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13.02.11 13:00
Weltraumteleskop Herschel
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An der ETH wird man den heutigen Start des HerschelWeltraumteleskops gespannt mitverfolgen: Eine
Direktübertragung des Starts und eine «kleine Party» sollen
alle, die bisher am Astronomischen Institut der ETH Zürich am
Herschel-Projekt beteiligt waren, für einmal wieder
zusammenbringen.
Distanzmessungen zwischen
primärem und sekundärem
Spiegel des Herschel Teleskops.
(Bild: ESA)
Was für die Physiker der Large
Hadron ColliderTeilchenbeschleuniger ist, ist für
die Astronomen das
Weltraumteleskop Herschel. Heute
soll es endlich so weit sein:
Nachdem vor siebenundzwanzig
Jahren erste Pläne aufkamen und
schliesslich vor elf Jahren mit dem
Bau begonnen wurde, wird das
Weltraumteleskop startklar sein.
Der Countdown läuft, die Tage
werden unter den auf den Start hin
fiebernden Astronomen bereits seit
Wochen herunter gezählt.
Auf der Spur der Fernen Infrarotstrahlung
Ein erfolgreicher Start gibt auch ETH-Wissenschaftlern Grund zum
Feiern. An der ETH Zürich wurden nämlich am Institut für Astronomie
sowie dem Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenz Teile für das
Heterodyne Instrument for the Far Infrared (HIFI) entwickelt - eines
der insgesamt drei Instrumente, mit denen Herschel bestückt ist. Mit
ihm wird die Ferne Infrarot Strahlung gemessen werden.
Mit einem 3,5 Meter durchmessenden Spiegel hat Herschel eine
zehnmal grössere Optik als bisherige Spiegel für diese Wellenlänge
und ermöglicht eine sieben Mal höhere räumliche und eine 100 Mal
höhere spektrale Auflösung, als herkömmliche Teleskope. Damit hat
die ESA (European Space Agency) ein Teleskop gebaut, das die nie
zuvor von einem Observatorium erforschten Wellenlängen zwischen
Infrarot- und Sub-Millimeter-Bereich untersuchen soll.
«Mit Herschel öffnen wir das letzte noch unerforschte Fenster in den
messbaren Frequenzbereichen der kosmischen Strahlung», erklärt
Arnold Benz, Professor am Institut für Astronomie der ETH Zürich
stolz. Das Weltraumobservatorium ist deshalb auch nach dem
deutsch-britischen Astronomen Friedrich Wilhelm Herschel benannt,
der im Jahr 1800 die Infrarotstrahlung entdeckte. «Das Teleskop
ermöglicht uns erstmals Wassermoleküle bei sehr tiefen
Temperaturbereichen - bei 10 bis 20 Grad Kelvin - zu beobachten»,
sagt Benz. Bei solchen Temperaturen sind keine optischen Photonen
mehr zu sehen. Solche Bedingungen herrschen dort, wo Sterne und
Planeten entstehen, in kalten Wolkenkernen, in denen sich Sauerstoff
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und Wasserstoff vermutlich um Staubpartikel anlagern und sich durch
katalytische Reaktion zu Wasser verbinden.
Dreimonatiger Weg zu optimalen Bedingungen
Um derartige Prozesse beobachten und Theorien verifizieren zu
können, braucht es ein Weltraumobservatorium wie Herschel. Denn
von der Erde aus ist es nicht möglich, die Ferne Infrarotstrahlung bis
in den Sub-Millimeter-Bereich zu beobachten, da der Wasserdampf
der Atmosphäre die kosmische Strahlung absorbiert. Hinzu kommt,
dass jeder Körper im infraroten Bereich leuchtet und dieses
«Hintergrund-Rauschen» möglichst klein gehalten werden muss,
damit die Messwerte nicht verfälscht werden. Deshalb muss das
Teleskop auf eine Umlaufbahn weit weg von der irdischen
Wärmestrahlung gebracht werden. Es wird sein Ziel nach einer
dreimonatigen Reise - in der es eine Strecke von etwa 1,5 Millionen
Kilometern zurücklegt - am sogenannten Lagrange-Punkt L2 erreicht
haben. Dort herrschen optimale Bedingungen für seinen Einsatz:
Einerseits ist die Störung durch Infrarot-Strahlung von Erde und
Mond minimal und andererseits heben sich die Gravitationskräfte von
Sonne und Erde und die Fliehkraft der Bahnbewegung gegenseitig
auf, sodass der Satellit keinen Treibstoff braucht.
Das Teleskop muss mit einem Sonnensegel permanent beschattet
und die Messelektronik gekühlt werden. Damit sie von der eigenen
Wärmestrahlung abgeschirmt ist, werden die Instrumente in eine Art
überdimensionalen Thermoskanne eingebracht, in der superflüssiges
Helium die Temperaturen - mit etwa einem Grad Kelvin - knapp über
dem absoluten Nullpunkt hält.
Auf den Spuren des Universums
Arnold Benz und sein Team werden ihr Hauptaugenmerk auf die
Spektrallinien von Wassermolekülen und ihre Verwandten richten.
Damit HIFI Spektrallinien aus dem bisher unerforschten
Frequenzbereich erfassen kann, funktioniert es zunächst wie ein
optisches Teleskop. Dabei fokussiert HIFI mit Spiegeln die Wellen in 7
verschiedenen Wellenbändern auf Mischer, welche die Strahlung wie
ein Radioempfänger auf eine viel kleinere Zwischenfrequenz
transformieren, wo sie dann elektronisch verstärkt wird.
Der physikalische Zustand des Wasserdampfs lässt sich ermitteln,
wenn bei der Beobachtung eines Objektes mindestens drei für das
Wassermolekül charakteristische Linien mit starker Intensität
identifiziert werden. Wasser sei neben molekularem Wasserstoff (H2)
und Kohlenmonoxid (CO) das drittwichtigste Molekül im Universum,
erklärt Benz und schwärmt: «Es ist ein spannendes und interessantes
Molekül, das von der Erde aus nicht beobachtet werden kann.
Herschel bietet uns zum ersten Mal die Chance, den Ursprung seiner
Entstehung und seinen Einfluss auf die Planetenbildung nach zu
verfolgen».
Die genauere Kenntnis über die Bedeutung des Wassers könnte
Hinweis darauf geben, wie es kommt, dass sich beispielsweise
massenreiche und massenarme Planeten bilden. Denn bei der
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Planetenbildung wird dem Wasser ein wichtiger Beitrag bei der
Akkretion zugeschrieben: Es bildet einen Eismantel um die
Staubkörner und verändert somit deren Koagulationsfähigkeit zu
grösseren Körpern. Bei der Sternbildung ist Wasser wichtig für den
Energiehaushalt der Sterne, da es die Temperaturen reguliert und die
Sterne abkühlen lässt. Herschel könnte auch viele offene Fragen zur
Bildung und Entwicklung von Galaxien vom jungen Universum bis
heute beantworten helfen.
Arbeit für Jahrzehnte
Während das Teleskop im Einsatz ist, sollen von HIFI etwa 75‘000
Spektrallinien von unterschiedlichen Molekülen erfasst werden. «Wir
erwarten, dass wir Spektrallinien finden werden, bei denen es Jahre
dauern wird, bis wir sie identifiziert haben. Dabei werden wir viele
Überraschungen erleben und sicherlich neue Moleküle entdecken».
Deshalb sei es auch nicht so dramatisch, dass nach spätestens vier
Jahren der Datenfluss versiegen wird. Denn maximal so lange wird
der Helium-Vorrat zur Kühlung des Systems ausreichen. Die bis dahin
gesammelten Daten würden aber die Wissenschaft noch über
Jahrzehnte hinweg beschäftigen, da ist sich Benz sicher.
Jetzt muss sich der Satellit nur noch erfolgreich auf den Weg
machen. Da der genaue Zeitpunkt des Starts – der auch mitten in
der Nacht sein könnte - nicht vorhergesagt werden kann, kann man
auf der Webseite des Institut für Astronomie den aktuellen Stand der
Startvorbereitungen abrufen.
Leserkommentare:
Autor: Simone Ulmer | Veröffentlicht: 14.05.09
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