PRESSEMAPPE ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012 INHALT Abendprogramm 22. Juni 2012 Pressemitteilung Juni 2012 Pressemitteilung Januar 2012 ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012 Friedrich Cerha Essay von Lothar Knessl Interview von Thomas Meyer Biografie Werkliste KOMPONISTEN-FÖRDERPREISE Luke Bedford Über Luke Bedford Biografie Werkliste Zeynep Gedizlioglu Über Zeynep Gedizlioglu Biografie Werkliste Ulrich Alexander Kreppein Über Ulrich Alexander Kreppein Biografie Werkliste FÖRDERPROJEKTE 2012 CD-REIHE DER ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG Pressemitteilung Mai 2012 CD Steven Daverson CD Hèctor Parra CD Hans Thomalla CD Luke Bedford CD Zeynep Gedizlioglu CD Ulrich Alexander Kreppein ARCHIV DER PREISTRÄGER Ernst von Siemens Musikpreisträger seit 1974 Komponisten-Förderpreisträger seit 1990 BILDÜBERSICHT CD ROM MIT BILDMATERIAL Abendprogramm Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises 2012 Cuvilliés-Theater München | 22. Juni 2012 | 19.30 Uhr Begrüßung Dieter Borchmeyer Vorsitzender des Stiftungsrates der Ernst von Siemens Musikstiftung und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Komponisten-Förderpreise Luke Bedford Porträtfilm von Johannes List Wonderful No-Headed Nightingale | Uraufführung Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger Preisübergabe Thomas von Angyan Vorsitzender des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung Ulrich Alexander Kreppein Porträtfilm von Johannes List Phantasiestücke: Nr. 2, Nachtschattenwirbel Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger Preisübergabe Thomas von Angyan Zeynep Gedizlioglu Porträtfilm von Johannes List Kesik (Schnitt) Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger Preisübergabe Thomas von Angyan Ernst von Siemens Musikpreis Laudatio auf Friedrich Cerha Peter Hagmann Musikredaktor der Neuen Zürcher Zeitung Überreichung des Ernst von Siemens Musikpreises an Friedrich Cerha Dieter Borchmeyer Friedrich Cerha Bruchstück, geträumt Ensemble Modern, Leitung: Friedrich Cerha Anschließend Empfang Pressemitteilung Juni 2012 Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises an Friedrich Cerha am 22. Juni 2012 Am 22. Juni 2012 verleiht die Ernst von Siemens Musikstiftung den mit 200.000 Euro dotierten Ernst von Siemens Musikpreis an den österreichischen Komponisten Friedrich Cerha. Im Rahmen des musikalischen Festaktes im Münchner Cuvilliés-Theater werden auch die drei Komponisten-Förderpreise an den Briten Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu aus der Türkei und Ulrich Alexander Kreppein aus Deutschland vergeben. Weltweit beinahe 140 Projekte, die sich im Bereich der zeitgenössischen Musik hervorgetan haben, fördert die Ernst von Siemens Musikstiftung zudem, die ebenfalls im Rahmen der Preisverleihung offiziell bekannt gegeben werden. Das Fördervolumen der Ernst von Siemens Musikstiftung beträgt im Jahr 2012 insgesamt 2,7 Millionen Euro. „In der Liste der Ernst von Siemens Musikpreisträger, dieser – wie Thomas Bernhard sagen würde – ‘Geistesheroen unserer Zeit’ zu stehen, ehrt mich sehr“, erklärt der österreichische Komponist Friedrich Cerha. Die Geschehnisse eines langen und ereignisreichen Lebens für die zeitgenössische Musik haben ihn „gelassen werden lassen gegenüber Lob und Tadel“, trotzdem sei „die Freude über diese besondere Auszeichnung groß“. Die Schaffenskraft und schöpferische Neugier dieses Meisters beeindruckender Klanglandschaften sind ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre eindrucksvoll belegen. Der 1926 geborene österreichische Komponist erlangte internationale Bekanntheit durch die Oper Baal und die Ausarbeitung des dritten Aktes von Alban Bergs Oper Lulu. Die jüngste Gesamtaufführung seines Spiegel-Zyklus’ (WIEN MODERN 2011), einem der Meilensteine der Musikgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, legt Zeugnis ab von der Aktualität seiner Musik und ihrer fast physischen, klanglichen und emotionalen Sogwirkung. „Durch sein Wirken als Komponist, Ensembleleiter und Lehrer hat Friedrich Cerha in sehr modernefeindlichen Zeiten in Wien erreicht, dass die avancierte zeitgenössische Musik dort nicht völlig aus dem Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit verschwand.“, würdigt Wolfgang Rihm im Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung Cerhas Verdienste. Bereits 1960/61 entstand der Zyklus Spiegel, ein für Cerhas Schaffen zentrales Werk. Bevor die Klangflächenkomposition als Innovation benannt wurde, hatte Cerha in diesem virtuos komponierten Orchesterwerk, losgelöst von traditionellen Formulierungen, verschiedene Massenstrukturen, höchst differenzierte, in sich bewegte, aufeinander bezogene Klangkomplexe konzipiert. Die außergewöhnliche Klangwelt, die Landschaften von visionärer Kraft eröffnet, machen Spiegel I-VII zu einem Meilenstein der Musikgeschichte. Helmut Lachenmann, Mitglied des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung, attestiert Cerha darin gar „souveränen, gleichsam prophetischen Klangsinn“. Und in der Tat scheint es, gemessen am Entstehungsjahr einiger Kompositionen, als „denke und schreibe Cerha während seiner Entwicklungsphasen schon außerhalb einer Strömung, bevor sie noch zu einer solchen erhoben wurde“ (Lothar Knessl). Beat Furrer, ebenfalls Kurator der Ernst von Siemens Musikstiftung, berichtet, dass er während seiner Studienzeit in Wien kaum eine Gelegenheit versäumte, Cerhas Proben und Aufführungen zu besuchen: „Seine Orchesterund Musiktheaterwerke zeugen von einer großartigen Meisterschaft – insbesondere die in den 60er Jahren geschriebenen Spiegel sind wegweisend und radikal was die Entwicklung der Form aus dem Klang selbst betrifft – sie haben bis heute nichts von ihrer Kraft und Frische eingebüßt.“ Preisverleihung am 22. Juni 2012, 20 Uhr, im Münchner Cuvilliés-Theater Für sein Lebenswerk ehrt die Ernst von Siemens Musikstiftung Friedrich Cerha mit dem oft als „Nobelpreis der Musik“ bezeichneten Ernst von Siemens Musikpreis. Die Auszeichnung wird Cerha vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer bei einem musikalischen Festakt im Münchner Cuvilliés-Theater am 22. Juni 2012 überreicht. Die Laudatio hält der Musikredakteur der Neuen Zürcher Zeitung Peter Hagmann. Das Ensemble Modern wird unter Leitung des Preisträgers dessen Stück Bruchstück, geträumt zur Aufführung bringen. Auf dem Programm stehen außerdem Werke der Komponisten-Förderpreisträger Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein, ebenfalls gespielt vom Ensemble Modern unter der Leitung von Oswald Sallaberger. Erstmals werden die jungen Komponisten dem Publikum in kurzen Filmporträts vorgestellt. Der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums Thomas von Angyan, Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, verleiht die drei begehrten Komponisten-Förderpreise und gibt die Förderprojekte 2012 offiziell bekannt. Komponisten-Förderpreise 2012 an Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein Der aus Wokingham, Berkshire in England stammende und in Berlin lebende Komponist Luke Bedford studierte Komposition am Royal College und der Royal Academy of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge. Bedfords Musik kennt das große Format und entspringt zugleich der Liebe zum Detail. Die Kompositionen Luke Bedfords faszinieren durch ihr kaltes Leuchten und die vielfache klangfarbliche Facettierung ihrer Oberflächen. Zeynep Gedizlioglu wuchs in Izmir und später in Istanbul in der Türkei auf. Sie studierte Komposition bei Cengiz Tanc in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strasbourg und bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe. Zeynep Gedizlioglus Kompositionen verbinden den Aplomb der starken Geste mit der Genauigkeit für die individuelle Einzelheit. Ihre Musik erscheint so als nachhaltiger künstlerischer Einspruch gegen das Prinzip der Homogenität und die Planierung von Differenz. Beredsamkeit und Vielstimmigkeit sind die hervorstechenden Eigenschaften im Werk Ulrich Alexander Kreppeins. Die Präsenz unterschiedlicher kompositorischer Sprachformen und die Integration auch historisch divergierender Tonfälle verleihen seiner Musik eine besondere Dichte und Artikuliertheit. Kreppein wuchs in Baden-Württemberg auf und studierte Komposition u.a. bei Manfred Trojahn und Tristan Murail. Neue CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung Die Komponisten-Förderpreisträger der Ernst von Siemens Musikstiftung werden zusätzlich zur finanziellen Förderung zukünftig auch mit der Produktion einer Porträt-CD unterstützt. Für die Realisierung der Reihe konnte das Wiener Label col legno gewonnen werden, das für den weltweiten Vertrieb Sorge trägt. Die CDs der Preisträger 2011 und 2012 – Luke Bedford, Steven Daverson, Zeynep Gedizlioglu, Hèctor Parra und Hans Thomalla – werden am Juni auf der Preisverleihung im Münchner Cuvilliés-Theater der Öffentlichkeit präsentiert. Die drei Stücke Kesik (Gedizlioglu), Nachtschattenwirbel (Kreppein) und Wonderful No-Headed Nightingale (Bedford), die sowohl am Abend der Preisverleihung als auch auf den CDs vom Ensemble Modern gespielt werden, geben einen Vorgeschmack auf die CD-Reihe, mit der sich nach und nach ein breit angelegtes Panorama der zeitgenössischen Musik entfalten soll, das aktuelle Tendenzen aufspürt und dokumentiert. Der diesjährige Hauptpreisträger Friedrich Cerha freut sich über die Unterstützung seiner jungen Kollegen: „Ich habe seinerzeit den finanziellen Teil meines Österreichischen Staatspreises für die Aufführung von Werken junger Komponisten zur Verfügung gestellt, weil ich weiß, wie wichtig die rechtzeitige Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Arbeit für sie ist. Und ich finde es besonders sinnvoll und richtig, dass die Träger der, Geld und Ehre bedeutenden, Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung in einem Festakt gemeinsam mit der Verleihung des großen Preises vorgestellt werden und ihre eigene musikalische Empfehlung in Form einer CD bekommen.“ Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung in diesem Jahr 2,7 Millionen Euro. Davon entfallen rund 2,4 Millionen Euro auf die Förderung zeitgenössischer Musikprojekte weltweit. An die 140 Projekte von Manila über Seoul bis Donaueschingen, von Kaliningrad über Zepernick bis nach Milwaukee, werden für ihren herausragenden Einsatz für die zeitgenössische Musik mit Förderpreisen bedacht. Zahlenmäßig den größten Anteil machen wie immer die Kompositionsaufträge aus, aber auch Konzerte und Veranstaltungsreihen sowie wissenschaftliche Einzelpublikationen und Gesamtausgaben sind der Ernst von Siemens Musikstiftung ein großes Anliegen. Wettbewerbe, Akademien und Workshops, in denen junge Musiker, Komponisten und Dirigenten ihr Können unter Beweis stellen und von renommierten Meistern lernen, werden ebenso gefördert wie pädagogisch wertvolle Projekte, die Kindern und Jugendlichen den Zugang zur zeitgenössischen Musik ermöglichen und erleichtern. Einige Festivals erfahren außerdem Mehrjahresförderungen, um deren nachhaltigen Einsatz für die zeitgenössische Musik zu würdigen. Nähere Informationen zu sämtlichen Förderprojekten sowie zur Antragstellung finden Sie auf unserer Homepage. Ausführliche Informationen und Bildmaterial zum Download: www.evs-musikstiftung.ch/presse Kontakt: Imke Annika List | +49 / (0)89 / 6 36 3 29 07 | [email protected] Pressemitteilung Januar 2012 Ernst von Siemens Musikpreis an Friedrich Cerha Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2012 an Friedrich Cerha. Der 1926 geborene österreichische Komponist erhält den mit 200.000 Euro dotierten Preis als Auszeichnung für sein Lebenswerk. Vorrangig Komponist, sodann Dirigent, Organisator, Lehrer und Musikwissenschaftler, erlangte Cerha internationale Bekanntheit durch die Oper Baal und die Ausarbeitung des dritten Aktes von Alban Bergs Oper Lulu. Die jüngste Gesamtaufführung seines Spiegel-Zyklus’ (WIEN MODERN 2011), einem der Meilensteine der Musikgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, legt Zeugnis ab von der Aktualität seiner Musik und ihrer fast physischen, klanglichen und emotionalen Sogwirkung. Die Schaffenskraft und schöpferische Neugier dieses Meisters beeindruckender Klanglandschaften sind ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre eindrucksvoll belegen. Der Ernst von Siemens Musikpreis wird Cerha am 22. Juni 2012 im Münchner Cuvilliés-Theater vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste überreicht. Die drei Förderpreise für junge Komponisten gehen an den Briten Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu aus der Türkei und Ulrich Alexander Kreppein aus Deutschland. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung 2,7 Millionen Euro. Gefördert werden 2012 weit über hundert zeitgenössische Musikprojekte mit Künstlern aus 30 Ländern weltweit. Friedrich Cerha wurde 1926 in Wien geboren. Im Alter von sieben Jahren begann er mit dem Geigenspiel und bekam kurz darauf auch Unterricht in Musiktheorie und Komposition. Schon vor Abschluss des Gymnasiums leistete er als Luftwaffenhelfer aktiven Widerstand, entfloh der Wehrmacht in die Tiroler Alpen, wo er 1945 als Hüttenwirt und Bergführer seinen Weitblick zu schärfen begann und das Kriegsende erlebte. Bereits danach zeigt sich Cerhas latentes Streben nach oben: hier noch geografisch, bald danach vom Intellekt geprägt, suchend, forschend unterwegs, um musikalisches Neuland zu erproben. Ab 1946 studierte er an der Akademie für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung und an der Universität Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie und promovierte 1950. 1956–58 nahm Cerha an den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der internationalen Avantgarde auseinandersetzte. Schon davor hatte er die Werke Schönbergs und Weberns studiert. Immer wieder zeichnet sich Cerha hier durch seine prüfende, abwägende, auf Veränderung bedachte Haltung gegenüber neu auftauchenden musikalischen Phänomenen aus und reiht sich weder in die „im seriellen Gleichschritt marschierende Kolonne“ (Lothar Knessl), noch in die anschließend einsetzende Gegenbewegung ein, sondern wendet sich anders flexiblen, natürlicher gewachsenen Form- und Klangproblemen zu. 1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das immer noch tätige Ensemble die reihe, um ein Forum für die zeitgenössische Musik zu schaffen. Die reihe leistete Pionierarbeit in der Präsentation von Werken der Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne. „Durch sein Wirken als Komponist, Ensembleleiter und Lehrer hat Friedrich Cerha in sehr modernefeindlichen Zeiten in Wien erreicht, dass die avancierte zeitgenössische Musik dort nicht völlig aus dem Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit verschwand.“, würdigt Wolfgang Rihm im Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung Cerhas Verdienste. Bereits 1960/61 entstand der Zyklus Spiegel, ein für Cerhas Schaffen zentrales Werk. Bevor die Klangflächenkomposition als Innovation benannt wurde, hatte Cerha in diesem virtuos komponierten Orchesterwerk, losgelöst von traditionellen Formulierungen, verschiedene Massenstrukturen, höchst differenzierte, in sich bewegte, aufeinander bezogene Klangkomplexe konzipiert. Die außergewöhnliche Klangwelt, die Landschaften von visionärer Kraft eröffnet, machen Spiegel I-VII zu einem Meilenstein der Musikgeschichte. Helmut Lachenmann, Mitglied des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung, attestiert Cerha darin gar „souveränen, gleichsam prophetischen Klangsinn“. Und in der Tat scheint es, gemessen am Entstehungsjahr einiger Kompositionen, als „denke und schreibe Cerha während seiner Entwicklungsphasen schon außerhalb einer Strömung, bevor sie noch zu einer solchen erhoben wurde“ (Lothar Knessl). Ab 1959 unterrichtete Cerha an der Wiener Musikhochschule und war dort von 1976–88 Professor für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik. In diese Zeit fällt auch Cerhas Herstellung der spielbaren Fassung des 3. Aktes der Oper Lulu von Alban Berg (UA 1979 in Paris), die der internationalen Musikwelt ein wesentliches Werk des 20. Jahrhunderts vollständig erschlossen hat. Die Musiktheaterwerke nehmen ebenfalls einen wichtigen Platz in Cerhas Schaffen ein. Kurz nach dem SpiegelZyklus entsteht das Musiktheater Netzwerk, das ein kritisches Bild einer Welt als vernetztes System zeichnet. Ende der siebziger Jahre entsteht die Oper Baal, in der Cerha vor allem das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft thematisiert. Weitere Werke wie Der Rattenfänger (1984–1986) und Der Riese vom Steinfeld (1997– 1999) folgen. Zu seinen wichtigsten Orchesterwerken zählen die Langegger Nachtmusik III sowie Impulse für Orchester. Nach Klangmassen und Farbflächen konzentriert sich Cerha auf klare Linien und Transparenz des Satzgefüges. „Nur in knappen Formen kann man Einfälle sehr rasch festhalten“, sagt er selbst, denn bei der langwierigen Arbeit an großen komplexen Partituren „geht einiges von des Einfalls Frische verloren“. So überwiegen in seinem Spätwerk Kompositionen für mittlere bis kleine Besetzungen. Beat Furrer, ebenfalls Kurator der Ernst von Siemens Musikstiftung, berichtet, dass er während seiner Studienzeit in Wien kaum eine Gelegenheit versäumte, Cerhas Proben und Aufführungen zu besuchen: „Seine Orchesterund Musiktheaterwerke zeugen von einer großartigen Meisterschaft – insbesondere die in den 60er Jahren geschriebenen Spiegel sind wegweisend und radikal was die Entwicklung der Form aus dem Klang selbst betrifft – sie haben bis heute nichts von ihrer Kraft und Frische eingebüßt.“ Die Schaffenskraft und schöpferische Neugier Friedrich Cerhas sind ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre, eine Fülle höchst unterschiedlicher Kompositionen, eindrucksvoll belegen. Preisverleihung am 22. Juni 2012 im Münchner Cuvilliés-Theater Für sein Lebenswerk ehrt die Ernst von Siemens Musikstiftung Friedrich Cerha mit dem oft als „Nobelpreis der Musik“ bezeichneten Ernst von Siemens Musikpreis. Die hohe Auszeichnung wird Cerha vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer bei einem musikalischen Festakt im Münchner Cuvilliés-Theater am 22. Juni 2012 überreicht. Die Laudatio hält der Musikredaktor der Neuen Zürcher Zeitung Peter Hagmann. Das Ensemble Modern wird unter Leitung des Preisträgers dessen Stück Bruchstück, geträumt zur Aufführung bringen. Auf dem Programm stehen außerdem Werke der Komponisten-Förderpreisträger Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein, ebenfalls gespielt vom Ensemble Modern. Komponisten-Förderpreise 2012 an Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein Der aus Wokingham, Berkshire in England stammende und in Berlin lebende Komponist Luke Bedford studierte Komposition am Royal College und der Royal Academy of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge. Bedfords Musik kennt das große Format und entspringt zugleich der Liebe zum Detail; sie versenkt sich auskostend in die einzelne Figur und bricht sie im Prisma einer hoch entwickelten Klangfantasie. Motiv, Instrumentalfarbe und Harmonik verschmelzen in ihr zu einer komplexen Einheit, aus der Texturen von zugleich distanzierter und dringlicher Intensität erwachsen. Zeynep Gedizlioglu wuchs in Izmir und später in Istanbul in der Türkei auf. Sie studierte Komposition bei Cengiz Tanc in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strasbourg und bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe. Ihre Kompositionen verbinden den Aplomb der starken Geste mit der Genauigkeit für die individuelle Einzelheit. Zeynep Gedizlioglus Musik erscheint als nachhaltiger künstlerischer Einspruch gegen das Prinzip der Homogenität und die Planierung von Differenz. Beredsamkeit und Vielstimmigkeit sind die hervorstechenden Eigenschaften im Werk Ulrich Alexander Kreppeins. Die Präsenz unterschiedlicher kompositorischer Sprachformen und die Integration auch historisch divergierender Tonfälle verleihen seiner Musik eine besondere Dichte und Artikuliertheit. Kreppein wuchs in Baden-Württemberg auf und studierte Komposition u.a. bei Manfred Trojahn und Tristan Murail. Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung im Jahr 2012 2,7 Millionen Euro. Davon entfallen rund 2,4 Millionen Euro auf die Förderung zeitgenössischer Musikprojekte in über zwanzig Ländern weltweit. Neben Kompositionsaufträgen werden Konzerte und Veranstaltungsreihen unterstützt, sowie Kinder- und Jugendprojekte, die den Zugang zur zeitgenössischen Musik ermöglichen und erleichtern. Wettbewerbe, Akademien und Workshops werden ebenso gefördert wie wissenschaftliche Einzelpublikationen und Gesamtausgaben. Zahlreiche Festivals erfahren zudem Mehrjahresförderungen durch die Ernst von Siemens Musikstiftung. Hinweis Der Ernst von Siemens Musikpreis (EvS Musikpreis) wird seit 1974 von der privaten Ernst von Siemens Musikstiftung (EvS Musikstiftung), die ihren Sitz in der Schweiz hat, alljährlich vergeben. Es ist kein Preis der Siemens AG oder der unternehmensnahen Siemens Stiftung. Bitte achten Sie aus diesem Grund dringend darauf, den Namen der Stiftung und des Preises korrekt wiederzugeben. Ausführliche Informationen und Bildmaterial: www.evs-musikstiftung.ch Imke Annika List | +49 / (0)89 / 6 36 3 29 07 | [email protected] ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012 Von des Einfalls Frische Ernst von Siemens Musikpreis 2012 an Friedrich Cerha Von Lothar Knessl Wer musisch kreativ fünfundachtzig Lebensjahre überstanden hat, den schmückt die Umwelt gern durch Epitheta ornantia wie Altersweisheit oder höchste Schaffensreife. Friedrich Cerha war im Vorjahr so weit, hat aber einerseits diverse Aspekte schöpferischer Reife mittlerweile ein halbes Jahrhundert hindurch bewiesen und andererseits die Weisheit als Erfahrungswert ohne sentimentale Milde konstant skeptisch hinterfragt. Was also haben derlei Konventionen hier verloren, da er doch noch in jüngster Zeit geradezu juvenil sich dem Spontanen öffnende Werke vorlegte? Oder sie stellen Konflikte gleichnishaft dar, etwa im Orchesterstück Wie eine Tragikomödie (2008/09). Sie entblößt laut Goethe „die Identität der Gegensätze“. Das bedeutet bei Cerha hintergründige Materialverwandtschaft. Rascher Wechsel dramatischer Episoden mit solchen besinnlicher Ruhe. Schließlich das Klangbild der Zeitlosigkeit, aber knapp davor forte niedersinkend Bläserakkorde, als wollten sie das Reich des Unvergänglichen öffnen. Ausgetüftelte Akkordgebilde, wie sie nur Cerha zu bauen vermag. Kriterien seines im Kulturraum der ehemaligen Donaumonarchie wurzelnden Personalstils. Ein heute unbeliebter Terminus, abgelöst von Modeerscheinungen dennoch einzusetzen. Gemäß seiner Musik, die ihre individuelle Kraft aus unmarkierten Wegen schöpft. Auf ihnen sah er vorerst ihm fremde Gewächse, aus diesen formte er organisch verzweigte Strukturfolgen, kontrapunktisch geführte Linien, Varianten, sich fügend zur Kongruenz der musikalischen Parameter. Tragikomödie: synthetische Form der dialektischen Spannung (Ionesco), oder Ausdruck des Zweifelns, Bezweifelns. Letztlich etwa doch heiter rückblickende Souveränität des Alters? Vor nun 54 Jahren gründeten Cerha und Kurt Schwertsik das immer noch rührige Ensemble „die reihe“, womit in Wien die Begegnung mit wirklich neuer Musik begann, interpretatorisch professionell aufbereitet, auf Anhieb erfolgreich weitergeführt, als intendierte Kontinuität ohne Subvention jedoch unrealisierbar. Cerhas diesbezüglicher Bittgang ins zuständige Ministerium endete zwar nicht wie für Mozart mit dem oberstküchenmeisterlichen Fußtritt, sondern mit den wenig feinfühligen Verabschiedungsworten des Ministerialrates, „da kann ja jeder Würstelverkäufer daherkommen“. Damals gewiss für das zarte Ensemblepflänzlein eine Tragödie, heute, aus jahrzehntelanger Entfernung, nur lächerliche Komödie. Retrospektiv gleitet mitunter selbst existenziell Erschütterndes in besänftigte Gemütszonen. Das Kind Friederich riss einst mit seiner Geige zu den Zigeunern aus, enormes Freiheitsbedürfnis demonstrierend. Sein Geigenspiel ist in Wien, seinem Geburtsort, dank Vaša Příhoda 1953 zur solistischen Reife gediehen. Kurz vor dem Weltkriegsende entfloh er der Wehrmacht in die Tiroler Alpen, wo er 1945 als Hüttenwirt und Bergführer seinen Weitblick zu schärfen begann. Das latente Streben nach oben: hier noch geographisch, bald danach vom Intellekt geprägt, suchend, forschend unterwegs, um musikalisches Neuland auszuprobieren. Der so konstituierten Persönlichkeitswerdung ließen sich durchaus komische Situationen intarsieren, wären sie nicht unterdrückt worden von viel zu lange amtierenden Hütern der politisch unbewältigten Vergangenheit, die Innovationen der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts abzuwürgen versuchten. Eine nachwirkend tragische Konstellation, in der sich Cerha als äußerst verstörendes Element nur mühevoll behauptete. Das wirft harte Schatten. Kein gesichertes, wohldotiertes Weiterkommen. Erste heimische Erfolge stellten sich ab 1957 ein, international ab 1961, da hatte er den Sog der Darmstädter Ferienkurse für neue Musik bereits erlebt. Aufbruchstimmung, gravierende ästhetische Umstülpungen, ansteckend wie anregend. Den orthodoxen Serialismus kopierte er allerdings nicht. Zum Wohle musikalischer Flexibilität entwarf er seriell zu Gruppen gebündelte Aggregate, etwa in Formation et solution oder Relazioni fragili. Gleich danach, 1959/60, brachte er das Konzept des siebenteiligen Spiegel-Zyklus zu Papier, epochales Dokument jenes neuen Kompositionsverfahrens, das statisch wirkenden Massenstrukturen und gleichsam vegetativ sich entfaltenden Klangflächenkomplexen absoluten Vorrang einräumt, zeitgleich mit und unabhängig von György Ligeti erfunden. Zwangsläufig verspätete Uraufführungen der Spiegel-Teile zwischen 1964 und 1972 in Warschau, Donaueschingen, Stockholm, Graz, München, Hamburg und Wien; der Gesamtzyklus erklang erstmals beim Weltmusikfest der IGNM 1972 in Graz. Spiegelungen von Visionen und Evolutionen. Die akustischen Eindrücke evozieren Vorstellungen von Licht-Phänomenen: helle oder düstere Farben, gelöste Heiterkeit oder bedrängende Härte, aber auch, wie Cerha vermutet, die von Kriegserlebnissen geprägte Brutalität im Klang- und Geräuschspektrum. Fataler Irrtum, er habe illustrierende Programmmusik geliefert. Denn eingeschweißt in die Spiegel-Blöcke sind kompositorisch autonome Formen komplexer Faktur. 2011 avancierte er (wie schon 1989) zum Hauptkomponisten des Festivals „Wien modern“, eröffnet mit dem Spiegel-Zyklus. Die Aufführung, rund fünfzig Jahre nach Geburt der Skizzen, bestätigte unbestritten dessen singulären Rang in der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts. Nach Klangmassen und Farbflächen konzentriert sich Cerha auf klare Linien und Transparenz des Satzgefüges. Polyphonie bedeutet ihm präzises Komponieren, minuziös kontrollierte Harmonik, stimmiges Denken. „Nur in knappen Formen kann man Einfälle sehr rasch festhalten“, sagt er, denn bei der langwierigen Arbeit an großen, komplexen Partituren „geht einiges von des Einfalls Frische verloren“. Nicht so bei Kleinräumigkeit der Strukturen und Dauern. Überdies habe er „allmählich erkannt, dass nicht der Schweiß des Komponisten hörbar werden soll“. Das zielt auf sein Spätwerk, mittlere bis kleine Besetzungen. Von knapp 160 Werken zählen grob geschätzt an die 60 zur Kammermusik. Sozusagen ein Zwitter: Kammermusik für Orchester (2004/05). Rund fünfzig Musiker spielen, mehrheitlich solistisch, filigran verästelte Passagen ohne symphonische Attitüde. Die Atmosphäre des subtil serenadenhaften Beginns erinnert an die 1969 entstandene Langegger Nachtmusik I, wohl kein Zufall, denn in diesem Jahr beginnt mit dem aus schroffen, schnittartigen Übergängen zusammengesetzten Catalogue des objets trouvés die Vorgeschichte der Kammermusik für Orchester, diese zwar voll der ursprünglichen Brüche, sonst aber „ganz anders und neu, so dass fast kein Stein auf dem anderen blieb“. Ihm war klar, „dass Vielfalt und Reichtum, bewusst herbeigeführt, auch eine Qualität von Kunst ist oder sein kann“. In Les Adieux (2005/07), finden kontemplative Gedanken Eingang in die klingende Welt, wo bewusst wahrgenommene Nachhalltöne das Unbehagen gegenüber der Alltagshektik suggerieren. Nicht Abschied in Anlehnung an Beethovens op. 81a, sondern Abschied von einigen kompositorischen Charakteristika: von Kontinuität und kompakten Massen. Stattdessen kurze, heftig ausbrechende Phasen und fragile Ausklänge. Laute Energiepunkte und leises, durchlässiges Verweilen. Reste von Figuren. Und noch einmal das Sich-Abwenden von der Hektik der Welt: Bruchstück, geträumt (2009). Ein Werk, vom Klangforum Wien anlässlich seines 25-jährigen Bestandes erbeten. Zunächst wollte er es nicht schreiben, ungeachtet der engen Beziehung zu diesem Ensemble, mit dem er vor Jahren in einer Reihe von Proben die hinsichtlich Expressivität und Agogik möglichst authentische Interpretation von Werken der Wiener Schule erarbeitet hatte, was vor allem die Musik Weberns ins wahre Licht beförderte. Dann aber träumte er eine sich sacht vorantastende Musik im Pianissimo, „ein einziges hohes Lob der Langsamkeit“, daher im heutigen Umfeld ein Fremdkörper. Schimmernder, kaum hörbarer Beginn, lispelnde Streicher, als träte die Musik aus akustischem Nebel. Sich hebende Schleier gewinnen Kontur, sinken zurück ins nicht Greifbare. Musik des inneren Friedens. Ohne Einbrüche ging sein Leben freilich nicht von statten. Schaffenskrisen? Falls sie anklopften, blieben sie weithin unbemerkt. Aber Perioden existenziellen Zweifels, kritische Lebensphasen, die den Tod bedrohlich nahe rückten. Die Kette von Musiken mit Requiem-Charakter mag thematisch die negativen Erfahrungen sublimiert haben: Requiem für Hollensteiner für Bariton, Sprecher, Chor und Orchester (nach Thomas Bernhard, 1983), Triptychon für Tenor und Orchester (Texte: Cerha, Zuckmayer, Bernhard, 1983/97), das düstere Dritte Streichquartett (1992), das zurückhaltend resignative Konzert für Bratsche und Orchester (1993), das gewichtig summierende Requiem für Chor und Orchester (lateinischer Text: Ordinarium, 1994), erweitert durch den De Profundis-Gedichtzyklus des Komponisten, der fatalistische a-cappella-Chor Nichtigkeit ist alles (1995). Eingemischt der Gegenpol, das lächelnd Komödienhafte, Cerhas Sinn für Humor und Ironie: Keintate I und Keintate II (zwischen 1980 und 85). Der Titel vereint den Namen des verstorbenen Wiener Mundartdichters Ernst Kein mit dem Begriff Kantate. Die sarkastischen Texte, den Zentralnerv wienerischer Mentalität spitz treffend, sind die Basis für musikalisch pointiert artikulierte und stilisierte Kabinettstücke im artifiziell überhöhten Wienerlied-Idiom. Substanz und Niveau bleiben unangekratzt in hohen Regionen. Quasi die Fortsetzung: Eine Art Chansons (1985-87), sprachlich experimentell und absurd (Ernst Jandl, Gerhard Rühm, Kurt Schwitters etc.), kompositorisch virtuos und zitatgewürzt. Beim flüchtigen Hinschauen ein bürgerlich urbaner Lebensstil. Das stattliche Wiener Domizil samt Pool (Cerha braucht Bewegung) im peripher westlich gelegenen Villenviertel. Alternativ das Refugium in Maria Langegg nahe von Donau und Wachau, üppige Vegetation im unfrisierten Garten, Glashaus, Schwimmbecken, die selbst errichtete steinerne Kapelle inmitten von Bäumen. Schöpferisch stimulierende Stille. Allein im Wald. Sich abschirmen. Dessen bedarf er. Seine innere Haltung unangepasst. Dem entsprechend auch sein Komponieren. Nie etwelchen Moden aktualitätsbeflissen nacheifernd. Immer die Zentren gegenwärtigen Musikdenkens reflektierend. Unangepasst daher auch die Hauptprotagonisten seiner Operntrias. Zuvor aber Netzwerk (1962-67, 1978-80), sein diffizilstes Bühnenwerk (falls man Schubladen braucht: Gattung experimentelles Musiktheater), von ihm besonders wertgeschätzt. Das kritische Bild einer Welt als vernetztes System, ansatzweise ein Welttheater mit letalem Ausgang. Prozesse der Veränderung in der Gesellschaft, im Individuum, in Organismen. Der Text ist nonsemantisch, aus lautsprachlich abstrakten Phonemen gebaut, allenfalls Assoziationen erweckend. Das soziologische Spannungsfeld zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv musiktheatralisch darzustellen, bleibt dem Komponisten stringentes Bedürfnis. Jahrzehnte lagerte das Netzwerk-Idiom im Untergrund, mit Zwei Szenen für sieben Stimmen (2010/11) taucht es wieder auf, initiiert von den Fähigkeiten der Neuen Vocalsolisten Stuttgart: Wohlstandskonversation und Hinrichtung. Das ursprüngliche Wortgefüge ist geblieben, im Vergleich Cerhas „die Wirbelsäule“, aber „alle sie umgebenden Organe sind neu“. In den Jahren zwischen 1960 und 1970 machte sich in innovativen Bühnenwerken die Skepsis gegenüber dem Wort bemerkbar. Von dieser wendet sich Cerha in seiner (Literatur)-Opern-Trilogie strikt ab: Baal (1974-80, Text: Bertold Brecht), Der Rattenfänger (1984-86, Text: Carl Zuckmayer), Der Riese vom Steinfeld (1997-99, Text: Peter Turrini). Wort und Wortbedeutung sind ihm hier unverzichtbar, zumal er sich musikalisch am melodisch-rhythmischen Gefälle der Sprache orientiert. Cerha blendet in diesen drei Opern historische Klischees aus und bereichert sie formal. Das konfliktträchtige, folglich problematische Verhältnis des Individuums zu Gesellschaft und Macht bleibt thematischer Hauptstrang. Baal kann und will die ihm angebotenen organisierten Lebensbedingungen nicht akzeptieren und flieht als Außenseiter in die innere Emigration bis zur Selbstvernichtung. Der Rattenfänger opponiert gegen soziales Ungleichgewicht, ist konfrontiert mit Verfall und Auflösungen sowohl in der feudalen Oberschicht als in der ausgebeuteten Unterschicht und bleibt, soziologisch a priori im Abseits, zwielichtig, da am Ende mehr ein Fragezeichen denn ein utopischer Neubeginn steht. Anders der naive Riese, der Umwelt gegenüber passiv, gleichsam statisch verharrend, in die Außenseiterposition gerät er gegen seinen Willen. Kompositionstechnisch ist jedes der drei Werke mit jeweils anderen Formen und Strukturen bedacht. Der rote Faden resultiert aus Cerhas flexiblem Personalstil. Er manifestiert sich in vielen Details: Art der vokalen Stimmbehandlung und linearen Kontrapunktik, Arbeit mit Intervallproportionen, vor allem die aus Kernzellen abgeleitete Harmonik, selbst in clusterhaften Ballungsmomenten nie aus dem organischen Ablauf fallend. All dem liegen Skizzen von permutierenden Reihenprinzipien zugrunde (meist keine Zwölftonreihen), was im Resultat unhörbar bleibt und bleiben soll. Die Musik zu Baal verläuft dreischichtig. Zum Einzelmenschen korrelieren melodische Priorität, formprägende Balladen; formelhafte Wiederholungen beziehen sich auf die Gesellschaft; dichte Tongeflechte kennzeichnen die undurchschaubare Natur. Musikdramaturgisch begründet sind hochgradig stilisierte historische Musikformen eingesetzt, etwa Passacaglia, Fuge, auch Tanzformen wie Reggae und Foxtrott. Genau genommen ist das emphatische Baal-Finale auch ein Requiem. – Den Rattenfänger hält ein Grundmaterial aus sieben verschiedenen Tongruppen zusammen, die ein mehrfach verschränktes System situieren. Leit-Elemente signalisieren bestimmte Handlungsabläufe. Den Figuren sind spezifische vokale Topoi zugeordnet, außerdem bestimmte Instrumente (dem Rattenfänger das Saxophon). – Im Riesen vom Steinfeld, ein Stationentheater, sind zwei zwingend stark kontrastierende Klangwelten miteinander verknüpft. Jede Szene hat ihre Aura, ihr spezifisches Orchesterkolorit. Den Hauptprotagonisten eignet eine jeweils zu ihrem Charakter passende Klangwelt. So ist die verinnerlichte Musik des Riesen flächig, statisch, abgeschirmt dunkel und weich, jene seines realen wie irrealen Umfeldes hingegen fluktuierend, dynamisch exaltiert, in grotesken Episoden hektisch ausufernd. Ein äußerer Rahmen, streng polymetrisch zwölfstimmig geschichtet, verankert zeitüberbrückend den melancholischen inneren Rahmen (Legendenlieder, Traumvisionen). Innerhalb dieser Einfassung spannt Cerha einen Bogen: Aufstieg, Peripetie und tragischer Untergang des Riesen. Krass wechselnd eingelagert ist die aufdringliche Kontrastwelt. Sie positioniert das Werk als Dramma giocoso, oder eben Tragikomödie. Klanglich funkelt die Parodie mittels Allusionen und ZitatAnnäherungen: preußische und britische Militärmarschparaphrasen, groteske Walküren-Anklänge, ein jämmerlich absackendes Nazi-Lied, etliche musikalisch interne Späße. Dazwischen unvermittelt beängstigende Umkehr der Abfolge Tragödie-Komödie: Was im Prager Ghetto witzig im Kolorit der Klezmermusik beginnt, endet abrupt erstarrend in der fahl und morendo klingenden Antizipation des Holocaust. Dann abermals Skurrilität, onomatopoetisch grimmiger Scherz, wenn letztlich zum Begräbnis des Riesen dessen Beine abgesägt werden, weil der Sarg zu kurz ist… Friedrich Cerhas schöpferische Neugier erlahmt nicht. Vorrangig Komponist, sodann Dirigent, Musikwissenschaftler, Lehrer, Naturbeobachter. Sein vitales Bestreben: primär organische Formgebilde zu schaffen, „in denen Entwicklungsvorgänge eine erlebnismäßig stets fassbare Rolle spielen“. Interview mit Friedrich Cerha von Thomas Meyer, Februar 2012 my: Herr Cerha, ich möchte gern im Jahr 1958 beginnen: Damals gründeten Sie zusammen mit Ihrem Komponistenkollegen Kurt Schwertsik in Wien das Ensemble die reihe. Welches waren die Beweggründe zu dieser Gründung? Friedrich Cerha: Es gab damals noch keine Ensembles für Neue Musik, und es gab vor allem in Wien, wie übrigens an vielen anderen Orten auch, keine guten Aufführungen von den doch recht anspruchsvollen Werken der Wiener Schule. Unsere Ambition war es, ein Podium zu schaffen, um Werke der Wiener Schule – also Schönberg und Webern vor allem – und daran anschließend auch der damaligen neuesten Musik – das war hauptsächlich die von Darmstadt her geprägte – in wirklich einwandfreien Aufführungen herauszubringen. my: War das Musikleben in Wien damals reich an Neuer Musik? Es gab wohl einige wichtige Figuren, aber lebte diese Szene auch? Cerha: Heute ist das Bild von dieser Zeit im Allgemeinen recht verfälscht. Da muss ich weiter ausholen. Man hat vielfach so getan, als ob die Darmstädter Schule sozusagen etwas fortgesetzt hätte, was es vor dem Krieg im Konzertleben gab. Das stimmt ja nicht; schon vor dem Zweiten Weltkrieg haben die Vertreter der Wiener Schule, also Schönberg, Webern, in Wien so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt. Im Vordergrund standen ganz andere Leute. Nach dem Krieg gab es einen Nachholbedarf – Österreich war ja völlig abgeschnitten während des Krieges –, aber was man meinte, nachholen zu müssen, war das, was man halt so unter dem Begriff Neoklassizismus subsumiert, also Hindemith, der späte Bartók und Strawinsky. Ich bin relativ früh zur österreichischen IGNM [Internationale Gesellschaft für Neue Musik] gestoßen, in der noch eine Reihe von Leuten aus der Umgebung Schönbergs und Weberns wirkten. Natürlich hat mich die Wiener Schule fasziniert, und ich hatte glücklicherweise Gelegenheit, sozusagen aus erster Hand diese Werke kennen zu lernen und zu analysieren. Das war eigentlich der Umkreis, der mich, wenn Sie wollen, erzogen oder herangebildet hat. my: Ich denke da etwa an eine Qualität der Musik Weberns, die ich auch bei Ihnen wiederfinde: Fasslichkeit. Cerha: Weberns Musik hatte einen großen Einfluss auf mich. Sicher durch den Schönberg-Schüler Josef Polnauer, einen Juden, der sich sechs Jahre lang verstecken musste und dabei Musik analysierte. Von ihm habe ich viel gelernt, auch bezüglich der Klarheit, mit der ich gestalte. Polnauer, der Vortragsmeister in Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen, saß in allen meinen Proben, wenn ich Werke von Schönberg oder Webern erarbeitet habe. Nicht zu vergessen, dass er sich auch damals schon für Boulez und andere interessiert hat. Dieser Kreis um die IGNM hat uns dann auch sehr geholfen, die Konzertserien mit unserem Ensemble die reihe zu realisieren. Darüber hinaus, materiell und organisatorisch, gab es eine sehr aufgeschlossene musikalische Jugend, die Jeunesse musicale, die uns sozusagen die äußeren Voraussetzungen gegeben hat, diese Dinge zu realisieren. my: Wir sprachen schon über Webern: Man sagt ja heute manchmal, dass die Seriellen seine Musik damals auf fruchtbare Weise missverstanden hätten, indem sie sie auf Einzeltöne reduzierten. Haben Sie in Wien ein anderes Webern-Verständnis mitbekommen? Cerha: Die damals in Darmstadt übliche Webern-Interpretation war immer ein Gegenstand der Auseinandersetzung. Polnauer lehrte mich Webern vor allem formal zu analysieren. Reihenverläufe interessierten ihn nur am Rande; „Töne zählen können Sie alleine“, sagte er. Wenn ich heute Webern mache, weiß ich natürlich, wie er gebaut ist, aber im Grunde genommen interessiert mich das viel weniger als der emotionale Anteil: Irgendwo fühle ich mich als Österreicher oder besser als Ostösterreicher oder, wenn Sie wollen, als Wiener, etwa in den Trakl-Liedern op. 14 zuhause; es ist so etwas wie meine musikalische Heimat. my: Verstehe ich Sie richtig: der Ausdrucksgehalt interessiert Sie eigentlich mehr als die Konstruktion? Cerha: Man sollte und man kann das nicht so auseinandernehmen, aber um ein Beispiel zu geben: In der Darmstädter Zeit sind Webern-Werke immer genau in dem Tempo gemacht worden, das dort in Metronomzahlen steht, meistens noch schneller, während doch Schönberg und auch Webern immer beteuert haben, dass Metronomzahlen grundsätzlich nur Andeutungen für den Charakter der Musik sind. Mittlerweile hat sich das ja alles geändert, und Boulez nimmt ja auch heute zum Teil extrem langsamere Tempi als damals. Sehr wichtig ist ein atmendes Phrasieren. Das habe ich damals an vielen Interpretationen vermisst. my: Diese Diskrepanz, nach der ich frage, betrifft ja nicht nur Webern. Wenn man Ihren Zyklus Spiegel aus den Jahren 1960/61 hört, merkt man, dass Ihre Musik von der Kompositionstechnik und vom Material her völlig auf dem Stand der Zeit war. Darüber hinaus steckt in den Spiegeln aber auch eine enorme Klangsinnlichkeit. Cerha: Ja, aber vor allem kommen die Spiegel aus einem ungeheuren Ausdrucksbedürfnis. Es hat mich befremdet, dass die Kritiker nach den ersten Aufführungen von intellektuellen Experimenten, von Kopfmusik gesprochen haben. my: Dabei klingt diese Musik für mich doch sehr viel expressiver, fast dramatischer als vieles, was ich aus jener Zeit kenne. Cerha: Ich vermeide es ja möglichst, mich selber zu interpretieren, vor allem verbal. Ich muss aber sagen, dass sich da in der Rezeption allgemein viel gewandelt hat. Ich erinnere mich noch an die Uraufführung etwa des vierten Spiegels, nach der allgemein nur das große Experiment, das Avantgardistische oder das Konstruktive gesehen wurde. Das ist mir schon damals sehr einseitig vorgekommen, weil für mich eben auch der emotionale Anteil daran wichtig war. Mittlerweile hat sich das gewandelt: Bei den letzten Aufführungen der Spiegel ist offensichtlich das, was hinter der Tonsprache steht, besser verstanden worden. Hier hat sich einfach in den Hörgewohnheiten oder im Verständnis sehr vieles verändert. Man versteht heute viel mehr den Ausdruck dieser Musik als damals. my: Kann man sagen, dass Sie damals schon in Wien eine gesunde Distanz zu Darmstadt hatten? Cerha: Ja, das kann man sagen. Ich hatte zwar immer sehr guten Kontakt, etwa mit Stockhausen, aber ich erinnere mich noch, dass er mich doch manchmal von der Seite und sehr scheel angesehen hat, wenn ich einige Dinge nicht unterschreiben wollte oder bedenklich fand (lacht). Umgekehrt ist es in den letzten Jahren Mode geworden, sich von Darmstadt zu distanzieren und die Richtung und die Bewegung von damals sozusagen als eine Sackgasse der Geschichte zu betrachten. Das ist völlig unsinnig, denn in der Geschichte gibt es ja keine Sackgassen, das ist ja ein Netzwerk von sehr verschlungenen Wegen: von Wegen, die nie geradlinig gehen, sondern sozusagen immer Umwege machen. Es ist ja auch nicht zu leugnen, dass sehr vieles Andersgeartete, das heute passiert, ohne diese Zeit und ihre Ereignisse nicht möglich wäre. my: In Wien gab es damals ja auch eine sehr radikale literarische Bewegung, die Wiener Aktionisten. Gab es da Berührungspunkte zur Musikszene? Cerha: Diese Bewegung gab es in den 60er Jahren, und es ist, glaube ich, sehr schwer, da eine Parallele herzustellen. Die avantgardistischen Zirkel, die aus der Bildenden Kunst oder auch aus der Literatur kamen und mit denen ich auch in Kontakt und vielfach befreundet war, waren in den 50er Jahren aktiv und wir haben damals von Darmstadt noch so gut wie nichts gewusst. Wir haben in der Musik noch etwas ganz anderes als avantgardistisch gesehen. Im Strohkoffer etwa, dem Lokal des Art Clubs, wurde sehr viel Strawinsky gespielt oder auch Jazz und so gut wie überhaupt keine Musik der Wiener Schule. Diese Kreise um den Art Club und die Wiener Gruppe mit H.C. Artmann, Friedrich Achleitner, Oswald Wiener haben eigentlich erst relativ spät die Anstöße der seriellen Musik rezipiert. Gerhard Rühm war ihnen als Einziger voraus. my: Und interessanterweise haben Sie deren Texte damals auch nicht vertont. Cerha: Die Künstler der Wiener Gruppe waren Freunde, wir trafen uns im Untergrund. Lange aber konnte ich damit musikalisch nichts anfangen. In den 80er Jahren erst entstand dann eine Reihe von Chansons… my: …etwa der Zyklus Eine Art Chansons nach Gedichten von Friedrich Achleitner, Ernst Jandl, Gerhard Rühm, sowie eigenen Texten… Cerha: Das war eine sehr intensive Auseinandersetzung in jener Zeit. my: Was konnte die reihe in all diesen Jahren bewirken? Hat sich etwas verändert? Konnten Sie ein Publikum heran ziehen? Entstand dadurch in Wien eine Szene für Neue Musik? Cerha: Unsere Konzerte waren eigentlich von Anfang an sehr gut besucht, und das Interesse von Seiten der anderen Kunstsparten war immer sehr groß, also seitens der Architektur, der Bildenden Kunst sowie einer Gruppe, die spezifisch in Wien immer musikalisch eine Rolle gespielt hat, nämlich der Ärzte, der Medizin. Unsere Konzerte haben eine breite Aufmerksamkeit gefunden, wenngleich natürlich nicht immer eine positive. Ich erinnere mich noch an unser erstes Cage-Konzert, das einen ungeheuren Skandal verursacht hat, der bis in die illustrierten Zeitschriften, die so bei den Friseuren herumliegen, gedrungen ist; wir haben uns der Fotos wegen, die dort zu finden waren, gar nicht mehr auf die Straße getraut (lacht). Wien hat zwar international den Ruf, sicherlich auf einigen Gebieten und in gewisser Hinsicht mit Berechtigung, eine konservative Stadt zu sein. Aber eigentlich stimmt das schon längst nicht mehr. Seit vielen Jahren nun schon stellt etwa Wien Modern jeweils vier, fünf lebende Komponisten in den Mittelpunkt und macht eine Vielzahl von dreißig, vierzig Konzerten mit Neuer Musik. Dieses Festival hat einen ungeheuren Zulauf, und die Öffentlichkeit nimmt breiten Anteil an diesen Ereignissen, auch sehr viele junge Menschen, auch die Medien. my: Dazwischen aber, bevor Wien Modern gegründet wurde, lag doch, so schien uns von außen, einiges relativ brach, war also Wien wieder etwas im Konservatismus versunken… Oder stimmt diese Sichtweise nicht? Cerha: Das stimmt nicht. Neue Musik war – ab 1959/60 in Ensemble- und ab 1968 auch in Orchesterkonzerten – immer präsent. Es ist aber, glaube ich, sehr wichtig, dass man nicht nur die gegenwärtige Kunst pflegt, sondern auch eine Brücke schlägt vom gängigen Repertoire zur gegenwärtigen Kunst. Und das ist in Wien eine Zeit lang zu wenig geschehen – wie in vielen Städten Europas. Die großen Konzerthäuser spielen allerorten nur die Musik bis Debussy und Strawinsky; daneben gibt es die Veranstalter mit ganz neuer Musik und dazwischen klafft eine Lücke mit der Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dadurch fehlt etwas. Wir in Wien haben daran gearbeitet, und durch – ich sage das heute oft verpönte Wort: Erziehung – ist es uns gelungen, ein aufgeschlossenes Publikum an die Gegenwart heranzuführen. In Wien ist das Publikum weniger konservativ, als es früher war. Es ist ja noch nicht damit getan, wenn man irgendein schwieriges Werk einmal aufführt. Wichtig ist, dass dem ständigen Repertoire immer neue Werke einverleibt werden. Und das kann fürs Publikum nur dadurch geschehen, dass gewisse wichtige Stücke aus dem modernen oder avantgardistischen Bereich eben immer wieder kommen. Ich habe deshalb ein Unternehmen gestartet, den Zyklus „Wege in unsere Zeit“, der über fünf Jahre hinweg einen Querschnitt aus der Musikentwicklung, angefangen etwa mit dem Ersten Weltkrieg bis in die damalige Gegenwart, gebracht hat [1978–1983]. Das hat, denke ich, sehr den Boden bereitet für das, was dann mit Wien Modern in einer erfreulichen Weise zum Durchbruch gekommen ist. Es gibt ja Städte in Europa, wenn Sie an Deutschland denken, etwa Frankfurt oder Köln, die den Flair des Avantgardistischen haben und wo es 150 Leute gibt, denen nichts avantgardistisch genug sein kann, wo aber keine Brücke zum übrigen Publikum geschlagen wird. Und das finde ich bedauerlich, denn jene 150 oder, wenn’s mal gut geht, 300 Leute, die sehr verständnisvoll sind, sind vielleicht doch zu wenig, um zu garantieren, dass sich die Tradition sozusagen fortsetzt. Und darauf kommt es ja an: dass der traditionellen Musikpflege neue Werke einverleibt werden. In Wien gibt es zurzeit eine sehr lebendige Atmosphäre. Anfangs war die reihe das einzige Ensemble. Inzwischen existiert eine Vielzahl von Ensembles für Neue Musik, wobei jedes einen etwas anderen Schwerpunkt hat und auch sein eigenes Publikum. my: Spiegel ist ein zentrales Werk anfangs der 60er Jahren. Dahinter steht, wenn ich das richtig verstehe, eine szenische Konzeption. Cerha: Das visuelle Moment hat in der Struktur dieses Stückes eine wesentliche Rolle gespielt; es gab von Anfang an eine Art Libretto für den Zyklus, das aber bis zum heutigen Tag nicht wirklich realisiert wurde. Die Spiegel sind alle um 1959/60 konzipiert worden, wurden aber zum Teil erst später ausgeführt, weil es ja damals keine Chance einer Aufführung gab. Klangflächenkomposition hat man später das Verfahren genannt; den Begriff habe nicht ich erfunden. In der Musik liegt der Schwerpunkt auf Massenereignissen, in denen das vereinzelte Ereignis, die vereinzelte Linie sozusagen im Gesamtgeschehen aufgeht. Analog ist auch im optisch-theatralischen Bereich das Einzelwesen, das Individuum von untergeordneter Bedeutung. Es ist also ein Netzwerk – so heißt auch die nächste Arbeit für das Musiktheater von mir – von Massenereignissen, die immer wieder zur Evolution des Menschen beziehungsweise der humanen Gesellschaft Bezug nehmen. In dieser Form schließt es ein wenig – freilich in einer völlig anderen Weise oder übersetzt – an die alte Idee des Welttheaters an. my: Das ist ja ein zentrales Thema in Ihrem Œuvre. Ich denke zum Beispiel an Ihre zweite Oper Der Rattenfänger nach dem letzten Stück von Carl Zuckmayer. Cerha: Die Idee, die Bühne als Symbol der Evolution der Spezies, aber auch des Einzelindividuums oder, wenn Sie wollen, von mir selbst zu sehen, zieht sich durch die Arbeiten hindurch, auch vom Stoff her. Die Masse, die Gemeinschaft, die Sozietät steht in den Spiegeln im Vordergrund. Im Netzwerk (1962/79) wechselt die Perspektiven zwischen Masse und typisierten Einzelwesen, die interagieren. Im Baal [nach Bertolt Brecht] ist es dann eigentlich das Verhältnis des Individuums, des Subjekts zur Gesellschaft, zur Gemeinschaft, das für mich im Mittelpunkt steht. Was kann eine Gemeinschaft vom Einzelnen fordern? Wie kann sich der Einzelne der Gemeinschaft gegenüber verhalten? Was muss er akzeptieren? Wie weit muss er die Wege, die eine Gesellschaft dem Individuum vorzeichnet, gehen und wie weit kann er diese, wenn Sie wollen, Einbahnstraße, die die Gesellschaft ihm vorschreibt, verneinen? my: Es gibt in Ihrem Werk mehrere Außenseiterfiguren. Cerha: In den Opern etwa, im Baal, im Rattenfänger, der in eine korrupte Stadt kommt und die Kinder in eine andere Welt mitnimmt, ohne sie darüber in einer Illusion zu lassen, dass sie besser sein wird. Und der Riese vom Steinfeld ist allein seiner Statur wegen ein Außenseiter. Aber auch in meinen Kammermusikwerken finden Sie die Gegenüberstellung von Einzelnem und Kollektiv, etwa im Klarinettenquintett und in den Instrumentalkonzerten… my: Auch in dem Stück Hinrichtung für sieben Vokalstimmen, das kürzlich beim Festival Eclat in Stuttgart uraufgeführt wurde. Cerha: Ein einzelner, dort ist es der Countertenor, gerät in Konflikt mit der Gesellschaft. Das ist ein Grundthema in meinem Schaffen, schon in den 60er Jahren, aber eigentlich immer. my: Es handelt sich in den Spiegeln und im Netzwerk auch um Reflexionen über gesellschaftliche Zustände. Cerha: Ich würde eher sagen: Assoziationen zu gesellschaftlichen Zuständen. Es ist mir erst viele Jahre später klar geworden, dass dahinter auch meine schrecklichen Kriegserlebnisse stehen. Damals war mir das gar nicht bewusst. Ich habe bereits als Siebenjähriger die Gräuel des österreichischen Bürgerkriegs erlebt und danach den halbfaschistischen Ständestaat. Im Krieg bin ich als Soldat zweimal desertiert und kam danach in dieses Wien, das damals wirklich verknöchert und konservativ war. Das hat mich geprägt, ich konnte mich nie als in der Gemeinschaft integriert fühlen; ich erlebte mich immer ihr gegenüber. my: Würden Sie das als politische Musik bezeichnen? Cerha: Nicht als parteipolitisch, aber natürlich ist jedes Kunstwerk, indem es etwas im Hörer bewegt, politisch. Es löst etwas aus. Kunst ist Hilfe. my: Ich denke da auch an Ihr radiophones Stück Und Du… von 1963… Cerha: Das ist mein einziges wirklich politisches Stück, entstanden in der Zeit des Kalten Kriegs und der atomaren Bedrohung. Mit dem Text von Günter Anders … my: „Ob wir das Ende der Zeiten bereits erreicht haben, das steht nicht fest. Fest dagegen steht, dass wir in der Zeit des Endes leben. Und zwar endgültig. In der Zeit des Endes bedeutet, in derjenigen Epoche, in der wir ihr Ende täglich hervorrufen können. Und endgültig bedeutet, dass, was immer uns an Zeit bleibt, Zeit des Endes bleibt, weil es von einer anderen Zeit nicht mehr abgelöst werden kann, sondern allein vom Ende.“ (G.Anders) Cerha: …damit ist eigentlich alles gesagt, was zu sagen ist. Es bleibt aktuell und gültig. my: Der Außenseiter Baal ist ein radikaler Mensch, der zum Teil auch seine Umwelt zerstört, weil er seinen eigenen Weg zu gehen versucht. Cerha: Zwischen diesen Fronten der Selbstzerstörung oder der Zerstörung einer größeren Gemeinschaft und der Illusion, sich ein individuelles Paradies zu schaffen, also zwischen diesen Fronten spielt sich die Entwicklung des Baal ab. my: Mir kommt Baal wie ein männliches Gegenstück zur Lulu vor. Sehen Sie da auch eine Parallele? Cerha: Brecht hat ja die Lulu gekannt, und im Baal gibt es einige Szenen, die bewusst auf die Lulu anspielen. Er verwendet – „zitiert“ wäre schon zu viel gesagt – einige Sätze, die sich auf die Lulu beziehen, Wedekindsche Formulierungen auch, und ich habe an solchen Stellen damals ganz bewusst auf Formulierungen Bergs angespielt, was mir vielfach eingetragen hat, ich wäre durch die Arbeit am 3. Akt der Lulu Berg-abhängig geworden, was ja unsinnig ist. my: Gibt es denn für Sie keine Erfahrungen aus der Arbeit an der Lulu, die dann später in Ihrem eigenen weiteren Opernschaffen fruchtbar geworden sind? Cerha: Ich kann das schwer beurteilen, aber ich glaube eigentlich, dass die analytische Arbeit an Werken der Wiener Schule insgesamt für mich etwas ziemlich wichtiges war. Natürlich nimmt man diese Dinge auf; sie sind in einem drinnen und zählen einfach zur Persönlichkeit, sind sozusagen der Seele einverleibt, aber jetzt irgendein spezifisches Nahverhältnis ausgerechnet zur Sprache Bergs in der Lulu herzustellen, ist, glaube ich, doch zu viel. Etwas anderes spielt sicherlich noch eine Rolle: Zur Zeit, als sich der Weg der Klangflächenkomposition sozusagen als ausgeschritten erwiesen hatte, wurde es nicht nur von mir, sondern damals allgemein als eine Möglichkeit, als eine legitime auch vom historischen Standpunkt aus, angesehen, wieder einen Schritt zurück zu gehen, um wieder zu einer anderen Sicht der Zukunft zu kommen, zu einem anderen, wieder neuen gangbaren Weg in die Zukunft zu gelangen. Dieser Schritt zurück bringt natürlich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Dingen, die man kennt, mit sich. Dies ist ein Symptom, das ja die verschiedensten Richtungen der heutigen Musik zeigen. my: Sie sprachen von Klangflächen. Im Baal, so scheint mir, arbeiteten Sie häufig mit ganz flexiblen Klangflächen, über die dann die Sätze auch großenteils gesprochen werden. Cerha: Die Klangflächenstruktur ist im Baal für bestimmte Bereiche ganz bewusst als Stilmittel eingesetzt, das ist richtig. Ich will das nicht wieder selber interpretieren, aber man könnte sagen, sie steht für all das Irrationale im Baal, für das undurchdringlich Naturhafte, aber auch für das Erträumte, für das, was er für sich realisiert haben möchte, für seine Vorstellung, wie man leben sollte oder wie man leben können sollte, also für alle Wunschvorstellungen, für jenen Kreuzweg, der in ein Paradies führen sollte und niemals dorthin führt. Die Ballade von Evelyn Roe ist ein Bild für das Visionäre in ihm, in dem Melodik eine wesentliche Rolle spielt; es ist also keineswegs so, dass ein Großteil des Baal gesprochen ist. Die deklamatorischen Stellen sind nur eine der Möglichkeiten. Es gibt ja auch die festen Formen, die in den sinfonischen Baal-Gesängen zusammengefasst sind. my: Ein starker Kontrast ergibt sich in den Schlussszenen, aus dem Nebeneinander solcher Klangflächen und einer „trivialen Szenenmusik“. Cerha: Das ist eben der Gegensatz zwischen der visionären Welt des Baal und der Banalität der Realität, die ihn umgibt und gegen die er ja steht. my: Der Baal ist also für Sie, kann man sagen: ein Träumer, der an der Realität zerbricht? Cerha: Träumer würde ich nicht sagen, dazu steht er viel zu vital im Leben. Er ist ein Mensch, der meint, l e b e n zu müssen, der meint, für sich ein Leben nach seiner Vorstellung erwarten zu dürfen und verlangen zu können. Und der auf der Suche nach dem Land, „wo es besser zu leben ist“, scheitert, weil er sich auf diesem Weg isoliert. Das ist es, woran er zugrunde geht. my: Das war wohl auch der Grund, warum Sie zu diesem Stoff gegriffen haben. Cerha: Ich hab den Baal anfangs der 50er-Jahre kennen gelernt, und ich glaube, dieses Jahrzehnt war für viele der Generation, die noch ein wenig durch den Expressionismus durchgegangen sind, eine sehr schwierige Zeit. Man konnte eigentlich die Dinge, die man vorgestellt, die man visionär vor sich gehabt hat, nicht realisieren, weil der äußere Apparat nicht da war. Es war damals für mich kaum möglich, Orchesterwerke zur Aufführung zu bringen. Das war die eine Seite, die einen an den bestehenden Verhältnissen verzweifeln ließ. Hinzu kam der Kalte Krieg, die Schwierigkeiten im Zusammenleben nicht nur des Einzelnen mit der Gesellschaft, sondern auch in der Konfrontation der gesellschaftlichen Systeme. Eigentlich war das Verzweifeln in dieser Situation etwas recht naheliegendes. Denken Sie an die vielen Fälle, wo Künstler selbst ihrem Leben ein Ende gesetzt haben, auch einige meiner Freunde. Es war das Gefühl des Isoliert-Seins, der Erkenntnis, die Verhältnisse nicht beeinflussen, ja eigentlich nichts ändern zu können, zugleich aber nicht in einer Welt leben zu können und zu wollen, in der man auf die damals vorgezeichnete Weise leben musste. Das war eine Situation, in der man eigentlich jeden Tag sozusagen mit der Möglichkeit des Selbstmords konfrontiert war, und das spiegelt sich sicherlich auch noch im Baal. my: Somit ist der Baal für Sie fast wie eine Summe vieler Erfahrungen, die sie bis dahin gemacht haben, musikalisch, aber auch existentiell? Cerha: Sicherlich, ja. my: Ich denke da auch an Thomas Bernhard. Cerha: Wir haben uns gut gekannt, vor allem Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre. Ich habe später noch das Requiem für Hollensteiner nach seinem Buch Gehen komponiert, in dem er radikal mit österreichischen Verhältnissen abrechnet. Da mag es, wenn auch nicht in den Kunstmitteln, sicherlich Berührungen geben. my: Das wäre eines Ihrer Stücke, in dem es konkret um österreichische Verhältnisse geht. Cerha: Ja. Dieses Requiem für Hollensteiner handelt vom Verhältnis des hochtalentierten, visionären Einzelmenschen zur österreichischen Staatsbürokratie, wobei es natürlich so ist, dass Sie die Verhältnisse, die hier als österreichisch bezeichnet werden, eigentlich in den meisten Staaten der sogenannten Ersten Welt wiederfinden können. Mit dem Wienerischen, einer sehr spezifischen Form des Österreichischen, habe ich mich in meinen beiden Keintaten aus den 80er Jahren auseinandergesetzt. Meine Beschäftigung mit außereuropäischer Musik hat mir damals bewusst gemacht, dass ich als Komponist die Wiener Volksmusik, die ich seit Kindesbeinen in mir herumtrage, als Komponist bisher völlig ignoriert hatte. Die Sprüche aus dem „Wiener Panoptikum“ und der „Wiener Grottenbahn“ meines Freundes Ernst Kein – der Titel meines Werks leitet sich von seinem Namen ab –, die mir damals zufällig wieder in die Hände fielen, haben mich animiert, wie er den Leuten im lutherischen Sinn zunächst „auf’s Maul zu schauen“ und die banalen bis grotesk- makabren Sprüche in entsprechenden musikalischen Modellen zunächst einmal anzunehmen, um sie dann durch Überdrehung zu pointieren und hinter sie zu leuchten. Dass im letzten Abschnitt der I. Keintate die Elemente immer mehr verfremdet werden, Auflösungstendenzen überhand nehmen und Delirium, Fatalismus und Tod dominieren – uralte Themen in der Volkskunst und in der Kunst aus Wien – macht das Stück in besonderem Maß zum Dokument einer wesentlichen Schicht in der Mentalität dieser Stadt, vielleicht auch des Ost-Österreichischen insgesamt. my: Sie haben sich mit afrikanischer und papuanischer Musik beschäftigt. Was interessiert Sie an diesen außereuropäischen Musiken? Cerha: Nicht das exotische Moment, wie es etwa Debussy an der fernöstlichen Musik fasziniert hat. Und auch nicht – das fällt ja von vorneherein weg – das Herstellen einer nationalen Identität, wie es in den nationalen Schulen des vorigen Jahrhunderts oder nach der Jahrhundertwende bis zu Bartók in den europäischen nationalen Schulen doch stark im Vordergrund stand. Sondern einfach die faszinierende Möglichkeit eines anderen musikalischen Bewusstseins, das nicht so vom geradlinigen Fortschreiten von Bach über die Klassik, Romantik zur Wiener Schule und in die Gegenwart diktiert wurde, das vielmehr noch irgendwo Wurzeln hat, die uns verloren gegangen sind oder eben nie als Möglichkeit musikalischen Denkens bewusst waren. Und es geht in der Arbeit natürlich nicht darum, dass man existierende musikalische Verhältnisse zitiert, sondern dass man Dinge, die man von der Struktur her vorfindet, mit der Fantasie eines Menschen von heute, mit den Erfahrungen, mit der Entwicklung eines Komponisten von heute, weiterspinnt. Das ist ein – zumindest für mich – interessanter und gangbarer Weg ist. my: Das ist sicherlich eine Spannung, in der Sie stecken. Mich würde interessieren, wie weit fühlen Sie sich als ein österreichischer oder ein Wiener Komponist? Cerha: Ich habe lange Zeit Wert darauf gelegt, mich als Weltbürger zu sehen, und habe auch gemeint, dass ich eine entsprechende Musik mache. Es hat eigentlich lange gedauert, bis ich draufgekommen bin, dass das ja nicht stimmt und dass es hier Wurzeln gibt, die ich nicht gesehen habe oder, wenn ich sie gesehen habe, möglicherweise nicht wahrhaben wollte, übrigens wie viele meiner Generation. Es war immer eines meiner Prinzipien, die Dinge, wenn ich merke, dass eine Art von Erscheinungen oder eine bestimmte Tendenz vorhanden ist, unter die Lupe zu nehmen und nicht unkontrolliert zu lassen. Auf diesem Weg bin ich sozusagen auch wieder zu meiner eigenen Vergangenheit gekommen. Ich bin ja – wie die meisten Wiener – ein Kind der Habsburger Monarchie, bin selbst auf den beiden Ufern der March aufgewachsen, auf dem österreichischen und auf dem slowakischen Ufer. Mein Großvater väterlicherseits ist noch in Budapest geboren, und von da geht’s bei meinen Vorfahren nach Siebenbürgen und in die Türkei – in Istanbul gibt es noch eine Moschee mit diesem Namen – und mütterlicherseits weiter nach Mähren, in die Slowakei und nach Galizien. Ein wesentlicher Anstoß zur musikalischen Beschäftigung mit dem östlichen Raum war eine reine Äußerlichkeit: eine Tante, die eine Zeit lang in Serbien, Ungarn, der Slowakei, Polen und Russland gelebt hat, hat mir Lieblingslieder aus ihrer Familie vorgesungen. Das war altes ungarisches, slowakisches Gut. Und da war eine Gesinnung, ein Rubato, ein Ausdruck da und hinter all dem irgendwo ein mir plötzlich ganz verwandter seelischer Bereich, von dem – vielleicht Janáček ausgenommen – in unserer sonstigen Musik nichts mehr vorhanden war. Das hat mich sehr berührt, und damit sind auch persönliche musikalische Erinnerungen aus meiner Kindheit wieder aufgetaucht. Das hat mich dahin gebracht, diesen Dingen intensiver nachzuhängen, sie unter die Lupe zu nehmen und sie sozusagen in meinen Vorstellungsbereich wieder einzugliedern. Und interessanterweise haben sich auch von dort her Beziehungen zu außereuropäischer Musik ergeben. my: Könnten Sie ein Beispiel nennen, wo Sie dieses alte Liedgut wieder eingebracht haben? Cerha: Eingebracht ist schon zu viel gesagt; ich habe dieses Liedgut ja niemals wirklich zitiert, aber die papuanische Musik, wie die Musik mit den sieben Flöten vom Sepik in Neu-Guinea, spielt zum Beispiel im letzten Drittel meines Phantasiestücks eine Rolle, und sie ist von der slawischen Tradition gar nicht so weit entfernt. Aus der außereuropäischen Musik habe ich auch einiges an Oktav-Teilungen übernommen. Um 1990 sind zwei Streichquartette entstanden. Für das eine, das ich in Marokko geschrieben habe, habe ich einige Anregungen aus der arabischen Musik aufgegriffen. Das andere nimmt afrikanische und papuanische Elemente auf. Und beide arbeiten mit Vierteltonteilungen. Ich bin schon sehr früh in Wien mit der Musik Alois Hábas in Berührung gekommen, habe ihn auch noch gekannt und war zwar immer skeptisch im Hinblick auf die Realisationsschwierigkeiten solcher Konzepte, sah aber dann doch Möglichkeiten, sie so einzusetzen, dass sie auch wirklich bewusst spielbar und hörbar sind. Deshalb habe ich sie in diesen beiden Streichquartetten genutzt, und ich meine, dass sie im Ersten Streichquartett besonders gut realisierbar und wahrnehmbar sind. my: Könnten Sie mir vielleicht noch etwas zum Zweiten Streichquartett sagen. Cerha: Es ist als Auftrag des Streichquartettwettbewerbs von Evian entstanden, wo ich in der Jury und dieses Stück das Pflichtstück war. Es verwendet ebenfalls Vierteltöne und geht einen Schritt weiter in einer Tendenz, die ich nur schwer beschreiben kann und die ich für mich gelegentlich als polygestische Musik bezeichnet habe. Das bedeutet, dass es ist nicht nur ständig polymetrische Bildungen gibt, also Schichten übereinander von verschiedener Metrik, sondern dass der Typus von Bewegung, von musikalischer Bewegung, von musikalischer Gestik in den einzelnen Instrumenten verschieden ist. Das ist durchaus auch, so könnte man sagen, in einem polemischen Sinn gedacht, weil ich an vieler heutiger Musik finde, dass ihre Sprache nicht durch den aktiven Akzent eines Individuums zustande gekommen ist, sondern sich musikalische Sprachen vielfach als ein Derivat darstellen, als das, was übrig geblieben ist, wenn man bestimmte Dinge nicht tut, wenn man sozusagen alle Dinge herauskondensiert, die irgendwelche Konsequenzen haben, denen man aus dem Weg gehen möchte. Was dann übrig bleibt, ist natürlich etwas eher Puristisches, aber vielfach eigentlich etwas Armes. Und ich – das ist eine Art Credo von mir – meine, dass Kunst immer reich sein müsste, natürlich nicht im Sinn von Anhäufung von Material, sondern im Sinne von Vielfalt. Vielfalt macht es, wenn sie nicht völlig willkürlich sein soll, notwendig, dass die vielfältigen Elemente in eine Beziehung zueinander treten, das heißt, dass aus dieser Vielfalt wieder Einheit hergestellt wird. Einheit in der Vielfalt, also durchaus im Sinn des Hegelschen Absoluten. Das ist etwas, was mir zurzeit sehr wichtig scheint. my: Ist das etwas, was sich mit Ihrer Musik entwickelt hat, oder war es im Kern schon von Anfang an vorhanden? Cerha: So etwas kann man selber schwer beurteilen. Wenn ich die heutigen Kommentare zu Stücken, die ich vor 30 Jahren gemacht habe, lese, dann muss ich denken, dass das schon immer in mir drinnen war. my: Eine letzte Frage noch: Sie haben ein Sommerhaus in Maria Langegg… Cerha: Ich habe Ihnen von dieser engen Situation in den 50er Jahren in Österreich erzählt, die mich dazu geführt hat, dass ich den Nationalismus und auch das Wort „Heimat“ von mir gewiesen und mich als Weltbürger gefühlt habe. Damals bin ich als Dirigent rund um die Welt gekommen, war aber mit diesem hektisch-bewegten Leben unzufrieden. Und da bin ich ins Auto gestiegen, losgefahren, habe mich umgeschaut und habe in der Wachau, zwischen Krems und Melk, einen Ort gefunden, ein Haus am Wald. Dort ist auch ein Großteil meines bildnerischen Schaffens entstanden. Die Arbeiten füllen mittlerweile den Dachboden. my: Diese andere künstlerische Tätigkeit ist ja recht wenig bekannt. Sie arbeiten nicht nur kompositorisch, sondern malen auch und schaffen Skulpturen. Cerha: Es ist eine zweite Schiene, obwohl ich das eine gar nicht vom anderen trennen kann. my: In Ihren Langegger Nachtmusiken hört man zum Beispiel das Tuten der Schiffshörner. Cerha: Ja, die Schiffshörner hört man von der Donau her. Aber diese Umgebung weckt noch viel mehr in mir, eine Aufmerksamkeit auf alles, was uns permanent umgibt, visuell und klanglich. Friedrich Cerha – Leben Friedrich Cerha wurde 1926 in Wien geboren. Schon vor Abschluss des Gymnasiums leistete er als Luftwaffenhelfer aktiven Widerstand, desertierte dann zweimal von der deutschen Wehrmacht und erlebte das Kriegsende als Hüttenwirt in den Tiroler Bergen. Ab 1946 studierte er an er an der Akademie für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung und an der Universität Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie. (1950 Promotion zum Dr. phil.) Zunächst war er als Geiger und Musiklehrer tätig und stand einerseits in Kontakt zur avantgardistischen Untergrundszene junger Maler und Literaten um den Art-Club und andererseits zum Schönberg –Kreis der österreichischen Sektion der IGNM; der Schönberg-Schüler Josef Polnauer gab ihm privaten Analyseunterricht zu Werken der Wiener Schule. 1956-58 nahm er an den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der internationalen Avantgarde auseinandersetzte, aber auch in Kursen bei Eduard Steuermann und Rudolf Kolisch Werke von A. Schönberg und A. Webern studierte. 1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das Ensemble die reihe, das in der Folge Pionierarbeit in der Präsentation von Werken der Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne leistete und internationale Anerkennung fand. Von 1959 an lehrte Friedrich Cerha an der Hochschule für Musik in Wien, wo er 1976 – 88 eine Professur für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik innehatte. Von 1960 bis 1997 war er als Dirigent mit renommierten Ensembles und Orchestern bei international führenden Institutionen zur Pflege neuer Musik und Festivals (Salzburger Festspiele, Berliner Festwochen, Wiener Festwochen, Biennale Venedig, Warschauer Herbst, Festival d’Automne Paris, Jyväskylä-Festival, Musica Viva München, Nutida Musik Stockholm, Neues Werk Hamburg, Musik der Zeit Köln etc.) und an Opernhäusern (Staatsoper Berlin, Wien, München, Teatro Colon Buenos Aires etc.) tätig. 1978 gründete er mit Hans Landesmann im Wiener Konzerthaus den Zyklus Wege in unsere Zeit, den er bis 1983 leitete. Ab 1994 verband ihn auch eine intensive Interpretationsarbeit mit dem Klangforum Wien, dessen Präsident er bis 1999 war. Cerhas Herstellung einer spielbaren Fassung des 3. Akts der Oper Lulu von Alban Berg (UA 1979 in Paris), hat der Musikwelt ein wesentliches Werk des 20. Jahrhunderts vollständig erschlossen. Seine eigene Oper Baal wurde 1981 bei den Salzburger Festspielen, Der Rattenfänger 1987 beim Steirischen Herbst und Der Riese vom Steinfeld 2002 an der Staatsoper Wien uraufgeführt. Cerha erhielt zahlreiche Aufträge für Ensemble-, Chor-, und Orchesterwerke durch hervorragende Institutionen und Festivals (Koussevitzky-Foundation New York, BNP Paribas Paris, Südwestfunk BadenBaden, Westdeutscher Rundfunk, Musica Viva München, Konzerthaus Berlin, Steirischer Herbst Graz, Festival de música de Canarias, Konzerthaus und Musikverein Wien, Wiener Philharmoniker etc.) und ebenso zahlreiche Preise und Ehrungen, zuletzt 2006 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, den Orden „Offizier des Arts et Lettres“, den „Goldenen Löwen“ der Biennale Venedig für sein Lebenswerk und 2011 den Musikpreis Salzburg. Friedrich Cerha – Werke Eine vollständige Werkliste finden Sie unter: http://www.universaledition.com/tl_files/Komponisten/Cerha/Cerha_Catalogue.pdf http://www.evs-musikstiftung.ch/fileadmin/daten/downloads/Cerha_Catalogue.pdf KOMPONISTEN-FÖRDERPREISE 2012 Über Luke Bedford Brennglas und Lupe Von Markus Böggemann Fokussierung und Vergrößerung, Konzentration und Entfaltung – es sind derlei gegenläufige Dynamiken, die die Musik Luke Bedfords in charakteristischer Weise durchziehen. Auf der einen Seite zeigt sich in ihr ein ausgeprägtes Interesse für das Detail und die einzelne, durchaus traditionelle Geste, für die Trouvaille aus dem Fundus der Überlieferung; auf der anderen Seite gewinnt sie ihre spezifische Klanglichkeit aus der Multiplikation dieser Gesten und ihrer Übertragung auf den großen Apparat. Dieser – als Orchester oder Ensemble – erscheint als der angestammte Ort für Luke Bedfords kompositorische Fantasie, ein Laboratorium, in dem er neue Klangmöglichkeiten erkundet und die Potentiale der ihnen zugrunde liegenden Gesten oder Bewegungsmuster auslotet. In dem Ensemblestück By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008) beherrscht beispielsweise eine einfache Arpeggiofigur den musikalischen Aufriss und Fortgang. Aus ihren mannigfaltigen rhythmischen Varianten und deren vielfacher Schichtung entstehen mal gleißende, mal abgetönte Farbflächen, ehe die Figur am Ende ihre ohnehin variable Physiognomie verliert und in Geräusch umschlägt. Was sich in diesem und in anderen Stücken Luke Bedfords musikalisch ereignet, ist direkt aus dem instrumentalen Apparat heraus erfunden: Figur, Klangfarbe und Harmonik bilden eine komplexe Einheit, die die Unterscheidung zwischen primären und nachrangigen Parametern obsolet werden lässt. Und auch die elementare Differenz von Horizontale und Vertikale, von Linie und Akkord, verflüchtigt sich unter dem klangfarblich dominierten Zugriff – so in den ersten Stücken aus Bedfords Liederzyklus Or Voit Tout En Aventure (2005/06): Die ausinstrumentierten Töne der Gesangsmelodie summieren sich hier in der Folge ihres Eintretens zu begleitenden Akkorden, Klang und Linie sind ineinander verschränkt. Gleiches gilt für Outblaze the Sky (2006), dessen orchestrale Emphase sich aus der Potenzierung einer quasi Mahlerschen Geste ergibt. Das Sichversenken in die berückende Einzelheit, deren Vervielfältigung und die Ableitung großflächiger, genuin orchestraler Texturen aus ihr – aus diesen kompositorischen Verfahren erwächst schließlich jene gleichsam subjektlose Intensität, die die Faszinationskraft der Musik Luke Bedfords ausmacht. Luke Bedford – Leben Luke Bedford, geboren 1978, studierte im Rahmen eines Stiftungsstipendiums Komposition am Royal College of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge. Anschließend erhielt er ein Stipendium, um an der Royal Academy of Music den Magister-Abschluss zu machen, ebenfalls bei Simon Bainbridge. 2001 wurde sein Kammerwerk Five Abstracts für 14 Spieler von der London Sinfonietta uraufgeführt. Die Royal Philharmonic Society gab den Auftrag für das Werk, nachdem Bedford den Royal Philharmonic Society-Kompositionspreis 2000 gewonnen hatte (in der Kategorie der unter 29Jährigen). Ein weiterer Auftrag kam von der BBC – für Rode with Darkness – ein Werk für großes Orchester, das 2004 vom Hallé Orchestra unter Mark Elder in Manchester uraufgeführt wurde. Rode with Darkness basiert auf vier zwölftönigen Akkorden, die als harmonisches Skelett wirken. Die deutsche Erstaufführung fand im Januar 2005 mit dem Deutschen Symphonie-Orchester unter George Benjamin statt. Nach dem Erfolg von Rode with Darkness spielte das Philharmonia Orchestra im Februar 2006 in seiner Reihe „Music of Today“ Slow Music und Man Shoots Strangers From Skyscraper, beide für 8 Spieler. Im Jahr 2006 folgte die Uraufführung des Liedzyklus Or Voit Tout En Aventure durch die London Sinfonietta mit Claire Booth (Sopran) unter der Leitung von Oliver Knussen. Die Reife der Musik begeisterte die Kritiker, die das Werk bei der Uraufführung als Höhepunkt des Abends beschrieben. Eine der jüngeren Kompositionen Bedfords stellt Outblaze the Sky dar. Dieses Werk für Orchester wurde vom London Symphony Orchestra als Teil seiner ‚Sound Adventures’-Reihe in Auftrag gegeben und 2007 in London uraufgeführt. Die Musik Luke Bedfords wurde unter andrem vom Tokyo Philharmonic Orchestra, dem Brunel Ensemble, dem Gould Piano Trio, dem Endymion Ensemble, dem Continuum Ensemble, von Chroma, vom Ensemble Modern sowie von der Pianistin Sarah Nicolls aufgeführt. Sein Katalog enthält auch kleiner besetzte Werke, wie beispielsweise Catafalque oder Chiaroscuro für Klaviertrio. Zu den Auszeichnungen für seine Arbeit gehören der 2000 Royal Philharmonic Society Prize for Composition, der zweite Preis beim 2001 Toru Takemitsu Wettbewerb in Tokyo, der BBC Radio 3 Listeners’ Prize bei den 2004 British Composers Awards sowie „Bestes Werk eines Komponisten unter 30 Jahren“ beim International Rostrum of Composers Wettbewerb 2005 in Wien (letztere beide für Rode with Darkness). Luke Bedford – Werke 2011 Igor, The Bird Who Couldn't Sing für Erzähler, Klarinette und Klavier; Auftrag der Wigmore Hall; UA: 7. Mai 2011, Wigmore Hall London Seven Angels, Kammeroper in zwei Akten für 7 Sänger und 12 Instrumente; UA: 17. Juni 2011, CBSO Centre Birmingham New work – Six Pieces in Nine Boxes für Streichquartett; Auftrag der Wigmore Hall, gefördert durch André Hoffmann, President of the Fondation Hoffmann. In Arbeit. 2010 At Three and Two für Bläser, Schlagzeug und Kontrabässe; Auftrag der Hallé Concerts Society Manchester, England; UA 27. Mai 2010 Give Him His Hat für Klavier, Version für zwei Hände und Version für vier Hände; Auftrag des Klavier-Festival Ruhr 2009 Great Bass Rackett für Fagott; Auftrag der London Sinfonietta zu deren 40. Jubiläum. UA: 9. September 2009, Kings Place London Of the Air für Streichquartett; Auftrag von Helen Bishop-Stephens und Patrick Bailey anlässlich ihrer Hochzeit, UA 25. Juni 2009, Wigmore Hall Più Mosso für großes Orchester; Auftrag des CBSO Youth Orchestra; UA: 1. November 2009, Symphony Hall Birmingham Self-Assembly Composition No. 1 für beliebige Instrumente; Auftrag der Wigmore Hall gefördert durch André Hoffmann; UA:4. Juni 2009, Wigmore Hall London Willy and Hugh für Erzähler und acht Instrumente; Auftrag der Wigmore Hall im Rahmen von Luke Bedfords Zeit als Composer in Residence; UA: 29. Januar 2010, Wigmore Hall London 2008 By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold für 18 Spieler; Auftrag des Ensemble Modern und des Siemens Arts Program im Rahmen des Projekts into...; UA:6. März 2009 Konzerthaus Berlin Good Dream She Has für Sopran, Mezzo-Sopran, Tenor und 14 Spieler; Auftrag der Birmingham Contemporary Music Group; UA: 14. April 2008, CBSO Centre Birmingham On Time für Chor und Orchester; Auftrag der Sing-Akademie zu Berlin; UA:5. Juli 2008, Gethsemane-Kirche Berlin Upon St. George's Hill für Tenor und Gitarre 2007 Wreathe für Orchester; Auftrag der BBC Radio 3; UA: 7. Dezember 2007, Wiltshire Music Center Bradford-on-Avon 2006 Or Voit Tout En Aventure für Sopran und 16 Spieler; Auftrag der London Sinfonietta; 30. Mai 2006, Queen Elizabeth Hall London Outblaze The Sky für Orchester; Auftrag des London Symphony Orchestra gemeinsam mit UBS; UA: 12. April 2007, Barbican London 2005 Chiaroscuro für Violine, Violoncello und Klavier; Auftrag für das Gould Piano Trio durch Richard Phillips Slow Music für acht Spieler; Auftrag des Philharmonia Orchestra für seine Reihe “Music of Today” 2003 Rode with Darkness für Orchester; BBC Auftrag für Hallé; UA: 8. Januar 2004; Bridgewater Hall Manchester 2002 Catafalque für großes Ensemble / für Klavier; UA: 10. Mai 2002, Duke's Hall London Man Shoots Strangers from Skyscraper für acht Spieler; UA: 25. Mai 2002, St. George's Brandon Hall Bristol 2001 5 Abstracts für 14 Spieler; Auftrag der Royal Philharmonic Society für die London Sinfonietta; UA: 22. April 2001, Queen Elizabeth Hall London Über Zeynep Gedizlioglu Schatten werfen Von Markus Böggemann Eine rasch auffahrende Geste des Klaviers und ihr leiser Nachhall in den anderen Instrumenten; ein Akkord der verlischt, in seinen Umrissen aber stehen bleibt, bis eine neue Geste, ein neuer Nachhall ihn überlagern – ähnlich wie das Ensemblewerk Yol („Der Weg“) beginnen auch andere Stücke Zeynep Gedizlioglus. Die Folge von Impuls und Nachklang fungiert für die Komponistin als ein zentrales dramaturgisches und formales Prinzip ihrer Musik. Dabei nimmt einerseits die starke Gebärde, die oft geradezu physische Attacke der Eröffnung gefangen, mit der man als Zuhörer konfrontiert wird. Andererseits spannt sich im Schatten dieser Ereignisse ein Raum auf, der mit gutem Grund als das Eigentliche des kompositorischen Zugriffs angesehen werden kann. Verdichtungen und Überlagerungen bereiten sich in ihm vor, gestaffelte Anläufe im Wechsel von Aktivität und nachhorchendem Innehalten wie in Susma („Schweige nicht“) von 2007, dem zweiten Streichquartett Zeynep Gedizlioglus. Und es ist gleichermaßen dem Aussagewillen der Komponistin (das Stück ist der Erinnerung an den 2007 ermordeten Journalisten Hrant Dink gewidmet) wie den Gestaltungsspielräumen solchen Verfahrens geschuldet, dass in diesem Werk das Verhältnis von Auslöser und Ausgelöstem, von explosiver Gebärde und statischem Klang sich umkehrt. Ab etwa der Hälfte des Stückes ballen sich zunehmend aufgeraute Flächen zu Figuren mit definierter Bewegungsrichtung zusammen, ähnlich denen, die bislang die stehenden Klänge des komponierten Nachhalls aus sich entließen: Was Schatten wirft, ist selber nichts als Schatten, was scheinbar solide Figur, nur von angenommener Festigkeit. Auf ein solches Spiel mit Nicht-Identitäten verweisen Stücke wie Dengesiz Denklemler / Unequal Equations (2006) für Klarinette und Violoncello bereits im Titel; es bestimmt aber auch andere Werke bis ins Detail. In Akdenizli (The Mediterranean) für Violine, Viola und Klavier (2007), wie auch im schon erwähnten 2. Streichquartett Susma überlagern sich rhythmische und ornamentale Varianten desselben Motivs und erzeugen dadurch eine Heterophonie, die traditionellen Musikformen abgehört sein mag, die darüber hinaus aber die Ränder der jeweiligen Figur verwischt, ohne ihre Unterscheidbarkeit vollständig aufzugeben. Und dass diese Addition von Ähnlichem sich nicht auf die Horizontale der zeitlich-rhythmischen Abfolge beschränken muss, demonstriert Kesik (Cut) für 12 Instrumente (2010), wo ganze Melodiezüge in der Vertikalen vervielfacht werden, eingebunden in eine konzertante, Register, Soli und Instrumentengruppen kontrastierende Gesamtanlage. Hier wie dort ist das Ergebnis frappierend: ein präzise auskomponiertes Ungefähr, Genauigkeit ohne Zwang, Vielstimmigkeit ohne diffus zu werden. Die Musik Zeynep Gedzlioglus erscheint so als nachdrückliches Plädoyer für den Wert des Heterogenen und der individuellen Differenz. Zeynep Gedizlioglu – Leben Zeynep Gedizlioglu, 1977 im türkischen Izmir geboren, studierte Komposition bei Cengiz Tanc in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strassburg und bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe, sowie Musiktheorie bei Michael Reudenbach. Sie war Stipendiatin der Elisabeth-und-BrunoMeindl-Stiftung (2003), des Kultusministeriums des Saarlandes (2004), erhielt das Landesgraduiertenstipendium (2005) sowie das Wolfgang-Rihm-Stipendium der Hoepfner Stiftung (2008) und ist Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg (2010). 2005 gewann sie den Förderpreis des Franz-Liszt-Stipendiums in Weimar. Bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt und des Centre Acanthes hat sie mit eigenen Kompositionen teilgenommen. Sie arbeitete beim Institut für Musik und Akustik IRCAM in Paris, wo ihr Werk für elektro-akustische Musik uraufgeführt wurde (2010-2011). 1994-2000 entstanden Stücke zu verschiedenen Theaterwerken. Ihre Kompositionen wurden bei internationalen Festivals wie ‘Grenzenlos-Kulturelle Begegnung mit der Türkei’ in Berlin, ‘Rendez-vous Musique Nouvelle’ in Forbach, ‘Mediterrane Neue Musik Tage’ und der Biennale in Istanbul, 'MITo Settembre Musica' in Mailand, ‘Estovest’ in Turin, ‘Musica’ in Strassburg, ‘ISCM World New Music Days’ in Göteborg aufgeführt. Im Radio erklangen ihre Werke in Liveübertragungen beim SR2 Kultur Radio, Acik Radyo Istanbul, France Musique und beim SWR2. Einige ihrer Werke wurden auf CD veröffentlicht. Sie arbeitet zusammen mit den Solisten des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, mit dem Navarra Symphonie Orchester, dem Orchestre National de Lorraine, dem Ensemble Recherche, Accroche Note, Ensemble Orchestral Contemporain und dem Arditti Quartett, die zahlreiche Werke uraufgeführt haben. Zeynep Gedizlioglu – Werke 2011 Breath for Mathilde für Baritonsaxophon und Elektronik UA IRCAM Paris 2011 Saxophon, Mathilde Salvi Denge für Klavier UA ‚EXIL-PEN’, Köln 2011 Klavier, Nare Karoyen 2010 Kesik (Cut) für 12 Instrumente UA Abschlusskonzert des Centre Acanthes, Metz 2010 Orchestre National de Lorraine, Leitung: Jean Deroyer Sokakta (Outdoors) eine Performance für Saxophonquartett 2009 Mut für vier Violoncelli UA Hochschule für Musik Karlsruhe 2009 Portraitkonzert Zeynep Gedizlioglu, Baden-Baden / Freiburg 2010 Flur für gemischten Chor UA Kunstmuseum Heidenheim 2009 Wenn Du mich hörst, klopf zweimal für Sopran und Streichquartett UA Festival Estovest, Turin 2009, Rosemary Hardy und Xenia Ensemble 2008 Die Wand entlang für Klavier UA Festival 100 Jahre Olivier Messiaen, Karlsruhe 2008, Yannick Wirner 2007 Susma, Streichquartett Nr. 2 UA Abschlusskonzert des Centre Acanthes, Luxemburg 2007, Arditti Quartett Akdenizli für Violine, Viola und Klavier UA Internationales Pera-Fest, Istanbul 2007, Ulucan-Trio 2006 Yol für Klarinette, Vibraphon, Violine, Violoncello und Klavier UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2006 Ungleiche Gleichungen für Klarinette und Violoncello UA Preisträgerkonzert des Franz-Liszt-Stipendiums, Weimar 2006, Ensemble Recherche 2005 Dialogo a tre für Blockflöte, Violine und Cembalo UA beim Festival Italianitá, Saarbrücken 2005 2004 Evokation für 11 Bläser UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2004 2003 Streichquartett Nr. 1 UA beim Preisträgerkonzert der Elisabeth-und-Bruno-Meindl Stiftung, Saarbrücken Die Tat für Elektronik UA Rendez-vous Musique Nouvelle Forbach 2003 Pentagramme für Klavier UA im Rahmen des Projekts Hammerklavier, Saarbrücken 2004, Raoul Jehl 2002 Blank blank blank, blank für Stimme solo UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2002, Michael Müller Atemlos für Elektronik Rufe für Klarinette solo UA beim Eröffnungskonzert des Frauenkulturmonats Saarbrücken 2005, Rebecca Kirchner 2001 Vier Stücke für Oboe, Klarinette und Fagott UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2002 2000 Musik für die Theateraufführung Player von Sahika Tekand, Theaterkompanie Studio Players, Istanbul. 1999 Studies, Komposition für Streichquartett 1998 Studies, Komposition für großes Orchester Studies, Oktett für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten und 2 Fagotte 1997 Untitled II für Klavier UA Konzert Zeitgenössische Türkische Komponistinnen, Istanbul 2001, Metin Ülkü 1996 Untitled I für Klavier UA Konzert Zeitgenössische Türkische Komponistinnen, Istanbul 2001, Metin Ülkü 1995 Kusku für Klavier UA Istanbul 1996, Neslihan Schmidt Akdenizli für Bariton, Violoncello und Klavier 1994 Musik für die Theateraufführung von Edward Bonds Olly’s Prison, Theater der Capa Universität, Istanbul Musik für Samuel Becketts Act Without Word II, Theaterkompanie Studio Players, Istanbul Über Ulrich Alexander Kreppein Erinnerung und Vielstimmigkeit Von Markus Böggemann Einem Wort Theodor W. Adornos zufolge ist es Robert Schumann gewesen, der für die Musik den Gestus des sich Erinnerns und Zurückschauens entdeckt hat. In seinen Werken wächst der Gegenwartskunst par excellence erstmals eine Vergangenheitsperspektive zu; sie bleibt nicht reine, emphatische Präsenz, nur an den Augenblick ihres Erklingens gebunden, sondern reflektiert in den stärksten Momenten ihre spezifische Zeitlichkeit: sie beschwört die eigene Vergänglichkeit, indem sie auf Vergangenes verweist. Solche Selbstreflexivität hat man mit Recht als ein Kennzeichen der ästhetischen Moderne identifiziert, und genau hier, in den intellektuellen Potentialen einer nicht trivialisierten Romantik, liegt auch ein Faszinationskern für das Komponieren Ulrich Alexander Kreppeins. Seine Musik sucht das Uneigentliche, das Mehransichtige und sich selbst Konterkarierende, sie spricht mit unterschiedlichen Stimmen und, intermittierend, aus verschiedenen zeitlichen Fernen heraus. So erklingt im ersten der drei Phantasiestücke, einem Streichtrio mit dem (einem späten Gedichtentwurf Rilkes entlehnten) Titel Windinnres, mehrfach eine Bratschenkantilene von vogelhafter Unstetheit, die bei ihrem letzten Auftreten, ehe sie sich multipliziert und auf das gesamte Ensemble übergreift, hinter einem mikrotonal verwischten, aber durchaus tonalen Klangband der Außenstimmen hervorleuchtet. Die zuvor etablierte Hierarchie von Haupt- und Nebensachen, von Vorder- und Hintergrund wird hier umgestülpt, der wie aus Tiefen der Erinnerung heraufziehende ‚alte‘ Ton überlagert die Gegenwart der beredten Linie. Es entspricht dieser ästhetischen Option, dass einsinnig final gerichtete Prozesse, ein restriktiver Materialbegriff und die universale Integration von Motiven und Gestalten nicht Kreppeins Sache sind. Ihm ist es vielmehr um eine Pluralität im emphatischen Sinne zu tun, er favorisiert nichtlineare Verläufe und eine Vielstimmigkeit der Klang- und Sprachformen, die das Disparate – im Sinne einer ‚höheren Polyphonie‘ – weniger fürchtet als den Verlust des Poetischen. Zu dieser Vielstimmigkeit gehört auch die nachdrückliche Bezugnahme auf literarische Motive und Texte – das bezeugen schon die Werktitel mit ihrer Affinität zu Zwielicht, Nacht und Schatten. Aber auch die Kompositionen selbst werfen ein Netz sprachlicher und motivischer Bezüge aus: In der Orchesterskizze Schattenspiele von 2008 – sie rekurriert auf Ideen, die in kammermusikalischer Form auch im dritten der Phantasiestücke, „Abendlied“, verwendet werden – finden sich, im Klang vergraben und selbst schon zu Klang geworden, gewisperte Textfragmente aus einem Gedicht Georg Heyms; das zweite der Phantasiestücke, „Nachtschattenwirbel“, birgt in seinem Untergrund Zitate aus Hans Henny Jahnns Die Nacht aus Blei und integriert daneben auch das Geräusch indistinkter Radiostimmen. Das Ziel all solcher Strategien ist jedoch nicht Tiefsinn, sondern die Produktion von Präsenz; Ulrich Alexander Kreppeins Musik sucht in der Vielfalt ihrer Sprachebenen den emphatischen Zugriff auf die Welt mittels einer mit jedem Werk neu zu etablierenden Beredsamkeit. Ulrich Alexander Kreppein – Leben Ulrich Alexander Kreppein wurde 1979 geboren und wuchs in Baden-Württemberg auf, wo er früh Unterricht in Klavier, Violoncello, Kirchenorgel sowie in Komposition erhielt. Nach dem Abitur studierte er an der Robert Schumann Musikhochschule Düsseldorf: Komposition bei Manfred Trojahn, Klavier bei Thomas Leander und Musikwissenschaft bei Andreas Ballstaedt. Nach weiteren Studien an der Columbia University in New York bei Tristan Murail von 2003 – 2004, schloss erhielt er sein Diplom im Januar 2005. Im darauffolgenden Jahr begann er sein Dissertationsstudium an der Harvard University in Boston, USA, das er 2011 mit dem Ph.D in Komposition abschloss. Zu seinen Lehrern in Harvard zählen unter anderen Julian Anderson, Brian Ferneyhough, Chaya Czernowin, Hans Tutschku, Joshua Fineberg und Helmut Lachenmann. Kreppein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, wie etwa beim Bundeswettbewerb Jugend komponiert 1998 und 1999, sowie dem Andreas Werckmeisterpreis der Stadt Halberstadt für ein Orchesterwerk. Später erhielt er Preise bei der Saarbrückener Komponistenwerkstatt 2001 und den dritten Preis, sowie den Preis als jüngster Preisträger beim Internationalen Musica Sacra Wettbewerb in Polen 2005. Er war 2008 Finalist beim Internationalen Tactus Wettbewerb in Mons, Belgien. Kreppein erhielt unter anderem Kompositionsaufträge von der ROC-GmbH Berlin, dem Callithumpian Consort in Boston, der Britten Sinfonia in Cambridge und dem SWR Stuttgart. Ulrich Kreppein erhielt Stipendien von der Studienstiftung des Deutschen Volkes (2002 – 2005), vom DAAD (2003/04) sowie von der Akademie Musiktheater Heute der Deutschen Bank Stiftung (2009 – 2011). 2008 nahm er an den Sommerkursen von Acanthes teil und ist im Moment ein Presidential Fellow an der Harvard University. 2009 wurde er bei der Orchesterwerkstatt Stuttgart ausgezeichnet und war Finalist beim Internationalen Isang Yun Wettbewerb in Seoul, Süd-Korea. Er ist Stipendiat der Akademie der Künste in Berlin 2011 und wurde für ein sechsmonatiges Aufenthaltsstipendium auf dem Künstlerhof Schreyahn für das Frühjahr 2012 ausgewählt. Seine Werke wurden in der Berliner Philharmonie, der Carnegie Hall in New York, sowie in Moskau, Düsseldorf, München, London und Boston aufgeführt und beinhalten Orchesterwerke, Opern und Kammermusik. Ulrich Alexander Kreppein – Werke ORCHESTERMUSIK 2009 Spiel der Schatten für großes Orchester 2008 Schattenspiele, Skizze für Orchester Lichtspiele für Violine und großes Orchester Entfernte Landschaft für Orchester Paysage Nocturne II für kleines Orchester 2006 Paysage Nocturne I für kleines Orchester 2005 Vagues für Orchester 2002 Traces – vers les sons tournant dans l’air du soir für großes Orchester 2001 Traces – vers un jardin obscur für großes Orchester 2000 Le soleil s’est noyé dans son sang qui se fige... für großes Orchester KAMMERMUSIK 2010 Konstruktionen der Dämmerung für Schlagzeugquartett Phantasiestücke Windinnres für Streichtrio Nachtschattenwirbel für Ensemble Abendlied für Flöte, Klarinette und Streichtrio 2009 Streichquartett 2007 Sine Nomine für Flöte, Klarinette, Horn, Posaune und Streichtrio 2004 Rain, keep on falling für Klavier, Posaune, Saxophon und zwei Violinen 2003 Drei Möglichkeiten einen Weg zu beschreiben für sechs Instrumente 2000 Nachtstück für Blechbläserquintett ENSEMBLE 2010 Départ für großes Ensemble 2007 Spiegelbilder für Ensemble 2003 Verwandlungen im Spiegel für Ensemble Par les rues et les chemins en cherchant für Ensemble VOKALMUSIK 2008 Tryptichon für Flöte, Harfe, Sopran und Viola, nach Gedichten von Friedrich Hölderlin 2007 Zwei Lieder nach Texten von Stefan George für Sopran, Flöte, Violine und Cello 2005 Agnus Dei für 12-stimmigen gemischten Chor 2003 Eluardlieder für zwei Soprane, Flöte, Klarinette, Percussion, Violine, Viola und Violoncello nach Gedichten von Paul Eluard 2002 1. Streichquartett für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Sopran solo nach Gedichten von Arthur Rimbaud Melodram für Klavier und Sprecher nach einem Text von Franz Kafka 2001 Drei Gesänge nach Texten von Ingeborg Bachmann für Sopran und neun Instrumente MUSIKTHEATER 2004 Opernszene für die Oper Der Herr Gevatter, Gemeinschaftsoper mit vier weiteren Komponisten 2002 Der Eindringling, Oper in einem Akt nach Maurice Maeterlinck FÖRDERPROJEKTE 2012 Kompositionsaufträge Kompositionsaufträge im Rahmen der Konzertreihe music@villaromana Villa Romana, Florenz (IT) Februar – September 2012 Villa Romana, Florenz www.villaromana.org Kompositionsaufträge an Onur Yildirim, Santa Buss, Ivan Pakhota, Darija Andovska, Emre Sihan Kaleli für das Convergence New Music Ensemble pre-art, Zürich (CH) Februar – Oktober 2012 Tbilissi, Jerevan www.pre-art.ch Kompositionsaufträge an Walter Zimmermann, Daniel Peter Biro und Yuval Shaked Ensemble Meitar, Tel Aviv (IL) UA 2. Februar 2012 The center for contemporary music, Tel Aviv www.meitar.net Kompositionsauftrag an Karlheinz Essl The Music Gallery, Toronto (CA) UA 17. Februar 2012 The Music Gallery, Toronto www.junctqin.com Kompositionsaufträge an Wolf Edwards, Bernhard Gander, Steven Kazuo Takasugi und Gianluca Ulivelli für Salt Festival Ensemble Tsilumos, Victoria, BC (CA) März 2012 – März 2013 Victoria, BC www.tsilumos.org Kompositionsauftrag an Jean Guillou Euro-Via Festival, Eching am Ammersee (DE) UA 9. April 2012 Philharmonie Berlin www.euro-via-festival.org 7 Kompositionsaufträge für Aspekte Festival Aspekte Salzburg (AT) 9. – 13. Mai 2012 Universität Mozarteum und Landestheater Salzburg www.aspekte-salzburg.at Kompositionsauftrag an Claus Kühnl Bayerisches Kammerorchester Bad Brückenau e. V. (DE) UA 19. Mai 2012 König-Ludwig-I Saal, Bad Brückenau www.kammerorchester.de „Der Maler spricht“ – Kompositionsauftrag an Motschmann Ensemble risonanze erranti, München (DE) UA 25. Mai 2012 Pinakothek der Moderne, München www.ensemble-risonanze-erranti.de Reflexionen über „frei, aber einsam“ Kompositionsaufträge an Manfred Trojahn, José María Sánchez Verdú und Stefan Johannes Hanke Hannoversche Gesellschaft für Neue Musik e.V. (DE) UA 6. Juni 2012 Orangerie Herrenhausen, Hannover www.hgnm.de Kompositionsauftrag an Giya Kancheli Istanbul Foundation for Culture and Arts – Istanbul Music Festival (TR) UA 8. Juni 2012 Hagia Eirene Museum, Istanbul www.iksv.org Kompositionsaufträge an Miroslav Srnka und Salvatore Sciarrino Münchener Kammerorchester (DE UA Srnka: 21. Juni 2012 Prinzregententheater, München UA Sciarrino: 17. September 2012 Beethovenfest, Bonn www.m-k-o.eu Kompositionsaufträge an Wolfgang Rihm, Wilhelm Killmayer, Manfred Trojahn, Kenneth Hesketh, Moritz Eggert, Alexander Muno, Alexander Goehr Kissinger Sommer Festival (DE) UA 30. Juni 2012 und 1. Juli 2012 Regentenbau, Bad Kissingen www.kissingersommer.de Fünf Blicke auf Dürers Marienleben – Kompositionsaufträge an Nelida Bejar, Minas Barboudakis, Markus Lehmann-Horn, Viera Janárčeková und Tobias PM Schneid Internationale Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra (DE) 2. – 6. Juli 2012 Frauenkirche, Nürnberg www.ion-musica-sacra.de „Headspace in the City“ – Kompositionsauftrag an Nigel Osborne City of London Festival (UK) UA 6. Juli 2012 Guildhall Yard, City of London www.colf.org Kompositionsaufträge an Friedrich Schenker, Anton Safronov und Kristian Kesten XX. Randfestspiele, Evangelische Kirche Zepernick (DE) 6. – 7. Juli 2012 Zepernick www.randspiele.de „…ohne das Haupt der Medusa” – Kompositionsauftrag an Manos Tsangaris ArTree, Thessaloniki (GR) UA 24. August 2012 Thessaloniki www.music-village.gr Pollini Perspectives – Auftragswerk an Salvatore Sciarrino Lucerne Festival (CH) UA 30. August 2012 Konzertsaal im KKL, Luzern www.lucernefestival.ch Charles Ives Projekt – Kompositionsaufträge an Georg Friedrich Haas und Toshio Hosokawa Mahler Chamber Orchestra, Berlin (DE) UA 31. August 2012 Philharmonie Berlin www.mahler-chamber.eu Kompositionsauftrag an Rudolf Kelterborn Ensemble TaG Neue Musik Winterthur (CH) UA September 2012 Theater am Gleis, Winterthur www.ensembletag.ch Mehr Musik! – Kompositionsaufträge an Philippe Hurel, Enno Poppe, Johannes Staud und Steven Daverson ensemble recherche, Freiburg (DE) Herbst 2012 – August 2015 www.ensemble-recherche.de Auftragskompositionen für Musiktheater an Johannes Seidl, Gerhard Stäbler und Francois Sarhon für TonLagen Hellerau HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden (DE) Oktober 2012 – Oktober 2014 Festspielhaus Hellerau Dresden www.hellerau.org Kompositionsauftrag an Charlotte Seither via-nova-chor, München (DE) UA 7. Oktober 2012 Prinzregententheater, München www.via-nova-chor.de Kompositionsauftrag an Hans-Joachim Hespos KunstAuditiv Dresden e.V. (DE) 7. Oktober 2012 Festspielhaus Hellerau (Festival Tonlagen) www.auditivvokal.de Kompositionsauftrag an Hans Werner Henze Deutsche Oper Berlin (DE) UA 20. Oktober 2012 Deutsche Oper Berlin www.deutscheoperberlin.de Kompositionsauftrag an Michael Riessler MEHR MUSIK!/Zukunftsmusik, Augsburg (DE) UA 3. November 2012 MAN-Museum Augsburg www.zukunft-musik.de www.mehrmusik-augsburg.de Kompositionsaufträge an Giorgio Netti und Marc Sabat Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, Bludenz (AT) 21. – 24. November 2012 Bludenz www.btzm.at World Wide Visions – Kompositionsaufträge an Marko Nikodijevic, Jagoda Szmytka und Brigitta Muntendorf Ensemble Garage e.V., Köln (DE) UA Januar 2013 Gare du Nord, Basel www.ensemble-garage.de 6 Kompositionsaufträge für Soundscape East Asia Villa Elisabeth, Berlin (DE) ensemble unitedberlin 6. – 8. Februar 2013 Villa Elisabeth, Berlin www.unitedberlin.de Minotaurus – Kompositionsauftrag an Markus Hechtle ECLAT Festival für neue Musik, Stuttgart (DE) 8. Februar 2013 Theaterhaus Stuttgart www.eclat.org Kompositionsauftrag an Ivan Fedele Makrokosmos Quartet, Genf (CH) UA März 2013 Wittener Musiktage www.makrokosmos.eu Kompositionsaufträge an Vinko Globokar, Fabio Nieder und Daria Andovska für „Pisma u domovinu – Briefe in die Heimat“ Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (DE) Frühjahr 2013 Cetinje, Montenegro, Belgrad, Hannover und Stadthagen www.incontri.hmtm-hannover.de Avant-Gardner – Kompositionsauftrag an Chaya Czernowin Calderwood Performance Hall, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston (US) UA 4. April 2013 Calderwood Performance Hall, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston www.isgm.org „Wär’ ich ein Ton.“ – Kompositionsaufträge an Johannes Schöllhorn und Carola Baukholt Jean Paul 2013 e.V., Bayreuth (DE) UA 30. August 2013 Weimar www.jean-paul-2013.de Kompositionsauftrag an Sarah Nemtsov Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda e. V. (DE) UA 31. August 2013 Kloster Volkenroda www.kloster-volkenroda.de Klavierdoppelkonzert. Kompositionsauftrag an Jan Müller-Wieland Staatsphilharmonie Nürnberg (DE) UA September 2013 Meistersingerhalle Nürnberg www.staatstheater-nuernberg.de „A Laugh to Cry“ – Kompositionsauftrag an Miguel Azguime Miso Music (PT) UA 27. September 2013 Warschauer Herbst www.misomusic.com Kompositionsauftrag an Claus-Steffen Mahnkopf ELISION ensemble, Melbourne (AU) UA Oktober 2013 Transit Festival, Leuven www.elision.org.au Kompositionsaufträge an Martin Grütter und Filip Caranica Schwelbrandorchester, Berlin (DE) UA Herbst 2013 So36 Berlin www.schwelbrand.net Kompositionsauftrag an Robert HP Platz Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DE) UA 16. Mai 2014 Großer Sendesaal Saarbrücken www.deutscheradiophilharmonie.de Konzerte und Veranstaltungen Ergon Ensemble Project Ergon Ensemble, Athen (GR) Saison 2011/2012 Konzerthalle Athen und Onnasis Foundation www.ergon-ensemble.gr Komponistenporträts Zorn, Paredes, Aperghis Miller Theatre at Columbia University, New York (US) Oktober 2011 – Mai 2012 Miller Theatre at Columbia University, New York www.millertheatre.com Meisterwerke von Rihm, Lachenmann, Furrer und Haas Sound Icon, Boston (US) 5. November 2011 – 25. Februar 2012 Boston University und Institute of Contemporary Art, Boston www.soundicon.org Konzertsaison 2011/2012 Ensemble Phoenix Basel (CH) Dezember 2011 – Juni 2012 verschiedene Orte in der Schweiz www.ensemble-phoenix.ch Sound Stream Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium (RU) Saison 2012/2013 Moskau www.mosconsv.ru Making New Music London Sinfonietta (UK) Januar – Juni 2012 Southbank Centre, Queen Elizabeth Hall, London www.londonsinfonietta.org.uk Fernbeziehung fgnm – Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik (DE) Januar – Dezember 2012 Instituto Cervantes, Frankfurt www.fgnm.de Konzertreihe Schlüsselwerke der Neuen Musik ON – Neue Musik Köln e.V. (DE) Februar – Dezember 2012 Köln www.on-cologne.de Jubiläumskonzerte 25 Jahre Ensemble Wiener Collage Ensemble Wiener Collage (AT) März 2012 – November 2013 verschiedene Orte in Wien www.ensemblewienercollage.at Young Russia – Young Europe Music Forum of the Moscow State Philharmonic Society (RU) März 2012 – Februar 2013 Moskau, Nischni Nowgorod, Kaliningrad, Surgut und Jekaterinburg www.gamensemble.ru Die Kreuzung – Porträtkonzerte Andre, Thomalla, Czernowin Ensemble Dal Niente, Chicago (US) 3. März 2012, Chicago; 10. März 2012, Milwaukee; Dezember 2012, Chicago dalniente.com Paul Ben-Haim „Joram“ Münchner MotettenChor e. V. (DE) EA 3. April 2012 Tel Aviv www.muenchner-motettenchor.de Helmut Lachenmann „Notturno“ Ensemble Resonanz, Hamburg (DE) Mai 2012 Laeiszhalle Hamburg, Muziekgebouw Amsterdam, Konzerthaus Wien www.ensembleresonanz.com Cage in Bremen Sendesaal Bremen (DE) 10. – 12. Mai 2012 Sendesaal Bremen www.sendesaal-bremen.de Porträtkonzert Hans Thomalla Either/Or, New York (US) 17. Mai 2012 Tenri Cultural Institute, New York www.eitherormusic.org Helmut Lachenmann „Accanto“ Aldeburgh Music, Snape (UK) EA 18. Juni 2012 Snape Maltings Concert Hall, Aldeburgh www.aldeburgh.co.uk Uraufführung Younghi Pagh-Paan Great Mountain International Music Festival, Seoul (KR) UA 29. Juli 2012 Alpensia’s New Music Tent, Seoul www.gmmfs.com Lunar Movements Argento New Music Project, New York (US) 5. August – 23. Dezember 2012 Austrian Cultural Forum, New York www.argentomusic.org Karlheinz Stockhausen „Mittwoch aus Licht“ Birmingham Opera Company (UK) UA 22. August 2012 Argyle Works, Birmingham www.birminghamopera.org.uk Composers of our Time Lithuanian Ensemble Network (LT) September 2012 – Oktober 2013 verschiedene Orte in Litauen www.lithuanian-ensemble.net Hypermusic Prologue Zafraan Ensemble, Berlin (DE) Oktober 2012 HAU 1 (Hebbel am Ufer), Berlin www.zafraan-ensemble.com Musica 2012 – Hans Zender Portrait Musica, festival international des musique d’aujourd’hui de Strasbourg (FR) 4. Oktober 2012 Libraire Kléber, Salle de la Bourse, Straßburg www.festival-musica.org Jonathan Harvey „Weltethos“ Southbank Centre, London (UK) 7. Oktober 2012 Royal Festival Hall Southbank Centre, London www.southbankcentre.co.uk Mauricio Kagel „Zwei-Mann-Orchester“ Goethe-Institut Buenos Aires (AR) EA November – Dezember 2012 Buenos Aires, Córdoba und Rosario www.goethe.de/buenosaires Schwarze Spiegel – miroirs noirs oh ton-ensemble: Neue Musik im Nordwesten, Oldenburg (DE) November 2012 Oldenburg und Bremen www.ohton.de Festivals Festival Aspects des Musiques d’Aujourd’hui – 30° édition Orchestre de Caen (FR) 20. – 25. März 2012 verschiedene Orte, Caen www.orchestredecaen.fr Hamburger Ostertöne 2012 HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle (DE) 6. – 8. April 2012 Laeiszhalle und St. Johannis-Kirche, Hamburg www.ostertoene.de Carte blanche II Förderverein Temnitzkirche, Netzeband (DE) 1. – 2. Juni 2012 Temnitzkirche, Netzeband www.theatersommer-netzeband.de Kompositionsaufträge Cheltenham Music Festival 2012 Cheltenham Music Festival (UK) 4. – 15. Juli 2012 verschiedene Orte, Cheltenham www.cheltenhamfestivals.com Im Profil: Wolfgang Rihm Europäische Festwochen Passau (DE) 20. / 21. Juli 2012 Straubing und Passau www.ew-passau.de Tanglewood Music Center Festival of Contemporary Music Boston Symphony Orchestra (US) 9. – 13. August 2012 Tanglewood www.bso.org Arcus Temporum XI – Art Festival of Pannonhalma 2012 Pannonhalma Archabbey Foundation (HU) 24. – 26. August 2012 Pannonhalma Archabbey www.arcustemporum.hu Music Innovation – UNM 2012 Ung Nordisk Musik (IS) 27. – 31. August 2012 Reykjavík und Skálholt unmiceland.wordpress.com Zyklus Benedict Mason Festival d’Automne à Paris (FR) September – Dezember 2012 verschiedene Orte in Paris www.festival-automne.com Donaueschinger Musiktage 2012 Donaueschinger Musiktage (DE) 19. – 21. Oktober 2012 verschiedene Orte in Donaueschingen www.swr.de/donaueschingen Journées Contemporaines Basel Theater Basel (CH) 20. – 23. Oktober 2012 verschiedene Orte in Basel www.theater-basel.ch Wien Modern 2012: Schwerpunkt Olga Neuwirth Musikverein Wien Modern (AT) 22. Oktober – 22. November 2012 verschiedene Orte in Wien www.wienmodern.at L’arsenale 2012 – New Music in Treviso L’arsenale APS, Treviso (IT) November 2012 Treviso www.larsenale.com Internationale Weingartener Tage für Neue Musik 2012 Weingarten (DE) 16. – 18. November 2012 verschiedene Orte in Weingarten www.weingarten-neue-musik.de Brücken 2012 Verein für Neue Musik Mecklenburg-Vorpommern e.V. (DE) 25. November – 2. Dezember 2012 Volkstheater und HMT Rostock www.neue-musik-mv.de Musica nova – Orient-Occident Musica nova, Helsinki (FI) 8. – 16. Februar 2013 Helsinki www.musicanova.fi Salzburg Biennale 2013 Salzburg Biennale (AT) 1. – 17. März 2013 verschiedene Orte in Salzburg www.salzburgbiennale.at Akademien und Wettbewerbe Zeitgenössische Kammermusik Herrenhaus Edenkoben e.V. (DE) 2012 – 2013 Herrenhaus Edenkoben www.herrenhaus-edenkoben.de European Musical Creation Workshop Centro Imaginario de Estudios Artísticos, Madrid (ES) Februar – November 2012 Instituto de la Juventud & Fundación Autor, Madrid www.emcw.eu Kammermusik Akademie Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling (DE) 22. – 28. April 2012 Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg www.heidelberger-fruehling.de Komponistenstudio – Ensemble Modern Ensemble Modern, Frankfurt (DE) Mai 2012 www.ensemble-modern.com Manila Composers Lab 2012 Manila Composers Lab (PH) 15. – 28. Juli 2012 College of Music, University of the Philippines www.upd.edu.ph Sommerakademie „Neue Musik“ Hochschule für Musik und Theater München (DE) August 2012 Hochschule für Musik und Theater München www.musikhochschule-muenchen.de Young Composers‘ Academy Philharmonia Orchestra Philharmonia Orchestra, London (UK) September 2012 – Juni 2015 Southbank Centre, Royal Festival Hall und Henry Wood Hall, London www.philharmonia.co.uk Komponisten Workshop Fondation Royaumont (FR) 3. – 22. September 2012 Royaumont Abbey, Val d’Oise www.royaumont.com IEMA: Workshop mit Unsuk Chin 2012 Verein Transart, Eppan (IT) 10. – 22. September 2012 Trient und Bozen www.transart.it Tenso Young Composers Workshop – Der Chor als Instrument Tenso Network Europe (NL) 10. – 13. Oktober 2012 Nordic Music Days, Stockholm 7. – 19. Mai 2013 Tenso Days, Mechelen, Belgium www.tenso-vocal.eu VII TDM International Academy Trío De Magia (ES) 30. November – 2. Dezember 2012 Sueca, Valencia www.triodemagia.com Composer Collider musikFabrik Landesensemble NRW e.V., Köln (DE) 13. – 17. Dezember 2012 musikFabrik, Köln www.musikFabrik.eu Kompositionsauftrag an Jörg Widmann für Klarinettensolo Beijing International Music Competition 2013 (CN) 9. – 13. Mai 2013 Beijing Concert Hall www.bjimc.cn Conducting Composers – Composing Conductors Stiftung Schleswig-Holstein Musik Festival (DE) Juli / August 2013 Rendsburg/Büdelsdorf, Hamburg, Berlin www.shmf.de Kinder- und Jugendprojekte Schülerensemble für zeitgenössische Musik Ensemble intercontemporain, Paris (FR) 2010 – 2012 verschiedene Orte in Paris www.ensembleinter.com Ostertournee 2012 Gustav Mahler Jugendorchester, Wien (AT) 31. März – 25. April 2012 verschiedene Orte in Europa www.gmjo.at Kompositionsauftrag an Moritz Eggert für „All diese Tage“ Theater Bremen (DE) UA 28. April 2012 Theater am Goetheplatz, Bremen www.theaterbremen.de Notations – Ein Projekt zur Vermittlung zeitgenössischer Klaviermusik Klavier-Festival Ruhr, Essen (DE) 1. Juni 2012 Haus Fuhr, Essen www.klavierfestival.de Studio Dan spielt… Studio Dan – Verein für Neue Musik, Wien (AT) September – Oktober 2012, Graz, Wien, Salzburg www.studiodan.at Kompositionsauftrag an Peter Eötvös Mädchenchor Hannover (DE) UA 23. September 2012 Landesfunkhaus Niedersachsen, Hannover www.maedchenchor-hannover.de Kompositionsaufträge an Johannes Maria Staud für Kinderorchester Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (AT) 24. Januar – 3. Februar 2013 Stiftung Mozarteum Salzburg www.mozarteum.at Fliegender Teppich – Zeitgenössische Oper für Kinder Opus21musikplus, München (DE) Sommer 2013 Carl-Orff-Saal Gasteig, München www.opus21musikplus.de Publikationen und Tagungen Lexikon verfolgter Musiker der NS-Zeit Musikwissenschaftliches Institut, Universität Hamburg (DE) 2009 – 2015 www.lexm.uni-hamburg.de Aufarbeitung der Korrespondenz Ernst Kreneks Ernst Krenek Institut Krems (AT) 2010 – 2012 www.krenek.com Historisch-kritische Gesamtausgabe der musikalischen Werke Anton Weberns (1883–1945) – Teilprojekt Webern-Dokumentation Musikwissenschaftliches Institut der Universität Basel (CH) 2010 – 2012 www.mwi.unibas.ch/forschung/webern-gesamtausgabe Gesamtausgabe der Briefe Ferruccio Busonis an seine Frau Martina Weindel, Römerberg (DE) 2010 – 2013 Musikkollegium Winterthur: Briefwechsel Werner Reinhart Musikwissenschaftliches Institut der Universität Zürich (CH) 2010 – 2015 www.werner-reinhart.ch Die Tonkunst Die Tonkunst e.V., Lübeck (DE) 2011 – 2013 www.die-tonkunst.de Hans-Joachim Hespos – Analysen und Kontexte Folkwang Universität der Künste, Essen (DE) 2011 – 2013 www.folkwang-uni.de Zeitgenössische Kolumnen von „Muzsika“ Pro Musica Foundation – Muzsika Hungary, Budapest (HU) 2012 www.muzsikalendarium.hu New Music and Aesthetics, Vol. 8 Gesellschaft für Musik und Ästhetik, Horben (DE) 2012 www.musik-und-aesthetik.de Handbuchprojekt „Neue Klangphänomene auf Streichinstrumenten und ihre Notation“ Barbara Maurer, Freiburg (DE) 2012 Luciano Berio (1925–2003): Schriften und Interviews in 3 Bänden Centro Studi Luciano Berio, Florenz (IT) 2012 – 2014 www.lucianoberio.org Videodokumentation von Jonathan Harveys 4. Streichquartett Institute of Musical Research, University of London (UK) Januar – Juni 2012 Jerwood Hall, London www.music.sas.ac.uk Symposium „50 Jahre Musik im technischen Zeitalter“ Tritonus e.V., Bremen (DE) 7. – 10. März 2012 Plantage 13, Bremen www.fernsehforum-musik.de Symposium „Cage & Consequences“ MaerzMusik – Berliner Festspiele (DE) 19. – 21. März 2012 Haus der Berliner Festspiele www.cagesymposiumberlin.de Schostakowitsch-Symposium Münchner Philharmoniker (DE) 23. – 25. März 2012 Münchner Philharmonie www.mphil.de Tagung „Ans Licht gebracht. Interpretation von Musik heute“ Institut für Neue Musik und Musikerziehung e.V., Darmstadt (DE) 11. – 14. April 2012 Akademie für Tonkunst, Darmstadt www.neue-musik.org Verzeichnis der musikalischen Werke von Bernd Alois Zimmermann und ihrer Quellen Akademie der Künste, Berlin (DE) Juni 2012 www.adk.de Schönheit als Verweigerung von Vertrautem Interdisziplinäres Forum „thinkers’ corner“, München (DE) 15. Juni 2012 Aula der Hochschule für Philosophie München www.thinkerscorner.de Rekonstruktion von Mauricio Kagels „Tactil“ und „Unter Strom“ Orpheus Instituut, Gent (BE) Juli – Dezember 2012 Orpheus Instituut, Gent www.orpheusinstituut.be Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970): Regards sur l’œuvre du compositeur aujourd’hui Universität Strasbourg (FR) Oktober 2012 Tagungsband „John Cage und die Folgen / Cage & Consequences“ TU Berlin, Fachgebiet Audiokommunikation (DE) Dezember 2012 www.ak.tu-berlin.de musik.theorien der gegenwart, Bände 5+6 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (AT) Dezember 2012 musiktheorie.kug.ac.at Symposium „Les Espaces sonores – Stimmungen, Klanganalysen, spektrale Musiken“ Hochschule für Musik Basel (CH) 7. – 9. Dezember 2012 Musikakademie Basel www.musikforschungbasel.ch Giacinto Scelsi, Schriften MusikTexte, Köln (DE) April 2013 www.musiktexte.de Alternative Moderne: „Afrika“ in der Kompositionskultur des 20. Jahrhunderts Zentrum für Literatur und Kulturforschung, Berlin (DE) Mai 2013 www.zfl-berlin.org Europäische Musikgeschichte Ulrich Mosch und Tobias Bleek, Kassel (DE) September 2013 CD-REIHE DER ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG Pressemitteilung Mai 2012 Neue CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung Komponisten-Förderpreisträger erhalten Porträt-CD. Eine Kooperation der Ernst von Siemens Musikstiftung und col legno Die Komponisten-Förderpreisträger der Ernst von Siemens Musikstiftung werden zusätzlich zur finanziellen Förderung zukünftig auch mit der Produktion einer Porträt-CD unterstützt. Für die Realisierung der Reihe konnte das Wiener Label col legno gewonnen werden, das für den weltweiten Vertrieb Sorge trägt. Die CDs der Preisträger 2011 und 2012 – Luke Bedford, Steven Daverson, Zeynep Gedizlioglu, Ulrich Alexander Kreppein, Hèctor Parra und Hans Thomalla – werden im Juni auf der Preisverleihung im Münchner Cuvilliés-Theater der Öffentlichkeit präsentiert. Die Ernst von Siemens Musikstiftung zeichnet nicht nur renommierte Komponisten, Interpreten oder Musikwissenschaftler, die für das internationale Musikleben Hervorragendes geleistet haben, mit dem Ernst von Siemens Musikpreis aus. Seit 1990 vergibt sie außerdem jährlich drei Preise an junge Komponisten, um deren vielversprechendes Talent zu fördern. Zu den bisherigen Preisträgern aus über zwanzig Ländern gehören inzwischen so bekannte Namen wie Beat Furrer, Enno Poppe, Olga Neuwirth, Jörg Widmann und Mark Andre. Das Schaffen dieser aufstrebenden Komponistengeneration wird nun in einer eigenen CD-Reihe, die in Kooperation mit dem Wiener Label col legno entsteht, vorgestellt. Das Kuratorium der Stiftung reagierte mit der Entscheidung auf einen immer wieder beobachteten Mangel an qualitativ hochwertigen Aufnahmen der Werke der vielversprechenden jungen Komponisten. In Zusammenarbeit mit herausragenden Ensembles und Solisten der zeitgenössischen Musik sowie v. a. mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden die musikalischen Porträts der Preisträger größtenteils neu produziert. Nach und nach soll sich mit der CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung ein breit angelegtes Panorama der zeitgenössischen Musik entfalten, das aktuelle Tendenzen aufspürt und dokumentiert. Der österreichische Komponist Friedrich Cerha, Träger des Ernst von Siemens Musikpreises 2012, freut sich über die Unterstützung seiner jungen Kollegen: „Ich habe seinerzeit den finanziellen Teil meines Österreichischen Staatspreises für die Aufführung von Werken junger Komponisten zur Verfügung gestellt, weil ich weiß, wie wichtig die rechtzeitige Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Arbeit für sie ist. Und ich finde es besonders sinnvoll und richtig, dass die Träger der, Geld und Ehre bedeutenden, Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung in einem Festakt gemeinsam mit der Verleihung des großen Preises vorgestellt werden und ihre eigene musikalische Empfehlung in Form einer CD bekommen.“ Weitere Informationen: www.evs-musikstiftung.ch und www.col-legno.com Kontakt: col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | +43 / 664 / 346 15 30 EvS Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | +49 / 89 / 636 – 3 29 07 Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2011: Steven Daverson – Shadow Walker 1. Elusive Tangibility II: firelife (2008) für Klarinette, Violine, Viola, Violoncello ensemble recherche 07:33 2. Elusive Tangibility III: Clandestine Haze (2011) für Alt- und Bassflöte, Bass- und Kontrabassklarinette, Viola, Violoncello, Posaune, Schlagzeug ensemble recherche 08:49 3. Elusive Tangibility IV: 月見 (Tsukimi) (2008) für Frauenstimme und zehn Instrumentalisten Ensemble Modern, Angelika Luz (Mezzosopran) 11:44 4. Elusive Tangibility V: Zugunruhe (2008) für 16 Instrumentalisten Ensemble Modern 06:05 5. Escher‘s Pharmacy (2011) für Altflöte, Bassoboe, Klarinette, Klavier, Violine, Viola, Violoncello ensemble recherche 14:56 6. Schattenwanderer (2011) für Klarinette und 7 Instrumentalisten Ensemble Modern, Nina Janßen-Deinzer (Klarinette) 09:14 Gesamtspieldauer 58:23 Shadow Walker „for the tones in the voice of the shadow were not the tones of any one being, but of a multitude of beings, and, varying in their cadences from syllable to syllable fell duskly upon our ears“ Edgar Allan Poe, Shadow. A Parable Die Musik Steven Daversons beschwört die Schönheit des Ungreifbaren. Formen, die im Fluss bleiben und sich nicht zu fest umrissenen Körpern verdichten, Dinge, die man sehen, aber nicht berühren kann, Gestalten, die sich präsentieren und zugleich entziehen – es sind solche der Intuition zuwiderlaufenden, zugleich faszinierenden und verstörenden Erscheinungen, denen der 1985 geborene britische Komponist mit Vorliebe nachgeht und die in seinen Werken musikalischen Widerhall finden. Zwar ist in einem sehr allgemeinen Sinn Flüchtigkeit eine elementare Eigenschaft aller Musik; durch ihren Verlauf in der Zeit und ihre Immaterialität entzieht sie sich, anders als andere Künste, dem unmittelbaren Zugriff. Um aber aus dieser Grundbedingung künstlerisches Kapital zu schlagen, dazu bedarf es besonderer Mittel: einer hoch entwickelten Klang- und Formfantasie und nicht zuletzt eines konzeptionellen Denkens, das reiche Imagination und strukturelle Strenge miteinander verbindet. Steven Daversons Kompositionen legen von all dem ein beredtes Zeugnis ab. In ihnen wird das ästhetische Potenzial des Transitorischen und Nichtfestgelegten in immer neuen Varianten entwickelt. Und wenn er selbst als ein zentrales Moment seines musikalischen Denkens das „widening the inbetweens“, d. h. die Ausweitung nicht leichthin kategorisierbarer Zwischenbereiche, anführt, dann geht es dabei letztlich um nichts weniger als um die Erkundung neuer, bislang ungenutzter kompositorischer Handlungsmöglichkeiten jenseits von wohldefinierten Positionen. Der insgesamt auf sechs Teile angelegte Zyklus Elusive Tangibility (übersetzt etwa: „Flüchtige Fassbarkeit“) verweist bereits in seinem Titel auf das Assoziationsfeld paradoxer, weil sich dem Zugriff verweigernder Körperlichkeit – ein Feld, das die Titel der einzelnen Kompositionen noch konkretisieren: Schattenwürfe und Wolkenformationen oder, in den hier eingespielten Werken, Flammen, Dunst, Vogelschwärme und der Mond werden aufgerufen. Entscheidender jedoch als dergleichen Vorstellungen (die ja immer auch von den individuellen Bildwelten der Hörer abhängen) ist die ihnen zugrunde liegende poetische Idee eines „dialogue between the weightless and the settled“. Einer solchen Balance des Schwebenden und des sich Ablagernden wohnt ein Moment von Gegenläufigkeit inne, das sich als kompositorisches Prinzip bis hinein in die innere Struktur der Werke verfolgen lässt. So steht am Beginn von Elusive Tangibility II: firelife ein dichtes Netz tonloser oder beinahe tonloser Aktionen der beteiligten Instrumente: Klappengeräusche, Wischbewegungen oder Col-legnoTechniken bilden gleichsam nur die Hohlformen von Klängen. Sie werden im weiteren Verlauf mit Resonanz aufgefüllt und kulminieren in der zentralen Passage des Stücks in einer großen, „bell-like“ überschriebenen Linie der Klarinette, die nun von breiten Akkordfolgen der Streichinstrumente begleitet wird. Gekoppelt an diesen Prozess zunehmender klanglicher Präsenz erscheint somit ein zweiter, gegenläufiger der Entdifferenzierung und Reduktion des Materials: Der Bewegungsreichtum des Anfangs wird überführt in die Statik homophoner Akkordfolgen, dem „Zu-Ton-Kommen“ der Musik korrespondiert die Dekomposition ihrer Gestalten. Die Idee einer musikalischen Repräsentation des Ephemeren bestimmt auch Elusive Tangibility II: Clandestine Haze. Und wie für die übrigen Stücke des Zyklus gilt auch für dieses, dass die Bildhaftigkeit des Zugriffs nicht an der Oberfläche der Komposition verbleibt, sondern sich auf die Ebene des Materials und der Struktur erstreckt. Wie unter jenem Dunstschleier, von dem der Titel spricht, verwischen sich in dem Stück die Grenzen zwischen Klangfarbe und Harmonik, verschmilzt das Timbre der beteiligten Instrumente bis zur Ununterscheidbarkeit. Das sind freilich zunächst technische Kunstgriffe, kompositorische Verfahren, die Assoziationen zum Titel wohl erlauben, deswegen aber noch nicht selbst assoziativen Ursprungs sein müssen. Vielmehr mag es sich umgekehrt und weit plausibler so verhalten, dass hier zunächst genuin musikalische Gestaltungsmöglichkeiten systematisch erprobt werden, für die sich dann beiläufig ein auch bildhafter Titel einstellt. Das wird einmal mehr deutlich am fünften Stück des Zyklus, Zugunruhe: Es weist, der größeren Besetzung entsprechend, einen größeren Reichtum an musikalischen Gestalten auf, die vielfältig interagieren, sich jedoch kaum einmal zu dauerhaften und identifizierbaren Prägungen verfestigen. Ihr Verhältnis untereinander lässt sich am ehesten mit dem Wittgenstein’schen Begriff der „Familienähnlichkeit“ beschreiben. Im Hintergrund der wie die Umrisse eines Vogelschwarms oszillierenden Formgebung steht das elementare musikalische Verfahren der Variation, angewandt auf die Detailebene der vor- oder quasi-motivischen Gestalten. Flottierende Formen wie die soeben beschriebenen dokumentieren Steven Daversons Interesse an der Inszenierung von morphologischen Paradoxa und formalen Mehrdeutigkeiten – so auch in Elusive Tangibility IV: 月見 (Tsukimi), das eine Gesangsstimme fordert und als Textgrundlage auf vier Haikus über das Betrachten des Mondes rekurriert. Der Reprisencharakter der letzten Strophe, angedeutet durch die Überschrift „Omaggio“ und musikalisch kenntlich gemacht durch den klaren Rekurs auf den Beginn des Stücks, wird konterkariert durch Abbau- und Reduktionsprozesse, die auf einer übergeordneten Ebene ablaufen. Ungreifbarkeit erscheint hier kompositorisch umgesetzt als formale Mehrfachcodierung. Damit dergleichen gelingt, braucht es eine künstlerische Fantasie, die sich auch im Konzeptionellen bewährt. In welchem Maße Steven Daverson darüber verfügt, zeigt nicht zuletzt seine Planung und Realisierung nicht von Einzelwerken, sondern von Werkzyklen wie Elusive Tangibility. In ihnen haben auch die noch nicht oder noch nicht zur Gänze komponierten Teile bereits ihren festen Platz. So verhält es sich auch mit seinem jüngsten Projekt, The Navidson Record, von dem sowohl Escher’s Pharmacy als auch Schattenwanderer bereits vollendete Teile bilden. Angeregt durch Mark Z. Danielewskis Roman House of Leaves, dessen vielstimmig dezentrierte, strukturell überdeterminierte Anlage das Buch zu einem Referenzwerk postmodernen Erzählens machte, handelt es sich hier um die musikalische Umsetzung und Erkundung eines „concept of a space that is changeable, but not malleable“. Ähnlich wie in Elusive Tangibility bildet also auch in The Navidson Record ein gestalterisches Paradoxon den konzeptionellen Ausgangspunkt. Ihm nähert sich der Komponist mit einer Strategie, der erklärtermaßen ein Zug des Gewaltsamen anhaftet: Die je entstehenden Gestalten, Figuren und Klangereignisse werden einer Zeitstruktur unterworfen, die sie in immer kleinere Einheiten zwängt, komprimiert und schließlich vernichtet. Das musikalische Geschehen gehorcht dabei einem Set von Proportionen, das gleichermaßen Harmonik, Dauer und Formverlauf des Einzelwerkes wie des gesamten Zyklus bestimmt. Solch rigide Strukturen sind für Steven Daverson jedoch kein Selbstzweck, sondern dramaturgisches Mittel, und ihre Anwendung in The Navidson Record ist nicht zum wenigsten durch den Umstand motiviert, dass es sich bei der literarischen Vorlage (auch) um eine Horrorgeschichte handelt. In deren Mittelpunkt steht ein Haus, das sich zum namenlosen Schrecken seiner Bewohner als endloses Labyrinth von variabler Gestalt entpuppt. Escher’s Pharmacy fungiert dabei innerhalb des Zyklus als musikalische Vergegenwärtigung dieses sich beständig wandelnden Raumes, während Schattenwanderer für Klarinette und sieben Instrumentalisten die Interaktion eines Subjekts mit ihm ins Werk setzt: Hier sind musikalische Verdichtungs- und (Selbst-) Zerstörungsprozesse am Werk, die weit über das traditionelle Konzept des „concertare“ hinausgehen und deren Dramaturgie auch auf der Asymmetrie der imaginierten Kontrahenten beruht: Wie soll ich mich einer Kraft erwehren, die nicht als begrenzter Körper auftritt, sondern als unbegrenzter Raum? Der Kunsttheorie ist die Nähe von Schrecken und Schönheit geläufig. Beide treffen sich in der Erscheinungsweise des Ephemeren. Die Musik Steven Daversons weiß um diese Ambivalenz des Schattenhaften und gibt ihr klingende Gestalt. Markus Böggemann Hèctor Parra – Caressant l´Horizon 1. Early Life (2010) für Oboe, Klavier und Streichtrio Kompositionsauftrag der Ernst von Siemens Musikstiftung ensemble recherche: Jaime González (Oboe), Melise Mellinger (Violine), Barbara Maurer (Viola), Åsa Åkerberg (Cello), Jean-Pierre Collot (Klavier) 13:42 2. Stress Tensor (2009/rev. 2011) für Piccoloflöte/Flöte, Bassklarinette/Klarinette, Klavier und Streichtrio Kompositionsauftrag des Ensemble Contrechamps Neue Fassung beauftragt von der Landeshauptstadt München für die Münchener Biennale ensemble recherche: Martin Fahlenbock (Flöte), Shizuyo Oka (Klarinette), Melise Mellinger (Violine), Barbara Maurer (Viola), Åsa Åkerberg (Cello), Jean-Pierre Collot (Klavier) 18:20 3. Caressant l’Horizon (2011) für Großes Ensemble Kompositionsauftrag von Mécénat Musical Société Générale Ensemble intercontemporain, Leitung: Emilio Pomárico 28:12 Gesamtspieldauer 60:14 Musik des Ganzen „Das Hauptanliegen meiner wissenschaftlichen und philosophischen Arbeit war für mich immer, das Wesen der Realität und speziell des Bewusstseins als zusammenhängendes Ganzes zu begreifen, das niemals statisch oder vollendet ist, sondern ein endloser Prozess der Bewegung und Entfaltung ...“ David Bohm, Wholeness and the Implicate Order (Die implizite Ordnung: Grundlagen eines dynamischen Holismus) Dieses Zitat des amerikanischen Physiktheoretikers und Wahl-Londoners – eines der Lieblingsautoren von Komponist Hèctor Parra i Esteve (geb.1976 in Barcelona) – könnte auch von Parra selbst stammen, zieht man seine künstlerische Einstellung in Betracht. Denn der katalanische Komponist versteht den sinnlichen Zugang zur Welt und den menschlichen Schaffensimpuls als Ganzheit zweier Potenziale, deren Ineinandergreifen entscheidend für Verständigung und Habitabilität innerhalb eines zusammenhängenden Ganzen ist. Parras fruchtbares Universum speist sich denn auch ebenso aus künstlerischen Anregungen wie Cézannes Malerei – als Jugendlicher hat der Komponist intensiv gemalt – und Gedichten von Paul Celan und Marina Tsvetaeva wie auch aus der unersättlichen Lektüre unzähliger populärwissenschaftlicher Bücher. Speziell die für diese Einspielung ausgewählten Werke lassen deutlich den Einfluss von einigen der innovativsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts auf Hèctor Parras schöpferisches Denken erkennen. Parras künstlerischen Ansatz könnte man einerseits auf den ersten Blick leichthin als positivistisch und wissenschaftsfixiert abtun, eine Einschätzung, die jedoch seiner erklärten Vorliebe für die Klaviermusik von Chopin, Skrjabin und Rachmaninow und für die große Sinfonik von Mahler und Strauss diametral zuwiderlaufen würde. Andererseits steht Parra aber auch der Neoromantik fern, da seine Werke keine nostalgischen Anklänge an Musikrichtungen vergangener Epochen aufweisen. Man könnte seine Stellung am ehesten mit der von Edgar Varèse vergleichen, der sich vor knapp hundert Jahren ebenfalls von der Wissenschaft inspirieren ließ, um eine eigene künstlerische Alternative zur teils sehr überladenen Musik seiner Zeit zu finden. So lässt sich bei Parra eine gewisse Parallele zu jener „physique fantastique“ ausmachen, die Hugues Dufourt dem franko-amerikanischen Komponisten bescheinigte und die in Varèses Œuvre in Form alchimistischer Resonanzen anklingt, bei Parra dagegen in Referenzen zu einigen Grenzbereichen wissenschaftlicher Forschung wie der Superstring-Theorie, der Erforschung der Schwarzen Löcher oder den Theorien zur präbiotischen Evolution, die zu den ersten Lebensformen auf der Erde führte. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen bedeutet jedoch nicht etwa, dass der junge spanische Komponist mit der Kunst „auf Wissenschaft machen“ will, sondern hat bei ihm eine eindeutig musikalische Dimension. Phänomene wie der Metabolismus beziehen sich direkt auf die aus der Naturphilosophie des 19. Jahrhunderts herrührende organische Sichtweise auf die Musik, und der Emergenz-Begriff entspricht den verschiedenen verdeckten, aufeinander bezogenen Bedeutungsebenen, die authentische Kunstwerke ausmachen. So erweist sich also die Ganzheitlichkeit als Nährboden von Hèctor Parras künstlerischer Produktion, als sein Pays fertile. Early Life (2010) für Oboe, Klavier und Streichtrio Kompositionsauftrag der Ernst von Siemens Musikstiftung Early Life entstand für das ensemble recherche anlässlich der Preisverleihung der Ernst von Siemens Musikstiftung 2011. Das mit Mineral Life für Perkussion (2010) verwandte Werk basiert auf dem Evolutionsmodell von Alexander Graham Cairns-Smith, der die Entstehung von Leben mit der Fähigkeit bestimmter Silikate erklärt, gewisse Fehlbildungen in ihren anorganischen Kristallstrukturen selbst zu reproduzieren. So seien diese Tonmineralien im Stande, organische Substanzen zu synthetisieren, ein emergentes Phänomen, das nach und nach die „anorganische Genese“ verdrängte. Dieser Verdrängungsprozess fungiert als Basis für die formelle Architektur von Early Life. In dem Stück, in dem das begleitende Quartett für die Silikate steht und die Solo-Oboe als Metapher für die Kohlenstoffverbindungen, entfaltet sich ein umfassender Prozess innerer Entwicklung. Wie der Komponist ausführt, „werden zunächst die von dem Streichertrio und dem Piano gespielten Phrasen – also die musikalischen ‚Gene‘ – reichhaltiger, facettenreicher, und die Wechselbeziehungen der Materialien sowie die Klangtexturen komplexer; schließlich tritt die Oboe als Träger einer neuen musikalischen Architektur auf den Plan. Was zunächst perkussiv, resonanzarm, diskordant, grob, leblos und isoliert war, wird vielgestaltig, polyphon, harmonisch, beständig und organisch.“ So komprimiert Early Life die Äonen der Erdgeschichte in einen klar strukturierten musikalischen Zeitablauf. Der dramaturgische Aufbau steigert sich nach dem Auftritt des Solisten im zweiten Abschnitt zu einer Oboen- Kadenz mit proteischem Gestus und ebensolcher Klangfarbe – einem rhizomatischen Klanglabyrinth –, die ganz nach dem Vorbild enzymatischer Katalysatoren die übrigen Ensembleinstrumente mit der Eigenschaft des Organischen befruchtet. Nach der polyphonen Klimax nimmt die Häufigkeit der gestischen Impulse ab, und die Tempi fallen ab zu einer kurzen, schmelzenden Coda ... Spürt man hier nicht sogar die großen Aussterbeereignisse der Erdgeschichte nachklingen, Katastrophen, die uns die Vergänglichkeit – und vielleicht Zufälligkeit – unseres Lebens vor Augen führen? Stress Tensor (2009/rev. 2011) für Piccoloflöte/Flöte, Bassklarinette/Klarinette, Klavier und Streichtrio Kompositionsauftrag des Ensemble Contrechamps Neue Fassung beauftragt von der Landeshauptstadt München für die Münchener Biennale Wie ein Folgesatz erscheint Stress Tensor (2009) im Werkkatalog des katalanischen Komponisten unmittelbar nach seiner „projektiven Oper“ Hypermusic Prologue (2009), die in Kooperation mit der Harvard-Physikerin Lisa Randall entstand. Als Motor des Plots fungieren in beiden Werken moderne physikalische Theorien. Der Titel Stress Tensor bezieht sich konkret auf das mathematische Objekt, das in Einsteins Gravitationstheorie von 1915 den Materie- und Energiegehalt ausdrückt, welcher die Raumzeitkrümmung hervorruft. Mehr als die Berechnung des Tensors interessierten Parra die plastischen und emergenten Aspekte der Krümmung, die ihn bei der Ausgestaltung des sinnlichen und konzeptuellen Rahmens anregten. Dieser Rahmen führt klangliche Elemente (Materie/Energie) – die de facto schon an sich ausdruckstragend sind – in einer komplexen akustischen Superstruktur zusammen, die neue musikalische Charakteristiken nach dem Muster des Gravitationsfeldes (der gekrümmten Raumzeit) hervorbringt. So hört man nach den Worten des Komponisten „zunächst nur miteinander kontrastierende, fragmenthafte Klanginseln, die zwar sehr verstreut sind, doch für sich genommen durchaus entwickelt. Die tieferliegenden Verbindungen zwischen ihnen offenbaren sich noch nicht. In der Folge entfaltet sich ein komplexes Netz aus bedeutungs- 15 tragenden Beziehungen zwischen den verschiedenen Texturen, verwoben zu einem musikalischen Kontinuum entsprechend einer strengen Polyphonie; das Stück gewinnt an Energie, ändert seine Form und entwickelt sich weiter, bis schließlich die anfänglich heterogenen Materialien miteinander verschmelzen. Das Erkennen dieses ‚globalen Klangraums‘, der sich vor allem durch die Art seiner Vibrationen auszeichnet (schnelle Oszillationen in der Klangfarbe und Dynamik), verändert unsere Anschauung des eingangs gehörten Tonmaterials und versetzt uns in eine unberührte, mysteriöse Welt, die sich ausgehend von den ersten Eindrücken eröffnet. Diese Welt, diese klangliche Raumzeit, erhält auf diese Weise eine Weite und Tiefe, die bei der ästhetischen Rezeption der Struktur unser Empfinden anspricht und den Genuss architektonischer Schönheit ermöglicht, wie ihn sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft bieten“. Caressant l’Horizon (2011) für Großes Ensemble Kompositionsauftrag von Mécénat Musical Société Générale Während Parra in den beiden vorgenannten Werken Bezüge zu wissenschaftlichen Modellen herstellt, die von ihrer Struktur und ihren Anwendungsbereichen her sehr unterschiedlich sind, fasst er in Caressant l’Horizon (2011) Metaphern aus Physik und Biologie in der Logik der Ganzheitlichkeit zusammen, auf der seine ethische und ästhetische Haltung als Künstler fußt. Zu der vom Ensemble intercontemporain in der Pariser Cité de la musique uraufgeführten Komposition existiert auch eine Entsprechung für Sinfonieorchester – das weniger introspektive und zeitlich stärker verdichtete InFALL (2011). Wo in der romantischen Tondichtung die Natur häufig noch pittoresk oder stereotyp dargestellt ist, finden wir in Caressant l’Horizon eine dialektische, sinnfällige Gegenüberstellung von zwei nicht vergleichbaren Realitäten vor: auf der einen Seite unser kleiner, lauschiger Garten in der unermesslichen Weite des Universums, auf der anderen die für den Menschen unüberwindlichen Schwellen im All dort, wo der allgemeinen Relativitätstheorie zufolge maximale Raumzeitkrümmung zu erwarten ist. Der Komponist hat hier versucht, „sich vorzustellen, was wir physisch erleben würden, wenn uns tatsächlich die unglaublich intensiven Gravitationswellen durchdrängen, die bei der Kollision von zwei Schwarzen Löchern entstehen“. Die hypothetische Vorstellung, den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs zu streicheln, welcher die für unser fragiles und flüchtiges Menschendasein bewohnbare Realität von dem verbotenen Bereich abgrenzt, in dem die Dimensionen der 19 Raumzeit kollabieren, liefert den roten Faden zu Parras musikalischer Dramaturgie. Eine Dramaturgie, die weitergedacht nach seinen Worten „ebenso gut ein Abbild der ständigen emotionalen Abgründe sein könnte, die unser Bewusstsein spalten und die Entwicklung unseres Lebens prägen“. So gebraucht Parra in Caressant l’Horizon die Gegenüberstellung zwischen seinem „jardin sonore privé” und der Gesamtheit des Kosmos als Metapher. Unter seiner Hand wandelt sich das Tondichtungskonzept zum musikalischen Heldenepos, in dem er selbst die Rolle des Helden in einem virtuellen Abenteuer ausfüllt, eines poetischen Demiurgen, der mit dem Mittel des Klangs ein Ebenbild der titanischen Naturgewalten gestaltet. José L. Besada Hans Thomalla – Fremd SACD 1 1 1. Szene – Drift | Introduktion Recitativo secco 2 Barcarole 1 3 Barcarole 2 4 Fermate 1 Raue Stürme 5 Barcarole 3 6 Pastorale 7 Barcarole 4 8 Fermate 2 9 Barcarole 5 10 Barcarole 6 11 Fermate 3 12 2. Szene – Kolchis | Aria 13 Aria Da capo 14 Recitativo accompagnato 15 Intermezzo für Orchester – Flüchtig 01:40 04:32 02:21 00:37 03:27 01:20 02:05 01:54 02:22 03:54 01:15 11:36 07:48 06:39 08:51 Gesamtspieldauer SACD 1 60:22 SACD 2 1 3. Szene – Finale Korinth 2 Lullaby I 3 con moto 4 Lullaby II 5 con moto 6 Epilog 04:35 02:43 02:52 01:44 09:40 09:29 Gesamtspieldauer SACD 2 31:03 Gesamtspieldauer SACD 1 und 2 91:25 FREMD Hans Thomalla Oper in drei Szenen, einem Intermezzo und einem Epilog Auftragswerk der Staatsoper Stuttgart Aufnahme der Uraufführung am 2. Juli 2011 sowie der Aufführung am 6. Juli 2011, Staatsoper Stuttgart Musikalische Leitung Regie, Bühne und Kostüme Mitarbeit Regie Chor Licht Klangregie Video Dramaturgie Live-Elektronik Intendant Medea Sopran Jason Bass 1. Kind Sopran 2. Kind Tenor Johannes Kalitzke Anna Viebrock Ludivine Petit Michael Alber Reinhard Traub Dieter Fenchel Hans-Peter Böffgen Judith Konnerth Sergio Morabito Forum Neues Musiktheater Andreas Breitscheid Albrecht Puhlmann Annette Seiltgen Stephan Storck Julia Spaeth Carlos Zapien Staatsorchester Stuttgart Staatsopernchor Stuttgart: Argonauten Ankaios I Helden-Alt Idmon Dramatischer Alt Laokoon Dramatischer Alt Meleager Kindlicher Alt Menoitios Kindlicher Alt Akastos Bürgerlicher Alt Hylas Koloratur-Alt Kanthos Melancholischer Kontra-Alt Ankaios II Operetten-Tenor Herakles Helden-Tenor Idas Russischer Tenor Kalais Fantastischer Tenor Mopsos Melancholischer Tenor Polyphemos Helden-Tenor Zetes Fantastischer Tenor Aithalides Ensemble-Tenor Butes Helden-Tenor Erginos Operetten-Tenor Lynkeus Russischer Tenor Tiphys Koloratur-Tenor Amphidamas Helden-Bass Barbara Kosviner Cristina Otey Naomi Behr Pia Liebhäuser Simone Jackel Gudrun Wilming Ines Malaval Maria Tokarska Ivan Yonkov Metodi Morartzaliev Alexej Shestov Young Chan Kim Alois Riedel Ivan Ivanov Bo Yong Kim Urs Winter Johannes Petz Juan Pablo Marin Alexander Efanov Shoung Ho Shin Daniel Kaleta Argos Koloratur-Bass Erytos Ensemble-Bass Euphemos Koloratur-Bass Jason Koloratur-Bass Koronos Helden-Bass Orpheus Epischer Bass (Sprecher) 1. Bass 1. Bass Echion Ensemble-Bass Kepheus Sub-Bass Nauplius Oratorien-Bass Periklymenos Multifunktions-Bass Phlias Oratorien-Bass 2. Bass 2. Bass 2. Bass 2. Bass Matthias Nenner Henrik Czerny Steffen Balbach Stephan Storck Sebastian Bollacher Siegfried Laukner Kenneth John Lewis Ulrich Wand Sebastian Peter Saša Vrabac Ulrich Frisch Kristian Metzner Johannes Wieczorek Tommaso Hahn Yehonatan Haimovich William David Halbert Heiko Schulz Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2012: Luke Bedford – Wonderful Two-Headed Nightingale 1. Wonderful Two-Headed Nightingale (2011) für Violine solo, Viola solo und 15 Spieler Jonathan Morton (Violine und Leitung), Lawrence Power (Viola) Scottish Ensemble 2. into Johannesburg: By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008) für 18 Spieler Ensemble Modern, Leitung: Sian Edwards 12:13 15:33 3. Chiaroscuro (2002/2005) für Violine, Violoncello und Klavier Fidelio Trio: Darragh Morgan (Violine), Robin Michael (Violoncello) und Mary Dullea (Klavier) 08:50 4. Man Shoots Strangers from Skyscraper (2002) für acht Spieler Ensemble Modern, Leitung: Franck Ollu 06:29 Or Voit Tout En Aventure (2005–2006) für Sopran und 16 Spieler Claire Booth (Sopran), London Sinfonietta, Leitung: Oliver Knussen 5. I – Or Voit Tout En Aventure 6. II – O Dolce Melodia 7. III – Nos Faysoms Contre Nature 8. IV – Je Chante Ung Chant 9. V – L’art de Marquet N’a Mesure 10. VI – O Tu, Cara Scienza, Mia Musica 00:59 00:56 01:36 05:21 02:04 04:03 Gesamtspieldauer 58:11 Brennglas und Lupe Was ist das Werkzeug der Komponisten? Nimmt man die Frage wörtlich, dann sind es nach wie vor Bleistift und Papier, aber selbstverständlich auch der Computer, der heute die Rolle spielt, die im 19. Jahrhundert dem Klavier zukam. Verstünde man sie aber in einem erweiterten, metaphorischen Sinne, als Frage nach den individuellen Besonderheiten des musikalischen Denkens und den Verfahren ihrer Umsetzung, dann trüge jeder Komponist seinen eigenen, charakteristisch bestückten Werkzeugkasten mit sich herum. Bei Luke Bedford fänden sich darin, neben manchem anderen, ein Brennglas und eine Lupe. Sein kompositorischer Zugriff nämlich besteht in der charakteristischen Verbindung von Fokussierung und Vergrößerung, seine Musik kennt einerseits die Konzentration auf das Detail und das ausgeprägte Interesse für die einzelne Geste; auf der anderen Seite gewinnt sie ihre spezifische Klanglichkeit aus der Vergrößerung und Multiplikation dieser Gesten und ihrer Übertragung auf den instrumentalen und vokalen Apparat. Aus dem Sichversenken in die besondere Einzelheit entfalten sich großflächige Texturen und verbinden auf diese Weise gegenläufige Dynamiken miteinander, die die Musik Luke Bedfords in eigentümlicher Weise durchziehen. Das gilt selbstredend auch für das erste und zugleich jüngste Werk auf dieser CD, Wonderful TwoHeaded Nightingale (2011); auf es soll weiter unten noch eingegangen werden. Eines der Stücke aber, die jene soeben geschilderten Charakteristika besonders nachdrücklich hervorkehren und unmittelbar vor Ohren führen, ist das Ensemblewerk By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008): Eine einfache Arpeggiofigur dominiert hier den gesamten musikalischen Aufriss und Fortgang. Aus ihren mannigfaltigen rhythmischen Varianten und deren vielfacher Schichtung entstehen mal gleißende, mal abgetönte Farbflächen, ehe die Figur am Ende ihre ohnehin variable Physiognomie verliert, in Geräusch umschlägt und sich verflüchtigt. Das Stück entstand als musikalischer Reflex eines vierwöchigen Aufenthalts in Johannesburg im Rahmen des vom Ensemble Modern und vom Siemens Arts Program veranstalteten into…-Projekts. Mit seinem Titel ruft es einen besonderen Ort und die mit ihm verbundenen Eindrücke hervor – ein verlassenes Autokino oberhalb von Johannesburg nämlich, das auf einer fünfzig Meter hohen Abraumhalde liegt. Und so mag sich dann auch eine Parallele einstellen zwischen dem Ausschöpfen des musikalischen Materials bis auf seinen Nullpunkt und den Spuren, die rücksichtsloser Bergbau in die Landschaft schlägt. Aber auch jenseits solcher mehr oder weniger konkreten Assoziationsangebote fasziniert Luke Bedfords kompositorische Arbeit mit einem bewusst reduzierten Materialvorrat: Er erschließt die Potenziale der zugrunde liegenden Gesten und Motive bis ins Letzte und scheut auch vor ihrer Skelettierung nicht zurück. Dass die Kompromisslosigkeit einer solchen Selbstbeschränkung das klingende Resultat nicht einengt, sondern im Gegenteil zu einer höchst großzügigen Musik von berückender Farbigkeit führt, ist ein weiteres Charakteristikum der Arbeiten dieses Komponisten. Instrumentalfarbe, Harmonik und Zeitgefüge verschmelzen bei ihm zur komplexen Einheit, die elementare Differenz von Horizontale und Vertikale, von Linie und Akkord verflüchtigt sich unter dem klangfarblich dominierten Ansatz einer Musik von subjektloser Intensität. Was sich in Luke Bedfords Musik ereignet, ist denn auch folgerichtig direkt aus dem instrumentalen Apparat heraus erfunden. Er dient dem Komponisten als Laboratorium, in dem er neue Klangmöglichkeiten erprobt, zugleich aber auch als Anregung und Vorlage für die Dramaturgie der komponierten Prozesse. Das Klaviertrio Chiaroscuro (2002/2005) beispielsweise verfolgt die Idee einer fortschreitenden Emanzipation der beiden Streichinstrumente: zu Beginn mit ihren Stimmverläufen noch engstens an das Klavier gebunden, finden sie im weiteren Verlauf zu eigener Melodik und insbesondere zu einer nur ihnen vorbehaltenen mikrotonalen Harmonik, an der das unpräparierte Tasteninstrument naturgemäß keinen Anteil hat. Mindestens ebenso charakteristisch wie die Verbindung von formalen und klanglichen Dimensionen ist allerdings, dass die so gestalteten Prozesse in der Musik Luke Bedfords nicht agonal oder katastrophisch verlaufen. Das Paradigma seines Formdenkens ist nicht die Finalität des Dramas, sondern die prinzipielle Unabgeschlossenheit über sich hinausweisender Entwicklungen. Dem entspricht, dass Stücke wie Chiaroscuro nicht eigentlich schließen, sondern aufhören. Sie prätendieren keine Totalität, sondern inszenieren ein Klanggeschehen, das auch jenseits ihrer Grenzen weiter zu existieren scheint. Eine Konsequenz dieses Formdenkens ist das Spiel mit den Möglichkeiten nicht-linearer, mehrdirektionaler Verläufe. So greift Man Shoots Strangers from Skyscraper (2002) in seiner Struktur (und auch mit seinem Titel) aufLuis Buñuels Film Le phantôme de la liberté zurück, der genau diese Möglichkeiten erkundet. Wie der Film scheinbar ziellos verschiedenen Charakteren folgt, statt sie einem linearen Plot unterzuordnen, sucht die Musik den durch kleinste Auslöser motivierten Richtungswechsel. Die Form erscheint so als ein Raum von Optionen, als nahezu absichtslos durchschrittene Reihe von Tangenten mit variabler Anordnung. Hinter solch einer Idee formaler Ungebundenheit – wie auch hinter der Vorstellung übergeordneter Prozesse, an denen die Musik eher partizipiert, als dass sie sie beherrscht – steht einerseits die nach wie vor präsente Utopie einer „musique informelle“. Andererseits aber finden sich für Luke Bedford Anregungen formaler und dramaturgischer Art eingestandenermaßen auch in Comedy Shows und in deren Jonglieren mit mehreren Handlungssträngen. In beiden Fällen geht es dabei um das gleiche Ziel: größtmögliche Gestaltungsfreiheit bei zugleich maximaler Verbindlichkeit des so Gestalteten. Das ist freilich nicht erst ein Bestreben der Musik im 20./21. Jahrhundert, und die Frage, wie solches zu erreichen sei, bestimmt in gewissem Sinne bereits jene hochgradig selbstreflexiven Texte aus dem Spiegelkabinett der Ars subtilior des späten 14. Jahrhunderts, die Luke Bedford seinem Liederzyklus Or Voit Tout En Aventure (2005–2006) zugrunde legt. Ihres ursprünglichen musikalischen Kontextes entkleidet, fungieren sie in Bedfords Komposition als sprachlich fremde und in thematischer Hinsicht doch eigentümlich vertraute Nachrichten aus der Vergangenheit, die in eine Musik von zugleich distanzierter und dringlicher Intensität gefasst werden. Die Adaption spezifischer Techniken der Ars subtilior spielt dagegen eine geringere Rolle, auch wenn etwa das dritte Stück, Nos faysoms contre nature durch die Gleichzeitigkeit konkurrierender rhythmischer Unterteilungen ein Denken in Zeitproportionen durchscheinen lässt. Stattdessen überwiegt einmal mehr ein parameterübergreifendes Denken, wenn in den ersten Stücken des Liederzyklus die ausinstrumentierten Töne der Gesangsmelodie sich in der Folge ihres Eintretens zu begleitenden Akkorden summieren und auf diese Weise Klang und Linie sich ineinander verschränken. Von den klanglichen Kapazitäten ausgehend ist schließlich auch dasjenige Werk konzipiert, das diese CD eröffnet – es ist zugleich das jüngste der hier versammelten: Bei Wonderful Two-Headed Nightingale (2011) handelt es sich um ein Doppelkonzert für Violine, Viola und kleines Orchester, das in seiner Besetzung Mozarts Sinfonia concertante KV 364 folgt, das darüber hinaus aber eigene Wege geht. Nicht nur generieren die beiden Soloinstrumente mit ihren leeren Saiten die Grundlage für die Harmonik des Stücks, die ganz wesentlich auf der Addition von – im weiteren Verlauf auch vierteltönigen – Quintenpaaren beruht. Vor allem entwickelt das Stück aus seiner instrumentalen Disposition eine dramaturgische und gewinnt so dem Konzept des Konzertierens ganz neue Facetten ab. Dem Werktitel und seinem Hintersinn folgend – er spielt an auf ein Paar siamesischer Zwillinge, das im England des 19. Jahrhunderts als Gesangsattraktion auftrat –, erscheinen die beiden Soloinstrumente streng aneinandergekoppelt und agieren in ihren Stimmverläufen nahezu vollständig parallel. Aus ihren (vergeblichen) Versuchen, voneinander los- oder wenigstens miteinander übereinzukommen, ergibt sich dabei ein veritables und energetisch hoch aufgeladenes Stück musikalischen Theaters. Im Rahmen eines Instrumentalwerks tritt hier die dramatische und nicht zuletzt auch die komödiantische Seite des Komponisten Luke Bedford hervor. Ihren Hervorbringungen eignet, was auch die übrigen Werke auszeichnet und worin deren Faszinationskraft und Unmittelbarkeit liegt: die vielfache klangfarbliche Facettierung ihrer Oberflächen und das daraus hervorstrahlende kalte Leuchten. Markus Böggemann Zeynep Gedizlioglu – Kesik 1. Susma – Schweige nicht / Streichquartett No. 2 (2007) 06:43 In Memoriam Hrant Dink Arditti Quartett: Irvine Arditti, Ashot Sarkissjan (Violine), Ralf Ehlers (Viola) und Lucas Fels (Violoncello) 2. Akdenizli – Das Mediterrane (2007) 08:41 Für Halim für Violine, Viola und Klavier Michael Dinnebier (Violine), Hendrik Vornhusen (Viola) und Julia Vogelsänger (Klavier) 3. Yol – Der Weg (2005) 07:45 für Klarinette, Vibraphon, Violine, Violoncello und Klavier Anton Hollich (Klarinette), Jochen Schorer (Vibraphon), Catherina Lendle (Violine), Gabriele Maiguashca (Violoncello) und Julia Vogelsänger (Klavier), Leitung: Frank Düpree 4. Ungleiche Gleichungen (2006) 13:41 für Klarinette und Violoncello Anton Hollich (Klarinette) und Markus Tillier (Violoncello) 5. Dialogo a tre (2005) 10:11 für Blockflöte, Violine und Cembalo Barbara Neumeier (Blockflöte), Michael Dartsch (Violine) und Lutz Gillmann (Cembalo) 6. Die Wand entlang (2008) 05:35 für Klavier Julia Vogelsänger (Klavier) 7. Wenn Du mich hörst, klopf zweimal (2009) 12:00 für Sopran und Streichquartett Sarah Maria Sun (Sopran), Arditti Quartett 8. Kesik – Schnitt (2010) 05:12 für 12 Instrumente Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger Gesamtspieldauer 69:50 Plädoyer fürs Heterogene Kunst im emphatischen Sinn ist immer ein Einspruch gegen das Vorhersagbare, Normierte. Sie ist entweder exorbitant oder gar nicht – so zumindest seit der Ablösung eines allgemein verpflichtenden ästhetischen Handlungsrahmens zugunsten seiner individuellen Überschreitung durch den Künstler in der Moderne. Andererseits aber bedeutet das Produzieren von Kunst und insbesondere das Komponieren immer auch: vereinheitlichen, ordnen, die Eingebungen der Fantasie domestizieren, die Gedanken auf Linie bringen. Wie also lassen sich beide Tendenzen miteinander versöhnen, wie sich sowohl Affirmation als auch Beliebigkeit vermeiden? Es ist diese Frage, auf die die Musik Zeynep Gedizlioglus immer wieder neue Antworten, dieses Problem, für das sie immer wieder neue Lösungen sucht. Indem sie beispielsweise auf der Ebene ihrer Gestalten und Verläufe Ähnlichkeiten nicht als „beinahe gleich“, sondern ganz bewusst als „leicht verschieden“ inszeniert, lenkt sie die Wahrnehmung auf das, was sich nicht restlos in Deckung bringen lässt, auf das Überständige und unreduzierbar Individuelle. Vor diesem Hintergrund verlieren scheinbar elementare musikalische Kategorien wie die der „Stimme“ und der „Einstimmigkeit“ plötzlich den Schein des Selbstverständlichen und eröffnen Horizonte kompositorischer Reflexion und Gestaltung. So werden in Kesik (Schnitt) für 12 Instrumente (2010), eingebunden in eine konzertante, Register, Soli und Instrumentengruppen kontrastierende Gesamtanlage, ganze Melodiezüge in der Vertikalen multipliziert, mit dem frappierenden Ergebnis eines präzise auskomponierten Ungefährs, dessen Vielstimmigkeit gleichwohl niemals diffus zu werden droht. Innerhalb einer solchen Konzeption repräsentiert die solistische Stimme dann nicht mehr den Widerpart zum Tutti, sondern dessen Konzentrat: die lang ausgesponnenen Melismen der Oboe, die das Stück ab etwa der Hälfte aus sich entlässt, sind individuelle Äußerung, die komponierte Stimme des Subjekts. Eben dies, die Idee, dem Subjekt eine Stimme zu geben, steht auch im Zentrum von Wenn Du mich hörst, klopf zweimal für Sopran und Streichquartett (2009). Das Stück imaginiert eine archetypische Situation gewaltsam unterbundener Kommunikation – „Hörst Du mich? Bist du da? Wo bist Du? Sprich! Schweige nicht!“ – und hebt damit nicht zuletzt auch die Grenze zum Szenischen auf. Mit zunehmender Dringlichkeit der Aussage geht dabei eine Reduktion des (Quartett-)Satzes einher, dessen musikalische Dichte am Ende in gesprochene Botschaft umschlägt. Die Parteinahme für die Stimme des Subjekts ins Musikalische zu übertragen, bedeutet für Zeynep Gedizlioglu stets auch die Suche nach kompositorisch zwingenden Lösungen für die Umsetzung von Ideen, die über den Bereich des rein Musikalischen ins Gesellschaftliche und Kulturelle hinausweisen. Ihr Dialogo a tre (2005) entwirft zwar keine ähnlich dramatische Situation wie Wenn Du mich hörst, klopf zweimal, gelingende Kommunikation ist aber auch hier keine Selbstverständlichkeit, sondern muss unter Mühen und, wie sein Ende zeigt, mit der steten Gefahr des Scheiterns hergestellt werden. Als Antrieb und Hemmschuh zugleich agieren dabei die Instrumente, deren Behandlung zwischen Verschmelzung und Individualisierung changiert. Diese Individualisierung der Einzelstimmen erscheint in Akdenizli für Violine, Viola und Klavier (2007), im Sinne einer Addition von Ähnlichem in der Horizontale, als kalkulierte rhythmisch-melodische Inkongruenz: Rhythmische und ornamentale Varianten desselben Motivs überlagern sich und erzeugen dadurch eine Heterophonie, die die Ränder der jeweiligen Figur verwischt, ohne ihre Unterscheidbarkeit vollständig aufzugeben. Darüber hinaus mag dieses Verfahren auch traditionellen Musikformen abgehört sein – zumindest beschwört der Titel, der übersetzt so viel wie „das Mediterrane“ bedeutet, einen Assoziationshorizont herauf, der in seiner nicht auszuschöpfenden Vielschichtigkeit auch diesen Aspekt mit einbegreift und der Zeynep Gedizlioglu generell wichtig ist. „Akdeniz“ („Mittelmeer“) bedeutet ihr mehr als einen geografischen Begriff: ein Lebensgefühl, eine Kultur, eine Haltung, wie sie sich auch in jener spezifischen Atmosphäre Istanbuls niederschlägt, die nur sehr unzureichend als Melancholie zu bezeichnen wäre. Der „Hüzün“ entspricht als eine Form kollektiver Schwermut weit eher dem, was zum Beispiel das Portugiesische als „Saudade“ kennt. Und weil er keine bloße Mystifikation darstellt, sondern eine manifeste kulturelle Macht, ließen sich ihm Motive und Motivationen im Werk von Zeynep Gedizlioglu auch dann zuordnen, wenn die Komponistin nicht selbst gelegentlich darauf hingewiesen hätte. Das Ensemblestück Yol (Der Weg) etwa spielt nicht nur auf den gleichnamigen epochalen Film Yilmaz Güneys an, es lässt sich auch als musikalische Reflexion über die Vergänglichkeit hören, wie gleich sein Anfang suggeriert: Eine rasch auffahrende Geste des Klaviers und ihr leiser Nachhall in den anderen Instrumenten; ein Akkord, der verlischt, in seinen Umrissen aber stehen bleibt, bis eine neue Geste, ein neuer Nachhall ihn überlagern. Diese Folge von Impuls und Nachklang bildet ein zentrales dramaturgisches und formales Prinzip der Musik Zeynep Gedizlioglus. Dabei nimmt einerseits die starke Gebärde, die oft geradezu physische Attacke der Eröffnung gefangen, mit der man als Zuhörer konfrontiert wird. Andererseits spannt sich im Schatten dieser Ereignisse ein Raum auf, der mit gutem Grund als das Eigentliche des kompositorischen Zugriffs angesehen werden kann. Es sind die Ränder des Klanges, sein je individuelles Entstehen und Vergehen, denen die besondere Aufmerksamkeit der Komponistin gilt: Verdichtungen und Überlagerungen bereiten sich in ihm vor, gestaffelte Anläufe, die der expressiven Logik von auffahrender Gebärde und nachhorchendem Innehalten folgen oder, wie in dem Klavierstück Die Wand entlang von 2008, einer intrikat verschachtelten Dialektik von Beharren und Bewegung. In solchen ungeschützten, instabilen Bereichen klanglicher Phänomenalität bewegt sich auch Zeynep Gedizlioglus 2007 entstandenes zweites Streichquartett Susma (Schweige nicht). Und es verdankt sich gleichermaßen den hier sich eröffnenden Gestaltungsspielräumen wie dem Aussagewillen der Komponistin (das Stück ist dem Gedenken an den 2007 ermordeten Journalisten Hrant Dink gewidmet), dass in diesem Werk das Verhältnis von Auslöser und Ausgelöstem, von explosiver Gebärde und statischem Klang sich umkehrt. Ab etwa der Hälfte des Stückes ballen sich zunehmend auf geraute Flächen zu Figuren mit definierter Bewegungsrichtung zusammen, ähnlich denen, die bislang die stehenden Klänge des komponierten Nachhalls aus sich entließen: Was Schatten wirft, ist selber nichts als Schatten, was scheinbar solide Figur, nur von angenommener Festigkeit. Auf ein solches Spiel mit Nicht-Identitäten verweist schließlich ein Stück wie Ungleiche Gleichungen (2006) für Klarinette und Violoncello bereits im Titel. Der Dialog, der zwischen den beiden Instrumenten inszeniert wird, verläuft indes so wenig ungefährdet, wie es zwischen zwei Individuen nur sein kann. Dass er gegen Ende immer mehr von Pausen durchsetzt wird, mag dafür ein Zeichen sein, ebenso gut aber bieten diese Phasen einer stabilen, doch spannungsvollen Leere so etwas wie einen Resonanzraum für jene Stimme des Subjekts, um die es der Komponistin in ihren Werken stets von Neuem zu tun ist. So verbinden sich in Zeynep Gedizlioglus Kompositionen der Aplomb der starken Geste mit der Genauigkeit für die individuelle Einzelheit. Ihre Musik gewinnt ihren Reichtum aus der nicht reduzierbaren Vielheit ihrer Gestalten und erscheint so als nachdrückliches Plädoyer für den Wert des Heterogenen und der individuellen Differenz. Markus Böggemann Ulrich Alexander Kreppein – Spiel der Schatten Erscheint im Herbst 2012 PREISTRÄGER-ARCHIV Ernst von Siemens Musikpreisträger seit 1974 • Aribert Reimann, 2011 • H.C. Robbins Landon, 1992 • Michael Gielen, 2010 • Heinz Holliger, 1991 • Klaus Huber, 2009 • Hans Werner Henze, 1990 • Anne-Sophie Mutter, 2008 • Luciano Berio, 1989 • Brian Ferneyhough, 2007 • Peter Schreier, 1988 • Daniel Barenboim, 2006 • Leonard Bernstein, 1987 • Henri Dutilleux, 2005 • Karlheinz Stockhausen, 1986 • Alfred Brendel, 2004 • Andrés Segovia, 1985 • Wolfgang Rihm, 2003 • Yehudi Menuhin, 1984 • Nikolaus Harnoncourt, 2002 • Witold Lutoslawski, 1983 • Reinhold Brinkmann, 2001 • Gidon Kremer, 1982 • Mauricio Kagel, 2000 • Elliot Carter, 1981 • Arditti Quartett, 1999 • Dietrich Fischer-Dieskau, 1980 • György Kurtág, 1998 • Pierre Boulez, 1979 • Helmut Lachenmann, 1997 • Rudolf Serkin, 1978 • Maurizio Pollini, 1996 • Herbert von Karajan, 1977 • Sir Harrison Birtwistle, 1995 • Mstislav Rostropowitsch, 1976 • Claudio Abbado, 1994 • Olivier Messiaen, 1975 • György Ligeti, 1993 • Benjamin Britten, 1974 Komponistenpreisträger seit 1990 2011 • Steven Daverson • Hèctor Parra • Hans Thomalla 2001 • Isabel Mundry • André Werner • José María Sánchez-Verdú 2010 • Pierluigi Billone • Arnulf Herrmann • Oliver Schneller 2000 • Hanspeter Kyburz • Augusta Read Thomas • Andrea Lorenzo Scartazzini 2009 • Francesco Filidei • Miroslav Srnka • Lin Yan 1999 • Thomas Adès • Olga Neuwirth 2008 • Dieter Ammann • Márton Illés • Wolfram Schurig 2007 • Vykintas Baltakas • Markus Hechtle 2006 • Jens Joneleit • Alexander Muno • Athanasia Tzanou 2005 • Sebastian Claren • Philipp Maintz • Michel van der Aa 2004 • Fabien Lévy • Enno Poppe • Johannes Maria Staud 2003 • Chaya Czernowin • Christian Jost • Jörg Widmann 2002 • Mark Andre • Jan Müller-Wieland • Charlotte Seither 1998 • Antoine Bonnet • Claus-Steffen Mahnkopf 1997 • Moritz Eggert • Mauricio Sotelo 1996 • Volker Nickel • Rebecca Saunders 1995 • Gerd Kühr • Philippe Hurel 1994 • Hans JC • Marc-André Dalbavie • Luca Francesconi 1993 • Sylvia Fomina • Param Vir 1992 • Beat Furrer • Benedict Mason 1991 • Herbert Willi 1990: • Michael Jarrell • George Lopez BILDÜBERSICHT 2012 Bildübersicht Ernst von Siemens Musikpreis 2012 an Friedrich Cerha Die Bilder in druckfähiger Auflösung bitte anfordern bei: Imke Annika List T. +49 / (0)89 / 6 36 3 29 07 [email protected] Weitere Informationen auf: www.evs-musikstiftung.ch Friedrich Cerha FC 1 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 2 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 3 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 4 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 5 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 6 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 7 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 8 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung FC 9 Friedrich Cerha, 2011 Foto: Manu Theobald © 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Musikstiftung UK 8 Ulrich Alexander Kreppein, 2011 Foto: Manu Theobald © Ernst von Siemens Musikstiftung Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2011: Steven Daverson: Shadow Walker Werke eingespielt vom ensemble recherche und Ensemble Modern | Solisten Nina JanssenDeinzer (Klarinette) und Angelika Luz (Sopran) | Leitung: Franck Ollu und Oswald Sallaberger | In Kooperation mit dem SWR und hr2-kultur WWE 1CD 40401 Hèctor Parra: Caressant l’Horizon Werke eingespielt vom ensemble recherche und Ensemble intercontemporain | Leitung: Emilio Pomárico | In Kooperation mit dem SWR und Radio France WWE 1CD 40402 Hans Thomalla: Fremd Oper in drei Szenen, einem Intermezzo und einem Epilog | Staatsoper Stuttgart | Leitung: Johannes Kalitzke | Solisten: Annette Seiltgen (Sopran), Stephan Storck (Bass), Julia Spaeth (Sopran), Carlos Zapien (Tenor) | Solisten des Staatsopernchores Stuttgart | Staatsorchester Stuttgart | In Kooperation mit dem SWR WWE 2SACD 40403 Kontakt col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | T. +43 / 664 / 346 15 30 Ernst von Siemens Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | T. +49 / 89 / 6 36 – 3 29 07 Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2012: Luke Bedford: Wonderful Two-Headed Nightingale Werke eingespielt vom Scottish Ensemble, Ensemble Modern, Fidelio Trio und der London Sinfonietta | Solisten: Jonathan Morton (Violine), Lawrence Power (Viola), Claire Booth (Sopran) | Leitung: Jonathan Morton, Sian Edwards, Franck Ollu und Oliver Knussen | In Kooperation mit hr2-kultur WWE 1CD 40404 Zeynep Gedizlioglu: Kesik – Schnitt Werke u.a. eingespielt vom Arditti Quartett, Ensemble Modern, Solisten des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg | Solisten: Sara Maria Sun (Sopran) | Leitung: Oswald Sallaberger, Frank Düpree | In Kooperation mit dem SWR, dem SR und hr2-kultur WWE 1CD 40405 Ulrich Alexander Kreppein: Spiel der Schatten Werke u.a. eingespielt vom Ensemble Modern, Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks, Danish String Quartett | Leitung: Franck Ollu, Ulf Schirmer | In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk, hr2-kultur und dem SWR WWE 1CD 40406 Kontakt col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | T. +43 / 664 / 346 15 30 Ernst von Siemens Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | T. +49 / 89 / 6 36 – 3 29 07