Helicobacter pylori – ein lästiger Magenbewohner im Schutzanzug Klassenstufe: 9/10 Schwerpunkt: Ernährung und Verdauung Voraussetzungen: Kenntnis über den Magen als Verdauungsorgan, Grundkenntnisse über Säure-Base-Reaktionen Verbreitung – in Entwicklungsländern ist beinahe die gesamte Bevölkerung mit dem Keim infiziert – sowie der Erkenntnis, dass der Erreger bereits seit mindestens 11 000 Jahren im menschlichen Körper lebt, ist es durchaus denkbar, dass H. pylori dem Menschen nicht nur schadet, sondern auch nützt. Die Zusammenhänge sind also kompliziert und noch nicht endgültig verstanden. Sachinformationen „Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Bei Barry Marshall galt das auch für die Liebe zur Forschung. Mit der Behauptung, das Bakterium Helicobacter pylori sei der Urheber von Entzündungen der Magenschleimhaut, hatte der junge Wissenschaftler viel Spott geerntet. Um seine kritischen Fachkollegen zu überzeugen, entschloss er sich deshalb zu einem Experiment der besonderen Art: Er trank von der Brühe mit dem Erreger, den er zuvor im Reagenzglas angezüchtet hatte.“ „...Das schlägt mir auf den Magen...“, „...mach dir keinen solchen Stress, sonst bekommst du noch ein Magengeschwür...“. (Spektrum der Wissenschaften 12/2005 S. 16) Kein Wunder also, dass dem australischen Mediziner BARRY MARSHALL die Kritik der gesamten gastro-enterologischen Wissenschaftsgemeinde entgegenschlug, als er 1983 erstmals die Behauptung aufstellte, dass ein Bakterium der Verursacher von Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüren sein könnte. Um seine Skeptiker zu überzeugen, führte er einen spektakulären Selbstversuch durch. Er züchtete den Erreger im Reagenzglas an und trank von der Brühe. Die erhoffte Wirkung lies nicht lange auf sich warten. Nach wenigen Tagen krümmte sich MARSHALL mit heftigen Unterleibskoliken im Bett. Alle Symptome sprachen für eine Gastritis und somit war der Beweis erbracht. Jahrelang wurden Ärger, Stress oder falsche Ernährung für Magenschleimhautentzündungen (Gastritis) und Magengeschwüre verantwortlich gemacht. Dabei war man der Meinung, dass aufgrund einer vermehrten Bildung von Magensäure die Zellen der Magenschleimhaut angegriffen werden. Dies führe, so die Lehrmeinung, zunächst zu einer Magenschleimhautentzündung und im schlimmsten Fall zu Magengeschwüren. Gestützt wurde diese Hypothese durch eine erfolgreiche Behandlung von Gastritis mit säurebindenden Substanzen. Wurden diese sogenannten Antazida nämlich abgesetzt, so kam es erneut zu einer Magenschleimhautentzündung. Darüber hinaus waren sich die Wissenschaftler bis dahin einig, dass im extrem sauren Milieu des Magens nichts überleben könne. Seither ist es möglich, mit einer kombinierten Therapie aus zwei Antibiotika und einem WismutPräparat Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüre nicht nur zu behandeln, sondern auch auszuheilen. Helicobacter pylori Der Name des Bakteriums setzt sich aus seiner spiralförmigen Gestalt (gr. helikos = gewunden) und seinem ersten Fundort, dem Pförtner (Pylorus) am Magenausgang zusammen. 16 Einen Haken hat die Sache dennoch: mit der Totalentfernung von H. pylori durch Antibiotika sinkt zwar die Häufigkeit von Magengeschwüren, gleichzeitig erhöht sich aber die Anzahl der Erkrankungen der Speiseröhre. Woran liegt das? Einige H. pylori-Stämme können über die Injektion des Eiweißstoffes CagA die Zellen der Magenschleimhaut dazu veranlassen, weniger Magensäure zu bilden. Dies verhindert eine Übersäuerung des Magens und beugt somit möglicherweise Sodbrennen vor. Bei Sodbrennen steigt Magensäure in die Speiseröhre auf und „verätzt“ diese regelrecht. Dies kann schlussendlich zu Speiseröhrenkrebs führen. Aufgrund der weiten Didaktisch-methodische Hinweise Bevor dieses Arbeitsblatt eingesetzt wird, sollte der Magen als Verdauungsorgan besprochen worden sein. Als spannender Einstieg in diesen wahren Wissenschaftskrimi dient der erste Abschnitt aus dem Beitrag von ACHIM G. SCHNEIDER in Spektrum der Wissenschaften 12/2005 (s. Randspalte). In einem kurzen Lehrer-Schüler-Gespräch lassen sich die Ursachen für den Spott der Fachkollegen und die zentrale Fragestellung, wie es H. pylori gelingt, im unwirtlichen Magenmilieu zu überleben, herausarbeiten. Der Versuch in Aufgabe 2 lässt sich als Schülerversuch oder als Lehrerdemonstration durchführen, wobei auf die Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Säuren hinzuweisen ist. Arbeitsblatt Seite 17 1. Geißeln ermöglichen es dem Erreger, an für ihn günstige Stellen im Magen zu gelangen. Der Lebensraum Magenschleim bietet Schutz gegen die aggressive Magensäure. Umwandlung von Harnstoff in eine Ammoniakwolke schützt H. pylori. 2. Die Ammoniakwolke neutralisiert in unmittelbarer Umgebung die saure Salzsäure (pH1), was durch den Farbumschlag der Lösung von rot nach grün zu erkennen ist. NH3 + H3O+ (aq)+ Cl- (aq) → NH4+ (aq) + Cl- (aq) + H2O 3. Da es sich um ein Bakterium handelt ist eine Antibiotika-Behandlung möglich. Darüber hinaus erhalten die Patienten ein WismutPräparat zur Verringerung des Säuregehalts im Magen. Durch die Verringerung des Säuregehaltes wird die Entzündung bekämpft. Literaturhinweise SCHNEIDER, A. G.: Überlebenskünstler im Magen. In: Spektrum der Wissenschaft, Heft 12/2005