Koch, Olaf Geb. 14.01.1932 in Sondershausen Gest. 22.08.2001 in Halle (Saale) Beruf: Dirigent Nach dem Studium am Max-Reger-Konservatorium in seiner Heimatstadt Sondershausen (1945 – 1950) wurde Olaf Koch zunächst Ballettkorrepetitor und später erster Kapellmeister am Landestheater Meiningen. 1955 wechselte er ans Landestheater Halle, drei Jahre später als musikalischer Oberleiter nach Stralsund. 1961 kehrte er nach Meiningen zurück, zunächst als Chefdirigent, ab 1963 in der Funktion des Generalmusikdirektors. 1967 wurde er Nachfolger von Karl-Ernst Sasse als Chefdirigent des Staatlichen Sinfonieorchesters Halle, der späteren Halleschen Philharmonie, eine Position, die er bis zur „Wende“ 1990 innehatte. Danach übernahm er die Leitung der Thüringen-Philharmonie Suhl. Dieses nur regional bekannte Orchester führte er zu einer vorher nie erlangten Bedeutung mit Gastspielreisen auch in die „alten“ Bundesländer und in das europäische Ausland. Daneben war Olaf Koch seit 1972 Dozent an der Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig, wo er auch das Hochschulorchester leitete. 1975 wurde er Professor für Dirigieren an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Von 1982 bis 1986 war er Rektor der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Das Wirken von Koch beschränkte sich nicht nur auf die DDR: Als Dirigent war er u. a. in Griechenland tätig, Gastprofessuren führten ihn nach Tokio, Havanna und Pjöngjang. Auch wenn Olaf Koch während seiner Zeit in Meiningen 1961 die bereits einstudierten Meistersinger übernahm, 1962 den Tannhäuser und 1966 die Walküre dirigierte, waren der Schwerpunkt seiner Arbeit doch die Konzerte, dabei vor allem die Pflege der Meininger Tradition – Brahms, Reger, Strauss – und die sowjetischen Komponisten wie Schostakowitsch und Chatschaturjan.1 In der „Geschichte des Meininger Theaters“ beschreibt Alfred Erck, der jahrzehntelang führende Meininger Kulturrezensent, Olaf Koch als „einen Orchesterchef, der die Kapelle recht autoritär führte und auch auf die Solistenschar einen dominierenden Einfluss ausübte.“ Noch mehrfach kommt Erck auf Kochs Wirken und Erfolge in Meiningen zu sprechen: „Ein Hauptakzent in der Oper wurde von ihm auf die Werke von Verdi und Puccini gelegt – sich dabei am Ideal des „schönen Gesangs“ orientierend.“ 1 Wolfgang Hocke, Hinter den Kulissen, Sondheim v. d. Rhön 1997, S. 50 1 „Koch bevorzugte das Dirigat von Sinfoniekonzerten. Mit absolutem Gehör ausgestattet, den großen Ton liebend, dramatische Momente sehr wohl auskostend, sagte er Ungenauigkeiten gar Schlamperei gehörig den Kampf an und war bei Orchestermusikern wie Sängern gleichermaßen gefürchtet.“ „Als Konzertdirigent ist Olaf Koch eine imposante Erscheinung gewesen, und er verstand es auch, seinen Dirigierstil mit seinem gesamten Auftreten zu verbinden. Das Heroische – etwa bei Beethoven – straff und temperament-, auch glanzvoll darzubieten, war ihm seinerzeit ein Hauptanliegen. Während seiner ersten drei Jahre wurden die Konzertprogramme vom Schaffen dieses Meisters dominiert: Koch ruhte nicht eher, bis er sämtliche seiner Sinfonien und Konzerte ausgeführt hatte. Mitunter allein auf dem Programm stehend, dann wieder durch einen Brahms ergänzt, legte es Koch darauf an, den großen Ton zu treffen, schönen Klang zu verbreiten. Die Meininger Orchesterkultur verbesserte sich, die Zahl der Konzertbesucher stieg merklich an. Später ging der Dirigent dazu über, die Sinfonien slawischer Komponisten – namentlich von Musorgski und Schostakowitsch – vorzustellen.“ 2 Wie Kochs Arbeit und seine Auffassung von Mitarbeiterführung konkret aussah, schildert Wolfgang Hocke, 1967 sein Nachfolger als Meininger Musikdirektor: „Der „Maskenball“ von Verdi war die erste Oper, die Olaf Koch in Meiningen einstudierte. Regie führte Rüdiger Flohr, ein junger begabter Opernregisseur. Wir Repetitoren wechselten uns mit Klavierspiel und Dirigieren der Bühnenproben ab. Eines Abends saß Koch dabei im dunklen Zuschauerraum und hörte zu. So weit kannten wir ihn bereits, daß da etwas Unangenehmes in der Luft lag. Hatten wir wieder einmal falsche Tempi vorgegeben? Probiert wurde die Arie der Amelia. Am Ende erklärte Flohr einige Details und bat um Wiederholung der Arie. Da sprang Koch auf, kam auf die Bühne und machte mit lauten Worten dem total eingeschüchterten Regisseur klar, daß man die schwere Arie nicht zweimal hintereinander singen kann. Es fielen Worte wie laienhaft, unmenschlich, Ahnungslosigkeit gegenüber dem Musiktheater, wir sind nicht im Schauspiel usw. Beide gingen in das Konversationszimmer oder zum Intendanten. Auf jeden Fall war 1. die Probe beendet, 2. die Arbeit des Regisseurs völlig gelähmt, 3. wir für die nächste Zeit gewarnt, 4. die Leitungsebene im Musiktheater abgesteckt und 5. das Schicksal von Rüdiger Flohr am Meininger Theater besiegelt. Er kündigte sofort …“ 3 Unangenehm war auch seine Art, Diskussionen zu führen: „Er hörte lange zu. Erst wenn sie sich dem Ende zuneigten, griff er ein und 2 Alfred Erck, Geschichte des Meininger Theaters, Meiningen 2006, S. 187 - 189 3 Wolfgang Hocke, a. a. O., S. 28 2 provozierte. Das war gefürchtet. Oftmals wurde man dann mit Äußerungen konfrontiert, die irgendwann einmal unkontrolliert gefallen waren.“ 4 Selbst in ihrer Freizeit mussten die engsten Mitarbeiter Kochs Art ertragen, wie sich Wolfgang Hocke erinnert: „GMD Koch war ein privilegierter Jäger. Er besaß teure Jagdgewehre mit Waffenschein. Eines Tages lud er uns in den Meininger Stiefelsgraben ein, die Sportschießanlage mit Gaststätte ... Olaf Koch zeigte uns seine neueste Errungenschaft eine Pistole. Sie mußte ausprobiert werden. Wir gingen zum Schießplatz. Natürlich wurde ein Spiel erfunden: Wer nicht traf, bezahlte eine Runde. Wir Kapellmeister waren darin nicht so geübt wie der passionierte Jäger. Aber wir spielten mit. Er schoß zuerst und war ein wenig unglücklich. Ich machte mir keine Hoffnung auf einen Treffer. Aber eigenartigerweise traf ich gut. Dreimal ins Schwarze! Ich konnte das selbst nicht verstehen. Das war offenbar zu viel für ihn. Er brach das Spiel ab. Und man wird es nicht glauben, an den darauf folgenden Tage spürte ich es immer noch im Umgang mit ihm.“ 5 Das Denken und Wirken Kochs war stark von seiner ideologischen Ausrichtung bestimmt. Koch, von „proletarischer Herkunft aus antifaschistischem Haus“, war aus tiefster Überzeugung Kommunist und SED-Mitglied. Wie sehr, zeigte er nicht nur mit der Gründung der FDJ-Gruppe in Meiningen, sondern auch in Bemerkungen im täglichen Miteinander. Auf der Rückfahrt von einer Probe in Schmalkalden sagte er: „Wenn ein Nichtgenosse einen marxistischen Furz läßt, dann springen alle und berichten darüber. Wenn aber ein ehrlicher Kommunist tagtäglich ideologische Arbeit leistet, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, die leider nicht beachtet wird!“ 6 Als Alles vorbei war, räumte Koch ein, „Teil der Bevormundungsmechanismen“ gewesen zu sein. Doch den Anwerbeversuchen als IM habe er widerstanden, während in seinem Hallenser Orchester sieben Spitzel saßen. Auch habe er 1986 die Leitung der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ wegen „moralisch nicht vertretbarer Vorgänge oberhalb der Hochschule“ niedergelegt. Das mag alles sein, doch die, die mit ihm zu tun hatten, litten auch so unter seiner strammen ideologischen Ausrichtung, sahen sich als Opfer seiner Parteizugehörigkeit und Ideologie. Der Sohn des langjährigen Hallenser Chorleiters Wolfgang Unger schreibt zunächst über den Vorgänger seines Vaters: „Chefdirigent war Generalmusikdirektor Olaf Koch, Chordirektor und zweiter Mann im Orchester war Hartmann Haenchen, der bereits vor Olaf Koch 4 Wolfgang Hocke, a. a. O., S. 50 5 Wolfgang Hocke, a. a. O., S. 48 f. 6 Wolfgang Hocke, a. a. O., S. 43 3 unter Sasse an dieser Stelle wirkte. In dieser Zeit hatte er einen großzügigen Freiraum zur künstlerischen Entfaltung der Singakademie und zur eigenen Profilierung ... Er war gleichermaßen bei Chor und Publikum äußerst beliebt und wurde von Sängerinnen und Sängern verehrt bis vergöttert. Als Olaf Koch Chefdirigent wurde, begann zunächst eine neue positive Ära des Staatlichen Symphonieorchesters. Es sind zweifellos Kochs Verdienste, das Orchester als Hallesche Philharmonie in die Oberliga geführt zu haben. Ein exzellenter Dirigent und ein guter Orchestererzieher. Nur eine Charakterschwäche hatte allzu oft diese Vorzüge vergessen lassen: Er war machtbesessen. Man konnte mit ihm nicht partnerschaftlich arbeiten. Alles war immer gut, wenn er herrschen konnte. … Es stellte sich heraus, dass Olaf Koch seine Mitgliedschaft in der SED als Machtmittel gegen Hartmut Haenchen und den Chor benutzte, ja sogar ein absolutes Mobbing betrieb. Es war offenkundig, dass Koch Haenchens dirigentische Arbeit am Orchester verhindern wollte. Keiner von uns konnte nachvollziehen, was seine Beweggründe dafür waren. Erfolgsneid? Mangelnde Einflussmöglichkeit auf den Chor? Er hat viel Gift verstreut. Ein absoluter Tiefschlag war unter anderem die öffentliche Verhöhnung Haenchens wegen seiner christlichen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur CDU. Die Konsequenzen waren absehbar. Trotz allergrößter Proteste von Chor, von politischen und kulturellen Persönlichkeiten und Anhängern des Chores musste Hartmut Haenchen gehen. Was zurückblieb war eine absolute Verärgerung aller und eine äußerst spannungsgeladene Atmosphäre, die Olaf Koch noch lange nachgetragen wurde.“ 7 Der Nachfolger Haenchens, Wolfgang Unger, hatte nicht lange Freude an seiner neuen Aufgabe: „Es war Olaf Koch, der ihn ohne alternative Lösungen präsentierte, und er stellte sich darüber hinaus auch noch als Lehrer von Wolfgang Unger dar. Der zunächst einzige positive Ansatzpunkt und Vertrauensvorschuss der Sänger war die Tatsache, dass Wolfgang ebenso wie Hartmut Haenchen im Dresdner Kreuzchor war. Mit den immer zahlreicheren Erfolgen wuchs auch sein Selbstbewusstsein nach außen. Die Abhängigkeiten von seinem „Lehrer und Mentor“, Olaf Koch, ließ immer mehr nach. Dieser hat das sicherlich gespürt und ließ keine Gelegenheit aus, ihn vor dem Chor zu demütigen und ihm klar zu machen, wer „Herr“ und wer „Knecht“ ist. Wolfgang Unger entschließt sich, Halle zu verlassen und an die Forschungs7 Johannes Unger, Wolfgang Unger. Leben für die Musik, Norderstedt 2009, S. 26 f. 4 und Gedenkstätte Heinrich Schütze in Bad Köstritz zu wechseln: „Als Olaf Koch feststellte, dass er den Weggang nicht mehr abwenden konnte, hat er vor dem Chor getobt, allen Einfluss und seine Beziehung geltend zu machen, um eine Beschäftigung in „Bad Kösen“ zu verhindern.8 Olaf Koch fand sich aber auch im wiedervereinigten Deutschland ganz gut zurecht: Da er nach dem Fall der Mauer in Halle nicht mehr ausreichend akzeptiert wurde, übernahm er noch 1990 die „Thüringen Philharmonie Suhl“. Zudem übertrug ihm der Deutsche Musikrat die Ausbildung von Nachwuchsdirigenten aus ganz Deutschland. Kurzzeitig drängte es Olaf Koch sogar noch zurück nach Meiningen, als Anfang 1993 Pläne bekannt wurden, dass es aus finanziellen Gründen in Südthüringen nur noch ein Orchester mit Sitz in Meiningen geben soll, gleichbedeutend mit einer wie auch immer gearteten Zusammenlegung des Suhler Orchesters mit dem Meininger. Wolfgang Hocke, der Meininger Musikdirektor jener Jahre, erinnert sich: „Der damalige Chefdirigent der Suhler Philharmonie, Olaf Koch, ergriff sofort die Gelegenheit und meldete sich mit dem Orchestervorstand der Suhler in der Meininger Intendanz an. …. Olaf Koch sah die Chance, als Chef an sein altes Theater zurückzukehren, und ich hätte als Opernkapellmeister vielleicht noch heute meine Arbeit. … Die Suhler Musiker kämpften um ihren Erhalt durch eine intensive Proklamierung ihrer künstlerischen Qualität. … Es glätteten sich bald die Wogen, denn die finanziellen Mittel wurden vom Bund auch im Jahre 1993 gewährt. Die Stadt Suhl, die mit einundfünfzig Prozent das Orchester übernehmen sollte, hatte das finanzielle Problem vorerst einmal vom Tisch. Die Unterschriftensammlung der Suhler Bevölkerung für die Erhaltung des Orchesters schien sich positiv ausgewirkt zu haben.“ 9 Quellen: Meiningen-Lexikon, S. 135; Monika Zimmermann, Was macht eigentlich… ? – 100 DDR-Prominente heute, Berlin 1994, S. 134 f.; Wissenschaftsbüro Notz, „Koch, Olaf“ 8 Johannes Unger, Wolfgang Unger. Leben für die Musik, Norderstedt 2009, S. 34 - 36 9 Wolfgang Hocke, a. a. O., S. 279 f. 5