Didaktik der Analysis

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Jürgen Roth
Didaktik der Analysis
Modul 12a: Fachdidaktische Bereiche
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
2.1
Inhalt
Didaktik der Analysis
0
Organisatorisches
1
Ziele und Inhalte
2
3
Folgen und Vollständigkeit in ℝ
4
Integralbegriff
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
Ableitungsbegriff
2.2
Danckwerts & Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akad. Verlag, S. 17-44
Büchter, A.; Henn, H.-W. (2010): Elementare Analysis. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
Didaktik der Analysis
Kapitel 2: Folgen und
Vollständigkeit in ℝ
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
2.3
Woher kamen die Folgen,
was leisten sie und warum?
Danckwerts, Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. S. 35-38
Beschreibung
iterativer Prozesse
Beispiele:
• Diskrete Modellierung
• Heron-Verfahren
� = 𝟏𝟏 ?
Ist 𝟎𝟎, 𝟗𝟗
Komplementarität
von Produkt- und
Prozessorientierung
(Vgl. das Skript „Didaktik der
Zahlbereichserweiterungen“,
Kapitel 5: Reelle Zahlen ℝ)
Folgen und
Konvergenz
Intervallschachtellungssatz &
Archimedisches
Axiom
Berechnungs- & Beweisinstrument
Beispiele:
• Approximation von 2
• Beweise: Zwischenwertsatz
Monotoniekriterium
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
⇔
Vollständigkeit von ℝ
Grundvorstellung:
Lückenlosigkeit der
Zahlengeraden
operative
Fassung
2.4
Heron-Verfahren
(Wurzelberechnung)
Berechnungsgrundlage für Straßenreinigungsgebühren:
An die Straße grenzende Grundstückslänge
(Frontmetermaßstab).
Der Eigentümer von Grundstück B muss mehr bezahlen
als der von Grundstück A, obwohl Grundstück A größer ist.
Gemeinderat: Für ein größeres Grundstück mehr zahlen.
Lösung: Quadratwurzelmaßstab als Bemessungsgrundlage
Straßenreinigungsgebühren
werden aus der Seitenlänge
eines zum Grundstück
flächeninhaltsgleichen
Quadrats berechnet.
Frage: Wie findet man die
A
B
Seitenlänge dieses Quadrats?
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2.5
Heron-Verfahren
(Wurzelberechnung)
http://www.juergen-roth.de/dynageo/heronverfahren/
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
2.6
Heron-Verfahren
(Wurzelberechnung)
http://www.juergen-roth.de/excel/
Gesucht:
Anfangswert: 𝑎𝑎0
𝐴𝐴
𝑏𝑏𝑛𝑛 =
𝑎𝑎𝑛𝑛
𝑎𝑎𝑛𝑛+1
𝑎𝑎0 = 4
𝐴𝐴
𝐴𝐴
𝑎𝑎𝑛𝑛 + 𝑏𝑏𝑛𝑛 𝑎𝑎𝑛𝑛 + 𝑎𝑎𝑛𝑛
=
=
2
2
𝐴𝐴
24
=6
𝑏𝑏0 =
=
𝑎𝑎0
4
𝐴𝐴 = 24
𝐴𝐴
𝑏𝑏1 =
= 4,8
𝑎𝑎1
𝑎𝑎1 =
𝑎𝑎0 + 𝑏𝑏0
=5
2
Schnell konvergierende
Intervallschachtelung.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
2.7
Reelle Zahlen
Die reellen Zahlen
entsprechen eineindeutig
den sämtlichen Punkten
der Zahlengeraden.
Arnold Kirsch
2
0
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
1
2
2
2.8
Irrationalität von 𝟐𝟐
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2.9
o. B. d. A. heißt
„ohne Beschränkung
der Allgemeinheit“.
Existenz
irrationaler Zahlen
⇒ Es gibt o. B. d. A. einen Bruch
Definition
Eine reelle Zahl 𝑥𝑥 heißt
rational, wenn sie sich in der
𝑚𝑚
Form 𝑥𝑥 = mit 𝑚𝑚 ∈ ℤ und
𝑛𝑛
𝑛𝑛 ∈ ℕ schreiben lässt,
andernfalls irrational.
Satz
Es gibt keine rationale
Zahl 𝑥𝑥 mit 𝑥𝑥2 = 2.
Beweis (Widerspruchsbeweis)
„Wenn 𝑥𝑥2 = 2 ist, dann gilt für alle
Lösungen 𝑥𝑥 dieser Gleichung 𝑥𝑥∉ℚ.“
Annahme: 𝑝𝑝 𝑥𝑥 ∧ ¬𝑞𝑞(𝑥𝑥)
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
mit 𝑚𝑚, 𝑛𝑛 ∈ ℕ für den gilt:
𝑚𝑚 2
=2
𝑛𝑛
𝑚𝑚
𝑛𝑛
⇒ 𝑚𝑚2 = 2𝑛𝑛2
⇒ 𝑚𝑚 ⋅ 𝑚𝑚 = 2 ⋅ 𝑛𝑛 ⋅ 𝑛𝑛
In der Primfaktorzerlegung von
𝑚𝑚 ⋅ 𝑚𝑚 tritt die Zahl 2 in einer
geraden Anzahl auf, in der von
2 ⋅ 𝑛𝑛 ⋅ 𝑛𝑛 tritt die Zahl 2 dagegen
in einer ungeraden Anzahl auf.
Widerspruch zur Eindeutigkeit
der Primfaktorzerlegung!
⇒ Es kann keine rationale
Zahl 𝑥𝑥 mit 𝑥𝑥2 = 2 geben.

2.10
Eindeutigkeit der
Primfaktorzerlegung
Beweis
Annahme: Es gibt natürliche
Zahlen mit mehreren unterschiedlichen Zerlegungen.
Dann gibt es darunter eine
kleinste Zahl 𝑛𝑛.
𝑛𝑛 kann keine Primzahl sein
(Warum?).
Zwei Zerlegungen von 𝑛𝑛 können
keinen gemeinsamen Primfaktor
𝑛𝑛
𝑝𝑝 enthalten, da dann auch
𝑝𝑝
zwei verschiedene Zerlegungen
hätte und kleiner als 𝑛𝑛 wäre.
 Widerspruch zu 𝑛𝑛 ist minimal.
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Es gilt also:
𝑛𝑛 = 𝑝𝑝 ⋅ 𝑎𝑎 = 𝑞𝑞 ⋅ 𝑏𝑏
mit 𝑝𝑝, 𝑞𝑞 ∈ ℙ ∧ 𝑝𝑝 ≠ 𝑞𝑞 ∧ 𝑎𝑎 ≠ 𝑏𝑏
Das letzte Argument ist das
Lemma von Euklid: Teilt eine
Primzahl ein Produkt, so auch
mindestens einen der Faktoren.
𝑝𝑝 𝑎𝑎 ⋅ 𝑏𝑏 ⇒ 𝑝𝑝 𝑎𝑎 ∨ 𝑝𝑝|𝑏𝑏.
Da 𝑛𝑛 durch 𝑝𝑝 teilbar ist, muss
einer der Faktoren der anderen
Zerlegung durch 𝑝𝑝 teilbar sein
und das ist 𝑏𝑏, denn 𝑞𝑞 ist prim.
Also taucht ein beliebiger
Primfaktor stets in beiden
Zerlegungen auf und damit
sind sie identisch.
#
2.11
Inkommensurabilität
Pentagon
Es gibt kein gemeinsames Maß für die Diagonale 𝑑𝑑 und die Seite 𝑎𝑎
des regelmäßigen Fünfecks.
𝑑𝑑 = 1 � 𝑎𝑎 + 𝑑𝑑1
𝑎𝑎 = 1 � 𝑑𝑑1 + 𝑎𝑎1
Im zweiten Fünfeck:
𝑑𝑑1 = 1 � 𝑎𝑎1 + 𝑑𝑑2
𝑎𝑎1 = 1 � 𝑑𝑑2 + 𝑎𝑎2
Im dritten Fünfeck:
𝑑𝑑2 = 1 � 𝑎𝑎2 + 𝑑𝑑3
𝑎𝑎2 = 1 � 𝑑𝑑3 + 𝑎𝑎3
𝑑𝑑 = 1 � 𝑎𝑎 + 𝑑𝑑1
𝑎𝑎 = 1 � 𝑑𝑑1 + 𝑎𝑎1
…
Wäre 𝑒𝑒 ein gemeinsames Maß von 𝑑𝑑 und 𝑎𝑎, dann auch für jedes
Paar 𝑑𝑑𝑛𝑛 , 𝑎𝑎𝑛𝑛 . Die Längen nehmen aber bei jedem Schritt um mehr
als die Hälfte ab und werden damit sicher kleiner als jedes 𝑒𝑒. 
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2.12
Definitionen
Definition
Eine Folge ist eine Funktion, die jedem Element der Menge der
natürlichen Zahlen genau ein Element der Menge der reellen
Zahlen zuordnet.
ℕ → ℝ, 𝑛𝑛 ↦ 𝑎𝑎𝑛𝑛
Definition
Eine Folge 𝑎𝑎𝑛𝑛 𝑛𝑛∈ℕ heißt konvergent gegen 𝑎𝑎, wenn es zu jeder
Toleranz 𝜀𝜀 > 0 eine Nummer 𝑛𝑛0 gibt, so dass für alle 𝑛𝑛 ≥ 𝑛𝑛0 gilt:
𝑎𝑎𝑛𝑛 − 𝑎𝑎 < 𝜀𝜀
𝑎𝑎 heißt dann Grenzwert der Folge 𝑎𝑎𝑛𝑛
𝑎𝑎 = lim 𝑎𝑎𝑛𝑛
𝑛𝑛→∞
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𝑛𝑛∈ℕ
und man schreibt:
2.13
Folge
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
𝟏𝟏
𝒏𝒏 𝒏𝒏∈ℕ
und 𝜺𝜺-Schlauch
2.14
Verbalisierungen für
Grenzprozesse
Konvergenz der Folge
Sprechweisen
𝟏𝟏
𝒏𝒏 𝒏𝒏∈ℕ
Welche davon sind geeignet?
1
(1) Ohne Einschränkung
geeignet.
1
(2) Ohne Einschränkung
geeignet.
(1) „ kommt mit wachsendem 𝑛𝑛
𝑛𝑛
der 0 beliebig nahe.“
(2) „ strebt gegen 0 für 𝑛𝑛
𝑛𝑛
gegen ∞.“
(3)
Verbale Vereinfachung
↔ Verfälschung
1
„
𝑛𝑛
kommt mit wachsendem
𝑛𝑛 der 0 immer näher.“
1
(4) „ kommt der 0 immer näher
𝑛𝑛
ohne sie jemals zu erreichen.“
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1
(3) Problematisch! kommt auch
𝑛𝑛
der −1 immer näher, aber
nicht beliebig nahe (vgl. (1))!
(4) Grenze zur inhaltlichen
Verfälschung deutlich
überschritten! Auch konstante
Folgen sind konvergent!
2.15
Intervallschachtelungen
Intervallschachtelungssatz
Zu jeder Intervallschachtelung
𝑎𝑎1 ≤ 𝑎𝑎2 ≤ 𝑎𝑎3 ≤ ⋯ ≤ 𝑏𝑏3 ≤ 𝑏𝑏2 ≤ 𝑏𝑏1
(wobei 𝑎𝑎𝑛𝑛 , 𝑏𝑏𝑛𝑛 ∈ ℝ und die Intervalllänge 𝑏𝑏𝑛𝑛 − 𝑎𝑎𝑛𝑛 beliebig klein wird)
gibt es ein 𝑥𝑥 ∈ ℝ, das in allen
Intervallen enthalten ist. Für alle
𝑛𝑛 ∈ ℕ gilt also: 𝑎𝑎𝑛𝑛 ≤ 𝑥𝑥 ≤ 𝑏𝑏𝑛𝑛
Archimedisches Axiom
Zu je zwei Größen 𝑦𝑦 > 𝑥𝑥 > 0
existiert eine natürliche Zahl
𝑛𝑛 ∈ ℕ mit 𝑛𝑛 � 𝑥𝑥 > 𝑦𝑦.
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Bemerkungen
Die Eigenschaft, dass keine
Intervallschachtelung auf der
Zahlengeraden ins Leere trifft,
präzisiert die Vorstellung von
der Lückenlosigkeit.
Die Intervallschachtelung greift
auf die Folgen der Intervallgrenzen zurück und wird zum
Werkzeug zur näherungsweisen
Berechnung „neuer“ reeller
Zahlen.
Wird bereits in der Sek. I zu
Umfangs, Flächeninhalts- und
Volumenberechnung genutzt.
2.16
Vollständigkeit von ℝ
ist notwendig!
Zwischenwertsatz
Wechselt eine in einem Intervall
stetige Funktion ihr Vorzeichen,
dann hat sie dort mindestens
eine Nullstelle.
Beispiel: 𝐼𝐼 = {𝑥𝑥 ∈ ℚ|0 ≤ 𝑥𝑥 ≤ 2}
𝑓𝑓: 0; 2 → ℝ, 𝑥𝑥 ↦ 𝑥𝑥 2 − 2
Ist 𝑓𝑓: 𝑎𝑎, 𝑏𝑏 → ℝ stetig
und 𝑓𝑓 𝑎𝑎 < 0 < 𝑓𝑓(𝑏𝑏)
oder 𝑓𝑓 𝑎𝑎 > 0 > 𝑓𝑓 𝑏𝑏
dann gibt es mindestens
ein 𝑥𝑥0 ∈ [𝑎𝑎, 𝑏𝑏] mit 𝑓𝑓 𝑥𝑥0 = 0.
𝐺𝐺𝑓𝑓
𝑎𝑎
𝑥𝑥0
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
𝑏𝑏
2∉ℚ
2.17
Vollständigkeit von ℝ
ist notwendig!
Monotoniekriterium
Eine auf einem Intervall
differenzierbare Funktion mit
überall positiver Ableitung ist
dort streng monoton wachsend.
Beispiel: 𝐼𝐼 = {𝑥𝑥 ∈ ℚ|0 ≤ 𝑥𝑥 ≤ 3}
𝑓𝑓: 𝐼𝐼 → ℝ, 𝑥𝑥 ↦
𝑓𝑓 ′ 𝑥𝑥 =
1
2−𝑥𝑥 2
2𝑥𝑥
2−𝑥𝑥 2 2
>0
Ist 𝑓𝑓: 𝑎𝑎, 𝑏𝑏 → ℝ differnzierbar
und 𝑓𝑓 ′ 𝑥𝑥 > 0 für alle 𝑥𝑥 ∈ [𝑎𝑎, 𝑏𝑏],
dann folgt für alle 𝑥𝑥1 , 𝑥𝑥2 ∈ 𝑎𝑎, 𝑏𝑏
mit 𝑥𝑥1 < 𝑥𝑥2 , dass gilt:
𝑓𝑓 𝑥𝑥1 < 𝑓𝑓(𝑥𝑥2 )
 Strenge
Monotonie
verletzt!
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2.18
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