AFFAIRES PUBLIQUES Dankeschön, Michael! Michael Kunkel, 12 Jahre leitender Redaktor von dissonance. Michael Kunkel beim Autofahren nach Donaueschingen. Foto: Wanja Aloe Dissonanzen sind, zusammen mit Rhythmus, die wichtigsten Triebkräfte kontrapunktischer Musik. Konsonanzen, vor allem die reinen Oktaven und Quinten erwiesen sich schon früh als umständehalber delikat, vor allem wenn sie parallel liefen – oder gar einfach liegen blieben. Michael Kunkel war während zwölf Jahren leitender Redaktor der Zeitschrift dissonance/dissonanz. Diese war 1984 aus der traditionsreichen Schweizerischen Musikzeitung hervorgegangen, getragen zunächst allein vom Schweizerischen Tonkünstlerverein. Der Verein legte ausdrücklich immer wieder Wert auf die Unabhängigkeit der Redaktion. Dass sich ein Verein mit 900 sehr selbstständigen Individuen und ihren Vorständen damit nicht immer leicht tat, kann man sich denken. Darüber liesse sich später einmal eine spannende Geschichte erzählen ... Als Michael Kunkel 2004 leitender Redaktor von dissonance wurde, war er aufmerksamen Leserinnen und Lesern der Zeitschrift längst bekannt, etwa als kritischer Berichterstatter über ein Tonkünstlerfest (Zug 2002) oder als Autor mehrerer Beiträge über Heinz Holliger, mit dem er zusammengearbeitet hatte, oder einer zehnseitigen detailreichen Porträtskizze von Jacques Wildberger (Nr. 73). Auf diesen viel zu wenig bekannten Komponisten hat er immer wieder verwiesen. Auch in seinen Forschungsplänen für die Zukunft spielt Wildberger eine Rolle. Dies als ein Beispiel von Treue und Genauigkeit, die für Michael Kunkel charakteristisch sind. Er scheut sich nie, Schwerpunkte zu setzen, ohne dafür die ihm anvertraute Zeitschrift über Gebühr zu beanspruchen. Vielmehr hat er sie immer offen gehalten für die junge Generation (zum Beispiel Felix Profos, Annette Schmucki, Patrick Frank, Martin Jaggi, Isabel Klaus und viele andere). Auch in der Auswahl von Autoren erweist sich seine Kenntnis aktueller Thematiken auch ennet schweizerischer Grenzen und persönlicher Interessen. Wenn er direkt schreibt, dann am liebsten im Dialog (zum Beispiel in sehr schönen Gesprächen mit Hans Ulrich Lehmann und Rudolf Kelterborn). Früh erkannte Kunkel eine Systematik im Abbau der aktuellen Kulturberichterstattung. Er stellte ein zunehmendes Schweigen der Tagespresse fest gegenüber zunehmender Vielfalt und Aktivität eines neuen Musiklebens ausserhalb von Opern- und Orchesterbühnen. Nachzulesen zum Beispiel in der Berichterstattung über ein Zürcher Podiumsgespräch, unter dem – für Kunkels Hintersinn bezeichnenden – Titel Die bleichen Engel der Zukunft (Nr. 107). Natürlich ging es da um Sparmassnahmen, die als «Verbesserungen» verkauft werden sollten. Allerdings drohte 2009 auch der dissonance das Aus, da der Tonkünstlerverein sich infolge reduzierter staatlicher Unterstützung nicht mehr imstand sah, seine Zeitschrift weiter zu finanzieren. Im letzten Augenblick gelang es, dank Roman Brotbecks Vermittlung, die Trägerschaft der Zeitschrift zu erweitern. Die sieben Schweizerischen Musikhochschulen beteiligten sich mit ihren Forschungsabteilungen finanziell paritätisch an der Zeitschrift. Sie bekamen dafür die Möglichkeit, eigene Beiträge (mit Peer Review) hinein zu bringen. Bei der Gelegenheit erhielt die Zeitschrift auch ein neues, repräsentativeres, attraktives Outfit. Es ist bezeichnend, dass dies gerade Kunkel eher fremd war (seine Sympathie galt sowieso immer mehr den Aussenseitern). Es waren vor allem die Vertreter des Tonkünstlervereins und der Musikhochschulen, denen viel daran lag. Dies sei hier bloss erwähnt, weil es später die beiden Geldgeber waren, die den (selbst kreierten) Luxus kritisierten ... Für Michael Kunkel, den Leiter der Forschungsabteilung an der Hochschule für Musik Basel, fügte sich die Neuausrichtung der dissonance wahrscheinlich nahtlos in seinen Arbeitsalltag. Inhaltlich konnte er die Linie der früheren Zeitschrift weiterführen, etwa auch mit den Porträts von Schweizer Komponisten und Komponistinnen. In der ersten Nummer nach dem Relaunch (Nr. 110) galt es William Blank, geschrieben von Jérémie Wenger, dem neuen Redaktor für die Romandie. Das Verhältnis zur Romandie ist für dissonance immer etwas heikel gewesen, obschon in der Redaktion immer ein französisch schreibendes Mitglied arbeitete. Offenbar nehmen viele Romands nicht gern ein Heft in die Hand, das französische wie deutsche Texte enthält. Die luxuriöser gewordene Zeitschrift brachte jetzt zu jedem Hauptartikel Abstracts in vier Sprachen. Auf Wunsch der Hochschulen waren Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch immer dabei. Nach vier Jahren stellte sich heraus, dass die Zeitschrift, nicht eigentlich durch redaktionelle Ansprüche, sondern vor allem durch allgemein steigende Fixkosten, immer teurer wurde, während der Tonkünstlerverein zunehmend in einen finanziellen Engpass rutschte und die Hochschulen dies nicht ausgleichen wollten. Was als Probejahr 2015 gedacht 43 AFFAIRES PUBLIQUES war, wurde im Frühjahr durch die vorschnelle Kündigung aller Hochschulbeiträge per Ende 2015 obsolet. Im Juni wurden deshalb vom STV die Verträge der Redaktion per 31.12.2015 gekündigt. Eine ausserordentliche Generalversammlung des STV beschloss am 8. November 2015, die Existenz von dissonance für 2016 zu sichern, mit einem Minimalbudget und gleichzeitiger Suche nach Geldgebern. Für Michael Kunkel, der 2015 bereits mit Kleinstpensum (quasi ehrenamtlich) weiter gearbeitet hatte, endete per 31. Dezember 2015 seine Tätigkeit bei dissonance, während die bisherige Redaktorin Cécile Olshausen nun zusammen mit einer Arbeitsgruppe und dem STV-Vorstand Lösungsvorschläge für eine gesicherte Zukunft der Zeitschrift erarbeitet. Michael Kunkel danken wir für die immense Arbeit, die er erfolgreich in den zwölf Jahren geleistet hat. Beim Blättern in den früheren Jahrgängen von dissonance ist mir wieder bewusst geworden, was für ein Reichtum in diesen Heften verborgen liegt. Wenn es sie überhaupt einmal geben sollte, eine Geschichte der Musik unserer Zeit in der Schweiz, wären Tausende von dissonance-Blättern mit Reflexionen und Informationen da und dort ein Schlüssel. Roland Moser Mitglied STV des Herausgeberkomitees von dissonance ALLA CORDA 1. Mai 2016 | Sonntag | 17 Uhr | Zentrum Paul Klee 16.15 Uhr Konzerteinführung Meesun Hong Coleman Violine, Leitung Alexander Lonquich Klavier Cristina Barbuti Klavier LUDWIG VAN BEETHOVEN (1770–1827) Streichquartett in f-Moll op. 95 «Serioso» Fassung für Streichorchester WILLY MERZ (*1964) Concerto autour du piano für 2 Pianisten und Streicher (Uraufführung) CYRILL SCHÜRCH (*1974) Gewinner des Mario Merz Prize (Musik) erste Edition mario merz prize Diagonale (Uraufführung) WOLFGANG A. MOZART (1756–1791) Klavierkonzert Nr. 9 Es Dur KV 271 «Jeunehomme» CAMERATA BERN www.cameratabern.ch, 031 371 86 88 Vorverkauf www.kulturticket.ch, 0900 585 887 (CHF 1.20/min.) Verkaufsstellen Tonträger (Schweizerhofpassage) Museumskasse | Zentrum Paul Klee fondazione merz 44