Technische Universität Berlin Institut für Energie- und Automatisierungstechnik Fakultät IV: Elektrotechnik und Informatik Supplement zu Grundlagen der Elektrotechnik im Internet Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Grundlagen der Elektrotechnik 1. GLEICHSTROMLEHRE 1.1 3 OHM’SCHE WIDERSTAND 3 1.1.1 Einleitung 3 1.1.2 Physikalische Grundlagen 7 1.1.2.1 Stromstärke und Geschwindigkeit der Strömung 1.1.2.2 Elektrische Spannung 1.1.3 10 Einfacher Stromkreis 10 1.1.3.1 Ohm’sches Gesetz 10 1.1.3.2 Elektrischer Widerstand 11 1.1.3.3 Klemmenspannung und Leitungswiderstand 12 1.1.4 2. 8 Kirchhoff’sche Gesetze 13 1.1.4.1 Kirchhoff’sche Knotenregel 13 1.1.4.2 Parallelschaltung von Widerständen 14 1.1.4.3 Kirchhoff’sche Maschenregel 15 1.1.4.4 Reihenschaltung von Widerständen 16 1.1.4.5 Schiebewiderstand ohne Belastung 17 1.1.4.6 Schiebewiderstand mit Belastung 18 1.1.4.7 Vorwiderstand 19 1.1.4.8 Strommesser 20 1.1.4.9 Spannungsmesser 21 1.1.4.10 Spannungs- und Strommessung 22 1.1.4.11 Wheatstone’sche Brückenschaltung 23 1.1.5 Induktionsgesetz 25 1.1.6 Selbstinduktion und Induktivität 27 1.1.7 Stromanstieg in der Spule 29 1.1.8 Energie in der Spule 31 1.1.9 Rotatorische Spannungserzeugung 32 1.1.10 Transformator 34 1.1.11 Wirbelströme 37 WECHSELSTROMLEHRE 2.1 GRUNDBEGRIFFE 40 40 2.1.1 Vorkommen und Arten von Wechselströmen 40 2.1.2 Eigenschaften sinusförmiger Wechselgrößen 43 Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 1 Grundlagen der Elektrotechnik 2.2 KOMPLEXE RECHNUNG 47 2.2.1 Komplexe Zahlenebene 47 2.2.2 Darstellung sinusförmiger Wechselgrößen 51 2.3 KOMPLEXE RECHNUNG AN ZWEIPOLEN 52 2.3.1 Widerstand 52 2.3.2 Kondensator 54 2.3.3 Spule 57 2.3.4 Leistungsbegriffe in komplexer Darstellung 60 LITERATURVERZEICHNIS: Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch 64 Seite 2 Grundlagen der Elektrotechnik 1. Gleichstromlehre 1.1 Ohm’sche Widerstand 1.1.1 Einleitung Zunächst sind einige Grundbegriffe zu erklären: Stromkreis: Weg des elektrischen Stromes Spannungsquelle: Ursache des elektrischen Stromes Problem: Wie kann man die Wirkung des elektrischen Stromes sichtbar machen? Hilfe: Oftmals ist es hilfreich, die Wirkung des elektrischen Stromes mit begreifbaren physikalischen Größen zu vergleichen. So gilt z.B. der Energieerhaltungssatz, der sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen beschreiben lässt: • Energie der Bewegung: Wkin = 1 1 m ⋅ v 2 bzw. Wrot = J ⋅ ω 2 2 2 Wkin ....Kinetische Energie der geradlinigen Bewegung mit der Einheit Joule [ J = N ⋅ m = m 2 ⋅ kg ⋅ s −2 ] m .......Masse [ kg ] v .....Geschwindigkeit [ m / s ] Wrot ....Kinetische Energie einer rotierenden Kugel um den Kugelschwerpunkt [ J ] J .....Massenträgheitsmoment [ kg ⋅ m 2 ] ω .....Winkelgeschwindigkeit mit der Einheit Radiant je Sekunde [ rad / s = m ⋅ m −1 ⋅ s −1 ] Frage: Woher kommt der Strom? Antwort: Für Anwendungen im Bereich kleiner Leistungen können Batterien (Akku- mulatoren) bzw. Solarzellen eingesetzt werden. Frage: Woher kommt der Strom für großtechnische Anwendungen? Antwort: Aus Spannungs- oder Stromquellen, z.B. Torbogeneratoren Der ein-bzw dreiphasige Wechselstromgenerator sind typische Spannungsquellen. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 3 Grundlagen der Elektrotechnik Man muss auch zwischen einer realen und einer idealen Quelle unterscheiden. Eine ideale Spannungsquelle liefert eine Spannung, die unabhängig vom entnommenen Strom ist. Der Innenwiderstand einer idealen Spannungsquelle ist null. Eine ideale Stromquelle liefert einen Strom, der unabhängig von der anliegenden Spannung ist. Der Innenwiderstand einer idealen Stromquelle ist unendlich groß. Frage: Was ist Elektrotechnik? Antwort: Zur Elektrotechnik zählt alles, was die physikalischen Wirkungen von elektrischen Ladungen nutzt. Das Problem daran ist, dass man Ladungen nicht sieht. Deshalb braucht man Theorie und Modellvorstellungen. Unsere heutige Technik beruht im wesentlichen auf den Leistungen der Werkstofftechnik, Mikroelektronik, Elektronik, Leistungselektronik und der elektromechanischen Energiewandlertechnologie. Übrigens: Die Elektroindustrie in der Bundesrepublik hat im Jahr 2001 "125.000.000.000" EUR umgesetzt. Dazu gehören die Branchen Energietechnik, Antriebstechnik, Kommunikationstechnik, Datentechnik, Mess- und Automatisierungstechnik, Hausgeräte, Bauelemente, Fahrzeugelektronik, Unterhaltungselektronik, Beleuchtung und Medizintechnik. Frage: Welche Regelung bzw. Vorschriften existieren für die Elektrotechnik? Antwort: Zu den technische Regelwerken für die Elektrotechnik gehören im wesentlichen DIN VDE/VDI-Normen sowie weitere Regelwerke und Richtlinien z.B. IEC Vorschriften. Dabei sind für “Elektrotechnische Anlagen“ nicht alle einzelnen Normen und Richtlinien relevant, so dass für den Anlagenbetreiber durchaus ein Problem der richtigen Auswahl besteht. Die folgenden DIN-Normen bzw. die DIN VDE/VDI-Normen sind eine kleine Auswahl (DIN: Deutsches Institut für Normung e.V.). Hier ist eine kleine Auswahl aus den DIN VDE/VDI-Normen, die im Juli 2002 veröffentlicht wurden: VDE 0102:2002-07 Kurzschlussströme in Drehstromnetzen Berechnung der Ströme. Norm-Nr: DIN EN 60909-0 VDE-Klass.: VDE 0102. VDE 0641 Teil 12:2002-07 Leitungsschutzschalter für Hausinstallationen und ähnliche Zwecke, Leitungsschutzschalter für Wechsel- und Gleichstrom (AC und DC). Norm-Nr: DIN EN 60898-2 VDE-Klass.: VDE 0641 Teil 12. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 4 Grundlagen der Elektrotechnik VDE 0682 Teil 431:2002-07 Arbeiten unter Spannung, Phasenvergleicher für Wechselspannungen von 1 kV bis 36 kV Norm-Nr: DIN EN 61481 VDE-Klass.: VDE 0682 Teil 431. VDE 0820 Teil 10:2002-07 Geräteschutzsicherungen, Leitfaden für die Anwendung von Geräteschutzsicherungen Norm-Nr: DIN EN 60127-10 VDE-Klass.: VDE 0820 Teil 10. VDE 0845 Teil 4-2:2002-07 Blitzschutz - Telekommunikationsleitungen, Leitungen mit metallischen Leitern Norm-Nr: DIN EN 61663-2 VDE-Klass.: VDE 0845 Teil 4-2. VDE 0847 Teil 4-4:2002-07 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV), Prüf- und Messverfahren - Prüfung und Störfestigkeit gegen schnelle transiente elektrische Störgrößen/Burst Norm-Nr: DIN EN 61000-4-4 VDE-Klass.: VDE 0847 Teil 4-4. VDE 0855 Teil 300:2002-07 Funksende-/-empfangssysteme für Senderausgangsleistungen bis 1 kW, Sicherheitsanforderungen Norm-Nr: DIN VDE 0855-300 VDE-Klass.: VDE 0855 Teil 300. VDI 2243, Ausgabe:2002-07 Recyclingorientierte Produktentwicklung. VDI/VDE 3527, Ausgabe:2002-07 Kriterien zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von Sicherheitsfunktionen bei der Leittechnik-Auslegung. VDI 4471 Blatt 4, Ausgabe:2002-07 Warensicherungssysteme - Kompatibilität von elektronischen Artikelsicherungssystemen (EAS) - Radiofrequente Technologie. VDI 6012 Blatt 3, Ausgabe:2002-07 Dezentrale Energiesysteme im Gebäude – Brennstoffzellen. VDE 0530/DIN 57530 Umlaufende elektrische Maschinen Teil 1-8. DIN VDE 0100 Teil 726 Elektrische Ausrüstung von Hebezeugen. DIN VDE 0100 Teil 510 Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel; Allgemeines; vde-verlag, Berlin. DIN VDE Teil 520 Kabel, Leitungen und Stromschienen; vde-verlag, Berlin. DIN VDE 0100 Teil 523 Bemessung von Leitungen und Kabel; Mechanische Festigkeit; Spannungsfall und Strombelastbarkeit; vde-verlag, Berlin. DIN VDE 0100 Teil 540 Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel, Erdung, Schutzleiter, Potentialausgleichsleiter; vde-verlag, Berlin. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 5 Grundlagen der Elektrotechnik DIN VDE 0100 Teil 732 Hausanschlüsse in öffentlichen Kabelnetzen; vde-verlag, Berlin. DIN VDE 0102 Berechnung von Kurzschlussströmen in Drehstromnetzen; vde-verlag, Berlin. Ferner werden von der „International Electrotechnical Commission“ (IEC) Zahlreiche Vorschriften herausgegeben: z.B. (IEC 34-2) Rotating electrical machines. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 6 Grundlagen der Elektrotechnik Bauelemente: Neben den Spannungs- und Stromquelle sind der Widerstand und die Indukti- vität (Spule) und der Kondensator in der Gleichstrom- und Wechselstromtechnik von Bedeutung. Abbildung 1.1.1.: Ausgewählte Bauelemente und Kennzeichen in der Elektrotechnik 1.1.2 Physikalische Grundlagen Ladungsträger: Metallische Leiter: Negativ geladene Elektronen: Masse me = 9,1 ⋅10−31 kg , Ladung e = −1, 6 ⋅10−19 As (Elementarladung). Atom: Kern mit positiven Protonen, Hülle mit negativen Elektronen, sie sind im Ladungs- gleichgewicht. Elektronengas: Frei bewegliche Elektronen in Metallen bewegen sich analog zu Molekülen in Gasen. Elektronenleitung: Bei elektrischem Stromfluss bewegen sich die Elektronen mit sehr geringer “Driftgeschwindigkeit“; von einigen cm/s! Löcherleitung: Durch Auffüllen von Elektronenfehlplätzen (Löcher) bei Halbleitern. Bewegungsrichtung entgegengesetzt zur Strömung der Elektronen. Ionenleitung: Drift von ein- oder zweiwertig positiven oder negativen Molekülen in Gasen oder Flüssigkeiten. Stromrichtung: Historisch festgelegt, von der positiven Klemme ( + ), der Quelle, zur negativen ( − ) Klemme. Elektronenströmung: Entgegengesetz der “Stromrichtung“. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 7 Grundlagen der Elektrotechnik MKSA-System: Das international vorgeschriebene Einheitssystem SI (Systeme Inter- national) enthält 7 Basiseinheiten, die in (Tab. 1.1) aufgelistet sind . Dezimale Vorsilben: Für die praktische Schreibweise werden in der Elektrotechnik die bekannten Buchstaben aus (Tab. 1.2) verwendet. 1.1.2.1 Stromstärke und Geschwindigkeit der Strömung Elektrischer Strom: Drift eines Elektronengases durch einen metallischen Leiter. Ruhezustand: Je ein Metallatom des Gitters gibt etwa 1 Elektron in das “Elektronengas“ ab. In jedem cm3 des Gitters sind rund 1023 Elektronen in ungeordneter Bewegung. Größe Einheit Symbol 1. Länge Meter m 2. Masse Kilogramm kg 3. Zeit Sekunde s 4. Stromstärke Ampere A 5. Temperatur Kelvin K 6. Stoffmenge Mol Mol 7. Lichtstärke cd Candela Tabelle 1.1.: Internationales Einheitssystem SI Kleiner 1 atto Größer 1 10−18 a Exa 1018 E femto 10−15 f Peta 1015 P pico 10−12 p Tera 1012 T nano 10−9 n Giga 109 G micro 10−6 µ Mega 106 M milli 10−3 m Kilo 103 k zenti 10−2 c Hekto 102 h dezii 10−1 d Deka 101 D Tabelle 1.2.: Dezimale Vielfache und Teile Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 8 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 1.1.2.: Leiterstück als Zylinder mit der Querschnittsfläche A und der Länge l Leiterstück: Bei N Elektronen ergibt sich eine Strömung der Ladungsmenge ∆Q = − N e , bei der das letzte Elektron bei der Geschwindigkeit v die Zeit ∆t braucht, um die Länge l zu durchlaufen. Stromstärke: Für das Leiterstück aus (Abb. 1.1.2.) ist der Betrag der Stromstärke I= ∆Q N e nV e = = ∆t ∆t ∆t (1.1.2) mit n = N / V der Konzentration der Ladungsträger. Mit V = A . l ist I= n Al e ∆t (1.1.2) Mit der Geschwindigkeit v = ∆l / ∆t ergibt sich dann I = n e Av (1.1.3) Division durch den Querschnitt A liefert die Stromdichte J in A / m 2 J= I = nev A (1.1.4) woraus sich die Geschwindigkeit der Elektronen ergibt v= Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch J ne (1.1.5) Seite 9 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.2.2 Elektrische Spannung Ladungsdruck: Ursache für die Bewegung der Elektronen, die als elektrische Strömung sichtbar wird, ist eine elektrische Spannung, die über den Quotienten Arbeit / Ladung definiert ist Spannung U = Elektrische ArbeitW Nm Ws VAs = = = =V Ladung Q As As As (1.1.6) mit der Einheit Volt [V ] Richtung: Die Richtung der Spannung entspricht der Bewegung einer positiven Probeladung. Spannungsquelle: Spannung anzubieten ist das Merkmal einer Spannungsquelle; dabei braucht noch kein Strom zu fließen. Erst eine Spannungsquelle in einem geschlossenen Stromkreis erzeugt einen Strom. Spannungsreihe: Kleinverbraucher: 2 V, 4 V, 6 V, 12 V, 24 V, 60 V; Niederspannung: 110 V, 230 V, 400 V; Hochspannung: 6 kV, 10 kV, 20 kV, 30 kV, 110 kV, 220 kV, 400 kV. 1.1.3 Einfacher Stromkreis 1.1.3.1 Ohm’sches Gesetz Stromstärke: Die pro Zeiteinheit durch einen Querschnitt hindurchtretende Elektronenanzahl ist proportional der Spannung (Ursache). Bei fester Spannung ist sie umgekehrt proportional dem Widerstand, der dem Strom entgegenwirkt. Ohm’sches Gesetz: Spannung U und Stromstärke I sind über den Widerstand R verknüpft U = RI (1.1.7) Dies ist ein zentrales Gesetz in der Elektrotechnik. Widerstand: Aus einer Umformung des Ohm’sches Gesetzes ergibt sich der Widerstand zu R= U I [Ω] (1.1.8) Leitwert: Der Reziprokwert des Widerstandes G = 1/ R hat die Einheit Siemens [S]. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 10 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.3.2 Elektrischer Widerstand Frage: Was ist ein Widerstand? Antwort: Er kann als Hindernis für den Strom interpretiert werden Metallischer Draht: Experimentell kann man feststellen: • Längerer Draht: Spannung muss den Strom über eine längere Strecke treiben, d.h. der Widerstand nimmt zu • Dickerer Draht: Elektronen finden mehr Platz, d.h. der Widerstand nimmt ab • Verschiedene Materialien: Unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit κ , bzw. • unterschiedlicher spezifischer Widerstand ρ führt zu unterschiedlichem Widerstand bei gleicher Geometrie. Berechnung: Durch Messung findet man den Zusammenhang für einen Draht der Länge l mit dem Querschnitt A und der Leitfähigkeit κ . R= ρl A = l (1.1.9) κA Temperaturabhängigkeit: κ bzw. ρ werden i.a. für eine Temperatur von 20° C spezi- fiziert und mit einem linearen Temperaturbeiwert α 20 und einem quadratischen β 20 versehen. Der Widerstand bei einer beliebigen Temperatur T, also einer Differenz ∆T = T − 20° C berechnet sich dann zu R = R20 (1 + α 20 ∆T + β 20 (∆T ) 2 ) (1.1.10) Widerstand: Spezifischer Widerstand ρ , Leitfähigkeit κ , Temperaturbeiwerte α 20 und β 20 sind charakteristische Kenngrößen von Metallen bei 20°C (siehe Tab. 1.3) . Werkstoff κ 20 ρ 20 Ω mm m 20 α 20 −3 Sm mm 2 10 K β 20 −1 10−6 K −2 Silber 0,016 62,5 3,6 0,7 Kupfer 0,017 58 4,3 0,6 Gold 0,022 45,2 3,8 0,5 Aluminium 0,027 37 4,3 1,3 Blei 0,21 4,75 3,9 2,0 Eisen 0,1 10 6,5 6,0 Platin 0,098 10,5 3,5 0,6 Tabelle 1.3.: Kenngrößen von verschiedenen Metallen Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 11 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.3.3 Klemmenspannung und Leitungswiderstand In (Abb. 1.1.3) kann die Hin- und Rückleitung zwischen dem Verbraucher und dem Generator zu einem Leitungs-Widerstand zusammen gefasst werden. Abbildung 1.1.3.: Verbraucherwiderstand RV (z.B. Glühlampe), Generator G, Hin- und Rückleitung RL / 2 Stromkreis: In allen Teilelementen des unverzweigten Stromkreises ist der Strom gleich groß. Mit Hilfe des Ohm’schen Gesetzes erhalten wir den Spannungsabfall am Verbraucher UV = I RV (1.1.11) und in der Hin- und Rückleitung zusammen U L = I RL (1.1.12) Die Summe der beiden Teilspannungen ist gleich der Klemmenspannung U G = U L + UV (1.1.13) Merke: Die folgende Bezeichnungen sind für Spannungsquelle üblich: U G → Generatorspannung U q → Quellenspannung U B → Batteriespannung Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 12 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.4 Kirchhoff’sche Gesetze 1.1.4.1 Kirchhoff’sche Knotenregel Knotenregel: Gegeben sei ein idealer Generator (z.B. Kraftfahrzeug-Lichtmaschine), der gleichzeitig mehrere Verbraucher (z.B. Scheinwerferlampe, Rundfunkgerät und Zündspule) versorgt, wie in (Abb. 1.1.4) dargestellt . Für jeden der 4 Knotenpunkte (1), (2), (3) und (4) ist der hineinfliessende Strom gleich dem hinausfliessenden Strom. Es gilt daher z.B. für Knoten (1) I = ( I1 + I 2 + I 3 ) = I1 + ( I 2 + I 3 ) (1.1.14). Abbildung 1.1.4.: Schaltung zur Knotenregel 1. Kirchhoff’sches Gesetz: Ganz allgemein gilt: ∑I ab = ∑ I zu (1.1.15) Knotenpunkt: Die Summe aller in einen Knoten hineinfliessenden Ströme ist gleich der Summe aller abfließenden Ströme. Die Bezugsgröße ist die Spannung zwischen den Knotenpunkten. Ersatzwiderstand: Der Ersatzwiderstand RE in der (Abbildung1.1.5) ist der Widerstand, den man anstelle der drei Widerstände R1 , R2 und R3 in den Kreis schalten muss, damit der Generator denselben Strom abgibt wie vorher (siehe Abb. 1.1.5) . Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 13 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 1.1.5.: Parallelschaltung und Ersatzwiderstand RE 1.1.4.2 Parallelschaltung von Widerständen Spannungsabfall: Es gilt mit dem Ohm’schen Gesetz: U1 = I1 R1 ⇒ I1 = U1 R1 U 2 = I 2 R2 ⇒ I 2 = U2 R2 U U 3 = I 3 R3 ⇒ I 3 = 3 R3 U q = I q RE ⇒ I q = (1.1.16) Uq RE Nach der Knotenregel (Gl. 1.1.15) ist I q = I1 + I 2 + I 3 und somit Uq RE = U1 U 2 U 3 + + R1 R2 R3 (1.1.17) Da U q = U1 = U 2 = U 3 ist, kann die Spannung eliminiert werden 1 1 1 1 = + + RE R1 R2 R3 (1.1.18) Parallelschaltung: In einer Parallelschaltung ist der Kehrwert des Gesamtwiderstandes gleich der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände. Parallelleitwerte: Verwendet man in (Gl. 1.1.18) statt der Widerstände die Leitwerte Gi = 1/ Ri , so ergibt sich einfacher GE = G1 + G2 + G3 (1.1.19) Anwendung: Beim Stromteiler (siehe Abb. 1.1.6) mit 2 parallelgeschalteten Widerständen R1 und R2 an der Spannung U gilt: I1 = U / R1 und I 2 = U / R2 oderU = I1 R1 und U = I 2 R2 . Gleichsetzen liefert Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch I1 R2 = I 2 R1 (1.1.20) Seite 14 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 1.1.6.: Stromteiler 1.1.4.3 Kirchhoff’sche Maschenregel Maschenregel: Bei einer Zusammenschaltung von Widerständen in Reihe, wie in (Abb. 1.1.7), ist die überall gleiche Bezugsgröße der Strom I . An den einzelnen Widerständen entsteht der Spannungsabfall U1 = I R1 , U 2 = I R2 und U 3 = I R3 Mit einem willkürlichen festgelegten Richtungssinn in der Masche (geschlossener Stromkreis) ist die Summe aller Spannungen Null oder U q = U1 + U 2 + U 3 = I R1 + I R2 + I R3 = I ( R1 + R2 + R3 ) (1.1.21) = I ⋅ RE Abbildung 1.1.7.: Reihenschaltung und Ersatzwiderstand 2. Kirchhoff’sches Gesetz: Allgemein gilt für jede Masche ∑U i Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch qi =∑I ⋅R (1.1.22) i Seite 15 Grundlagen der Elektrotechnik Masche: Die Summe aller Quellenspannungen ist gleich der Summe aller Spannungsabfälle in der Masche. (Bezugsgröße ist der Strom). Ersatzwiderstand: Definition siehe Parallelschaltung Spannungsabfall: Es gilt mit dem Ohm’schen Gesetz: U1 = I1 R1 U 2 = I 2 R2 (1.1.23) U 3 = I 3 R3 U q = I RE 1.1.4.4 Reihenschaltung von Widerständen Nach der Maschenregel (Gl. 1.1.22) ist U G = U1 + U 2 + U 3 und somit I RE = I R1 + I R2 + I R3 (1.1.24) Da I durch alle Widerstände fließt, kann der Strom eliminiert werden: RE = R1 + R2 + R3 (1.1.25) Reihenschaltung: In einer Reihenschaltung ist Gesamtwiderstand (Ersatzwiderstand) gleich der Summe der Einzelwiderstände. Anwendung: Beim Spannungsteiler (siehe Abb. 1.1.8) mit 2 Widerständen R1 und R2 in Reihenschaltung gilt: I = U1 / R1 und I = U 2 / R2 mit den Spannungsabfällen U1 und U 2 an den jeweiligen Widerständen. Gleichsetzen liefert U1 R1 = U 2 R2 (1.1.26) Umstellen dieser Gleichung nach der Teilspannung U 2 = f ( R1 , R2 , U ) liefert ein bekanntes Ergebnis U1 = R1 U2 = U − U2 R2 (1.1.27) Abbildung 1.1.8.: Spannungsteiler Auflösen nach U ergibt R R + R2 U = 1 + 1 U 2 = 1 U2 R2 R2 (1.1.28) und damit das Ergebnis für einen Spannungsteiler U2 = Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch R2 U R1 + R2 (1.1.29) Seite 16 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.4.5 Schiebewiderstand ohne Belastung Frage: Was ist ein Schiebewiderstand? Antwort: Ein variabel in zwei Anteile teilbarer Widerstand. Die Bauform kann linear (Schiebewiderstand) oder rund (Potentiometer) sein, Wesentliches Merkmal sind drei Anschlüsse, wobei über zwei (gleichfarbig oder außenliegend) der komplette Widerstand und über den dritten Anschluss (andersfarbig oder in der Mitte) der Abgriff zugänglich ist. Schiebewiderstand: In der Praxis macht man häufig Gebrauch von einem Widerstand mit einem Schleifkontakt zur Realisierung eines variablen Widerstandswertes. Ausgangsspannung: Nach (Gl. 1.1.26) sind die von den Enden bis zum Schleifkontakt zählenden Spannungsabgriffe in (Abb. 1.1.9) proportional zur abgegriffenen Widerstandslänge. Es gilt 0 ≤ a ≤ 1 und somit U a = 0 für a = 0 und U a = U für a = 1 . Abbildung 1.1.9.: Schiebewiderstand (Potentiometer) Aus (Gl. 1.1.26) ergibt sich direkt Ua a R = =a U R (1.1.30) a ist ein Maß für die Verschiebungsstrecke (oder den Drehwinkel). Logarithmischer Widerstand: Bei gleichen Drehwinkeln nimmt der Widerstand in Dekaden zu (1 bis 10 Ω , 10 bis 100 Ω , 100 bis 1000 Ω , usw.). Anwendung: In der Rundfunktechnik als Lautstärkeregler. Aufgrund der ebenfalls logarithmischen Charakteristik des Ohres erscheint dann bei gleichen Drehwinkeln die Lautstärke entsprechend linear zuzunehmen. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 17 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.4.6 Schiebewiderstand mit Belastung Belastung: (Gl. 1.1.30) ist nur gültig ohne Belastung des Schleifers. Die Charakteristik ändert sich, wenn entsprechend (Abb. 1.1.10) aus dem Abgriff ein Strom entnommen wird. Abbildung 1.1.10.: Potentiometer mit Belastung Ua = f a , R , RV U ( Gesucht: ) (1.1.31) Ströme: Die Ströme sind I a = U a / Ra = U a / a R und I v = U v / R v = U a / R v Weiterhin gilt für die Stromsumme I = I a + Iv = Ua Ua + a R RV (1.1.32) Spannungen: Andererseits ist U = U ′ + U a und U ′ = I R (1 − a ) (1.1.33) Wir erhalten damit U = I R (1 − a ) + U a = ( Ua Ua + ) R (1 − a ) + U a a R RV (1.1.34) Division durch U a ergibt den Quotienten U 1 1 = + R(1 − a) + 1 U a a R RV RV + a R a RV R (1 − a) + = a ⋅ R ⋅ RV a RV = Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (1.1.35) ( RV + a R)(1 − a ) + a RV a RV Seite 18 Grundlagen der Elektrotechnik Und somit für den Kehrwert a RV Ua = U ( RV + a R)(1 − a ) + a RV = a 1 ( R V + a R − a RV − a 2 R + a R V ) RV a = 1+ a = (1.1.36) R R − a2 RV RV a R 1+ a (1 − a ) RV Spezialfall: Falls kein Verbraucher angeschlossen ist ( RV = ∞ ), so folgt R / RV = 0 und wir erhalten damit wieder das Ergebnis von (Gl. 1.1.30). 1.1.4.7 Vorwiderstand Vorwiderstand: Ein Schiebewiderstand kann auch als Vorwiderstand für einen Verbraucher (z.B. Glühlampe) eingesetzt werden, um eine Spannungsanpassung vorzunehmen (siehe Abb. 1.1.11) . Abbildung 1.1.11.: Schaltung zum Vorwiderstand Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 19 Grundlagen der Elektrotechnik Verbraucherspannung: Der beiden Widerständen gemeinsame Strom I erzeugt den Spannungsabfall UV = I RV . Der Strom berechnet sich zu I = U 0 / Rges = U 0 / (a R + R V ) . Daraus erhalten wir UV min : UV = U0 U0 RV = R a R + RV a +1 RV (1.1.37) Für Ra = R (bei a = 1) erhalten wir den unteren Wert der Verbraucherspannung zu (analog Spannungsteiler!): UV = RV U0 = U0 R + 1 RV + R RV (1.1.38) Die Verbraucherspannung kann demnach nicht zu Null werden. Speziell für R = RV wird UV = U 0 / 2 . UV max : Für Ra = 0(bei a = 0) erhalten wir den oberen Wert der Verbraucherspannung zu UV = U 0 (1.1.39) Problem: Verlustleistung entsteht im Vorwiderstand und geht als Wärme “verloren“. 1.1.4.8 Strommesser Frage: Was ist ein Strommesser(Amperemeter)? Antwort: Ein Messgerät zur Erfassung des Stroms und somit ein zusätzlicher Widerstand im Stromkreis. Man kann digitale als auch analoge Vielfachmessgeräte einsetzen, die entweder zur Stromoder zur Spannungsmessung verwendet werden können. Prinzip: Bei üblichen Strommessern ist der Vollausschlag schon bei sehr kleinen Strömen ( µ A) erreicht. Zur Messung größerer Ströme muss der Überstrom am Messwerk über einen Nebenwiderstand vorbeigeleitet werden (siehe Abb. 1.1.12) Abbildung 1.1.12.: Realisierung eines Amperemeters mit 4 Messbereichen Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 20 Grundlagen der Elektrotechnik Beispiel: Ein Messwerk (siehe Abb.1.1.13) habe den inneren Widerstand R i = 333Ω und einen Vollausschlag beim Strom I 0 = 0,3mA . Es soll ein Strom von I = 6 A gemessen werden. Abbildung 1.1.13.: Erweiterung des Strommessbereiches Der Überstrom I P = I − I 0 = 5,9997 A muss am Messwerk vorbeifließen. Es tritt nach dem Ohm’schen Gesetz ein Spannungsabfall U 0 = I 0 R i = 99,9mV an Messwerk und Nebenwiderstand auf. Damit wird RP = U0 = 0, 01665Ω I − I0 1.1.4.9 Spannungsmesser Prinzip: Zur Messung kleiner Spannungen muss der Vollausschlag des Spannungsmessers schon bei sehr kleinen Spannungen ( µ V ) erreicht sein. Bei größeren Spannungen fällt die Überspannung an einem Reihenwiderstand ab (siehe Abb. 1.1.14) . Abbildung 1.1.14.: Realisierung eines Voltmeters mit 4 Messbereichen Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 21 Grundlagen der Elektrotechnik Beispiel: Gegeben sei dasselbe Messwerk mit dem inneren Widerstand R i = 333Ω und Voll- ausschlag von U 0 = 100 mV (siehe Abb. 1.1.15) . Es soll eine Spannung von U = 220 V gemessen werden. Abbildung 1.1.15.: Erweiterung des Spannungsmessbereiches Die Überspannung U v = U − U 0 = 219,9V muss vor dem Messwerk abfallen. Durch Messwerk und Vorwiderstand fließt der Strom I 0 = 0,3mA Nach dem Ohm’schen Gesetz ergibt sich dann für den Vorwiderstand: Rv = Uv = 733k Ω I Ausführung: Wie beim Strommesser sind mehrere Vorwiderstände über einen Schalter verfügbar. 1.1.4.10 Spannungs- und Strommessung Bei messtechnischen Untersuchungen ist zu bedenken: Strommesser: In Reihe zum Verbraucher, da der Strom in der Serienschaltung überall gleich groß ist. Spannungsmesser: Parallel zum Verbraucher, da die Spannung bei einer Parallelschaltung gleich groß ist. Strom- /Spannungsmessung: Bei gleichzeitiger Messung von Strom und Spannung eines Verbrauchers (Leistungsmessung) tritt ein prinzipieller Messfehler auf, da nicht beide Bedingungen erfüllbar sind. Es sind zwei Schaltungen entsprechend (Abb. 1.1.24) möglich, deren Auswahl nach den Eigenschaften des Verbrauchers getroffen werden kann. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 22 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 1.1.16.: Spannungsrichtige ( R iV 〉〉 RA ) oder stromrichtige ( R i A 〈〈 Ra ) Messung am Verbraucher RV 1.1.4.11 Wheatstone’sche Brückenschaltung Brückenschaltung: Sie besteht entsprechend (Abb. 1.1.17) aus einer Anordnung von vier Widerständen, von denen je zwei in Reihenschaltung parallel an einer Spannungsquelle liegen. Derartige Brückenschaltungen werden ebenfalls bei Dioden-Anwendungen eingesetzt. Abbildung 1.1.17.: Wheatstone’sche Brückenschaltung Spannungsabfälle: In den Brückenwiderständen R1...R 4 entstehen die Spannungsabfälle U1...U 4 , wodurch sich i.a. auch eine Spannung U 5 ≠ 0V zwischen den Punkten A und B ein- stellt. Anwendung: Die vier Widerstände sind so zu wählen, dass die Brückenspannung U 5 = 0V und somit I 5 = 0 A wird. Das Ergebnis einer längeren Rechnung (Anwendung von Knoten und Maschensatz) liefert: Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 23 Grundlagen der Elektrotechnik I5 = U 0 ( R 2 R 3 − R1 R 4 ) ( R1 + R 3 )( R 2 R 4 + R 5 ( R 2+ R 4 )) + R1 R 3 ( R2 + R 4 ) (1.1.40) Damit für I 5 = 0 R1 R2 = R3 (1.1.41) R4 Praxis:Abb.1.1.18 zeigt die Verwendung als Messprinzip für die Messung von Widerständen. Prinzip: Das Brückeninstrument M ist möglichst präzise und hat den Nullpunkt in der Mitte. Der Wert des Widerstandes R1 muss sehr genau bekannt sein. Die Widerstände R 2 und R 4 werden als Teilwiderstände eines Schiebewiderstandes realisiert. Abbildung 1.1.18.: Bestimmung von Widerständen mit der Wheatstone’schen Brückenschaltung Messung: Der unbekannte Widerstand R x wird anstelle von R 3 angeschlossen und der Schleifkontakt solange verschoben, bis das Instrument keinen Ausschlag mehr anzeigt. Rechnung: Analog zu (Gl. 1.1.41) gilt dann Rx = R1 R 4 R2 = R1 l4 l2 (1.1.42) Hinweis: • Bei diesem Abgleichverfahren müssen Längen- und Widerstandsänderungen sehr genau proportional zueinander sein. Die Quellenspannung U 0 geht nicht ein. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 24 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.5 Induktionsgesetz Experiment: Wird ein Stabmagnet in eine Luftspule mit N Windungen hinein bewegt, so zeigt ein angeschlossenes Voltmeter einen Ausschlag (Nullpunkt in der Mitte, z.B. Ausschlag nach rechts) solange der Magnet hinein bewegt wird. Wird der Magnet anschließend wieder heraus bewegt, zeigt sich am Voltmeter ein Ausschlag in die entgegengesetzte Richtung (siehe Abb. 1.1.28) . Abbildung 1.1.28.: Experiment zum Induktionsgesetz Die Induktion B des Magneten erzeugt beim Einführen in die Spulenfläche A einen zeitlich veränderlichen Fluss φ . Bei N Windungen der Spule wird ug = − N ∆φ ∆ψ =− ∆t ∆t (1.1.43) ψ ....Verkettungsfluss Induktionsgesetz: Bezogen auf eine einzelne Windung erhalten wir mit dem Induktions- gesetz die Quellenspannung zu ug = − ∆φ ∆t (1.1.44) Neben dem Ohm’schen Gesetz ist dies ebenfalls ein wichtiges Gesetz in der Elektrotechnik. Anwendung: Verkopplung von zeitabhängigen elektrischen und magnetischen Feldern an Bauelementen. Bemerkungen: • Es ist eine Relativbewegung von Magnet und Spule notwendig. • Die induzierte Spannung ist unabhängig vom Anzeigeinstrument immer dann vorhanden, wenn sich in einem Raumteil der magnetische Fluss ändert. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 25 Grundlagen der Elektrotechnik • Das Induktionsgesetz ist die Begründung dafür, dass im leeren Raum elektromagnetische Wellen existieren können (zur Übertragung von Rundfunk und Fernsehen). • Das Induktionsgesetz verknüpft die Änderung des magnetischen Feldes mit einer elektrischen Spannung, unabhängig vom Vorhandensein eines Leiters. Stromkreis: Wird beim Experiment (gemäß Abb.1.1.28) die Spule zu einem Stromkreis geschlossen, so fließt aufgrund der induzierten Spannung ein Strom. Dieser Strom erzeugt seinerseits eine magnetische Feldstärke H ’, eine Induktion B ’ und einen Fluss φ ’. Diese Größen sind alle dem Fluss φ , der den Strom erzeugt, entgegengesetzt. Wirkung: Die durch den Fluss φ des Magneten induzierte Spannung steigt langsamer an. Lenz’sche Regel: Der induzierte Strom i wirkt immer der hervorrufenden Flussänderung entgegen. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 26 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.6 Selbstinduktion und Induktivität Selbstinduktivität: Der Stromfluss durch eine Spule (siehe Abb. 1.1.29) baut ein Magnetfeld auf, welches mit dem Fluss φ beschrieben wird. Dieser Fluss erzeugt nach der Lenz’schen Regel eine Induktionsspannung uL , die der den Strom treibenden Spannung U q entgegengesetzt ist. Abbildung 1.1.29.: Selbstinduktivität einer Spule Es ist eine reale Spannungsquelle mit Ri ≠ 0 notwendig, damit uL (t = ∞) = 0 und i (t = ∞) ≠ ∞ wird Folge: Die Induktionsspannung bremst den Stromanstieg in der Spule. Berechnung: Vorausgesetz wird eine ideale Luftspule ohne ohm’schen Widerstand. Nach dem Induktionsgesetz gilt für die induzierte Spannung uL = N ∆φ ∆t (1.1.45) Für den Fluss gilt φ = B A = A µ0 H und mit H = N i / l ergibt sich dann φ= Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch A µ0 N i l (1.1.46) Seite 27 Grundlagen der Elektrotechnik Eingesetzt erhalten wir uL = A µ0 N i d N dt l (1.1.47) Da die einzige zeitabhängige Größe der Strom i ist, können die anderen Parameter als Konstanten vor das Differential gezogen werden uL = A µ0 N 2 di l dt (1.1.48) Die Konstanten werden zur Induktivität L der Spule zusammengefasst L= A µ0 N 2 N2 = l Rmagn (1.1.49) Rmagn wird als der magnetische Widerstand bezeichnet. Für die induzierte Spannung erhalten wir damit uL = L di dt (1.1.50) Die Einheit der Induktivität ergibt sich zu [ L ] = V s / A = H (Henry). Eisenkern: Für Luftspulen ist die Induktivität L konstant. Bei Spulen mit Eisenkern geht zusätzlich die relative Permeabilität µr ein, die von der magnetischen Feldstärke abhängt. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 28 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.7 Stromanstieg in der Spule Abbildung 1.1.30.: Schaltung zur Messung des Stromanstiegs in einer Spule Einschalten: Nach dem Einschalten (Schließen des Schalters in Abb. 1.1.30.) gilt gemäß der Maschenregel U q = uR + uL = i R + L di dt (1.1.51) und damit Uq − i R = L di dt (1.1.52) DGL: Damit erhalten wir eine Differentialgleichung für den Spulenstrom, ähnlich zur Kondensatoraufladung di ⋅ L = dt Uq − i R (1.1.53) Substitution: Mit der Substitution x = U q − i R ergibt sich dx / di = − R und damit di = −dx / R . Weiterhin setzen wir τ = t ein und erhalten damit − L dx = dτ Rx (1.1.54) Lösung: Für die Lösung der DGL bestimmen wir die Integrationsgrenzen neu zu: τ = 0 : i = 0 → x = Uq − 0 ⋅ R = Uq τ = t : i = i → x = Uq − i ⋅ R Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 29 Grundlagen der Elektrotechnik Damit erhalten wir den Lösungsweg zu U q −iR ∫ Uq t dx R = − ∫ dτ x L0 R = − τ |t0 L U q − iR R =− t ln Uq L U − iR ln x |U qq (1.1.55) U q − iR = U q e − R t / L Für den Stromanstieg erhalten wir abschließend mit der Zeitkonstanten τ : τ = L/R (1.156) Es ergibt sich eine formal ähnliche Beziehung wie für den Spannungsanstieg beim Kondensator i= Uq (1 − e ) R − t /τ (1.1.57) Bemerkungen: 1. Anfangswert des Stromes i (t = 0) = 0 (1.1.58) 2. Die Spulenspannung ist mit Gl. 1.1.50 uL = L di d Uq =L 1 − e−t / r = U q e−t / r dt dt R ( ) (1.1.59) 3. Anfangswert der Spulenspannung uL (t = 0) = U q Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (1.1.60) Seite 30 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.8 Energie in der Spule Energiebetrag: Der Energiebetrag dw in einer Spule während einer kurzen Zeitspanne dt des Stromanstiegs ist p = u ⋅i dw = pdt (1.1.61) Für die Leistung gilt allgemein p = u i und speziell für den Leistungsumsatz an einer Induktivität gilt p = iLdi / dt und damit wird dw = i L di dt = iLdi dt (1.1.62) Energie: Durch Integration auf beiden Seiten erhalten wir die magnetische Energie in der Spule zu I W = L ∫ i di (1.1.63) 1 2 LI 2 (1.1.63a) 0 Daraus folgt W= Bemerkung: Dieses Ergebnis gilt nur für eine ideale Spule mit konstanter Permeabilität und ohne ohm’schen Widerstand. Anwendungen: 1. Eine Spule wird als Energiespeicher verwendet. 2.Die Spule dient zur Erzeugung von Wechselspannung, Elektrische Wirbelfelder. 3. Spulen werden auch bei Aufbau von elektrischen Messgeräten verwendet (z.B. Dreheisenmessgerät, Drehspulenmesswerk). 4. Parallelresonanzkreis: Eine Spule wird mit einem Kondensator parallelgeschaltet. Dieses Prinzip benutzt man unter anderem bei dem Bau von Lautsprechern für Stereoanlagen. 5. Spulen werden auch in Fahrraddynamo eingesetzt. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 31 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.9 Rotatorische Spannungserzeugung Spannungserzeugung: Aus dem Induktionsgesetzt kann man das Prinzip zur Spannungs- erzeugung ableiten, in dem man die zeitabhängige Änderung des Flusses φ .betrachtet: Realisierung: Es ist eine Relativbewegung des Magneten und der Spule notwendig. Dazu kann wahlweise ein Magnet zu einer ruhenden Spule oder eine Spule zu einem ruhenden Magnet bewegt werden. Praxis: Eine Drahtspule mit rechteckigem Querschnitt, der Länge l und der Breite b rotiert uv in einem homogenen Magnetfeld B (siehe Abb. 1.1.31) . Prinzip: Das Prinzip der rotatorischen Spannungserzeugung: t = 0 : Die Drahtspule stehe in der Stellung ϕ = 0 , so dass der Fluss φ die größtmögliche Fläche A = l b durchflutet. t = t ′ : Nach einer Drehung um den Winkel ϕ0 tritt nur noch ein Teilfluss φ ′ = BA′ in der Spule auf, mit A′ = A cos ϕ0 . ϕ = 90° : Die vom Fluss durchsetzte Fläche ist Null. ϕ 〉 90° : Der Fluss tritt in entgegengesetzter Richtung durch die Fläche. Abbildung 1.1.31.: Prinzip der rotatorischen Spannungserzeugung Induzierter Fluss: Die Spule rotiere mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω , so dass wegen ϕ = ωt auch A′ = A cos ωt gilt. Damit ergibt sich der zeitabhängige Fluss durch die Spulenfläche zu φ ′ = BA cos ωt Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (1.1.64) Seite 32 Grundlagen der Elektrotechnik Induzierte Spannung: Mit Hilfe des Induktionsgesetzes erhalten wir die an den Drahtenden abgreifbare Spannung u = −uind = dφ ′ d = ( BA cos ωt ) = − BAω sin ωt = u$ sin ωt dt dt (1.1.65) Spule: In einer Spule mit N Windungen entsteht die Spannung u = − N BA ω sin ωt (1.1.66) Wir erhalten eine sinusförmige Spannung mit dem Scheitelwert (Spitzenwert der Amplitude) u$ = N BA ω (1.1.67) Realisierung: Für die Praxis ist es notwendig, die Spannung aus der rotierenden Spule auf feststehende Leitungen zu bekommen. Dazu gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten (siehe Abb. 1.1.32) : 1. Abgriff mittels Kommutator (Stromwender): Bei der Drehung der Spule wird die Zuordnung der Spulenanschlüsse zu den Leitungen so geändert, dass die Polarität der abgegriffenen Spannung gleich bleibt. Man erhält eine pulsierende Gleichspannung. 2. Abgriff über Schleifringe: Mit der Drehung der Spule ändert sich nicht nur die Amplitude, sondern auch das Vorzeichen der abgegriffenen Spannung. Man erhält eine Wechselspannung u u ωt ωt Abbildung 1.1.32: Abgriff der induzierten Spannung mittels Kommutator oder Schleifringen Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 33 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.10 Transformator Aufbau: Bei einem Transformator sind zwei Spulen durch einen gemeinsamen magneti- schen Kraftfluss miteinander gekoppelt (siehe Abb.1.1.33) . Der in der Primärspule erzeugte Fluss erzeugt in der Sekundärspule eine Induktionsspannung. Nach dem Induktionsgesetz kann ein Transformator nur mit Wechselspannung betrieben werden (Änderung des Magnetflusses). In der Praxis werden die Spulen auf einem weichmagnetischen Eisenkern angeordnet zur Erhöhung des Magnetflusses. Prinzip: An der Primärspule N1 wird die Wechselspannung u1 angeschlossen, deren Strom i1 das Feld H1 erzeugt. Die damit verbundene Induktion B1 ergibt im Querschnitt einen Fluss φ1 , der die Sekundärspule N 2 durchsetzt und dort aufgrund des Induktionsgesetzes die Spannung u2 und bei geschlossenem Stromkreis den Strom i2 erzeugt. Abbildung 1.1.33.: Prinzip des Transformators Leerlauf: Es gilt für die Primärseite: u1 = − N1 dφ1 dt (1.1.68) Mit φ1 = φ2 ist das Übersetzungsverhältnis des Transformators ü : ü= Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch u1 N1 = u2 N 2 (1.1.69) Seite 34 Grundlagen der Elektrotechnik Leistung: Unter der Voraussetzung, dass keine Verluste auftreten, gilt für die Leistungen p1 = u1 i1 = p2 = u2 i2 und somit u1 i1 N1 = = =ü u2 i2 N 2 (1.1.70) Die Ströme in den Spulen sind umgekehrt proportional den Windungszahlen. Praxis: Die Wicklung für die höhere Spannung hat die höhere Windungszahl aus dünnem Draht und die Wicklung für die niedrigere Spannung hat die kleinere Windungszahl aus dickem Draht. Anwendung: Prinzip einer Kraftfahrzeug-Zündspule (siehe Abb. 1.1.34) : Die KFZ-Zündspule besteht aus einem Eisenkern mit der Wicklung N1 aus wenigen Windungen dicken Drahtes und der Wicklung N 2 aus vielen Windungen dünnen Drahtes. Abbildung 1.1.34.: Prinzip einer KFZ-Zündspule Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 35 Grundlagen der Elektrotechnik Schalter S geschlossen: Der Batteriegleichstrom baut einen magnetischen Fluss im Eisenkern auf. Kurzzeitiges Öffnen des Schalters durch die Nockenwelle: Schneller Zusammenbruch von φ . Wegen des hohen Übersetzungsverhältnisses ü = N1 / N 2 kann man Spannungen zwischen 6 und 30kV erhalten, die durch einen Funkenüberschlag an der Zündkerze das Benzin-Luft-Gemisch zur Explosion bringen. Kondensator C dient zur Funkenlöschung am Schaltkontakt. Bemerkungen: 1. Um bei Transformatoren möglichst geringe Verluste zu haben, verwendet man Dynamoblech, das eine geringe Fläche unter der Hystereskurve hat. 2. Zur Übertragung von elektrischer Energie wird mit Transformatoren eine Hochspannung erzeugt, die beim Verbraucher wieder heruntertransformiert wird. 3. Zur galvanischen Trennung von Schaltungsteilen mit verschiedenen Spannungspegeln kann ein Transformator zur Signalkopplung verwendet werden. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 36 Grundlagen der Elektrotechnik 1.1.11 Wirbelströme Induktion: Zur Erzeugung von Induktionsspannungen sind keine Leiter erforderlich! In jedem Volumen, in dem sich ein magnetischer Fluss zeitlich ändert, entstehen induzierte Spannungen, die bei Vorhandensein von Ladungsträgern einen Stromfluss zur Folge haben. Bei konstantem Magnetfeld kann ein Wirbelstrom durch Bewegung einer metallischen Platte in dieser erzeugt werden. v Entstehung: Eine Ladung q trete mit der Geschwindigkeit v senkrecht in ein Magnetfeld uv uv v der Induktion B ein. Aufgrund der Lorentzkraft wird die Ladung senkrecht zu v und B abgelenkt, bei passender Kraft auf einen Kreis (siehe Abb. 1.1.35) . Abbildung 1.1.35.: Entstehung von Wirbelströmen Transformatoren: Im Eisenkern eines Transformators ändert sich der Magnetfluss und nach dem Induktionsgesetzt werden dann auch Spannungen im Eisenkern induziert. Die Feldlinien dieser Spannungen sind in sich geschlossen und erzeugen aufgrund der vorhandenen Ladungsträger Kreisströme im Eisen, so genannte Wirbelströme, die das Material erwärmen. Man will die Wirbelstromverluste möglichst klein halten, um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Realisierung: Die magnetischen Bauteile werden nicht als massiver Eisenkern realisiert, sondern in der Form von dünnen Eisenblechen, die elektrisch isoliert werden durch dünne Papier- oder Lackschichten und so den Magnetkern bilden. Zusätzlich wird der elektrische Widerstand der eingesetzten Bleche durch Zugabe von Silizium erhöht. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 37 Grundlagen der Elektrotechnik Hochfrequenz: Da die Induktionsspannungen proportional zur Frequenz sind, müssen bei HF-Transformatoren weitere Schritte zur Reduzierung der Wirbelstromverluste unternommen werden: Die Eisenkerne werden aus Eisen in Pulverform mit isolierenden thermoplastischen Kunststoffen gebildet. Man verwendet dazu schlecht leitende Eisenoxidgemische. Schweißen: Nach dem Energieerhaltungssatz wird bei der Erwärmung eines Bauteils elektrische oder mechanische Energie in Wärme umgewandelt. Bringt man ein leitendes Werkstück in die Nähe einer passend geformten Spule, die mit HF erregt wird, so kann die Wärme zum Schmieden, Löten oder Härten ausreichen. v Wirbelstrombremse: Wird eine gut leitende Metallplatte mit der Geschwindigkeit v in uv einem konstanten Magnetfeld B bewegt, so werden die freien Elektronen entsprechend der Lorentzkraft beschleunigt. Außerhalb des Feldes schließen sich die Elektronenströme. Die Energie der Strömung wird der Bewegungsenergie des Metallteils entnommen, so dass dieses proportional zu seiner Geschwindigkeit abgebremst wird. Anwendung: 1. Wirbelstromdämpfung bei Messgeräten im so genannten aperiodischen Grenzfall. 2. Wirbelstromdämpfung bei Energiezählern. 3. Abbremsung der Drehbewegung von Motoren, wobei aber eine Abbremsung auf v = 0 nicht möglich ist. Das erfordert eine zusätzliche Reibungsbremse. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 38 Grundlagen der Elektrotechnik 2 Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 39 Grundlagen der Elektrotechnik 2. Wechselstromlehre 2.1 Grundbegriffe 2.1.1 Vorkommen und Arten von Wechselströmen Wechselstrom: Der Schwerpunkt der Anwendungen in der Elektrotechnik liegt auf dem Gebiet der Wechselströme und -spannungen. Passive Bauteile: Kondensatoren, Induktivitäten und Ohm’sche Widerstände. Aktive Bauteile: Generatoren, Motoren. Energietechnik: • Die Energieerzeugung erfolgt mit Drehstromgeneratoren für große Leistungen, die in Kraftwerken von Turbinen angetrieben werden. 90% der elektrischen Energie werden als Wechselspannungsenergie erzeugt und verteilt. • Energietransport über weite Strecken nach Herauftransformation der Spannung mit einem Transformator. Wärmeverluste auf den Leitungen nehmen mit zunehmender Spannung ab. z.B.: Spannungen in Europa 400 kV , in Russland und Kanada 700 kV . • Umwandlung der elektrischen in mechanische Energie durch Drehstrommotoren. Einfache und robuste Motoren, oft mit elektronischer Drehzahlregelung. • 2 Frequenzwahl: Bahnstromversorgung mit 16 Hz , Europäisches Energienetz im 3 Verbund 50 Hz und USA Energienetz im Verbund 60 Hz . • Drehstromnetz: Besondere effektive Energieübertragung in einem Netz von drei mit einander verketteten Wechselspannungen. Zwei verschiedene Verbraucherspannungsangebote: 230V und 400V . Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 40 Grundlagen der Elektrotechnik Nachrichtentechnik: • Sprache und Musik: 16 Hz − 20kHz . • Sprache beim Telefon: 300 Hz − 3400kHz . • Nachrichtenübertragung: 10kHz bis 10GHz für Rundfunk, Fernsehen, Funkverkehr, Navigation in der Luft und auf See, Radar und Telefonverbindungen (inkl. Nachrichtenverkehr auf Datenleitungen) • Funkübertragung: Mit elektromagnetischen Wellen erzeugt durch hochfrequente Wechselströme. . Abbildung 2.1.1.: Beispiele verschiedener Wechselströme Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 41 Grundlagen der Elektrotechnik Sinusförmig: Am einfachsten mathematisch zu behandeln sind sinusförmige Wechselgrößen nach Teilbild (c) in (Abb. 2.1.1), da bewährte und leistungsfähige Rechenvorschriften existieren. Dreieck-/ Rechteckförmig: Diese einfach aussehenden Funktionen im Teilbild (a) und (b) können mit Hilfe der Fouriertheorie in eine Summe von sinusförmigen Wechselgrößen zerlegt werden. Allgemein: Wechselgrößen entsprechend Teilbild (d) können nicht mehr mathematisch geschlossen sondern nur approximativ durch sinusförmige Wechselgrößen angenähert werden. Gemeinsamkeit: Wechselgrößen sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Werte periodisch wiederkehren. Periodendauer: Der zeitliche Abstand zwischen 2 beliebigen Punkten gleicher Amplitude mit gleicher Phasenlage wird als Periodendauer T bezeichnet. Gleichanteil: Reine Wechselgrößen enthalten keinen Gleichanteil, d.h. der zeitliche Mittel- wert über eine Periode ist Null. Bemerkung: Im Folgenden werden alle Ausführungen für sinusförmige Wechselgrößen gemacht wegen des geringeren Rechenaufwands und der großen elektrotechnischen Bedeutung. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 42 Grundlagen der Elektrotechnik 2.1.2 Eigenschaften sinusförmiger Wechselgrößen Sinusförmiger Strom: Ein sinusförmiger Strom entsprechend (Abb. 2.1.2a) kann beschrieben werden mit i = $i sin ωt (2.1.1) Hierin bedeutet i den augenblicklichen Strom, $i den Scheitelwert des Stromes, und ω die Kreisfrequenz und t die Zeit Abbildung 2.1.2.: Ohm’scher Widerstand: a) Strom- und Spannungsverlauf und b) Leistungsverlauf Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 43 Grundlagen der Elektrotechnik Mit der Periodendauer T und der Frequenz f = 1/ T bestimmt sich die Kreisfrequenz zu ω = 2π f = 2π T (2.1.2) Die Einheit der Kreisfrequenz ist [ ω ] = s −1 und die Einheit der Frequenz ist [ f ] = s −1 = Hz (Hertz) Leistung: Bei der Umrechnung von Wechselgrößen in Gleichgrößen soll die mit der Energieart verbundene Kenngröße leistungsmäßig zu einer äquivalenten Leistungsberechnung führen. Die wesentliche Kenngröße für Wechselgrößen wird daher der Effektivwert und nicht der Scheitelwert sein. Widerstand: Ein sinusförmiger Strom (Gl. 2.1.1) führt an einem ohm’schen Widerstand zu einer Erwärmung unabhängig von der Stromrichtung. Die umgesetzte Leistung am Widerstand nach dieser Gleichung P= W U2 =U ⋅I = I2 ⋅R = t R (2.1.3) 2 P = $i ⋅ sin 2 (ωt ) ⋅ R (2.1.4) wird damit Der Leistungswert wechselt periodisch zwischen Null und einem Maximalwert P̂ . Effektivwert: Aus der Sinuskurve des Stromes wird der Effektivwert ieff so bestimmt, das er genauso groß ist, wie ein ersatzweise fließender Gleichstromwert, um dieselbe Arbeit zu verrichten. Es gilt T T 0 0 W= P T = ieff2 RT = ∫ P(t ) dt = R ∫ i 2 (t ) dt (2.1.5) Bedeutung: Die schraffierte Fläche unter der Leistungskurve in (Abb. 2.1.2) ist gleich der Rechteckfläche mit der Höhe P (der mittleren Leistung) und der Dauer T. Bestimmung des Effektivwertes: Wir erhalten die mittlere Leistung P zu P= Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch T 1 $2 i R ∫ sin 2 (ωt ) dt = ieff2 ⋅ R 0 T (2.1.6) Seite 44 Grundlagen der Elektrotechnik Damit bestimmt sich der Effektivwert zu ieff = $i 1 T ∫ T 0 sin 2 (ωt ) dt (2.1.7) Nebenrechnung: Der Wert des Integrals A bestimmt sich zu T T1 A = ∫ sin 2 (ωt ) dt = ∫ (1 − cos ( 2ωt ) ) dt 0 0 2 1 T = ∫ (1 − cos ( 2ωt ) ) dt 2 0 1 1 T 1 1 sin 2ωT = T − ∫ cos ( 2ωt ) dt = T − 2 2 0 2 2 ⋅ 2ω 1 1 T sin 4π = T = T− 2 2 ⋅ 2π 2 wobei die Beziehung ω = 2π / T verwendet und weiterhin sin 4π = sin 0 = 0 eingesetzt wurde. Effektivwerte: Es folgt damit für den Effektivwert ieff = $i $i 1 1 ⋅ ⋅T = = 0.707 $i = I T 2 2 (2.1.8) Genauso ergibt sich für die sinusförmige Spannung ueff = u$ = 0, 707 u$ = U 2 (2.1.9) Die Effektivwerte werden mit großen Buchstaben abgekürzt, also ieff = I und ueff = U . Scheitelfaktor: Das Verhältnis $i u$ = = 2 =ε I U (2.1.10) wird als Scheitelfaktor bezeichnet. Dieser hat bei sinusförmigen Wechselgrößen den Wert ε sin us = 1, 414 . Andere Kurven: Weitere Werte für Scheitelfaktoren mit anderen Kurvenformen sind: • Rechteckförmiger Verlauf → ε rechteck = 1 • Dreieckförmiger Verlauf → ε dreieck = 3 = 1, 73 Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 45 Grundlagen der Elektrotechnik Messgeräte: Handelsübliche Messgeräte sind für die Effektivwertmessung bei Wechsel- grössen auf einen Scheitelfaktor von 2 = 1, 414 geeicht. Bei der Messung anderer Wechsel- grössen ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Werte für den Scheitelfaktor Fehler bei der Messung von Effektivwerten. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 46 Grundlagen der Elektrotechnik 2.2 Komplexe Rechnung 2.2.1 Komplexe Zahlenebene Imaginäre Zahl: Senkrecht zur reellen Achse wird eine zweite Achse errichtet mit der Einheit j 2 = −1 wodurch sich die komplexe Zahlenebene ergibt. Komplexe Zahl: Eine komplexe Zahl besteht aus einem reellen Teil a und einem imaginären Teil jb .(siehe Abb. 2.2.1) r = a + jb (2.2.1) Abbildung 2.2.1.: Darstellung der komplexen und konjugiert komplexen Zahl Konjugiert komplexe Zahl: Zu der komplexen Zahl r lässt sich eine konjugiert komplexe Zahl definieren * r = a − jb (2.2.2) Winkel: Die Winkel ϕ und ϕ * der komplexen Zahlen mit der reellen Achse sind b a −b ϕ * = arctan a ϕ = arctan Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (2.2.3) Seite 47 Grundlagen der Elektrotechnik Betrag: Für den Betrag der komplexen Zahl oder die Länge des Zeigers gilt * r = r = r = a 2 + b2 (2.2.4) Komponenten: Der Zusammenhang zwischen den Komponenten und dem Winkel ergibt sich zu a = r cosϕ b = r sinϕ (2.2.5) Zusammenfassung: Wir erhalten damit als gleichwertige Darstellungen r = a + jb = r cos ϕ + r j sin ϕ = r (cosϕ + j sinϕ ) (2.2.6) Euler: Die Euler’schen Beziehungen zwischen den trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus und der Exponentialfunktion sind r = a + jb = r ⋅ e jϕ = r (cos ϕ + j sin ϕ ) (2.2.7) Da die e -Funktion hier nur als „Träger“ für den Winkel ϕ dient, kann man vereinfachend schreiben r ⋅ e jϕ = r ⋅ exp( jϕ ) = r ∠ϕ (2.2.8) Winkelfaktor: Der Winkelfaktor e jϕ = ∠ϕ zählt mathematisch positiv (entgegen dem Uhrzeigersinn). Beispiele für häufige Winkelfaktoren sind ϕ =0 → exp( j 0) = cos(0) + j sin(0) =1 ϕ = π / 2 → exp( jπ / 2) = cos(π / 2) + j sin(π / 2) = j ϕ = mπ = −1 → exp( jπ ) = cos(π ) + j sin(π ) ϕ = 3π / 2 → exp( j 3π / 2) = cos(3π / 2) + j sin(3π / 2) = − j Addition: Für die Addition von zwei Zeigern gilt r1 + r2 = (a1 + jb1 ) + (a2 + jb2 ) = (a1 + a2 ) + j (b1 + b2 ) (2.2.9) (siehe Abb.2.2.2.) Subtraktion: Für die Subtraktion von zwei Zeigern gilt r1 − r2 = (a1 + jb1 ) − (a2 + jb2 ) = (a1 − a2 ) + j (b1 − b2 ) Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (2.2.10) Seite 48 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 2.2.2.: Addition und Subtraktion komplexer Zahlen Multiplikation: Für die Multiplikation von zwei Zeigern in Exponentialform gilt r1 r2 = r1 e jϕ1 r2 e jϕ2 = r1 r2 e j (ϕ1 +ϕ2 ) (2.2.11) und für die Darstellung in Komponentenform gilt r1 r2 =(a1 + jb1 ) ⋅ (a 2 + jb 2 )=(a1a 2 - b1b 2 ) + j(a1b 2 + a 2 b1 ) (2.2.12) Division: Für die Division von zwei Zeigern in Exponentialform gilt r1 r2 = r1 e jϕ1 r1 j (ϕ1 −ϕ2 ) = e r2 e jϕ2 r2 (2.2.13) und für die Darstellung in Komponentenform gilt r1 r2 = (a1 + jb1 ) (a1 + jb1 )(a2 − jb2 ) a1a2 + b1b2 a b −ab = = 2 + j 2 21 12 2 2 (a2 + jb2 ) (a2 + jb2 )(a2 − jb2 ) a2 + b2 a2 + b2 (2.2.14) Potenzieren: Ein Zeiger wird in die n-te Potenz erhoben r = (r ⋅ e jϕ ) n = r n e jnϕ = r n ∠ nϕ n (2.2.15) Radizieren: Aus einem Zeiger wird in die n-te Wurzel gezogen n r = n r ⋅ e jϕ = n r ⋅ e jϕ / n = n r ∠ϕ / n (2.2.16) Differenzieren: Die Differentiation eines Zeigers nach dem Drehwinkel ϕ liefert dr d dr jϕ d jϕ = r ⋅ e jϕ = e +r e dϕ dϕ dϕ dϕ (2.2.17) Unter der Annahme, dass die Zeigerlänge konstant bleibt, gilt dr =0 dϕ Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (2.2.18) Seite 49 Grundlagen der Elektrotechnik und damit bekommen wir als Ergebnis dr d jϕ =r e = r ⋅ j ⋅ e jϕ = j r dϕ dϕ (2.2.19) Durch die Differentiation wird der Ursprungszeiger mit j multipliziert, d.h. um den Winkel +90° = −π / 2 (gegen den Uhrzeiger) gedreht. Integrieren: Die Integration eines Zeigers über dem Drehwinkel ϕ liefert ∫ r dϕ = ∫ r ⋅ e jϕ 1 1 ⋅ dϕ = r ∫ e jϕ ⋅ dϕ = r e jϕ = r = − j ⋅ r j j (2.2.20) Durch die Integration wird der Ursprungszeiger mit − j multipliziert, d.h. um den Winkel −90° = −π / 2 (im Uhrzeigersinn) gedreht. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 50 Grundlagen der Elektrotechnik 2.2.2 Darstellung sinusförmiger Wechselgrößen Allgemein: Zur Darstellung von zeitabhängigen Größen sind folgende Kennwerte verwendet worden • Scheitelwert oder Effektivwert • Phasenwinkel gegen die Nullrichtung Zeigerdarstellung: Beim Übergang zu Zeigergrößen ergibt sich der Zusammenhang Betrag des Zeigers ⇒ Scheitelwert der Wechselgrößen Phase des Zeigers ⇒ Phasenwinkel der Wechselgrößen Da die Zeiger mit derselben Frequenz rotieren, bleiben Winkel zwischen verschiedenen Zeigern erhalten. Drehfaktor: Die konstante Drehung der Zeiger wird mit dem Drehfaktor e jωt = ∠ ωt = cos ωt + j sin ωt (2.2.21) beschrieben, der den Einheitszeiger auf einem Einheitskreis mit der Winkelgeschwindigkeit ω umlaufen lässt. Spannungszeiger: Für einen mit der Winkelgeschwindigkeit ω umlaufender Spannungs- zeiger mit dem Scheitelwert u$ erhält man dann u = u$ ∠ ωt = u$ (cos ωt + j sin ωt ) (2.2.22) Zeitfunktion: Zur Entwicklung einer Zeitfunktion kann dann entweder der Realteil (Kosinus) oder der Imaginärteil (Sinus) verwendet werden, z.B. u = Im {u} = u$ sin ωt (2.2.23) Phasenwinkel: Führt man einen Phasenwinkel ein, z.B. zwischen dem Strom { i = $i sin ωt = Im {i} = Im $i ∠ ωt } (2.2.24) und der entsprechenden Spannung { } u = u$ sin(ωt + ϕ ) = Im {u} = Im u$ ∠ (ωt + ϕ ) (2.2.25) ein, ist neben dem Drehfaktor ∠ωt = e jωt der Winkelfaktor ∠ϕ = e jϕ zur Beschreibung notwendig. Da in der Wechselstromtechnik die Zeitwerte weniger interessant sind, betrachtet man die Zeiger oft als stillstehende Größen, bei denen der Drehfaktor ∠ωt weggelassen wird. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 51 Grundlagen der Elektrotechnik 2.3 Komplexe Rechnung an Zweipolen Zweipole: Bauelemente, die nur zwei Anschlussklemmen haben und keine Spannungsquelle enthalten, nennt man passive Zweipole. Beispiele sind: (1) Ohm’scher Widerstand, (2) Spule und (3) Kondensator. Gleichstrom: Ein Gleichstrom erzeugt (im eingeschwungenen Zustand) an einer Spule keinen Spannungsabfall und ein Kondensator wirkt als Leitungsunterbrechung. Zeitabhängige Vorgänge treten nur beim Ein- oder Ausschalten eines Stromes oder einer Spannung auf. Wechselstrom: Da sich Spannung und Strom periodisch mit der Zeit ändern, ist sowohl die zeitabhängige Stromänderung bei der Spule als auch die zeitabhängige Spannungsänderungen beim Kondensator von zentraler Bedeutung. Idealisierung: Im folgenden werden idealisierte Bauelemente untersucht, d.h. • die Spule hat nur ein magnetisches Feld, • der Kondensator hat nur ein elektrisches Feld und • der Widerstand hat nur ein ohm’sches Verhalten (Wirkwiderstand). 2.3.1 Widerstand Strom: Liegt an einem Widerstand (siehe Abb. 2.3.1) eine Wechselspannung u, so erhält man für den Strom den zeitabhängigen Wert i= u u$ = G ⋅ u = sin ωt = G ⋅ u$ ⋅ sin ωt = $i sin ωt R R (2.3.1) Strom und Spannung am Widerstand sind in jedem Augenblick in Phase, d.h. es tritt keine Phasenverschiebung ϕ auf. Abbildung 2.3.1.: Wechselspannung und -strom am Widerstand In dem Zeigerdiagramm sind u und i parallel zur reellen Achse. Auf eine komplexe Rechnung kann verzichtet werden, da keine Komponente in Richtung der imaginären Achse auftritt. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 52 Grundlagen der Elektrotechnik Zeitwert: Für den Zeitwert der Leistung P gilt P = u ⋅ i = i2R = u2 R (2.3.2) Da Spannung und Strom am Widerstand in Phase sind, nimmt die Leistung am Widerstand entsprechend (Abb. 2.3.2) periodisch von Null (Spannung und Strom sind Null) bis zu einem Maximalwert (Spannung und Strom sind maximal) zu. Abbildung 2.3.2.: Leistung am Widerstand Mittlere Leistung: Anstelle der periodischen Wirkleistung lässt sich eine mittlere Leistung P definieren, die während der Periodendauer T dieselbe Energie W umsetzt, wie die schwingende Leistung P (t ) . T T W = PT = ∫ Pˆ sin 2 ωt dt = uˆ $i ∫ sin 2 ωt dt 0 0 (2.3.3) Nach (Gl. 2.1.6) erhalten wir mit den Effektivwerte U = ueff und I = ieff die mittlere Leistung P= zu: W U2 = I ⋅U = I 2 ⋅ R = T R (2.3.4) Ergebnis: Die Wirkleistung ist das Produkt der Effektivwerte von Strom und Spannung. Die Einheit ist entsprechend der Einführung in der Gleichstromlehre das Watt (W); die Einheit der Energie ist Wattsekunde (Ws)= J (Joule). Bemerkung: u := Spannungszeiger mit Betrag u$ U := Spannungszeiger mit Betrag U = ueff Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 53 Grundlagen der Elektrotechnik 2.3.2 Kondensator Strom: Wenn am Kondensator (siehe Abb. 2.3.3) die Spannung u anliegt, erhalten wir ic = C den Strom duc dt (2.3.5) Abbildung 2.3.3.: Spannung und Strom beim Kondensator Für eine sinusförmige Spannung uc = u$ sin ωt ergibt sich ic = C d (uˆ sin ωt ) = C ω uˆ cos ωt dt (2.3.6) Mit der mathematischen Beziehung cos ωt = sin (ωt + π / 2) ergibt sich abschließend ic = Cω u$ sin(ωt + π / 2) (2.3.7) Wenn der Spannungszeiger U auf der positiven reellen Achse liegt, weist der Stromzeiger I in die Richtung der positiven imaginären Achse. Zeigerdarstellung: Der Strom ic eilt der Spannung uc um +90° voraus. In der Zeigerdar- stellung entspricht dieses einer Multiplikation mit + j I = jω CU (2.3.8) Blindleitwert: Wir führen den kapazitiven Blindleitwert ein (analog zu I = GU ) Bc = ω C (2.3.9) und erhalten damit (analog zu U = RI ) U= Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch I I I =−j =−j = j I Xc ωC j Bc Bc (2.3.10) Seite 54 Grundlagen der Elektrotechnik Blindwiderstand: Damit erhalten wir den Betrag des kapazitiven Blindwiderstands zu Xc = 1 1 = ω C Bc (2.3.11) Bemerkung: Blindwiderstand X c und Blindleitwert Bc sind eine Funktion der Kreisfrequenz ω (siehe Abb. 2.3.4). Abbildung 2.3.4.: Phasenwinkel und Frequenzgang des kapazitiven Blindleitwerts und Blindwiderstands Der Leitwert wächst proportional zur Kreisfrequenz von Null an; der Widerstand geht von sehr großen negativen Werten aus gegen Null. Die Phasenwinkel ϕ B und ϕ X zwischen Strom und Spannung sind konstant, d.h. keine Funktion der Kreisfrequenz. (ϕ = arctan(Im {Z } / Re {Z })) Leistung: Jeweils nach 90° ist entweder i oder u Null, so dass dann auch die Leistung Null wird. Der Verlauf der Leistungsschwingung ist in (Abb. 2.3.5) dargestellt. 0 bis T/4: Der Kondensator wird vom Generator aufgeladen mit der Energie 2 1 W = C u$ 2 (2.3.12) T/4 bis T/2: Der Kondensator entlädt die eben aufgenommene Energie in den Generator zurück. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 55 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 2.3.5.: Kapazitive Blindleistung beim Kondensator T/2 bis 3T/4: Der Generator liefert die Energie bei umgekehrtem Vorzeichen von Strom und Spannung. 3T/4 bis T: Die Energie fließt wieder in den Generator zurück. Ergebnis: Beim idealen Kondensator geht keine Energie verloren (als Wärme oder mechani- sche Energie), sondern sie pendelt zwischen Generator und Kondensator hin und her. Wirkleistung: Die Wirkleistung beim Kondensator ist damit P=0 (2.3.13) Blindleistung: Man definiert eine kapazitive Blindleistung zu (ϕ = 90°, X c 〈 0) 2 2 Qc = U I = U / X c = I X c 〈 0 (2.3.14) Die Einheit der Blindleistung ist “Voltampere reactice“ (Var), zur Unterscheidung von der Wirkleistung, die die Einheit Watt hat. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 56 Grundlagen der Elektrotechnik 2.3.3 Spule Strom: Bei der Spule (siehe Abb. 2.3.6) setzen wir aufgrund der einfachen mathematischen Behandlung einen kosinusförmigen Strom voraus iL = − $i cos ωt (2.3.15) Abbildung 2.3.6.: Spannung und Strom bei der Spule Spannung: Wir erhalten die Spannung nach di d = L (−$i cos ωt ) dt dt =L ω $i sin ωt = L ω $i cos(ωt − π / 2) uL = L (2.3.16) =u$ sin ωt = u$ cos(ω t - π /2) Wenn der Spannungszeiger U auf der positiven reellen Achse liegt, weist der Stromzeiger I in die Richtung der negativen imaginären Achse. Zeigerdarstellung: Die Spannung uL eilt dem Strom iL um +90° vor (Negative Amplitude d.h. −180° und −90° Phasenwinkel). In der Zeigerdarstellung entspricht dieses einer Multiplikation mit + j U = jω L I (2.3.17) Blindwiderstand: Wir führen den Betrag des induktiven Blindwiderstands X L = ωL (2.3.18) ein und erhalten damit I= U U U =−j =−j = jU BL ωL j XL XL (2.3.19) Blindleitwert: Damit erhalten wir den Betrag des induktiven Blindleitwerts zu BL = Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch 1 1 = ωL X L (2.3.20) Seite 57 Grundlagen der Elektrotechnik Bemerkung: Blindwiderstand X C und Blindleitwert BC sind auch hier entsprechend (Abb. 2.3.7 ) eine Funktion der Kreisfrequenz ω . Der Widerstand wächst proportional zur Kreisfrequenz von Null an. Der Leitwert geht von sehr großen negativen Werten aus gegen Null. Die Phasenwinkel ϕ B und ϕ X zwischen Strom und Spannung sind konstant, d.h. keine Funktion der Kreisfrequenz. Abbildung 2.3.7.: Phasenwinkel und Frequenzgang des induktiven Blindleitwerts und Blindwiderstands Leistung: Jeweils nach 90° ist entweder i oder u Null, so dass dann auch die Leistung Null wird. (Siehe Abb.2.3.8, analog zum Kondensator). T/4 bis T/2: Die Spule wird vom Generator aufgeladen mit der Energie W= 1 $2 Li 2 (2.3.21) T/2 bis 3T/4: Die Spule entlädt die eben aufgenommene Energie in den Generator zurück. 3T/4 bis T: Der Generator liefert die Energie bei umgekehrtem Vorzeichen von Strom und Spannung. T bis 5T/4: Die Energie fließt wieder in den Generator zurück. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 58 Grundlagen der Elektrotechnik Abbildung 2.3.8.: Induktive Blindleistung bei der Spule Ergebnis: Auch bei der idealen Spule geht keine Energie verloren, sondern sie pendelt zwischen Generator und Induktivität hin und her. Wirkleistung: Die Wirkleistung bei der Spule ist damit P=0 (2.3.22) Blindleistung: Man definiert eine induktive Blindleistung zu (ϕ = −90° , X L 〉 0) 2 2 QL = U I = U / X L = I X L 〉 0 (2.3.23) Die Einheit der Blindleistung ist “Voltampere reactice“ (Var). Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 59 Grundlagen der Elektrotechnik 2.3.4 Leistungsbegriffe in komplexer Darstellung Betrachtet wird ein allgemeiner linearer Zweipol von beliebigem inneren Aufbau (Abb.2.4.1). An seinen Klemmen liege die zeitharmonische Spannung u (t ) und es fließe der Strom i (t ) Abbildung 2.4.1.: Strom und Spannung an den Klemmen eines Zweipols von der Form: { i (t ) = iˆ ⋅ cos(ωt + ϕ ) = Re {iˆ e } { } } = Re{I e } u (t ) = uˆ ⋅ cos(ωt + ϕu ) = R e uˆ e jϕu e jωt = Re U e jωt i jϕi e jωt (2.4.1) jω t (2.4.2) Dabei wird ein Verbraucherzählpfeilsystem angenommen. Die momentane Leistung p (t ) ist dann: p (t ) = u (t ) ⋅ i (t ) = uˆ ⋅ iˆ ⋅ cos(ωt + ϕu ) ⋅ cos(ωt + ϕi ) (2..4.3) Mit dem Additionstheorem cos( x) ⋅ cos( y ) = 1 ( cos( x − y ) + cos( x + y ) ) 2 (2.4.4) wird daraus 1 p(t ) = uˆ ⋅ iˆ ⋅ cos (ϕu − ϕi ) + cos ( 2ωt + ϕu + ϕi ) 2 (2.4.5) Entsprechend den Zählrichtungen von u (t ) und i (t ) nimmt der Zweipol im Fall p (t ) 〉 0 Leistung auf, im Fall p (t ) 〈 0 gibt er Leistung ab. Wir schreiben den Term cos(2ωt + ϕu + ϕi ) in der Form cos(2ωt + ϕu + ϕi ) = cos ( 2 (ωt + ϕu ) − (ϕu − ϕi ) ) (2.4.6) Mit dem Additionstheorem cos( x − y ) = cos x ⋅ cos y + sin x ⋅ sin y (2.4.7) wird daraus cos(2ωt + ϕu + ϕi ) = cos 2(ωt + ϕu )cos(ϕu − ϕi ) + sin 2(ωt + ϕu )sin(ϕu − ϕi ) (2.4.8) und nun können wir damit p (t ) schreiben als: { } 1 p(t ) = uˆ ⋅ iˆ ⋅ (1 + cos 2 (ωt + ϕu ) ) cos (ϕu − ϕi ) + sin 2 (ωt + ϕu ) sin (ϕu − ϕi ) 2 Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch (2.4.9) Seite 60 Grundlagen der Elektrotechnik Offenbar besitzt der Term (1 + cos 2(ωt + ϕu )) den Mittelwert 1 und der Term (sin 2(ωt + ϕu )) den Mittelwert 0. Man bezeichnet die Leistung, die zeitlich im Mittel vom Zweipol aufgenommen wird, als Wirkleistung P . Dem gegenüber steht ein Anteil, der im zeitlichen Mittel 0 ist, also eine Leistung, die vom Zweipol aufgenommen und zu anderen Zeiten wieder abgegeben wird. Diesen Anteil bezeichnet man als Blindleistung Q und man schreibt 1 P = p(t ) = uˆ ⋅ iˆ ⋅ cos(ϕu − ϕi ) = ueff ⋅ ieff ⋅ cos(ϕu − ϕi ) 2 (2.4.10) 1 Q = uˆ ⋅ iˆ ⋅ sin(ϕu − ϕi ) = ueff ⋅ ieff ⋅ sin(ϕu − ϕi ) 2 (2.4.11) Mit der Zerlegung(Gl. 2.4.10, 11) in Wirk- und Blindleistung kann die Momentanleistung (Gl. 2.4.9) auch geschrieben werden als p(t ) = P ⋅ (1 + cos 2(ωt + ϕu )) + Q ⋅ sin 2(ωt + ϕu ) (2.4.12) In dieser Form erkennt man die Bedeutung der Wirkleistung P als den zeitlichen Mittelwert der Momentanleistung sowie die Blindleistung Q als die Amplitude des mittelwertfreien und zeitlich schwankenden Anteils der Momentanleistung p(t ) . In (Abb. 2.4.2) sind beispielhaft die Funktion u (t ), i(t ), p (t ) sowie der zeitliche Mittelwert von p(t ) für ϕu − ϕi = 60o dargestellt. Abbildung (2.4.2) Spannung, Strom und Momentanleistung für Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch ϕu − ϕi = 60o Seite 61 Grundlagen der Elektrotechnik Zerlegen wir den Strom in (Abb.2.4.3) in einen Anteil, der mit u (t ) in Phase ist und in einem Anteil, der mit u (t ) um π / 2 nacheilt, so erhalten wir zwei Stromkomponenten: I wirk und I blind . Unter Verwendung der komplexen Schreibweise können wir die komplexe Scheinleistung S = P + jQ = 1 1 ⋅ U ⋅ I ∗ = uˆ ⋅ iˆ ⋅ e j (ϕu −ϕi ) 2 2 (2.4.13) definieren, so dass P = Re {S } und Q = Im {S } ist. Es ist zu beachten, dass der konjugiert komplexe Strom für die Berechnung genutzt werden muss. Abbildung (2.4.3) Zerlegung des Stromes in einen Wirk- und einen Blindanteil Jeder Zweipol kann an seinen Klemmen durch seine Impedanz Z bzw. durch seine Admittanz Y = 1/ Z beschrieben werden. Verwendet man die Zusammenhänge U = Z ⋅ I und I ∗ = Y ∗ ⋅ U ∗ , so ergeben sich aus (Gl. 2.4.13) die Formeln für Wirk- und Blindleistung. 1 1 2 1 2 S = U ⋅ I ∗ = iˆ ⋅ Z = uˆ ⋅ Y ∗ 2 2 2 (2.4.14) 1 2 1 1 2 P = Re U ⋅ I ∗ = iˆ ⋅ Re {Z } = uˆ ⋅ Re {Y } 2 2 2 (2.4.15) 1 2 1 1 2 Q = Im U ⋅ I ∗ = iˆ ⋅ Im {Z } = − uˆ ⋅ Im {Y } 2 2 2 (2.4.16) Die Definition (Gl.2.4.13) beinhaltet die Konvention, dass induktive Blindleistung positiv und kapazitive Blindleistung negativ gezählt wird. Der Betrag der Scheinleistung errechnet sich mit: S = P2 + Q2 = uˆ iˆ ⋅ = ueff ⋅ ieff 2 2 (2.4.17) Sie ist das Produkt der Effektivwerte von Spannung und Strom. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 62 Grundlagen der Elektrotechnik An dieser Stelle sei betont, dass die Beträge von komplexen Zeigern in der Hochfrequenztechnik stets Scheitelwerte sind, während im Bereich der Energietechnik üblicherweise mit Effektivwerten gerechnet wird. Einheit: Zur besseren Unterscheidung der Leistungsarten erhalten diese unterschiedliche Massbezeichnungen: [ P ] = W (Watt), [ S ] = V A (Voltampere) und [Q ] = Var (Voltampere reactive). Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 63 Grundlagen der Elektrotechnik Literaturverzeichnis: 1. ANTEBI, E.: Die Elektrotechnik Epoche. Birkhäuser Verlag, Basel, 1983. 2. CLAUSERT, H. und G. WIESEMANN: Grundgebiete der Elektrotechnik, Band 1 Gleichstrom, Band 2: Wechselstrom. Oldenbourg Verlag, München, 1992. 3. FLEGEL, G. und K. Birnstiel: Elektrotechnik für den Maschinenbau. Carl Hanser Verlag, München Wien, 1982. 4. Friedrich, W.: Tabellenbuch Elektrotechnik Elektronik. Dümmler Verlag, Bonn, 1993. 5. HAGMANN, G.: Grundlagen der Elektrotechnik. Aula-Verlag, Wiesbaden, 2001. 6. MARINESCU, M.: Wechselstromtechnik. Vieweg, Braunschweig / Wiesbaden, 1999. 7. MÜLLER, R. und A. Piotrowski: Einführung in die Elektrotechnik, Band 1: Energietechnik, Band 2: Nachrichtentechnik. Oldenbourg Verlag, München, 1992. 8. http:\\www.ktet.fh-muenster.de/Download/ Vorlesung_ET_11/ET_Vorl_11.pdf 9. H. HAUFE, H. Nienhaus, D. Vogt: Schutz von Kabeln und Leitungen bei Überstrom. Berlin; Offenbach: vde-verlag, 1992 (VDE-Schriftenreihe; 32) 10. R: PREGELA: Grundlagen der Elektrotechnik Teil (1 und 2) Alfred Hüthig Verlag GmbH Heidelberg, (1985 und 1986. 11. http://www.sidiblume.de/info-rom/zzz/norm0207.htm 12. MOELLER/FRICKE: Grundlagen der Elektrotechnik B.G Teubner-Verlag, Stuttgart, 1986. 13. U. TIETZE. CH. SCHENK: Halbleiterschaltungstechnik Springer- Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 1993 . 14. http://www.hfs.ei.tum.de/ext/d04/leistung.pdf. 15. H. LINSE: Elektrotechnik für Maschinenbauer B. G. Teubner, Stuttgart. 1992. 16. UNBEHAUEN, R.: Grundlagen der Elektrotechnik 1.(4. Aufl.): Berlin, Springer,1994. 17. SIMONYI, K.: Theoretische Elektrotechnik, (10. Aufl.) Leipzig: Barth, Edition Dt. Verlag der Wissenschaften, 1993. Prof. Dr. Ing. Rolf Hanitsch Seite 64