Hocke, Wolfgang Geb. 30.01.1937 in Dresden Beruf: Dirigent, Komponist, Musikdirektor, Generalmusikdirektor Wolfgang Hocke, der in dem gut 20 Kilometer südlich von Dresden gelegenen Dippoldiswalde aufgewachsen ist, erhielt bereits in seiner Kindheit Unterricht im Klavier- und Orgelspiel. Als 14-Jähriger begann er 1951 in Dresden eine umfassende musikalische Ausbildung, zunächst an der Musikgrundschule, dann von 1955 bis 1959 an der Hochschule für Musik mit den Schwerpunkten Klavier, Oboe, Dirigieren und Komponieren. Zu seinen Lehrern zählten der Pianist Gerhard Berge und der Komponist und Hindemith-Schüler JohannesPaul Thilman. Noch während seines Musikstudiums wurde Hocke von dem damaligen musikalischen Leiter des Meininger Theaters, Rolf Reuter, als Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung für das Meininger Theater engagiert. Die weiteren Stationen seines jahrzehntelangen Wirkens an diesem Haus waren Chordirektor, Erster Kapellmeister, ab 1967 Chefdirigent und Musikdirektor. Ungeachtet der politischen Veränderungen 1989/90 konnte er diese Position bis 1995 ausüben, zuletzt noch als Generalmusikdirektor. Neben seinem festen Engagement in Meiningen führten zahlreiche Gastspielreisen Hocke in das sozialistische Ausland, nach 1989 auch in westliche Länder. Hocke, der sich der Dresdner Wagner-Strauss-Tradition verpflichtet fühlte, wandte sich auch Max Reger zu, der selbst in Meiningen von 1911 bis 1914 gewirkt hatte. Von Anfang an ist Hocke bestrebt gewesen, als Dirigent in der Oper wie in Konzerten zu wirken und auch noch kompositorisch tätig zu sein.1 Als Dirigent widmete er sich besonders dem Werk Richard Wagners, wobei er in dem ähnlich lange amtierenden Leiter der Musik-Sparte des Meininger Theaters, Kammersänger Günther Hofmann, einen genauso an Wagner interessierten Partner hatte. Die Zusammenarbeit begann bereits 1960 mit den Meistersingern, als Hofmann einen Aufsehen erregenden Hans Sachs sang und Hocke noch für den Chor verantwortlich war. Bei der Überarbeitung der Inszenierung für das Wagner-Jahr 1963 führte Hofmann schon Regie und Hocke stand am Dirigentenpult. In den folgenden Jahrzehnten brachte Hocke zumeist mit Hofmann als Regisseur die Walküre (1966 noch mit Olaf Koch als musikalisch Verantwortlichem), den Lohengrin (1969), den Holländer (1971), den Tannhäuser (1979), den Rienzi als Meininger Erstaufführung (1981), das 1 Alfred Erck, Geschichte des Meininger Theaters, Meiningen 2006, S. 190 1 Rheingold (1983) und die Meistersinger (1988) auf die Bühne des Meininger Theaters. Über seine Zusammenarbeit mit Hofmann und deren DDR-weite Resonanz schreibt Hocke in seinen Erinnerungen: „Uns verband und verbindet noch eine tiefe Liebe für die Werke Richard Wagners. Während der Zeit meines Engagements erarbeiteten wir bis zu seinem Ausscheiden alle Wagner-Inszenierungen gemeinsam. Der 100. Todestag des Komponisten und seine enge Beziehung zu Meiningen waren 1983 Anlaß für eine Festwoche. Wir nahmen nach einjähriger Pause den „Tannhäuser“ wieder in den Spielplan auf und konnten mit „Rienzi“ und „Rheingold“ innerhalb einer Woche drei Wagner-Inszenierungen anbieten. Kein anderes Theater in der DDR führte eine derartige Ehrung durch. Sie war ausschlaggebend für eine Einladung des Musiktheaters zu den Dresdner Musikfestspielen 1984.“2 Hockes Interesse galt aber auch den Werken von Richard Strauss, ohne dass er die Opern anderer großer Komponisten wie Mozart, Beethoven, Tschaikowski, Smetana, Weber, Verdi und Puccini vernachlässigte. In der langen Liste von Hockes Aufführungen finden sich auch Ur- und Erstaufführungen der Werke zeitgenössischer Komponisten wie Paul Dessau und Udo Zimmermann. In seinen Konzerten pflegte Hocke insbesondere das sinfonische Werk Max Regers, der mit seinem Wirken in Meiningen neben Hans von Bülow, Richard Strauss und Johannes Brahms das Meininger Orchester maßgeblich geprägt hat. Seine Sinfoniekonzerte begann Hocke - dem Regimegeist geschuldet - mit einem obligatorischen Werk eines zeitgenössischen Komponisten aus DDR oder der Sowjetunion, dem der Auftritt eines Solisten und nach der Pause die Sinfonie zumeist eines Wiener Klassikers oder eines Komponisten der Romantik folgte.3 Großes Gewicht legte er auf die Verpflichtung namhafter Solisten für seine Konzerte, wobei ihm zugute kam, dass ehemalige Meininger Künstler gerne an ihre frühere Wirkungsstätte für einen Gastauftritt zurückkehrten.4 Nach der Wiedervereinigung konnte Hocke mit dem Meininger Orchester eine ganz besondere Gastspielreise durchführen, nämlich an den Orten gastieren, die Max Reger in den Jahren 1911 bis 1914 bereist hatte: Berlin, Stuttgart, Bonn, Frankfurt/Main, Paderborn, Erlangen, Meppen, Schweinfurt, Hannover, Böblingen, Fürth, Itzehoe, Cuxhaven, Meschede, Erlangen etc. Gespielt wurden Werke von Brahms, Reger, Beethoven, Bülow, Dvorák, Schubert und Hocke selbst. Über Hockes Ausrichtung und Stil als Dirigent schreibt der Meininger Kritiker 2 Wolfgang Hocke, Hinter den Kulissen, Sondheim v. d. Rhön 1997, S. 135 3 Alfred Erck, a. a. O., S. 182 f. 4 Alfred Erck, a. a. O., S. 194 2 Alfred Erck, der den Werdegang Hockes jahrzehntelang begleitete: „Am Pult des Dirigenten zeigte sich Hocke als Vollblutmusikant, in der Oper partiturzentriert, weniger vom Szenischen beeindruckt. Obgleich er viele Sinfonien auswendig dirigierte, dürfte er doch eher vom Typus des Konzertdirigenten zuzurechnen sein. Denn er legte es darauf an, während des Spiels vor Publikum aus sich und seinen Musikern möglichst viel herauszuholen.“5 Als Komponist fühlt sich Hocke dem Neobarock und der Neoklassik verbunden, wobei sich aber auch aleatorische Elemente6 in einzelnen Werken wie „In Memoriam Max Reger“ und in einigen Kinderkonzerten finden. Bereits während seiner Zeit an der Musikhochschule brachte Hocke eigene Werke zur Uraufführung, darunter das Ballett „Little Rock“, das auch im Fernsehen der DDR gezeigt wurde. Zu seinen zahlreichen Werken zählen Opern, Oratorien, Ballettmusiken, Klavierkonzerte, Kunstlieder, sinfonische Werke und Kammermusiken, von denen nicht wenige in Meiningen uraufgeführt wurden, aber auch bei großen Veranstaltungen wie die Oper „Der Halsabschneider“ während der Dresdner Musikfestspiele 1984. Besonders hervorzuheben sind die zwei Kinderopern „Sechse kommen durch die Welt“ und „Der gestiefelte Kater“ sowie die zwölf Kinderkonzerte, die nicht zuletzt wegen ihres besonderen pädagogischen Wertes auch an anderen Theatern der DDR zu zahlreichen Aufführungen kamen. Zu Hockes Anliegen mit diesen Werken für Kinder heißt es auf der Familienhomepage: „Hocke komponierte sie unter dem Aspekt, für sein späteres Publikum die Voraussetzungen zum Musikverständnis zu schaffen. In den Konzerten werden Kinder spielerisch an die ernste Musik herangeführt. Kleine Quizrunden, Höraufgaben, Mitsingen, Mitdirigieren usw. gehören zu den Mitteln, die 5- bis 10-jährigen Zuhörer während der Aufführungen zu fesseln. Diese Konzeption trifft auch auf die Kinderopern zu. Die Anforderungen an die Interpreten entsprechen dabei dem Leistungsstand von Berufsmusikern und -sängern.“ 5 6 Alfred Erck, a. a. O., S. 194 Der seit etwa 1951 in der Neuen Musik verwendete Begriff Aleatorik leitet sich von dem lateinischen Begriff alea (Würfel, Zufall) ab. Es handelt sich dabei um ein Kompositions- verfahren, das den unkontrollierten Zufall als kompositorisches Prinzip einsetzt. Dies kann sich auf die Art und Anzahl der Instrumente, die Dauer der Aufführung, die Reihenfolge einzelner Abschnitte oder das Tempo beziehen. Die Unbestimmtheit verlangt von den Interpreten Improvisationen, soweit es der Komponist mit seinen Vorgaben zulässt. Ziel der aleatorischen Musik ist es, den Interpreten zur Mitwirkung aufzufordern. Die bekanntesten Vertreter der aleatorischen Musik sind Cage, Stockhausen und Boulez, Quelle: Das Grosse Lexikon der Musik, herausgegeben von Marc Honegger und Günther Massenkeil, Freiburg 1978, Bd. 1, S. 49 f. 3 Für seine vielfältigen Verdienste um das Musikleben erhielt Hocke 1967 den Max-Reger-Kunstpreis und noch im Mai 1989 den Kunstpreis der DDR, im März 2015 das Bundesverdienstkreuz. Nach dem Abschied vom Meininger Theater übernahm Hocke 1997 die Leitung des angesehenen Oratorienchors Liederkranz Schweinfurt 1833 e. V., die er noch immer ausübt. Hockes Autobiographie „Hinter den Kulissen“, erschienen 1997, ist ein interessantes zeitgenössisches Dokument der Kulturverhältnisse in der DDR von den frühen 1960iger Jahren bis zur Wende von 1989 und auch der gesamtdeutschen Kulturszene in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung. Deutlich wird dabei, wie der am längsten amtierende musikalische Leiter der Meininger Hofkapelle dieses über 300 Jahre alte Orchester in die neue Zeit geführt hat. Quellen: Werner P. Seiferth, Richard Wagner in der DDR – Versuch einer Bilanz, Markkleeberg 2012, S. 337; Homepage von Wolfgang Hocke „hockemusik.de“; Wolfgang Hocke, Hinter den Kulissen, Sondheim 1997; inSüdtüringen.de vom 28.03.2015 4 5 6