was die zellenwelt im innersten zusammenhält

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Das Zytoskelett durchzieht als dicht verästeltes Netzwerk die Zelle und bestimmt deren Form und mechanische Festigkeit.
Mit seiner Hilfe können sich Zellen teilen, Material aufnehmen und auf externe Einflüsse reagieren. Darüber hinaus dient es
zum Transport von zellulären Strukturen wie Vesikeln und Mitochondrien. An der LMU forschen über dieses Zellskelett
die Labore von Professor Michael Schleicher und Professor Manfred Schliwa, beide vom Adolf-Butenandt-Institut.
Sie sind Teil des interdisziplinären Sonderforschungsbereichs „Dynamik und Regulation zytoskelettabhängiger
Bewegungsvorgänge“.
SUSANNE WEDLICH
w a s d i e z e l l e n w e lt i m i n n e r s t e n z u s a m m e n h ä lt
er Kern liegt in der Regel in der Mitte, die restlichen Bestandteile gruppieren sich um ihn herum. Diese Standard-
D
darstellung der Zelle kennt fast jeder, doch gerecht wird sie dem lebenden – und keineswegs statischen – Vorbild
nicht. Denn meist fehlt einer der wichtigsten Bestandteile komplett oder ist bestenfalls angedeutet: das Zytoskelett. Als
dicht verästeltes Netzwerk durchzieht es die Zelle, stützt sie und verleiht ihr eine außerordentliche Dynamik. Nur mit Hilfe
des Zytoskeletts können Zellen ihre äußere Form verändern, sich teilen, Material aufnehmen und auf externe Signale
reagieren. Manche Zellen, etwa Blutkörperchen, bewegen sich entlang von Oberflächen und im Gewebe. Im Zellinneren
werden unablässig verschiedene Komponenten an ihre jeweiligen Bestimmungsorte transportiert.
Unter der Leitung von Professor Manfred Schliwa und Professor Michael Schleicher widmen sich gleich zwei Labors der
Zellbiologie-Abteilung des Adolf-Butenandt-Instituts an der LMU dem Zytoskelett. Beide gehören auch zum Sonderforschungsbereich (SFB) „Dynamik und Regulation zytoskelettabhängiger Bewegungsvorgänge“, dessen Sprecher Michael
Schleicher ist. Neben den Zellbiologen sind an diesem interdisziplinären Forschungsprojekt auch Physiker und Chemiker
der LMU und der Technischen Universität München beteiligt. „Meine eigene Arbeit im SFB lässt sich unter ‚molekulare
Zellbiologie’ einordnen“, so Michael Schleicher. „Mich interessiert unter anderem, welche grundlegenden Prinzipien in
allen eukaryontischen Organismen vorhanden sind. Auf lange Sicht möchte ich wissen, wie Zellmembran und Zytoskelett
interagieren, wenn sich zum Beispiel eine Zelle auf einen Umweltreiz hin gerichtet bewegt.“ Verantwortlich für die
Bewegung ganzer Zellen, aber auch die Zellteilung und Muskelkontraktion, sind vor allem die Aktinfilamente, die aus einer
langen Reihe einzelner Aktin-Bausteine bestehen. Sie sind einer von drei zellulären Filamenttypen, die alle ständig neu
gebildet, ab- und umgebaut werden. Die Filamente sind aber nur so etwas wie ein ‚Schienensystem’. Für den eigentlichen
Transport sind molekulare Motoren nötig. Sie binden gleichzeitig an die zu bewegende Ladung und ein Filament, an dem
sie unter Energieverbrauch entlang wandern. „Motoren sind ganz erstaunliche biologische Maschinen“, meint Manfred
Schliwa. „Sie sind verantwortlich für fast alle Formen der Bewegung in der belebten Welt – ob es sich um den Transport
eines winzigen Vesikels oder das Stampfen eines Dinosauriers handelt.“ Drei Klassen von Motormolekülen gibt es: Myosine,
die sich entlang von Aktinfilamenten bewegen, sowie Dyneine und Kinesine, die Mikrotubuli-Filamente als ‚Gleise’ benutzen.
„Ich bin fasziniert von Bewegungsvorgängen, denen immer auch eine visuelle und ästhetische Komponente innewohnt“,
meint Manfred Schliwa. Ende 2002 erschien das von ihm herausgegebene Standardwerk Molecular Motors.
Das Schliwa-Labor untersucht vor allem die Struktur und Funktionsweise der Kinesine, großer, lang gestreckter Moleküle
mit zwei ‚Köpfen’ und einem gegabelten Schwanz. Sie transportieren hauptsächlich Zellbestandteile und Vesikel, an deren
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INTERDISZIPLINÄRE EINSICHTEN
7 Es gibt drei Klassen molekularer Motoren, die hier mit je einem Vertreter
elektronenmikroskopisch und schematisch abgebildet sind: Myosin assoziiert
mit Aktinfilamenten, während Kinesin und Dynein an Mikrotubuli binden.
Membranen sie binden können. Das andere Ende der Kinesine, die ‚Kopfregion’, bindet an Mikrotubuli. Diese relativ steifen und hohlen Proteinröhren wachsen üblicherweise von einem kleinen Zellbestandteil aus,
dem Zentrosom. Die meisten Kinesine laufen ‚vorwärts’ auf den
Mikrotubuli, also von den Zentrosomen in Richtung Zellperipherie. „Es
gibt aber eine Klasse, die ‚rückwärts’ läuft“, berichtet Manfred Schliwa. „Bereits 1997 konnten wir als erste nachweisen,
dass die Bewegungsrichtung durch den ‚Hals’, ein Strukturelement unterhalb des ‚Kopfes’, bestimmt wird.“ Die Hauptfunktion des Zentrosoms ist die Organisation der Mikrotubuli während der Zellteilung, bei der diese Filamente eine wichtige
Rolle bei der Verteilung des genetischen Materials auf die beiden entstehenden Zellen spielen. Die Morphologie von Zentrosomen in verschiedenen Organismen ist erstaunlich vielfältig. Manfred Schliwa und sein Team konnten ein neues Zentrosomen-Protein, DdCP224, identifizieren, das permanent in diesem Zellbestandteil zu finden ist, wenn auch nicht immer
an derselben Stelle. DdCP224 wurde von den Wissenschaftlern in Dictyostelium discoideum gefunden, einer so genannten
sozialen Amöbe, die vielfältigen Einsatz als Modellorganismus findet. Auch Michael Schleicher arbeitet mit dieser Amöbe:
„Dictyostelium ist so attraktiv, weil wir Zellbewegung im Einzelzell- und Multizellstadium untersuchen können. Darüber
hinaus bewegt sich Dictyostelium am Ende seines Entwicklungszyklus wie ein vielzelliger Organismus, bei dem sich Zellen
unterschiedlich ausdifferenzieren und primitive Gewebe bilden.“ Bei ungünstigen Umweltbedingungen versammeln sich
bis zu 100.000 der sonst einzeln lebenden Dictyostelium-Amöben. Sie aggregieren und bilden einen langen Stiel aus, an
dessen Spitze eine große Sporenmasse thront. Die darin enthaltenen, sehr widerstandsfähigen Sporen werden über den
Wind in andere und möglicherweise lebensfreundlichere Gegenden verteilt. „Die Bewegung dieser Amöbe lässt sich in
gewisser Hinsicht mit der von weißen Blutkörperchen vergleichen“, so Michael Schleicher.
Für die Fortbewegung der Zelle sind Ausstülpungen wichtig, die so genannten Filopodien. Sie enthalten Filamentbündel
und können nur aufgrund einer hoch dynamischen Umorganisation des Aktinfilament-Netzwerks gebildet werden. „Die
derzeit ‚heißeste’ Geschichte ist die Charakterisierung eines Formins, das in den Filopodienspitzen angereichert ist“, berichtet Michael Schleicher. Formine sind eine Gruppe von Proteinen, die erst vor relativ kurzer Zeit entdeckt wurden und
eine wichtige Rolle bei der Bildung von Aktinfilamenten spielen. Formine binden an die Membran und dienen dort als Ausgangspunkt für ein neues Aktinfilament. Der exakte Mechanismus ist noch unbekannt. „Filopodien werden momentan
sehr intensiv untersucht, weil sie generell Aussagen über die Formveränderung einer Zelle und die Dynamik des Zytoskeletts
zulassen“, so Michael Schleicher. „Mit den Mutanten, an denen wir arbeiten, glauben wir jetzt ein Modell für die Ausbildung und Dynamik von Filopodien anbieten zu können.“
Prof. Dr. Manfred Schliwa arbeitet am Adolf-Butenandt-Institut. Er ist Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ) und hat mit seinem Buch
Molecular Motors ein Standardwerk über diese biologischen Maschinen verfasst.
[email protected]
http://zellbio.web.med.uni-muenchen.de/homepage.html
Prof. Dr. Michael Schleicher ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Dynamik
und Regulation zytoskelettabhängiger Bewegungsvorgänge“. Er forscht am AdolfButenandt-Institut zum Thema Zellbiologie.
[email protected]
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