32 THEMEN UND KAMPAGNEN von Martin David, Uwe Nadler Über die filmische Darstellung einer globalen Ungerechtigkeit Foto ravir film GbR „...auf dem Weg zum Feld“ Raum, Zeit und Wissen: Die Wahrnehmung des Klimawandels Das Filmprojekt „Reality or non Reality“ – a little bit of both‘ bündelt Perspektiven über den Klimawandel von Menschen unterschiedlicher Gesellschaften. Dabei werden problematische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Wissenschaft und wahrgenommenem Alltag kontrastiert. Das Filmprojekt, das vom jungen Dresdner Filmteam, der ravir film GbR und einem Wissenschaftlichen Mitarbeiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen durchgeführt wird, geht dabei von gesellschaftstypischen Arten der Wahrnehmung aus, die regional unterschiedlich ausgeprägt sind. Besonders der Vergleich von Regionen des globalen Nordens mit dem globalen Süden stellt solche Unterschiede in der Wahrnehmung heraus. Regional unterschiedlich ausgeprägte Folgeszenarien der Globalen Erwärmung treffen paradoxerweise auf eine global aufgeteilte Informationsasymmetrie: Obwohl medial stark präsent, sind die Folgen des Klimawandels für die Menschen des globalen Nordens schwer begreifbar. Durch die Flut von Katastrophenmeldungen bleibt er im überreizten Bewusstsein der Bürger urbaner Gesellschaften schlecht haften. Zudem greift das im globalen Norden medial vermittelte Bild auf teils sehr abstrakte Mittel wie kaum fassbare Grafiken oder eine eher schlecht vorstellbare Bildsprache zurück. Obwohl wir im globalen Norden also besser informiert sein müssten, ist die eigentlich vermittelte Information sehr kurzlebig. Anders im globalen Süden: Hier erreicht das Thema Klimawandel die Menschen medial nur selten und es sind eher Katastrophen wie Nahrungsmittelknappheit, Dürren oder Überschwemmungen, denen die Menschen des globalen Südens ausgesetzt sind. Vermitteln zwischen den Welten Um uns der Herausforderung zu stellen, unterschiedliche Klimawahrnehmungen auf der globalen Nord-Südachse in Form einer Filmcollage zu bebildern, begannen wir im Winter 2010 die Planungen für Dreharbeiten im Bolivianischen Tiefland für eine 25-minütige Kurzdokumentation. Interviews mit deutschen Großstädtern werden den Aussagen bolivianischer Landwirte gegenübergestellt, die Auswirkungen THEMEN UND KAMPAGNEN Foto ravir film GbR des Klimawandels bereits heute in ihrem Alltag erleben. Diese filmische Kontrastierung verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise die Spannweite der menschlichen Wahrnehmung des Klimawandels. Für die FullHD-Produktion wurde handliche Technik genutzt, im alten Auto ging es nach den drei ersten Drehtagen in der Tieflandmetropole Santa Cruz ins ländliche Postrervalle. Die Dreharbeiten begannen auf dem Kartoffelacker des Bauern Lorenzo, dessen Alltag wir vor Ort dokumentierten. In Postervalle entstanden damit Bilder, die sinnbildlich für die ländlich geprägte Wahrnehmung des Klimawandels stehen, um diese dann den Vorstellungen des westlichen Großstädters gegenüber zu stellen. Dafür wurden in Dresden Bildmaterial gewonnen und Interviews mit PassantInnen durchgeführt. „Dreharbeiten bei Lorenzo auf dem Feld“ Die Aufhebung ungerechter Darstellungsmittel Viele filmische Darstellungen des Klimawandels fallen entweder auf einseitige Katastrophendarstellungen, statistisch erstellte Diagramme oder Expertenaussagen zurück und verknüpfen mit erhobenem Zeigefinger wissenschaftliche Erkenntnisse mit Handlungsaufforderungen. Unser Film geht bewusst einen anderen Weg und bedient sich besonders der Erzählung der Protagonisten als gestalterisches Mittel. Darüber hinaus gibt es in unserer Dokumentation kein ‚Richtig‘ oder ‚Falsch‘, vielmehr wird die Darstellung in Form der Collage Mittel zum Zweck: Statt den im westlichen Klimadiskurs oft angeführten ‚Kleinbauern‘ als bloße Metapher eines notleidenden Statisten zu entpersonalisieren, gewinnt die ländliche Perspektive zum Klimawandel in ihrer Gegenüberstellung zum städtischen ‚Medienkonsumenten‘ durch ausführliche anekdotische Beschreibungen des ländlichen Alltags mit dem Klimawandel an Gewicht. Wir glauben, dass eine stärkere Berücksichtigung individueller Perspektiven des Südens stärker Eingang in die filmische Darstellung des Klimawandels finden muss. Der Film wird mit 3D-Animationen und Zeichentrickszenen nachbearbeitet. Die Verbreitung des Films ist zunächst auf folgenden Filmfestivals vorgesehen: DOK Leipzig, One World Prag und Dei Popoli Florenz, weitere themenspezifische sollen folgen. Der Film soll beim MDR im Rahmen der Kurzfilmnacht gezeigt werden und wird seine Premiere beim UMUNDU Festival am 26. und 27. Oktober in Dresden feiern. Im Moment sucht das Produktionsteam noch Unterstützer und bietet dafür Platz im Abspann des Filmes. Ihr könnt das Projekt auf der Dresdner Internetplattform www.ravir.de/projekte/realityor-non-reality gern unterstützen. 33