraustern Porrima. Nur
im Teleskop kann man seinen
Ring sehen.
Der flinke Merkur bietet eine kleine Chance, ihn am
Abendhimmel zu erspähen.
Der Sternenhimmel
im Juli
N
Kapella
NO
2011
NW
FUHRMANN
GIRAFFE
ANDROMEDA
KASSIOPEIA
Polarstern GR.BÄR
PEGASUS
GR.WAGEN
Deneb
DRACHE
Wega
SCHWAN
HERKULES
KRONE
ADLER
EK
LIP
TIK
SC
HÜ
TZ
E
Himmelsanblick
am 1. Juli um 24 Uhr MESZ
bzw. am 15. Juli um 23 Uhr MESZ
W
BOOTES
LEIER
WASSERMANN
W
ASSERMANN Atair
SO
LÖWE
KL.WAGEN
KEPHEUS
O
LUCHS
SCHLANGENTRÄGER
SKORPION
S
Arktur
JUNGFRAU Saturn
R
ATO
ÄQU
Spica
WAAGE
Antares
SW
14884
Bei sehr guter Sicht kann man
den sonnennahen Planeten in
der ersten Juliwoche eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang tief am Westhimmel erkennen. In der zweiten
Nachthälfte dominiert der
hell strahlende Jupiter den
Himmel. Der Riesenplanet
hält sich zurzeit im Sternbild
Widder auf.
Venus bleibt unsichtbar,
doch taucht Mars am Morgenhimmel auf. Eine Stunde vor
Sonnenaufgang ist der Rote
Planet tief im Nordosten zu
erblicken. Mars eilt durch das
Sternbild Stier und wandert
an dessen Hauptstern Aldebaran am 6. Juli nördlich vorbei.
Später in der Nacht ist auch
der sonnenfernste Planet
Neptun im Sternbild Wassermann zu sehen. Der bläuliche
Planet ist so lichtschwach,
dass man ihn mit bloßen Au-
gen nicht sehen kann. Er wurde erst in der Nacht vom 23.
auf 24. September 1846 von
Johann Gottfried Galle und
seinem Assistenten Heinrich
d’Arrest auf der Berliner
Sternwarte entdeckt, nachdem der Franzose Urbain J. J.
Leverrier und der Engländer
John C. Adams seine Position
aus Bahnstörungen von Uranus errechnet hatten. Am 12.
Juli 2011 hat Neptun seit seiner Entdeckung einen vollen
Umlauf um die Sonne zurückgelegt. Denn er braucht 165
Jahre, um einmal die Sonne zu
umrunden. Neptun ist dreißig
Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde und zählt zu
den Riesenplaneten.
Am 1. Juli um exakt 10.54
Uhr ist Neumond. Am 15. Juli
um 8.40 Uhr ist Vollmond und
am 30. Juli um 20.40 Uhr ein
zweites Mal Neumond.
dpa
17
DIE AKTUELLE
MEDIZIN
Heute: Hilfe bei
Kopfschmerzen
Es wummert, bohrt oder
pulsiert, oft kommt Übelkeit hinzu: Kopfschmerzen haben etwa 80 Prozent
der Menschen in Deutschland in ihrem Schraubstock-Griff – viele davon
nur einige Stunden, manche aber auch tagelang.
Kinder und Jugendliche
sind ebenso oft betroffen
wie Erwachsene: Vier von
fünf Schülern leiden zumindest gelegentlich an
Kopfschmerzen.
Damit der Schmerz nicht
chronisch wird, sollte man
früh eingreifen: „Die Prävention von Kopfschmerzen muss schon in der
Schule beginnen“, rät Prof.
Andreas Straube vom Klinikum der Universität
München (LMU). Seit den
70er-Jahren habe sich die
Zahl der jungen Kopfschmerzpatienten vervierfacht. Mädchen sind fast
zweieinhalb Mal so oft betroffen wie Jungs – die Ursache dafür ist unklar.
Auch Kinder leiden oft unter Kopfschmerzen.
DPA
Frühzeitig eingreifen
Schon ein kurzes Aufklärungsprogramm in der
Schule kann das Risiko für
einige Arten von chronischem Kopfschmerz verringern, hat eine Studie aus
Norwegen gezeigt. Straube
will dies durch eine Untersuchung in Münchner
Gymnasien untermauern:
Die Schüler sollen über die
Beziehung von Ernährung,
zu wenig Bewegung und
Kopfschmerzen informiert
werden – und darüber, wie
sich Stress vermeiden lässt.
Auch Musikhören kann
schädlich sein: „Wer mehr
als eine Stunde MP3-Player hört, hat ein höheres
Kopfschmerzrisiko“,
warnt Straube. Auch wisse
man heute, dass viel Bewegung und Sport das Risiko
minimiere.
Zu viel Musikhören kann
Kopfschmerzen auslösen.
Empfindliche Nerven
Wer früh handelt, kann
verhindern, dass Kopfschmerzen chronisch werden. Betroffene haben eine
veränderte Schmerzwahrnehmung, eine Übererregbarkeit. „Die zentralen
Verarbeitungssysteme sind
dysreguliert“, sagt Prof.
Hans-Christoph
Diener
von der Uniklinik Essen.
So leiden Migräne-Patienten oft an einer Überempfindlichkeit der Haut, bei
der
jede
Berührung
schmerzt.
Holländische
Forscher berichten, dass
Patienten mit Depressionen doppelt so oft an einer
solchen Überempfindlichkeit leiden. Das zeige, dass
bei Kopfschmerzen oft zugleich weitere Krankheiten
behandelt werden müssten, sagt Diener – am besten in einer integrativen
Therapie, zu der auch Entspannungstechniken, psycho- oder bewegungstherapeutische Elemente gehören.
dpa
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