Audi-Werbung 1909-1965: Eine medienwissenschaftliche Analyse

Werbung
Einführung und Ziel der Arbeit
Seit ihrer Entstehung hat die Werbung immer mehr an Bedeutung hinzugewonnen und ist heute nicht mehr
aus dem täglichen Leben wegzudenken. In der vorliegenden Arbeit wird sie als Kulturgut verstanden, das
als zeitgeschichtliches Phänomen die Erforschung der Kulturgeschichte ermöglicht und gleichzeitig als
Kulturfaktor, der die Lebensstile, Ideologien und Trends vermittelt. Die Werbung wird hier nicht nur als
kommerzielles Kommunikationsmittel aufgefasst, das auf attraktive Weise Angebote überbringen will;
dies macht nur einen kleinen Teil der Werbung aus. Sie ist vielmehr ein Spiegel der Wirtschaft und der
Gesellschaft, der das soziale Umfeld reflektiert und prägt.
Die lange Tradition der Marke Audi erlaubt es, den gesellschaftlichen Wandel durch die sich verändernden Werbemotive darzustellen. Im Rahmen dieser Untersuchung bietet sich außerdem die Erforschung
der Unternehmens- und der Markengeschichte an, die sich anhand der unterschiedlichen Werbemotive
im Laufe der Zeit zurückverfolgen lassen. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie e. V.
(VDA) Dr. Erika Emmerich äußerte sich im Werk Faszination Auto. Autowerbung von der Kaiserzeit
bis heute, das anlässlich der Ausstellung Faszination Auto im Deutschen Werbemuseum e. V. erschien,
einmal wie folgt: „Wer sich die Exponate im Deutschen Werbemuseum anschaut, bekommt eindrucksvoll
vor Augen geführt, wie sich gesellschaftliche Veränderungen in der Werbung einer Zeit niederschlagen.
Die ausgestellten Anzeigen, Plakate und Filme zeigen deshalb nicht allein die Geschichte des Automobils,
sondern spiegeln auf faszinierende Weise die Geschichte dieses Jahrhunderts wieder [sic!].“1 Der sächsische
Automobilhersteller mit seiner wechselvollen Geschichte seit 1909 bietet einen interessanten Blick auf das
Firmen- und Markenbild und ist daher ein anregendes Untersuchungsobjekt.
Die vorliegende Studie beschränkt sich auf Printmedien als Werbeträger, weil sie im Betrachtungszeitraum dominieren. Ziel ist es, die Printwerbung (Anzeige und Plakat) als ein zeitgeschichtliches Dokument
durch die Anwendung der semiotischen Analyse zu untersuchen und dabei an die Fragen heranzutreten,
warum bestimmte Werbemotive abgebildet werden und was sie aussagen. Dementsprechend ist die Arbeit
vor allem mit semiotischen, kulturwissenschaftlichen und markenspezifischen Fragestellungen verbunden:
• Welche Motive, Zeichen, Symbole und Codes werden in der Werbung verwendet?
Welche konkreten Hintergründe und Wertvorstellungen der deutschen Gesellschaft werden seit dem
• Erscheinen des ersten Werbemotivs des Unternehmens sichtbar?
• Wie arbeitet die Werbung mit den Werten und wie versucht sie zu ihrer Entwicklung beizutragen?
• Wie spiegelt die Werbung im Laufe der Zeit die Entwicklung der Gesellschaft und des Unternehmens
wider?
1
Emmerich, E., in: Pelser, A. von, Scholze, R. (Hg.): Faszination Auto. Autowerbung von der Kaiserzeit bis heute,
1. Aufl., Frankfurt am Main, Berlin: Westermann-Kommunikation, 1994, S. 6.
11
• Wie zeigt sich der Imageaufbau der Marke in der Argumentation der Werbung?
• Welche Strategien und Techniken der Werbung werden verwendet?
• Wie ändert sich die Gestaltungsart der Werbemotive im Laufe der Zeit?
Die Arbeit will ferner die Entwicklung der Audi-Werbung und die laufende Veränderung ihrer Darstellungssowie weiterer Kommunikationsformen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausarbeiten. Das
bedeutet: Es werden auch Prospekte und Kataloge sowie Ausstellungen und Motorsportveranstaltungen
berücksichtigt, die jedoch im Detail nicht untersucht, sondern im Rahmen der Geschichte der Unternehmens- und Markenkommunikation im Analyseteil herangezogen werden.
Die Analyse ermöglicht darüber hinaus, sich mit dem mehr als 100 Jahre alten Gegenstand der Werbung, dem Automobil, und seiner gesellschaftlichen Bedeutung auseinanderzusetzen. Das Automobil als
ein Symbol der Mobilität und des technischen Fortschritts ist seit seiner Erfindung zu einem wesentlichen
Bestandteil im Leben der Menschen geworden. Zu Beginn dieser Ära war kaum daran zu denken, dass
das Auto das gesellschaftliche Leben so stark beeinflussen würde. Es wird nicht nur darum gehen, wie
die Werbemotive das Auto zeigen, d. h. wie die Werbung der Marke Audi die Fahrzeuge ihrer Zielgruppe
präsentiert, sondern auch darum, wie sich das Automobil im Leben der Menschen allmählich etabliert
und selbstverständlich wird.
12
Aufbau, Methodik und Forschungsstand
Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile: Einführung in die (Automobil-)Werbung, Methodik und Analyse. Der erste Teil wird in vier Kapitel untergliedert. Das erste Kapitel befasst sich mit einigen Grundlagen,
die von einer allgemeinen Begriffsklärung, dem Kommunikationsmodell Werbung, über Strategien und
Techniken von Werbung und Werbemitteln, bis hin zu Printmedien als Werbeträger sowie den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Betrachtung von Werbekommunikation mit Schwerpunkt Printanzeige und
Plakat reichen. Grundlegend für die Arbeit ist das darauffolgende Kapitel über Werbung als Kulturgut und
Kulturfaktor; der Fokus liegt dabei auf dem Thema Werbung und Werte. Das dritte Kapitel beinhaltet die
Erkenntnisse auf den Forschungsgebieten Werbung und Marke, und der vierte und letzte Abschnitt im ersten
Teil fokussiert sich auf die allgemeine historische Entwicklung der Automobilwerbung seit ihren Anfängen in Deutschland. Zur Darlegung dieser Grundlagen wird vornehmlich auf Fachliteratur vom Ende des
19. Jahrhunderts und aus dem jeweiligen Betrachtungszeitraum hingewiesen. Als Fachpublikationen über
Werbung erschienen z. B. Werke von Rudolf Cronau (1887), Robert Exner (1892), Tony Kellen [1899],
Richard Kropeit (1908), Victor Mataja (1910), Rudolf Seyffert (1914), Theodor König (1924), Edmund
Lysinski (1924), Erwin Paneth (1926) und Theodor Geiger (1943). Auch die aktuelle Fachliteratur wird
berücksichtigt, um die Erkenntnisse aus heutiger Zeit nicht zu vernachlässigen.
Im zweiten Teil, der sich mit der Methodik befasst, werden die Grundlagen der analytischen Vorgehensweise
zusammengefasst; die Semiotik erweist sich als überzeugende Methode, um Werbemotive fachübergreifend
zu behandeln und zu entschlüsseln (siehe auch Kapitel 5.3). Entsprechend der Fragestellung der Dissertation
wird ein Analysemodell entwickelt, dem allgemein-, firmen-, marken- und werbegeschichtliches Hintergrundwissen zugrunde liegt. Hierzu gehören außerdem Ansätze der Werbewissenschaft verbunden mit text-, bild-,
produkt- und zielgruppenbezogenen Faktoren, die unter dem semiotischen Gesichtspunkt behandelt werden.
Der dritte Teil dieser Arbeit, die Analyse, befasst sich zunächst mit dem Untersuchungszeitraum und
seiner Gliederung in Zeitabschnitte sowie dem Aufbau des Materialkorpus (d. h. Informationen über die
Materialsammlung). Im darauf folgenden Kapitel geht es um die chronologische Zusammenfassung der
wichtigsten Stationen, von der Gründung der Audi Automobilwerke GmbH bis zur Wiedergeburt der
Marke Audi im Jahr 1965. Anschließend wird das beschriebene Analysemodell angewandt. Diskutiert
werden dabei die Gedankenwelt der Menschen nach der Erfindung des Automobils und deren veränderte
Einstellungen durch den soziologischen, ökonomischen und kulturellen Wandel. Parallel dazu werden die
Firmen- und Markengeschichte sowie die Werbekommunikation erforscht. Diese Betrachtungsprozesse
sollen als Hintergrundwissen für die daran anschließende Analyse der repräsentativen Werbebeispiele aus
der Printwerbung dienen.2 Sowohl die wechselvolle Firmen- und Markengeschichte als auch die unter2
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Werbeanalyse von der Interpretation der Verfasserin abhängt. Auf
einen subjektiven Anteil kann daher nicht verzichtet werden. Sicherlich kann es für die Themen der Werbemo13
schiedlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ereignisse, die die modernen Industrienationen prägten, können sich in Werbemotiven äußern und tun dies auch. An den Analyseteil, der zahlreiche Abbildungen von historischen Werbemitteln beinhaltet, schließen sich die wichtigsten Ergebnisse der
Untersuchung im Resümee an.
Auf den Bereich der Automobilwerbung spezialisierten sich beispielsweise Gabriele Bechstein (1987),
Gerhard J. Schmidt (1989), Kristina Vaillant (1995), Andreas Steinert (2003) und Manuela Brenn (2008).
Bildbände mit anschaulichen Beispielen aus der Geschichte der Automobilwerbung erschienen von Michael
Kriegeskorke (1994), Annette von Pelser/Rainer Scholze (1994) und Udo Anderson (1984). Den Wertewandel aus soziologischer Perspektive untersuchte Joachim Roth (1996) und die Automobilwerbung aus
interkultureller Perspektive berücksichtigen Mirko Minucci (2008) und Bettina Temath (2011). Es gibt
eine Reihe von Forschungsarbeiten, die allgemein die Printwerbung mittels semiotischer Untersuchung
behandeln; bei vielen Arbeiten dominiert jedoch der sprachwissenschaftliche Schwerpunkt. Manche von
diesen Arbeiten beschäftigen sich mit Wechselwirkungen der Bild-Text-Relation bzw. mit Werbestrategien,
die die Analyse hervorbringt. Es gibt eher einen Mangel an Werbeforschung, bei der die soziokulturellen
Determinanten Beachtung finden bzw. nicht nur am Rande berücksichtigt werden. Gerade die vorliegende
Arbeit soll hier einen Beitrag dazu leisten, mit der Betrachtung des gesellschaftlichen Hintergrunds die
Werbung als Kulturgut und Kulturfaktor zu verstehen und analysieren zu können. Darüber hinaus soll
auch durch Einbindung der konkreten Unternehmens- und Markengeschichte in einen längeren Zeitraum
gezeigt werden, dass die Werbung als Dokument nicht nur des Kultur- sondern auch des Unternehmens- und
Markenwandels betrachtet werden kann. Diese kommen auf eine gewisse Art und Weise in den Werbemotiven zum Ausdruck. An dieser Stelle muss weiterhin angemerkt werden, dass die historische Entwicklung
der Unternehmenskommunikation dahingehend, also im Spiegel der Werbung, noch nicht behandelt und
bisher noch keine derartige Forschungsarbeit zur Werbegeschichte der Marke Audi veröffentlicht wurde.
Es haben bisher bei weitem nicht alle Automobilhersteller die Geschichte ihrer Werbung erschlossen und zu
diesem Thema publiziert (Ausnahmen sind z. B. Mercedes-Benz3, Škoda4 und Volkswagen5). Diese Arbeit
soll daher mit ihrer chronologischen Untersuchung der Audi-Werbung eine Lücke schließen.
3
4
5
14
tive unterschiedliche Codes (zum Begriff Code vgl. Kapitel 5.2.4) geben bzw. damalige Rezipienten konnten die
Werbemotive nicht vom Standpunkt des heutigen Forschers interpretieren. Der subjektive Anteil soll durch die
weiter oben erwähnten Erkenntnisse aus der Kultur- und Unternehmensgeschichte verringert werden. Sie werden
in die Analyse miteinbezogen und sollen für den interpretativen Rahmen als Belege dienen.
Mühr, V.: Markenkommunikation Mercedes-Benz Pkw von den Anfängen bis zur Gegenwart, Daimler AG (Hg.),
1. Aufl., Königswinter: HEEL Verlag GmbH, 2011.
Králík, J., Nachtmann, L.: 100 Jahre Škoda-Werbung von L&K bis zur Gegenwart. Druckwerbung des Automobilwerks L&K – Škoda, herausgegeben für Škoda Auto, MotoPublic, 2006.
Stern-Redaktion (Hg.): 50 Jahre Volkswagen Werbung. STERN spezial, Hamburg/Berlin: Gruner + Jahr, 2002;
Schlegelmilch, J.: VW – er läuft und läuft und läuft ... vier Jahrzehnte VW-Werbung, Königswinter: HEEL Verlag
GmbH, 2006.
Herunterladen