Ein Fotoshooting

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Georg Glaeser · Hannes F. Paulus · Werner Nachtigall
Die Evolution
des Fliegens
Ein Fotoshooting
Die Evolution des Fliegens – Ein Fotoshooting
Georg Glaeser Hannes F. Paulus Werner Nachtigall
Die Evolution des Fliegens –
Ein Fotoshooting
Georg Glaeser
Abteilung Geometrie
Universität für Angewandte Kunst Wien
Wien, Österreich
Werner Nachtigall
Universität des Saarlandes
Saarbrücken, Deutschland
Hannes F. Paulus
Department für Integrative Zoologie
Universität Wien
Wien, Österreich
ISBN 978-3-662-49898-9
DOI 10.1007/978-3-662-49899-6
ISBN 978-3-662-49899-6 (eBook)
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Einbandabbildung: Georg Glaeser
Planung: Stefanie Wolf
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Die eingetragene Gesellschaft ist Springer-Verlag GmbH Berlin Heidelberg
Vorwort
v
Ein Autoren-Trio
Dieses Buch ist ähnlich aufgebaut wie das Vorgängerbuch „Die
Evolution des Auges“. Wieder gilt: Evolution im Tierreich als solche
kann man nicht fotografieren, wohl aber ihre Ergebnisse. In diesem Fall haben wir uns auf das Fliegen spezialisiert, das im Tierreich mehrfach unabhängig „erfunden“ wurde. Diesmal hat sich
der Mathematiker und leidenschaftliche Tierfotograf Georg Glaeser mit dem erfahrenen Evolutionsbiologen Hannes Paulus und
dem Bewegungsphysiologen und Flugbiophysiker Werner Nachtigall zusammengetan, um die Thematik mit Bildern und Worten
verständlich, aber wissenschaftlich fundiert aufzuarbeiten.
Naturgemäß ergeben sich damit neben den rein biologischen Darstellungen auch Aspekte der Technischen Biologie. Diese Disziplin beschreibt und erklärt Formen und Vorgänge der Natur unter
Einbeziehung von physikalisch-technischem Know-how. Gerade
für ein tieferes Verständnis des Tierflugs können Gesichtspunkte
und Kenngrößen aus der technischen Flugphysik äußerst hilfreich
sein, auch wenn es sich nur um einfache und grundlegende Vergleiche handelt. Anregungen aus der Biologie, die in die Technik
hineinwirken („Bionik“) können sich auch ergeben; sie werden in
diesem Buch aber nicht näher thematisiert.
Fotos nicht nur nach biologischen Gesichtspunkten
Wieder stammen praktisch alle Fotos (und diesmal auch das Layout) von Georg Glaeser. Er fotografiert Tiere mit Empathie und unter künstlerischen (manchmal sogar mathematischen) Gesichtspunkten und nicht etwa „zoologisch möglichst leicht bestimmbar“.
Der Flug des Skarabäus (Pillendreher) auf Seite ii oder der Rauchschwalbe ist nicht nur flugtechnisch interessant (beim Käfer sieht
man schön, wie die Flügel bei geschlossenen Flügeldecken agieren). Schatten und Spiegelung der Oberfläche geben Zusatzinformationen preis. Bei den vielen Fotos, die der Fotograf von Pillendrehern gemacht hat, fällt auf, dass die Tiere sich gerne vor
dem Abflug so drehen, dass die Sonne im Rücken steht – und
der Schatten somit symmetrisch ist. Es geht dabei wahrscheinlich
um Orientierung am Himmel, und sicher ist das schon den alten
Ägyptern aufgefallen, die den Käfer mit ihrem Sonnengott in Verbindung brachten.
Manche Tiere mussten gezeichnet werden
Wie alle Tiere haben sich auch die flugfähigen unter ihnen im Laufe von vielen Millionen von Jahren entwickelt. Im Karbon schwirrten bereits riesige Libellen durch die Luft, Vögel entwickelten sich
in der Jurazeit, Flugsaurier tauchten erst später auf und verschwanden am Ende der Kreidezeit. Viele dieser Tiere kann man heute nur
noch rekonstruieren und „nachzeichnen“. Dies hat dankenswerterweise der Künstler Markus Roskar übernommen. Er hat auch
Tiere wie fliegende Schlangen oder gleitende Ameisen dargestellt,
weil diese nicht in hoher Fotoqualität zur Verfügung standen.
vi
Brillenblattnase (Carollia perspicillata)
vii
Oft „multiple Bilder“
Fliegen ist ein sehr dynamischer Prozess. Einzelne Schnappschüsse sind durchaus wichtig und mitunter sehr spektakulär. Für die
vollständige Analyse der komplexen Bewegungsvorgänge braucht
man aber oft „Animationen“ – zumeist Fotos, die in sehr kurzen Zeitabständen aufeinander folgen (manchmal auch Superzeitlupenfilme). Wenn es – wie im Bild in der linken Spalte – technisch leicht möglich ist, Bilder miteinander zu verschmelzen, wird
dies gelegentlich auch getan. So können wir in einem Bild Bewegungsabläufe sehen.
Verschiedene Blickwinkel zum Thema
Dieses Buch kann so gelesen werden, dass der Leser genügend
Beispiele entlang des Stammbaumes findet. Wir wollen hier zusätzlich und vor allem einen unterschiedlichen Weg gehen, der
die Entwicklung des Fliegens aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und die verschiedenen Ergebnisse der Evolution vergleichend gegenüberstellt. Dies soll großteils mittels Fotos geschehen,
gelegentlich ergänzt durch schematische Zeichnungen. Da die Fotos im Vordergrund stehen, sind die Texte stark gestrafft und sollen
dennoch genügend Information vermitteln.
Literaturangaben und Internetlinks
Wer mehr zu den jeweiligen Themen erfahren möchte, findet Verweise auf einschlägige Fachliteratur bzw. Publikationen und ausgewählte Webseiten. Bei letzteren besteht allerdings die Gefahr,
dass sich die Internetadressen ändern oder die Seiten nicht mehr
vorhanden sind. Deshalb gibt es zum Buch eine begleitende Webseite, auf der solche Änderungen dokumentiert sind.
Das Doppelseitenprinzip
Das Buch muss nicht zwingend von vorne nach hinten gelesen
werden, ist es doch nach dem „Doppelseitenprinzip“ aufgebaut.
Es werden immer wieder Querverweise zu anderen Seiten angeführt. Um beim „Quereinsteigen“ mit diversen wissenschaftlichen
Ausdrücken zurechtzukommen, sollte ein gelegentlicher Blick ins
Stichwortverzeichnis helfen.
Die unglaubliche Vielfalt
Dieses Buch soll die unglaubliche Vielfalt des Fliegens in der Natur
zeigen. Für die Mitarbeit am Buch danken wir in alphabetischer
Reihenfolge und ohne akademische Titel Daniel Abed-Navandi,
Gudrun Maxam, Axel Schmid und Sophie Zahalka. Frau Stefanie
Wolf vom Springer Spektrum Verlag hat das Projekt sehr engagiert
betreut. Bedingt durch die Limitierung der Seitenanzahl musste
eine sehr strenge Auswahl an Fotos getroffen werden. Auf der Internetseite zum Buch finden Sie jedoch zahlreiche ergänzende Fotos: www.uni-ak.ac.at/evolution
Ölkäfer (Mylabris oculata)
viii
Kapitel 1: 400 Millionen Jahre Evolution des Fliegens
Vierfach zur Perfektion ausgereift
Inhalt
1
Kapitel 2: Tiere im Flug fotografieren
In vielerlei Hinsicht herausfordernd
19
Vor ca. 400 Millionen Jahren (mya) muss es passiert sein, dass ge-
In diesem Kapitel sollen Aspekte behandelt werden, die beim Er-
wisse Insekten Flügel entwickelt haben, und nicht viel später konnten
stellen von spannendem und illustrativem Bildmaterial von Bedeu-
fast alle Insekten fliegen. Vögel entstanden immerhin schon vor 200
tung sind. Flugfotografie ist zumeist „Actionfotografie“ und erfor-
mya, Flugsaurier (von denen die Vögel nicht abstammen) 80 mya
dert schnelles Handeln. Insektenflügel bewegen sich derart schnell,
später. Im vierten Anlauf der Evolution lernten auch Säugetiere das
dass sie nur in Bruchteilen von Millisekunden „eingefroren“ wer-
Fliegen: Vor gut 20 mya tauchten die Fledertiere auf.
den können. Zudem ändern fliegende Tiere ständig ihre Distanz
zur Kamera, was Probleme mit der Schärfentiefe nach sich zieht.
Systeme der Erdzeitalter
2
Fossilien
3
Gar nicht tölpelhaft
20
Evolution – ein stetiger Prozess
4
Full speed mit sichelförmigen Flügeln
21
Stammesgeschichtliche Veränderungen
5
„Möwenfotografie“
22
Alles Leben kommt aus dem Meer
6
Senkrechter Blitzstart
23
„Missing links“
7
Rivalenkämpfe ohne Stachel
25
„Survival of the fittest“…
8
Wiederholbare Versuche
26
… und unvorstellbare genetische Variabilität
9
Auch das Heupferd ist flugfreudig
27
Flughörnchen …
10
Was die Zeitlupe zeigt …
28
… und andere Gleiter
11
Bildverschmelzung zur Informationsverdichtung
30
Das größte fliegende Wesen aller Zeiten
12
„Multiple Bilder“
31
Auf vier Beinen so groß wie eine Giraffe
13
Albtraum der Hochgeschwindigkeitsfotografie
32
Fliegende Fische
14
Was stimmt und was nicht?
33
Der Sprung aus dem Wasser
15
Unzertrennlich und intelligent
34
Konvergenz
16
Eine wahre Pracht
36
Vogel oder Insekt?
17
„Schlag auf Schlag“
38
So geht Schweben …
39
Mit geschlossenen Flügeldecken
40
Keine Hummel!
41
Ein erster Schritt zum Gleitflug
42
Gleiten und Laufen am Wasser
44
Gleitwinkel von 25°
45
Lernfähige Flugkünstler
46
Gravitation als Werkzeug
47
Spektakuläre Balz
48
Kleptoparasitismus
49
ix
Kapitel 3: Aus der Sicht des Biophysikers ...
Fluide und Größenmaßstäbe
51
Kapitel 4: Kriterien der Evolution
Sexuelle Selektion, Klimaänderungen
87
Geflogen wird in der Luft, im übertragenen Sinn manchmal auch im
Die Evolution funktioniert deswegen besonders gut, weil es zwei
Wasser. Es fliegen winzige und relativ große Tiere. Dennoch erlauben
Geschlechter gibt. Die Geschlechter finden auf verschiedene Ar-
einfache Kenngrößen aus der Flugbiophysik einen ganz guten Ver-
ten zueinander. In der Mehrzahl der Fälle wählen Weibchen ihre
gleich. Sie ermöglichen ein tieferes Verständnis für die Probleme, die
Männchen nach Fitnesskriterien aus, die diese daher demonstrie-
Tiere bei der Fortbewegung in Luft und Wasser haben – und lösen.
ren müssen (female choice). Nicht selten müssen Männchen aber
direkt um die Weibchen konkurrieren, indem sie um sie kämp-
Rekorde bei Flugtieren
52
Tiergröße und Reynolds-Zahl
54
Reynolds-Nischen und Flügelausbildung
55
Bewegung in Fluiden
56
Ganz unterschiedlich oder vergleichbar?
57
Sexuelle Evolution (1)
88
Das Cockpit
58
Sexuelle Evolution (2)
90
Huberzeugung an den Flügeln
60
Paarung von Flugtieren
91
Starre Flügel und tiefgreifende Erkenntnisse
62
Die Männchen kämpfen um die Weibchen
94
Wenn Giganten abheben ...
64
Abfangjäger
96
Koordination und Rhythmik
66
Sexualdimorphismus
98
Unterschiedliche Flugleistung
68
Buhlen um die Weibchen
Der hilfreiche „Spring“
69
Wie kommt der Pfau aufs Dach?
100
Größte und kleinste Vögel
70
Schwebeflug im Duett
102
Evolution und Physik
71
Schmarotzer im Huckepack
104
Falken: Die schnellsten Tiere der Welt
72
Aggressives Revierverhalten
105
Tollpatschig nur außer Wasser
74
Signale von beiden Geschlechtern
106
Ohne Flügelspreizen
75
Giftstoffe als Fitnessindikation
107
Fliegen?
76
Ophrys – Die Pflanze mit Sex
108
Nur unter Wasser!
77
Tolle Luftakrobatik
110
Gelegenheitsflieger
78
„Beschleunigungsrüttler“
112
Gleiten ohne Flügel
79
Aggressionsverhalten
114
Exakte Analyse eines Anflugs
80
Nahrungszufuhr und Flugunterricht
116
Insektenjagd in der Luft
82
Klimaerwärmung (1)
118
Analyse eines Steigflugs
82
Bienen und Schmetterlinge zu Weihnachten
119
Fledertiere und Vögel als Vorbild
84
Klimaerwärmung (2)
120
Der Fledertierflügel ist anders
85
fen (male-male competition). Wenn die nächste Generation besser
fliegen soll, geht es aber auch um Mutationen, die ermöglichen,
die Grenzen der Biophysik noch extremer auszureizen.
99
x
123
Kapitel 6: Vögel: Die Klassiker unter den Flugtieren
Vom Kolibri bis zum Andenkondor
165
Die Insekten sind die erfolgreichste Klasse unter den Wirbellosen.
Unter den Wirbeltieren sind die omnipräsenten Vögel der Inbegriff
Sie können fast alle mehr oder weniger gut fliegen. Offensichtlich
des Fliegens. Der Archaeopteryx – als klassisches „missing link“
war in ihrer Evolution das Flugvermögen ein dermaßen großer Vorteil,
in der Evolutionstheorie – machte mit seinen unmittelbaren Vor-
dass es sich relativ rasch „flächendeckend“ durchgesetzt hat. Selbst
fahren vor 200 Millionen Jahren den Anfang. Seither schwirren,
Riesen wie der Goliathkäfer oder Hirschkäfer können fliegen.
flattern oder gleiten sie in allen Größenordnungen und bestäuben
Kapitel 5: Insekten: Die ersten Flugtiere
Jede Nische genutzt
Die Evolution des Insektenflugs
124
Tiergröße und Antriebsmuskulatur
126
Lastentransport
128
Absolut am Limit
130
Das wohl beliebteste Insekt
132
Phänomen Honigbiene
134
Kommunikation und Tänze
135
Taubenschwänzchen
136
Kindheitserinnerungen
138
Abflug!
140
Balancieren mit dem Hinterleib
142
Lange Hälse, riesige Flügel
144
Enorme Sprungkraft
146
4000 g im Pflanzenreich
147
Fliegende Ameisen
148
Beachtliche Fähigkeiten, aber sehr unbeliebt
150
Fliegende Termiten
152
Blitzschnelle Jäger im selben Habitat
154
Halbflügeldecken
156
Ortsfester Schwirrflug
158
Dumbos Flug zur Sonne
160
Schmetterlingsfluganalysen
162
Blüten oder jagen Insekten oder Kleinsäuger.
Archaeopteryx
166
Ausreizen der biophysikalischen Grenzen
168
Biomechanische Interpretation von Vogelflug-Aufnahmen
170
Biomechanische Interpretation (2)
172
Biomechanische Interpretation (3)
174
Biomechanische Interpretation (4)
176
Beine anlegen!
178
Perpetuum mobile?
179
Fliegen mit Momentenausgleich …
180
Wechsel zwischen den Elementen
182
Unter Wasser wird gerudert
184
Gefiederpflege und/oder Balzverhalten
186
Auf leisen Flügeln
187
Die Mauser und Theorien zur Entstehung der Federn
188
„Adleraugen“
190
Die Meister im Schwirrflug
192
Manöver mit 50 Schlägen pro Sekunde
194
Gut fliegen und tauchen
196
Eigene Technik
198
Lange Beine
200
Große Greifvögel an der Grenze der Elemente
202
Mit Anlauf in den Sturzflug
204
Eine erfolgreiche Species
206
xi
Kapitel 7: Fledertiere
Fliegende Säugetiere
209
Kapitel 8: Die Faszination bleibt
Die Thematik ist und bleibt spannend
225
Fledermäuse und Flughunde haben sich erst vor 50 Millionen Jahren
Die Tatsache, dass sich Tiere – und letztendlich auch der Mensch
in die Lüfte erhoben. Insekten fliegen schon siebenmal länger, Vögel
– in die Lüfte erheben können, als ob es keine Schwerkraft gäbe,
immerhin viermal so lang. Die Flugsaurier, die 170 Millionen Jahre
übt seit jeher eine enorme Faszination auf uns aus. Die Biophysik
durch die Lüfte flogen, verschwanden durch drastische Klimaände-
hilft, die Tatsache zu verstehen und zu analysieren. Außerdem ist
rungen am Ende des Erdmittelalters. Durch die Orientierung mittels
es auch „typisch“ für die unglaubliche Fähigkeit der Evolution,
Ultraschall konnten die Fledermäuse die Dunkelheit erobern.
jede auch nur erdenkliche Nische bis an die Grenzen auszuloten,
Evolution der Fledermäuse und ihr Flugvermögen
210
Urfledermaus und „neuere Versionen“
212
Hufeisennasen und andere Fledermäuse
214
Sehen mit den Ohren
216
Analyse eines Schwirrflugs
218
Nicht nur in der Nacht
220
Zungenschnalzen zur Echoortung
222
Ein „Klassiker“: Otto Lilienthals Zeichnung zum Auftrieb bei großen Vögeln. In diesem Buch wird unter
anderem auf dieses Thema eingegangen (s. S. 60f).
indem Schritt für Schritt „ein Stein auf den anderen“ gesetzt wird.
Von der Wiege bis zur Bahre
226
Langer Rüssel vs. lange Nektarsporne
228
„Herzige Räuber“
230
Action pur
232
An des Messers Schneide
234
Spannend, wenn man genau hinsieht
236
Das Ausbreiten der Flügel
237
Kurven kratzen
238
Flugakrobaten und Langstreckenflieger
239
Vögel und Insekten im Wechselspiel
240
Schafft er's oder nicht?
241
Ein ganzer Flügelschlag
242
© Springer Berlin Heidelberg 2017
G. Glaeser, H.F. Paulus, W. Nachtigall, Die Evolution des Fliegens – Ein Fotoshooting, DOI 10.1007/978-3-662-49899-6_1
1
400 Millionen Jahre
Evolution des Fliegens
Vierfach zur
Perfektion ausgereift
Vor ca. 400 Millionen Jahren (mya) muss es passiert sein,
dass gewisse Insekten Flügel entwickelt haben, und nicht viel
später konnten fast alle Insekten fliegen. Vögel entstanden immerhin schon vor 200 mya, Flugsaurier (von denen die Vögel
nicht abstammen) 80 mya später. Im vierten Anlauf der Evolution lernten auch Säugetiere das Fliegen: Vor gut 20 mya
tauchten die Fledertiere auf.
Systeme der Erdzeitalter
2
0
3
1
Veranschaulichung der Zeiträume
Beziehen wir die gesamte „Lebensdauer“ unseres Planeten auf
einen einzigen Erdentag. Lässt man die Erdentwicklung vor 4600
4,6 Milliarden Jahre, aber 7/8 davon ohne fossile Lebensspuren
mya um 00:00 Uhr beginnen, so träten die ersten geflügelten InDie Erde ist an die 4600 Millionen Jahre (mya) alt. Das Auftreten sekten erst etwa um 21:45 Uhr auf, die ersten „Fliegenden Fische“
bestimmter Lebensformen kann man mit heutigen Methoden relativ etwas später, die ersten Vögel und die letzten Flugsaurier etwa um
genau datieren und danach gegebenenfalls auch Zeitbegriffe fest- 23:00 Uhr, gleitende Säuger vielleicht um 23:35 Uhr. Die Akteure
legen. Die ersten fossilen
Lebensspuren datieren 541 mya dieses Buchs leben also sozusagen in den letzten 2 1/4 Stunden
zurück. Geologen und Paläontologen teilen den seitdem verflosse- vor Mitternacht. (Homo sapiens erschiene in dieser Zeitskala im
nen Zeitraum in drei Großabschnitte ein, Erdzeitalter genannt.
übrigen erst 3,6 Sekunden vor Mitternacht.)
Einteilung der „Zeit mit Lebensspuren (541 Millionen Jahre)“
Es sind dies das Erdaltertum, Paläozoikum, 541-252,2 mya, das Erdmittelalter, Mesozoikum, 252,2-66 mya und die Erdneuzeit, Känozoi-
1
kum, 66 mya bis zur Jetztzeit. Diese Perioden werden weiter in Sys-
0
teme unterteilt, das Erdaltertum in sechs, das Erdmittelalter in drei
2
und die Erdneuzeit ebenfalls in drei. Da sie für die Evolution der Lebensformen bedeutsam sind und auch in diesem Buch immer wie-
3
der darauf Bezug genommen wird, seien sie hier einmal mit ihren
Grenzen (in mya) und wenigen Stichworten zum zeitlichen Auftreten
typischer Lebewesen zusammengestellt, geflügelte hervorgehoben.
Wir richten uns hier in der Einteilung, der zeitlichen Umgrenzung und
der Nomenklatur nach der modernen Stichwortdarstellung „Geologische Zeitskala“ von Wikipedia; es gibt mehrere, leicht voneinander
abweichende Ansätze und Begriffe.
2
Erdaltertum (53,4%):
• Kambrium 541-485,4 – Marine Schalenträger, Würmer, Algen
• Ordovicium 485,4-443,4 – Graptolithen, Trilobiten
• Silur 443,4-419,2 – Panzerfische, Insekten, erste Landpflanzen
• Devon 419,2-358,9 – Ammoniten, geflügelte Insekten, Fische,
Landgänge, Baumfarne
• Karbon 358,9-298,9 – Amphibien, Urlibellen, Bärlapp- und
Schachtelhalmwälder
• Perm 298,9-252,2 – Amphibien, Reptilien, Nadelhölzer
Erdmittelalter (34,4%):
• Trias 252,2-201,3 – Reptilien, Dino- und Ichthyosaurier
• Jura 201,2-145 – Dinosaurier, frühe Vögel, frühe Säuger, Farne
• Kreide 145-66 – Flugsaurier, Beuteltiere, bedecktsamige Pflanzen
Erdneuzeit (12,2%):
• Paläogen 66-23,03 – Blütenpflanzen, Primaten
• Neogen 23,03-2,588 – Fledertiere, Menschenaffen
• Quartär 2,588-0 – Mammut, Eiszeiten, Mensch
Fossilien
3
Nur ein winziger Bruchteil aller Tiere bleibt erhalten
Man nimmt an, dass seit Beginn des Erdaltertums vor 541 Millionen Jahren eine Milliarde Tier- und Pflanzenarten entstanden (und
größtenteils wieder ausgestorben) sind. Wenn man bedenkt, welch
ungeheure Zahl von Tierskeletten dabei „produziert“ worden sind,
stellt sich die Frage, welch besondere Umstände herrschen müssen, damit der Körper mancher Lebewesen nach ihrem Tod nicht
vollständig zerfällt, sodass Bestandteile, Form oder Struktur erhalten bleiben: Bis heute sind zwar weit über hunderttausend fossile
Arten wissenschaftlich beschrieben worden, aber dennoch handelt
es sich dabei nur um jenen winzigen Bruchteil aller Tierreste, die
„fossilisiert“ sind (grob gesprochen „versteinert“, also mineralisiert).
Fossilien treten in der Regel in Sedimentgesteinen (Ablagerung von
Material an Land und im Meer) auf.
Wann funktioniert das „Fossilisieren“?
Das abgebildete Vogelskelett überdauerte z. B. relativ lange nahezu
unversehrt (oben beim ersten Fund, rechts ein halbes Jahr später),
aber a la longue würde es spurlos verschwunden sein, weil es der
Witterung ausgesetzt war. In diesem Buch werden wir gelegentlich
auf echte Fossilien Bezug nehmen, so auf den berühmten Urvogel
Archaeopteryx (als „missing link“, s. S. 166), oder aber auf eine relativ seltene Form der Originalerhaltung in Form eines Einschlusses
in Bernstein (so blieben vor allem Insekten gut erhalten, s. S. 55f.,
s. S. 41f.). Voraussetzung für eine Fossilisierung ist, dass sich die
Tierleiche nicht weiter zersetzt. Sie muss also beispielsweise in sauerstofffreien Regionen abgespült worden sein (wie es sie im JuraMeer gegeben hat) oder in einen ölhaltigen Sumpf versunken sein
(wie das den Fossilien in der Grube Messel bei Darmstadt ergangen ist). Dann kann sie von einem Regen feiner, sedimentierender
Kalkkteilchen eingeschlossen oder vom späteren Ölschiefer umgeben werden und unter zunehmendem Druck „versteinern“.
Relatives und absolutes Alter
Reproduktion des „Berliner Exemplars“ des Archaeopteryx (Belgrad)
Eine naheliegende „Faustregel“ ist, dass sich in einem ungestörten
Sedimentgestein die ältesten Schichten ganz unten und die jüngs- die absolute Altersbestimmung von Gesteinen kann man u. a. die
ten Schichten ganz oben befinden. So lassen sich Funde in einer sehr langen Halbwertszeiten gewisser Elemente (Uran, Thorium, KaSchicht relativ zu Funden in einer anderen Schicht einordnen. Für lium usw.) heranziehen.
4
Evolution – ein stetiger Prozess
Evolution – oder: wie kommt es zu
stammesgeschichtlichen Veränderungen?
Als Evolution bezeichnet man die Veränderung der Organismen in
der Zeit. Schon früh hat man erkannt, dass es bei Pflanzen und Tieren eine Vielzahl solcher Abänderungen gibt, ohne zu wissen, wie
diese zustande kommen. Zwar registrierte man, dass die Nachkommen anders sind als ihre Eltern, dass diese Änderungen jedoch nur
sehr kleine waren, im Vergleich zu den Abwandlungen zwischen verschiedenen Arten. Die Frage, auf welchem Weg es zu größeren Abweichungen kommen kann, konnte erst Darwin mit seiner Selektionstheorie beantworten. Sie erst ist in der Lage, kausal zu erklären,
wie es zu größeren Veränderungen kommen kann.
Selektion: Konsequenzen für die genetische Zusammensetzung
Selektion ist nichts anderes als der Unterschied im Vermehrungserfolg im Vergleich zweier Individuen derselben Art. Wenn dieser Unterschied nicht auf Zufall beruht, sondern darauf, dass diejenigen
Individuen mit der besseren Eignung für die betreffenden Umweltsituationen mehr Nachkommen produzieren als ihre Artgenossen,
dann hat dies Konsequenzen für die genetische Zusammensetzung
in den nächsten Generationen. Diese Eignung wird als Fitness bezeichnet und diese muss erblich sein.
Stammesgeschichtliche Veränderungen
5
Darwins Thesen
Darwin führte im Jahr 1859 gleich mehrere Thesen auf, die verantwortlich sind für ein Verändern von Organismen in der Zeit:
• Evolution beschreibt, wie sich alle Populationen von Organismen
über die Zeit verändern. Dieses Geschehen ist Faktum und keine
Theorie.
• Diese evolutiven Veränderungen finden ausschließlich in kleinen
Schritten statt. Diese Größe entspricht der Veränderung zwischen
Eltern und ihren Nachkommen.
• Eine Vergrößerung der Artenzahl besteht in der Aufspaltung von
stammesgeschichtlichen Linien. Sie findet zusätzlich zu den evolutiven Änderungen innerhalb dieser Linien statt.
• Der Mechanismus für diese stammesgeschichtlichen Änderungen ist die Natürliche Selektion, die Darwin als Gegensatz zur „Künstlichen Selektion“ bei der Zucht von Haustieren und Agrarpflanzen
gesehen hat.
•
Alle Organismen stammen von einem gemeinsamen Vorfah-
ren ab. Die Mannigfaltigkeit der Organismen ist das Produkt einer stammesgeschichtlichen Entwicklung, die sich im Laufe der
Jahrmillionen nach einer Etablierung des Lebendigen (Chemische
Evolution) aus einer Stammart heraus gebildet hat. Daraus folgt,
dass alle Organismen miteinander verwandt sind.
Das Bild zeigt ein
Männchen einer Neurothemis terminata, einer
relativ großen südostasiatischen Libelle. Libellen gab es bereits im Karbon (insbesondere „Riesenlibellen“ mit 70 cm Spannweite) und
sie haben sich kaum verändert. Im Karbon
waren natürlich nicht alle Libellen Riesen. Es
gab auch „normal große“. Es gibt die Annahme,
dass die frühen Riesenlibellen wegen des höheren Sauerstoffgehaltes der Luft größer werden konnten (das galt
übrigens auch für andere Insekten dieser Zeit). Aber vor etwa
150 Millionen Jahren wurden die Libellen offenbar kleiner, ohne
dass der Sauerstoffgehalt wesentlich niedriger war. Möglich ist, dass
mit dem Aufkommen der Vögel die langsamen Riesenlibellen quasi weggefressen wurden und die weniger großen Formen nun einen Vorteil hatten.
6
Alles Leben kommt aus dem Meer
Die Galapagosinseln sind untrennbar mit Charles Darwin verbunden. Hier
ist der berühmte „Darwinbogen“ bei der Insel Wolf zu sehen.
Darunter das zugehörige Leben im Wasser: Im Vordergrund Adlerrochen
(Aetobatus Narinari), hinten links ein Großer Hammerhai (Sphyrna mokarran).
Das Leben auf diesem Planeten ist im Meer entstanden. Die ältesten bekannten Wirbeltiere (Vertebrata) stammen aus dem frühen Ordovizium
vor rund 450–470 Millionen Jahren. Die Knorpelfische (Rochen, Haie)
tauchen am Übergang vom Silur zum Devon vor etwa 420 Millionen Jahren auf.
Beim Betrachten von schwimmenden Rochen kommt nicht nur zufällig die Assoziation zum Fliegen auf. Von Leonardo da Vinci stammt der
Satz: „Beobachte das Schwimmen der Fische im Wasser und du wirst
den Flug der Vögel in der Luft begreifen.“
„Missing links“
Belege aus der Paläontologie
7
Wissenschaftlich überprüfbare Neuposition
Belege für Darwins Thesen kamen bereits zu seiner Zeit vor allem Darwins Thesen waren und sind eine wissenschaftlich überprüfbare
aus der Paläontologie. Die Gesteinsschichten liefern ein Zeitfenster Neuposition gegenüber „Schöpfungsmythen“ (Bibel: Genesis oder
aus der Vergangenheit, das außerdem heute mit modernen Metho- zahlreiche weitere weltweite Mythen), die meist von einmaligen Schöpden exakt zeitlich datierbar ist. Es ist evident, dass in sehr alten (frü- fungsakten und anschließender Konstanz der Arten ausgehen. Behen) Schichten nur sehr ursprüngliche Tiere, in späteren (jüngeren) kanntermaßen rief dies eine bis heute anhaltende Diskussion hervor,
Zonen erst frühe Wirbeltierreste auftauchen und noch später dann die aber auf weiten Strecken nichts mit Wissenschaft zu tun hat.
Vögel oder Säugetiere.
Etablierung der Selektionstheorie
Wirbeltiere erst später
Tier- und Pflanzenzüchter wussten schon zu Darwins Zeiten, dass
Das bedeutete schon damals, dass dies Belege dafür sein müssen, durch gezielte Auslese Abänderungen bei Haustieren erreicht werdass Wirbeltiere erst nach Wirbellosen entstanden sind, dass Vögel den konnten. Dies gelang, weil man so lange züchtete, bis „plötzerst entstanden sind, nachdem sich die diversen Dinosauriergrup- lich“ in den Zuchtlinien solche Individuen auftauchten, mit denen
pen etabliert hatten, dass also solche datierbaren Funde für den man dann gezielt weiterzüchtete. Die damaligen Züchter warteten in
Nachweis von Evolution außerordentlich beweiskräftig waren.
ihren „Proben“ auf sogenannte „hot spots“, mit denen dann weiter
Ein erstes „Missing link“
gezüchtet wurde. Jene „hot spots“ waren, wie wir heute wissen, Mu-
So kam ihm der Fund des ersten Urvogels (Archaeopteryx ) sehr ent- tationen, also in den Keimzellen etablierte erbliche Veränderungen.
gegen, da er geradezu forderte, dass es sogenannte „missing links“ Durch erneute Auslese von deren Nachkommen für den nächsten
geben muss, wenn sein These stimmt, dass es zwischen den gro- Züchtungszyklus konnte man sich allmählich dem Zuchtziel nähern.
ßen Bauplänen der Tiere Bindeglieder geben muss, wenn Evolution Darwin ging davon aus, dass es in der Natur ganz ähnlich zugeht.
und Selektion als Erklärungsmodell zutreffen. Heute kennen wir eine Vielzahl weiterer solcher connecting links, wie diese Bindeglieder
genannt werden, wenn sie nicht mehr „missing“ sind.
In der Entwicklungsreihe von bereits befiederten Dinosauriern zu den heutigen
modernen Vögeln stellt Archaeopteryx ein wichtiges Bindeglied dar.
Doch solange keine Zwischenglieder
bekannt waren, also missing links, war es
eine schöne Hypothese und nicht mehr. Sein
Fund ist somit ein prominentes Bindeglied und
daher eine besonders wichtige Stütze für die Idee,
dass Vögel tatsächlich von Dinosauriern abstammen.
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Unterschied im Fortpflanzungserfolg
„Survival of the fittest“…
gisch bedeuten, dass der Gewinner oder die Gewinnergruppe allein
Danach ist seit Darwin Natürliche Selektion der Unterschied im Fort- sich vermehren kann, statistisch genügt es sogar, wenn dieser oder
pflanzungserfolg von Individuen einer Population auf Grund unter- diese Gruppe einfach nur mehr Nachkommen hat als die anderen
schiedlicher genetischer Eignung oder deren Fitness. Dieser Unter- und bei deren Kindern wiederum nur die schnellsten im Rennen verschied ist demnach kein Zufall, sondern eben eine Konsequenz ih- bleiben können.
rer genetischen Konstitution. Dieser Unterschied hat nämlich auch Auswahl durch Umweltfaktoren
in natürlichen Populationen einer Art Konsequenz für die genetische Die bei Tierzuchten künstliche Auslese durch den Menschen erfolgt
Ausstattung der Folgegenerationen. Diejenigen Individuen, die mehr in der Natur durch die Umwelt. Diese Umwelt besteht aus sogenannNachkommen produzieren als andere, erhöhen damit die Individu- ten biotischen und abiotischen Faktoren. Abiotische Faktoren sind
enzahlen mit diesem Erbgut. Da Populationen im Schnitt konstan- Temperatur, Feuchtigkeit etc., biotische Faktoren sind die Wechselte Größen haben, bedeutet dies, dass durch die Vermehrung be- wirkungen mit den anderen Organismen (insbesondere die Konkurstimmter Individuen, andere, mit weniger Nachkommenschaft, au- renz um Ressourcen).
tomatisch seltener werden. Erfolgreichere Mutanten verdrängen all- Selektion greift nur bei genetischen Unterschiedlichkeiten
mählich die weniger erfolgreichen.
Selektion kann jedoch nur greifen oder wirksam werden, wenn die In-
„Survival of the fittest“
dividuen einer Population nicht gleich sind, sich also in genetischen
Darwin nannte dies „survival of the fittest“, was etwas unglücklich Eigenschaften unterscheiden. Ein „Trick“ der Natur war hier bemit „Kampf ums Dasein“ übersetzt wurde. Es geht nämlich nicht um reits früh in der Stammesgeschichte der Organismen die Erfindung
einen Kampf mit Zähnen und Klauen, sondern um einen Wettstreit der Sexualität mit zwei verschiedenen Geschlechtern verbunden mit
um höheren oder niedrigeren Fortpflanzungserfolg. Es wird daher dem Zellvermehrungsmodus der Meiose (Reduktionsteilung).
nicht gekämpft, sondern eine Art Kräftemessen in einem Wettstreit Neu-Zusammenstellung der elterlichen Chromosomen
ausgetragen. Gewinner waren hier solche Individuen, die z. B. vor Unter Meiose versteht man eine besondere Form der Zellkernteilung,
einem Geparden schneller davon laufen konnten als solche, die dies bei der im Unterschied zur gewöhnlichen Kernteilung, der Mitose, die
nicht schafften. Dies gilt natürlich auch für den Geparden. Diejeni- Zahl der Chromosomen halbiert wird. Damit einher geht eine Rekomgen Geparden, die schneller sind als ihre Beute, können dadurch bination, also eine neue Zusammenstellung der elterlichen Chromomehr ihrer Jungen großziehen. Sehr vereinfacht würde dies biolo- somen. Das Ergebnis dieser Art der Teilung mit der Neumischung
… und unvorstellbare genetische Variabilität
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der Erbanlagen sind die Keimzellen oder Gameten.
duktionsteilung, also vor Produktion von Spermien und Eizellen, auf-
Jedes Individuum ist ein genetisches Unikat
geteilt werden können. Auch diese Zahl ist de facto unendlich. Je-
Das Resultat ist eine unendlich große Möglichkeit genetischer Varia- des Spermium, jede Eizelle ist ein genetisches Unikat. Man sieht hier,
bilität. Um dies nachzuvollziehen, ein einfaches Beispiel. Jedes In- dass dies alles zusammen eine Quelle von praktisch unendlicher Vadividuum ist ein genetisches Unikat. Dass dies so ist, können wir bei riationsmöglichkeit ist. Erst jetzt kommen Mutationen zusätzlich ins
uns Menschen sofort erkennen. Kein Individuum gleicht einem an- Spiel und erhöhen die Varianzmöglichkeit erneut. Für das Wirken von
deren. Jedes Individuum hat seinen eigenen Fingerabdruck. In einer Selektion bedeutet dies, dass sie auf diese praktisch unerschöpfliche
einfachen Genetik ausgedrückt, ist jedes Individuum ein eigenstän- Quelle genetischer Vielfalt zurückgreifen kann.
diger, einmaliger Genotyp. Wenn wir hier nur ein Gen (1 Locus) mit Das Gegenteil von Zufall, wenn auch ein statistischer Prozess
einem Allel herausgreifen, dann ergibt dies in den Nachkommen 3 Produkte der Selektion, also diejenigen Individuen mit mehr Nachverschiedene Genotypen, die man mit AA, Aa, aa bezeichnen kann. kommen als andere in der Population, sind demnach nicht zufällig
Dies bedeutet, dass wir hier zweimal homozygot (AA und aa) sowie entstanden. Man kann sagen, dass gerade die Selektion das Gegeneinmal heterozygot (Aa) vor uns haben. A nennt man dominant, a teil von Zufall ist. Selektion ist allerdings ein statistischer Prozess,
rezessiv. Für n Genorte gibt es small 3n genetisch verschiedene In- bei dem – ähnlich wie beim Würfeln – nicht der Einzelfall zählt. Zudividuen.
fällig in diesem Geschehen ist lediglich das Angebot an Varianten.
Exponentieller Anstieg
Welche Allele in der Meiose kombiniert werden, ist nicht vorhersag-
Für n = 20 sind das bereits mehrere Milliarden genetisch verschie- bar, welche Mutation entstehen wird, ist ebenfalls nicht vorhersagbar.
dene Individuen, bei n = 30 haben wir bereits über 200 Trillionen Diese Phänomene sind tatsächlich zufällig. Welche dieser Varianten
genetisch verschiedene Individuen. Jedes Individuum hat aber min- im Fortpflanzungsgeschehen allerdings dann zum Zuge kommen,
destens 1000 heterozygote Genorte, das ist 31000 . Diese Zahl ist so ist nun gerade kein Zufall. Wenn also behauptet wird, der Mensch
unvorstellbar groß, dass wir die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Indi- sei ein Produkt des Zufalls in der Evolutionsgeschichte, dann wurde
viduen genetisch identisch sind, getrost mit 0 gleichsetzen können! nicht verstanden, was Selektion ist und wie sie arbeitet.
Völlig vergleichbar ist es mit einer Betrachtung der Alleltypen selbst.
Bei einer Annahme von zwei Allelen pro Genort ergibt sich daraus
eine Kombinationsmöglichkeit von 21000 , wie diese Allel in der Re-
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Flughörnchen …
Wenn „Fliegenkönnen“ einen Überlebensvorteil bringt …
sehr unterschiedliche Konstruktionslösungen gefunden, mit denen
Wenn also der Besitz von Flügeln oder Organen zum Gleiten dem die Tiere sehr gut fliegen können oder konnten. Insekten haben
Individuum einen Überlebensvorteil bringt, so führt dies statistisch ihrerseits bei den danach benannten Pterygota-Flügel evolviert, die
gesehen dahin, dass solche Individuen im Schnitt mehr Nachkom- auf ihrem Konstruktionsniveau völlig anderen Ursprungs sind. Hier
men haben werden, und daher diese Eigenschaft vermehrt auch wird noch diskutiert, wie die heutigen Flügel tatsächlich entstanden
an ihre Nachkommen weitergeben werden. Ist der Selektionsdruck sind.
groß, etwa schnell einem Fressfeind entkommen zu können, wird Gleitende Säugetiere gibt es viel länger als Fledermäuse
der Besitz solcher Organe sich einerseits schnell in der Population Auch Gleitorgane sind bei Tieren vielfach unabhängig entwickelt wordurchsetzen und andererseits eine stete Verbesserung dieser Flügel den. Bekannt sind die etwa 37 Arten der Gleithörnchen (Pteromyini
oder Gleitstrukturen begünstigen.
innerhalb der Hörnchen, zu denen unser Eichhörnchen gehört),
Die Art der Flugorgane hat „Parameter“
die vor allem in Südostasien, Himalaya, mit 2 Arten in Südamerika,
Welche Flugorgane in diesem Prozess entstehen, hängt von allerlei ja sogar einer Art in Nordeuropa bis Japan ( Pteromys volans) verVorbedingungen ab und natürlich davon, in welcher Art Lebensraum breitet sind. Ihre Körpergröße reicht von 7 cm (Zwerggleithörnchen,
der betreffende Organismus vorkommt. Stets wirken physikalische Petaurillus emiliae, aus N-Borneo) bis fast 60 cm Körperlänge beim
Gesetzmäßigkeiten als kanalisierende Rahmenbedingungen, da bei Riesengleithörnchen ( Petaurista petaurista aus SO-Asien), wobei
der Herstellung eines Flügels oder Gleitorganes die Gesetze der jeweils noch der Schwanz hinzukommt. Allen gemeinsam ist eine
Physik wirksam sind. Bereits existierende Extremitäten könnten im zwischen ihren Vorder- und Hinterbeinen aufspannbare Gleithaut,
Fall der Flügelevolution organismische Vorbedingungen sein, die die wie ein Gleitschirm wirkt, wenn sie von einem Ast zum anderen
dann weiterentwickelt werden.
oder gar fast 100 m weit von einem Baum zum nächsten gleitend
springen und das sogar dank des für eine Steuerung eingesetzten
Schwanzes erstaunlich gezielt. Zu erwähnen ist hier ein fossiles
Riesengleithörnchen (Volaticotherium antiquus), das aber gar nicht
mit den Gleithörnchen verwandt ist. Es lebte vor etwa 125 Millionen
Jahren und war 12–14 cm groß. Es erhob sich damit 70 Millionen
Jahre vor den ersten Fledermäusen in die Lüfte, aber als Gleiter –
ganz ähnlich den heutigen Gleithörnchen.
Flügel bei Wirbeltieren dreimal konvergent entwickelt
So war es bei der Entstehung von Flügeln aus Vorderextremitäten
innerhalb der Wirbeltiere. Hier entstanden solche Flugorgane gleich
dreimal konvergent, einmal bei den Flugsauriern, bei den Vögeln
und wiederum bei den Fledermäusen. Alle drei haben im Detail
Nachtigall W. Gleitverhalten, Flugsteuerung und Auftriebseffekte bei Flugbeutlern
In: Nachtigall, W. (Hrsg.): Biona-report 5. Bat flight - Fledermausflug. 171 - 186.
Akad. Wiss. Lit. Mainz, Fischer, Stuttgart (1986)
… und andere Gleiter
Nagetier oder Beuteltier – eine konvergente Evolution zum Gleiten
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Andere gleitende Reptilien …
Gleithörnchen der Gattung Pteromys und Gleithörnchenbeutler der Eine andere Lösung des Gleitens haben die acht Arten der FaltenGattung Petaurus spannen Flughäute zwischen den weit abgestreck- geckos der Gattung Ptychozoon wiederum in SO-Asien entwickelt.
ten Vorder- und Hinterbeinen aus. Sie sehen sich sehr ähnlich, sind Faltengeckos sind stark abgeflachte Echsen, die eine Maximallänge
mit bis zu 20 cm Körperlänge und gleicher Schwanzlänge auch etwa von 20 cm erreichen können. Ihr Schwanz ist fast ebenso lang wie
gleich groß. Dabei sind sie als Nagetiere und Beuteltiere nicht direkt der Rumpf. Charakteristisch für die Gattung sind breite Hautsäume
miteinander verwandt. Mit einem Höhenverlust von 1 m kommen sie an den Körperseiten, dem Kopf, dem Schwanz und den Gliedmanach Literaturangaben mindestens 1,5 m weit über Grund; ihre Gleit- ßen, sowie schwimmhautähnliche Flughäute zwischen den Zehen.
zahl wäre dann lediglich 1,5. Aus Fernsehfilmen haben wir bei Flug- Die ausgespannten Hautsäume dienen als Segelfläche und ermögbeutlern aber auch deutlich höhere (bessere) Gleitzahlen bestimmt. lichen es den Echsen, sich ein Stück weit gleitend fortzubewegen.
Ihren Gleitflug können sie mit Änderungen ihrer Flughautwölbung Beim Gleitflug können sie die Flugrichtung ändern. Die Zehen der
und ihrer Schwanzstellung beeinflussen. So können sie von einem Faltengeckos sind breit und mit Haftlamellen ohne Mittelfurche ausBaumstamm abspringen und an der Basis eines anderen landen und gestattet.
dann wieder hochklettern.
Gleitende Frösche
Gleitende Reptilien
Auch einige Arten der Ruderfroschgattung Rhacophorus in SO-Asien
Ebenfalls Gleiter sind die Drachen- oder Gleitechsen der Gattung Dra- haben ebenfalls so etwas wie Flughäute zwischen ihren Zehen entwico, die mit 42 Arten über SO-Asien verbreitet sind. Sie gehören in die ckelt. Der Wallace-Flugfrosch (Rhacophorus nigropalmatus) aus SOFamilie der Agamen (Eidechsen). Sie werden über 20 cm lang, wo- Asien ist nach dem britischen Naturforscher und Konkurrenten Darvon der dünne Schwanz mehr als die Hälfte ausmacht. Männchen wins Alfred Russel Wallace benannt, der um die Mitte des 19. Jahrhaben einen flachen Rückenkamm und eine große, orangefarbene hunderts den Malaiischen Archipel erforschte
Kehlfalte, die bei den Weibchen blau und kleiner ist. Die von freien Rippen gestützte, orange-schwarz gestreifte Flankenhaut ermöglicht es den Tieren nach Spreizung zwischen Bäumen zu gleiten. Sie
und die ersten Exemplare die-
wird auch beim Drohverhalten gespreizt. Ihre Gleitflüge haben eine
ses Flugfroschs nach Europa
durchschnittliche Weite von 20-30 m, dabei beträgt der Höhenver-
schickte.
lust 5-8 m. Die Maximalweite kann allerdings 60 m
Gleitflüge von Baum zu Baum
betragen. Der Gleitflug wird durch Drehungen des Schwanzes
Mit Hilfe der Flughäute zwi-
stabilisiert. Durch Schwanzbewegungen und eine Änderung
schen seinen Zehen kann er
bis zu 20 m weit gleiten. Von
den zahlreichen Arten von Flugfröschen der Gattung Rhacophorus ist der höchstens 8 cm
lange Java-Flugfrosch, Rhacophorus reinwardtii, der bekannteste. Flugfrösche haben riesige Schwimmhäute – vielleicht
sollte man besser sagen „Flughäute“ – zwischen den langgestreckten Fingern und Zehen.
Damit gelangen sie in kurzen
der Gleithautstellung sind auch das Ansteuern von Zielen und das
Gleitflügen von Baum zu Baum
Ausweichen vor Hindernissen möglich.
(s. S. ). Zu anderen skurrilen
Eine offenbar ebenfalls konvergente Entwicklung soll ein fossiler
Flugdrachen ( Xianglong zhaoi ) aus China sein, der ebenfalls mit
Spreizrippen gegleitet sein soll.
Fliegern s. S. 78f.
Dudley R.,Byrnes G., Yanoviak S.P., Borrell B., Brown R.F., McGuire J.A.
Gliding and the Functional Origins of Flight:
Biomechanical Novelty or Necessity?
Annual Review of Ecology, Evolution, and Systematics Vol. 38: 179-201 (2007)
Emerson S.B., Koehl, M.A.R. The Interaction of Behavioral
and Morphological Change in the Evolution of a Novel
Locomotor Type: ``Flying'' Frogs Evolution 44 (8), 1931-1946 (1990)
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Das größte fliegende Wesen aller Zeiten
Quetzalcoatlus – „die gefiederte Schlange“
In unserer Zeit sind die Vögel, Insekten und Fledertiere (also Säugetiere) die Beherrscher der Lüfte. In der Jurazeit haben die Vögel
mit dem allbekannten Urvogel Archaeopteryx und ähnlichen Gattungen gerade erst das Fliegen gelernt. Damals, bis in die Kreide
hinein, gab es unter den Reptilien aber bereits mächtige Flugsaurier, darunter den Riesenflugsaurier Quetzalcoatlus northropi, mit 12
m Spannweite das wohl größte fliegende Lebewesen, das je gelebt
hat.
Von Klippen in die Aufwinde, in der Ebene hilflos?
Bisher nahm man an, dass die größten Pterosaurier von Klippen in
Aufwinde hinein starten mussten. Hätten sie einmal auf einer Ebene
landen müssen, wären sie wohl nie mehr hochgekommen. Neuere
Analysen zeigen, dass sie ihre eingeknickten Vorderflügel wie Vorderbeine benutzen konnten. Verglichen mit denen der Vögel waren
diese Extremitäten relativ stark ausgebildet.
Oder gab es einen „Startsprung“?
Wahrscheinlich sind die Flugechsen so gestartet, dass sie sich mit
allen vier Beinen in die Luft gestoßen haben, so ähnlich wie das die
Fliegen mit ihrem mittleren und hinteren Beinpaar im „Startsprung“
machen. Dabei müssen sie allerdings so hoch gesprungen sein, dass
die Flügel mit ihren empfindlichen Flughäuten beim ersten Abschlag
nicht mehr auf den Boden knallten.
Zakaria M.Y., Taha H.E., Hajj, M.R. Design Optimization of Flapping Ornithopters: The Pterosaur Replica in Forward Flight doi: 10.2514/1.C033154 Engineering Science and
Mechanics, Virginia Tech, Blacksburg, Virginia (2015)
Auf vier Beinen so groß wie eine Giraffe
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Start gegen den Wind, im Idealfall auf abschüssigem Gelände
Dazu brauchten sie aber wohl einen kräftigen Gegenwind. Wenn
sie, auf möglichst abfallendem Boden, gegen den Wind starteten,
könnten sie etwa so hochgetragen worden sein, wie das heute bei
großen Albatrossen der Fall ist, die mit dem Start ja auch einige Mühe haben. Erleichtert wurde er durch die im Vergleich zur
Spannweite – es werden ja bis zu 13 m diskutiert – relativ geringe
Körpermasse von vielleicht 100 kg oder etwas mehr.
Wie ein „Nurflügelflugzeug“
Der Rumpf war damit vergleichsweise klein gegen die riesige Flügelfläche, so dass man fast von einem Nurflügler sprechen kann.
Darauf bezieht sich der Artname northropi: J.K. Northrop ist als
Konstrukteur von Nurflügelflugzeugen bekannt geworden.
Entdeckt worden ist dieser Gigant der Lüfte relativ spät. Im Jahr
1971 hat ein Student erste fossile Flügelreste ausgegraben. Seitdem ist Quetzalcoatlus nicht nur von Paläontologen, sondern auch
von Strömungsmechanikern detailliert untersucht und modellmäßig nachgebaut worden. Demnach konnte er mit Flügelschlägen
aktiv fliegen, hat sich aber wohl überwiegend im Segelflug durch
die Luft bewegt. Ähnlich den größten heute flugfähigen Vögeln,
Kondoren und Geiern, dürfte er ausgiebig Hangaufwinde und
Thermiken benutzt haben.
Witton M.P:, Naish D. A Reappraisal of Azhdarchid Pterosaur Functional Morphology and Paleoecology LoS ONE 3(5): e2271.doi:10.1371/journal.pone.0002271 (2008)
http://www.dinosaurier-info.de/dinothek/pdf_a/2008/001_journal.pone.0002271_di.pdf
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Fliegende Fische
Fliegende Fische
dem Wasser, breiten dann ihre stark verlängerten Brustflossen aus
Erwähnt werden müssen schließlich noch die „Fliegenden Fische“. und können so bis zu mehreren Dutzend Meter über die WasserAm bekanntesten ist die etwa 25 cm lange Art Exocoetus volitans. oberfläche gleiten, wobei sie „Flughöhen“ von 1 bis an die 10 m
Flugfische schnellen sich mit heftigen Schwanzschlägen schräg aus erreichen. So entkommen sie Beutegreifern.
Hertel, H. Biologie und Technik. Struktur-Form-Bewegung Krausskopf, Mainz (1963)
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