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US-Wahlen: Trump kontra Hillary – Wall Street meets Wall
Street?
von Conrad Schuhler · 1. September 2016
© 2016 Mike Maguire, Flickr | CC-BY
Die Präsidentschaftswahlen der USA im November 2016 finden in einer prekären
politischen und ökonomischen Lage statt. Nach acht Jahren Obama-Präsidentschaft
werden die USA von schroffer sozialer Ungleichheit zerrissen. Über die Hälfte des
gesamten Einkommenswachstums zwischen 2009 und 2014 floss zum obersten „1 %“
der Bevölkerung. Das Einkommen dieser Reichsten stieg um gute 25 %. Die USDurchschnittsfamilie verfügt heute hingegen um 3.000 Dollar pro Jahr weniger als im
Antrittsjahr Obamas. Während das oberste Prozent der Haushalte 40 % des
Gesamtvermögens besitzt, müssen sich die Arbeiter – in der US-Terminologie die
„middle class“ – als die Verlierer der wirtschaftlichen Entwicklung erfahren. Die Angst
vor weiterem Abstieg treibt ihre Wut auf das Establishment und sie zu großen Teilen
an die Seite von Donald Trump. Der skrupellose, milliardenschwere
Immobilienspekulant Trump kann sich gegen die „betrügerische Hillary“, die
Personifizierung von Wall Street-Washington, als Robin Hood des MittelklassenAmerikas darstellen.
Auch das Erbe der Obama-Regierung in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik kann
weder die Zustimmung der Linken noch die von „Middle America“ hervorrufen.
Obama war zwar zurückhaltender im Einsatz von Bodentruppen als seine Vorgänger,
stattdessen aber hat er schnell und kräftig den Einsatz von Spezial-Operationen und
vor allem den globalen Drohneneinsatz ausgedehnt. Er hat sich der Errichtung einer
atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten widersetzt (offenbar, um die israelischen
Atomwaffen vor der Kontrolle zu schützen). Er hat die Spannungen an der Grenze zu
Russland intensiviert. Er hat ein Programm in Billionenhöhe für die Entwicklung des
US-Nukleararsenals aufgelegt. Er hat auf der pazifischen wie der atlantischen Seite
„Freihandelsabkommen“ vorangetrieben, in deren Mittelpunkt der sog. Schutz der
Investoren-Rechte steht, die also den Konzernen nützen, nicht den Verbrauchern oder
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Beschäftigten. Andererseits hat Obama Schritte unternommen in Richtung
Normalisierung der Beziehungen zu Kuba und auch zu China. Solche und andere
Maßnahmen fügen sich, urteilt Noam Chomsky, zu einer gemischten Geschichte, die
von kriminell bis zu bescheidenen Verbesserungen reicht.
Wie positionieren sich nun die Präsidentschaftsbewerber auf diesem Terrain? Gibt es
in Gestalt von Hillary Clinton ein „geringeres Übel“, das auch für Linke die aktuell
geforderte Wahlalternative zu Trump wäre? Gibt es überhaupt eine „dritte
Möglichkeit“?
Die Wahlchancen
Anfang September liegt Clinton mit acht bis 10 Prozentpunkten vor Trump. Vor
wenigen Wochen, zum Zeitpunkt der Nominierungs-Parteitage, lag Trump sogar vor
Clinton. Insbesondere seine Attacke auf die Eltern eines im Nahen Osten gefallen
muslimischen US-Marine haben Trump viel Unterstützung gekostet. Doch kann sich
das Bild schnell wieder ändern. Jeder Terroranschlag in den USA, jede größere Aktion
von Schwarzen oder Polizeiaktionen gegen Schwarze können sich auf die
Zustimmungsquoten erheblich auswirken.
Kompliziert werden Voraussagen zudem durch das Phänomen der „Swing States“,
worunter Staaten zu verstehen sind, die nicht auf eine Partei festgelegt sind, mal so,
mal so wählen. Da in fast allen US-Staaten das „Winner-takes-it-all“-Prinzip gilt, fallen
die Wahlmänner-Stimmen alle auf die im Staat siegreiche Partei, ganz gleich, wie
hoch oder wie gering die Stimmenabstände sind. Die Parteien konzentrieren sich
deshalb im Wahlkampf auf diese Swing States, zu denen vor allem Florida, Ohio,
Colorado, Iowa, Nevada, New Hampshire und Virginia gehören. Als Grundregel gilt:
Ohne Florida und/oder Ohio wird keine Präsidentenwahl gewonnen. In Florida mit
seinen vielen Latinos liegt Clinton vorne, in Ohio – im Rostgürtel, von wo die
Industriearbeitsplätze exportiert wurden – gilt eher Trump als Favorit. Es wird sich möglicherweise um einige
zehntausende Stimmen drehen, wer als Nächster ins Weiße Haus einzieht. Es kann
aber auch sein, dass das mediale Trommelfeuer der Anti-Trump-Kräfte zu einem
Erdrutschsieg von Mrs. Clinton führt. Eine solche geballte Ladung von
Geheimdienstchefs, Militärs, Ex-Ministern, Wissenschaftlern, von „Qualitätsmedien“,
Politikern auch der Republikanischen Partei zugunsten des Kandidaten der
Demokraten hat es noch nie gegeben. Doch wie Mark Twain, der Prophet vom
Missisippi, sagte: Prognosen, vor allem solche, die die Zukunft betreffen, sind sehr
heikel.
Die Wahlprogramme
Die Unterschiede in den Wahlprogrammen der Demokraten und Republikaner sind
beträchtlich. Trump, der sich als Champion der kleinen Leute aufführt, ist ein
knallharter Vertreter des reichsten 1 % (zu denen er selbst gehört). Er will den
Spitzensteuersatz von derzeit 39,6 % auf 33 % senken. Die Unternehmenssteuer soll
von 35 % auf 15 % gesenkt werden. Die Erbschaftssteuer, derzeit bei 40 %, soll
vollständig gestrichen werden. Die Steuereinnahmen würden um Billionen Dollar
sinken (in 10 Jahren würde sein ursprüngliches Steuerprogramm die Staatseinnahmen
um rund 10 Billionen $ mindern). Gleichzeitig plädiert Trump für eine weitere
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erhebliche Steigerung des Rüstungshaushalts. Die Konsequenz wäre natürlich, dass
die Sozialausgaben, die öffentlichen Leistungen insgesamt gesenkt werden müssten.
Außenpolitisch ist Trump ein Gegner der „Freihandelsabkommen“, will NAFTA neu
verhandeln oder es beenden, TPP und TTIP sollen beerdigt werden. Auf Importe aus
China und Mexiko will er hohe Zölle erheben. Der NATO steht er distanziert
gegenüber. Er sucht den Ausgleich mit Russland. Nato-Verbündeten will er im Falle
eines Angriffs nur beistehen, wenn sie zuvor ihre Bündnispflichten gegenüber den
USA erfüllt haben. Von einer weltweiten Stationierung von US-Truppen hält er nichts.
Militärisch könne man allen Gefahren auch vom Boden der USA aus begegnen. Er sei
„offen für den Einsatz von Atomwaffen“.
Mit im Zentrum seiner Wahlkampf-Botschaften steht eine rassistische Hetze gegen
Migranten. Er will die Zuwanderung strikt auf „nützliche“ Einwanderer begrenzen,
Muslime sollen prinzipiell von der Zuwanderung in die USA ausgeschlossen werden.
Illegal eingereiste Immigranten – das sind allein aus Mexiko mehr als 11 Millionen
Menschen – sollen ausgewiesen werden.
Trump leugnet die Erderwärmung, tritt ein für den wachsenden Verbrauch fossiler
Brennstoffe und den Abbau von Maßnahmen des Umweltschutzes. Er wendet sich
gegen alle Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer bei der
Bewältigung der Umweltschäden.
Hillary Clinton liefert dagegen in fast allen Punkten das Kontrastprogramm.
Abgesehen vom Reichtum der handelnden Person. Hier steht sie sehr viel näher bei
dem Milliardär als beim Durchschnittsverdiener. Zusammen mit Ehemann Bill hat
Hillary seit 2007 über 170 Millionen Dollar verdient, das meiste über Redehonorare,
und hier vor allem von Wall Street-Instituten. Bis heute sträubt sie sich dagegen, die
Redetexte frei zu geben. Dennoch ist jedem klar, dass es sich bei den Clintons um
Vertrauensleute der Goldman Sachs und Co handelt.
Hillary ist kein linkes Gegenstück zu Trump. Sie ist das liberalere – aber immer noch
hart neoliberale – Pendant zu dem brachial kapitalistischen, rassistischen Trump.
Clinton tritt für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ein – für Jahreseinkommen ab
fünf Millionen US-$ soll der effektive Spitzensteuersatz auf 47,4 % erhöht werden.
Auch Kapitaleinkünfte sollen zukünftig besteuert werden. Die Erbschaftssteuer soll
auf 45 % erhöht werden. Der Mindestlohn soll auf 12 Dollar pro Stunde angehoben
werden.
Außen- und sicherheitspolitisch steht Hillary rechts von Obama. Sie trat wie er strikt
für „Freihandelsabkommen“ ein, bis sie unter dem Druck der Sanders-Truppen von
TPP und TTIP abrückte. Sie ist für eine Stärkung der NATO, für militärische
Interventionen der USA in den globalen Auseinandersetzungen. Sie will die USA
weiter zur stärksten Militärmacht der Welt ausbauen und darauf aufbauend die
entscheidende globale Rolle spielen. Hillary Clinton ist ein „Falke“. Sie würde kein
Partner der Friedensbewegung sein, sondern deren größter Gegenspieler.
Das „kleinere Übel“ oder die Alternative Dritte Partei?
Unter den kleineren Parteien, die das Zwei-Parteien-System aufbrechen wollen, sticht
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die Grüne Partei hervor. Ihre Präsidentschaftskandidatin ist Jill Stein, eine 66-jährige
Ärztin aus Massachusetts. Sie war schon 2012 die Kandidatin der Grünen. Damals
stand bei den „großen“ Parteien Obama für die Demokraten und Mitt Romney für die
Republikaner zur Wahl. Stein urteilte: „Romney ist ein Wolf im Wolfspelz, Obama ist
ein Wolf im Schafspelz.“ So und noch schärfer urteilt sie heute über Hillary Clinton.
Steins Partner als Vizepräsidentschaftskandidat ist Ajuma Baraka, Afro-Amerikaner
und seit Jahrzehnten ein herausragender Aktivist der Bürgerrechtsbewegung. Als die
UN 1999 zum Festakt anlässlich des 50. Jahrestags der Unterzeichnung der
Universellen Erklärung der Menschenrechte einlud, zählte Baraka zu den
Ehrengästen. Für Baraka ist Obama ein „Uncle-Tom-Präsident“, der also seine
Geschäfte nach den Kommandos der Weißen Elite führt. Dem stellen die Grünen einen
„Power to the People-Plan“ entgegen, worin sie Forderungen für soziale und
demokratische Gleichheit und für eine nachhaltige und gerechte Wirtschaft
zusammenfassen. Die Losung „Power to the People“ ist eine bewusste Anlehnung an
die Formel der 68-er: Power to the People – The People to the Power. Die Macht dem
Volk – das Volk an die Macht.
Für die Grünen gibt es demnach kein „kleineres Übel“ bei der Wahl zwischen Clinton
und Trump. Beide sind Vertreter der herrschenden Elite und deren asozialer und
kriegstreiberischer neoliberalen Politik. Die jetzige Phase der tiefen Unzufriedenheit
im Volk mit der Politmaschine Washington müsse zu einer Überwindung des
undemokratischen Zweiparteiensystems genutzt werden. Stein hatte Sanders, dem in
der Demokratischen Partei unterlegenen Widerpart Clintons, vorgeschlagen, als
Kandidat einer Dritten Partei anzutreten, was Sanders ablehnte und sich stattdessen
hinter Clinton stellte. Die Grüne Partei nimmt aber ihrerseits sehr wohl auf die
politischen Unterscheide zwischen Clinton und Trump Rücksicht und ruft ihre
Anhänger mehr oder weniger offen auf, in den eindeutig bestimmten Wahlkreisen, in
den Safe States, für die Grünen-Kandidaten zu stimmen, in den Swing States aber für
Hillary.
Dieser Strategie tritt u.a. die Kommunistische Partei der USA – CPUSA – vehement
entgegen.
Die Kommunisten formulieren zahlreiche Einwände. Deren gewichtigster: Das
Zweiparteien-System in den USA sei eine Tatsache. Hätte man ein System der
parlamentarischen Demokratie, wären andere Taktiken nötig. Zwar mag es stimmen,
dass Wall Street beide Parteien dominiere, doch reflektierten die Parteien nach
Klasse, Rasse und sozialem Gehalt höchst verschiedene Wahl-Koalitionen. Viele
Führer von Gewerkschaften, Bürgerrechts- und anderen demokratischen GraswurzelBewegungen, einschließlich Demokratischer Sozialisten, seien Führer in der
demokratischen Partei. In dieser Lage für eine Stimme gegen Clinton aufzurufen,
hieße, sich von dieser Wahl-Koalition abzuwenden. Man könne nicht glaubwürdig für
die Mobilisierung von Arbeiter- und Bürgerrechten, für Frauen-Organisationen, für
gleiche Rechte für Schwule und Lesben und für Umweltschutzbewegungen auftreten,
und dann für die Wahl der Grünen Partei werben.
Weniger heftig, aber genauso entschieden wie die Kommunisten tritt Noam Chomsky,
der respektierte Sprecher der Neuen Linken, dafür ein, „das kleinere Übel“ bei den
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Präsidentschaftswahlen zu wählen. Würde man diese Wahllogik ablehnen, würde man
das Potenzial für eine Clinton-Niederlage erhöhen und die Linke würde damit das
unterminieren, was zum Kern dessen gehöre, was sie erreichen will. Sie würde mit
dem begründeten Vorwurf konfrontiert, dass es ihr an Mitgefühl mit jenen mangele,
die am härtesten von einer Trump-Präsidentschaft betroffen wären.
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