Dexamfetamin - Pharmazeutische Chemie Dexamfetamin (Attentin ) Attentin ist ein neues Fertigarzneimittel zur Behandlung einer therapierefraktären Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Es enthält Dexamfetamin in Form des Hemisulfats (Strukturformel s. Abbildung 1). In den USA ist dieser Wirkstoff unter dem Handelsnamen Dexedrine schon länger im Handel. Allerdings darf Attentin in Deutschland nur in Ausnahmefällen verordnet werden. Es ist zugelassen für Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren, bei denen eine ausreichend lange Therapie mit Methylphenidat und Atomoxetin in Maximaldosierung keinen Erfolg zeigte. Für Erwachsene besteht keine Zulassung. Vor Therapiebeginn muss die Herzfunktion überprüft werden, während der Therapie sollten regelmäßig Puls und Blutdruck sowie das Wachstum kontrolliert werden - Dexamfetamin kann Blutdruck und Puls erhöhen, Wachstum und Appetit hemmen. Da das Arzneimittel zur Abhängigkeit führen kann, sollten vom Arzt behandlungsfreie Intervalle - vorzugsweise in den Schulferien - eingeplant werden, und eine Langzeitanwendung sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Nach längerer Einnahme sollte das Absetzen von Attentin immer ausschleichend erfolgern. Die empfohlene Dosierung zu Beginn liegt bei 5 bzw. 10 mg (eine bzw. zwei Filmtabletten) pro Tag, sofern erforderlich kann die Dosis im wöchentlichen Rhythmus um 5 mg gesteigert werden. Die maximale Tagesdosis beträgt in der Regel 20 mg, in seltenen Fällen bei älteren Kindern 40 mg. NH2 NH2 H H (S)-(+)-Amfetamin (R)-(-)-Amfetamin D-Amfetamin L-Amfetamin Dexamfetamin Levamfetamin Attentin razemisches Amfetamin Abbildung 1 1 CA 22.12.2011 Dexamfetamin - Pharmazeutische Chemie Die Tabletten sollen zu oder direkt nach dem Essen eingenommen werden. Auf jeden Fall wird empfohlen, Attentin hinsichtlich der Mahlzeiten immer gleich einzunehmen: also immer zum Essen oder aber immer direkt nach dem Essen (Fachinformation Attentin 2011, Huang et al. 2011, Kaplan und Newcorn 2011). Sollte bislang ein Amfetamin bei ADHS verordnet werden, war man auf die rezepturmäßige Herstellung in der Apotheke angewiesen. Im Neuen Rezeptur Formularium (NRF) finden sich Monographien zur Herstellung von Amfetaminsulfat-Kapseln bzw. -Saft. Bei beiden Rezepturen wird razemisches Amfetamin verwendet. Attentin ist das erste zugelassene Amfetamin-haltige Fertigarzneimittel in Deutschland. Dexamfetamin ist das rechtsdrehende (S)Enantiomer. Das linkdsdrehende und (R)-konfigurierte Levamfetamin ist ca. drei- bis viermal schwächer zentral wirksam (Abbildung 1). Eine interessante Substanz ist Lisdexamfetamin. Dieser Arzneistoff ist in den USA zur Behandlung der ADHS bei Kindern und Erwachsenen zugelassen (Handelsname: Vyvanse). H2N H H N NH2 H O Lisdexamfetamin Prodrug + H2O H2N NH2 H HO NH2 H O Dexamfetamin (S)-Lysin Wirkform Abbildung 2: Enzymatische Aktivierung von Lisdexamfetamin zu Dexamfetamin 2 CA 22.12.2011 Dexamfetamin - Pharmazeutische Chemie Es ist ein inaktives Prodrug, wobei das primäre Amin des Dexamfetamin über eine Amidbindung kovalent mit der Carboxylgruppe der Aminosäure (S)-Lysin verknüpft ist. Nach peroraler Applikation wird es rasch absorbiert und enzymatisch in das aktive Dexamfetamin sowie (S)-Lysin gespalten (s. Abbildung 2). Das Missbrauchspotential von Lisdexamfetamin scheint geringer zu sein als das des aktiven Dexamfetamins, da die Spaltung des Amids nach i.v.Applikation bzw. bei pulmonaler Applikation (Rauchen) nur sehr langsam erfolgt (Goodman 2007, Pennick 2010). Literatur: Fachinformation Attentin 2011, MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG Goodman, D.W. Psychiatry (Edgmont) 2007, 4, 39 Huang, Y.S. et al. Curr Pharm Des 2011, 17, 1450 Kaplan, G. und Newcorn, J.H. Pediatr Clin North Am 2011, 58, 99 Pennick, M. Neuropsychiatr Dis Treat 2010, 6, 317 3 CA 22.12.2011