Predigt: Was kann ich für die Gesundheit meiner Seele tun? Liebe Gemeinde, wir leben in einer Welt, in der sehr viel getan wird für den Körper. Im letzten Jahr gaben die Deutschen über 300 Milliarden Euro für ihre Gesundheit aus. Für jeden Einwohner über 3000 Euro. Dahinter steht eine Einstellung, die ich bei fast jedem Geburtstag höre, wenn jemand sagt „Hauptsache gesund.“ Doch gleichzeitig nimmt die Zahl der seelischen Leiden rapide zu. Da ist ein schmerzhafter Abschied, über den jemand nicht hinweg kommt oder eine berufliche Überlastung, die dazu führt, dass jemand über Monate in eine Depression versinkt. Und erst langsam begreifen wir, dass unsere Seele eine gute Pflege braucht – wie auch der Körper – sonst sind wir in dieser Welt sehr gefährdet. Und darum ist es mir ein großes Anliegen, mit Ihnen einige Minuten zu überlegen, was jeder von uns für die Gesundheit der eigenen Seele tun kann. Viele von Ihnen kennen diese Art der Predigten mittlerweile schon: Ich fange so ganz allgemein an und werde dann konkret. Sie können diese Predigt wieder mit nach Hause nehmen oder sie im Internet nachlesen und haben in Ihren Gesangbüchern so eine Kurzfassung zum Nachlesen. 1. Vor kurzem las ich ein Interview mit dem Dirigenten Christoph von Dohnany. Da hat er gesagt: „Wir leben in einer Zeit, in der wir glauben, dass es uns gut gehen muss und dass der Staat dafür verantwortlich ist. Ich glaube nicht, dass der liebe Gott sich das so gedacht hat.“ Immer wieder begegnen mir Menschen die mir sagen: Ich bin krank geworden, mit was habe ich das verdient? Wir sind gewohnt, unser Leben im Griff zu haben, schwach und hilfsbedürftig ist nicht vorgesehen. Von der Leipziger Theologin Gunda Schneider-Flume gibt es ein kleines Büchlein mit dem schönen Titel „Leben ist kostbar“. Als Untertitel hat sie provokativ darunter geschrieben: „Wider die Tyrannei des gelingenden Lebens“. 1 Mit diesem Untertitel meint sie: Es gibt doch Leben, das nicht gelingt. Aber gerade Zeiten, wo das Leben nicht gelingt, sind voller tiefer Erfahrungen Gottes. Mindestens Narben davon tragen wir alle an uns. Und vermutlich können wir alle im Blick auf diese Narben sagen: Wirklich reich in unserem Leben sind gerade die Zeiten, wo wir das Leben nicht im Griff hatten oder haben. Da waren oder sind wir Gott näher als in Zeiten, wo alles glatt hinging oder hingeht. Die Seele wird reich in Zeiten, wo wir gefordert sind. Darum: Wenn Ihre Seele leidet – da ist vielleicht ein Konflikt oder ein tiefer Schmerz – wir reagieren sofort mit dem Gedanken: Ich will das in den Griff bekommen. Aber vielleicht hat diese Situation einen tiefen Sinn. Vielleicht steckt in dieser Situation eine Frage an Sie. Es könnte gut sein, einmal zu schauen: Warum geschieht mir das? Das Leben stellt mir Fragen. Was könnte ich ändern? Darum mein erster Gedanke: Nicht-Gelingen, Nicht-Wohlfühlen ist ein ganz wichtiger Teil Ihres Lebens! Vielleicht lesen Sie in den nächsten Tagen einfach mal wieder ein paar Seiten im Neuen Testament. Da bekommt man ein Gespür dafür, dass das NichtPerfekte, das Gekrümmte unglaublich wichtig ist. 2. Was kann ich für die Gesundheit meiner Seele tun? Vielleicht kennen Sie das: Jemand fragt Sie, wie es Ihnen geht und Sie wissen es eigentlich gar nicht so richtig. In einer Welt, wo alles so schnell und so laut und so viel ist verlieren wir leicht das Gefühl für uns selbst. Jesus hat einmal gesagt: Was hilft es, wenn du die ganze Welt gewinnst und nimmst doch Schaden an deiner Seele. Darum bitte ich Sie, einen Moment mal sich selbst zu betrachten. So wie Sie dasitzen. Wie fühlt sich Ihr Körper an? Und wie geht es Ihnen so innerlich? Lassen Sie sich dafür ruhig Zeit. Das ist der zweite Schritt: Meine Seele braucht Aufmerksamkeit. So ein liebevoller Blick. Wie geht es im Moment? Wenn Sie Ihrer Seele etwas Gutes tun wollen, dann richten Sie es irgendwie ein, dass Sie möglichst drei Mal am Tag sich selbst liebevoll 2 anschauen. Viele Menschen, denen ich begegne, haben den Kontakt zu sich selbst verloren. 3. Was kann ich für die Gesundheit meiner Seele tun? Mir begegnen immer wieder Menschen, die sind seelisch ganz erschöpft. Und manchmal schauen wir dann: Welche Kontakte tun gut und welche nehmen Energie. Manches kann man nicht ändern, aber manches doch. Viele von uns sind so erzogen, dass wir leicht tun, was andere von uns verlangen. Wir haben gelernt, dass wir dann belohnt werden. Aber manchmal ist es wichtig, klar zu überlegen: Was tut mir wirklich gut. Überlegen Sie einmal einen Augenblick. Ihre Kontakte – welche geben Ihnen Energie und welche kosten Sie Energie? Vielleicht hat es ja seinen Grund, warum Sie manchmal so erschöpft sind und es wäre dran, hier etwas zu ändern? Was könnte das sein? Vielleicht suchen Sie sich einen Menschen, mit dem Sie diesen Punkt noch mal genau anschauen. 4. Was kann ich für die Gesundheit meiner Seele tun? Viele Menschen, denen ich begegne, erzählen mir, dass sie in ihrer Kindheit gelernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse runterzuschlucken. Das ist so wie ein Brille, die wir als Kinder aufgesetzt bekommen und unser ganzes Leben aufhaben. „Ich bin nicht willkommen, so wie ich bin. Außer ich passe mich an.“ Und das geht viele Jahre gut. Dieses Gefühl: Ich bin nicht gut genug. Aber irgendwann, oft in der Lebensmitte, meldet sich die Seele: Es reicht mit dem Runterschlucken der eigenen Bedürfnisse. So eine Sehnsucht, so wie ich bin geliebt zu werden. Ich habe an meinem Schreibtisch ein Bild hängen, dass Sie vielleicht kennen. Rembrand hat gemalt, wie der verlorene Sohn nach Hause zu seinem Vater kommt und der Vater legt die Arme um ihn. Probieren Sie einmal aus, immer mal wieder diese Vorstellung so richtig zu spüren. Sie kommen zu dem Vater – Gott – und er umarmt Sie. Einfach so. Weil er Sie liebt. Mit all dem, was in Ihrem Leben nicht gelungen ist umarmt er Sie. Vielleicht spüren Sie jetzt einfach einmal dies für einen Moment. Das tut der Seele gut! 3 5. Was kann ich für die Gesundheit meiner Seele tun? Biologisch gesehen sind wir Säugetiere die sehr abhängig sind. Damit das mit der Nahrung und dem Schutz funktioniert, müssen wir mit anderen gut zusammenarbeiten. Darum ist in unserem inneren Programm fest drin die Strategie der Anpassung. Das funktioniert so, dass es in uns eine Instanz gibt, die ständig beobachtet, ob wir zu stark von dem abweichen, was andere von uns erwarten. Man nennt das den „Inneren Beobachter“. Und der meint es an sich gut. Allerdings ist die Gefahr groß, dass dieser „Innere Beobachter“ zum „Inneren Richter“ wird. Menschen, die ich begleite, hören dann in sich Stimmen die ihnen sagen: „Du müsstest mal wieder, das geht aber nicht, überleg dir genau, wenn du das machst.. , das hat noch nie funktioniert..“! Oder auch Sätze wie die „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ oder: „Nicht geschimpft ist genug gelobt!“ Was dagegen hilft? Aufmerksam sein. Auf diese Stimmen. Zum Beispiel: Ich sehe jemand und denke: „Warum bist du nicht so wie der?“ Stop: Da ist er wieder, der Innere Richter. Und ich sage ihm bewusst: Das bin ich und das ist der andere. Oder ich habe einen Fehler gemacht. Ärgere mich tierisch. Stop: Da ist er wieder, der Innere Richter. Und ich sage ihm bewusst: Ich muss nicht fehlerlos leben. Ich überlege mir, etwas in meinem Leben zu ändern. Schon ist der Innere Richter da. Was sollen die anderen von dir denken. Oder: Das schaffst du doch sowieso nicht. Stop: Da ist er wieder, der Innere Richter. Und ich sage ihm bewusst: Das ist mein Leben. Und das möchte ich leben. Eigentlich ist das ganze Leben Jesu eine Einladung: Lebe dein Leben. Vielleicht finden Sie in den nächsten Tagen wieder mal etwas Zeit, im Neuen Testament etwas zu lesen. Oft sagt Jesus: Achte immer wieder darauf, was deiner Seele gut tut. Du hast nur die eine. Amen 4