PRESSEMAPPE ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012

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PRESSEMAPPE
ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012
INHALT
Abendprogramm 22. Juni 2012
Pressemitteilung Juni 2012
Pressemitteilung Januar 2012
ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012
Friedrich Cerha
Essay von Lothar Knessl
Interview von Thomas Meyer
Biografie
Werkliste
KOMPONISTEN-FÖRDERPREISE
Luke Bedford
Über Luke Bedford
Biografie
Werkliste
Zeynep Gedizlioglu
Über Zeynep Gedizlioglu
Biografie
Werkliste
Ulrich Alexander Kreppein
Über Ulrich Alexander Kreppein
Biografie
Werkliste
FÖRDERPROJEKTE 2012
CD-REIHE DER ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG
Pressemitteilung Mai 2012
CD Steven Daverson
CD Hèctor Parra
CD Hans Thomalla
CD Luke Bedford
CD Zeynep Gedizlioglu
CD Ulrich Alexander Kreppein
ARCHIV DER PREISTRÄGER
Ernst von Siemens Musikpreisträger seit 1974
Komponisten-Förderpreisträger seit 1990
BILDÜBERSICHT
CD ROM MIT BILDMATERIAL
Abendprogramm
Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises 2012
Cuvilliés-Theater München | 22. Juni 2012 | 19.30 Uhr
Begrüßung
Dieter Borchmeyer
Vorsitzender des Stiftungsrates der Ernst von Siemens Musikstiftung
und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
Komponisten-Förderpreise
Luke Bedford
Porträtfilm von Johannes List
Wonderful No-Headed Nightingale | Uraufführung
Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger
Preisübergabe
Thomas von Angyan
Vorsitzender des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung
Ulrich Alexander Kreppein
Porträtfilm von Johannes List
Phantasiestücke: Nr. 2, Nachtschattenwirbel
Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger
Preisübergabe
Thomas von Angyan
Zeynep Gedizlioglu
Porträtfilm von Johannes List
Kesik (Schnitt)
Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger
Preisübergabe
Thomas von Angyan
Ernst von Siemens Musikpreis
Laudatio auf Friedrich Cerha
Peter Hagmann
Musikredaktor der Neuen Zürcher Zeitung
Überreichung des Ernst von Siemens Musikpreises an Friedrich Cerha
Dieter Borchmeyer
Friedrich Cerha
Bruchstück, geträumt
Ensemble Modern, Leitung: Friedrich Cerha
Anschließend Empfang
Pressemitteilung Juni 2012
Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises
an Friedrich Cerha am 22. Juni 2012
Am 22. Juni 2012 verleiht die Ernst von Siemens Musikstiftung den mit 200.000 Euro dotierten Ernst
von Siemens Musikpreis an den österreichischen Komponisten Friedrich Cerha. Im Rahmen des
musikalischen Festaktes im Münchner Cuvilliés-Theater werden auch die drei Komponisten-Förderpreise an den Briten Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu aus der Türkei und Ulrich Alexander Kreppein
aus Deutschland vergeben. Weltweit beinahe 140 Projekte, die sich im Bereich der zeitgenössischen
Musik hervorgetan haben, fördert die Ernst von Siemens Musikstiftung zudem, die ebenfalls im
Rahmen der Preisverleihung offiziell bekannt gegeben werden. Das Fördervolumen der Ernst von
Siemens Musikstiftung beträgt im Jahr 2012 insgesamt 2,7 Millionen Euro.
„In der Liste der Ernst von Siemens Musikpreisträger, dieser – wie Thomas Bernhard sagen würde –
‘Geistesheroen unserer Zeit’ zu stehen, ehrt mich sehr“, erklärt der österreichische Komponist Friedrich Cerha.
Die Geschehnisse eines langen und ereignisreichen Lebens für die zeitgenössische Musik haben ihn „gelassen
werden lassen gegenüber Lob und Tadel“, trotzdem sei „die Freude über diese besondere Auszeichnung groß“.
Die Schaffenskraft und schöpferische Neugier dieses Meisters beeindruckender Klanglandschaften sind
ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre eindrucksvoll belegen. Der 1926 geborene
österreichische Komponist erlangte internationale Bekanntheit durch die Oper Baal und die Ausarbeitung des
dritten Aktes von Alban Bergs Oper Lulu. Die jüngste Gesamtaufführung seines Spiegel-Zyklus’ (WIEN MODERN
2011), einem der Meilensteine der Musikgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, legt Zeugnis ab von der
Aktualität seiner Musik und ihrer fast physischen, klanglichen und emotionalen Sogwirkung.
„Durch sein Wirken als Komponist, Ensembleleiter und Lehrer hat Friedrich Cerha in sehr modernefeindlichen
Zeiten in Wien erreicht, dass die avancierte zeitgenössische Musik dort nicht völlig aus dem Bewusstsein der
musikinteressierten Öffentlichkeit verschwand.“, würdigt Wolfgang Rihm im Kuratorium der Ernst von Siemens
Musikstiftung Cerhas Verdienste.
Bereits 1960/61 entstand der Zyklus Spiegel, ein für Cerhas Schaffen zentrales Werk. Bevor die Klangflächenkomposition als Innovation benannt wurde, hatte Cerha in diesem virtuos komponierten Orchesterwerk,
losgelöst von traditionellen Formulierungen, verschiedene Massenstrukturen, höchst differenzierte, in sich
bewegte, aufeinander bezogene Klangkomplexe konzipiert. Die außergewöhnliche Klangwelt, die Landschaften
von visionärer Kraft eröffnet, machen Spiegel I-VII zu einem Meilenstein der Musikgeschichte. Helmut
Lachenmann, Mitglied des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung, attestiert Cerha darin gar
„souveränen, gleichsam prophetischen Klangsinn“. Und in der Tat scheint es, gemessen am Entstehungsjahr
einiger Kompositionen, als „denke und schreibe Cerha während seiner Entwicklungsphasen schon außerhalb
einer Strömung, bevor sie noch zu einer solchen erhoben wurde“ (Lothar Knessl).
Beat Furrer, ebenfalls Kurator der Ernst von Siemens Musikstiftung, berichtet, dass er während seiner Studienzeit
in Wien kaum eine Gelegenheit versäumte, Cerhas Proben und Aufführungen zu besuchen: „Seine Orchesterund Musiktheaterwerke zeugen von einer großartigen Meisterschaft – insbesondere die in den 60er Jahren
geschriebenen Spiegel sind wegweisend und radikal was die Entwicklung der Form aus dem Klang selbst betrifft
– sie haben bis heute nichts von ihrer Kraft und Frische eingebüßt.“
Preisverleihung am 22. Juni 2012, 20 Uhr, im Münchner Cuvilliés-Theater
Für sein Lebenswerk ehrt die Ernst von Siemens Musikstiftung Friedrich Cerha mit dem oft als „Nobelpreis der
Musik“ bezeichneten Ernst von Siemens Musikpreis. Die Auszeichnung wird Cerha vom Präsidenten der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer bei einem musikalischen Festakt im Münchner
Cuvilliés-Theater am 22. Juni 2012 überreicht. Die Laudatio hält der Musikredakteur der Neuen Zürcher Zeitung
Peter Hagmann. Das Ensemble Modern wird unter Leitung des Preisträgers dessen Stück Bruchstück, geträumt
zur Aufführung bringen. Auf dem Programm stehen außerdem Werke der Komponisten-Förderpreisträger Luke
Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein, ebenfalls gespielt vom Ensemble Modern unter der
Leitung von Oswald Sallaberger. Erstmals werden die jungen Komponisten dem Publikum in kurzen Filmporträts
vorgestellt. Der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums Thomas von Angyan, Generalsekretär der Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien, verleiht die drei begehrten Komponisten-Förderpreise und gibt die Förderprojekte 2012
offiziell bekannt.
Komponisten-Förderpreise 2012 an Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein
Der aus Wokingham, Berkshire in England stammende und in Berlin lebende Komponist Luke Bedford studierte
Komposition am Royal College und der Royal Academy of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge.
Bedfords Musik kennt das große Format und entspringt zugleich der Liebe zum Detail. Die Kompositionen Luke
Bedfords faszinieren durch ihr kaltes Leuchten und die vielfache klangfarbliche Facettierung ihrer Oberflächen.
Zeynep Gedizlioglu wuchs in Izmir und später in Istanbul in der Türkei auf. Sie studierte Komposition bei Cengiz
Tanc in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strasbourg und bei Wolfgang Rihm in
Karlsruhe. Zeynep Gedizlioglus Kompositionen verbinden den Aplomb der starken Geste mit der Genauigkeit für
die individuelle Einzelheit. Ihre Musik erscheint so als nachhaltiger künstlerischer Einspruch gegen das Prinzip der
Homogenität und die Planierung von Differenz. Beredsamkeit und Vielstimmigkeit sind die hervorstechenden
Eigenschaften im Werk Ulrich Alexander Kreppeins. Die Präsenz unterschiedlicher kompositorischer
Sprachformen und die Integration auch historisch divergierender Tonfälle verleihen seiner Musik eine besondere
Dichte und Artikuliertheit. Kreppein wuchs in Baden-Württemberg auf und studierte Komposition u.a. bei
Manfred Trojahn und Tristan Murail.
Neue CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung
Die Komponisten-Förderpreisträger der Ernst von Siemens Musikstiftung werden zusätzlich zur finanziellen
Förderung zukünftig auch mit der Produktion einer Porträt-CD unterstützt. Für die Realisierung der Reihe konnte
das Wiener Label col legno gewonnen werden, das für den weltweiten Vertrieb Sorge trägt. Die CDs der
Preisträger 2011 und 2012 – Luke Bedford, Steven Daverson, Zeynep Gedizlioglu, Hèctor Parra und Hans
Thomalla – werden am Juni auf der Preisverleihung im Münchner Cuvilliés-Theater der Öffentlichkeit präsentiert.
Die drei Stücke Kesik (Gedizlioglu), Nachtschattenwirbel (Kreppein) und Wonderful No-Headed Nightingale
(Bedford), die sowohl am Abend der Preisverleihung als auch auf den CDs vom Ensemble Modern gespielt
werden, geben einen Vorgeschmack auf die CD-Reihe, mit der sich nach und nach ein breit angelegtes
Panorama der zeitgenössischen Musik entfalten soll, das aktuelle Tendenzen aufspürt und dokumentiert. Der
diesjährige Hauptpreisträger Friedrich Cerha freut sich über die Unterstützung seiner jungen Kollegen:
„Ich habe seinerzeit den finanziellen Teil meines Österreichischen Staatspreises für die Aufführung von Werken
junger Komponisten zur Verfügung gestellt, weil ich weiß, wie wichtig die rechtzeitige Wahrnehmung und
Anerkennung ihrer Arbeit für sie ist. Und ich finde es besonders sinnvoll und richtig, dass die Träger der, Geld
und Ehre bedeutenden, Komponisten-Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung in einem Festakt
gemeinsam mit der Verleihung des großen Preises vorgestellt werden und ihre eigene musikalische Empfehlung
in Form einer CD bekommen.“
Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro
Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung in diesem Jahr 2,7 Millionen Euro. Davon entfallen rund
2,4 Millionen Euro auf die Förderung zeitgenössischer Musikprojekte weltweit. An die 140 Projekte von Manila
über Seoul bis Donaueschingen, von Kaliningrad über Zepernick bis nach Milwaukee, werden für ihren
herausragenden Einsatz für die zeitgenössische Musik mit Förderpreisen bedacht. Zahlenmäßig den größten
Anteil machen wie immer die Kompositionsaufträge aus, aber auch Konzerte und Veranstaltungsreihen sowie
wissenschaftliche Einzelpublikationen und Gesamtausgaben sind der Ernst von Siemens Musikstiftung ein großes
Anliegen. Wettbewerbe, Akademien und Workshops, in denen junge Musiker, Komponisten und Dirigenten ihr
Können unter Beweis stellen und von renommierten Meistern lernen, werden ebenso gefördert wie pädagogisch
wertvolle Projekte, die Kindern und Jugendlichen den Zugang zur zeitgenössischen Musik ermöglichen und
erleichtern. Einige Festivals erfahren außerdem Mehrjahresförderungen, um deren nachhaltigen Einsatz für die
zeitgenössische Musik zu würdigen. Nähere Informationen zu sämtlichen Förderprojekten sowie zur
Antragstellung finden Sie auf unserer Homepage.
Ausführliche Informationen und Bildmaterial zum Download: www.evs-musikstiftung.ch/presse
Kontakt: Imke Annika List | +49 / (0)89 / 6 36 3 29 07 | [email protected]
Pressemitteilung Januar 2012
Ernst von Siemens Musikpreis an Friedrich Cerha
Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro
Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2012 an Friedrich Cerha. Der 1926 geborene
österreichische Komponist erhält den mit 200.000 Euro dotierten Preis als Auszeichnung für sein
Lebenswerk. Vorrangig Komponist, sodann Dirigent, Organisator, Lehrer und Musikwissenschaftler,
erlangte Cerha internationale Bekanntheit durch die Oper Baal und die Ausarbeitung des dritten
Aktes von Alban Bergs Oper Lulu. Die jüngste Gesamtaufführung seines Spiegel-Zyklus’ (WIEN
MODERN 2011), einem der Meilensteine der Musikgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, legt
Zeugnis ab von der Aktualität seiner Musik und ihrer fast physischen, klanglichen und emotionalen
Sogwirkung. Die Schaffenskraft und schöpferische Neugier dieses Meisters beeindruckender
Klanglandschaften sind ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre
eindrucksvoll belegen. Der Ernst von Siemens Musikpreis wird Cerha am 22. Juni 2012 im Münchner
Cuvilliés-Theater vom Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste überreicht.
Die drei Förderpreise für junge Komponisten gehen an den Briten Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu
aus der Türkei und Ulrich Alexander Kreppein aus Deutschland. Insgesamt vergibt die Ernst von
Siemens Musikstiftung 2,7 Millionen Euro. Gefördert werden 2012 weit über hundert zeitgenössische
Musikprojekte mit Künstlern aus 30 Ländern weltweit.
Friedrich Cerha wurde 1926 in Wien geboren. Im Alter von sieben Jahren begann er mit dem Geigenspiel und
bekam kurz darauf auch Unterricht in Musiktheorie und Komposition. Schon vor Abschluss des Gymnasiums
leistete er als Luftwaffenhelfer aktiven Widerstand, entfloh der Wehrmacht in die Tiroler Alpen, wo er 1945 als
Hüttenwirt und Bergführer seinen Weitblick zu schärfen begann und das Kriegsende erlebte. Bereits danach
zeigt sich Cerhas latentes Streben nach oben: hier noch geografisch, bald danach vom Intellekt geprägt,
suchend, forschend unterwegs, um musikalisches Neuland zu erproben. Ab 1946 studierte er an der Akademie
für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung und an der Universität Musikwissenschaft,
Germanistik und Philosophie und promovierte 1950.
1956–58 nahm Cerha an den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der
internationalen Avantgarde auseinandersetzte. Schon davor hatte er die Werke Schönbergs und Weberns
studiert. Immer wieder zeichnet sich Cerha hier durch seine prüfende, abwägende, auf Veränderung bedachte
Haltung gegenüber neu auftauchenden musikalischen Phänomenen aus und reiht sich weder in die „im seriellen
Gleichschritt marschierende Kolonne“ (Lothar Knessl), noch in die anschließend einsetzende Gegenbewegung
ein, sondern wendet sich anders flexiblen, natürlicher gewachsenen Form- und Klangproblemen zu.
1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das immer noch tätige Ensemble die reihe, um ein Forum für die
zeitgenössische Musik zu schaffen. Die reihe leistete Pionierarbeit in der Präsentation von Werken der
Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne. „Durch sein Wirken als Komponist,
Ensembleleiter und Lehrer hat Friedrich Cerha in sehr modernefeindlichen Zeiten in Wien erreicht, dass die
avancierte zeitgenössische Musik dort nicht völlig aus dem Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit
verschwand.“, würdigt Wolfgang Rihm im Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung Cerhas Verdienste.
Bereits 1960/61 entstand der Zyklus Spiegel, ein für Cerhas Schaffen zentrales Werk. Bevor die Klangflächenkomposition als Innovation benannt wurde, hatte Cerha in diesem virtuos komponierten Orchesterwerk,
losgelöst von traditionellen Formulierungen, verschiedene Massenstrukturen, höchst differenzierte, in sich
bewegte, aufeinander bezogene Klangkomplexe konzipiert. Die außergewöhnliche Klangwelt, die Landschaften
von visionärer Kraft eröffnet, machen Spiegel I-VII zu einem Meilenstein der Musikgeschichte. Helmut
Lachenmann, Mitglied des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung, attestiert Cerha darin gar
„souveränen, gleichsam prophetischen Klangsinn“. Und in der Tat scheint es, gemessen am Entstehungsjahr
einiger Kompositionen, als „denke und schreibe Cerha während seiner Entwicklungsphasen schon außerhalb
einer Strömung, bevor sie noch zu einer solchen erhoben wurde“ (Lothar Knessl).
Ab 1959 unterrichtete Cerha an der Wiener Musikhochschule und war dort von 1976–88 Professor für
Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik. In diese Zeit fällt auch Cerhas Herstellung der spielbaren
Fassung des 3. Aktes der Oper Lulu von Alban Berg (UA 1979 in Paris), die der internationalen Musikwelt ein
wesentliches Werk des 20. Jahrhunderts vollständig erschlossen hat.
Die Musiktheaterwerke nehmen ebenfalls einen wichtigen Platz in Cerhas Schaffen ein. Kurz nach dem SpiegelZyklus entsteht das Musiktheater Netzwerk, das ein kritisches Bild einer Welt als vernetztes System zeichnet.
Ende der siebziger Jahre entsteht die Oper Baal, in der Cerha vor allem das Verhältnis von Individuum und
Gesellschaft thematisiert. Weitere Werke wie Der Rattenfänger (1984–1986) und Der Riese vom Steinfeld (1997–
1999) folgen. Zu seinen wichtigsten Orchesterwerken zählen die Langegger Nachtmusik III sowie Impulse für
Orchester. Nach Klangmassen und Farbflächen konzentriert sich Cerha auf klare Linien und Transparenz des
Satzgefüges. „Nur in knappen Formen kann man Einfälle sehr rasch festhalten“, sagt er selbst, denn bei der
langwierigen Arbeit an großen komplexen Partituren „geht einiges von des Einfalls Frische verloren“. So
überwiegen in seinem Spätwerk Kompositionen für mittlere bis kleine Besetzungen.
Beat Furrer, ebenfalls Kurator der Ernst von Siemens Musikstiftung, berichtet, dass er während seiner Studienzeit
in Wien kaum eine Gelegenheit versäumte, Cerhas Proben und Aufführungen zu besuchen: „Seine Orchesterund Musiktheaterwerke zeugen von einer großartigen Meisterschaft – insbesondere die in den 60er Jahren
geschriebenen Spiegel sind wegweisend und radikal was die Entwicklung der Form aus dem Klang selbst betrifft
– sie haben bis heute nichts von ihrer Kraft und Frische eingebüßt.“ Die Schaffenskraft und schöpferische
Neugier Friedrich Cerhas sind ungebremst, wie die zahlreichen Uraufführungen der letzten Jahre, eine Fülle
höchst unterschiedlicher Kompositionen, eindrucksvoll belegen.
Preisverleihung am 22. Juni 2012 im Münchner Cuvilliés-Theater
Für sein Lebenswerk ehrt die Ernst von Siemens Musikstiftung Friedrich Cerha mit dem oft als „Nobelpreis der
Musik“ bezeichneten Ernst von Siemens Musikpreis. Die hohe Auszeichnung wird Cerha vom Präsidenten der
Bayerischen Akademie der Schönen Künste Dieter Borchmeyer bei einem musikalischen Festakt im Münchner
Cuvilliés-Theater am 22. Juni 2012 überreicht. Die Laudatio hält der Musikredaktor der Neuen Zürcher Zeitung
Peter Hagmann. Das Ensemble Modern wird unter Leitung des Preisträgers dessen Stück Bruchstück, geträumt
zur Aufführung bringen. Auf dem Programm stehen außerdem Werke der Komponisten-Förderpreisträger Luke
Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein, ebenfalls gespielt vom Ensemble Modern.
Komponisten-Förderpreise 2012 an Luke Bedford, Zeynep Gedizlioglu und Ulrich Alexander Kreppein
Der aus Wokingham, Berkshire in England stammende und in Berlin lebende Komponist Luke Bedford studierte
Komposition am Royal College und der Royal Academy of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge.
Bedfords Musik kennt das große Format und entspringt zugleich der Liebe zum Detail; sie versenkt sich
auskostend in die einzelne Figur und bricht sie im Prisma einer hoch entwickelten Klangfantasie. Motiv,
Instrumentalfarbe und Harmonik verschmelzen in ihr zu einer komplexen Einheit, aus der Texturen von zugleich
distanzierter und dringlicher Intensität erwachsen.
Zeynep Gedizlioglu wuchs in Izmir und später in Istanbul in der Türkei auf. Sie studierte Komposition bei
Cengiz Tanc in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strasbourg und bei Wolfgang Rihm in
Karlsruhe. Ihre Kompositionen verbinden den Aplomb der starken Geste mit der Genauigkeit für die individuelle
Einzelheit. Zeynep Gedizlioglus Musik erscheint als nachhaltiger künstlerischer Einspruch gegen das Prinzip der
Homogenität und die Planierung von Differenz.
Beredsamkeit und Vielstimmigkeit sind die hervorstechenden Eigenschaften im Werk Ulrich Alexander
Kreppeins. Die Präsenz unterschiedlicher kompositorischer Sprachformen und die Integration auch historisch
divergierender Tonfälle verleihen seiner Musik eine besondere Dichte und Artikuliertheit. Kreppein wuchs in
Baden-Württemberg auf und studierte Komposition u.a. bei Manfred Trojahn und Tristan Murail.
Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt insgesamt 2,7 Millionen Euro
Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung im Jahr 2012 2,7 Millionen Euro. Davon entfallen rund
2,4 Millionen Euro auf die Förderung zeitgenössischer Musikprojekte in über zwanzig Ländern weltweit. Neben
Kompositionsaufträgen werden Konzerte und Veranstaltungsreihen unterstützt, sowie Kinder- und Jugendprojekte, die den Zugang zur zeitgenössischen Musik ermöglichen und erleichtern. Wettbewerbe, Akademien
und Workshops werden ebenso gefördert wie wissenschaftliche Einzelpublikationen und Gesamtausgaben.
Zahlreiche Festivals erfahren zudem Mehrjahresförderungen durch die Ernst von Siemens Musikstiftung.
Hinweis
Der Ernst von Siemens Musikpreis (EvS Musikpreis) wird seit 1974 von der privaten Ernst von Siemens
Musikstiftung (EvS Musikstiftung), die ihren Sitz in der Schweiz hat, alljährlich vergeben. Es ist kein Preis der
Siemens AG oder der unternehmensnahen Siemens Stiftung. Bitte achten Sie aus diesem Grund dringend
darauf, den Namen der Stiftung und des Preises korrekt wiederzugeben.
Ausführliche Informationen und Bildmaterial: www.evs-musikstiftung.ch
Imke Annika List | +49 / (0)89 / 6 36 3 29 07 | [email protected]
ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2012
Von des Einfalls Frische
Ernst von Siemens Musikpreis 2012 an Friedrich Cerha
Von Lothar Knessl
Wer musisch kreativ fünfundachtzig Lebensjahre überstanden hat, den schmückt die Umwelt gern
durch Epitheta ornantia wie Altersweisheit oder höchste Schaffensreife. Friedrich Cerha war im Vorjahr
so weit, hat aber einerseits diverse Aspekte schöpferischer Reife mittlerweile ein halbes Jahrhundert
hindurch bewiesen und andererseits die Weisheit als Erfahrungswert ohne sentimentale Milde
konstant skeptisch hinterfragt. Was also haben derlei Konventionen hier verloren, da er doch noch in
jüngster Zeit geradezu juvenil sich dem Spontanen öffnende Werke vorlegte? Oder sie stellen Konflikte
gleichnishaft dar, etwa im Orchesterstück Wie eine Tragikomödie (2008/09). Sie entblößt laut Goethe
„die Identität der Gegensätze“. Das bedeutet bei Cerha hintergründige Materialverwandtschaft.
Rascher Wechsel dramatischer Episoden mit solchen besinnlicher Ruhe. Schließlich das Klangbild der
Zeitlosigkeit, aber knapp davor forte niedersinkend Bläserakkorde, als wollten sie das Reich des
Unvergänglichen öffnen. Ausgetüftelte Akkordgebilde, wie sie nur Cerha zu bauen vermag. Kriterien
seines im Kulturraum der ehemaligen Donaumonarchie wurzelnden Personalstils. Ein heute
unbeliebter Terminus, abgelöst von Modeerscheinungen dennoch einzusetzen. Gemäß seiner Musik,
die ihre individuelle Kraft aus unmarkierten Wegen schöpft. Auf ihnen sah er vorerst ihm fremde
Gewächse, aus diesen formte er organisch verzweigte Strukturfolgen, kontrapunktisch geführte
Linien, Varianten, sich fügend zur Kongruenz der musikalischen Parameter.
Tragikomödie: synthetische Form der dialektischen Spannung (Ionesco), oder Ausdruck des Zweifelns,
Bezweifelns. Letztlich etwa doch heiter rückblickende Souveränität des Alters? Vor nun 54 Jahren
gründeten Cerha und Kurt Schwertsik das immer noch rührige Ensemble „die reihe“, womit in Wien
die Begegnung mit wirklich neuer Musik begann, interpretatorisch professionell aufbereitet, auf
Anhieb erfolgreich weitergeführt, als intendierte Kontinuität ohne Subvention jedoch unrealisierbar.
Cerhas diesbezüglicher Bittgang ins zuständige Ministerium endete zwar nicht wie für Mozart mit dem
oberstküchenmeisterlichen Fußtritt, sondern mit den wenig feinfühligen Verabschiedungsworten des
Ministerialrates, „da kann ja jeder Würstelverkäufer daherkommen“. Damals gewiss für das zarte
Ensemblepflänzlein eine Tragödie, heute, aus jahrzehntelanger Entfernung, nur lächerliche Komödie.
Retrospektiv gleitet mitunter selbst existenziell Erschütterndes in besänftigte Gemütszonen.
Das Kind Friederich riss einst mit seiner Geige zu den Zigeunern aus, enormes Freiheitsbedürfnis
demonstrierend. Sein Geigenspiel ist in Wien, seinem Geburtsort, dank Vaša Příhoda 1953 zur
solistischen Reife gediehen. Kurz vor dem Weltkriegsende entfloh er der Wehrmacht in die Tiroler
Alpen, wo er 1945 als Hüttenwirt und Bergführer seinen Weitblick zu schärfen begann. Das latente
Streben nach oben: hier noch geographisch, bald danach vom Intellekt geprägt, suchend, forschend
unterwegs, um musikalisches Neuland auszuprobieren. Der so konstituierten Persönlichkeitswerdung
ließen sich durchaus komische Situationen intarsieren, wären sie nicht unterdrückt worden von viel zu
lange amtierenden Hütern der politisch unbewältigten Vergangenheit, die Innovationen der Musik des
zwanzigsten Jahrhunderts abzuwürgen versuchten. Eine nachwirkend tragische Konstellation, in der
sich Cerha als äußerst verstörendes Element nur mühevoll behauptete. Das wirft harte Schatten. Kein
gesichertes, wohldotiertes Weiterkommen.
Erste heimische Erfolge stellten sich ab 1957 ein, international ab 1961, da hatte er den Sog der
Darmstädter Ferienkurse für neue Musik bereits erlebt. Aufbruchstimmung, gravierende ästhetische
Umstülpungen, ansteckend wie anregend. Den orthodoxen Serialismus kopierte er allerdings nicht.
Zum Wohle musikalischer Flexibilität entwarf er seriell zu Gruppen gebündelte Aggregate, etwa in
Formation et solution oder Relazioni fragili. Gleich danach, 1959/60, brachte er das Konzept des
siebenteiligen Spiegel-Zyklus zu Papier, epochales Dokument jenes neuen Kompositionsverfahrens, das
statisch
wirkenden
Massenstrukturen
und
gleichsam
vegetativ
sich
entfaltenden
Klangflächenkomplexen absoluten Vorrang einräumt, zeitgleich mit und unabhängig von György Ligeti
erfunden. Zwangsläufig verspätete Uraufführungen der Spiegel-Teile zwischen 1964 und 1972 in
Warschau, Donaueschingen, Stockholm, Graz, München, Hamburg und Wien; der Gesamtzyklus
erklang erstmals beim Weltmusikfest der IGNM 1972 in Graz. Spiegelungen von Visionen und
Evolutionen. Die akustischen Eindrücke evozieren Vorstellungen von Licht-Phänomenen: helle oder
düstere Farben, gelöste Heiterkeit oder bedrängende Härte, aber auch, wie Cerha vermutet, die von
Kriegserlebnissen geprägte Brutalität im Klang- und Geräuschspektrum. Fataler Irrtum, er habe
illustrierende Programmmusik geliefert. Denn eingeschweißt in die Spiegel-Blöcke sind kompositorisch
autonome Formen komplexer Faktur. 2011 avancierte er (wie schon 1989) zum Hauptkomponisten
des Festivals „Wien modern“, eröffnet mit dem Spiegel-Zyklus. Die Aufführung, rund fünfzig Jahre
nach Geburt der Skizzen, bestätigte unbestritten dessen singulären Rang in der Musik des zwanzigsten
Jahrhunderts.
Nach Klangmassen und Farbflächen konzentriert sich Cerha auf klare Linien und Transparenz des
Satzgefüges. Polyphonie bedeutet ihm präzises Komponieren, minuziös kontrollierte Harmonik,
stimmiges Denken. „Nur in knappen Formen kann man Einfälle sehr rasch festhalten“, sagt er, denn
bei der langwierigen Arbeit an großen, komplexen Partituren „geht einiges von des Einfalls Frische
verloren“. Nicht so bei Kleinräumigkeit der Strukturen und Dauern. Überdies habe er „allmählich
erkannt, dass nicht der Schweiß des Komponisten hörbar werden soll“. Das zielt auf sein Spätwerk,
mittlere bis kleine Besetzungen. Von knapp 160 Werken zählen grob geschätzt an die 60 zur
Kammermusik. Sozusagen ein Zwitter: Kammermusik für Orchester (2004/05). Rund fünfzig Musiker
spielen, mehrheitlich solistisch, filigran verästelte Passagen ohne symphonische Attitüde. Die
Atmosphäre des subtil serenadenhaften Beginns erinnert an die 1969 entstandene Langegger
Nachtmusik I, wohl kein Zufall, denn in diesem Jahr beginnt mit dem aus schroffen, schnittartigen
Übergängen zusammengesetzten Catalogue des objets trouvés die Vorgeschichte der Kammermusik
für Orchester, diese zwar voll der ursprünglichen Brüche, sonst aber „ganz anders und neu, so dass
fast kein Stein auf dem anderen blieb“. Ihm war klar, „dass Vielfalt und Reichtum, bewusst
herbeigeführt, auch eine Qualität von Kunst ist oder sein kann“.
In Les Adieux (2005/07), finden kontemplative Gedanken Eingang in die klingende Welt, wo bewusst
wahrgenommene Nachhalltöne das Unbehagen gegenüber der Alltagshektik suggerieren. Nicht
Abschied in Anlehnung an Beethovens op. 81a, sondern Abschied von einigen kompositorischen
Charakteristika: von Kontinuität und kompakten Massen. Stattdessen kurze, heftig ausbrechende
Phasen und fragile Ausklänge. Laute Energiepunkte und leises, durchlässiges Verweilen. Reste von
Figuren. Und noch einmal das Sich-Abwenden von der Hektik der Welt: Bruchstück, geträumt (2009).
Ein Werk, vom Klangforum Wien anlässlich seines 25-jährigen Bestandes erbeten. Zunächst wollte er
es nicht schreiben, ungeachtet der engen Beziehung zu diesem Ensemble, mit dem er vor Jahren in
einer Reihe von Proben die hinsichtlich Expressivität und Agogik möglichst authentische Interpretation
von Werken der Wiener Schule erarbeitet hatte, was vor allem die Musik Weberns ins wahre Licht
beförderte. Dann aber träumte er eine sich sacht vorantastende Musik im Pianissimo, „ein einziges
hohes Lob der Langsamkeit“, daher im heutigen Umfeld ein Fremdkörper. Schimmernder, kaum
hörbarer Beginn, lispelnde Streicher, als träte die Musik aus akustischem Nebel. Sich hebende Schleier
gewinnen Kontur, sinken zurück ins nicht Greifbare. Musik des inneren Friedens.
Ohne Einbrüche ging sein Leben freilich nicht von statten. Schaffenskrisen? Falls sie anklopften,
blieben sie weithin unbemerkt. Aber Perioden existenziellen Zweifels, kritische Lebensphasen, die den
Tod bedrohlich nahe rückten. Die Kette von Musiken mit Requiem-Charakter mag thematisch die
negativen Erfahrungen sublimiert haben: Requiem für Hollensteiner für Bariton, Sprecher, Chor und
Orchester (nach Thomas Bernhard, 1983), Triptychon für Tenor und Orchester (Texte: Cerha,
Zuckmayer, Bernhard, 1983/97), das düstere Dritte Streichquartett (1992), das zurückhaltend
resignative Konzert für Bratsche und Orchester (1993), das gewichtig summierende Requiem für Chor
und Orchester (lateinischer Text: Ordinarium, 1994), erweitert durch den De Profundis-Gedichtzyklus
des Komponisten, der fatalistische a-cappella-Chor Nichtigkeit ist alles (1995). Eingemischt der
Gegenpol, das lächelnd Komödienhafte, Cerhas Sinn für Humor und Ironie: Keintate I und Keintate II
(zwischen 1980 und 85). Der Titel vereint den Namen des verstorbenen Wiener Mundartdichters Ernst
Kein mit dem Begriff Kantate. Die sarkastischen Texte, den Zentralnerv wienerischer Mentalität spitz
treffend, sind die Basis für musikalisch pointiert artikulierte und stilisierte Kabinettstücke im artifiziell
überhöhten Wienerlied-Idiom. Substanz und Niveau bleiben unangekratzt in hohen Regionen. Quasi
die Fortsetzung: Eine Art Chansons (1985-87), sprachlich experimentell und absurd (Ernst Jandl,
Gerhard Rühm, Kurt Schwitters etc.), kompositorisch virtuos und zitatgewürzt.
Beim flüchtigen Hinschauen ein bürgerlich urbaner Lebensstil. Das stattliche Wiener Domizil samt Pool
(Cerha braucht Bewegung) im peripher westlich gelegenen Villenviertel. Alternativ das Refugium in
Maria Langegg nahe von Donau und Wachau, üppige Vegetation im unfrisierten Garten, Glashaus,
Schwimmbecken, die selbst errichtete steinerne Kapelle inmitten von Bäumen. Schöpferisch
stimulierende Stille. Allein im Wald. Sich abschirmen. Dessen bedarf er. Seine innere Haltung
unangepasst. Dem entsprechend auch sein Komponieren. Nie etwelchen Moden aktualitätsbeflissen
nacheifernd. Immer die Zentren gegenwärtigen Musikdenkens reflektierend. Unangepasst daher auch
die Hauptprotagonisten seiner Operntrias. Zuvor aber Netzwerk (1962-67, 1978-80), sein diffizilstes
Bühnenwerk (falls man Schubladen braucht: Gattung experimentelles Musiktheater), von ihm
besonders wertgeschätzt. Das kritische Bild einer Welt als vernetztes System, ansatzweise ein
Welttheater mit letalem Ausgang. Prozesse der Veränderung in der Gesellschaft, im Individuum, in
Organismen. Der Text ist nonsemantisch, aus lautsprachlich abstrakten Phonemen gebaut, allenfalls
Assoziationen erweckend. Das soziologische Spannungsfeld zwischen dem Einzelnen und dem
Kollektiv musiktheatralisch darzustellen, bleibt dem Komponisten stringentes Bedürfnis. Jahrzehnte
lagerte das Netzwerk-Idiom im Untergrund, mit Zwei Szenen für sieben Stimmen (2010/11) taucht es
wieder auf, initiiert von den Fähigkeiten der Neuen Vocalsolisten Stuttgart: Wohlstandskonversation
und Hinrichtung. Das ursprüngliche Wortgefüge ist geblieben, im Vergleich Cerhas „die Wirbelsäule“,
aber „alle sie umgebenden Organe sind neu“.
In den Jahren zwischen 1960 und 1970 machte sich in innovativen Bühnenwerken die Skepsis
gegenüber dem Wort bemerkbar. Von dieser wendet sich Cerha in seiner (Literatur)-Opern-Trilogie
strikt ab: Baal (1974-80, Text: Bertold Brecht), Der Rattenfänger (1984-86, Text: Carl Zuckmayer), Der
Riese vom Steinfeld (1997-99, Text: Peter Turrini). Wort und Wortbedeutung sind ihm hier
unverzichtbar, zumal er sich musikalisch am melodisch-rhythmischen Gefälle der Sprache orientiert.
Cerha blendet in diesen drei Opern historische Klischees aus und bereichert sie formal. Das
konfliktträchtige, folglich problematische Verhältnis des Individuums zu Gesellschaft und Macht bleibt
thematischer Hauptstrang. Baal kann und will die ihm angebotenen organisierten Lebensbedingungen
nicht akzeptieren und flieht als Außenseiter in die innere Emigration bis zur Selbstvernichtung. Der
Rattenfänger opponiert gegen soziales Ungleichgewicht, ist konfrontiert mit Verfall und Auflösungen
sowohl in der feudalen Oberschicht als in der ausgebeuteten Unterschicht und bleibt, soziologisch a
priori im Abseits, zwielichtig, da am Ende mehr ein Fragezeichen denn ein utopischer Neubeginn steht.
Anders der naive Riese, der Umwelt gegenüber passiv, gleichsam statisch verharrend, in die
Außenseiterposition gerät er gegen seinen Willen. Kompositionstechnisch ist jedes der drei Werke mit
jeweils anderen Formen und Strukturen bedacht. Der rote Faden resultiert aus Cerhas flexiblem
Personalstil. Er manifestiert sich in vielen Details: Art der vokalen Stimmbehandlung und linearen
Kontrapunktik, Arbeit mit Intervallproportionen, vor allem die aus Kernzellen abgeleitete Harmonik,
selbst in clusterhaften Ballungsmomenten nie aus dem organischen Ablauf fallend. All dem liegen
Skizzen von permutierenden Reihenprinzipien zugrunde (meist keine Zwölftonreihen), was im Resultat
unhörbar bleibt und bleiben soll.
Die Musik zu Baal verläuft dreischichtig. Zum Einzelmenschen korrelieren melodische Priorität,
formprägende Balladen; formelhafte Wiederholungen beziehen sich auf die Gesellschaft; dichte
Tongeflechte kennzeichnen die undurchschaubare Natur. Musikdramaturgisch begründet sind
hochgradig stilisierte historische Musikformen eingesetzt, etwa Passacaglia, Fuge, auch Tanzformen
wie Reggae und Foxtrott. Genau genommen ist das emphatische Baal-Finale auch ein Requiem. – Den
Rattenfänger hält ein Grundmaterial aus sieben verschiedenen Tongruppen zusammen, die ein
mehrfach verschränktes System situieren. Leit-Elemente signalisieren bestimmte Handlungsabläufe.
Den Figuren sind spezifische vokale Topoi zugeordnet, außerdem bestimmte Instrumente (dem
Rattenfänger das Saxophon). – Im Riesen vom Steinfeld, ein Stationentheater, sind zwei zwingend
stark kontrastierende Klangwelten miteinander verknüpft. Jede Szene hat ihre Aura, ihr spezifisches
Orchesterkolorit. Den Hauptprotagonisten eignet eine jeweils zu ihrem Charakter passende Klangwelt.
So ist die verinnerlichte Musik des Riesen flächig, statisch, abgeschirmt dunkel und weich, jene seines
realen wie irrealen Umfeldes hingegen fluktuierend, dynamisch exaltiert, in grotesken Episoden
hektisch ausufernd. Ein äußerer Rahmen, streng polymetrisch zwölfstimmig geschichtet, verankert
zeitüberbrückend den melancholischen inneren Rahmen (Legendenlieder, Traumvisionen). Innerhalb
dieser Einfassung spannt Cerha einen Bogen: Aufstieg, Peripetie und tragischer Untergang des Riesen.
Krass wechselnd eingelagert ist die aufdringliche Kontrastwelt. Sie positioniert das Werk als Dramma
giocoso, oder eben Tragikomödie. Klanglich funkelt die Parodie mittels Allusionen und ZitatAnnäherungen: preußische und britische Militärmarschparaphrasen, groteske Walküren-Anklänge, ein
jämmerlich absackendes Nazi-Lied, etliche musikalisch interne Späße. Dazwischen unvermittelt
beängstigende Umkehr der Abfolge Tragödie-Komödie: Was im Prager Ghetto witzig im Kolorit der
Klezmermusik beginnt, endet abrupt erstarrend in der fahl und morendo klingenden Antizipation des
Holocaust. Dann abermals Skurrilität, onomatopoetisch grimmiger Scherz, wenn letztlich zum
Begräbnis des Riesen dessen Beine abgesägt werden, weil der Sarg zu kurz ist…
Friedrich Cerhas schöpferische Neugier erlahmt nicht. Vorrangig Komponist, sodann Dirigent,
Musikwissenschaftler, Lehrer, Naturbeobachter. Sein vitales Bestreben: primär organische Formgebilde
zu schaffen, „in denen Entwicklungsvorgänge eine erlebnismäßig stets fassbare Rolle spielen“.
Interview mit Friedrich Cerha
von Thomas Meyer, Februar 2012
my: Herr Cerha, ich möchte gern im Jahr 1958 beginnen: Damals gründeten Sie zusammen mit Ihrem
Komponistenkollegen Kurt Schwertsik in Wien das Ensemble die reihe. Welches waren die
Beweggründe zu dieser Gründung?
Friedrich Cerha: Es gab damals noch keine Ensembles für Neue Musik, und es gab vor allem in Wien,
wie übrigens an vielen anderen Orten auch, keine guten Aufführungen von den doch recht
anspruchsvollen Werken der Wiener Schule. Unsere Ambition war es, ein Podium zu schaffen, um
Werke der Wiener Schule – also Schönberg und Webern vor allem – und daran anschließend auch der
damaligen neuesten Musik – das war hauptsächlich die von Darmstadt her geprägte – in wirklich
einwandfreien Aufführungen herauszubringen.
my: War das Musikleben in Wien damals reich an Neuer Musik? Es gab wohl einige wichtige Figuren,
aber lebte diese Szene auch?
Cerha: Heute ist das Bild von dieser Zeit im Allgemeinen recht verfälscht. Da muss ich weiter ausholen.
Man hat vielfach so getan, als ob die Darmstädter Schule sozusagen etwas fortgesetzt hätte, was es
vor dem Krieg im Konzertleben gab. Das stimmt ja nicht; schon vor dem Zweiten Weltkrieg haben die
Vertreter der Wiener Schule, also Schönberg, Webern, in Wien so gut wie überhaupt keine Rolle
gespielt. Im Vordergrund standen ganz andere Leute. Nach dem Krieg gab es einen Nachholbedarf –
Österreich war ja völlig abgeschnitten während des Krieges –, aber was man meinte, nachholen zu
müssen, war das, was man halt so unter dem Begriff Neoklassizismus subsumiert, also Hindemith, der
späte Bartók und Strawinsky. Ich bin relativ früh zur österreichischen IGNM [Internationale Gesellschaft
für Neue Musik] gestoßen, in der noch eine Reihe von Leuten aus der Umgebung Schönbergs und
Weberns wirkten. Natürlich hat mich die Wiener Schule fasziniert, und ich hatte glücklicherweise
Gelegenheit, sozusagen aus erster Hand diese Werke kennen zu lernen und zu analysieren. Das war
eigentlich der Umkreis, der mich, wenn Sie wollen, erzogen oder herangebildet hat.
my: Ich denke da etwa an eine Qualität der Musik Weberns, die ich auch bei Ihnen wiederfinde:
Fasslichkeit.
Cerha: Weberns Musik hatte einen großen Einfluss auf mich. Sicher durch den Schönberg-Schüler
Josef Polnauer, einen Juden, der sich sechs Jahre lang verstecken musste und dabei Musik analysierte.
Von ihm habe ich viel gelernt, auch bezüglich der Klarheit, mit der ich gestalte. Polnauer, der
Vortragsmeister in Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen, saß in allen meinen
Proben, wenn ich Werke von Schönberg oder Webern erarbeitet habe. Nicht zu vergessen, dass er sich
auch damals schon für Boulez und andere interessiert hat. Dieser Kreis um die IGNM hat uns dann
auch sehr geholfen, die Konzertserien mit unserem Ensemble die reihe zu realisieren. Darüber hinaus,
materiell und organisatorisch, gab es eine sehr aufgeschlossene musikalische Jugend, die Jeunesse
musicale, die uns sozusagen die äußeren Voraussetzungen gegeben hat, diese Dinge zu realisieren.
my: Wir sprachen schon über Webern: Man sagt ja heute manchmal, dass die Seriellen seine Musik
damals auf fruchtbare Weise missverstanden hätten, indem sie sie auf Einzeltöne reduzierten. Haben
Sie in Wien ein anderes Webern-Verständnis mitbekommen?
Cerha: Die damals in Darmstadt übliche Webern-Interpretation war immer ein Gegenstand der
Auseinandersetzung. Polnauer lehrte mich Webern vor allem formal zu analysieren. Reihenverläufe
interessierten ihn nur am Rande; „Töne zählen können Sie alleine“, sagte er. Wenn ich heute Webern
mache, weiß ich natürlich, wie er gebaut ist, aber im Grunde genommen interessiert mich das viel
weniger als der emotionale Anteil: Irgendwo fühle ich mich als Österreicher oder besser als
Ostösterreicher oder, wenn Sie wollen, als Wiener, etwa in den Trakl-Liedern op. 14 zuhause; es ist so
etwas wie meine musikalische Heimat.
my: Verstehe ich Sie richtig: der Ausdrucksgehalt interessiert Sie eigentlich mehr als die Konstruktion?
Cerha: Man sollte und man kann das nicht so auseinandernehmen, aber um ein Beispiel zu geben: In
der Darmstädter Zeit sind Webern-Werke immer genau in dem Tempo gemacht worden, das dort in
Metronomzahlen steht, meistens noch schneller, während doch Schönberg und auch Webern immer
beteuert haben, dass Metronomzahlen grundsätzlich nur Andeutungen für den Charakter der Musik
sind. Mittlerweile hat sich das ja alles geändert, und Boulez nimmt ja auch heute zum Teil extrem
langsamere Tempi als damals. Sehr wichtig ist ein atmendes Phrasieren. Das habe ich damals an vielen
Interpretationen vermisst.
my: Diese Diskrepanz, nach der ich frage, betrifft ja nicht nur Webern. Wenn man Ihren Zyklus Spiegel
aus den Jahren 1960/61 hört, merkt man, dass Ihre Musik von der Kompositionstechnik und vom
Material her völlig auf dem Stand der Zeit war. Darüber hinaus steckt in den Spiegeln aber auch eine
enorme Klangsinnlichkeit.
Cerha: Ja, aber vor allem kommen die Spiegel aus einem ungeheuren Ausdrucksbedürfnis. Es hat
mich befremdet, dass die Kritiker nach den ersten Aufführungen von intellektuellen Experimenten, von
Kopfmusik gesprochen haben.
my: Dabei klingt diese Musik für mich doch sehr viel expressiver, fast dramatischer als vieles, was ich
aus jener Zeit kenne.
Cerha: Ich vermeide es ja möglichst, mich selber zu interpretieren, vor allem verbal. Ich muss aber
sagen, dass sich da in der Rezeption allgemein viel gewandelt hat. Ich erinnere mich noch an die
Uraufführung etwa des vierten Spiegels, nach der allgemein nur das große Experiment, das
Avantgardistische oder das Konstruktive gesehen wurde. Das ist mir schon damals sehr einseitig
vorgekommen, weil für mich eben auch der emotionale Anteil daran wichtig war. Mittlerweile hat sich
das gewandelt: Bei den letzten Aufführungen der Spiegel ist offensichtlich das, was hinter der
Tonsprache steht, besser verstanden worden. Hier hat sich einfach in den Hörgewohnheiten oder im
Verständnis sehr vieles verändert. Man versteht heute viel mehr den Ausdruck dieser Musik als damals.
my: Kann man sagen, dass Sie damals schon in Wien eine gesunde Distanz zu Darmstadt hatten?
Cerha: Ja, das kann man sagen. Ich hatte zwar immer sehr guten Kontakt, etwa mit Stockhausen,
aber ich erinnere mich noch, dass er mich doch manchmal von der Seite und sehr scheel angesehen
hat, wenn ich einige Dinge nicht unterschreiben wollte oder bedenklich fand (lacht). Umgekehrt ist es
in den letzten Jahren Mode geworden, sich von Darmstadt zu distanzieren und die Richtung und die
Bewegung von damals sozusagen als eine Sackgasse der Geschichte zu betrachten. Das ist völlig
unsinnig, denn in der Geschichte gibt es ja keine Sackgassen, das ist ja ein Netzwerk von sehr
verschlungenen Wegen: von Wegen, die nie geradlinig gehen, sondern sozusagen immer Umwege
machen. Es ist ja auch nicht zu leugnen, dass sehr vieles Andersgeartete, das heute passiert, ohne
diese Zeit und ihre Ereignisse nicht möglich wäre.
my: In Wien gab es damals ja auch eine sehr radikale literarische Bewegung, die Wiener Aktionisten.
Gab es da Berührungspunkte zur Musikszene?
Cerha: Diese Bewegung gab es in den 60er Jahren, und es ist, glaube ich, sehr schwer, da eine
Parallele herzustellen. Die avantgardistischen Zirkel, die aus der Bildenden Kunst oder auch aus der
Literatur kamen und mit denen ich auch in Kontakt und vielfach befreundet war, waren in den 50er
Jahren aktiv und wir haben damals von Darmstadt noch so gut wie nichts gewusst. Wir haben in der
Musik noch etwas ganz anderes als avantgardistisch gesehen. Im Strohkoffer etwa, dem Lokal des Art
Clubs, wurde sehr viel Strawinsky gespielt oder auch Jazz und so gut wie überhaupt keine Musik der
Wiener Schule. Diese Kreise um den Art Club und die Wiener Gruppe mit H.C. Artmann, Friedrich
Achleitner, Oswald Wiener haben eigentlich erst relativ spät die Anstöße der seriellen Musik rezipiert.
Gerhard Rühm war ihnen als Einziger voraus.
my: Und interessanterweise haben Sie deren Texte damals auch nicht vertont.
Cerha: Die Künstler der Wiener Gruppe waren Freunde, wir trafen uns im Untergrund. Lange aber
konnte ich damit musikalisch nichts anfangen. In den 80er Jahren erst entstand dann eine Reihe von
Chansons…
my: …etwa der Zyklus Eine Art Chansons nach Gedichten von Friedrich Achleitner, Ernst Jandl,
Gerhard Rühm, sowie eigenen Texten…
Cerha: Das war eine sehr intensive Auseinandersetzung in jener Zeit.
my: Was konnte die reihe in all diesen Jahren bewirken? Hat sich etwas verändert? Konnten Sie ein
Publikum heran ziehen? Entstand dadurch in Wien eine Szene für Neue Musik?
Cerha: Unsere Konzerte waren eigentlich von Anfang an sehr gut besucht, und das Interesse von
Seiten der anderen Kunstsparten war immer sehr groß, also seitens der Architektur, der Bildenden
Kunst sowie einer Gruppe, die spezifisch in Wien immer musikalisch eine Rolle gespielt hat, nämlich
der Ärzte, der Medizin. Unsere Konzerte haben eine breite Aufmerksamkeit gefunden, wenngleich
natürlich nicht immer eine positive. Ich erinnere mich noch an unser erstes Cage-Konzert, das einen
ungeheuren Skandal verursacht hat, der bis in die illustrierten Zeitschriften, die so bei den Friseuren
herumliegen, gedrungen ist; wir haben uns der Fotos wegen, die dort zu finden waren, gar nicht mehr
auf die Straße getraut (lacht). Wien hat zwar international den Ruf, sicherlich auf einigen Gebieten
und in gewisser Hinsicht mit Berechtigung, eine konservative Stadt zu sein. Aber eigentlich stimmt das
schon längst nicht mehr. Seit vielen Jahren nun schon stellt etwa Wien Modern jeweils vier, fünf
lebende Komponisten in den Mittelpunkt und macht eine Vielzahl von dreißig, vierzig Konzerten mit
Neuer Musik. Dieses Festival hat einen ungeheuren Zulauf, und die Öffentlichkeit nimmt breiten Anteil
an diesen Ereignissen, auch sehr viele junge Menschen, auch die Medien.
my: Dazwischen aber, bevor Wien Modern gegründet wurde, lag doch, so schien uns von außen,
einiges relativ brach, war also Wien wieder etwas im Konservatismus versunken… Oder stimmt diese
Sichtweise nicht?
Cerha: Das stimmt nicht. Neue Musik war – ab 1959/60 in Ensemble- und ab 1968 auch in
Orchesterkonzerten – immer präsent. Es ist aber, glaube ich, sehr wichtig, dass man nicht nur die
gegenwärtige Kunst pflegt, sondern auch eine Brücke schlägt vom gängigen Repertoire zur
gegenwärtigen Kunst. Und das ist in Wien eine Zeit lang zu wenig geschehen – wie in vielen Städten
Europas. Die großen Konzerthäuser spielen allerorten nur die Musik bis Debussy und Strawinsky;
daneben gibt es die Veranstalter mit ganz neuer Musik und dazwischen klafft eine Lücke mit der
Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dadurch fehlt etwas. Wir in Wien haben daran
gearbeitet, und durch – ich sage das heute oft verpönte Wort: Erziehung – ist es uns gelungen, ein
aufgeschlossenes Publikum an die Gegenwart heranzuführen. In Wien ist das Publikum weniger
konservativ, als es früher war. Es ist ja noch nicht damit getan, wenn man irgendein schwieriges Werk
einmal aufführt. Wichtig ist, dass dem ständigen Repertoire immer neue Werke einverleibt werden.
Und das kann fürs Publikum nur dadurch geschehen, dass gewisse wichtige Stücke aus dem
modernen oder avantgardistischen Bereich eben immer wieder kommen. Ich habe deshalb ein
Unternehmen gestartet, den Zyklus „Wege in unsere Zeit“, der über fünf Jahre hinweg einen
Querschnitt aus der Musikentwicklung, angefangen etwa mit dem Ersten Weltkrieg bis in die damalige
Gegenwart, gebracht hat [1978–1983]. Das hat, denke ich, sehr den Boden bereitet für das, was dann
mit Wien Modern in einer erfreulichen Weise zum Durchbruch gekommen ist. Es gibt ja Städte in
Europa, wenn Sie an Deutschland denken, etwa Frankfurt oder Köln, die den Flair des
Avantgardistischen haben und wo es 150 Leute gibt, denen nichts avantgardistisch genug sein kann,
wo aber keine Brücke zum übrigen Publikum geschlagen wird. Und das finde ich bedauerlich, denn
jene 150 oder, wenn’s mal gut geht, 300 Leute, die sehr verständnisvoll sind, sind vielleicht doch zu
wenig, um zu garantieren, dass sich die Tradition sozusagen fortsetzt. Und darauf kommt es ja an:
dass der traditionellen Musikpflege neue Werke einverleibt werden. In Wien gibt es zurzeit eine sehr
lebendige Atmosphäre. Anfangs war die reihe das einzige Ensemble. Inzwischen existiert eine Vielzahl
von Ensembles für Neue Musik, wobei jedes einen etwas anderen Schwerpunkt hat und auch sein
eigenes Publikum.
my: Spiegel ist ein zentrales Werk anfangs der 60er Jahren. Dahinter steht, wenn ich das richtig
verstehe, eine szenische Konzeption.
Cerha: Das visuelle Moment hat in der Struktur dieses Stückes eine wesentliche Rolle gespielt; es gab
von Anfang an eine Art Libretto für den Zyklus, das aber bis zum heutigen Tag nicht wirklich realisiert
wurde. Die Spiegel sind alle um 1959/60 konzipiert worden, wurden aber zum Teil erst später
ausgeführt, weil es ja damals keine Chance einer Aufführung gab. Klangflächenkomposition hat man
später das Verfahren genannt; den Begriff habe nicht ich erfunden. In der Musik liegt der
Schwerpunkt auf Massenereignissen, in denen das vereinzelte Ereignis, die vereinzelte Linie sozusagen
im Gesamtgeschehen aufgeht. Analog ist auch im optisch-theatralischen Bereich das Einzelwesen, das
Individuum von untergeordneter Bedeutung. Es ist also ein Netzwerk – so heißt auch die nächste
Arbeit für das Musiktheater von mir – von Massenereignissen, die immer wieder zur Evolution des
Menschen beziehungsweise der humanen Gesellschaft Bezug nehmen. In dieser Form schließt es ein
wenig – freilich in einer völlig anderen Weise oder übersetzt – an die alte Idee des Welttheaters an.
my: Das ist ja ein zentrales Thema in Ihrem Œuvre. Ich denke zum Beispiel an Ihre zweite Oper Der
Rattenfänger nach dem letzten Stück von Carl Zuckmayer.
Cerha: Die Idee, die Bühne als Symbol der Evolution der Spezies, aber auch des Einzelindividuums
oder, wenn Sie wollen, von mir selbst zu sehen, zieht sich durch die Arbeiten hindurch, auch vom
Stoff her. Die Masse, die Gemeinschaft, die Sozietät steht in den Spiegeln im Vordergrund. Im
Netzwerk (1962/79) wechselt die Perspektiven zwischen Masse und typisierten Einzelwesen, die
interagieren. Im Baal [nach Bertolt Brecht] ist es dann eigentlich das Verhältnis des Individuums, des
Subjekts zur Gesellschaft, zur Gemeinschaft, das für mich im Mittelpunkt steht. Was kann eine
Gemeinschaft vom Einzelnen fordern? Wie kann sich der Einzelne der Gemeinschaft gegenüber
verhalten? Was muss er akzeptieren? Wie weit muss er die Wege, die eine Gesellschaft dem
Individuum vorzeichnet, gehen und wie weit kann er diese, wenn Sie wollen, Einbahnstraße, die die
Gesellschaft ihm vorschreibt, verneinen?
my: Es gibt in Ihrem Werk mehrere Außenseiterfiguren.
Cerha: In den Opern etwa, im Baal, im Rattenfänger, der in eine korrupte Stadt kommt und die Kinder
in eine andere Welt mitnimmt, ohne sie darüber in einer Illusion zu lassen, dass sie besser sein wird.
Und der Riese vom Steinfeld ist allein seiner Statur wegen ein Außenseiter. Aber auch in meinen
Kammermusikwerken finden Sie die Gegenüberstellung von Einzelnem und Kollektiv, etwa im
Klarinettenquintett und in den Instrumentalkonzerten…
my: Auch in dem Stück Hinrichtung für sieben Vokalstimmen, das kürzlich beim Festival Eclat in
Stuttgart uraufgeführt wurde.
Cerha: Ein einzelner, dort ist es der Countertenor, gerät in Konflikt mit der Gesellschaft. Das ist ein
Grundthema in meinem Schaffen, schon in den 60er Jahren, aber eigentlich immer.
my: Es handelt sich in den Spiegeln und im Netzwerk auch um Reflexionen über
gesellschaftliche Zustände.
Cerha: Ich würde eher sagen: Assoziationen zu gesellschaftlichen Zuständen. Es ist mir erst viele Jahre
später klar geworden, dass dahinter auch meine schrecklichen Kriegserlebnisse stehen. Damals war
mir das gar nicht bewusst. Ich habe bereits als Siebenjähriger die Gräuel des österreichischen
Bürgerkriegs erlebt und danach den halbfaschistischen Ständestaat. Im Krieg bin ich als Soldat
zweimal desertiert und kam danach in dieses Wien, das damals wirklich verknöchert und konservativ
war. Das hat mich geprägt, ich konnte mich nie als in der Gemeinschaft integriert fühlen; ich erlebte
mich immer ihr gegenüber.
my: Würden Sie das als politische Musik bezeichnen?
Cerha: Nicht als parteipolitisch, aber natürlich ist jedes Kunstwerk, indem es etwas im Hörer bewegt,
politisch. Es löst etwas aus. Kunst ist Hilfe.
my: Ich denke da auch an Ihr radiophones Stück Und Du… von 1963…
Cerha: Das ist mein einziges wirklich politisches Stück, entstanden in der Zeit des Kalten Kriegs und
der atomaren Bedrohung. Mit dem Text von Günter Anders …
my: „Ob wir das Ende der Zeiten bereits erreicht haben, das steht nicht fest. Fest dagegen steht, dass
wir in der Zeit des Endes leben. Und zwar endgültig. In der Zeit des Endes bedeutet, in derjenigen
Epoche, in der wir ihr Ende täglich hervorrufen können. Und endgültig bedeutet, dass, was immer uns
an Zeit bleibt, Zeit des Endes bleibt, weil es von einer anderen Zeit nicht mehr abgelöst werden kann,
sondern allein vom Ende.“ (G.Anders)
Cerha: …damit ist eigentlich alles gesagt, was zu sagen ist. Es bleibt aktuell und gültig.
my: Der Außenseiter Baal ist ein radikaler Mensch, der zum Teil auch seine Umwelt zerstört, weil er
seinen eigenen Weg zu gehen versucht.
Cerha: Zwischen diesen Fronten der Selbstzerstörung oder der Zerstörung einer größeren
Gemeinschaft und der Illusion, sich ein individuelles Paradies zu schaffen, also zwischen diesen Fronten
spielt sich die Entwicklung des Baal ab.
my: Mir kommt Baal wie ein männliches Gegenstück zur Lulu vor. Sehen Sie da auch eine Parallele?
Cerha: Brecht hat ja die Lulu gekannt, und im Baal gibt es einige Szenen, die bewusst auf die Lulu
anspielen. Er verwendet – „zitiert“ wäre schon zu viel gesagt – einige Sätze, die sich auf die Lulu
beziehen, Wedekindsche Formulierungen auch, und ich habe an solchen Stellen damals ganz bewusst
auf Formulierungen Bergs angespielt, was mir vielfach eingetragen hat, ich wäre durch die Arbeit am
3. Akt der Lulu Berg-abhängig geworden, was ja unsinnig ist.
my: Gibt es denn für Sie keine Erfahrungen aus der Arbeit an der Lulu, die dann später in Ihrem
eigenen weiteren Opernschaffen fruchtbar geworden sind?
Cerha: Ich kann das schwer beurteilen, aber ich glaube eigentlich, dass die analytische Arbeit an
Werken der Wiener Schule insgesamt für mich etwas ziemlich wichtiges war. Natürlich nimmt man
diese Dinge auf; sie sind in einem drinnen und zählen einfach zur Persönlichkeit, sind sozusagen der
Seele einverleibt, aber jetzt irgendein spezifisches Nahverhältnis ausgerechnet zur Sprache Bergs in der
Lulu herzustellen, ist, glaube ich, doch zu viel. Etwas anderes spielt sicherlich noch eine Rolle: Zur Zeit,
als sich der Weg der Klangflächenkomposition sozusagen als ausgeschritten erwiesen hatte, wurde es
nicht nur von mir, sondern damals allgemein als eine Möglichkeit, als eine legitime auch vom
historischen Standpunkt aus, angesehen, wieder einen Schritt zurück zu gehen, um wieder zu einer
anderen Sicht der Zukunft zu kommen, zu einem anderen, wieder neuen gangbaren Weg in die
Zukunft zu gelangen. Dieser Schritt zurück bringt natürlich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Dingen,
die man kennt, mit sich. Dies ist ein Symptom, das ja die verschiedensten Richtungen der heutigen
Musik zeigen.
my: Sie sprachen von Klangflächen. Im Baal, so scheint mir, arbeiteten Sie häufig mit ganz flexiblen
Klangflächen, über die dann die Sätze auch großenteils gesprochen werden.
Cerha: Die Klangflächenstruktur ist im Baal für bestimmte Bereiche ganz bewusst als Stilmittel
eingesetzt, das ist richtig. Ich will das nicht wieder selber interpretieren, aber man könnte sagen, sie
steht für all das Irrationale im Baal, für das undurchdringlich Naturhafte, aber auch für das Erträumte,
für das, was er für sich realisiert haben möchte, für seine Vorstellung, wie man leben sollte oder wie
man leben können sollte, also für alle Wunschvorstellungen, für jenen Kreuzweg, der in ein Paradies
führen sollte und niemals dorthin führt. Die Ballade von Evelyn Roe ist ein Bild für das Visionäre in ihm,
in dem Melodik eine wesentliche Rolle spielt; es ist also keineswegs so, dass ein Großteil des Baal
gesprochen ist. Die deklamatorischen Stellen sind nur eine der Möglichkeiten. Es gibt ja auch die
festen Formen, die in den sinfonischen Baal-Gesängen zusammengefasst sind.
my: Ein starker Kontrast ergibt sich in den Schlussszenen, aus dem Nebeneinander solcher
Klangflächen und einer „trivialen Szenenmusik“.
Cerha: Das ist eben der Gegensatz zwischen der visionären Welt des Baal und der Banalität der
Realität, die ihn umgibt und gegen die er ja steht.
my: Der Baal ist also für Sie, kann man sagen: ein Träumer, der an der Realität zerbricht?
Cerha: Träumer würde ich nicht sagen, dazu steht er viel zu vital im Leben. Er ist ein Mensch, der
meint, l e b e n zu müssen, der meint, für sich ein Leben nach seiner Vorstellung erwarten zu dürfen
und verlangen zu können. Und der auf der Suche nach dem Land, „wo es besser zu leben ist“,
scheitert, weil er sich auf diesem Weg isoliert. Das ist es, woran er zugrunde geht.
my: Das war wohl auch der Grund, warum Sie zu diesem Stoff gegriffen haben.
Cerha: Ich hab den Baal anfangs der 50er-Jahre kennen gelernt, und ich glaube, dieses Jahrzehnt war
für viele der Generation, die noch ein wenig durch den Expressionismus durchgegangen sind, eine
sehr schwierige Zeit. Man konnte eigentlich die Dinge, die man vorgestellt, die man visionär vor sich
gehabt hat, nicht realisieren, weil der äußere Apparat nicht da war. Es war damals für mich kaum
möglich, Orchesterwerke zur Aufführung zu bringen. Das war die eine Seite, die einen an den
bestehenden Verhältnissen verzweifeln ließ. Hinzu kam der Kalte Krieg, die Schwierigkeiten im
Zusammenleben nicht nur des Einzelnen mit der Gesellschaft, sondern auch in der Konfrontation der
gesellschaftlichen Systeme. Eigentlich war das Verzweifeln in dieser Situation etwas recht
naheliegendes. Denken Sie an die vielen Fälle, wo Künstler selbst ihrem Leben ein Ende gesetzt haben,
auch einige meiner Freunde. Es war das Gefühl des Isoliert-Seins, der Erkenntnis, die Verhältnisse nicht
beeinflussen, ja eigentlich nichts ändern zu können, zugleich aber nicht in einer Welt leben zu können
und zu wollen, in der man auf die damals vorgezeichnete Weise leben musste. Das war eine Situation,
in der man eigentlich jeden Tag sozusagen mit der Möglichkeit des Selbstmords konfrontiert war, und
das spiegelt sich sicherlich auch noch im Baal.
my: Somit ist der Baal für Sie fast wie eine Summe vieler Erfahrungen, die sie bis dahin gemacht
haben, musikalisch, aber auch existentiell?
Cerha: Sicherlich, ja.
my: Ich denke da auch an Thomas Bernhard.
Cerha: Wir haben uns gut gekannt, vor allem Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre. Ich habe später
noch das Requiem für Hollensteiner nach seinem Buch Gehen komponiert, in dem er radikal mit
österreichischen Verhältnissen abrechnet. Da mag es, wenn auch nicht in den Kunstmitteln, sicherlich
Berührungen geben.
my: Das wäre eines Ihrer Stücke, in dem es konkret um österreichische Verhältnisse geht.
Cerha: Ja. Dieses Requiem für Hollensteiner handelt vom Verhältnis des hochtalentierten, visionären
Einzelmenschen zur österreichischen Staatsbürokratie, wobei es natürlich so ist, dass Sie die
Verhältnisse, die hier als österreichisch bezeichnet werden, eigentlich in den meisten Staaten der
sogenannten Ersten Welt wiederfinden können. Mit dem Wienerischen, einer sehr spezifischen Form
des Österreichischen, habe ich mich in meinen beiden Keintaten aus den 80er Jahren
auseinandergesetzt. Meine Beschäftigung mit außereuropäischer Musik hat mir damals bewusst
gemacht, dass ich als Komponist die Wiener Volksmusik, die ich seit Kindesbeinen in mir herumtrage,
als Komponist bisher völlig ignoriert hatte. Die Sprüche aus dem „Wiener Panoptikum“ und der
„Wiener Grottenbahn“ meines Freundes Ernst Kein – der Titel meines Werks leitet sich von seinem
Namen ab –, die mir damals zufällig wieder in die Hände fielen, haben mich animiert, wie er den
Leuten im lutherischen Sinn zunächst „auf’s Maul zu schauen“ und die banalen bis grotesk- makabren
Sprüche in entsprechenden musikalischen Modellen zunächst einmal anzunehmen, um sie dann durch
Überdrehung zu pointieren und hinter sie zu leuchten. Dass im letzten Abschnitt der I. Keintate die
Elemente immer mehr verfremdet werden, Auflösungstendenzen überhand nehmen und Delirium,
Fatalismus und Tod dominieren – uralte Themen in der Volkskunst und in der Kunst aus Wien – macht
das Stück in besonderem Maß zum Dokument einer wesentlichen Schicht in der Mentalität dieser
Stadt, vielleicht auch des Ost-Österreichischen insgesamt.
my: Sie haben sich mit afrikanischer und papuanischer Musik beschäftigt. Was interessiert Sie an
diesen außereuropäischen Musiken?
Cerha: Nicht das exotische Moment, wie es etwa Debussy an der fernöstlichen Musik fasziniert hat.
Und auch nicht – das fällt ja von vorneherein weg – das Herstellen einer nationalen Identität, wie es in
den nationalen Schulen des vorigen Jahrhunderts oder nach der Jahrhundertwende bis zu Bartók in
den europäischen nationalen Schulen doch stark im Vordergrund stand. Sondern einfach die
faszinierende Möglichkeit eines anderen musikalischen Bewusstseins, das nicht so vom geradlinigen
Fortschreiten von Bach über die Klassik, Romantik zur Wiener Schule und in die Gegenwart diktiert
wurde, das vielmehr noch irgendwo Wurzeln hat, die uns verloren gegangen sind oder eben nie als
Möglichkeit musikalischen Denkens bewusst waren. Und es geht in der Arbeit natürlich nicht darum,
dass man existierende musikalische Verhältnisse zitiert, sondern dass man Dinge, die man von der
Struktur her vorfindet, mit der Fantasie eines Menschen von heute, mit den Erfahrungen, mit der
Entwicklung eines Komponisten von heute, weiterspinnt. Das ist ein – zumindest für mich –
interessanter und gangbarer Weg ist.
my: Das ist sicherlich eine Spannung, in der Sie stecken. Mich würde interessieren, wie weit fühlen Sie
sich als ein österreichischer oder ein Wiener Komponist?
Cerha: Ich habe lange Zeit Wert darauf gelegt, mich als Weltbürger zu sehen, und habe auch
gemeint, dass ich eine entsprechende Musik mache. Es hat eigentlich lange gedauert, bis ich
draufgekommen bin, dass das ja nicht stimmt und dass es hier Wurzeln gibt, die ich nicht gesehen
habe oder, wenn ich sie gesehen habe, möglicherweise nicht wahrhaben wollte, übrigens wie viele
meiner Generation. Es war immer eines meiner Prinzipien, die Dinge, wenn ich merke, dass eine Art
von Erscheinungen oder eine bestimmte Tendenz vorhanden ist, unter die Lupe zu nehmen und nicht
unkontrolliert zu lassen. Auf diesem Weg bin ich sozusagen auch wieder zu meiner eigenen
Vergangenheit gekommen. Ich bin ja – wie die meisten Wiener – ein Kind der Habsburger Monarchie,
bin selbst auf den beiden Ufern der March aufgewachsen, auf dem österreichischen und auf dem
slowakischen Ufer. Mein Großvater väterlicherseits ist noch in Budapest geboren, und von da geht’s
bei meinen Vorfahren nach Siebenbürgen und in die Türkei – in Istanbul gibt es noch eine Moschee
mit diesem Namen – und mütterlicherseits weiter nach Mähren, in die Slowakei und nach Galizien. Ein
wesentlicher Anstoß zur musikalischen Beschäftigung mit dem östlichen Raum war eine reine
Äußerlichkeit: eine Tante, die eine Zeit lang in Serbien, Ungarn, der Slowakei, Polen und Russland
gelebt hat, hat mir Lieblingslieder aus ihrer Familie vorgesungen. Das war altes ungarisches,
slowakisches Gut. Und da war eine Gesinnung, ein Rubato, ein Ausdruck da und hinter all dem
irgendwo ein mir plötzlich ganz verwandter seelischer Bereich, von dem – vielleicht Janáček
ausgenommen – in unserer sonstigen Musik nichts mehr vorhanden war. Das hat mich sehr berührt,
und damit sind auch persönliche musikalische Erinnerungen aus meiner Kindheit wieder aufgetaucht.
Das hat mich dahin gebracht, diesen Dingen intensiver nachzuhängen, sie unter die Lupe zu nehmen
und sie sozusagen in meinen Vorstellungsbereich wieder einzugliedern. Und interessanterweise haben
sich auch von dort her Beziehungen zu außereuropäischer Musik ergeben.
my: Könnten Sie ein Beispiel nennen, wo Sie dieses alte Liedgut wieder eingebracht haben?
Cerha: Eingebracht ist schon zu viel gesagt; ich habe dieses Liedgut ja niemals wirklich zitiert, aber die
papuanische Musik, wie die Musik mit den sieben Flöten vom Sepik in Neu-Guinea, spielt zum Beispiel
im letzten Drittel meines Phantasiestücks eine Rolle, und sie ist von der slawischen Tradition gar nicht
so weit entfernt. Aus der außereuropäischen Musik habe ich auch einiges an Oktav-Teilungen
übernommen. Um 1990 sind zwei Streichquartette entstanden. Für das eine, das ich in Marokko
geschrieben habe, habe ich einige Anregungen aus der arabischen Musik aufgegriffen. Das andere
nimmt afrikanische und papuanische Elemente auf. Und beide arbeiten mit Vierteltonteilungen. Ich bin
schon sehr früh in Wien mit der Musik Alois Hábas in Berührung gekommen, habe ihn auch noch
gekannt und war zwar immer skeptisch im Hinblick auf die Realisationsschwierigkeiten solcher
Konzepte, sah aber dann doch Möglichkeiten, sie so einzusetzen, dass sie auch wirklich bewusst
spielbar und hörbar sind. Deshalb habe ich sie in diesen beiden Streichquartetten genutzt, und ich
meine, dass sie im Ersten Streichquartett besonders gut realisierbar und wahrnehmbar sind.
my: Könnten Sie mir vielleicht noch etwas zum Zweiten Streichquartett sagen.
Cerha: Es ist als Auftrag des Streichquartettwettbewerbs von Evian entstanden, wo ich in der Jury und
dieses Stück das Pflichtstück war. Es verwendet ebenfalls Vierteltöne und geht einen Schritt weiter in
einer Tendenz, die ich nur schwer beschreiben kann und die ich für mich gelegentlich als polygestische
Musik bezeichnet habe. Das bedeutet, dass es ist nicht nur ständig polymetrische Bildungen gibt, also
Schichten übereinander von verschiedener Metrik, sondern dass der Typus von Bewegung, von
musikalischer Bewegung, von musikalischer Gestik in den einzelnen Instrumenten verschieden ist. Das
ist durchaus auch, so könnte man sagen, in einem polemischen Sinn gedacht, weil ich an vieler
heutiger Musik finde, dass ihre Sprache nicht durch den aktiven Akzent eines Individuums zustande
gekommen ist, sondern sich musikalische Sprachen vielfach als ein Derivat darstellen, als das, was
übrig geblieben ist, wenn man bestimmte Dinge nicht tut, wenn man sozusagen alle Dinge
herauskondensiert, die irgendwelche Konsequenzen haben, denen man aus dem Weg gehen möchte.
Was dann übrig bleibt, ist natürlich etwas eher Puristisches, aber vielfach eigentlich etwas Armes. Und
ich – das ist eine Art Credo von mir – meine, dass Kunst immer reich sein müsste, natürlich nicht im
Sinn von Anhäufung von Material, sondern im Sinne von Vielfalt. Vielfalt macht es, wenn sie nicht
völlig willkürlich sein soll, notwendig, dass die vielfältigen Elemente in eine Beziehung zueinander
treten, das heißt, dass aus dieser Vielfalt wieder Einheit hergestellt wird. Einheit in der Vielfalt, also
durchaus im Sinn des Hegelschen Absoluten. Das ist etwas, was mir zurzeit sehr wichtig scheint.
my: Ist das etwas, was sich mit Ihrer Musik entwickelt hat, oder war es im Kern schon von Anfang an
vorhanden?
Cerha: So etwas kann man selber schwer beurteilen. Wenn ich die heutigen Kommentare zu Stücken,
die ich vor 30 Jahren gemacht habe, lese, dann muss ich denken, dass das schon immer in mir drinnen
war.
my: Eine letzte Frage noch: Sie haben ein Sommerhaus in Maria Langegg…
Cerha: Ich habe Ihnen von dieser engen Situation in den 50er Jahren in Österreich erzählt, die mich
dazu geführt hat, dass ich den Nationalismus und auch das Wort „Heimat“ von mir gewiesen und
mich als Weltbürger gefühlt habe. Damals bin ich als Dirigent rund um die Welt gekommen, war aber
mit diesem hektisch-bewegten Leben unzufrieden. Und da bin ich ins Auto gestiegen, losgefahren,
habe mich umgeschaut und habe in der Wachau, zwischen Krems und Melk, einen Ort gefunden, ein
Haus am Wald. Dort ist auch ein Großteil meines bildnerischen Schaffens entstanden. Die Arbeiten
füllen mittlerweile den Dachboden.
my: Diese andere künstlerische Tätigkeit ist ja recht wenig bekannt. Sie arbeiten nicht nur
kompositorisch, sondern malen auch und schaffen Skulpturen.
Cerha: Es ist eine zweite Schiene, obwohl ich das eine gar nicht vom anderen trennen kann.
my: In Ihren Langegger Nachtmusiken hört man zum Beispiel das Tuten der Schiffshörner.
Cerha: Ja, die Schiffshörner hört man von der Donau her. Aber diese Umgebung weckt noch viel
mehr in mir, eine Aufmerksamkeit auf alles, was uns permanent umgibt, visuell und klanglich.
Friedrich Cerha – Leben
Friedrich Cerha wurde 1926 in Wien geboren. Schon vor Abschluss des Gymnasiums leistete er als
Luftwaffenhelfer aktiven Widerstand, desertierte dann zweimal von der deutschen Wehrmacht und
erlebte das Kriegsende als Hüttenwirt in den Tiroler Bergen. Ab 1946 studierte er an er an der
Akademie für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung und an der Universität
Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie. (1950 Promotion zum Dr. phil.)
Zunächst war er als Geiger und Musiklehrer tätig und stand einerseits in Kontakt zur
avantgardistischen Untergrundszene junger Maler und Literaten um den Art-Club und andererseits
zum Schönberg –Kreis der österreichischen Sektion der IGNM; der Schönberg-Schüler Josef Polnauer
gab ihm privaten Analyseunterricht zu Werken der Wiener Schule. 1956-58 nahm er an den
Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der internationalen
Avantgarde auseinandersetzte, aber auch in Kursen bei Eduard Steuermann und Rudolf Kolisch Werke
von A. Schönberg und A. Webern studierte.
1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das Ensemble die reihe, das in der Folge Pionierarbeit in der
Präsentation von Werken der Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne
leistete und internationale Anerkennung fand.
Von 1959 an lehrte Friedrich Cerha an der Hochschule für Musik in Wien, wo er 1976 – 88 eine
Professur für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik innehatte.
Von 1960 bis 1997 war er als Dirigent mit renommierten Ensembles und Orchestern bei international
führenden Institutionen zur Pflege neuer Musik und Festivals (Salzburger Festspiele, Berliner
Festwochen, Wiener Festwochen, Biennale Venedig, Warschauer Herbst, Festival d’Automne Paris,
Jyväskylä-Festival, Musica Viva München, Nutida Musik Stockholm, Neues Werk Hamburg, Musik der
Zeit Köln etc.) und an Opernhäusern (Staatsoper Berlin, Wien, München, Teatro Colon Buenos Aires
etc.) tätig.
1978 gründete er mit Hans Landesmann im Wiener Konzerthaus den Zyklus Wege in unsere Zeit, den
er bis 1983 leitete. Ab 1994 verband ihn auch eine intensive Interpretationsarbeit mit dem Klangforum
Wien, dessen Präsident er bis 1999 war. Cerhas Herstellung einer spielbaren Fassung des 3. Akts der
Oper Lulu von Alban Berg (UA 1979 in Paris), hat der Musikwelt ein wesentliches Werk des 20.
Jahrhunderts vollständig erschlossen. Seine eigene Oper Baal wurde 1981 bei den Salzburger
Festspielen, Der Rattenfänger 1987 beim Steirischen Herbst und Der Riese vom Steinfeld 2002 an der
Staatsoper Wien uraufgeführt.
Cerha erhielt zahlreiche Aufträge für Ensemble-, Chor-, und Orchesterwerke durch hervorragende
Institutionen und Festivals (Koussevitzky-Foundation New York, BNP Paribas Paris, Südwestfunk BadenBaden, Westdeutscher Rundfunk, Musica Viva München, Konzerthaus Berlin, Steirischer Herbst Graz,
Festival de música de Canarias, Konzerthaus und Musikverein Wien, Wiener Philharmoniker etc.) und
ebenso zahlreiche Preise und Ehrungen, zuletzt 2006 das Österreichische Ehrenzeichen für
Wissenschaft und Kunst, den Orden „Offizier des Arts et Lettres“, den „Goldenen Löwen“ der
Biennale Venedig für sein Lebenswerk und 2011 den Musikpreis Salzburg.
Friedrich Cerha – Werke
Eine vollständige Werkliste finden Sie unter:
http://www.universaledition.com/tl_files/Komponisten/Cerha/Cerha_Catalogue.pdf
http://www.evs-musikstiftung.ch/fileadmin/daten/downloads/Cerha_Catalogue.pdf
KOMPONISTEN-FÖRDERPREISE 2012
Über Luke Bedford
Brennglas und Lupe
Von Markus Böggemann
Fokussierung und Vergrößerung, Konzentration und Entfaltung – es sind derlei gegenläufige
Dynamiken, die die Musik Luke Bedfords in charakteristischer Weise durchziehen. Auf der einen Seite
zeigt sich in ihr ein ausgeprägtes Interesse für das Detail und die einzelne, durchaus traditionelle
Geste, für die Trouvaille aus dem Fundus der Überlieferung; auf der anderen Seite gewinnt sie ihre
spezifische Klanglichkeit aus der Multiplikation dieser Gesten und ihrer Übertragung auf den großen
Apparat. Dieser – als Orchester oder Ensemble – erscheint als der angestammte Ort für Luke Bedfords
kompositorische Fantasie, ein Laboratorium, in dem er neue Klangmöglichkeiten erkundet und die
Potentiale der ihnen zugrunde liegenden Gesten oder Bewegungsmuster auslotet. In dem
Ensemblestück By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008) beherrscht beispielsweise eine
einfache Arpeggiofigur den musikalischen Aufriss und Fortgang. Aus ihren mannigfaltigen
rhythmischen Varianten und deren vielfacher Schichtung entstehen mal gleißende, mal abgetönte
Farbflächen, ehe die Figur am Ende ihre ohnehin variable Physiognomie verliert und in Geräusch
umschlägt.
Was sich in diesem und in anderen Stücken Luke Bedfords musikalisch ereignet, ist direkt aus dem
instrumentalen Apparat heraus erfunden: Figur, Klangfarbe und Harmonik bilden eine komplexe
Einheit, die die Unterscheidung zwischen primären und nachrangigen Parametern obsolet werden
lässt. Und auch die elementare Differenz von Horizontale und Vertikale, von Linie und Akkord,
verflüchtigt sich unter dem klangfarblich dominierten Zugriff – so in den ersten Stücken aus Bedfords
Liederzyklus Or Voit Tout En Aventure (2005/06): Die ausinstrumentierten Töne der Gesangsmelodie
summieren sich hier in der Folge ihres Eintretens zu begleitenden Akkorden, Klang und Linie sind
ineinander verschränkt. Gleiches gilt für Outblaze the Sky (2006), dessen orchestrale Emphase sich aus
der Potenzierung einer quasi Mahlerschen Geste ergibt. Das Sichversenken in die berückende
Einzelheit, deren Vervielfältigung und die Ableitung großflächiger, genuin orchestraler Texturen aus ihr
– aus diesen kompositorischen Verfahren erwächst schließlich jene gleichsam subjektlose Intensität,
die die Faszinationskraft der Musik Luke Bedfords ausmacht.
Luke Bedford – Leben
Luke Bedford, geboren 1978, studierte im Rahmen eines Stiftungsstipendiums Komposition am Royal
College of Music bei Edwin Roxburgh und Simon Bainbridge. Anschließend erhielt er ein Stipendium,
um an der Royal Academy of Music den Magister-Abschluss zu machen, ebenfalls bei Simon
Bainbridge.
2001 wurde sein Kammerwerk Five Abstracts für 14 Spieler von der London Sinfonietta uraufgeführt.
Die Royal Philharmonic Society gab den Auftrag für das Werk, nachdem Bedford den Royal
Philharmonic Society-Kompositionspreis 2000 gewonnen hatte (in der Kategorie der unter 29Jährigen). Ein weiterer Auftrag kam von der BBC – für Rode with Darkness – ein Werk für großes
Orchester, das 2004 vom Hallé Orchestra unter Mark Elder in Manchester uraufgeführt wurde. Rode
with Darkness basiert auf vier zwölftönigen Akkorden, die als harmonisches Skelett wirken. Die
deutsche Erstaufführung fand im Januar 2005 mit dem Deutschen Symphonie-Orchester unter George
Benjamin statt. Nach dem Erfolg von Rode with Darkness spielte das Philharmonia Orchestra im
Februar 2006 in seiner Reihe „Music of Today“ Slow Music und Man Shoots Strangers From
Skyscraper, beide für 8 Spieler.
Im Jahr 2006 folgte die Uraufführung des Liedzyklus Or Voit Tout En Aventure durch die London
Sinfonietta mit Claire Booth (Sopran) unter der Leitung von Oliver Knussen. Die Reife der Musik
begeisterte die Kritiker, die das Werk bei der Uraufführung als Höhepunkt des Abends beschrieben.
Eine der jüngeren Kompositionen Bedfords stellt Outblaze the Sky dar. Dieses Werk für Orchester
wurde vom London Symphony Orchestra als Teil seiner ‚Sound Adventures’-Reihe in Auftrag gegeben
und 2007 in London uraufgeführt.
Die Musik Luke Bedfords wurde unter andrem vom Tokyo Philharmonic Orchestra, dem Brunel
Ensemble, dem Gould Piano Trio, dem Endymion Ensemble, dem Continuum Ensemble, von Chroma,
vom Ensemble Modern sowie von der Pianistin Sarah Nicolls aufgeführt. Sein Katalog enthält auch
kleiner besetzte Werke, wie beispielsweise Catafalque oder Chiaroscuro für Klaviertrio. Zu den
Auszeichnungen für seine Arbeit gehören der 2000 Royal Philharmonic Society Prize for Composition,
der zweite Preis beim 2001 Toru Takemitsu Wettbewerb in Tokyo, der BBC Radio 3 Listeners’ Prize bei
den 2004 British Composers Awards sowie „Bestes Werk eines Komponisten unter 30 Jahren“ beim
International Rostrum of Composers Wettbewerb 2005 in Wien (letztere beide für Rode with
Darkness).
Luke Bedford – Werke
2011
Igor, The Bird Who Couldn't Sing für Erzähler, Klarinette und Klavier; Auftrag der Wigmore
Hall; UA: 7. Mai 2011, Wigmore Hall London
Seven Angels, Kammeroper in zwei Akten für 7 Sänger und 12 Instrumente; UA: 17. Juni
2011, CBSO Centre Birmingham
New work – Six Pieces in Nine Boxes für Streichquartett; Auftrag der Wigmore Hall, gefördert
durch André Hoffmann, President of the Fondation Hoffmann. In Arbeit.
2010
At Three and Two für Bläser, Schlagzeug und Kontrabässe;
Auftrag der Hallé Concerts Society Manchester, England; UA 27. Mai 2010
Give Him His Hat für Klavier, Version für zwei Hände und Version für vier Hände; Auftrag des
Klavier-Festival Ruhr
2009
Great Bass Rackett für Fagott; Auftrag der London Sinfonietta zu deren 40. Jubiläum. UA: 9.
September 2009, Kings Place London
Of the Air für Streichquartett; Auftrag von Helen Bishop-Stephens und Patrick Bailey anlässlich
ihrer Hochzeit, UA 25. Juni 2009, Wigmore Hall
Più Mosso für großes Orchester; Auftrag des CBSO Youth Orchestra; UA: 1. November 2009,
Symphony Hall Birmingham
Self-Assembly Composition No. 1 für beliebige Instrumente; Auftrag der Wigmore Hall
gefördert durch André Hoffmann; UA:4. Juni 2009, Wigmore Hall London
Willy and Hugh für Erzähler und acht Instrumente; Auftrag der Wigmore Hall im Rahmen von
Luke Bedfords Zeit als Composer in Residence; UA: 29. Januar 2010, Wigmore Hall London
2008
By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold für 18 Spieler; Auftrag des Ensemble Modern
und des Siemens Arts Program im Rahmen des Projekts into...; UA:6. März 2009 Konzerthaus
Berlin
Good Dream She Has für Sopran, Mezzo-Sopran, Tenor und 14 Spieler; Auftrag der
Birmingham Contemporary Music Group; UA: 14. April 2008, CBSO Centre Birmingham
On Time für Chor und Orchester; Auftrag der Sing-Akademie zu Berlin; UA:5. Juli 2008,
Gethsemane-Kirche Berlin
Upon St. George's Hill für Tenor und Gitarre
2007
Wreathe für Orchester; Auftrag der BBC Radio 3; UA: 7. Dezember 2007, Wiltshire Music
Center Bradford-on-Avon
2006
Or Voit Tout En Aventure für Sopran und 16 Spieler; Auftrag der London Sinfonietta; 30. Mai
2006, Queen Elizabeth Hall London
Outblaze The Sky für Orchester; Auftrag des London Symphony Orchestra gemeinsam mit
UBS; UA: 12. April 2007, Barbican London
2005
Chiaroscuro für Violine, Violoncello und Klavier; Auftrag für das Gould Piano Trio durch
Richard Phillips
Slow Music für acht Spieler; Auftrag des Philharmonia Orchestra für seine Reihe “Music of
Today”
2003
Rode with Darkness für Orchester; BBC Auftrag für Hallé; UA: 8. Januar 2004; Bridgewater
Hall Manchester
2002
Catafalque für großes Ensemble / für Klavier; UA: 10. Mai 2002, Duke's Hall London
Man Shoots Strangers from Skyscraper für acht Spieler; UA: 25. Mai 2002, St. George's
Brandon Hall Bristol
2001
5 Abstracts für 14 Spieler; Auftrag der Royal Philharmonic Society für die London Sinfonietta;
UA: 22. April 2001, Queen Elizabeth Hall London
Über Zeynep Gedizlioglu
Schatten werfen
Von Markus Böggemann
Eine rasch auffahrende Geste des Klaviers und ihr leiser Nachhall in den anderen Instrumenten; ein
Akkord der verlischt, in seinen Umrissen aber stehen bleibt, bis eine neue Geste, ein neuer Nachhall
ihn überlagern – ähnlich wie das Ensemblewerk Yol („Der Weg“) beginnen auch andere Stücke
Zeynep Gedizlioglus. Die Folge von Impuls und Nachklang fungiert für die Komponistin als ein
zentrales dramaturgisches und formales Prinzip ihrer Musik. Dabei nimmt einerseits die starke
Gebärde, die oft geradezu physische Attacke der Eröffnung gefangen, mit der man als Zuhörer
konfrontiert wird. Andererseits spannt sich im Schatten dieser Ereignisse ein Raum auf, der mit gutem
Grund als das Eigentliche des kompositorischen Zugriffs angesehen werden kann. Verdichtungen und
Überlagerungen bereiten sich in ihm vor, gestaffelte Anläufe im Wechsel von Aktivität und
nachhorchendem Innehalten wie in Susma („Schweige nicht“) von 2007, dem zweiten Streichquartett
Zeynep Gedizlioglus. Und es ist gleichermaßen dem Aussagewillen der Komponistin (das Stück ist der
Erinnerung an den 2007 ermordeten Journalisten Hrant Dink gewidmet) wie den
Gestaltungsspielräumen solchen Verfahrens geschuldet, dass in diesem Werk das Verhältnis von
Auslöser und Ausgelöstem, von explosiver Gebärde und statischem Klang sich umkehrt. Ab etwa der
Hälfte des Stückes ballen sich zunehmend aufgeraute Flächen zu Figuren mit definierter
Bewegungsrichtung zusammen, ähnlich denen, die bislang die stehenden Klänge des komponierten
Nachhalls aus sich entließen: Was Schatten wirft, ist selber nichts als Schatten, was scheinbar solide
Figur, nur von angenommener Festigkeit.
Auf ein solches Spiel mit Nicht-Identitäten verweisen Stücke wie Dengesiz Denklemler / Unequal
Equations (2006) für Klarinette und Violoncello bereits im Titel; es bestimmt aber auch andere Werke
bis ins Detail. In Akdenizli (The Mediterranean) für Violine, Viola und Klavier (2007), wie auch im schon
erwähnten 2. Streichquartett Susma überlagern sich rhythmische und ornamentale Varianten
desselben Motivs und erzeugen dadurch eine Heterophonie, die traditionellen Musikformen abgehört
sein mag, die darüber hinaus aber die Ränder der jeweiligen Figur verwischt, ohne ihre
Unterscheidbarkeit vollständig aufzugeben. Und dass diese Addition von Ähnlichem sich nicht auf die
Horizontale der zeitlich-rhythmischen Abfolge beschränken muss, demonstriert Kesik (Cut) für 12
Instrumente (2010), wo ganze Melodiezüge in der Vertikalen vervielfacht werden, eingebunden in
eine konzertante, Register, Soli und Instrumentengruppen kontrastierende Gesamtanlage. Hier wie
dort ist das Ergebnis frappierend: ein präzise auskomponiertes Ungefähr, Genauigkeit ohne Zwang,
Vielstimmigkeit ohne diffus zu werden. Die Musik Zeynep Gedzlioglus erscheint so als nachdrückliches
Plädoyer für den Wert des Heterogenen und der individuellen Differenz.
Zeynep Gedizlioglu – Leben
Zeynep Gedizlioglu, 1977 im türkischen Izmir geboren, studierte Komposition bei Cengiz Tanc in
Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Strassburg und bei Wolfgang Rihm in
Karlsruhe, sowie Musiktheorie bei Michael Reudenbach. Sie war Stipendiatin der Elisabeth-und-BrunoMeindl-Stiftung (2003), des Kultusministeriums des Saarlandes (2004), erhielt das
Landesgraduiertenstipendium (2005) sowie das Wolfgang-Rihm-Stipendium der Hoepfner Stiftung
(2008) und ist Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg (2010). 2005 gewann sie den
Förderpreis des Franz-Liszt-Stipendiums in Weimar. Bei den Internationalen Ferienkursen für Neue
Musik Darmstadt und des Centre Acanthes hat sie mit eigenen Kompositionen teilgenommen. Sie
arbeitete beim Institut für Musik und Akustik IRCAM in Paris, wo ihr Werk für elektro-akustische Musik
uraufgeführt wurde (2010-2011). 1994-2000 entstanden Stücke zu verschiedenen Theaterwerken.
Ihre Kompositionen wurden bei internationalen Festivals wie ‘Grenzenlos-Kulturelle Begegnung mit
der Türkei’ in Berlin, ‘Rendez-vous Musique Nouvelle’ in Forbach, ‘Mediterrane Neue Musik Tage’ und
der Biennale in Istanbul, 'MITo Settembre Musica' in Mailand, ‘Estovest’ in Turin, ‘Musica’ in
Strassburg, ‘ISCM World New Music Days’ in Göteborg aufgeführt. Im Radio erklangen ihre Werke in
Liveübertragungen beim SR2 Kultur Radio, Acik Radyo Istanbul, France Musique und beim SWR2.
Einige ihrer Werke wurden auf CD veröffentlicht. Sie arbeitet zusammen mit den Solisten des SWR
Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, mit dem Navarra Symphonie Orchester, dem Orchestre
National de Lorraine, dem Ensemble Recherche, Accroche Note, Ensemble Orchestral Contemporain
und dem Arditti Quartett, die zahlreiche Werke uraufgeführt haben.
Zeynep Gedizlioglu – Werke
2011
Breath for Mathilde für Baritonsaxophon und Elektronik
UA IRCAM Paris 2011
Saxophon, Mathilde Salvi
Denge für Klavier
UA ‚EXIL-PEN’, Köln 2011
Klavier, Nare Karoyen
2010
Kesik (Cut) für 12 Instrumente
UA Abschlusskonzert des Centre Acanthes, Metz 2010
Orchestre National de Lorraine, Leitung: Jean Deroyer
Sokakta (Outdoors) eine Performance für Saxophonquartett
2009
Mut für vier Violoncelli
UA Hochschule für Musik Karlsruhe 2009
Portraitkonzert Zeynep Gedizlioglu, Baden-Baden / Freiburg 2010
Flur für gemischten Chor
UA Kunstmuseum Heidenheim 2009
Wenn Du mich hörst, klopf zweimal für Sopran und Streichquartett
UA Festival Estovest, Turin 2009, Rosemary Hardy und Xenia Ensemble
2008
Die Wand entlang für Klavier
UA Festival 100 Jahre Olivier Messiaen, Karlsruhe 2008, Yannick Wirner
2007
Susma, Streichquartett Nr. 2
UA Abschlusskonzert des Centre Acanthes, Luxemburg 2007, Arditti Quartett
Akdenizli für Violine, Viola und Klavier
UA Internationales Pera-Fest, Istanbul 2007, Ulucan-Trio
2006
Yol für Klarinette, Vibraphon, Violine, Violoncello und Klavier
UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2006
Ungleiche Gleichungen für Klarinette und Violoncello
UA Preisträgerkonzert des Franz-Liszt-Stipendiums, Weimar 2006, Ensemble Recherche
2005
Dialogo a tre für Blockflöte, Violine und Cembalo
UA beim Festival Italianitá, Saarbrücken 2005
2004
Evokation für 11 Bläser
UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2004
2003
Streichquartett Nr. 1
UA beim Preisträgerkonzert der Elisabeth-und-Bruno-Meindl Stiftung, Saarbrücken
Die Tat für Elektronik
UA Rendez-vous Musique Nouvelle Forbach 2003
Pentagramme für Klavier
UA im Rahmen des Projekts Hammerklavier, Saarbrücken 2004, Raoul Jehl
2002
Blank blank blank, blank für Stimme solo
UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2002, Michael Müller
Atemlos für Elektronik
Rufe für Klarinette solo
UA beim Eröffnungskonzert des Frauenkulturmonats Saarbrücken 2005, Rebecca Kirchner
2001
Vier Stücke für Oboe, Klarinette und Fagott
UA Hochschule für Musik Saarbrücken 2002
2000
Musik für die Theateraufführung Player von Sahika Tekand, Theaterkompanie Studio Players,
Istanbul.
1999
Studies, Komposition für Streichquartett
1998
Studies, Komposition für großes Orchester
Studies, Oktett für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten und 2 Fagotte
1997
Untitled II für Klavier
UA Konzert Zeitgenössische Türkische Komponistinnen, Istanbul 2001, Metin Ülkü
1996
Untitled I für Klavier
UA Konzert Zeitgenössische Türkische Komponistinnen, Istanbul 2001, Metin Ülkü
1995
Kusku für Klavier
UA Istanbul 1996, Neslihan Schmidt
Akdenizli für Bariton, Violoncello und Klavier
1994
Musik für die Theateraufführung von Edward Bonds Olly’s Prison, Theater der Capa
Universität, Istanbul
Musik für Samuel Becketts Act Without Word II, Theaterkompanie Studio Players, Istanbul
Über Ulrich Alexander Kreppein
Erinnerung und Vielstimmigkeit
Von Markus Böggemann
Einem Wort Theodor W. Adornos zufolge ist es Robert Schumann gewesen, der für die Musik den
Gestus des sich Erinnerns und Zurückschauens entdeckt hat. In seinen Werken wächst der
Gegenwartskunst par excellence erstmals eine Vergangenheitsperspektive zu; sie bleibt nicht reine,
emphatische Präsenz, nur an den Augenblick ihres Erklingens gebunden, sondern reflektiert in den
stärksten Momenten ihre spezifische Zeitlichkeit: sie beschwört die eigene Vergänglichkeit, indem sie
auf Vergangenes verweist.
Solche Selbstreflexivität hat man mit Recht als ein Kennzeichen der ästhetischen Moderne identifiziert,
und genau hier, in den intellektuellen Potentialen einer nicht trivialisierten Romantik, liegt auch ein
Faszinationskern für das Komponieren Ulrich Alexander Kreppeins. Seine Musik sucht das
Uneigentliche, das Mehransichtige und sich selbst Konterkarierende, sie spricht mit unterschiedlichen
Stimmen und, intermittierend, aus verschiedenen zeitlichen Fernen heraus. So erklingt im ersten der
drei Phantasiestücke, einem Streichtrio mit dem (einem späten Gedichtentwurf Rilkes entlehnten) Titel
Windinnres, mehrfach eine Bratschenkantilene von vogelhafter Unstetheit, die bei ihrem letzten
Auftreten, ehe sie sich multipliziert und auf das gesamte Ensemble übergreift, hinter einem mikrotonal
verwischten, aber durchaus tonalen Klangband der Außenstimmen hervorleuchtet. Die zuvor etablierte
Hierarchie von Haupt- und Nebensachen, von Vorder- und Hintergrund wird hier umgestülpt, der wie
aus Tiefen der Erinnerung heraufziehende ‚alte‘ Ton überlagert die Gegenwart der beredten Linie.
Es entspricht dieser ästhetischen Option, dass einsinnig final gerichtete Prozesse, ein restriktiver
Materialbegriff und die universale Integration von Motiven und Gestalten nicht Kreppeins Sache sind.
Ihm ist es vielmehr um eine Pluralität im emphatischen Sinne zu tun, er favorisiert nichtlineare Verläufe
und eine Vielstimmigkeit der Klang- und Sprachformen, die das Disparate – im Sinne einer ‚höheren
Polyphonie‘ – weniger fürchtet als den Verlust des Poetischen. Zu dieser Vielstimmigkeit gehört auch
die nachdrückliche Bezugnahme auf literarische Motive und Texte – das bezeugen schon die Werktitel
mit ihrer Affinität zu Zwielicht, Nacht und Schatten. Aber auch die Kompositionen selbst werfen ein
Netz sprachlicher und motivischer Bezüge aus: In der Orchesterskizze Schattenspiele von 2008 – sie
rekurriert auf Ideen, die in kammermusikalischer Form auch im dritten der Phantasiestücke,
„Abendlied“, verwendet werden – finden sich, im Klang vergraben und selbst schon zu Klang
geworden, gewisperte Textfragmente aus einem Gedicht Georg Heyms; das zweite der
Phantasiestücke, „Nachtschattenwirbel“, birgt in seinem Untergrund Zitate aus Hans Henny Jahnns
Die Nacht aus Blei und integriert daneben auch das Geräusch indistinkter Radiostimmen. Das Ziel all
solcher Strategien ist jedoch nicht Tiefsinn, sondern die Produktion von Präsenz; Ulrich Alexander
Kreppeins Musik sucht in der Vielfalt ihrer Sprachebenen den emphatischen Zugriff auf die Welt
mittels einer mit jedem Werk neu zu etablierenden Beredsamkeit.
Ulrich Alexander Kreppein – Leben
Ulrich Alexander Kreppein wurde 1979 geboren und wuchs in Baden-Württemberg auf, wo er früh
Unterricht in Klavier, Violoncello, Kirchenorgel sowie in Komposition erhielt. Nach dem Abitur
studierte er an der Robert Schumann Musikhochschule Düsseldorf: Komposition bei Manfred Trojahn,
Klavier bei Thomas Leander und Musikwissenschaft bei Andreas Ballstaedt. Nach weiteren Studien an
der Columbia University in New York bei Tristan Murail von 2003 – 2004, schloss erhielt er sein
Diplom im Januar 2005. Im darauffolgenden Jahr begann er sein Dissertationsstudium an der Harvard
University in Boston, USA, das er 2011 mit dem Ph.D in Komposition abschloss. Zu seinen Lehrern in
Harvard zählen unter anderen Julian Anderson, Brian Ferneyhough, Chaya Czernowin, Hans Tutschku,
Joshua Fineberg und Helmut Lachenmann.
Kreppein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, wie etwa beim Bundeswettbewerb Jugend
komponiert 1998 und 1999, sowie dem Andreas Werckmeisterpreis der Stadt Halberstadt für ein
Orchesterwerk. Später erhielt er Preise bei der Saarbrückener Komponistenwerkstatt 2001 und den
dritten Preis, sowie den Preis als jüngster Preisträger beim Internationalen Musica Sacra Wettbewerb in
Polen 2005. Er war 2008 Finalist beim Internationalen Tactus Wettbewerb in Mons, Belgien. Kreppein
erhielt unter anderem Kompositionsaufträge von der ROC-GmbH Berlin, dem Callithumpian Consort
in Boston, der Britten Sinfonia in Cambridge und dem SWR Stuttgart.
Ulrich Kreppein erhielt Stipendien von der Studienstiftung des Deutschen Volkes (2002 – 2005), vom
DAAD (2003/04) sowie von der Akademie Musiktheater Heute der Deutschen Bank Stiftung (2009 –
2011). 2008 nahm er an den Sommerkursen von Acanthes teil und ist im Moment ein Presidential
Fellow an der Harvard University. 2009 wurde er bei der Orchesterwerkstatt Stuttgart ausgezeichnet
und war Finalist beim Internationalen Isang Yun Wettbewerb in Seoul, Süd-Korea. Er ist Stipendiat der
Akademie der Künste in Berlin 2011 und wurde für ein sechsmonatiges Aufenthaltsstipendium auf
dem Künstlerhof Schreyahn für das Frühjahr 2012 ausgewählt.
Seine Werke wurden in der Berliner Philharmonie, der Carnegie Hall in New York, sowie in Moskau,
Düsseldorf, München, London und Boston aufgeführt und beinhalten Orchesterwerke, Opern und
Kammermusik.
Ulrich Alexander Kreppein – Werke
ORCHESTERMUSIK
2009
Spiel der Schatten für großes Orchester
2008
Schattenspiele, Skizze für Orchester
Lichtspiele für Violine und großes Orchester
Entfernte Landschaft für Orchester
Paysage Nocturne II für kleines Orchester
2006
Paysage Nocturne I für kleines Orchester
2005
Vagues für Orchester
2002
Traces – vers les sons tournant dans l’air du soir für großes Orchester
2001
Traces – vers un jardin obscur für großes Orchester
2000
Le soleil s’est noyé dans son sang qui se fige... für großes Orchester
KAMMERMUSIK
2010
Konstruktionen der Dämmerung für Schlagzeugquartett
Phantasiestücke
Windinnres für Streichtrio
Nachtschattenwirbel für Ensemble
Abendlied für Flöte, Klarinette und Streichtrio
2009
Streichquartett
2007
Sine Nomine für Flöte, Klarinette, Horn, Posaune und Streichtrio
2004
Rain, keep on falling für Klavier, Posaune, Saxophon und zwei Violinen
2003
Drei Möglichkeiten einen Weg zu beschreiben für sechs Instrumente
2000
Nachtstück für Blechbläserquintett
ENSEMBLE
2010
Départ für großes Ensemble
2007
Spiegelbilder für Ensemble
2003
Verwandlungen im Spiegel für Ensemble
Par les rues et les chemins en cherchant für Ensemble
VOKALMUSIK
2008
Tryptichon für Flöte, Harfe, Sopran und Viola, nach Gedichten von Friedrich Hölderlin
2007
Zwei Lieder nach Texten von Stefan George für Sopran, Flöte, Violine und Cello
2005
Agnus Dei für 12-stimmigen gemischten Chor
2003
Eluardlieder für zwei Soprane, Flöte, Klarinette, Percussion, Violine, Viola und Violoncello nach
Gedichten von Paul Eluard
2002
1. Streichquartett für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Sopran solo nach Gedichten von
Arthur Rimbaud
Melodram für Klavier und Sprecher nach einem Text von Franz Kafka
2001
Drei Gesänge nach Texten von Ingeborg Bachmann für Sopran und neun Instrumente
MUSIKTHEATER
2004
Opernszene für die Oper Der Herr Gevatter, Gemeinschaftsoper mit vier weiteren Komponisten
2002
Der
Eindringling,
Oper
in
einem
Akt
nach
Maurice
Maeterlinck
FÖRDERPROJEKTE 2012
Kompositionsaufträge
Kompositionsaufträge im Rahmen der Konzertreihe music@villaromana
Villa Romana, Florenz (IT)
Februar – September 2012
Villa Romana, Florenz
www.villaromana.org
Kompositionsaufträge an Onur Yildirim, Santa Buss, Ivan Pakhota, Darija Andovska, Emre Sihan Kaleli
für das Convergence New Music Ensemble
pre-art, Zürich (CH)
Februar – Oktober 2012
Tbilissi, Jerevan
www.pre-art.ch
Kompositionsaufträge an Walter Zimmermann, Daniel Peter Biro und Yuval Shaked
Ensemble Meitar, Tel Aviv (IL)
UA 2. Februar 2012
The center for contemporary music, Tel Aviv
www.meitar.net
Kompositionsauftrag an Karlheinz Essl
The Music Gallery, Toronto (CA)
UA 17. Februar 2012
The Music Gallery, Toronto
www.junctqin.com
Kompositionsaufträge an Wolf Edwards, Bernhard Gander, Steven Kazuo Takasugi und Gianluca
Ulivelli für Salt Festival
Ensemble Tsilumos, Victoria, BC (CA)
März 2012 – März 2013
Victoria, BC
www.tsilumos.org
Kompositionsauftrag an Jean Guillou
Euro-Via Festival, Eching am Ammersee (DE)
UA 9. April 2012
Philharmonie Berlin
www.euro-via-festival.org
7 Kompositionsaufträge für Aspekte Festival
Aspekte Salzburg (AT)
9. – 13. Mai 2012
Universität Mozarteum und Landestheater Salzburg
www.aspekte-salzburg.at
Kompositionsauftrag an Claus Kühnl
Bayerisches Kammerorchester Bad Brückenau e. V. (DE)
UA 19. Mai 2012
König-Ludwig-I Saal, Bad Brückenau
www.kammerorchester.de
„Der Maler spricht“ – Kompositionsauftrag an Motschmann
Ensemble risonanze erranti, München (DE)
UA 25. Mai 2012
Pinakothek der Moderne, München
www.ensemble-risonanze-erranti.de
Reflexionen über „frei, aber einsam“ Kompositionsaufträge an Manfred Trojahn, José María Sánchez
Verdú und Stefan Johannes Hanke
Hannoversche Gesellschaft für Neue Musik e.V. (DE)
UA 6. Juni 2012
Orangerie Herrenhausen, Hannover
www.hgnm.de
Kompositionsauftrag an Giya Kancheli
Istanbul Foundation for Culture and Arts – Istanbul Music Festival (TR)
UA 8. Juni 2012
Hagia Eirene Museum, Istanbul
www.iksv.org
Kompositionsaufträge an Miroslav Srnka und Salvatore Sciarrino
Münchener Kammerorchester (DE
UA Srnka: 21. Juni 2012
Prinzregententheater, München
UA Sciarrino: 17. September 2012
Beethovenfest, Bonn
www.m-k-o.eu
Kompositionsaufträge an Wolfgang Rihm, Wilhelm Killmayer, Manfred Trojahn, Kenneth Hesketh,
Moritz Eggert, Alexander Muno, Alexander Goehr
Kissinger Sommer Festival (DE)
UA 30. Juni 2012 und 1. Juli 2012
Regentenbau, Bad Kissingen
www.kissingersommer.de
Fünf Blicke auf Dürers Marienleben – Kompositionsaufträge an Nelida Bejar, Minas Barboudakis,
Markus Lehmann-Horn, Viera Janárčeková und Tobias PM Schneid
Internationale Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra (DE)
2. – 6. Juli 2012
Frauenkirche, Nürnberg
www.ion-musica-sacra.de
„Headspace in the City“ – Kompositionsauftrag an Nigel Osborne
City of London Festival (UK)
UA 6. Juli 2012
Guildhall Yard, City of London
www.colf.org
Kompositionsaufträge an Friedrich Schenker, Anton Safronov und Kristian Kesten
XX. Randfestspiele, Evangelische Kirche Zepernick (DE)
6. – 7. Juli 2012
Zepernick
www.randspiele.de
„…ohne das Haupt der Medusa” – Kompositionsauftrag an Manos Tsangaris
ArTree, Thessaloniki (GR)
UA 24. August 2012
Thessaloniki
www.music-village.gr
Pollini Perspectives – Auftragswerk an Salvatore Sciarrino
Lucerne Festival (CH)
UA 30. August 2012
Konzertsaal im KKL, Luzern
www.lucernefestival.ch
Charles Ives Projekt – Kompositionsaufträge an Georg Friedrich Haas und Toshio Hosokawa
Mahler Chamber Orchestra, Berlin (DE)
UA 31. August 2012
Philharmonie Berlin
www.mahler-chamber.eu
Kompositionsauftrag an Rudolf Kelterborn
Ensemble TaG Neue Musik Winterthur (CH)
UA September 2012
Theater am Gleis, Winterthur
www.ensembletag.ch
Mehr Musik! – Kompositionsaufträge an Philippe Hurel, Enno Poppe, Johannes Staud und Steven
Daverson
ensemble recherche, Freiburg (DE)
Herbst 2012 – August 2015
www.ensemble-recherche.de
Auftragskompositionen für Musiktheater an Johannes Seidl, Gerhard Stäbler und Francois Sarhon für
TonLagen Hellerau
HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden (DE)
Oktober 2012 – Oktober 2014
Festspielhaus Hellerau Dresden
www.hellerau.org
Kompositionsauftrag an Charlotte Seither
via-nova-chor, München (DE)
UA 7. Oktober 2012
Prinzregententheater, München
www.via-nova-chor.de
Kompositionsauftrag an Hans-Joachim Hespos
KunstAuditiv Dresden e.V. (DE)
7. Oktober 2012
Festspielhaus Hellerau (Festival Tonlagen)
www.auditivvokal.de
Kompositionsauftrag an Hans Werner Henze
Deutsche Oper Berlin (DE)
UA 20. Oktober 2012
Deutsche Oper Berlin
www.deutscheoperberlin.de
Kompositionsauftrag an Michael Riessler
MEHR MUSIK!/Zukunftsmusik, Augsburg (DE)
UA 3. November 2012
MAN-Museum Augsburg
www.zukunft-musik.de
www.mehrmusik-augsburg.de
Kompositionsaufträge an Giorgio Netti und Marc Sabat
Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, Bludenz (AT)
21. – 24. November 2012
Bludenz
www.btzm.at
World Wide Visions – Kompositionsaufträge an Marko Nikodijevic, Jagoda Szmytka und Brigitta
Muntendorf
Ensemble Garage e.V., Köln (DE)
UA Januar 2013
Gare du Nord, Basel
www.ensemble-garage.de
6 Kompositionsaufträge für Soundscape East Asia
Villa Elisabeth, Berlin (DE)
ensemble unitedberlin
6. – 8. Februar 2013
Villa Elisabeth, Berlin
www.unitedberlin.de
Minotaurus – Kompositionsauftrag an Markus Hechtle
ECLAT Festival für neue Musik, Stuttgart (DE)
8. Februar 2013
Theaterhaus Stuttgart
www.eclat.org
Kompositionsauftrag an Ivan Fedele
Makrokosmos Quartet, Genf (CH)
UA März 2013
Wittener Musiktage
www.makrokosmos.eu
Kompositionsaufträge an Vinko Globokar, Fabio Nieder und Daria Andovska für „Pisma u domovinu –
Briefe in die Heimat“
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (DE)
Frühjahr 2013
Cetinje, Montenegro, Belgrad, Hannover und Stadthagen
www.incontri.hmtm-hannover.de
Avant-Gardner – Kompositionsauftrag an Chaya Czernowin
Calderwood Performance Hall, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston (US)
UA 4. April 2013
Calderwood Performance Hall, Isabella Stewart Gardner Museum, Boston
www.isgm.org
„Wär’ ich ein Ton.“ – Kompositionsaufträge an Johannes Schöllhorn und Carola Baukholt
Jean Paul 2013 e.V., Bayreuth (DE)
UA 30. August 2013
Weimar
www.jean-paul-2013.de
Kompositionsauftrag an Sarah Nemtsov
Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda e. V. (DE)
UA 31. August 2013
Kloster Volkenroda
www.kloster-volkenroda.de
Klavierdoppelkonzert. Kompositionsauftrag an Jan Müller-Wieland
Staatsphilharmonie Nürnberg (DE)
UA September 2013
Meistersingerhalle Nürnberg
www.staatstheater-nuernberg.de
„A Laugh to Cry“ – Kompositionsauftrag an Miguel Azguime
Miso Music (PT)
UA 27. September 2013
Warschauer Herbst
www.misomusic.com
Kompositionsauftrag an Claus-Steffen Mahnkopf
ELISION ensemble, Melbourne (AU)
UA Oktober 2013
Transit Festival, Leuven
www.elision.org.au
Kompositionsaufträge an Martin Grütter und Filip Caranica
Schwelbrandorchester, Berlin (DE)
UA Herbst 2013
So36 Berlin
www.schwelbrand.net
Kompositionsauftrag an Robert HP Platz
Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DE)
UA 16. Mai 2014
Großer Sendesaal Saarbrücken
www.deutscheradiophilharmonie.de
Konzerte und Veranstaltungen
Ergon Ensemble Project
Ergon Ensemble, Athen (GR)
Saison 2011/2012
Konzerthalle Athen und Onnasis Foundation
www.ergon-ensemble.gr
Komponistenporträts Zorn, Paredes, Aperghis
Miller Theatre at Columbia University, New York (US)
Oktober 2011 – Mai 2012
Miller Theatre at Columbia University, New York
www.millertheatre.com
Meisterwerke von Rihm, Lachenmann, Furrer und Haas
Sound Icon, Boston (US)
5. November 2011 – 25. Februar 2012
Boston University und Institute of Contemporary Art, Boston
www.soundicon.org
Konzertsaison 2011/2012
Ensemble Phoenix Basel (CH)
Dezember 2011 – Juni 2012
verschiedene Orte in der Schweiz
www.ensemble-phoenix.ch
Sound Stream
Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium (RU)
Saison 2012/2013
Moskau
www.mosconsv.ru
Making New Music
London Sinfonietta (UK)
Januar – Juni 2012
Southbank Centre, Queen Elizabeth Hall, London
www.londonsinfonietta.org.uk
Fernbeziehung
fgnm – Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik (DE)
Januar – Dezember 2012
Instituto Cervantes, Frankfurt
www.fgnm.de
Konzertreihe Schlüsselwerke der Neuen Musik
ON – Neue Musik Köln e.V. (DE)
Februar – Dezember 2012
Köln
www.on-cologne.de
Jubiläumskonzerte 25 Jahre Ensemble Wiener Collage
Ensemble Wiener Collage (AT)
März 2012 – November 2013
verschiedene Orte in Wien
www.ensemblewienercollage.at
Young Russia – Young Europe
Music Forum of the Moscow State Philharmonic Society (RU)
März 2012 – Februar 2013
Moskau, Nischni Nowgorod, Kaliningrad, Surgut und Jekaterinburg
www.gamensemble.ru
Die Kreuzung – Porträtkonzerte Andre, Thomalla, Czernowin
Ensemble Dal Niente, Chicago (US)
3. März 2012, Chicago; 10. März 2012, Milwaukee; Dezember 2012, Chicago
dalniente.com
Paul Ben-Haim „Joram“
Münchner MotettenChor e. V. (DE)
EA 3. April 2012
Tel Aviv
www.muenchner-motettenchor.de
Helmut Lachenmann „Notturno“
Ensemble Resonanz, Hamburg (DE)
Mai 2012
Laeiszhalle Hamburg, Muziekgebouw Amsterdam, Konzerthaus Wien
www.ensembleresonanz.com
Cage in Bremen
Sendesaal Bremen (DE)
10. – 12. Mai 2012
Sendesaal Bremen
www.sendesaal-bremen.de
Porträtkonzert Hans Thomalla
Either/Or, New York (US)
17. Mai 2012
Tenri Cultural Institute, New York
www.eitherormusic.org
Helmut Lachenmann „Accanto“
Aldeburgh Music, Snape (UK)
EA 18. Juni 2012
Snape Maltings Concert Hall, Aldeburgh
www.aldeburgh.co.uk
Uraufführung Younghi Pagh-Paan
Great Mountain International Music Festival, Seoul (KR)
UA 29. Juli 2012
Alpensia’s New Music Tent, Seoul
www.gmmfs.com
Lunar Movements
Argento New Music Project, New York (US)
5. August – 23. Dezember 2012
Austrian Cultural Forum, New York
www.argentomusic.org
Karlheinz Stockhausen „Mittwoch aus Licht“
Birmingham Opera Company (UK)
UA 22. August 2012
Argyle Works, Birmingham
www.birminghamopera.org.uk
Composers of our Time
Lithuanian Ensemble Network (LT)
September 2012 – Oktober 2013
verschiedene Orte in Litauen
www.lithuanian-ensemble.net
Hypermusic Prologue
Zafraan Ensemble, Berlin (DE)
Oktober 2012
HAU 1 (Hebbel am Ufer), Berlin
www.zafraan-ensemble.com
Musica 2012 – Hans Zender Portrait
Musica, festival international des musique d’aujourd’hui de Strasbourg (FR)
4. Oktober 2012
Libraire Kléber, Salle de la Bourse, Straßburg
www.festival-musica.org
Jonathan Harvey „Weltethos“
Southbank Centre, London (UK)
7. Oktober 2012
Royal Festival Hall Southbank Centre,
London
www.southbankcentre.co.uk
Mauricio Kagel „Zwei-Mann-Orchester“
Goethe-Institut Buenos Aires (AR)
EA November – Dezember 2012
Buenos Aires, Córdoba und Rosario
www.goethe.de/buenosaires
Schwarze Spiegel – miroirs noirs
oh ton-ensemble: Neue Musik im Nordwesten, Oldenburg (DE)
November 2012
Oldenburg und Bremen
www.ohton.de
Festivals
Festival Aspects des Musiques d’Aujourd’hui – 30° édition
Orchestre de Caen (FR)
20. – 25. März 2012
verschiedene Orte, Caen
www.orchestredecaen.fr
Hamburger Ostertöne 2012
HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle (DE)
6. – 8. April 2012
Laeiszhalle und St. Johannis-Kirche,
Hamburg
www.ostertoene.de
Carte blanche II
Förderverein Temnitzkirche, Netzeband (DE)
1. – 2. Juni 2012
Temnitzkirche, Netzeband
www.theatersommer-netzeband.de
Kompositionsaufträge Cheltenham Music Festival 2012
Cheltenham Music Festival (UK)
4. – 15. Juli 2012
verschiedene Orte, Cheltenham
www.cheltenhamfestivals.com
Im Profil: Wolfgang Rihm
Europäische Festwochen Passau (DE)
20. / 21. Juli 2012
Straubing und Passau
www.ew-passau.de
Tanglewood Music Center Festival of Contemporary Music
Boston Symphony Orchestra (US)
9. – 13. August 2012
Tanglewood
www.bso.org
Arcus Temporum XI – Art Festival of Pannonhalma 2012
Pannonhalma Archabbey Foundation (HU)
24. – 26. August 2012
Pannonhalma Archabbey
www.arcustemporum.hu
Music Innovation – UNM 2012
Ung Nordisk Musik (IS)
27. – 31. August 2012
Reykjavík und Skálholt
unmiceland.wordpress.com
Zyklus Benedict Mason
Festival d’Automne à Paris (FR)
September – Dezember 2012
verschiedene Orte in Paris
www.festival-automne.com
Donaueschinger Musiktage 2012
Donaueschinger Musiktage (DE)
19. – 21. Oktober 2012
verschiedene Orte in Donaueschingen
www.swr.de/donaueschingen
Journées Contemporaines Basel
Theater Basel (CH)
20. – 23. Oktober 2012
verschiedene Orte in Basel
www.theater-basel.ch
Wien Modern 2012: Schwerpunkt Olga Neuwirth
Musikverein Wien Modern (AT)
22. Oktober – 22. November 2012
verschiedene Orte in Wien
www.wienmodern.at
L’arsenale 2012 – New Music in Treviso
L’arsenale APS, Treviso (IT)
November 2012
Treviso
www.larsenale.com
Internationale Weingartener Tage für Neue Musik 2012
Weingarten (DE)
16. – 18. November 2012
verschiedene Orte in Weingarten
www.weingarten-neue-musik.de
Brücken 2012
Verein für Neue Musik Mecklenburg-Vorpommern e.V. (DE)
25. November – 2. Dezember 2012
Volkstheater und HMT Rostock
www.neue-musik-mv.de
Musica nova – Orient-Occident
Musica nova, Helsinki (FI)
8. – 16. Februar 2013
Helsinki
www.musicanova.fi
Salzburg Biennale 2013
Salzburg Biennale (AT)
1. – 17. März 2013
verschiedene Orte in Salzburg
www.salzburgbiennale.at
Akademien und Wettbewerbe
Zeitgenössische Kammermusik
Herrenhaus Edenkoben e.V. (DE)
2012 – 2013
Herrenhaus Edenkoben
www.herrenhaus-edenkoben.de
European Musical Creation Workshop
Centro Imaginario de Estudios Artísticos, Madrid (ES)
Februar – November 2012
Instituto de la Juventud & Fundación Autor, Madrid
www.emcw.eu
Kammermusik Akademie
Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling (DE)
22. – 28. April 2012
Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
www.heidelberger-fruehling.de
Komponistenstudio – Ensemble Modern
Ensemble Modern, Frankfurt (DE)
Mai 2012
www.ensemble-modern.com
Manila Composers Lab 2012
Manila Composers Lab (PH)
15. – 28. Juli 2012
College of Music, University of the Philippines
www.upd.edu.ph
Sommerakademie „Neue Musik“
Hochschule für Musik und Theater München (DE)
August 2012
Hochschule für Musik und Theater München
www.musikhochschule-muenchen.de
Young Composers‘ Academy Philharmonia Orchestra
Philharmonia Orchestra, London (UK)
September 2012 – Juni 2015
Southbank Centre, Royal Festival Hall und Henry Wood Hall, London
www.philharmonia.co.uk
Komponisten Workshop
Fondation Royaumont (FR)
3. – 22. September 2012
Royaumont Abbey, Val d’Oise
www.royaumont.com
IEMA: Workshop mit Unsuk Chin 2012
Verein Transart, Eppan (IT)
10. – 22. September 2012
Trient und Bozen
www.transart.it
Tenso Young Composers Workshop – Der Chor als Instrument
Tenso Network Europe (NL)
10. – 13. Oktober 2012
Nordic Music Days, Stockholm
7. – 19. Mai 2013
Tenso Days, Mechelen, Belgium
www.tenso-vocal.eu
VII TDM International Academy
Trío De Magia (ES)
30. November – 2. Dezember 2012
Sueca, Valencia
www.triodemagia.com
Composer Collider
musikFabrik Landesensemble NRW e.V., Köln (DE)
13. – 17. Dezember 2012
musikFabrik, Köln
www.musikFabrik.eu
Kompositionsauftrag an Jörg Widmann für Klarinettensolo
Beijing International Music Competition 2013 (CN)
9. – 13. Mai 2013
Beijing Concert Hall
www.bjimc.cn
Conducting Composers – Composing Conductors
Stiftung Schleswig-Holstein Musik Festival (DE)
Juli / August 2013
Rendsburg/Büdelsdorf, Hamburg, Berlin
www.shmf.de
Kinder- und Jugendprojekte
Schülerensemble für zeitgenössische Musik
Ensemble intercontemporain, Paris (FR)
2010 – 2012
verschiedene Orte in Paris
www.ensembleinter.com
Ostertournee 2012
Gustav Mahler Jugendorchester, Wien (AT)
31. März – 25. April 2012
verschiedene Orte in Europa
www.gmjo.at
Kompositionsauftrag an Moritz Eggert für „All diese Tage“
Theater Bremen (DE)
UA 28. April 2012
Theater am Goetheplatz, Bremen
www.theaterbremen.de
Notations – Ein Projekt zur Vermittlung zeitgenössischer Klaviermusik
Klavier-Festival Ruhr, Essen (DE)
1. Juni 2012
Haus Fuhr, Essen
www.klavierfestival.de
Studio Dan spielt…
Studio Dan – Verein für Neue Musik, Wien (AT)
September – Oktober 2012,
Graz, Wien, Salzburg
www.studiodan.at
Kompositionsauftrag an Peter Eötvös
Mädchenchor Hannover (DE)
UA 23. September 2012
Landesfunkhaus Niedersachsen, Hannover
www.maedchenchor-hannover.de
Kompositionsaufträge an Johannes Maria Staud für Kinderorchester
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg (AT)
24. Januar – 3. Februar 2013
Stiftung Mozarteum Salzburg
www.mozarteum.at
Fliegender Teppich – Zeitgenössische Oper für Kinder
Opus21musikplus, München (DE)
Sommer 2013
Carl-Orff-Saal Gasteig, München
www.opus21musikplus.de
Publikationen und Tagungen
Lexikon verfolgter Musiker der NS-Zeit
Musikwissenschaftliches Institut, Universität Hamburg (DE)
2009 – 2015
www.lexm.uni-hamburg.de
Aufarbeitung der Korrespondenz Ernst Kreneks
Ernst Krenek Institut Krems (AT)
2010 – 2012
www.krenek.com
Historisch-kritische Gesamtausgabe der musikalischen Werke Anton Weberns (1883–1945) –
Teilprojekt Webern-Dokumentation
Musikwissenschaftliches Institut der Universität Basel (CH)
2010 – 2012
www.mwi.unibas.ch/forschung/webern-gesamtausgabe
Gesamtausgabe der Briefe Ferruccio Busonis an seine Frau
Martina Weindel, Römerberg (DE)
2010 – 2013
Musikkollegium Winterthur: Briefwechsel Werner Reinhart
Musikwissenschaftliches Institut der Universität Zürich (CH)
2010 – 2015
www.werner-reinhart.ch
Die Tonkunst
Die Tonkunst e.V., Lübeck (DE)
2011 – 2013
www.die-tonkunst.de
Hans-Joachim Hespos – Analysen und Kontexte
Folkwang Universität der Künste, Essen (DE)
2011 – 2013
www.folkwang-uni.de
Zeitgenössische Kolumnen von „Muzsika“
Pro Musica Foundation – Muzsika Hungary, Budapest (HU)
2012
www.muzsikalendarium.hu
New Music and Aesthetics, Vol. 8
Gesellschaft für Musik und Ästhetik, Horben (DE)
2012
www.musik-und-aesthetik.de
Handbuchprojekt „Neue Klangphänomene auf Streichinstrumenten und ihre Notation“
Barbara Maurer, Freiburg (DE)
2012
Luciano Berio (1925–2003): Schriften und Interviews in 3 Bänden
Centro Studi Luciano Berio, Florenz (IT)
2012 – 2014
www.lucianoberio.org
Videodokumentation von Jonathan Harveys 4. Streichquartett
Institute of Musical Research, University of London (UK)
Januar – Juni 2012
Jerwood Hall, London
www.music.sas.ac.uk
Symposium „50 Jahre Musik im technischen Zeitalter“
Tritonus e.V., Bremen (DE)
7. – 10. März 2012
Plantage 13, Bremen
www.fernsehforum-musik.de
Symposium „Cage & Consequences“
MaerzMusik – Berliner Festspiele (DE)
19. – 21. März 2012
Haus der Berliner Festspiele
www.cagesymposiumberlin.de
Schostakowitsch-Symposium
Münchner Philharmoniker (DE)
23. – 25. März 2012
Münchner Philharmonie
www.mphil.de
Tagung „Ans Licht gebracht. Interpretation von Musik heute“
Institut für Neue Musik und Musikerziehung e.V., Darmstadt (DE)
11. – 14. April 2012
Akademie für Tonkunst, Darmstadt
www.neue-musik.org
Verzeichnis der musikalischen Werke von Bernd Alois Zimmermann und ihrer Quellen
Akademie der Künste, Berlin (DE)
Juni 2012
www.adk.de
Schönheit als Verweigerung von Vertrautem
Interdisziplinäres Forum „thinkers’ corner“, München (DE)
15. Juni 2012
Aula der Hochschule für Philosophie München
www.thinkerscorner.de
Rekonstruktion von Mauricio Kagels „Tactil“ und „Unter Strom“
Orpheus Instituut, Gent (BE)
Juli – Dezember 2012
Orpheus Instituut, Gent
www.orpheusinstituut.be
Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970): Regards sur l’œuvre du compositeur aujourd’hui
Universität Strasbourg (FR)
Oktober 2012
Tagungsband „John Cage und die Folgen / Cage & Consequences“
TU Berlin, Fachgebiet Audiokommunikation (DE)
Dezember 2012
www.ak.tu-berlin.de
musik.theorien der gegenwart,
Bände 5+6
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (AT)
Dezember 2012
musiktheorie.kug.ac.at
Symposium „Les Espaces sonores – Stimmungen, Klanganalysen, spektrale Musiken“
Hochschule für Musik Basel (CH)
7. – 9. Dezember 2012
Musikakademie Basel
www.musikforschungbasel.ch
Giacinto Scelsi, Schriften
MusikTexte, Köln (DE)
April 2013
www.musiktexte.de
Alternative Moderne: „Afrika“ in der Kompositionskultur des 20. Jahrhunderts
Zentrum für Literatur und Kulturforschung, Berlin (DE)
Mai 2013
www.zfl-berlin.org
Europäische Musikgeschichte
Ulrich Mosch und Tobias Bleek, Kassel (DE)
September 2013
CD-REIHE DER ERNST VON SIEMENS MUSIKSTIFTUNG
Pressemitteilung Mai 2012
Neue CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung
Komponisten-Förderpreisträger erhalten Porträt-CD. Eine Kooperation der Ernst von Siemens
Musikstiftung und col legno
Die Komponisten-Förderpreisträger der Ernst von Siemens Musikstiftung werden zusätzlich
zur finanziellen Förderung zukünftig auch mit der Produktion einer Porträt-CD unterstützt.
Für die Realisierung der Reihe konnte das Wiener Label col legno gewonnen werden, das für
den weltweiten Vertrieb Sorge trägt. Die CDs der Preisträger 2011 und 2012 – Luke Bedford,
Steven Daverson, Zeynep Gedizlioglu, Ulrich Alexander Kreppein, Hèctor Parra und Hans
Thomalla – werden im Juni auf der Preisverleihung im Münchner Cuvilliés-Theater der
Öffentlichkeit präsentiert.
Die Ernst von Siemens Musikstiftung zeichnet nicht nur renommierte Komponisten, Interpreten oder
Musikwissenschaftler, die für das internationale Musikleben Hervorragendes geleistet haben, mit dem
Ernst von Siemens Musikpreis aus. Seit 1990 vergibt sie außerdem jährlich drei Preise an junge
Komponisten, um deren vielversprechendes Talent zu fördern. Zu den bisherigen Preisträgern aus über
zwanzig Ländern gehören inzwischen so bekannte Namen wie Beat Furrer, Enno Poppe, Olga
Neuwirth, Jörg Widmann und Mark Andre.
Das Schaffen dieser aufstrebenden Komponistengeneration wird nun in einer eigenen CD-Reihe, die in
Kooperation mit dem Wiener Label col legno entsteht, vorgestellt. Das Kuratorium der Stiftung
reagierte mit der Entscheidung auf einen immer wieder beobachteten Mangel an qualitativ
hochwertigen Aufnahmen der Werke der vielversprechenden jungen Komponisten.
In Zusammenarbeit mit herausragenden Ensembles und Solisten der zeitgenössischen Musik sowie v.
a. mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden die musikalischen Porträts der Preisträger
größtenteils neu produziert. Nach und nach soll sich mit der CD-Reihe der Ernst von Siemens
Musikstiftung ein breit angelegtes Panorama der zeitgenössischen Musik entfalten, das aktuelle
Tendenzen aufspürt und dokumentiert.
Der österreichische Komponist Friedrich Cerha, Träger des Ernst von Siemens Musikpreises 2012, freut
sich über die Unterstützung seiner jungen Kollegen:
„Ich habe seinerzeit den finanziellen Teil meines Österreichischen Staatspreises für die Aufführung von
Werken junger Komponisten zur Verfügung gestellt, weil ich weiß, wie wichtig die rechtzeitige
Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Arbeit für sie ist. Und ich finde es besonders sinnvoll und
richtig, dass die Träger der, Geld und Ehre bedeutenden, Komponisten-Förderpreise der Ernst von
Siemens Musikstiftung in einem Festakt gemeinsam mit der Verleihung des großen Preises vorgestellt
werden und ihre eigene musikalische Empfehlung in Form einer CD bekommen.“
Weitere Informationen: www.evs-musikstiftung.ch und www.col-legno.com
Kontakt:
col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | +43 / 664 / 346 15 30
EvS Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | +49 / 89 / 636 – 3 29 07
Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2011:
Steven Daverson – Shadow Walker
1. Elusive Tangibility II: firelife (2008)
für Klarinette, Violine, Viola, Violoncello
ensemble recherche
07:33
2. Elusive Tangibility III: Clandestine Haze (2011)
für Alt- und Bassflöte, Bass- und Kontrabassklarinette, Viola,
Violoncello, Posaune, Schlagzeug
ensemble recherche
08:49
3. Elusive Tangibility IV: 月見 (Tsukimi) (2008)
für Frauenstimme und zehn Instrumentalisten
Ensemble Modern, Angelika Luz (Mezzosopran)
11:44
4. Elusive Tangibility V: Zugunruhe (2008)
für 16 Instrumentalisten
Ensemble Modern
06:05
5. Escher‘s Pharmacy (2011)
für Altflöte, Bassoboe, Klarinette, Klavier, Violine, Viola, Violoncello
ensemble recherche
14:56
6. Schattenwanderer (2011)
für Klarinette und 7 Instrumentalisten
Ensemble Modern, Nina Janßen-Deinzer (Klarinette)
09:14
Gesamtspieldauer
58:23
Shadow Walker
„for the tones in the voice of the shadow were not the tones of any one being,
but of a multitude of beings, and, varying in their cadences
from syllable to syllable fell duskly upon our ears“
Edgar Allan Poe, Shadow. A Parable
Die Musik Steven Daversons beschwört die Schönheit des Ungreifbaren. Formen, die im Fluss bleiben
und sich nicht zu fest umrissenen Körpern verdichten, Dinge, die man sehen, aber nicht berühren
kann, Gestalten, die sich präsentieren und zugleich entziehen – es sind solche der Intuition
zuwiderlaufenden, zugleich faszinierenden und verstörenden Erscheinungen, denen der 1985
geborene britische Komponist mit Vorliebe nachgeht und die in seinen Werken musikalischen
Widerhall finden. Zwar ist in einem sehr allgemeinen Sinn Flüchtigkeit eine elementare Eigenschaft
aller Musik; durch ihren Verlauf in der Zeit und ihre Immaterialität entzieht sie sich, anders als andere
Künste, dem unmittelbaren Zugriff. Um aber aus dieser Grundbedingung künstlerisches Kapital zu
schlagen, dazu bedarf es besonderer Mittel: einer hoch entwickelten Klang- und Formfantasie und
nicht zuletzt eines konzeptionellen Denkens, das reiche Imagination und strukturelle Strenge
miteinander verbindet.
Steven Daversons Kompositionen legen von all dem ein beredtes Zeugnis ab. In ihnen wird das
ästhetische Potenzial des Transitorischen und Nichtfestgelegten in immer neuen Varianten entwickelt.
Und wenn er selbst als ein zentrales Moment seines musikalischen Denkens das „widening the inbetweens“, d. h. die Ausweitung nicht leichthin kategorisierbarer Zwischenbereiche, anführt, dann
geht es dabei letztlich um nichts weniger als um die Erkundung neuer, bislang ungenutzter
kompositorischer Handlungsmöglichkeiten jenseits von wohldefinierten Positionen. Der insgesamt auf
sechs Teile angelegte Zyklus Elusive Tangibility (übersetzt etwa: „Flüchtige Fassbarkeit“) verweist
bereits in seinem Titel auf das Assoziationsfeld paradoxer, weil sich dem Zugriff verweigernder
Körperlichkeit – ein Feld, das die Titel der einzelnen Kompositionen noch konkretisieren:
Schattenwürfe und Wolkenformationen oder, in den hier eingespielten Werken, Flammen, Dunst,
Vogelschwärme und der Mond werden aufgerufen. Entscheidender jedoch als dergleichen
Vorstellungen (die ja immer auch von den individuellen Bildwelten der Hörer abhängen) ist die ihnen
zugrunde liegende poetische Idee eines „dialogue between the weightless and the settled“. Einer
solchen Balance des Schwebenden und des sich Ablagernden wohnt ein Moment von Gegenläufigkeit
inne, das sich als kompositorisches Prinzip bis hinein in die innere Struktur der Werke verfolgen lässt.
So steht am Beginn von Elusive Tangibility II: firelife ein dichtes Netz tonloser oder beinahe tonloser
Aktionen der beteiligten Instrumente: Klappengeräusche, Wischbewegungen oder Col-legnoTechniken bilden gleichsam nur die Hohlformen von Klängen. Sie werden im weiteren Verlauf mit
Resonanz aufgefüllt und kulminieren in der zentralen Passage des Stücks in einer großen, „bell-like“
überschriebenen Linie der Klarinette, die nun von breiten Akkordfolgen der Streichinstrumente
begleitet wird. Gekoppelt an diesen Prozess zunehmender klanglicher Präsenz erscheint somit ein
zweiter, gegenläufiger der Entdifferenzierung und Reduktion des Materials: Der Bewegungsreichtum
des Anfangs wird überführt in die Statik homophoner Akkordfolgen, dem „Zu-Ton-Kommen“ der
Musik korrespondiert die Dekomposition ihrer Gestalten. Die Idee einer musikalischen Repräsentation
des Ephemeren bestimmt auch Elusive Tangibility II: Clandestine Haze. Und wie für die übrigen Stücke
des Zyklus gilt auch für dieses, dass die Bildhaftigkeit des Zugriffs nicht an der Oberfläche der
Komposition verbleibt, sondern sich auf die Ebene des Materials und der Struktur erstreckt. Wie unter
jenem Dunstschleier, von dem der Titel spricht, verwischen sich in dem Stück die Grenzen zwischen
Klangfarbe und Harmonik, verschmilzt das Timbre der beteiligten Instrumente bis zur
Ununterscheidbarkeit. Das sind freilich zunächst technische Kunstgriffe, kompositorische Verfahren,
die Assoziationen zum Titel wohl erlauben, deswegen aber noch nicht selbst assoziativen Ursprungs
sein müssen. Vielmehr mag es sich umgekehrt und weit plausibler so verhalten, dass hier zunächst
genuin musikalische Gestaltungsmöglichkeiten systematisch erprobt werden, für die sich dann
beiläufig ein auch bildhafter Titel einstellt. Das wird einmal mehr deutlich am fünften Stück des Zyklus,
Zugunruhe: Es weist, der größeren Besetzung entsprechend, einen größeren Reichtum an
musikalischen Gestalten auf, die vielfältig interagieren, sich jedoch kaum einmal zu dauerhaften und
identifizierbaren Prägungen verfestigen. Ihr Verhältnis untereinander lässt sich am ehesten mit dem
Wittgenstein’schen Begriff der „Familienähnlichkeit“ beschreiben. Im Hintergrund der wie die Umrisse
eines Vogelschwarms oszillierenden Formgebung steht das elementare musikalische Verfahren der
Variation, angewandt auf die Detailebene der vor- oder quasi-motivischen Gestalten.
Flottierende Formen wie die soeben beschriebenen dokumentieren Steven Daversons Interesse an der
Inszenierung von morphologischen Paradoxa und formalen Mehrdeutigkeiten – so auch in Elusive
Tangibility IV: 月見 (Tsukimi), das eine Gesangsstimme fordert und als Textgrundlage auf vier Haikus
über das Betrachten des Mondes rekurriert. Der Reprisencharakter der letzten Strophe, angedeutet
durch die Überschrift „Omaggio“ und musikalisch kenntlich gemacht durch den klaren Rekurs auf den
Beginn des Stücks, wird konterkariert durch Abbau- und Reduktionsprozesse, die auf einer
übergeordneten Ebene ablaufen. Ungreifbarkeit erscheint hier kompositorisch umgesetzt als formale
Mehrfachcodierung. Damit dergleichen gelingt, braucht es eine künstlerische Fantasie, die sich auch
im Konzeptionellen bewährt. In welchem Maße Steven Daverson darüber verfügt, zeigt nicht zuletzt
seine Planung und Realisierung nicht von Einzelwerken, sondern von Werkzyklen wie Elusive
Tangibility. In ihnen haben auch die noch nicht oder noch nicht zur Gänze komponierten Teile bereits
ihren festen Platz. So verhält es sich auch mit seinem jüngsten Projekt, The Navidson Record, von dem
sowohl Escher’s Pharmacy als auch Schattenwanderer bereits vollendete Teile bilden. Angeregt durch
Mark Z. Danielewskis Roman House of Leaves, dessen vielstimmig dezentrierte, strukturell
überdeterminierte Anlage das Buch zu einem Referenzwerk postmodernen Erzählens machte, handelt
es sich hier um die musikalische Umsetzung und Erkundung eines „concept of a space that is
changeable, but not malleable“. Ähnlich wie in Elusive Tangibility bildet also auch in The Navidson
Record ein gestalterisches Paradoxon den konzeptionellen Ausgangspunkt. Ihm nähert sich der
Komponist mit einer Strategie, der erklärtermaßen ein Zug des Gewaltsamen anhaftet: Die je
entstehenden Gestalten, Figuren und Klangereignisse werden einer Zeitstruktur unterworfen, die sie in
immer kleinere Einheiten zwängt, komprimiert und schließlich vernichtet. Das musikalische Geschehen
gehorcht dabei einem Set von Proportionen, das gleichermaßen Harmonik, Dauer und Formverlauf des
Einzelwerkes wie des gesamten Zyklus bestimmt.
Solch rigide Strukturen sind für Steven Daverson jedoch kein Selbstzweck, sondern dramaturgisches
Mittel, und ihre Anwendung in The Navidson Record ist nicht zum wenigsten durch den Umstand
motiviert, dass es sich bei der literarischen Vorlage (auch) um eine Horrorgeschichte handelt. In deren
Mittelpunkt steht ein Haus, das sich zum namenlosen Schrecken seiner Bewohner als endloses
Labyrinth von variabler Gestalt entpuppt. Escher’s Pharmacy fungiert dabei innerhalb des Zyklus als
musikalische Vergegenwärtigung dieses sich beständig wandelnden Raumes, während
Schattenwanderer für Klarinette und sieben Instrumentalisten die Interaktion eines Subjekts mit ihm
ins Werk setzt: Hier sind musikalische Verdichtungs- und (Selbst-) Zerstörungsprozesse am Werk, die
weit über das traditionelle Konzept des „concertare“ hinausgehen und deren Dramaturgie auch auf
der Asymmetrie der imaginierten Kontrahenten beruht: Wie soll ich mich einer Kraft erwehren, die
nicht als begrenzter Körper auftritt, sondern als unbegrenzter Raum? Der Kunsttheorie ist die Nähe
von Schrecken und Schönheit geläufig. Beide treffen sich in der Erscheinungsweise des Ephemeren.
Die Musik Steven Daversons weiß um diese Ambivalenz des Schattenhaften und gibt ihr klingende
Gestalt.
Markus Böggemann
Hèctor Parra – Caressant l´Horizon
1. Early Life (2010)
für Oboe, Klavier und Streichtrio
Kompositionsauftrag der Ernst von Siemens Musikstiftung
ensemble recherche: Jaime González (Oboe), Melise Mellinger (Violine),
Barbara Maurer (Viola), Åsa Åkerberg (Cello), Jean-Pierre Collot (Klavier)
13:42
2. Stress Tensor (2009/rev. 2011)
für Piccoloflöte/Flöte, Bassklarinette/Klarinette, Klavier und Streichtrio
Kompositionsauftrag des Ensemble Contrechamps
Neue Fassung beauftragt von der Landeshauptstadt München
für die Münchener Biennale
ensemble recherche: Martin Fahlenbock (Flöte), Shizuyo Oka (Klarinette),
Melise Mellinger (Violine), Barbara Maurer (Viola), Åsa Åkerberg (Cello),
Jean-Pierre Collot (Klavier)
18:20
3. Caressant l’Horizon (2011)
für Großes Ensemble
Kompositionsauftrag von Mécénat Musical Société Générale
Ensemble intercontemporain, Leitung: Emilio Pomárico
28:12
Gesamtspieldauer
60:14
Musik des Ganzen
„Das Hauptanliegen meiner wissenschaftlichen und philosophischen Arbeit war für mich immer, das
Wesen der Realität und speziell des Bewusstseins als zusammenhängendes Ganzes zu begreifen, das
niemals statisch oder vollendet ist, sondern ein endloser Prozess der Bewegung und Entfaltung ...“
David Bohm, Wholeness and the Implicate Order
(Die implizite Ordnung: Grundlagen eines dynamischen Holismus)
Dieses Zitat des amerikanischen Physiktheoretikers und Wahl-Londoners – eines der Lieblingsautoren
von Komponist Hèctor Parra i Esteve (geb.1976 in Barcelona) – könnte auch von Parra selbst stammen,
zieht man seine künstlerische Einstellung in Betracht. Denn der katalanische Komponist versteht den
sinnlichen Zugang zur Welt und den menschlichen Schaffensimpuls als Ganzheit zweier Potenziale,
deren Ineinandergreifen entscheidend für Verständigung und Habitabilität innerhalb eines
zusammenhängenden Ganzen ist. Parras fruchtbares Universum speist sich denn auch ebenso aus
künstlerischen Anregungen wie Cézannes Malerei – als Jugendlicher hat der Komponist intensiv
gemalt – und Gedichten von Paul Celan und Marina Tsvetaeva wie auch aus der unersättlichen Lektüre
unzähliger populärwissenschaftlicher Bücher. Speziell die für diese Einspielung ausgewählten Werke
lassen deutlich den Einfluss von einigen der innovativsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts auf
Hèctor Parras schöpferisches Denken erkennen.
Parras künstlerischen Ansatz könnte man einerseits auf den ersten Blick leichthin als positivistisch und
wissenschaftsfixiert abtun, eine Einschätzung, die jedoch seiner erklärten Vorliebe für die Klaviermusik
von Chopin, Skrjabin und Rachmaninow und für die große Sinfonik von Mahler und Strauss diametral
zuwiderlaufen würde. Andererseits steht Parra aber auch der Neoromantik fern, da seine Werke keine
nostalgischen Anklänge an Musikrichtungen vergangener Epochen aufweisen. Man könnte seine
Stellung am ehesten mit der von Edgar Varèse vergleichen, der sich vor knapp hundert Jahren
ebenfalls von der Wissenschaft inspirieren ließ, um eine eigene künstlerische Alternative zur teils sehr
überladenen Musik seiner Zeit zu finden. So lässt sich bei Parra eine gewisse Parallele zu jener
„physique fantastique“ ausmachen, die Hugues Dufourt dem franko-amerikanischen Komponisten
bescheinigte und die in Varèses Œuvre in Form alchimistischer Resonanzen anklingt, bei Parra dagegen
in Referenzen zu einigen Grenzbereichen wissenschaftlicher Forschung wie der Superstring-Theorie,
der Erforschung der Schwarzen Löcher oder den Theorien zur präbiotischen Evolution, die zu den
ersten Lebensformen auf der Erde führte. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen bedeutet jedoch
nicht etwa, dass der junge spanische Komponist mit der Kunst „auf Wissenschaft machen“ will,
sondern hat bei ihm eine eindeutig musikalische Dimension. Phänomene wie der Metabolismus
beziehen sich direkt auf die aus der Naturphilosophie des 19. Jahrhunderts herrührende organische
Sichtweise auf die Musik, und der Emergenz-Begriff entspricht den verschiedenen verdeckten,
aufeinander bezogenen Bedeutungsebenen, die authentische Kunstwerke ausmachen. So erweist sich
also die Ganzheitlichkeit als Nährboden von Hèctor Parras künstlerischer Produktion, als sein Pays
fertile.
Early Life (2010)
für Oboe, Klavier und Streichtrio
Kompositionsauftrag der Ernst von Siemens Musikstiftung
Early Life entstand für das ensemble recherche anlässlich der Preisverleihung der Ernst von Siemens
Musikstiftung 2011. Das mit Mineral Life für Perkussion (2010) verwandte Werk basiert auf dem
Evolutionsmodell von Alexander Graham Cairns-Smith, der die Entstehung von Leben mit der Fähigkeit
bestimmter Silikate erklärt, gewisse Fehlbildungen in ihren anorganischen Kristallstrukturen selbst zu
reproduzieren. So seien diese Tonmineralien im Stande, organische Substanzen zu synthetisieren, ein
emergentes Phänomen, das nach und nach die „anorganische Genese“ verdrängte.
Dieser Verdrängungsprozess fungiert als Basis für die formelle Architektur von Early Life. In dem Stück,
in dem das begleitende Quartett für die Silikate steht und die Solo-Oboe als Metapher für die
Kohlenstoffverbindungen, entfaltet sich ein umfassender Prozess innerer Entwicklung. Wie der
Komponist ausführt, „werden zunächst die von dem Streichertrio und dem Piano gespielten Phrasen –
also die musikalischen ‚Gene‘ – reichhaltiger, facettenreicher, und die Wechselbeziehungen der
Materialien sowie die Klangtexturen komplexer; schließlich tritt die Oboe als Träger einer neuen
musikalischen Architektur auf den Plan. Was zunächst perkussiv, resonanzarm, diskordant, grob,
leblos und isoliert war, wird vielgestaltig, polyphon, harmonisch, beständig und organisch.“
So komprimiert Early Life die Äonen der Erdgeschichte in einen klar strukturierten musikalischen
Zeitablauf. Der dramaturgische Aufbau steigert sich nach dem Auftritt des Solisten im zweiten
Abschnitt zu einer Oboen- Kadenz mit proteischem Gestus und ebensolcher Klangfarbe – einem
rhizomatischen Klanglabyrinth –, die ganz nach dem Vorbild enzymatischer Katalysatoren die übrigen
Ensembleinstrumente mit der Eigenschaft des Organischen befruchtet. Nach der polyphonen Klimax
nimmt die Häufigkeit der gestischen Impulse ab, und die Tempi fallen ab zu einer kurzen,
schmelzenden Coda ... Spürt man hier nicht sogar die großen Aussterbeereignisse der Erdgeschichte
nachklingen, Katastrophen, die uns die Vergänglichkeit – und vielleicht Zufälligkeit – unseres Lebens
vor Augen führen?
Stress Tensor (2009/rev. 2011)
für Piccoloflöte/Flöte, Bassklarinette/Klarinette, Klavier und Streichtrio
Kompositionsauftrag des Ensemble Contrechamps
Neue Fassung beauftragt von der Landeshauptstadt München
für die Münchener Biennale
Wie ein Folgesatz erscheint Stress Tensor (2009) im Werkkatalog des katalanischen Komponisten
unmittelbar nach seiner „projektiven Oper“ Hypermusic Prologue (2009), die in Kooperation mit der
Harvard-Physikerin Lisa Randall entstand. Als Motor des Plots fungieren in beiden Werken moderne
physikalische Theorien. Der Titel Stress Tensor bezieht sich konkret auf das mathematische Objekt, das
in Einsteins Gravitationstheorie von 1915 den Materie- und Energiegehalt ausdrückt, welcher die
Raumzeitkrümmung hervorruft.
Mehr als die Berechnung des Tensors interessierten Parra die plastischen und emergenten Aspekte der
Krümmung, die ihn bei der Ausgestaltung des sinnlichen und konzeptuellen Rahmens anregten. Dieser
Rahmen führt klangliche Elemente (Materie/Energie) – die de facto schon an sich ausdruckstragend
sind – in einer komplexen akustischen Superstruktur zusammen, die neue musikalische
Charakteristiken nach dem Muster des Gravitationsfeldes (der gekrümmten Raumzeit) hervorbringt. So
hört man nach den Worten des Komponisten „zunächst nur miteinander kontrastierende,
fragmenthafte Klanginseln, die zwar sehr verstreut sind, doch für sich genommen durchaus
entwickelt. Die tieferliegenden Verbindungen zwischen ihnen offenbaren sich noch nicht. In der Folge
entfaltet sich ein komplexes Netz aus bedeutungs- 15 tragenden Beziehungen zwischen den
verschiedenen Texturen, verwoben zu einem musikalischen Kontinuum entsprechend einer strengen
Polyphonie; das Stück gewinnt an Energie, ändert seine Form und entwickelt sich weiter, bis
schließlich die anfänglich heterogenen Materialien miteinander verschmelzen. Das Erkennen dieses
‚globalen Klangraums‘, der sich vor allem durch die Art seiner Vibrationen auszeichnet (schnelle
Oszillationen in der Klangfarbe und Dynamik), verändert unsere Anschauung des eingangs gehörten
Tonmaterials und versetzt uns in eine unberührte, mysteriöse Welt, die sich ausgehend von den ersten
Eindrücken eröffnet. Diese Welt, diese klangliche Raumzeit, erhält auf diese Weise eine Weite und
Tiefe, die bei der ästhetischen Rezeption der Struktur unser Empfinden anspricht und den Genuss
architektonischer Schönheit ermöglicht, wie ihn sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft bieten“.
Caressant l’Horizon (2011)
für Großes Ensemble
Kompositionsauftrag von Mécénat Musical Société Générale
Während Parra in den beiden vorgenannten Werken Bezüge zu wissenschaftlichen Modellen herstellt,
die von ihrer Struktur und ihren Anwendungsbereichen her sehr unterschiedlich sind, fasst er in
Caressant l’Horizon (2011) Metaphern aus Physik und Biologie in der Logik der Ganzheitlichkeit
zusammen, auf der seine ethische und ästhetische Haltung als Künstler fußt. Zu der vom Ensemble
intercontemporain in der Pariser Cité de la musique uraufgeführten Komposition existiert auch eine
Entsprechung für Sinfonieorchester – das weniger introspektive und zeitlich stärker verdichtete InFALL
(2011).
Wo in der romantischen Tondichtung die Natur häufig noch pittoresk oder stereotyp dargestellt ist,
finden wir in Caressant l’Horizon eine dialektische, sinnfällige Gegenüberstellung von zwei nicht
vergleichbaren Realitäten vor: auf der einen Seite unser kleiner, lauschiger Garten in der
unermesslichen Weite des Universums, auf der anderen die für den Menschen unüberwindlichen
Schwellen im All dort, wo der allgemeinen Relativitätstheorie zufolge maximale Raumzeitkrümmung
zu erwarten ist. Der Komponist hat hier versucht, „sich vorzustellen, was wir physisch erleben würden,
wenn uns tatsächlich die unglaublich intensiven Gravitationswellen durchdrängen, die bei der Kollision
von zwei Schwarzen Löchern entstehen“. Die hypothetische Vorstellung, den Ereignishorizont eines
Schwarzen Lochs zu streicheln, welcher die für unser fragiles und flüchtiges Menschendasein
bewohnbare Realität von dem verbotenen Bereich abgrenzt, in dem die Dimensionen der 19 Raumzeit
kollabieren, liefert den roten Faden zu Parras musikalischer Dramaturgie. Eine Dramaturgie, die
weitergedacht nach seinen Worten „ebenso gut ein Abbild der ständigen emotionalen Abgründe sein
könnte, die unser Bewusstsein spalten und die Entwicklung unseres Lebens prägen“. So gebraucht
Parra in Caressant l’Horizon die Gegenüberstellung zwischen seinem „jardin sonore privé” und der
Gesamtheit des Kosmos als Metapher. Unter seiner Hand wandelt sich das Tondichtungskonzept zum
musikalischen Heldenepos, in dem er selbst die Rolle des Helden in einem virtuellen Abenteuer
ausfüllt, eines poetischen Demiurgen, der mit dem Mittel des Klangs ein Ebenbild der titanischen
Naturgewalten gestaltet.
José L. Besada
Hans Thomalla – Fremd
SACD 1
1 1. Szene – Drift | Introduktion Recitativo secco
2 Barcarole 1
3 Barcarole 2
4 Fermate 1 Raue Stürme
5 Barcarole 3
6 Pastorale
7 Barcarole 4
8 Fermate 2
9 Barcarole 5
10 Barcarole 6
11 Fermate 3
12 2. Szene – Kolchis | Aria
13 Aria Da capo
14 Recitativo accompagnato
15 Intermezzo für Orchester – Flüchtig
01:40
04:32
02:21
00:37
03:27
01:20
02:05
01:54
02:22
03:54
01:15
11:36
07:48
06:39
08:51
Gesamtspieldauer SACD 1
60:22
SACD 2
1 3. Szene – Finale Korinth
2 Lullaby I
3 con moto
4 Lullaby II
5 con moto
6 Epilog
04:35
02:43
02:52
01:44
09:40
09:29
Gesamtspieldauer SACD 2
31:03
Gesamtspieldauer SACD 1 und 2
91:25
FREMD
Hans Thomalla
Oper in drei Szenen, einem Intermezzo und einem Epilog
Auftragswerk der Staatsoper Stuttgart
Aufnahme der Uraufführung am 2. Juli 2011 sowie der Aufführung
am 6. Juli 2011, Staatsoper Stuttgart
Musikalische Leitung
Regie, Bühne und Kostüme
Mitarbeit Regie
Chor
Licht
Klangregie
Video
Dramaturgie
Live-Elektronik
Intendant
Medea Sopran
Jason Bass
1. Kind Sopran
2. Kind Tenor
Johannes Kalitzke
Anna Viebrock
Ludivine Petit
Michael Alber
Reinhard Traub
Dieter Fenchel
Hans-Peter Böffgen
Judith Konnerth
Sergio Morabito
Forum Neues Musiktheater
Andreas Breitscheid
Albrecht Puhlmann
Annette Seiltgen
Stephan Storck
Julia Spaeth
Carlos Zapien
Staatsorchester Stuttgart
Staatsopernchor Stuttgart: Argonauten
Ankaios I Helden-Alt
Idmon Dramatischer Alt
Laokoon Dramatischer Alt
Meleager Kindlicher Alt
Menoitios Kindlicher Alt
Akastos Bürgerlicher Alt
Hylas Koloratur-Alt
Kanthos Melancholischer Kontra-Alt
Ankaios II Operetten-Tenor
Herakles Helden-Tenor
Idas Russischer Tenor
Kalais Fantastischer Tenor
Mopsos Melancholischer Tenor
Polyphemos Helden-Tenor
Zetes Fantastischer Tenor
Aithalides Ensemble-Tenor
Butes Helden-Tenor
Erginos Operetten-Tenor
Lynkeus Russischer Tenor
Tiphys Koloratur-Tenor
Amphidamas Helden-Bass
Barbara Kosviner
Cristina Otey
Naomi Behr
Pia Liebhäuser
Simone Jackel
Gudrun Wilming
Ines Malaval
Maria Tokarska
Ivan Yonkov
Metodi Morartzaliev
Alexej Shestov
Young Chan Kim
Alois Riedel
Ivan Ivanov
Bo Yong Kim
Urs Winter
Johannes Petz
Juan Pablo Marin
Alexander Efanov
Shoung Ho Shin
Daniel Kaleta
Argos Koloratur-Bass
Erytos Ensemble-Bass
Euphemos Koloratur-Bass
Jason Koloratur-Bass
Koronos Helden-Bass
Orpheus Epischer Bass (Sprecher)
1. Bass
1. Bass
Echion Ensemble-Bass
Kepheus Sub-Bass
Nauplius Oratorien-Bass
Periklymenos Multifunktions-Bass
Phlias Oratorien-Bass
2. Bass
2. Bass
2. Bass
2. Bass
Matthias Nenner
Henrik Czerny
Steffen Balbach
Stephan Storck
Sebastian Bollacher
Siegfried Laukner
Kenneth John Lewis
Ulrich Wand
Sebastian Peter
Saša Vrabac
Ulrich Frisch
Kristian Metzner
Johannes Wieczorek
Tommaso Hahn
Yehonatan Haimovich
William David Halbert
Heiko Schulz
Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2012:
Luke Bedford – Wonderful Two-Headed Nightingale
1. Wonderful Two-Headed Nightingale (2011)
für Violine solo, Viola solo und 15 Spieler
Jonathan Morton (Violine und Leitung), Lawrence Power (Viola)
Scottish Ensemble
2. into Johannesburg:
By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008)
für 18 Spieler
Ensemble Modern, Leitung: Sian Edwards
12:13
15:33
3. Chiaroscuro (2002/2005)
für Violine, Violoncello und Klavier
Fidelio Trio: Darragh Morgan (Violine), Robin Michael (Violoncello)
und Mary Dullea (Klavier)
08:50
4. Man Shoots Strangers from Skyscraper (2002)
für acht Spieler
Ensemble Modern, Leitung: Franck Ollu
06:29
Or Voit Tout En Aventure (2005–2006)
für Sopran und 16 Spieler
Claire Booth (Sopran), London Sinfonietta, Leitung: Oliver Knussen
5. I – Or Voit Tout En Aventure
6. II – O Dolce Melodia
7. III – Nos Faysoms Contre Nature
8. IV – Je Chante Ung Chant
9. V – L’art de Marquet N’a Mesure
10. VI – O Tu, Cara Scienza, Mia Musica
00:59
00:56
01:36
05:21
02:04
04:03
Gesamtspieldauer
58:11
Brennglas und Lupe
Was ist das Werkzeug der Komponisten? Nimmt man die Frage wörtlich, dann sind es nach wie vor
Bleistift und Papier, aber selbstverständlich auch der Computer, der heute die Rolle spielt, die im 19.
Jahrhundert dem Klavier zukam. Verstünde man sie aber in einem erweiterten, metaphorischen Sinne,
als Frage nach den individuellen Besonderheiten des musikalischen Denkens und den Verfahren ihrer
Umsetzung, dann trüge jeder Komponist seinen eigenen, charakteristisch bestückten Werkzeugkasten
mit sich herum. Bei Luke Bedford fänden sich darin, neben manchem anderen, ein Brennglas
und eine Lupe. Sein kompositorischer Zugriff nämlich besteht in der charakteristischen
Verbindung von Fokussierung und Vergrößerung, seine Musik kennt einerseits die Konzentration auf
das Detail und das ausgeprägte Interesse für die einzelne Geste; auf der anderen Seite gewinnt sie ihre
spezifische Klanglichkeit aus der Vergrößerung und Multiplikation dieser Gesten und ihrer
Übertragung auf den instrumentalen und vokalen Apparat. Aus dem Sichversenken in die besondere
Einzelheit entfalten sich großflächige Texturen und verbinden auf diese Weise gegenläufige
Dynamiken miteinander, die die Musik Luke Bedfords in eigentümlicher Weise durchziehen.
Das gilt selbstredend auch für das erste und zugleich jüngste Werk auf dieser CD, Wonderful TwoHeaded Nightingale (2011); auf es soll weiter unten noch eingegangen werden. Eines der Stücke aber,
die jene soeben geschilderten Charakteristika besonders nachdrücklich hervorkehren und unmittelbar
vor Ohren führen, ist das Ensemblewerk By the Screen in the Sun at the Hill on the Gold (2008): Eine
einfache Arpeggiofigur dominiert hier den gesamten musikalischen Aufriss und Fortgang. Aus ihren
mannigfaltigen rhythmischen Varianten und deren vielfacher Schichtung entstehen mal gleißende, mal
abgetönte Farbflächen, ehe die Figur am Ende ihre ohnehin variable Physiognomie verliert, in
Geräusch umschlägt und sich verflüchtigt. Das Stück entstand als musikalischer Reflex eines
vierwöchigen Aufenthalts in Johannesburg im Rahmen des vom Ensemble Modern und vom Siemens
Arts Program veranstalteten into…-Projekts. Mit seinem Titel ruft es einen besonderen Ort und die mit
ihm verbundenen Eindrücke hervor – ein verlassenes Autokino oberhalb von Johannesburg nämlich,
das auf einer fünfzig Meter hohen Abraumhalde liegt. Und so mag sich dann auch eine Parallele
einstellen zwischen dem Ausschöpfen des musikalischen Materials bis auf seinen Nullpunkt und den
Spuren, die rücksichtsloser Bergbau in die Landschaft schlägt.
Aber auch jenseits solcher mehr oder weniger konkreten Assoziationsangebote fasziniert Luke
Bedfords kompositorische Arbeit mit einem bewusst reduzierten Materialvorrat: Er erschließt die
Potenziale der zugrunde liegenden Gesten und Motive bis ins Letzte und scheut auch vor ihrer
Skelettierung nicht zurück. Dass die Kompromisslosigkeit einer solchen Selbstbeschränkung das
klingende Resultat nicht einengt, sondern im Gegenteil zu einer höchst großzügigen Musik von
berückender Farbigkeit führt, ist ein weiteres Charakteristikum der Arbeiten dieses Komponisten.
Instrumentalfarbe, Harmonik und Zeitgefüge verschmelzen bei ihm zur komplexen Einheit, die
elementare Differenz von Horizontale und Vertikale, von Linie und Akkord verflüchtigt sich unter dem
klangfarblich dominierten Ansatz einer Musik von subjektloser Intensität. Was sich in Luke Bedfords
Musik ereignet, ist denn auch folgerichtig direkt aus dem instrumentalen Apparat heraus erfunden. Er
dient dem Komponisten als Laboratorium, in dem er neue Klangmöglichkeiten erprobt, zugleich aber
auch als Anregung und Vorlage für die Dramaturgie der komponierten Prozesse. Das Klaviertrio
Chiaroscuro (2002/2005) beispielsweise verfolgt die Idee einer fortschreitenden Emanzipation der
beiden Streichinstrumente: zu Beginn mit ihren Stimmverläufen noch engstens an das Klavier
gebunden, finden sie im weiteren Verlauf zu eigener Melodik und insbesondere zu einer nur ihnen
vorbehaltenen mikrotonalen Harmonik, an der das unpräparierte Tasteninstrument naturgemäß
keinen Anteil hat. Mindestens ebenso charakteristisch wie die Verbindung von formalen und
klanglichen Dimensionen ist allerdings, dass die so gestalteten Prozesse in der Musik Luke Bedfords
nicht agonal oder katastrophisch verlaufen. Das Paradigma seines Formdenkens ist nicht die Finalität
des Dramas, sondern die prinzipielle Unabgeschlossenheit über sich hinausweisender Entwicklungen.
Dem entspricht, dass Stücke wie Chiaroscuro nicht eigentlich schließen, sondern aufhören. Sie
prätendieren keine Totalität, sondern inszenieren ein Klanggeschehen, das auch jenseits ihrer Grenzen
weiter zu existieren scheint.
Eine Konsequenz dieses Formdenkens ist das Spiel mit den Möglichkeiten nicht-linearer,
mehrdirektionaler Verläufe. So greift Man Shoots Strangers from Skyscraper (2002) in seiner Struktur
(und auch mit seinem Titel) aufLuis Buñuels Film Le phantôme de la liberté zurück, der genau diese
Möglichkeiten erkundet. Wie der Film scheinbar ziellos verschiedenen Charakteren folgt, statt sie
einem linearen Plot unterzuordnen, sucht die Musik den durch kleinste Auslöser motivierten
Richtungswechsel. Die Form erscheint so als ein Raum von Optionen, als nahezu absichtslos
durchschrittene Reihe von Tangenten mit variabler Anordnung. Hinter solch einer Idee formaler
Ungebundenheit – wie auch hinter der Vorstellung übergeordneter Prozesse, an denen die Musik eher
partizipiert, als dass sie sie beherrscht – steht einerseits die nach wie vor präsente Utopie einer
„musique informelle“. Andererseits aber finden sich für Luke Bedford Anregungen formaler und
dramaturgischer Art eingestandenermaßen auch in Comedy Shows und in deren Jonglieren mit
mehreren Handlungssträngen. In beiden Fällen geht es dabei um das gleiche Ziel: größtmögliche
Gestaltungsfreiheit bei zugleich maximaler Verbindlichkeit des so Gestalteten. Das ist freilich nicht erst
ein Bestreben der Musik im 20./21. Jahrhundert, und die Frage, wie solches zu erreichen sei, bestimmt
in gewissem Sinne bereits jene hochgradig selbstreflexiven Texte aus dem Spiegelkabinett der Ars
subtilior des späten 14. Jahrhunderts, die Luke Bedford seinem Liederzyklus Or Voit Tout En Aventure
(2005–2006) zugrunde legt. Ihres ursprünglichen musikalischen Kontextes entkleidet, fungieren sie in
Bedfords Komposition als sprachlich fremde und in thematischer Hinsicht doch eigentümlich vertraute
Nachrichten aus der Vergangenheit, die in eine Musik von zugleich distanzierter und dringlicher
Intensität gefasst werden. Die Adaption spezifischer Techniken der Ars subtilior spielt dagegen eine
geringere Rolle, auch wenn etwa das dritte Stück, Nos faysoms contre nature durch die
Gleichzeitigkeit konkurrierender rhythmischer Unterteilungen ein Denken in Zeitproportionen
durchscheinen lässt. Stattdessen überwiegt einmal mehr ein parameterübergreifendes Denken, wenn
in den ersten Stücken des Liederzyklus die ausinstrumentierten Töne der Gesangsmelodie sich in der
Folge ihres Eintretens zu begleitenden Akkorden summieren und auf diese Weise Klang und Linie sich
ineinander verschränken.
Von den klanglichen Kapazitäten ausgehend ist schließlich auch dasjenige Werk konzipiert, das diese
CD eröffnet – es ist zugleich das jüngste der hier versammelten: Bei Wonderful Two-Headed
Nightingale (2011) handelt es sich um ein Doppelkonzert für Violine, Viola und kleines Orchester, das
in seiner Besetzung Mozarts Sinfonia concertante KV 364 folgt, das darüber hinaus aber eigene Wege
geht. Nicht nur generieren die beiden Soloinstrumente mit ihren leeren Saiten die Grundlage für die
Harmonik des Stücks, die ganz wesentlich auf der Addition von – im weiteren Verlauf auch
vierteltönigen – Quintenpaaren beruht. Vor allem entwickelt das Stück aus seiner instrumentalen
Disposition eine dramaturgische und gewinnt so dem Konzept des Konzertierens ganz neue Facetten
ab. Dem Werktitel und seinem Hintersinn folgend – er spielt an auf ein Paar siamesischer Zwillinge,
das im England des 19. Jahrhunderts als Gesangsattraktion auftrat –, erscheinen die beiden
Soloinstrumente streng aneinandergekoppelt und agieren in ihren Stimmverläufen nahezu vollständig
parallel. Aus ihren (vergeblichen) Versuchen, voneinander los- oder wenigstens miteinander
übereinzukommen, ergibt sich dabei ein veritables und energetisch hoch aufgeladenes Stück
musikalischen Theaters. Im Rahmen eines Instrumentalwerks tritt hier die dramatische und nicht
zuletzt auch die komödiantische Seite des Komponisten Luke Bedford hervor. Ihren Hervorbringungen
eignet, was auch die übrigen Werke auszeichnet und worin deren Faszinationskraft und
Unmittelbarkeit liegt: die vielfache klangfarbliche Facettierung ihrer Oberflächen und das daraus
hervorstrahlende kalte Leuchten.
Markus Böggemann
Zeynep Gedizlioglu – Kesik
1. Susma – Schweige nicht / Streichquartett No. 2 (2007)
06:43
In Memoriam Hrant Dink
Arditti Quartett: Irvine Arditti, Ashot Sarkissjan (Violine),
Ralf Ehlers (Viola) und Lucas Fels (Violoncello)
2. Akdenizli – Das Mediterrane (2007)
08:41
Für Halim
für Violine, Viola und Klavier
Michael Dinnebier (Violine), Hendrik Vornhusen (Viola) und
Julia Vogelsänger (Klavier)
3. Yol – Der Weg (2005)
07:45
für Klarinette, Vibraphon, Violine, Violoncello und Klavier
Anton Hollich (Klarinette), Jochen Schorer (Vibraphon),
Catherina Lendle (Violine), Gabriele Maiguashca (Violoncello)
und Julia Vogelsänger (Klavier), Leitung: Frank Düpree
4. Ungleiche Gleichungen (2006)
13:41
für Klarinette und Violoncello
Anton Hollich (Klarinette) und Markus Tillier (Violoncello)
5. Dialogo a tre (2005)
10:11
für Blockflöte, Violine und Cembalo
Barbara Neumeier (Blockflöte), Michael Dartsch (Violine)
und Lutz Gillmann (Cembalo)
6. Die Wand entlang (2008)
05:35
für Klavier
Julia Vogelsänger (Klavier)
7. Wenn Du mich hörst, klopf zweimal (2009)
12:00
für Sopran und Streichquartett
Sarah Maria Sun (Sopran), Arditti Quartett
8. Kesik – Schnitt (2010)
05:12
für 12 Instrumente
Ensemble Modern, Leitung: Oswald Sallaberger
Gesamtspieldauer
69:50
Plädoyer fürs Heterogene
Kunst im emphatischen Sinn ist immer ein Einspruch gegen das Vorhersagbare, Normierte. Sie ist
entweder exorbitant oder gar nicht – so zumindest seit der Ablösung eines allgemein verpflichtenden
ästhetischen Handlungsrahmens zugunsten seiner individuellen Überschreitung durch den Künstler in
der Moderne. Andererseits aber bedeutet das Produzieren von Kunst und insbesondere das
Komponieren immer auch: vereinheitlichen, ordnen, die Eingebungen der Fantasie domestizieren, die
Gedanken auf Linie bringen. Wie also lassen sich beide Tendenzen miteinander versöhnen, wie sich
sowohl Affirmation als auch Beliebigkeit vermeiden?
Es ist diese Frage, auf die die Musik Zeynep Gedizlioglus immer wieder neue Antworten, dieses
Problem, für das sie immer wieder neue Lösungen sucht. Indem sie beispielsweise auf der Ebene ihrer
Gestalten und Verläufe Ähnlichkeiten nicht als „beinahe gleich“, sondern ganz bewusst als „leicht
verschieden“ inszeniert, lenkt sie die Wahrnehmung auf das, was sich nicht restlos in Deckung bringen
lässt, auf das Überständige und unreduzierbar Individuelle. Vor diesem Hintergrund verlieren scheinbar
elementare musikalische Kategorien wie die der „Stimme“ und der „Einstimmigkeit“ plötzlich den
Schein des Selbstverständlichen und eröffnen Horizonte kompositorischer Reflexion und Gestaltung.
So werden in Kesik (Schnitt) für 12 Instrumente (2010), eingebunden in eine konzertante, Register,
Soli und Instrumentengruppen kontrastierende Gesamtanlage, ganze Melodiezüge in der Vertikalen
multipliziert, mit dem frappierenden Ergebnis eines präzise auskomponierten Ungefährs, dessen
Vielstimmigkeit gleichwohl niemals diffus zu werden droht. Innerhalb einer solchen Konzeption
repräsentiert die solistische Stimme dann nicht mehr den Widerpart zum Tutti, sondern dessen
Konzentrat: die lang ausgesponnenen Melismen der Oboe, die das Stück ab etwa der Hälfte aus sich
entlässt, sind individuelle Äußerung, die komponierte Stimme des Subjekts. Eben dies, die Idee, dem
Subjekt eine Stimme zu geben, steht auch im Zentrum von Wenn Du mich hörst, klopf zweimal für
Sopran und Streichquartett (2009). Das Stück imaginiert eine archetypische Situation gewaltsam
unterbundener Kommunikation – „Hörst Du mich? Bist du da? Wo bist Du? Sprich! Schweige nicht!“
– und hebt damit nicht zuletzt auch die Grenze zum Szenischen auf. Mit zunehmender Dringlichkeit
der Aussage geht dabei eine Reduktion des (Quartett-)Satzes einher, dessen musikalische Dichte am
Ende in gesprochene Botschaft umschlägt.
Die Parteinahme für die Stimme des Subjekts ins Musikalische zu übertragen, bedeutet für Zeynep
Gedizlioglu stets auch die Suche nach kompositorisch zwingenden Lösungen für die Umsetzung von
Ideen, die über den Bereich des rein Musikalischen ins Gesellschaftliche und Kulturelle hinausweisen.
Ihr Dialogo a tre (2005) entwirft zwar keine ähnlich dramatische Situation wie Wenn Du mich hörst,
klopf zweimal, gelingende Kommunikation ist aber auch hier keine Selbstverständlichkeit, sondern
muss unter Mühen und, wie sein Ende zeigt, mit der steten Gefahr des Scheiterns hergestellt werden.
Als Antrieb und Hemmschuh zugleich agieren dabei die Instrumente, deren Behandlung zwischen
Verschmelzung und Individualisierung changiert. Diese Individualisierung der Einzelstimmen erscheint
in Akdenizli für Violine, Viola und Klavier (2007), im Sinne einer Addition von Ähnlichem in der
Horizontale, als kalkulierte rhythmisch-melodische Inkongruenz: Rhythmische und ornamentale
Varianten desselben Motivs überlagern sich und erzeugen dadurch eine Heterophonie, die die Ränder
der jeweiligen Figur verwischt, ohne ihre Unterscheidbarkeit vollständig aufzugeben. Darüber hinaus
mag dieses Verfahren auch traditionellen Musikformen abgehört sein – zumindest beschwört der Titel,
der übersetzt so viel wie „das Mediterrane“ bedeutet, einen Assoziationshorizont herauf, der in seiner
nicht auszuschöpfenden Vielschichtigkeit auch diesen Aspekt mit einbegreift und der Zeynep
Gedizlioglu generell wichtig ist. „Akdeniz“ („Mittelmeer“) bedeutet ihr mehr als einen geografischen
Begriff: ein Lebensgefühl, eine Kultur, eine Haltung, wie sie sich auch in jener spezifischen
Atmosphäre Istanbuls niederschlägt, die nur sehr unzureichend als Melancholie zu bezeichnen wäre.
Der „Hüzün“ entspricht als eine Form kollektiver Schwermut weit eher dem, was zum Beispiel das
Portugiesische als „Saudade“ kennt. Und weil er keine bloße Mystifikation darstellt, sondern eine
manifeste kulturelle Macht, ließen sich ihm Motive und Motivationen im Werk von Zeynep Gedizlioglu
auch dann zuordnen, wenn die Komponistin nicht selbst gelegentlich darauf hingewiesen hätte. Das
Ensemblestück Yol (Der Weg) etwa spielt nicht nur auf den gleichnamigen epochalen Film Yilmaz
Güneys an, es lässt sich auch als musikalische Reflexion über die Vergänglichkeit hören, wie gleich sein
Anfang suggeriert: Eine rasch auffahrende Geste des Klaviers und ihr leiser Nachhall in den anderen
Instrumenten; ein Akkord, der verlischt, in seinen Umrissen aber stehen bleibt, bis eine neue Geste, ein
neuer Nachhall ihn überlagern. Diese Folge von Impuls und Nachklang bildet ein zentrales
dramaturgisches und formales Prinzip der Musik Zeynep Gedizlioglus. Dabei nimmt einerseits die
starke Gebärde, die oft geradezu physische Attacke der Eröffnung gefangen, mit der man als Zuhörer
konfrontiert wird. Andererseits spannt sich im Schatten dieser Ereignisse ein Raum auf, der mit gutem
Grund als das Eigentliche des kompositorischen Zugriffs angesehen werden kann. Es sind die Ränder
des Klanges, sein je individuelles Entstehen und Vergehen, denen die besondere Aufmerksamkeit der
Komponistin gilt: Verdichtungen und Überlagerungen bereiten sich in ihm vor, gestaffelte Anläufe, die
der expressiven Logik von auffahrender Gebärde und nachhorchendem Innehalten folgen oder, wie in
dem Klavierstück Die Wand entlang von 2008, einer intrikat verschachtelten Dialektik von Beharren
und Bewegung.
In solchen ungeschützten, instabilen Bereichen klanglicher Phänomenalität bewegt sich auch Zeynep
Gedizlioglus 2007 entstandenes zweites Streichquartett Susma (Schweige nicht). Und es verdankt sich
gleichermaßen den hier sich eröffnenden Gestaltungsspielräumen wie dem Aussagewillen der
Komponistin (das Stück ist dem Gedenken an den 2007 ermordeten Journalisten Hrant Dink
gewidmet), dass in diesem Werk das Verhältnis von Auslöser und Ausgelöstem, von explosiver
Gebärde und statischem Klang sich umkehrt. Ab etwa der Hälfte des Stückes ballen sich zunehmend
auf geraute Flächen zu Figuren mit definierter Bewegungsrichtung zusammen, ähnlich denen, die
bislang die stehenden Klänge des komponierten Nachhalls aus sich entließen: Was Schatten wirft, ist
selber nichts als Schatten, was scheinbar solide Figur, nur von angenommener Festigkeit.
Auf ein solches Spiel mit Nicht-Identitäten verweist schließlich ein Stück wie Ungleiche Gleichungen
(2006) für Klarinette und Violoncello bereits im Titel. Der Dialog, der zwischen den beiden
Instrumenten inszeniert wird, verläuft indes so wenig ungefährdet, wie es zwischen zwei Individuen
nur sein kann. Dass er gegen Ende immer mehr von Pausen durchsetzt wird, mag dafür ein Zeichen
sein, ebenso gut aber bieten diese Phasen einer stabilen, doch spannungsvollen Leere so etwas wie
einen Resonanzraum für jene Stimme des Subjekts, um die es der Komponistin in ihren Werken stets
von Neuem zu tun ist. So verbinden sich in Zeynep Gedizlioglus Kompositionen der Aplomb der
starken Geste mit der Genauigkeit für die individuelle Einzelheit. Ihre Musik gewinnt ihren Reichtum
aus der nicht reduzierbaren Vielheit ihrer Gestalten und erscheint so als nachdrückliches Plädoyer für
den Wert des Heterogenen und der individuellen Differenz.
Markus Böggemann
Ulrich Alexander Kreppein – Spiel der Schatten
Erscheint im Herbst 2012
PREISTRÄGER-ARCHIV
Ernst von Siemens Musikpreisträger seit 1974
• Aribert Reimann, 2011
• H.C. Robbins Landon, 1992
• Michael Gielen, 2010
• Heinz Holliger, 1991
• Klaus Huber, 2009
• Hans Werner Henze, 1990
• Anne-Sophie Mutter, 2008
• Luciano Berio, 1989
• Brian Ferneyhough, 2007
• Peter Schreier, 1988
• Daniel Barenboim, 2006
• Leonard Bernstein, 1987
• Henri Dutilleux, 2005
• Karlheinz Stockhausen, 1986
• Alfred Brendel, 2004
• Andrés Segovia, 1985
• Wolfgang Rihm, 2003
• Yehudi Menuhin, 1984
• Nikolaus Harnoncourt, 2002
• Witold Lutoslawski, 1983
• Reinhold Brinkmann, 2001
• Gidon Kremer, 1982
• Mauricio Kagel, 2000
• Elliot Carter, 1981
• Arditti Quartett, 1999
• Dietrich Fischer-Dieskau, 1980
• György Kurtág, 1998
• Pierre Boulez, 1979
• Helmut Lachenmann, 1997
• Rudolf Serkin, 1978
• Maurizio Pollini, 1996
• Herbert von Karajan, 1977
• Sir Harrison Birtwistle, 1995
• Mstislav Rostropowitsch, 1976
• Claudio Abbado, 1994
• Olivier Messiaen, 1975
• György Ligeti, 1993
• Benjamin Britten, 1974
Komponistenpreisträger seit 1990
2011
• Steven Daverson
• Hèctor Parra
• Hans Thomalla
2001
• Isabel Mundry
• André Werner
• José María Sánchez-Verdú
2010
• Pierluigi Billone
• Arnulf Herrmann
• Oliver Schneller
2000
• Hanspeter Kyburz
• Augusta Read Thomas
• Andrea Lorenzo Scartazzini
2009
• Francesco Filidei
• Miroslav Srnka
• Lin Yan
1999
• Thomas Adès
• Olga Neuwirth
2008
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• Wolfram Schurig
2007
• Vykintas Baltakas
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2006
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• Alexander Muno
• Athanasia Tzanou
2005
• Sebastian Claren
• Philipp Maintz
• Michel van der Aa
2004
• Fabien Lévy
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2003
• Chaya Czernowin
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• Jörg Widmann
2002
• Mark Andre
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• Charlotte Seither
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1997
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• Mauricio Sotelo
1996
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1995
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• Philippe Hurel
1994
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• Luca Francesconi
1993
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• Param Vir
1992
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• Benedict Mason
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1990:
• Michael Jarrell
• George Lopez
BILDÜBERSICHT 2012
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Ernst von Siemens Musikpreis 2012 an Friedrich Cerha
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Komponisten-Förderpreis 2012 an Luke Bedford
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Komponisten-Förderpreis 2012 an Zeynep Gedizlioglu
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Zeynep Gedizlioglu, 2011
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ZG 5
Zeynep Gedizlioglu, 2011
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Zeynep Gedizlioglu, 2011
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Zeynep Gedizlioglu, 2011
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Zeynep Gedizlioglu, 2011
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Komponisten-Förderpreis 2012 an Ulrich Alexander Kreppein
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Ulrich Alexander Kreppein
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Ulrich Alexander Kreppein, 2011
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UK 2
Ulrich Alexander Kreppein, 2011
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Ulrich Alexander Kreppein, 2011
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Ulrich Alexander Kreppein, 2011
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Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2011:
Steven Daverson: Shadow Walker
Werke eingespielt vom ensemble recherche
und Ensemble Modern | Solisten Nina JanssenDeinzer (Klarinette) und Angelika Luz (Sopran) |
Leitung: Franck Ollu und Oswald Sallaberger |
In Kooperation mit dem SWR und hr2-kultur
WWE 1CD 40401
Hèctor Parra: Caressant l’Horizon
Werke eingespielt vom ensemble recherche
und Ensemble intercontemporain | Leitung:
Emilio Pomárico | In Kooperation mit dem SWR
und Radio France
WWE 1CD 40402
Hans Thomalla: Fremd
Oper in drei Szenen, einem Intermezzo und
einem Epilog | Staatsoper Stuttgart | Leitung:
Johannes Kalitzke | Solisten: Annette Seiltgen
(Sopran), Stephan Storck (Bass), Julia Spaeth
(Sopran), Carlos Zapien (Tenor) | Solisten des
Staatsopernchores Stuttgart | Staatsorchester
Stuttgart | In Kooperation mit dem SWR
WWE 2SACD 40403
Kontakt
col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | T. +43 / 664 / 346 15 30
Ernst von Siemens Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | T. +49 / 89 / 6 36 – 3 29 07
Porträt-CDs der Komponisten-Förderpreisträger 2012:
Luke Bedford:
Wonderful Two-Headed Nightingale
Werke eingespielt vom Scottish Ensemble,
Ensemble Modern, Fidelio Trio und der London
Sinfonietta | Solisten: Jonathan Morton (Violine), Lawrence Power (Viola), Claire Booth
(Sopran) | Leitung: Jonathan Morton, Sian
Edwards, Franck Ollu und Oliver Knussen | In
Kooperation mit hr2-kultur
WWE 1CD 40404
Zeynep Gedizlioglu: Kesik – Schnitt
Werke u.a. eingespielt vom Arditti Quartett,
Ensemble Modern, Solisten des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg | Solisten:
Sara Maria Sun (Sopran) | Leitung: Oswald
Sallaberger, Frank Düpree | In Kooperation mit
dem SWR, dem SR und hr2-kultur
WWE 1CD 40405
Ulrich Alexander Kreppein: Spiel der Schatten
Werke u.a. eingespielt vom Ensemble Modern,
Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks,
Danish String Quartett | Leitung: Franck Ollu,
Ulf Schirmer | In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk, hr2-kultur und dem SWR
WWE 1CD 40406
Kontakt
col legno | Dr. Claudia Flekatsch-Kapsamer | [email protected] | T. +43 / 664 / 346 15 30
Ernst von Siemens Musikstiftung | Imke Annika List | [email protected] | T. +49 / 89 / 6 36 – 3 29 07
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