Fakten „Zecken, Fuchsbandwurm und Co. - Mythen und reale Gefahren im Wald“ Dr. Gertrud Hein, Natur- und Umweltschutz Akademie NRW (NUA NRW) Waldpädagogiktagung 10./11.März 2016 in Bonn Der Original-Powerpoint-Vortrag beinhaltet sehr viele erklärende Bilder, die allerdings wegen ihrer Größe nicht ins Netz gestellt werden können. Aus diesem Grunde fanden zahlreiche Bilder keinen Platz im vorliegenden Vortrag. Jeder Waldbesucher muss sich auf waldtypische Gefahren einstellen! Wald- und naturtypische Gefahren • zugefrorene Pfützen • Spurrillen • tote Äste, • Äste auf Augenhöhe • Waldarbeit • Forstmaschinen • angehobene Wurzelteller • Steinschlag • Felssturz • Astbruch auf Waldwegen • ……. Atypische Waldgefahren - ungesicherte Waldschranken, - nicht gekennzeichnete Baugruben, - durch Steinbruch entstandene Abbruchkanten, - nicht gesicherte Holzstapel - ungesicherte Arbeitsplätze - ……… Atypische Gefahren sind insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich auch nicht einzurichten vermag, weil er damit nicht rechnen muss. Kinder sind nicht in der Lage, Gefahren im Wald richtig einzuschätzen und dementsprechend selbst für ihre Sicherheit zu sorgen…….. Astbruch Sturm Wespen Holzpolter Abbruchkanten Totholz Giftige Pilze Eichenprozessionsspinner Altholz Tierkadaver Forstarbeiten Fuchsbandwurm Giftpflanzen Gewitter Stolperfallen Stacheln Dornen Zecken Jagdeinrichtungen Die vielen Gefahren scheinen uns den Blick auf den Wald fast zu versperren! Ist es nun die logische Konsequenz, auf die Waldpädagogik zu verzichten? Waldpädagogik ist wichtig! Die Angst vor möglichen Gefahren darf nicht übermächtig werden! Grundsätzlich kann von Waldpädagogen erwartet werden, dass sie sich im Gelände auskennen und auch eventuelle Risiken abschätzen können. Draussenkinder erwerben einen unbeschreiblichen Schatz an Kompetenzen Naturerlebnis ist wichtig für die gesundheitliche Entwicklung von Kindern! Wo passieren denn die meisten Unfälle? Bundesministerium für Gesundheit 2015 Jährlich müssen 1,7 Mio. Kinder (< 15 Jahre) nach einem Unfall ärztlich versorgt werden. Zu Hause bzw. privaten Umfeld = 43,8 % In Schule oder anderen Betreuungseinrichtungen = 24,2 % Auf Spielplatz oder in Sporteinrichtungen = 17,4 % - Häusliche Unfälle (Stürze, Vergiftungen, Verbrennungen …..) - Kindergarten, Schule, Ganztagsbetreuung (drinnen, draußen) - Straßenverkehr (Rad, Tretroller, zu fuß, im Auto,…..) - Sportbereich (Ballspiele, Geräteturnen, Skifahren,…..) - übriger Freizeitbereich (Reiten, Hund, Katze, Badeunfälle, Spielplätze, u.a.) Alle Statistiken zeigen, dass Unfälle im Wald sehr selten sind! ….aber jeder Unfall im Wald macht bundesweit Schlagzeilen!!!! Beispiel: Im April 2010 wurde in Rheinland-Pfalz ein 6-jähriges Mädchen bei einem Waldausflug von einem rollenden Baumstamm (20 m lang, 2 Tonnen schwer) getötet und 2 andere Kinder verletzt. Die Sechsjährige und drei weitere Kinder hatten sich auf einen Holzpolter gesetzt, der beim Herabklettern ins Rollen geriet. Verurteilung: Die beiden Erzieherinnen haben laut Urteil ihre Aufsichtspflicht verletzt und der Forstwirt sicherte den Baumstamm nicht richtig. April 2010 in Rheinland-Pfalz Waldpädagogen müssen den geschulten Blick auf den Wald haben und immer das Umfeld abchecken! Waldpädagogen kennen die Gefahren! Oben Links Rechts Unten + nach vorne Gefahr: Fuchsbandwurm Fakten sind nachzulesen: www.echinococcus.uni-wuerzburg.de Stand 2014-08 Die Infektion mit dem Fuchsbandwurm ist eine sehr seltene Erkrankung. Bundesweit jährlich ca. 20-30 Infektionen. Hauptrisikogruppe: Jäger, Landwirte und Hundebesitzer Größtes Risiko ist dort, wo viele Füchse sind. Es können 5 bis 15 Jahre vergehen, bis die Krankheit symptomatisch wird. Nachweis: Ultraschalluntersuchung der Leber, Blutuntersuchung. Ohne Behandlung (Operation, antiparasitäre Chemotherapie) verläuft die Krankheit oft tödlich. www.echinococcus.uni-wuerzburg.de Infektionsquelle für Fuchsbandwurm: direkter Kontakt (Jäger!), einatmen von Staub aus eingetrocknetem Fuchskot, Verzehr von kontaminierten Waldfrüchten, Pilzen, Gemüse und Salat. Vorsorge: Gründlich waschen, bzw. kochen bei 60° Fazit: Gefahr der Infektion ist relativ gering! Gefahr: Zecken FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) Auslöser: Virus, der zu einer Hirnhaut- oder Gehirn-Entzündung führen und tödlich enden kann. 2013 (420 Fälle), 2014 (265 Fälle) in Deutschland von FSME (Schwerpunkt: Bayern, Baden-Württemberg). Je nach Witterungsverlauf! Prävention: Impfung Borreliose Auslöser: Bakterium. > 15 % der Zecken sind in Deutschland mit Borrelien infiziert. 60.000 bis 100.000 Erkrankungen pro Jahr in Deutschland. Zecken sind auch im Park und in unseren Gärten. Prävention: helle langärmlige Kleidung, nach Waldbesuch „absuchen“! Je früher eine Zecke entdeckt wird, desto besser! Gefahren im Wald • Holzpolter STOP Tabu bei waldpädagogischen Aktionen • Kletterbäume Kinder suchen sich in der Regel selbst irgendwelche Kletterbäume und klettern hoch! Bei organisierten Veranstaltungen, bei denen ein Waldpädagoge Verantwortung trägt sollte das Beklettern von nicht geeigneten Bäumen unter-bunden werden. • Altholz, brüchige Äste STOP Kein Exkursionsstopp direkt unter einem offensichtlich geschädigten Baum! • Lose Äste im Blätterdach Waldpädagogen müssen darauf achten, ob z.B. durch einen Sturm in den Vortagen neue Gefahrenquellen entstanden sind. STOP STOP • Jagdliche Einrichtungen STOP Kein Beklettern von Ansitzen. • Giftpflanzen Verwechslungsgefahr: z.B. Bärlauch und Maiglöckchen Eiben sind extrem giftig! Keine Experimente! Nicht zeigen, dass man sie essen kann, denn nicht jeder hört richtig zu. Jugendliche könnten Mutproben machen! • Gesperrte Wege, Gefahrenschilder niemals Gefahrenwarnungen ignorieren • Unwetter, Sturm, Gewitter Die Zuggeschwindigkeit eines Gewitters kann durchaus 60 km/h betragen. Ein Gewitter kann also innerhalb von 1 Minute um 1 km näher kommen. Ab 3 km Entfernung gilt ein Gewitter als gefährlich. Wetter im Blick behalten. STOP STOP STOP • Steinbruchgelände STOP Absturzgefahr, Steinschlag • Körperkontakt mit Wildtieren z.B. Wespen, Fledermaus, Eichenprozessionsspinner, Schlange, Umgang mit Wildtieren Wir halten in der Regel Distanz. • Freilaufende Hunde STOP STOP Man muss alles tun, um einen Unfall zu verhindern! Allerdings gibt es im Wald keine Sicherheit nach DIN-Norm! Waldpädagogen checken das Risiko ab und sind aufmerksam! Regeln für Waldpädagogen Das Entdecken auf eigene Faust und der Kontakt zur Tieren ist wichtig. Diese Aktionen sind im Blick zu behalten! Kindern und Jugendlichen etwas zutrauen. Die Handhabung von Geräten erklären! Bewegung/Spiel im Wald ist wichtig, aber den Blick auf das Gelände behalten! Vorgaben machen, wie wetterfeste Kleidung, rutschfeste Schuhe! Risikoabschätzung: Was man als Waldpädagoge unbedingt wissen sollte: Handyempfang ja/nein Rettungstreffpunkt ja/nein Gefahren am Wegesrand, Aktionsplatz, Spielplatz • Holzpolter, Holzlagerplätze • Alt- bzw. Totholz, loser Ast nach Sturm • Pilzbesetzter Baumstanm • niedrige Äste (wg. Augen), stachliges Gebüsch, Dornen • Giftpflanzen, Giftpilze • Eichenprozessionsspinner, Wespen, Hornissen, Fuchsbandwurm, Zecken • Route in Nähe von Bahnstrecke, Straße, ehemaliger Bunker, Abbruchkante, Stacheldraht, loses Gestein am Steinbruch, Teich, Bach, u.a. • unübersichtliches Gelände • laufende Forstarbeiten • Jagdbetrieb, jagdliche Einrichtungen • …… Alternative/Konsequenzen: anderer Standort, Regeln aufstellen, Flatterband, Empfehlung: festes Schuhwerk, keine süßen Getränke wg. Wespen, u.a. Wegstrecke: • Zu lang? (Zielgruppe: Alter, Beweglichkeit, Kondition?) • Rutsch- oder Sturzgefahr? • Steigung (Zielgruppe: körperlich dazu in der Lage?) • Querung einer stark befahrenen Straße, Gang entlang einer Straße • Weg wird z.B. auch von Mountainbikern frequentiert (Unfallgefahr!) • Viele Personen mit Hunden unterwegs (Kot!) • Freilaufende Hunde • Frühzeitige Dunkelheit im Herbst/Winter • ………. Alternative/Konsequenzen: Alternativer Streckenverlauf, Warnweste, Blinker. Vorplanung / allgemeine Umfeldanalyse: • Aufspüren von potentiellen Gefahrenpunkten an Route/Spielplatz/Pausenplatz • Straßenquerung, Holzpolter, abschüssiges Gelände, u.a. • Handyempfang vorhanden? • Rettungstreffpunkt bekannt? • Ortskenntnis, • Vorhandene Warnhinweise/Verbotsschilder (z.B. Altholzbestand, brüchige Bäume) • ……………. Plan „B“ muss immer im Kopf sein! Handeln: Route bzw. Aktionspunkte festlegen, Veranlassung: - Ggfls. Rücksprache mit Schule, Kindergarten, Hinweis für Elternbrief (festes Schuhwerk, keine süßen Getränke, Kopfbedeckung, u.a.), Verpflichtung einer weiteren Aufsichtskraft, u.a. - Konkrete Hinweise zu Ge- und Verboten an die Gruppe Checkliste für den eigenen Rucksack: • Flatterband, • Warnweste, • Blinker, • Hilfe-Tasche, • Handy, • Karte, • u.a. Unmittelbar vor dem Einsatz: Wettercheck, allgemeine Wetterlage (Unwetterwarnung, Ozon, ?) Ortsbesichtigung: Kurzfristige Wegsperrung oder Holzarbeiten, aktueller Windbruch, offensichtlich geschädigter Baum (Pilzbesatz!), Eichenprozessionsspinner, neuer Holzpolter, Giftpflanzen. (jahreszeitlich bedingt viel Fingerhut oder Maiglöckchen?) Handeln: Route bzw. Aktionspunkte endgültig festlegen, ggfls. Alternativroute/ plan aufstellen, Wetter beobachten, Unwetterwarnung? Ggfls. Regeln aktualisieren Checkliste für den eigenen Rucksack: Flatterband, Warnweste, Blinker, 1. Hilfe-Tasche, Handy, Karte, Coolpack Checkliste aktualisieren: z.B. Wg. Hitze extra Flasche Wasser einpacken, u.a. Während des Einsatz: Unberechenbare Gefahren wahrnehmen und ggfls. reagieren: • Giftpflanzen, Brennnessel, Wespen, Ameisenhaufen, „zutrauliches“ Wildtier • Stolperfallen, rutschiges Gelände • Verhalten von Kindern beachten • ……… Handeln: Regeln kommunizieren Vielleicht auch konkrete Verbote aussprechen. Ggfls. auch Abbruch der Veranstaltung. Aufmerksam sein! Keine Angst vor Katastrophen! Die Risiken sind viel kleiner als befürchtet Jede Statistik und logische Denkansatz zeigt: Kinder sind auf dem Spielplatz, in der Wohnung und erst recht im Straßenverkehr um ein Vielfaches stärker gefährdet als in jedem Wald. Bewegung ist die beste Unfallprävention Danke für die Aufmerksamkeit!