MUSIKSTUNDE mit Trüb

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MUSIKSTUNDE mit Trüb
Freitag, 10. 6. 2011
„Die im Dunkeln hört man nicht? (5) James Newton Howard“
MUSIK: INDIKATIV, NACH CA. ... SEC AUSBLENDEN
Was macht ein junger Musiker, der neu ist im Filmgeschäft und sich etablieren will? Nun, er
kann ganz neuartige, vielleicht auch schräge Musik schreiben, aber das ist die schwierigere
Lösung. Einfacher macht man sich's – und das ist ja immer noch schwierig genug! -, wenn
man sich zwei Giganten der Zunft auswählt – und diese dann mehr oder weniger kopiert.
Möglichst auch noch gleichzeitig. Genau das machte James Newton Howard, derzeit einer der
besten „Dunkelmänner“ in Hollywood. Für den Film „Dave“ von 1993 wählte er sich John
Williams und Jerry Goldsmith, zwei der besten Namen im Business. „Dave“ ist eine
außergewöhnlich gelungene, ja geradezu perfekte Komödie über einen Doppelgänger im
Weißen Haus: Der echte Präsident der Vereinigten Staaten erliegt bei einer außerehelichen
Amoure einem schweren Schlaganfall und wird durch einen Doppelgänger ersetzt, der ihm so
ähnlich sieht wie ein Ei dem andern. Er wird natürlich auch von demselben Schauspieler
gespielt, Kevin Kline. Böse Mächte im Weißen Haus wollen das Präsidenten-Double, das
sonst Autohäuser in Kleinstädten eröffnet oder ähnlich Unschuldiges, für die eigene politische
Agenda nutzen, sich selber sozusagen in Stellung bringen, während das Double „regiert“. Das
geht allerdings gründlich schief, weil Double Dave nicht nur intelligent ist – sondern auch
ehrlich. Und weil er gerade mit diesen Eigenschaften ein sehr guter
Präsident/Schrägstrich/Präsidentendarsteller ist ... Und James Newton Howard macht dazu –
also zu Bildern der Regierungs-Monumente in Washington – folgende „staatstragende“ Musik
zwischen Williams und Goldsmith.
MUSIK: HOWARD, DAVE, TRACK 1 (2:56)
Es mag ja sein, dass dieser Haupttitel von Ivan Reitmans Verwechslungskomödie „Dave“
vom Komponisten James Newton Howard irgendwo zwischen John Williams und Jerry
Goldsmith angesiedelt wurde – aber das geschieht mit großem Können. Die
Williams/Goldsmith-Kopie eines x-beliebigen Notenklaubers würde sich ja wohl auch
ziemlich rasch selber entlarven! Hören wir uns daher noch, ebenfalls vom OriginalSoundtrack, die „End Titles“ an; die sind schon weit weniger „Staatsmusik“, sondern sehr
menschlich-verhalten, auch ein bisschen nachdenklich ...
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MUSIK: HOWARD, DAVE, TRACK 13 (4:13)
James Newton Howard wurde 1951 in Los Angeles geboren, und schon zu seinem fünften
Geburtstag schenkte ihm sein Vater ein Pianola, das lediglich ein „Miniklavier“ war, nicht ein
mit Walzen sich quasi selber spielendes. Deshalb verblüfft es nicht, dass Howard seinen
Abschluss im Fach Klavier an der University of Southern California bereits mit 16 Jahren
machte – und zwar summa cum laude, was „höchste Belobigung“ bedeutet, und trotzdem hielt
sein Lehrer es für nötig, hinzuzufügen: „... leider haben wir keine höhere Bewertungsstufe!“
Im Gespräch meinte er dann noch, er habe in seinen 17 Lehrjahren keinen besseren
Klavierabschluss gehört als den James Newton Howards. Howard hätte ohne weiteres die
klassische Laufbahn einschlagen können, Beethoven, Schubert oder Brahms in den
Konzertsälen der Welt aufführen, wie seine Generationsgenossen Emanuel Ax oder Yefim
Bronfman. Er aber entschied sich für die Pop-Schiene und tourte mit dem Briten Elton John
als Pianist, Keyboardist, Arrangeur – und Lebensabschnittspartner. Geschadet hat's ihm
offenbar nicht, denn spätestens nach der Australien-Tournee Elton Johns im Jahr 1987 hatte
Howard so viele Kontakte zur Filmwelt geknüpft, dass er bereits dick im Geschäft war. Allein
im Jahr zuvor, 1986, hatte er schon fünf Filme vertont, „Head Office“, „Wildcats“, „8 Million
Ways to Die“, „Tough Guys“ und „Nobody's Fool“ mit Paul Newman.
Dass Howard mit der Klassik ebenso intim vertraut ist wie mit dem aktuellen Pop, hört man
allenthalben in seinen Filmmusiken. Zum Beispiel „I Am Legend“ von 2007. Das war schon
die x-te Adaption der berühmten Geschichte von Richard Matheson: Ein mutiertes Virus, das
eigentlich Krebs heilen sollte, löscht dummerweise flächendeckend menschliches Leben aus –
bis auf einen Bewohner Manhattans, der sich zufällig gerade Antikörper injiziert hatte. Aber
er ist nicht ganz allein; abgesehen von seinem deutschen Schäferhund leben unter Tage noch
grässliche Mutanten, eine Art Vampire oder Zombies, die der große Knall zum Leben
ausschließlich bei Nacht verdonnert hat. Im Haupttitel dieser jüngsten Verfilmung, „My
Name is Robert Neville“, beginnt Howard mit einer sehr, sehr einsamen Trompetenkantilene,
bringt dann, wie zur Erinnerung an vergangenen Glanz, das große Symphonieorchester ins
Spiel – und gegen Ende drastische Elektronik-Effekte, die das Ausgelöschtwerden in Klang
(oder besser: in Geräusch) setzen. James Newton Howard gibt dem Hörer also schon in
diesem Main Title den ganzen Film komprimiert, wie in einer Nussschale ...
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MUSIK: HOWARD, I AM LEGEND, TRACK 1 (2:51)
Das kann eben am besten die Musik: einen ganzen Film quasi in eine Nussschale packen. Hier
heißt er „I Am Legend“, Will Smith spielt den letzten gesunden Menschen auf der Erde,
gedreht wurde nach dem in Science-Fiction- und Horror-Fankreisen höchst angesehenen
Roman gleichen Titels von Richard Matheson, geschrieben in den fünfziger Jahren, als
„Killer-Virus“ zugleich auch „Atomkrieg“ und „Menschheits-Vernichtung“ bedeutete. James
Newton Howard illuminiert die Einsamkeit dieses Robert Neville mit der Solotrompete, den
Glanz der Vergangenheit mit dem spätromantisch aufrauschenden Orchester, worin dann sehr
harsche elektronische Effekte die Vernichtung (fast) allen menschlichen Lebens signalisieren
– ob nun durch Killer-Viren oder Atomsprengköpfe, egal, tot ist tot.
Ich möchte noch einen zweiten Titel aus James Newton Howards Musik zu „I Am Legend“
vorstellen, „Evacuation“, Evakuierung, als man noch glaubte, dem Virus durch Flucht
entkommen zu können – irrigerweise, wie sich herausstellte. Hier beginnt Howard
ahnungsvoll-düster mit dem kompletten Streichorchester, komponiert auch die Hoffnung der
Evakuierten mit ein, doch noch zu überleben – und dass all das eine Illusion ist. Einmal
abgesehen davon, dass man kaum eine mesmerisierendere Filmmusik schaffen kann, gibt
Howard einen verstummen machenden Hinweis darauf, dass diese Menschen ihrem
namenlosen Schicksal entgegen „evakuiert“ werden: Ein Chor singt sogenannte Vokalisen,
also Gesang ohne Worte. Es ist ein Chor der Verlorenen, ein Chor der bald Namenlosen.
MUSIK: HOWARD, I AM LEGEND, TRACK 3 (4:27)
James Newton Howard, „Evacuation“ aus dem Film „I Am Legend“ von 2007, der OriginalSoundtrack.
Was früher eher die Ausnahme war – Alex North komponiert den Score für „2001 – Odyssee
im Weltraum“, der im Film nicht zu hören ist; Henry Mancini bleibt gleichfalls stumm in
Alfred Hitchcocks „Frenzy“ -, ist heute gang und gäbe: bei ungefähr einem Fünftel seiner
Scores durfte James Newton Howard in letzter Minute „einspringen“, weil der eines seiner
Kollegen in den Abfall gepfeffert wurde. Das zeigt letztlich, dass auch Musik eine Ware ist,
jedenfalls die für den Film. Und Waren kann man umtauschen. Irgendwie schmerzt es, das
über Kunst sagen zu müssen. Und wenn das Ganze nicht in immer mehr Filmen Sound Design
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heißt, dann ist Filmmusik Kunst – fragen Sie Walton, Henze, Copland, Prokofjew,
Schostakowitsch; oder eben auch Korngold, Herrmann, North oder Jerry Goldsmith, die Sie
allerdings nicht mehr fragen können. Naja, dann fragen Sie eben James Newton Howard.
Howard übernahm erstmals 1991 den Barbra-Streisand-Film „Prince of Tides“ von John
Barry. Dann 1995 den Endzeitfilm „Waterworld“ mit Kevin Costner, von Mark Isham. 2002
von Alan Silvestri den Disney-Zeichentrickfilm „Treasure Planet“. 2007 die Tom-HanksSatire „Charlie's War“ von Ry Cooder. 2009 den Emma-Thompson-Kinderfilm „Nanny
McPhee & The Big Bang“ von Thomas Newman. 2010 „The Tourist“ von Gabriel Yared.
2011 „The Green Hornet“ von Danny Elfman. Aber am spektakulärsten war die Übernahme
von „King Kong“ im Jahr 2005. Regisseur Peter Jackson hatte damals einen
„Hauskomponisten“, Howard Shore, mit dem er unter anderem bereits die rasend erfolgreiche
„Herr der Ringe“-Trilogie gemacht hatte. Aber bei „King Kong“ gefiel ihm plötzlich Shores
Arbeit nicht mehr, und er heuerte buchstäblich in letzter Minute James Newton Howard an,
das Werk zu vertonen. With a li'l help from his friends schaffte der dann noch den
Redaktionsschluss.
Inspirieren ließ er sich vor allem vom Ende des Films. Der Riesenaffe, unterwegs in
Manhattan, flieht vor seinen Verfolgern auf das Empire State Building. Seine menschliche
„Freundin“, dargestellt von Naomi Watts, klettert ihm nach und beschwört ihn,
herunterzukommen. Da sind aber bereits die Flugzeuge in der Luft, die King Kong abschießen
werden, während er wütend nach ihnen greift wie nach lästigen Insekten. Am Ende liegt er
dann tot auf der Straße, am Fuß des Empire State. Und Naomi Watts steht neben seinem
gewaltigen Schädel, Tränen in den Augen. Irgendjemand sagt: „Warum mussten die
Flugzeuge so früh kommen?“ oder „Warum mussten die Flugzeuge ihn töten?“ Und dann
spricht ein Polizist den letzten und wichtigsten Satz des Films, mit einem Blick auf die
weinende Blondine neben ihm: „Es waren nicht die Flugzeuge, die ihn getötet haben. Es war
die Schönheit.“ Mit diesem Titel, „Beauty Killed the Beast“, gibt es allein fünf
Musiknummern von James Newton Howard, man kann sie nacheinander hören wie eine
einzige sinfonische Dichtung. Jetzt also, vom Original-Soundtrack, Howards „Beauty Killed
the Beast“, eins bis fünf.
MUSIK: HOWARD, KING KONG, TRACKS 17 BIS 21 (15:30)
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James Newton Howard, geradezu eine sinfonische Dichtung zum Thema „Beauty Killed the
Beast“, am Schluss der dritten Verfilmung aus dem Jahr 2005, der Original-Soundtrack.
Dass Howard auch pfiffige Elektronik-Scores zuwegebringt, sollte eigentlich, trotz
orchestralem Bombast und Feinschliff bisher, klar sein. Schon die Jahre der Zusammenarbeit
mit Elton John haben ihn das gelehrt (obwohl ich argwöhne, dass eher Elton John von
Howard gelernt hat). In der romantischen Komödie mit Spionen von 2009, „Duplicity“, worin
Julia Roberts eine CIA-Agentin spielt und Clive Owen einen vom britischen MI6, stellt er's
unter Beweis. Im Haupttitel „War“ sind es zwar hauptsächlich mehrfach oversamplete und
verfremdete Orchesterstimmen, aber das schafft schon eine ganz andere Atmosphäre als das
„reine“ Orchester ...
MUSIK: HOWARD, DUPLICITY, TRACK 1 (4:06)
James Newton Howard elektronisch: der Titel „War“ auf dem Original-Soundtrack der
romantischen Agentenkomödie „Duplicity“ von 2009.
Eine der gelungensten Filmmusiken von James Newton Howard ist die für M. Night
Shyamalans subtilen Horrorthriller „The Village“ aus dem Jahr 2004. Inmitten eines seeeehr
dunklen Waldes gibt es eine dorfgroße Lichtung, worin Leute leben wie zu Beginn des 19.
Jahrhunderts – oder wie die Amish People, eine Sekte schweizerischen Ursprungs, heute mit
zirka 240 000 Mitgliedern vor allem in Nordamerika noch präsent. Das sind extrem
gottesfürchtige Menschen, die alle Segnungen der Neuzeit radikal ablehnen: Radio und TV,
Telefon, das Auto und die Musik, außer ihren geistlichen Gesängen. Sie kleiden sich betont
schlicht und gehen ihrer Feldarbeit nach wie vor 200 Jahren. Im Film will man sich schützen
gegen die „Deren Namen wir nicht nennen“ und die im dunklen Wald hausen; jenseits des
Waldes kurven moderne Autos über Autobahnen. Diese fromme Enklave, umzingelt vom
ungenannten Bösen, schildert Howards Musik mit modernen und mit sehr archaischen
Mitteln; die kunstvoll präservierte Unschuld verkörpert eine fast durchweg präsente
Sologeige, gespielt von Hilary Hahn. Der Film ist nicht besonders gut, aber er verdankt
Howards Score eine Menge seiner Atmosphäre. Hören wie aus dem Original-Soundtrack den
Titel „The Gravel Road“.
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MUSIK: HOWARD, THE VILLAGE, TRACK 8 (4:30; NUR BEI BEDARF AUF ZEIT
FAHREN!)
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MUSIKLAUFPLAN
1) HOWARD, Dave; OSt; Big Screen Records/Giant 74321 15292 2 (LC 6211)
2) (Siehe 1.)
3) HOWARD, I Am Legend; OSt; Varèse-Sarabande/Colosseum VSD-6878 (LC
06083)
4) (siehe 3.)
5) HOWARD, King Kong; OSt; Decca USA 476 5224 (KEIN LC!)
6) HOWARD, Duplicity; OSt; Varèse-Sarabande/Colosseum VSD-6955 (LC 06083)
7) HOWARD, The Village; OSt; Hollywood Records5050467-4883-2-8 (LC 10024)
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