Die SWISSAIR im II. Weltkrieg Teil 2: Aufbruch nach Norden bis zum unvermeidlichen Ende ___________________________________________________________________________________________________________________________________ Reinhard Stutz (Bearbeitet 2004) Wiederaufnahme des Luftverkehrs zwischen der Schweiz und Deutschland Gleichzeitig zu den Verhandlungen mit Italien und Spanien verhandelte die SWISSAIR mit Deutschland. Direktor Groh reiste erstmals im November 1939 nach Berlin, aber ohne nennenswerten Erfolg. Im Januar 1940 erhielt die SWISSAIR ein Schreiben der Lufthansa mit der Ankündigung, dass das Reichsluftfahrtsministerium grundsätzlich bereit sei, einem Antrag des Eidgenössischen Luftamtes zu folgen. Es handelte sich um eine Linie Altenrhein München. Die Einschränkung von deutscher Seite war jedoch, dass nur Post und Fracht transportiert werden durfte. Eine solche Luftpostlinie hätte für die Schweizer Post keinen praktischen Wert gehabt. Auf Grund einer Vereinbarung der Schweizer Post mit der Reichspostdirektion in Berlin musste die gesamte Post aus der Schweiz an die deutsche Wehrmachtszensurstelle in Frankfurt am Main geleitet werden. Das Projekt wurde nicht weiter verfolgt. SWISSAIR-Direktor Groh erreichte dank gutem Verhandlungsgeschick, dass Ende September die Linie Dübendorf/Zürich - München eröffnet werden konnte. Gemäss NSVorschriften mussten alle Besatzungsmitglieder mit einem Arierausweis ausgerüstet werden. Zum Einsatz kamen Douglas DC-2 Flugzeuge. Auf dem Bild eine dieser Maschinen unter militärischer Bewachung vor dem Start in Dübendorf. (Muser) Der Flugplan der SWISSAIR wurde bereits auf den 7. Oktober 1940 revidiert (Muser). >>> Die Leitwege der Post wurden durch die Lage der Zensurstellen in Deutschland bestimmt. 1 Die Leitwege der Post wurden durch die Lage der Zensurstellen in Deutschland bestimmt. Die Lage der zuständigen Wehrmachtszensurstellen in Deutschland war entscheidend für die Postableitung aus der Schweiz Richtung Deutschland. Bis zum 31. März 1943 wurde alle Post nach Deutschland - mit Ausnahmen - von der Zensurstelle Frankfurt am Main geprüft. Ab 1. April 1943 war die Zensurstelle in München zuständig. Für die Post über Deutschland hinaus wurden den Deutschen Zensurstellen Empfänger-Ländergruppen zugeteilt. Die Luftpost aus der Schweiz via Deutschland wurde generell in Berlin geprüft. Daher ist es erklärbar, dass Luftpost nach Deutschland ab Schweiz nicht zulässig war. Ein Umweg über Berlin wäre nicht zweckmässig gewesen, zudem fehlte in Deutschland die Transportkapazität für diese Luftpost. Erhalten gebliebene „Luftpostbriefe“ aus der Schweiz nach Deutschland datiert bis Ende März 1943, wurde als normale Post befördert. Die schweizerische Postverwaltung machte in ihren Veröffentlichungen wiederholt auf die Unzulässigkeit von Luftpost nach Deutschland aufmerksam. Trotzdem gerieten immer wieder als Luftpostsendung aufgegebene Briefe in den Postkreislauf, vor allem aus Briefkasteneinwürfen oder aus Unkenntnis der Vorschriften. Zürich/Dübendorf - München (Riem): 30. September 1940 bis 14. November 1941 Die Ankündigung der Wiederaufnahme des Luftpostdienstes Zürich - München erfolgte im PTT-Leitheft, Ausgabe 1. Oktober 1940, als Linie 201. Die Strecke München - Zürich unterstand der Reichspostdirektion (RPD) Stuttgart, als Linie 92. Werktäglich: 10.00 Zürich ab 12.10* München an 14.30* München ab 14.40 Zürich an Bereits ab 3. Oktober1940 wurde der Flugplan geändert. Eine weitere Änderung erfolgte im November 1940. Diese Änderungen waren notwendig um die Flugzeiten der SWISSAIR mit dem Anschlussflug der Lufthansa nach Berlin abzustimmen. Die Postzulieferung erfolgte ab Sammelstelle Basel 2 per Bahn nach Zürich/Dübendorf. In München bestand ein Fluganschluss nach Berlin - Kopenhagen - Malmö resp. Berlin - Prag. An Postleitgebieten mit Luftpostzuschlag wurden bedient: Ab 30. September 1940: Böhmen und Mähren, Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Ab Dezember 1940: Finnland, Schweden. Ab Januar 1941 Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Schweden, UdSSR, Iran. Ab April 1941 zusätzlich nach China (unter Chungking Regierung). Ab 1. Mai 1941 finden sich die Postleitgebiete mit Zuschlagstaxen per Luftpost ab Zürich/Dübendorf in den PTT-Leitheften. Eine Streckenänderung der Lufthansa-Linie Berlin - Lissabon, ab 17. Juni 1941 über München statt über Stuttgart, bot nun der Schweizerpost die Möglichkeit Luftpost über Deutschland - Lissabon abzuleiten. Im PTT-Leitheft August 1941 finden wir die ersten Hinweise. Ab 20. Oktober 1941 wurde die Streckenführung der Lufthansa erneut via Stuttgart verlegt. Die Anschlüsse nach Barcelona - Lissabon fielen wieder weg. In der Zwischenzeit fanden weitere Verhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland statt. Die SWISSAIR drängte auf eine Ausdehnung der Flüge über München hinaus, was 2 jedoch vorerst abgelehnt wurde. Die plötzliche Einstellung der Strecke Zürich/Dübendorf München, am 14. November 1941, wurde nie begründet. Zürich/Dübendorf - Stuttgart (Echterdingen) - Berlin (Tempelhof): 19. November 1941 bis 31. Januar 1943 Die Wiederaufnahme der ehemaligen Poolstrecke Zürich-Stuttgart-Berlin war das Resultat einer Zusammenarbeit mit der Schweizer Gesandtschaft in Berlin. Für die Bewältigung der erwarteten grossen Nachfrage wurden nun DC-3 Flugzeuge eingesetzt. Vom Wetter wurden die ersten Betriebstage nicht unterstützt. An den ersten beiden Betriebstagen war Dresden die Endstation. Am 21. November 1941 musste die DC-3 der SWISSAIR bereits in Stuttgart wenden. Beim vierten Versuch am 22. November konnte Berlin-Tempelhof erreicht werden. Zur RPM-Luftpostliste vom 5. Oktober 1941 erfolgte am 21. November 1941 folgende Berichtigung: „1. Auf der Luftpostlinie Nr. 92 (41) München - Zürich ist der Dienst eingestellt worden“. „2. Zwischen Berlin und Zürich ist eine Luftpostlinie mit Zwischenlandung in Stuttgart eingerichtet worden, die von der schweizerischen Flugverkehrsgesellschaft SWISSAIR nach folgendem Plan beflogen wird“: Linie 94 (12) Berlin - Stuttgart - Zürich, unterstellt der Reichspost Direktion (RPD) Berlin. Werktäglich: 13.35 Berlin ab 16.05 Stuttgart an 16.25 Stuttgart ab 16.10* Zürich an 08.20*Zürich ab 10.05 Stuttgart an 10.25 Stuttgart ab 12.55 Berlin an Für die Postzulieferung in der Schweiz entstanden keine Änderungen. 26.3.1942. Luftpost Chemnitz - Schweiz. Taxberechnung: Auslandsbrief bis 20 Gramm 25 Pfennige + Zuschlag für Luftpost bis 20 Gramm 10 Pfennige, total 35 Pfennige. Auch die Post aus Deutschland musste den Umweg über die Zensurstelle Frankfurt am Main nehmen. Kennzeichen der Zensurstelle Frankfurt a/M. (e). 3 Ausschnitt aus der Rückseite des abgebildeten Briefes. 12.8.1942-11 (Mittwoch). Luftpost/Express Lausanne - Schweden. Taxberechnung: Auslandsbrief bis 20 g 30 Rappen + Zuschlag für Luftpost bis 20 g 20 Rappen + Zuschlag für Express 60 Rappen, total 1.10 Franken. Leitweg: Sammelstelle Basel 2, per Bahn nach Zürich, mit der SWISSAIR am 13.8.42 (Donnerstag) Zürich/Dübendorf - Stuttgart - Berlin (8.30 ab/12.00 an). Umleitung durch Deutsche Reichspost an zuständige Zensurstelle in Berlin (b). Weiterleitung am 14.8.42 (Freitag) Berlin-Kopenhagen-Malmö-Stockholm (14.45 ab/18.45 an). Ankunft bestätigt 15.8.1943 6-7 (Samstag) zur Express-Auslieferung. Die SWISSAIR übernahm ab Ende 1942 Reparatur- und Unterhaltsarbeiten für die Lufthansa Am 21. August 1941 verunglückte die Douglas DC-3 D-ATJG der Deutschen Lufthansa bei der Landung in Oslo-Fornebu. Die schwedische Fluggesellschaft ABA lehnte es ab, die Reparatur auszuführen. Die SWISSAIR erklärte sich bereit diese Reparaturarbeiten auszuführen. Im November 1941 erfolgte der Transport der verunglückten Maschine per Bahn in die SWISSAIR-Werft in Dübendorf. Damit begann eine hochwillkommene, aber auch umstrittene Zusammenarbeit mit der Lufthansa. Die SWISSAIR revidierte in der nächsten Zeit, in total 11 Aufträgen, DC-2 und DC-3 Flugzeuge der Lufthansa. Die Zusammenarbeit wurde Anfangs 1944 beendet. Diese Sparte war die wichtigste Einnahmequelle der SWISSAIR ab 1943. Die Zusammenarbeit wurde Anfangs 1944 beendet. Ablad des D-ATJG-Rumpfes im November 1941 vom Bahnwagen für die Verschiebung in die SWISSARWerfthalle in Dübendorf. Man beachte die einfachen, von Hand zu bedienenden Hilfsmittel, die der zahlreichen Belegschaft zur Verfügung standen. (Muser) >>> 4 Zürich/Dübendorf - Stuttgart (Echterdingen): 1. Februar 1943 bis 16. August 1944 Ab 1. Februar 1943 musste die SWISSAIR auf Verfügung der Deutschen Reichsregierung den Betrieb auf dem lukrativen Teilstück Stuttgart - Berlin - Stuttgart einstellen. Am 9. Februar 1943 erfolgte eine Berichtigung der RPM-Luftpostliste: „Die Teilstrecke der Linie 94 (SWISSAIR) Berlin - Stuttgart - Berlin ist eingestellt worden“. Die Korrektur im PTT-Leitheft erfolgte erst am 1. April 1943. Neuer Flugplan: Werktäglich: 08.40 Zürich ab 10.30* Stuttgart an 16.25* Stuttgart ab 16.15 Zürich an Fluganschluss in Stuttgart nach Berlin und Barcelona - Lissabon. Die SWISSAIR setzte nun wieder DC-2 Flugzeuge ein. Gemäss PTT-Leitheft vom 1.April 1943 konnten nun Luftpostsendungen mit Zuschlag nach Deutschland und Böhmen Mähren, via Zürich (SWISSAIR) geleitet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Luftpostsendungen via Zürich/Dübendorf nach Deutschland nicht unzulässig. Ab 1. März 1943 war die Reichspostdirektion (RPD) Stuttgart für die Strecke Stuttgart Zürich zuständig. 11.11.1943-21 (Donnerstag): Luftpostbrief von Zürich nach Leipzig. Taxberechnung: Auslandsbrief bis 20 Gramm 30 Rappen + Zuschlag für Luftpost (ab 1.3.1942) bis 20 Gramm 20 Rappen, total 50 Rappen. Leitweg: Sammelstelle Zürich 1, am 12.11.1943 (Freitag) Dübendorf-Stuttgart (SWISSAIR). Umleitung durch die Deutsche Reichspost an die zuständige Zensurstelle in München. Das Kennzeichen der Zensurstelle in München (d). Nach erfolgter Zensur zurück nach Stuttgart. Weiterleitung mit Stuttgart-Berlin (DHL), weiter per Bahn nach Leipzig. 5 28.3.1944. Luftpostbrief Le Locle-Brasilien. Taxberechnung: Auslandsbrief bis 20 Gramm 30 Rappen + Zuschlag für Luftpost je 5 Gramm 1.50 Franken, total 1.80 Franken. Leitweg: Sammelstelle Basel 2 (handschriftlicher Vermerk bei der Postaufgabe durch Posthalter angebracht), per Bahn nach Zürich, Zürich/Dübendorf-Stuttgart (SWISSAIR), Umleitung durch die Deutsche Reichspost nach Berlin (meist per Bahn) an die zuständige Zensurstelle in Berlin (b), Weiterleitung: Berlin-Stuttgart - Madrid - Lissabon (DHL), Lissabon - Natal (Brasilien) - New York (diese Flugpläne der PAA wurden bereits nicht mehr bekannt gegeben), In New York via US-Zensurstelle, weiter New York - Miami - S. Juan (Porto Rico) - Port of Spain (Trinidad) - Para (Brasilien) - Barreiras - Rio de Janeiro - Porto Alegre (PAA). Ankunft am 28.6.1944. In Brasilien durch brasilianische Zensurstelle mit Durchlaufsstempel freigegeben und am 29.6.1944 ausgeliefert. Die britischen Transit-Zensurstellen auf den Bermudas und Trinidad wurden Mitte April 1944 aufgehoben. 6 Das unvermeidliche Ende im August 1944 Trotz alliierten Luftangriffen in Deutschland war bis Anfangs August alles gut gegangen. Am 9. August 1944, während einer alliierten Bombardierung des Flughafens von Stuttgart, wurde eine DC-2 (HB ISI) der SWISSAIR zerstört. Dabei kamen weder Personal noch Post zu schaden. Am 17. August 1944 wurde der Betrieb auch auf der letzten schweizerischen Luftverkehrslinie eingestellt. Das Risiko in Kriegshandlungen verwickelt zu werden war zu goss geworden. Eine geplante Flugverbindung der DHL zwischen Stuttgart und Zürich/Dübendorf wurde nicht mehr realisiert. Die am 9.8.1944 durch die Alliierten zerstörte DC-2 der SWISSAIR auf dem Flugfeld des Flughafens Stuttgart/Echterdingen. (Muser) Seite aus dem Flugrapport-Buch von Pilot Hans Kuhn auf welcher er seine Einsätze vom 9. bis zum 11. August 1944 festgehalten hat. (Muser) 7 Jubiläumspostflug 1944 und „Keuchhustenflüge“ Am 20. September 1944 erfolgte ein Jubiläumsflug auf der historischen Strecke der Militärflieger von 1919. Gefeiert wurde „25 Jahre Schweizer Luftpost“. Auf der Strecke Zürich - Bern - Lausanne - Genf - Lausanne - Bern - Zürich wurde für diese Sonderluftpost eine DC-2 (HB-ITE) eingesetzt. Die Sammler konnten für den Transport ihrer Sonderluftpost verschiedene Streckenteile wählen. Befördert wurden total 85'650 Briefe mit Sondermarken. Zugelassen waren alle Briefe die mindestens mit der Sondermarke zu 1.50 Franken frankiert waren. Nach Abzug der Kosten der PTT und der eigenen Spesen, konnte die SWISSAIR ein ausserordentlicher Gewinn von 41'842.25 Franken verbuchen. Die so genannten „Keuchhustenflüge“ für Kinder, die bereits ab 1940 durchgeführt wurden, waren willkommen, wenn dabei auch nur ein kleiner Gewinn entstand. 20.9.1940. Jubiläums-Postflug auf der Teilstrecke Bern-Genf. Vorgeschrieben war die Sondermarke zu 1.50 Franken als Frankatur. Offizieller Umschlag mit offizieller Leitetikette. Erklärungen/Abkürzungen: * Deutsche Sommerzeit = 1 Stunde Zeitdifferenz zur MEZ. In der Schweiz Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Die Fluglinien-Nummern beziehen sich auf die postalischen Bezeichnungen. RPM = Reichspostministerium (Deutschland) DHL = Deutsche Lufthansa PAA = Pan American Airways Quellen: PTT-Amtsblätter (PTA) PTT: Postverbindungen mit dem Ausland, Land- See- und Luftweg Luftpostlisten des Reichspost-Ministeriums (RPM) Berlin. SWISSAIR im Kampf und Aufstieg, Robert Fretz (1973) Die SWISSAIR 1939-1945. Der Überlebenskampf während des Zweiten Weltkrieges. Ein Bericht von Alfred Muser. Schück-Verlag, Adliswil 8134 (1996) Diverse Literatur II. Weltkrieg 8 Die Weiterverwendung in Fachzeitschriften etc. ist gestattet unter folgenden Bedingungen: Unveränderte Wiedergabe mit Quellenangabe. Belegsexemplar an Verlag Post und Geschichte GmbH. Anmerkungen und Ergänzungen erwünscht, falls notwendig am Schluss anfügen mit neuen Quellenangaben und Angabe der bearbeitenden Person. 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