Unterrichtsbegleitendes Skript

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Heilpraktikerskript
von
Arpana Tjard Holler
für den Unterricht für
Heilpraktikeranwärter
© Arpana Tjard Holler (Autor)
2017
Unter Berücksichtigung der schriftlichen und mündlichen Heilpraktikerprüfung.
Aktualisierungsdatum: 21.04.2017
4. Auflage
nur für den Unterricht in der Heilpraktikerschule Westfalen (Tanja Plattfaut)
Hinweis für den Benutzer:
Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen durch Forschungen und medizinischen Erfahrungen einem ständigen Entwicklungsprozess,
so dass alle Angaben immer nur dem jeweiligen Wissensstand entsprechen können. Der Herausgeber hat mit größtmöglicher Sorgfalt
darauf geachtet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Für die
Richtigkeit wird vom Autor keine Gewähr übernommen.
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Kein Teil des Werkes – auch nicht auszugsweise – darf in irgendeiner Form ohne schriftliche
Genehmigung des Herausgebers verwertet werden. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und Verwertung in den elektronischen Systemen und im Internet. Ein Heilpraktikerskript mit einer Lizenznummer für eine bestimmte
Person darf nur von dieser Person benutzt werden und nicht weiter veräußert werden.
 Arpana Tjard Holler
Herausgeber:
Arpana Tjard Holler
Verlag Holler
Hardt 6
51588 Nümbrecht
E-Mail : [email protected]
Bestellung über Email oder Internetseite: www.holler-heilpraktikerschule.de oder www.verlag-holler.de
Inhaltsangabe
A.
Einführung zum Gebrauch des Heilpraktikerskripts ..................................................................... 16
Einführung ............................................................................................................................................... 16
B.
Zelle/Gewebe ....................................................................................................................................... 23
Die Zelle.................................................................................................................................................... 23
Gewebe Anatomie ..................................................................................................................................... 27
C.
Bewegungsapparat Anatomie/Pathologie ......................................................................................... 35
Bewegungsapparat Anatomie .................................................................................................................. 35
Bewegungsapparat Pathologie ................................................................................................................ 58
© Arpana Tjard Holler (Autor)
D.
Blut-Lymphe Anatomie/Pathologie ................................................................................................... 86
Blut-Lymphe Anatomie ............................................................................................................................ 86
Blut
. .......................................................................................................................................... 88
DAS LYMPHATISCHE SYSTEM ........................................................................................................ 103
Blut-Lymphe Pathologie ........................................................................................................................ 106
E.
Herz-Kreislauf Anatomie und Physiologie ..................................................................................... 123
Herz
. ....................................................................................................................................... 123
Herz-Kreislauf Pathologie ..................................................................................................................... 141
F.
Respirationstrakt Anatomie und Pathologie .................................................................................. 175
Respirationstrakt Anatomie ................................................................................................................... 175
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Respirationstrakt Pathologie .................................................................................................................. 186
G.
Verdauungsapparat Anatomie und Physiologie ............................................................................. 213
Verdauungsapparat Anatomie ............................................................................................................... 213
Verdauungsapparat Pathologie ............................................................................................................. 233
© Arpana Tjard Holler (Autor)
H.
Harnapparat Anatomie und Physiologie ........................................................................................ 276
Harnapparat ........................................................................................................................................... 276
Harnapparat/Niere Pathologie .............................................................................................................. 287
I.
Neurologie Anatomie und Physiologie ............................................................................................ 300
Neurologie .............................................................................................................................................. 300
Neurologie Pathologie............................................................................................................................ 314
© Arpana Tjard Holler (Autor)
J.
Endokrinologie Anatomie und Physiologie ..................................................................................... 335
Endokrinologie Anatomie ...................................................................................................................... 335
Endokrinologie Pathologie .................................................................................................................... 344
K.
Geschlechtsorgane Anatomie und Physiologie ............................................................................... 366
Geschlechtsorgane ................................................................................................................................. 366
Geschlechtsorgane Pathologie ............................................................................................................... 373
L.
Sinnesorgane Anatomie und Physiologie ........................................................................................ 387
Sinnesorgane .......................................................................................................................................... 387
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie ................................................................................................. 395
M.
Haut
Haut Anatomie und Physiologie .................................................................................................. 409
. .................................................................................................................................... 409
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Haut Pathologie...................................................................................................................................... 414
N.
Infektionslehre .................................................................................................................................. 431
Allgemeine Infektionslehre .................................................................................................................... 431
Spezielle Infektionslehre ........................................................................................................................ 443
O.
Onkologie und Pathologie ................................................................................................................ 499
Onkologie und Pathologie...................................................................................................................... 499
Onkologie................................................................................................................................................ 500
Allgemeine Pathologie ........................................................................................................................... 505
P.
Notfallerkrankungen ........................................................................................................................ 513
Notfallerkrankungen .............................................................................................................................. 513
Q.
Gesetzeskunde ................................................................................................................................... 531
Gesetzeskunde ........................................................................................................................................ 531
R.
Hygiene .............................................................................................................................................. 539
Hygiene ................................................................................................................................................... 539
© Arpana Tjard Holler (Autor)
S.
Psychiatrie ......................................................................................................................................... 551
Psychiatrie .............................................................................................................................................. 551
Anhang 1 – Laborwerte im Überblick ................................................................................................... 623
Anhang 2 – Säuglings- und Kindesentwicklung ................................................................................... 625
Anhang 3 – BMI und chemische Elemente........................................................................................... 627
Anhang 4 – Gesetzliche Vorsorgeuntersuchungen ............................................................................... 628
© Arpana Tjard Holler (Autor)
16
A.
Einführung
Einführung zum Gebrauch des Heilpraktikerskripts
Einführung
Herzlich willkommen bei der Lektüre dieses Skripts! Es soll Sie auf Ihrem Weg zur Vorbereitung auf
die schriftliche amtsärztliche Überprüfung begleiten. Die Inhalte des Skripts werden mit dem jetzigen
Prüfungsniveau in den Gesundheitsämtern abgestimmt und ständig aktualisiert.
Das Skript kann als Grundlage des Unterrichts dienen und bietet gerade am Anfang eine Übersicht der
doch recht verwirrenden Vielfalt von Informationen. Die Absicht ist es, den Unterrichtsstoff (didaktisch
und optisch) zusammenzufassen und aufzuzählen. Daher eignet sich dieses Heilpraktikerskript auch
(oder gerade) für die Prüfungsvorbereitung als Leitfaden und Nachschlagewerk. Das Format ist so
aufgebaut, dass das Hinzuschreiben von Informationen bzw. eines Verständnistextes möglich ist.
Das Skript bietet keine Lehrbuchfunktion, sondern es ist gedacht als Übersicht, Zusammenfassung,
Aufzählung und als Nachschlagewerk oder Leitfaden.
Beim Neueinstieg in den medizinischen Lehrstoff ist zu beachten, dass v.a. bei den Punkten Ursachen
und Komplikationen der Vollständigkeit halber Krankheiten, Syndrome und Sachbegriffe erwähnt
werden, die dem Studierenden noch nicht bekannt sind und erst später verständlich erscheinen.
Die verschiedenen Kapitel im Skript sind unterteilt in Anatomie/Physiologie und Pathologie. Der
Prüfungsschwerpunkt (schriftlich und v.a. mündlich) liegt auf der Pathologie und so hat diese im HPSkript auch eine größere Bedeutsamkeit. Das Wissen um die anatomischen Strukturen (Mikro- sowie
Makroanatomie) ist Voraussetzung für die Pathophysiologie (der Entstehung und dem Ablauf von
Krankheiten), so dass das Nachschlagen im anatomischen Atlas unumgänglich ist. Um das HP-Skript
nicht noch umfangreicher zu gestalten, sind Zeichnungen und Skizzen nur selten zu finden.
Die Krankheiten im Skript sind typischerweise unterteilt in Definition (Def:), Ursache (Urs:), Symptome
(Sym:), Pathologie bzw. Pathophysiologie (Pat:) Komplikation (Kom:) und teilweise auch Therapie
(The:).
Im HP-Skript sind viele lateinische Namen erwähnt. Es ist erforderlich, den gängigen Teil der
medizinischen Fachbegriffe kennen zu lernen. So ist es möglich in den medizinischen Wörterbüchern
nachzuschlagen und deren Erläuterungen zu verstehen. Außerdem ist das Wissen der lateinischen
Begriffe später in der Praxis bedeutsam, um z.B. die ärztliche Diagnose (Befunderhebung, Diagnose,
Laborbericht) dem Patienten zu erläutern. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass wir keine Mediziner
im herkömmlichen Sinne sind, auch keine Ersatzmediziner. Die deutschen Namen der Erkrankungen
und anatomischen Strukturen müssen unbedingt gewusst werden. In der Prüfung sollten Sie ihr Wissen
so vorbringen, dass es ein interessierter Laie verstehen kann.
Beim Erlernen des medizinischen Stoffes ist es wichtig, dass Sie das Thema bzw. den Stoff verstanden
haben. Dazu ist es bedeutsam, das Unterrichtsthema nach der Unterrichtseinheit zu Hause zu bearbeiten.
Dafür kann das Skript verwendet werden.
Vergessen Sie nicht, dass am Anfang das Wissen und Hervorbringen von Sachthemen von vor ein paar
Wochen nicht verlangt wird und auch nicht erforderlich ist. Gerade am Anfang dieser Lernperiode
neigen die Schüler dazu in einen Leistungsdruck zu geraten, welcher häufig in Krisen ausarten kann,
wie z.B. „das schaff ich nie“, „ich habe schon wieder alles vergessen“, „das kann ich nicht“.
Wichtig beim Erlernen des Stoffes ist Geduld und ständiges „Dranbleiben“ am Thema.
Kommt ein neues Thema, vergessen Sie den letzten Stoff und konzentrieren Sie sich auf den neuen. Im
Laufe des Unterrichts wird es immer wieder Wiederholungen geben.
Eine große Schwierigkeit des Lernenden ist es, in dem umfassenden medizinischen Stoff das für den
Heilpraktiker-Anwärter relevante Prüfungswissen zu erkennen. So gibt es zum Beispiel Krankheiten,
die Sie unbedingt wissen müssen, und Krankheiten, die eher an der Peripherie des „Zu-Wissenden“
liegen. Bei der Pathologie des entsprechenden Kapitels sind deshalb Krankheiten, die unbedingt zum
Prüfungswissen des HPA zählen mit einem  versehen.
Einführung
17
Die Aufarbeitung des Lernstoffes erfolgt erst nach dem medizinischen Unterricht in den Lerngruppen
und im Repetitorium. Dies wird von mir als Prüfungsvorbereitung bezeichnet und soll in der Regel erst
nach dem offiziellen Unterricht beginnen bzw. spätestens ein halbes Jahr vor der Heilpraktikerprüfung.
Einleitend eine Sammlung von Vorsilben, Endungen und Begriffen, die immer mal wieder in der
Literatur vorkommen. Sie soll zur Orientierung dienen und keinesfalls auswendig gelernt werden.
Vorsilben
A-/aAbAd-
ApoAutoBiDeDiaDisDys-
En-, emEndoEk-, ektoEpi-
EuExExtraHyperHypoInInInfraInter-
IntraPanPara
Per-
Bedeutung
Beispiele
weg von, fehlen von abakteriell, Agenesie (vollständiges Fehlen eines Organs oder
Gewebeteils), Agranulozytose, Arrhythmie
von, weg
(Herzrhythmusstörung)
an, zu
Abduktion, Abortus, Ablatio retinae (Netzhautablösung)
Adduktion, adhäsiv (verklebend, anhaftend), Adnexe
(Anhängsel, auch Gebärmutter und Eileiter zusammen)
von, weg
apokrine Drüsen (absondernde Drüsen)
selbstständig
Autonomes Nervensystem (unabhängiges Nervensystem)
doppelt
bilaterale Drüsen (beidseitige Drüsen)
weg, herab
Degeneration (Entartung), Demenz (Zerfall, Verblödung),
deferens (hinab führend, abwärts führend)
durch
Dialyse, Diapedese, Diabetes (Durchfluss)
auseinander
Distorsion (Verstauchung, Verzerrung)
-fehl
Dyspnoe (Atemnot), Dysphagie (Schluckstörung), Dysurie
(Störung der Blasenentleerung), Dysfunktion (Fehlfunktion),
Dysplasie (anlagebedingte Fehlbildung)
innen, in, hinein
Enanthem (infektiöser Ausschlag der Schleimhaut), Endothel,
Embryo, Embolie
innen
Endoderm (innerstes Keimblatt), Endokard
heraus, außen
Ektomie (Herausschnitt), Ektoderm (äußeres Keimblatt)
auf, drauf
Epidermis (äußerste gefäßlose Hautschicht), Epiglottis
(Kehldeckel), Epikard (Herzbeutel), Epipharynx
(Nasenrachenraum), Epithel
gut
Euphorie (schöne Gefühle), euthyreot (mit normaler
Produktion von Schilddrüsenhormonen einhergehend)
aus, heraus
Exogen (von außen kommend), Exanthem (infektiöser
Hautausschlag)
außerhalb
Extrazellulär, Extrasystole, extrakardial (außerhalb der
Herzens)
über, hinaus, mehr Hyperlipidämie, Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion),
Hypertrophie (Zellvergrößerung), Hypertonie
unter, darunter,
Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) Hypopharynx
weniger
(unterer Rachenraum), Hypotonie (niedriger Blutdruck)
in, hinein
Infektion, Infusion, Intrakutan (in die Haut spritzen)
nicht
Inoperabel, inkompatibel (unverträglich), inkontinent (unfähig
Harn oder Stuhl willkürlich zurückzuhalten)
unterhalb
Infraorbital (unterhalb der Augenhöhle)
zwischen
Interdigital (zwischen den Zehen bzw. Finger), interkostal
(zwischen den Rippen), Interstitium (Raum zwischen den
Zellen)
innerhalb
Intrakardial, intravenös, intrazellulär
alles, vollständig
Pandemie (überall verbreitete Infektionskrankheit),
Panarteriitis nodosa (entzündliche Erkrankung vieler Arterien)
neben
Paravertebral (neben der Wirbelsäule), parasternal (neben dem
Brustbein), paraartikulär (neben dem Gelenk)
durch
Perforation (Durchbruch)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
18
Peri-
Einführung
herum
Subunter
Super, supra über
Endungen
-algie
-ämie
Bedeutung
Algor - Schmerz
im Blut vorhanden
-blasten
-dermie
-ektasie
aufbauende Zellen
die Haut betreffend
Dehnung,
Erweiterung
operative
Entfernung
Erbrechen
Entstehung
voll sein von
-ektomie
-emisis
-genese
-iasis
-id(e)
-ismus
-itis
-kinese
-logisch
-lyse
-lytisch
-om
-ose
-para
-pathie
-penie
-phobie
-poese
-spasmus
-stase
-stenose
-tonie
-trophie
-zyten
Perikard (Herzbeutel), perioral (um den Mund herum), Periost
(Knochenhaut)
Subfebril, subkutan (unter der Haut)
Superinfektion, supraorbital (oberhalb der Augenhöhle),
supraventrikulär (oberhalb der Herzkammer)
Beispiele
Neuralgie (Nervenschmerz)
Anämie (Blutarmut)
Hypercholesterinämie (hohe Cholesterinwerte im Blut)
Osteoblasten (Knochenaufbauzellen), Erythroblasten
Neurodermitis, Sklerodermie
Bronchiektasie
Appendektomie
Hämatemesis (Bluterbrechen)
Pathogenese (Krankheitsentwicklung)
Cholelithiasis (Gallensteinleiden)
Nephrolithiasis (Nierensteinleiden)
ähnlich
Lipoide (fettähnliche Stoffe)
Erkrankung, Leiden Rheumatismus, Meningismus
akute Entzündung
Arthritis (akute Gelenksentzündung), Zystitis
(Blasenentzündung), Tonsillitis (Mandelentzündung)
bewegen,
Akinese
Bewegung
pathologisch
analysieren,
ergründen
Lysis (Lösung)
Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen)
auflösend
hämolytisch
bös- oder gutartiger Karzinom (bösartiger Tumor von Epithelzellen ausgehend)
Geschwulst
Lipom (gutartiger Tumor vom Fettgewebe ausgehend)
degenerativ,
Arthrose (degenerativer Schwund des Gelenkknorpels)
dauernd
Nullipara = Frauen, die noch nicht geboren haben; Erstpara
als Wortendung
oder Primipara = Frauen, die bis jetzt ein Kind geboren haben;
Bezeichnung für
Sekundipara = Frauen, die bis jetzt zwei Kinder geboren
Frauen hinsichtlich haben; Multipara oder Pluripara = Frauen, die mehrere Kinder
der von ihnen
geboren haben
lebend geborenen
Kinder
Krankheit, Leiden
Neuropathie (Nervenleiden), Enzephalopathie (Erkrankungen
des Gehirns)
zu wenig, Armut
Leukopenie (Verminderung der weißen Blutkörperchen)
Angst, krankhafte
Agoraphobie (= Platzangst), Arachnophobie (Angst vor
Furcht
Spinnen)
Bildung,
Erythropoese (Bildung von Erythrozyten)
Hervorbringen
Leukopoese (Bildung der Abwehrzellen)
Bronchospasmus (Krampf der Bronchialmuskulatur)
Krampf
Hämostase, Orthostase-Syndrom
Stauung
Verengung
Pylorusstenose (Magenpförtnerverengung)
Tonus (Spannung)
Hypertonie (erhöhter Blutdruck)
Nahrung, Ernährung Atrophie (Gewebsschwund), Hypertrophie (Zellvergrößerung)
Zelle, Zellart
Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten
(Abwehrzellen), Osteozyten (Knochenzellen)
Einführung
19
-zytose
-urie
Größen
hemi/semi
Vermehrung
Harnausscheidung
Bedeutung
halb
makro, mega
mikro
oligo
poly
groß
klein
wenig
viele
Richtung
medial
lateral
ventral
dorsal
proximal
Bedeutung
zur Mitte hin
seitlich
zum Bauch hin
zum Rücken hin
zum Körper/Zentrum
hin
vom Körper/Zentrum
weg
nach unten (zum
„Schwanz“ hin)
nach oben (zum Kopf
hin)
vorderer
hinterer
zur Handfläche hin
zur Fußsohle hin
Daumenseite, zur
Speiche hin
Kleinfingerseite, zur
Elle hin
distal
kaudal
kranial
anterior
posterior
palmar
plantar
radial
ulnar
Färbungen
albus
ery
leuko
luteus
mela
niger
ruber
zyano
Bedeutung
weiß
rot
weiß
gelb
schwarz
schwarz
rot
blau
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Leukozytose (Vermehrung von Leukozyten)
Proteinurie, Hämaturie, Glukosurie
Beispiel
Hemiparese (unvollständige Halbseitenlähmung)
Hemisphäre (Großhirnhälfte)
Makrophagen, Megakolon
Mikroanatomie, Mikroangiopathie
Oligurie (Harnausscheidung unter 500ml)
Polyarthritis (Entzündung vieler Gelenke), Polyurie
(Harnausscheidung über 3 l)
Beispiel
Albino
Erythrozyt
Leukozyt
Corpus luteum (Gelbkörper), Macula lutea (gelber Fleck)
Melanom, Melanin
Nucleus niger (Gehirnteil im Mittelhirn)
Nucleus ruber (Gehirnteil im Mittelhirn)
Zyanose
20
Wichtige medizinische Begriffe
abdominaladenoadipoadrenoakro-/acroandroangi-/angio
antearthroazid-/acidbili-/bilioblepharobrachi-/brachio
bradybronchocalcicephalcerebrcervicocholechondr- /chondro
chromcraniocryptodermatodesdys
ektoem- (auch: en-)
endenteroenzephalepieryeuexexoextrafibrofollikulfung-/fungigastroglossoglykogyn-/gynäko
hämato-/ hämohemihepatohidrohisto-histiohomohydro-
Einführung
Bauch
Drüse
Fett
1. Nebenniere; 2. Adrenalin
End-/end-, Extremität, Spitze
Mann, männlich
Gefäß
vor, vorn
Gelenk
sauer, scharf; Säure
Galle, gallenhaltig
Augenlid, Augenwimper
Arm, Oberarm
langsam, verlangsamt, verzögert
Bronchus, Bronchien
Kalzium, Kalziumsteine, Kalk
Kopf, Schädel
Gehirn
Nacken, Hals, Gebärmutterhals
Galle, Gallenflüssigkeit
Knorpel, Knorpelgewebe
Farbe, Farbstoff, Pigment
Schädel, Kopf
verborgen
Haut
weg, ohne
fehlerhaft, schwierig, erschwert, un-, miss-, oder Abweichung
von der Norm, krankhafter oder fehlerhafter Zustand,
mangelnde Funktion
außen, außerhalb
hinein, innen, innerhalb
innen, innerhalb
Darm, Eingeweide
im Kopf gelegen, Gehirn
auf, darauf, darüber, daneben, oben, kopfwärts; die Oberfläche
bedeckend
rot, rötlich
gut, normal, schön, gut ausgebildet
außen, heraus, weg
außerhalb, nach außen gerichtet, von außen kommend
außerhalb gelegen
Faser
Schlauch, Beutel
Pilz
Bauch, Magen
Zunge, Sprache
süß, Zucker, Glukose
Frau, weiblich
Blut, Blutbestandteile
halb, halbseitig, zur Hälfte, teilweise
Leber
Schweiß
Gewebe
gleich, gleichartig, ähnlich
Wasser, wässrige Körperflüssigkeit, Feuchtigkeit
Einführung
ileininfrainterintraischiisokard
karpkeratkinkoxkraniokypholactolipolitholumbolymphlysmegalomelanomesometa
mikro-/micromonomorphomukomyelomykomyonekronephroneurokulooligoonkoooophthalmorthoosteootoovparvapathophagophlebophotophytopneumpolypostpraeprokto© Arpana Tjard Holler (Autor)
21
Unterleib, Gedärme
1. in, hinein; 2. ohne, nicht
unterhalb von etwas, unten, jenseits von
zwischen, dazwischen, mittendrin
innerhalb, in, hinein
Hüfte, Sitzbein, Gesäß
gleich, gleichartig
1) Herz, 2) Magen
Hand, Handwurzel
Hornhaut, Hornsubstanz, Verhornung
bewegen, Bewegung
Hüfte, Hüftgelenk
Schädel, Kopf
gekrümmt, gebückt, Buckel
Milch
Fett
Stein, Konkrement (auch Wortendung)
Lende
klares Wasser, Quellwasser
Lösung, Auflösung
groß, lang, weit, übermäßige Erweiterung
schwarz
mittlerer, zwischen, in der Mitte
zwischen, inmitten; nach, nachher“
1. klein, gering; 2. Einheit mit der Bedeutung ein Millionstel
(10-6), Abk.: µ
alleine, einzeln, einmalig
Gestalt, Form
Schleim, Schleimstoffe
Mark, Knochenmark, Rückenmark
Pilze, pilzartiges Aussehen
Muskel
tot, abgestorben, Vorgang des Absterbens
Niere, Nieren
Nerv, Nervengewebe,
Nervensystem
Auge
vermindert, wenig, klein, gering, arm an...
Geschwulst, Tumor
Ei, Eizelle
Auge, Augenkrankheit
aufrecht, aufgerichtet, gerade, richtig
Knochen, knöchern
Ohr, Ohren
Ei, Eizelle
klein
Krankheit, Leiden, Schmerz
vertilgen, verzehren, fressen
Vene
Licht, Helligkeit
Pflanze
Luft, Gas, Atem, Lunge
viel, viele, zahlreich, mehr
nach, später, hinter
vor, voraus, voran, davorliegend, vorzeitig
After, Steiß
22
pulmonalpyore-
renoretrorhinosemiserosklerosomatspinosplenospondylospongiosteato
stenostomato
subsym-/syntachytarstendothrombthyreo-/thyroultraüberschreitend
urovagozerebrozyst-
Einführung
Lunge
Eiter
zurück, zurückbleibend, in den ursprünglichen bzw. normalen
Zustand zurückbringend, an die richtige Stelle bringend,
rückläufig, entgegen gerichtet
Niere
hinter, hinten, zurück, rückwärts, im Hintergrund von etwas
gelegen
Nase
halb, zur Hälfte
Blutserum, Flüssigkeit
hart, trocken, spröde
Körper
1. dornförmig; 2. die Wirbelsäule bzw. das Rückenmark
betreffend
Milz
Wirbel, Wirbelgelenke
schwammig, schwammartig
Talg, Fett
Enge, Verengung, Beklemmung
Mund, Mundhöhle
unter, unterhalb, niedriger, von unten heran, nahe bei, weniger
mit, zusammen, gemeinsam, zugleich, gleichartig
schnell, beschleunigt
Fußwurzel, Fußwurzelknochen
Sehne, spannen, ausdehnen
dicker Tropfen, Blutpfropf, Blutgerinnsel, Blutplättchen
Schilddrüse (Glandula thyreoidea)
jenseits von, über ... hinaus, dahinterliegend, das Normale
Harn, Harnbestandteile, Harnausscheidung
Nervus Vagus (X. Hirnnerv)
Gehirn
Blase, Harnblase, Hohlraum
Die Zelle
B.
23
Zelle/Gewebe
Die Zelle
Eigenschaften der Zelle A ....................................................................................................................... 24
Der Aufbau der Zellen ............................................................................................................................ 24
Das Erbmaterial ...................................................................................................................................... 25
Die Zellfunktion ...................................................................................................................................... 25
Die Zellenergie ........................................................................................................................................ 25
Die Zellteilung ......................................................................................................................................... 26
© Arpana Tjard Holler (Autor)
24
Die Zelle
Eigenschaften der Zelle A

Zellen bilden die kleinste Einheit des menschlichen Organismus. Die Kennzeichen der Zelle
sind:
 Wachstum
 Stoffwechsel
 Reizbarkeit
 Leitfähigkeit
 Beweglichkeit
 Anpassungsfähigkeit
 Fortpflanzung
Der Aufbau der Zellen


Der Raum innerhalb der Zellen nennt sich Intrazellulärraum.
Der Raum außerhalb der Zellen nennt sich Zwischenzellraum, Extrazellulärraum oder
Interstitium.
Zellmembran




Hat die Aufgabe, den Zellinhalt gegen äußere Einflüsse (Flüssigkeit im Extrazellulärraum)
abzugrenzen und zu schützen.
Dicke der Zellmembran 7-10 nm.
Besteht aus zwei gegensätzlich angeordneten Phosphorlipidschichten. Jede Schicht wird in
der Breite aus einem Phosphorlipidmolekül gebildet, welches mit dem hydrophilen
(wasseranziehenden) Kopf (Phosphatmolekül) in der äußeren Schicht zur Zellaußenseite
(Extrazellulärraum) und in der inneren Schicht zur Zellinnenseite (Intrazellulärraum) zeigt,
während die hydrophoben (wasserabstoßenden, fettanziehenden) Schwänze (Lipide,
Fettsäuren) in der Doppelschicht zueinander zeigen. In dieser Doppelschicht eingelagert
sind spezialisierte Eiweiße (sog. Membranproteine), die im Wesentlichen eine
Transportfunktion besitzen.
An der Zellmembran ragen Kohlenhydratmoleküle ins Interstitium, die ein spezifisches
Muster für jede Zelle bilden und so eine Funktion zur Erkennung von Zellen ausüben.
Zellleib

Das Zytoplasma ist die Flüssigkeit innerhalb der Zelle, worin die Zellorganellen
eingebettet sind:
 Endoplasmatisches Retikulum ist ein verzweigtes Netz von Kanälen zum
Transport gelöster Stoffe im Zytoplasma.
 Ribosomen sind kleine, kugelförmige Körper, die frei im Zytoplasma
schwimmen oder dem endoplasmatischen Retikulum anhaften. Sie dienen der
Eiweißsynthese.
 Golgi-Apparat ist die Verpackungsmaschine für Stoffe, die nach außen
abgegeben werden.
 Mitochondrien sind die Orte der Zellatmung. Sie bauen Nährstoffe ab und
speichern die gewonnene Energie als ATP (Adenosintriphosphat).
 Lysosome enthalten Verdauungsenzyme zum Abbau von Bakterien, Viren,
Molekülen und körpereigenen Stoffen.
 Zentrosome besitzen Funktionen bei der Zellteilung.
 Zytoskelett besteht aus Mikrotubuli und Mikrofilamenten.
Die Zelle
25
Zellkern (Nucleus) und Kernkörperchen (Nucleolus)




Der Zellkern ist der Träger der Erbinformation und der Informationen über die Herstellung
ständig benötigter Stoffe (Eiweiße, Hormone, Enzyme u.a.).
Diese Informationen sind genetisch festgelegt in der DNS (Desoxyribonukleinsäure).
Alle lebenden Zellen außer Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und Thrombozyten
(Blutplättchen) haben einen Zellkern.
In den Kernkörperchen des Zellkerns wird RNS (Ribonukleinsäure) produziert, welche die
Aufgabe besitzt, die Information der DNS zu kopieren und zum Zielort, den Ribosomen, zu
bringen.
Stoffaustausch der Zelle




Ohne Stoffaustausch keine Kennzeichen des Lebendigen. Die Zelle benötigt Stoffe von
außen und gibt Stoffe ab. Es gibt mehrere Möglichkeiten die Zellmembran als Barriere zu
passieren.
Diffusion als passive Transportfunktion. Atomare Teilchen passieren die Zellmembran
infolge der Diffusionskraft entlang des Konzentrationsgefälles. Ionenkanäle können die
Diffusion erleichtern bzw. verhindern.
Aktiver Transport: Unter Verbrauch von ATP werden Stoffe z.B. über Transportmoleküle
durch die Zellmembran geschleust.
Vesikel als Transportmöglichkeit. Größere Stoffmengen können nicht über Transportkanäle
die Zellwand passieren, sondern werden als Bläschen (Vesikel) über die Zellmembran
eingeschleust (Endozytose) oder aufgenommen (Exozytose), in dem sie mit der
Zellmembran verschmelzen.
Das Erbmaterial


Die Erbanlagen sind in Form von Chromosomen im Zellkern gespeichert. Die
Chromosomen bestehen aus DNS-Molekülen und sind als eine Doppelhelix gebaut, ähnlich
einer spiralig um eine Säule herum gelegten Strickleiter.
Jede Zelle hat 46 Chromosomen, die in 23 Paare aufgeteilt werden. 22 Paare sind
untereinander gleich (Autosomen). Ein Paar ist nicht miteinander identisch, die
Geschlechtschromosomen (Heterosomen). In männlichen Zellen liegen diese als ein X- und
ein Y-Chromosom vor, weibliche Zellen haben zwei gleichartige, große
X-Chromosomen.
Die Zellfunktion

Während der Alltagsfunktion der Zelle wird je nach Bedarf ein Abschnitt der DNS kopiert
und vom Kern in das Zytoplasma transportiert. Dort wird an den Ribosomen seine
spezifische Information abgelesen und mit deren Hilfe der Zielstoff (Eiweiß, Hormon,
Enzym u.a.) zusammengesetzt. Die entstandenen Produkte werden durch den Golgi-Apparat
verpackt und in Richtung Zellmembran befördert.
Die Zellenergie

Alle biochemischen Reaktionen der Zelle erfordern neben der Bereitstellung von
Baumaterial auch Energie. Diese Energie wird in Form energiereicher
Phosphatverbindungen (ATP = Adenosintriphosphat) bereitgestellt. Die zum Aufbau von
ATP erforderliche Energie wird durch Oxidation von Fetten und Kohlenhydraten
gewonnen. In den Mitochondrien findet solch ein Prozess unter Einwirkung von Sauerstoff
statt. Die Mitochondrien sind so die energetischen Kraftwerke der Zelle.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
26
Die Zelle
Die Zellteilung


Mitose: Einfache Zellteilung aller Körperzellen.
 Die Doppelstränge der DNS teilen sich und dienen jeweils als Vorlage für ein
neues Paar. Zu jedem losgelösten Strang wird ein neuer Gegenstrang gebildet,
so dass jede Tochterzelle nach der Teilung einen kompletten Chromosomensatz
(46) erhält. Durch diese mitotische Zellteilung kommt es zu zwei neuen,
identischen Zellen.
Meiose: Zellteilung der Geschlechtszellen (sog. Reduktionsteilung).
 Die Geschlechtszellen reduzieren in der Reifeteilung ihren doppelten
Chromosomensatz (diploider Chromosomensatz) auf einen einfachen, halben
Chromosomensatz (haploider Chromosomensatz). Die jeweils halben
Chromosomensätze der Geschlechtszellen ergänzen sich bei der Befruchtung
zu einem vollständigen Satz, wobei das Chromosom X oder das Chromosom Y
der männlichen reifen Samenzellen das Geschlecht des Kindes bestimmt.
Gewebe Anatomie
27
Gewebe Anatomie
Unterscheidung der Gewebearten .......................................................................................................... 28
Epithelgewebe .......................................................................................................................................... 28
Binde- und Stützgewebe .......................................................................................................................... 29
Muskelgewebe (Musculus, Myo-) ........................................................................................................... 33
Nervengewebe (Nervus, Neuro-)............................................................................................................. 33
© Arpana Tjard Holler (Autor)
28
Gewebe Anatomie
Unterscheidung der Gewebearten




Ein Gewebe (Histo-) ist ein Verband von Zellen gleicher Bauart und gleicher Funktion.
Ein Organ ist ein Verband verschiedener Gewebe und Zellen, welche die Aufgabe haben
eine oder mehrere bestimmte Funktionen auszuüben.
Atom – Molekül – Zelle – Gewebe – Organ – Organsysteme (z.B. Harnapparat) – Mensch.
Je nach Aufgabe der jeweiligen Gewebeart sind die dafür zuständigen Zellen differenziert.
Die Zellen von Muskel- und Nervengewebe sind so hoch spezialisiert, dass für sie eine
Teilungsfähigkeit nicht mehr in Frage kommt. Es werden vier Gewebearten
unterschieden:
 Epithel- und Drüsengewebe: Epithelzellen umgeben das Gewebe, kleiden die
Oberflächen von Hohlräumen aus und bilden Drüsen.
 Binde- und Stützgewebe: Fettgewebe, Sehnen, Bänder, Blut und MonozytenMakrophagen-System (MMS) werden zum Bindegewebe gezählt, Knochen und
Knorpel gehören zum Stützgewebe.
 Muskelgewebe bestehen aus kontraktionsfähigen Muskelzellen.
 Nervengewebe sind Impulsgeber oder Reizleitungsbahnen.

Unter Parenchym versteht man das jeweilige Funktionsgewebe eines Organs (z.B. die
Tubuluszellen der Niere).
Epithelgewebe






Wird als Deckgewebe bezeichnet.
Bedeckt äußere/innere Körperoberflächen, kleidet Hohlräume aus.
Ist ein flächenhaft ausgebreiteter Zellverband, dessen Zellen dicht aneinander liegen.
Bietet Schutz (Haut, Schleimhaut).
Dient dem Stoffaustausch: im Darm Resorption, bei den Drüsen Sekretion.
Ist an der Reizaufnahme (Sinnesepithel, z.B. Netzhaut des Auges) beteiligt.
Aufbau des Epithelgewebes


Die Epithelzellen liegen einer Basalmembran auf. Sie ist 0,5 - 1,5 m dick.
Das Epithelgewebe besitzt keine eigenen Gefäße; die Ernährung erfolgt über die Basalmembran durch Diffusion. Eine Basalmembran findet sich immer dort, wo ein
Stoffaustausch stattfindet.
Formen des Epithelgewebes
Deckepithelien


Deckepithelien decken und grenzen mit ihren Zellleibern ab, kleiden innere Höhlungen,
Gefäße aus.
Nach den Schichten des Epithels werden unterschieden:
 Einschichtiges Epithel: Befindet sich vorwiegend im Magen- und Darmkanal,
Gefäße, Bauchfell, Gallenblase, Eileiter und Gebärmutter.
 Mehrschichtiges Epithel: Befindet sich meist an mechanisch besonders
beanspruchten Stellen wie z.B. Haut (verhorntes mehrschichtiges Epithel),
Augenbindehaut, Mund, Lippen, Kehlkopf, Speiseröhre, After, Scheide und
Eichel.
Gewebe Anatomie


29
Nach der Form der Epithelzellen lassen sich unterscheiden:
 Plattenepithel: Wird vor allem als Auskleidung von Blut- und Lymphgefäßen
und serösen Höhlen (Rippenfell, Herzbeutel, Bauchfell) verwendet.
 Kubisches (würfelförmiges) Epithel: Die Epithelzellen sind quadratisch. Sie
finden sich v.a. in der Niere als Tubuluszellen.
 Zylinderepithel oder hochprismatisches Epithel: Wird hauptsächlich bei der
Stoffaufnahme und Stoffabgabe benutzt, also im Magen-Darm-Trakt
(Gastrointestinaltrakt).
Sonderformen des Deckepithels sind:
 Verhorntes Epithelgewebe: Durch abgestorbene Epithelzellen entstehende
Hornschicht auf der äußeren Haut.
 Flimmerepithel: Flimmerhärchen tragendes Epithelgewebe mit eingestreuten
Becherzellen; befindet sich in den oberen und unteren Atemwegen.
 Übergangsepithel: Eine besondere Form des Epithelgewebes, die sich nur in
den ableitenden Harnwegen befindet. Es ist dehnbar und kann sich einer
unterschiedlichen Füllung anpassen.
 Resorptionsepithel (transportierendes Epithel): Schleimhautzellen im
Dünndarm, welche die Fähigkeit besitzen, molekulare Nahrungsbausteine
(Glukose, Aminosäuren, Fettsäuren) und andere Stoffe in den Körper
aufzunehmen.
 Sinnesepithelien: Befinden sich in der Netzhaut des Auges (Zapfen und
Stäbchen) bzw. im Innenohr (Haarzellen) und sind hoch spezialisierte Verbände
von Epithelzellen, die der Reizaufnahme dienen.
Drüsengewebe

Verbände hochdifferenzierter Epithelzellen, die Stoffe herstellen und abgeben.
Exokrine Drüsen

Ihre produzierten Stoffe werden nach außen abgegeben. Damit sind neben der Haut auch
die im Inneren des Körpers befindlichen Höhlen, wie z.B. der Magen-Darm-Trakt, die
Eierstöcke, Hoden und die ableitenden Harnwege, gemeint. Große Drüsen mit einer
Vielzahl von Zellen besitzen einen Ausführungsgang.
 Beispiele: Talgdrüsen, Duftdrüsen, Schweißdrüsen, Speicheldrüsen,
Tränendrüsen, Becherzellen, Cowper-Drüse, Bartholin-Drüsen, Haupt-, Belegund Nebenzellen der Magenschleimhaut, Bauchspeicheldrüse, Leber,
Eierstöcke, Hoden u.a.
Endokrine Drüsen (hormonproduzierende Drüsen)

Sie geben ihre Stoffe direkt in den Zwischenzellraum ab. Diese gelangen dann per Diffusion
über die Kapillaren in den Blutkreislauf. Siehe Kapitel Endokrinologie
Binde- und Stützgewebe

Ist das am häufigsten vorkommende Gewebe im Körper. Es verbindet und umgibt Gewebe,
Organe, Organsysteme und grenzt diese zur Umgebung ab. Folgende Zellverbände werden
dazu gezählt:
 Knochen und Knorpel (Stützfunktion)
 Blut (flüssiges Gewebe)
 Fettgewebe
 Bänder, Sehnen und Schleimbeutel
© Arpana Tjard Holler (Autor)
30
Gewebe Anatomie
Aufbau des Bindegewebes

Typisch für Bindegewebe ist der hohe Anteil an nichtzellulärer Substanz. Diese besteht aus
Grundsubstanz und den darin enthaltenen, dem Charakter des Bindegewebes dienenden
Bindegewebsfasern. Die Bindegewebszellen treten gegenüber der Grundsubstanz
quantitativ deutlich zurück.
 Bindegewebsfasern bestehen nicht aus Zellen!
Bindegewebszellen


Fixe Bindegewebszellen
 Sie heißen Fibrozyten und haben lange Zellfortsätze, die zum Teil mit anderen
Zellen in Verbindung stehen und ein dreidimensionales Netz bilden.
 Fibrozyten und Fibroblasten (junge aufbauende Bindegewebszellen) ernähren
die Grundsubstanz.
Mobile Bindegewebszellen
 Sind die Abwehrzellen des Blutes und der lymphatischen Organe. Sie können
die Blutbahn verlassen und sich frei im Gewebe bewegen, um Erreger zu
beseitigen (Monozyten-Makrophagen-System).
Grundsubstanz

Sie befindet sich im Interstitium und umgibt alle Zellen. Ihre Konsistenz kann flüssig,
halbflüssig, gallertartig (Knorpel) oder fest (Knochen) sein. Sie besteht hauptsächlich aus
Wasser, Eiweißen, Kohlenhydraten und Salzen.
Fasern

Die Fasern befinden sich in der Grundsubstanz und geben dem Bindegewebe die eigentliche
Qualität. Zu unterscheiden sind 3 Arten von Fasern:
 Kollagene Fasern: Sind durch ihre Geflechtstruktur besonders reißfest und
können sich max. 5% ihrer Länge dehnen.
 Sie kommen vor in Knochen, Faserknorpeln (z.B. Meniskus),
Bändern und v.a. in Sehnen.
 Name: Kollagen quillt beim Kochen und ergibt Leim (griechisch: Kolla). Früher wurde
Leim in Leimsiedereien aus Knochen gewonnen.
 Elastische Fasern: Sind zugelastisch und können sich um mehr als 100% ihrer
Länge dehnen.
 Sie kommen in Knorpelgewebe vor z.B. in der Nasenscheidewand,
am Ohr und in anderen Geweben wie im Lungengewebe und in
herznahen Arterien.
 Retikulinfasern (Gitterfasern): Sind biegungselastisch (weniger zugelastisch)
und kommen v.a. im retikulären Bindegewebe (Milz, Lymphknoten, Tonsillen,
Knochenmark) und Basalmembranen vor.
Formen des Bindegewebes
Monozyten-Makrophagen-System (retikuläres Bindegewebe)



Das Monozyten-Makrophagen-System wurde früher als RES (Retikuloendotheliales
System) bezeichnet.
Alle Zellen, die von den Monozyten abstammen und als mobile oder fixe Zellen
Abwehrcharakter besitzen (das Zauberwort ist: Phagozytose, die Fähigkeit Zellen zu
„fressen“).
Vorkommen: lymphatischer Rachenring, Lymphknoten, Lunge, Milz, Leber, MagenDarm-Trakt, Knochenmark, Gehirn, Bindegewebe.
Gewebe Anatomie
31
Lockeres Bindegewebe


Dient als Verschiebeschicht zwischen unterschiedlichen Gewebearten (z.B. Haut und
darunterliegende Muskelschicht). Hier sind Fibrozyten in meist flüssiger Grundsubstanz
(Wasserspeicher) sowie elastische und kollagene Fasern in lockerer Anordnung zu finden.
Enthält Nerven und Gefäße.
Dient als Stützgerüst (Stroma) von Organen (interstitielles Bindegewebe).
Straffes Bindegewebe


Bildet hauptsächlich Sehnen (parallelfaseriges Bindegewebe) und Bänder (geflechtartiges
Bindegewebe), die vorwiegend aus kollagenen Fasern bestehen. Dazwischen liegen
Fibrozyten mit wenig Grundsubstanz.
Geflechtartig verwobene Bindegewebsfasern sind außerdem vorhanden in der Lederhaut
des Auges, in Hirnhäuten und Organkapseln.
Sehnen (Tendo, Tendo-)



Stellen die Verbindung zwischen Muskel und Knochen dar und sind durch die parallel
angeordneten Kollagenfasern besonders auf Zug belastbar.
Sind auch als flächenhafte Sehnen gestaltet, z.B. die Sehnenplatte der Hohlhand
(Palmaraponeurose), der Fußsohle (Plantaraponeurose), die Zwerchfellkuppen, in der
Bauchmuskulatur.
Enthalten Propriozeptoren (Golgi-Sehnenorgan, Tiefensensibilität), sog. Stellungsfühler,
welche zusammen mit anderen Sensoren aus Muskeln (Muskelspindeln), Gelenken und der
Haut die Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum sicherstellen.
Bänder (Ligamentum)

Verbinden Knochen, Gelenkanteile und Organe miteinander und begrenzen dadurch ihre
Beweglichkeit. Sie bestehen aus geflechtartigen Fasern und besitzen eine größere Elastizität
als Sehnen.
Fettgewebe (Lipo-)


Speicherfett: Befindet sich als Nahrungsreserve in Fettdepots, besonders im
Unterhautfettgewebe und in den Eingeweiden des Bauchraums (Omentum majus und
Appendices epiploicae).
Baufett: Besitzt Schutz- und Stützfunktion. Baufettzellen sind von kollagenen Fasern
umsponnen und können so auf Druck als Polster wirken (Gesäß, Fußsohlen, Handteller).
Nieren und Augäpfel sind durch Baufett in ihrer Lage fixiert. Baufett wird beim Hungern
bzw. Fasten und bei kräftezehrenden Krankheiten zuletzt abgebaut.
Knorpel (Cartilago, Chondro-)




Knorpelgewebe ist ein druckfestes und biegungselastisches Stützgewebe, und es hat die
Aufgabe, stark beanspruchte Bereiche des Körpers zu schützen.
Knorpelgewebe bestehen aus Chondrozyten, den Knorpelzellen, und fester Grundsubstanz.
Knorpelgewebe besitzt keine Gefäße; es wird durch Diffusion aus dem in der Nähe
befindlichen Gewebe ernährt.
Je nach Bau der Zwischensubstanz werden 3 Knorpelarten unterschieden:
 Hyaliner Knorpel (hyalin = durchsichtig): Er ist der am häufigste
vorkommende Knorpel und besteht im Wesentlichen aus kollagenen Fasern.
 Gelenkknorpel, Rippenknorpel
 Nasenscheidewand, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien
 Epiphysenfugen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
32
Gewebe Anatomie
 Elastischer Knorpel: Besteht vorwiegend aus elastischen Fasernetzen und ist
leicht verformbar.
 Kehldeckel, Kehlkopf
 Ohrmuschel, Ohrtrompete
 Nase, Bronchien
 Faserknorpel (Bindegewebsknorpel): Besteht aus hyalinem Knorpel und
kollagenem Bindegewebe und ist dadurch sehr widerstandsfähig.
 Bandscheiben, Menisken, Schambeinfuge
Knochen (Os, Osteo-)









Knochengewebe gibt dem Körper seine Form, schützt und stützt ihn und bildet den passiven
Bewegungsapparat.
Die Knochenmatrix (Grundsubstanz) des Knochens besteht aus Mineralsalzen (Kalzium,
Phosphor, Fluor) und kollagenen Fasern. Die anorganischen Substanzen machen ihn zum
härtesten Gewebe im Körper und verleihen ihm eine enorme Druck- und Zugkraft (15 bzw.
10kg/mm2).
Der Knochen ist ein Speicherorgan für Kalzium und Phosphor. Das menschliche
Knochengerüst enthält ungefähr 99% des Gesamtkalziums. Der Übertritt zwischen Blut und
Knochen wird durch die Hormone Parathormon und Calcitonin geregelt
(Nebenschilddrüse und Schilddrüse). Kalzium wird hauptsächlich über Milchprodukte,
Nüsse und Früchte aufgenommen und braucht zur Aufnahme in den Körper Vitamin D.
Die Osteozyten (Knochenzellen) sind allseits von einer festen Grundsubstanz umschlossen.
Knochenaufbauende Zellen heißen Osteoblasten und knochenabbauende Zellen
Osteoklasten. Durch ständige Abbau- und Aufbauvorgänge der Osteoklasten und
Osteoblasten wird der Knochen regelmäßig erneuert.
Die kleinste Einheit des Knochengewebes ist das Osteon. Es besteht aus einem zentralen
Blutkanal, dem Havers-Kanal, um den in 10-12 Lamellen angeordnet die
Knochengrundsubstanz liegt. Zwischen den einzelnen Kittlinien liegen die Knochenzellen.
Volkmann-Kanäle sind im Knochengewebe quer verlaufende Blutstraßen, sie münden in
die Havers-Kanäle und verbinden diese miteinander.
Am Außenrand des Knochens ist die Knochenstruktur kompakt, dort wird sie Kortikalis
(auch Kompakta) genannt, nach innen zeigt sie eine Bälkchenstruktur, die Spongiosa. Die
Hohlräume dieser Bälkchenknochen weisen in den Epiphysen und in den platten Knochen
rotes blutbildendes Knochenmark auf. In den Diaphysen beim Erwachsenen sind Höhlen
mit gelben Fettmark zu finden.
Außen wird der Knochen von einer Knochenhaut, dem Periost begrenzt. Sie ist im
Gegensatz zum Knochen sensibel innerviert. Über sie verlaufen die Arterien in den
Knochen.
Die beiden verdickten Enden der langen Röhrenknochen heißen Epiphysen, der
dazwischenliegende Schaft heißt Diaphyse. Das Längenwachstum geschieht in den
Epiphysenfugen.
Nach der Knochenform werden unterschieden:
 Platte Knochen: Schulterblatt, Brustbein, Schädel, Rippen
 Kurze Knochen: Wirbel, Fuß- und Handwurzelknochen
 Lange
Knochen:
Oberarm-,
Unterarm-,
Oberschenkelund
Unterschenkelknochen
 Unregelmäßige Knochen: z.B. Kreuzbein, Hüftbeine, Rippen
Gewebe Anatomie
33
Muskelgewebe (Musculus, Myo-)


Es werden grundsätzlich 3 Arten von Muskelgewebe unterschieden:
 Quergestreifte Muskulatur: Findet sich in der Skelett- und der mimischen
Muskulatur. Sie arbeitet schnell, willkürlich und ermüdet rasch.
 Die quergestreifte Muskulatur gehört zum aktiven Bewegungsapparat.
 Glatte Muskulatur: Findet sich in den Hohlorganen, arbeitet langsam,
rhythmisch, unwillkürlich und ermüdet nicht.
 Herzmuskulatur: Besteht aus spezialisierter, quergestreifter Muskulatur. Sie
arbeitet rasch, rhythmisch und autonom.
Mikroskopische Anatomie:
 Eine Muskelfaszie (Muskelhülle) umgibt den Muskel und hält ihn in seiner
Form zusammen.
 Jeder einzelne Muskel besteht aus vielen Muskelfaserbündeln, die von einem
bindegewebigen Mantel zusammengehalten werden.
 Ein Muskelfaserbündel besteht aus vielen Muskelfasern.
 Eine Muskelfaser ist eine Muskelzelle. Muskelzellen sind nicht mehr in der
Lage sich zu teilen.
 Eine Muskelzelle besteht aus mehreren, parallel liegenden Myofibrillen,
Welche eine Kontraktion auszuführen können.
 Jede Myofibrille besteht aus vielen hintereinander geschalteten
Funktionseinheiten, den Sarkomeren. Sie sind von den sog. Z-Streifen
(Zwischenstreifen) begrenzt.
 Jedes Sarkomer besteht aus zwei verschiedenen Myofilamenten: Aktin und
Myosin. Durch den Impuls einer Nervenzelle kommt es zu einer Verschiebung
von Aktin- und Myosinfasern ineinander. Dieser Vorgang bewirkt die
Verkürzung.
 Myoglobin ist ein roter Muskelfarbstoff, welcher als Sauerstoffspeicher dient.
Nervengewebe (Nervus, Neuro-)

Dient der Reizaufnahme in den Sinnesorganen, der Reizverarbeitung im ZNS und der
Reizbeantwortung über Muskel- oder Drüsenzellen.
 Nervenzellen bestehen aus einem Zellleib und Zellfortsätzen, die als Nervenfasern
bezeichnet werden. Die Fasern dienen der Weiterleitung der Erregung an andere
Nervenzellen und verlaufen meist in Bündeln. Jede einzelne Nervenzelle kann mit vielen
anderen in Kontakt treten.
Ausführliche Beschreibung im Kapitel Neurologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
34
Gewebe Anatomie
Häufigste Chromosomenabweichungen
Trisomie 21 (Down-Syndrom, Mongolismus)
Def:
Beim Down-Syndrom liegt das Chromosom Nr. 21 in 3-facher Ausfertigung vor
(numerische Chromosomenanomalie), so dass sich in allen Körperzellen 47 anstelle
von 46 Chromosomen befinden (numerische Chromosomenanomalie).
Sym: 









schräge Augenlidstellung (Mongolismus)
Augenabstand vergrößert, breite und eingesunkene Nasenwurzel
tiefsitzende Ohren
meist offener Mund
große Zunge, vermehrte Speichelsekretion
Minderwuchs
unterschiedliche geistige Behinderung
Fehlentwicklung fast aller Organe möglich
oft Herzfehler
mit zunehmenden Lebensalter überdurchschnittlich häufiges Auftreten einer
Demenz
 Mütter über 40 Jahre haben ein erhöhtes Risiko Down-Syndrom-Kinder zu gebären.
Klinefelter-Syndrom (XXY)
Def:
Statt der normalen Kombination von XY liegt in allen Zellen i.d.R. die Kombination
XXY vor.
Sym: 



meist geistig unterentwickelte Männer
kleine Geschlechtsorgane, nicht zeugungsfähig
weibliche Körperbehaarung, weibliche Brustentwicklung (Gynäkomastie)
Osteoporose als Späterscheinung
Turner-Syndrom (XO)
Def:
Bei Frauen auftretende Chromosomenabweichung mit nur einem X-Chromosom
statt normalerweise zwei X-Chromosomen.
Sym:  Minderwuchs (meist kleiner als 150 cm)
 sexuelle Unterentwicklung
 meist keine Ausbildung von Ovarien und Gebärmutter
 Ausbleiben der Menstruation (Amenorrhoe)
 oft Organfehlbildungen (z.B. angeborene Herzfehler, Flügelfell am Hals)
 normale geistige Entwicklung möglich
Bewegungsapparat Anatomie
C.
35
Bewegungsapparat Anatomie/Pathologie
Bewegungsapparat Anatomie
Bewegungsapparat Anatomie ................................................................................................................. 36
Untersuchung des Bewegungsapparates ................................................................................................ 51
© Arpana Tjard Holler (Autor)
36
Bewegungsapparat Anatomie
Bewegungsapparat Anatomie
Das menschliche Knochengerüst
Die Knochen des Schädels




Die Schädelknochen, mit einem Fassungsvermögen von 1,5 Liter, wölben sich als
Schädeldach und werden durch die Schädelbasis nach unten begrenzt. Unterscheidung in:
 Hirnschädel:
 1 Stirnbein (os frontale), bis zum 6. Lebensjahr aus zwei Platten
bestehend
 2 Scheitelbeine (os parietale)
 2 Schläfenbeine (os temporale)
o Felsenbein (os petrosa), beinhaltet das Hör- und
Gleichgewichtsorgan
 1 Hinterhauptbein (os occipitale)
 1 Keilbein (os sphenoidale)
 1 Siebbein (os ethmoidale); gilt auch als Gesichtsschädel
 Merkspruch: Stinnes sieben Keiler sind hintersinnige Schleimer
 Gesichtsschädel:
 1 Unterkiefer (Mandibula)
 1 Oberkiefer (Maxilla)
 2 Jochbeine (os zygomaticum)
 2 Nasenbeine (os nasale)
 2 Tränenbein (os lacrimale)
 2 Gaumenbeine (os palatinum)
 1 Pflugscharbein (Vomer)
 2 untere Nasenmuscheln (Concha nasalis inferior)
 1 Zungenbein (os hyoideum)
Schädelnähte (Suturen) der Schädelknochen untereinander:
 Sutura coronalis = Kranznaht; grenzt die beiden Scheitelbeine vom Stirnbein ab.
 Sutura sagittalis = Pfeilnaht; grenzt die beiden Scheitelbeine voneinander ab.
 Sutura squamosa = Schuppennaht; grenzt die Scheitel- und Schläfenbeine
voneinander ab.
 Sutura lambdoidea = Lambdanaht; grenzt die Scheitel- und Schläfenbeine vom
Hinterhauptbein ab.
Fontanellen: Aufeinandertreffen von mehreren Schädelnähten, welche bei Säuglingen noch
nicht verknöchert sind und aus Bindegewebe bestehen.
 Große Fontanelle (Stirn-Fontanelle) = Befindet sich zentral auf der Mittellinie
im vorderen Drittel des Schädels auf dem Eckpunkt zwischen Stirnbein und den
beiden Scheitelbeinen.
 Kleine Fontanelle (Hinterhaupt-Fontanelle) = Befindet sich am Hinterkopf am
Treffpunkt Hinterhauptsbein mit den beiden Scheitelbeinen.
Wichtige anatomische Strukturen:
 Türkensattel (Sella turcica). Eine knöcherne Einsenkung mitten im Keilbein, in
der sich die Hypophyse befindet.
 Processus mastoideus, sog. Warzenfortsatz. Ein deutlich fühlbarer, leicht spitz
zulaufender Knochenfortsatz direkt hinter dem Ohr am Schläfenbein. Dient dem
Ansatz des Kopfwenders.
 Foramen magnum (auch: Foramen occipitale), großes Hinterhauptloch. Dort
laufen die Nervenfasern des ZNS in das Rückenmark.
Bewegungsapparat Anatomie
37
 Foramen supraorbitale (Orbita = Augenhöhle; supra = über). Fühlbarer
Knocheneinschnitt am oberen Augenhöhlenrand als Durchtrittsstelle des ersten
Astes des Trigeminus (V1).
 Foramen infraorbitale (infra = unter). Kleine Knochenöffnung unterhalb des
unteren Augenhöhlenrandes als Durchtrittsstelle des zweiten Astes des
Trigeminus (V2).
 Foramen mentale (Mentum = Kinn). Kleine Knochenöffnung seitlich am
Unterkieferast auf Höhe des zweiten Backenzahnes als Durchtrittsstelle des
dritten Astes des Trigeminus (V3).
 Linea nuchea. Eine höckerige Knochenleiste, welche sich waagerecht im unteren
Bereich des Okziput (Hinterhauptbein = os occipitale) befindet und als
Ansatzpunkt der Nackenmuskulatur dient. Hier sind auch Lymphknoten
ansässig, welche bei Vergrößerung tastbar wären.
Wirbelsäule (Columna vertebralis)

Unterscheidung:
 7 Halswirbel = Zervikalwirbel
 C1 - C7
 12 Brustwirbel = Thorakalwirbel,
 Th1 - Th12
 5 Lendenwirbel = Lumbalwirbel
 L1 - L5
 5 Kreuzbeinwirbel = Sakralwirbel
 S1 - S5
 Sakrum = Kreuzbein
 3-5 Steißbeinwirbel (Vertebrae coccygiae) = Steißbein
Allgemeine Wirbelform


Jeder Wirbel, mit Ausnahme des ersten Zervikalwirbels, besteht aus:
 1 Wirbelkörper (Corpus vertebrae)
 2 Querfortsätzen (Processus transversi)
 1 Dornfortsatz (Processus spinosus)
 1 Wirbelbogen (Arcus vertebrae)
 1 Wirbelloch (Foramen vertebrae)
 4 Gelenkfortsätzen (Processus articulares)
Wichtige anatomische Strukturen
 Die Quer- und Dornfortsätze bilden Ansatzpunkte für Bänder und Muskeln.
 An den Querfortsätzen der Brustwirbel sind die Rippen gelenkig mit der
Wirbelsäule verbunden.
 Die einzelnen Wirbellöcher bilden zusammen den Wirbelkanal, der das
Rückenmark enthält.
 Seitlich bilden 2 Wirbel rechts und links miteinander je ein Zwischenwirbelloch
(Foramen intervertebrale), durch welches die Spinalnerven austreten.
 Die Gelenkfortsätze (kleine Wirbelgelenke, Facettengelenke), die an den
Querfortsätzen angebracht sind, verbinden die Wirbel gelenkig miteinander.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
38
Bewegungsapparat Anatomie
Besonderheiten der Wirbelsäule








Der erste Halswirbel (Atlas), ist der Träger des Kopfes. Auf seinen Seitenteilen besitzt er
eine obere Gelenkfläche, auf der das Hinterhauptbein so gelagert ist, dass dem Kopf eine
Vor- und Rückbewegung möglich ist (sog. Atlantookzipitalgelenk; lat.: Articulatio
atlantooccipitalis).
Der zweite Halswirbel (Axis) ist mit dem Atlas durch ein Zapfengelenk verbunden, so dass
Dreh- und Kreisbewegungen des Kopfes ermöglicht werden (sog. Atlantoaxialgelenk; lat.:
Articulatio atlantoaxialis). Zwischen Atlas und Axis findet sich keine Bandscheibe.
Der 7. Halswirbel (Vertebra prominens = Prominenz) besitzt einen besonders ausgeprägten
Dornfortsatz, der bei gebeugtem Kopf gut palpabel (fühlbar) ist, und an dem die
Schultermuskulatur aufgehängt ist.
Halswirbel haben einen kleinen Wirbelkörper und einen großen Spinalkanal. In den kleinen
Querfortsätzen (C1-C6) besitzen sie ein Loch (Foramen transversarium), in dem Arteria
und Vena vertebralis (versorgt Teile des Gehirns) verlaufen.
 Der Schwerpunkt des Kopfes liegt etwas vorn; die Nackenmuskulatur muss deshalb
einen Dauertonus aufweisen, um ihn aufrecht zu halten.
Die 12 Brustwirbel nehmen in ihrem Durchmesser von oben nach unten zu. Ihre
Dornfortsätze verlaufen zunehmend schräg nach unten.
Die Rippenwirbelgelenke (Kostovertebralgelenke, Articulatio costovertebralis) verbinden
den hinteren Rippenkopf mit dem Querfortsatz und dem Wirbelkörper der Brustwirbel.
Die Lumbalwirbel haben die größten Wirbelkörper, ihr Spinalkanal ist am kleinsten. Bis
hierher (L1-L2) verläuft das Rückenmark.
Das Kreuzbein ist eine Verschmelzung der 5 Kreuzbeinwirbel. Es gibt einen Wirbelkanal
mit 4 seitlichen Zwischenwirbellöchern. Das Steißbein ist ein Rudiment des
Schwanzskeletts.
Die physiologischen Wirbelsäulenkrümmungen


Die im aufrechten Stand auftretenden, natürlichen Krümmungen der Wirbelsäule werden
unterschieden in:
 Kyphose (Krümmung nach hinten; fachmännisch: dorsal) und
 Lordose (Krümmung nach vorne, in Richtung Bauch; fachmännisch: ventral).
Je nach Wirbelsäulenabschnitt werden unterschieden:
 Halslordose, als Krümmung nach vorn.
 Brustkyphose, als Krümmung nach hinten.
 Lendenlordose, als Krümmung nach vorn.
 Sakralkyphose, als Krümmung nach hinten.
Bandscheiben (23 Stück)

Die Bandscheibe (Discus intervertebralis) sitzt zwischen jeweils zwei Wirbeln und gibt der
Wirbelsäule zusammen mit den Wirbelgelenken die Bewegungsfreiheit und Elastizität
(Abpuffern der Stöße).
 Die Zwischenwirbelscheibe besteht aus:
 einem inneren Gallertkern, dem Nucleus pulposus und
 einem ringförmigen Faserknorpel, dem Anulus fibrosus.
 Da der Nucleus pulposus sich unter Druck verschiebt, gleicht er die Bewegung der einzelnen
Wirbel zueinander aus und hält so die Wirbel auseinander. Der ringförmige Faserknorpel
gibt dem Gallertkern einen Halt. Die Bandscheiben sind mit hyalinem Knorpel an den
Wirbelkörpern verwachsen. Alle Bandscheiben machen zusammen genommen 1/3 der
Länge der WS aus.
 Beim Riss im Faserknorpel ist die Gefahr eines Bandscheibenvorfalls groß.
Bewegungsapparat Anatomie
39
Aufgaben der Wirbelsäule

Stütz- und Schutzfunktion, Bewegung und Federung, Ursprung und Ansatz für Muskeln,
Blutbildung, Speicherung von Mineralien.
Brustkorb (Thorax)

Der Thorax besteht aus der Brustwirbelsäule, den 12 paarigen Rippen und dem Brustbein
(Sternum).
 Das Brustbein ist ein platter Knochen, der die vordere Brustwand bildet.
Unterschieden wird:
 Handgriff des Brustbeins (auch Schwertgriff genannt; lat.: Manubrium sterni).
Er ist als oberer Teil mit dem Schlüsselbein (Sternoklavikulargelenk) und mit
der ersten Rippe gelenkig verbunden.
 Körper des Brustbeins (auch Schwertkörper genannt; lat.: Corpus sterni). Er
ist der mittlere Teil und mit den übrigen Rippen über echte Gelenke verbunden.
 Fortsatz des Brustbeins (auch Schwertfortsatz genannt; lat.: Processus
xiphoideus). Er hängt frei herab und wird als Orientierungspunkt benutzt.
 Es werden 7 echte und 5 falsche Rippenpaare unterschieden. Die echten Rippen sind direkt
mit dem Brustbein durch Knorpel verbunden. Die falschen Rippen Nr. 8 bis 10 haben eine
indirekte Verbindung mit dem Brustbein über den Knorpel der 7. Rippe und bilden den
Rippenbogen. Die 11. und 12. Rippe enden frei.
 Der Raum zwischen den Rippen wird als Interkostalraum (= ICR) bezeichnet.
Der Schultergürtel


Der Schultergürtel besteht aus dem Schlüsselbein (Klavikula) und dem Schulterblatt
(Skapula).
Das Schulterblatt ist ein einigermaßen flacher und dreiecksähnlicher Knochen, der dem
Brustkorb am Rücken flach aufliegt und nicht mit ihm knöchern verbunden ist. Folgende
anatomische Strukturen sind zu unterscheiden:
 Schultergräte (Spina scapulae). Sie ist eine quer verlaufende Knochenleiste. Sie
wird von innen nach außen verlaufend zunehmend stärker und gibt dem
Schulterblatt so Stabilität.
 Schulterhöhe (Akromion). Bildet sich aus der Schultergräte und ragt seitlich
über das Schulterblatt hinaus. Mit dem Schlüsselbein ist sie gelenkig
(Akromioklavikulargelenk) verbunden.
 Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus). Ein hakenförmiger
Knochenfortsatz an der Vorderseite des Schulterblatts.
Arm- und Handknochen


Oberarmknochen (Humerus)
 Ein Röhrenknochen, der nach oben das Schultergelenk und nach unten das
Ellenbogengelenk mit bildet.
 Wird unterteilt in Kopf, Hals, Schaft und die beiden Gelenkknorren
(Epicondylus radialis und ulnaris), welche als Gelenkrolle am Ellenbogengelenk
beteiligt sind.
Zwei Unterarmknochen, Elle (Ulna) und Speiche (Radius)
 Die Elle liegt auf der Seite des kleinen Fingers und ist der längere
Unterarmknochen. Am proximalen Ende der Elle befindet sich ein
löffelförmiger Knochenfortsatz (Ellenbogen =Olekranon), der als knöcherne
Führung des Ellenbogens dient.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
40
Bewegungsapparat Anatomie


 Die Speiche liegt auf der Daumenseite. Speiche und proximale Reihe der
Handwurzelknochen gehen eine eiförmige Gelenkverbindung ein (Handgelenk;
lat.: Radiokarpalgelenk).
Elle und Speiche sind proximal und distal gelenkig miteinander verbunden.
Handknochen
Lassen sich unterscheiden in 8 Handwurzelknochen, 5 Mittelhandknochen und 14
Fingerhandknochen.
 Handwurzel (Ossa carpi).
 Proximale Reihe: Kahnbein, Mondbein, Dreiecksbein und
Erbsenbein (ein kleines Sesambein)
 Ein Kahnbeinbruch (Skaphoidfraktur) ist die häufigste Fraktur der
Handwurzelknochen. Männer sind davon häufiger betroffen. Die
Kahnbeinfraktur entsteht fast ausschließlich durch indirekte
Gewalteinwirkung bei Sturz auf die ausgestreckte Hand. Schmerzen
im Bereich der Tabatiere sind typisch. Kahnbeinbrüche neigen zu
Pseudarthrosenbildung.
 Distale Reihe: großes und kleines Vieleckbein, Kopfbein und
Hakenbein.
 Die beiden Handwurzelreihen zeigen auf der Palmarseite (Handinnenseite)
eine Konkavität, eine Wölbung nach hinten. Darüber ist ein Band gespannt,
welches den Karpaltunnel kreiert, in dem der Nervus medianus und die
Sehnen der Fingerbeuger verlaufen.
 Klassischer Merksatz zum Erlernen der Handwurzelknochen: „Es fuhr ein
Kahn im Mondenschein ums Dreiecks- und ums Erbsenbein. Vieleck groß
und Vieleck klein, am Kopf da muss der Haken sein.“
 Mittelhand besteht aus 5 Mittelhandknochen (Metakarpalknochen; lat.: Ossa
metacarpi). Mit den proximalen Gliedern der Fingerknochen bilden sie die
Fingergrundgelenke.
 Finger (Digiti manus) bestehen aus den drei Fingerhandknochen, dem
Grundglied (Phalanx proximalis), dem Mittelglied (Phalanx media) und dem
Endglied (Phalanx distalis). Ausnahme ist der Daumen, der nur aus zwei
Knochen besteht. Zu unterscheiden sind die Fingergrund-, Fingermittel- und
Fingerendgelenke.
 Fingergrundgelenke sind häufig von der rheumatoiden Arthritis befallen,
Fingerendgelenke häufig von der Arthrose.
Beckengürtel


Wird vom Kreuzbein (Sakrum) und den beiden Hüftbeinen (ossa coxae) gebildet. Sie sind
miteinander über das Iliosakralgelenk (Abk. ISG) und die Schambeinfuge verbunden. Ein
Hüftbein setzt sich zusammen aus:
 Darmbein (os ilium)
 Spina iliaca anterior superior (oberer vorderer Darmbeinstachel)
 Spina iliaca posterior superior (oberer hinterer Darmbeinstachel)
 Darmbeinkamm (Crista iliaca)
 Sitzbein (os ischii)
 Schambein (os pubis)
 Schambeinfuge (Symphyse, Symphysis pubica)
Die Gelenkpfanne (Acetabulum) im Hüftbein für das Hüftgelenk wird aus Darm-, Sitz- und
Schambein gebildet.
Bewegungsapparat Anatomie
41
Bein- und Fußknochen



Oberschenkelknochen (Femur)
 Der längste Röhrenknochen des Körpers.
 Der kräftige Oberschenkelkopf sitzt im Acetabulum und bildet mit diesem das
Hüftgelenk.
 Wichtige anatomische Strukturen sind:
 Trochanter major (großer Rollhügel). Ein auf der Außenseite
befindlicher Knochenvorsprung, an dem wichtige Muskeln
befestigt sind.
 Trochanter minor (kleiner Rollhügel). Ein auf der Innenseite
befindlicher Knochenvorsprung, an dem wichtige Muskeln
befestigt sind (z.B. der Musculus iliopsoas).
 Die beiden Gelenkknorren am unteren Ende des Knochens
(Epicondylus lateralis und medialis femoris), welche die
Gelenkrollen für das Kniegelenk darstellen.
 CCD-Winkel
(= Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel).
Der
Winkel des Schenkelhalses zum Oberschenkelschaft beträgt beim
Erwachsenen normalerweise 125°.
Zwei Unterschenkelknochen, Schienbein (Tibia) und Wadenbein (Fibula)
 Das Schienbein bildet mit dem Oberschenkel und der Kniescheibe das
Kniegelenk.
 Das Wadenbein hat nach oben eine gelenkige Verbindung mit dem Schienbein
und bildet nach unten zusammen mit dem Schienbein und dem Sprungbein das
obere Sprunggelenk.
 Wichtige anatomische Strukturen sind:
 Malleolus lateralis; der äußere Fußknöchel, wird vom Wadenbein
gestaltet wird.
 Malleolus medialis; der innere Fußknöchel, er wird vom
Schienbein gebildet.
 Membrana interossea cruris (interossea = zwischen zwei Knochen;
cruris = Unterschenkel). Eine starke Bindegewebsmembran, die
zwischen den beiden Knochen liegt und einigen Muskeln als
Ursprung dient.
Fußknochen
 Lassen sich unterscheiden in 7 Fußwurzelknochen, 5 Mittelfußknochen und 14
Zehenknochen.
 Fußwurzel mit Fersenbein (Kalkaneus), Sprungbein (Talus), Kahnbein,
Würfelbein und 3 Keilbeinen.
 Mittelfuß mit 5 Mittelfußknochen (Metatarsalknochen; lat.: Ossa metatarsi).
 Zehen (Digiti pedis) mit je drei Zehenknochen, außer der Großzehe (2 Glieder):
Zehengrundglied, Zehenmittelglied und Zehenendglied.
Allgemeine Gelenklehre (Gelenk = Articulatio)


Gelenke sind Verbindungen von Knochen untereinander. Unterschieden werden echte und
unechte Gelenke.
Für echte Gelenke (Diathrose) ist der gewebefreie Gelenkspalt charakteristisch. Sie sind
aufgebaut aus:
 Gelenkkopf bzw. Gelenkknorren
 Gelenkpfanne
 Gelenkflüssigkeit (Synovia)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
42
Bewegungsapparat Anatomie

 Gelenkkapsel;
die
Gelenkinnenhaut
(Synovialis)
produziert
die
Gelenkschmiere.
Charakteristisch für unechte Gelenke (Synarthrosen) das Haften von Knochen
untereinander (z.B. bei den Schädelknochen). Ein Gelenkspalt existiert nicht; er ist durch
Bindegewebe, Knorpel oder Knochen ersetzt.
Gelenkformen

Generell sind zu unterscheiden:
 Scharniergelenke mit einer Bewegungsachse, z.B. Kniegelenk (Drehscharniergelenk), Oberarm-Ellenbogengelenk, Finger- und Zehengelenke, oberes
Sprunggelenk.
 Kugelgelenke mit drei Bewegungsachsen, z.B. Schultergelenk und Hüftgelenk.
 Eigelenk (Ellipsoidgelenk) mit zwei Bewegungsachsen, z.B. proximales
Handwurzelgelenk.
 Sattelgelenk (ähnlich einem Kugelgelenk) mit zwei Bewegungsachsen, z.B.
Daumensattelgelenk.
 Drehgelenk, Sammelbegriff für Zapfen- und Radgelenk.
 Zapfengelenk, z.B. Atlantoaxialgelenk (Atlas-Axis-Gelenk), proximales
Speichen-Ellen-Gelenk
 Radgelenk, z.B. das proximale Speichen-Ellen-Gelenk
 Facettengelenke sind sog. Gleitgelenke, bei denen die Bewegung horizontal zur
Gelenkfläche erfolgt. Die kleinen Wirbelgelenke der Wirbelsäule werden als
Facettengelenke bezeichnet.
Bewegungsmöglichkeiten







Rotation: Drehung
Supination / Pronation
 Supination: Auswärtsdrehung, Handfläche nach oben drehen
 Pronation: Einwärtsdrehung, Handfläche nach unten drehen
Flexion / Extension
 Flexion: Beugen
 Extension: Strecken
Plantarflexion / Dorsalflexion
 Plantaflexion: Beugung des Fußes in Richtung Fußsohle
 Dorsalflexion: Beugung des Fußes in Richtung Fußrücken
Abduktion / Abduktion
 Abduktion:
Vom Körper wegführen
 Adduktion:
An den Körper heranführen
Anteversion / Retroversion
 Anteveriosn: Vorwärtsbewegung
 Retroversion: Rückwärtsbewegung
Lateralflexion: Seitliche Beugung der WS
Ausgewählte Gelenke
Fingergelenke

Fingergrundgelenke (II-V) sind Gelenkverbindung (Kugelgelenk) zwischen den
Mittelhandknochen (Metakarpalknochen) und den Fingergrundgliedern (proximales
Fingerglied).
 Fingergrundgelenke sind häufig von der rheumatoiden Arthritis betroffen.
Bewegungsapparat Anatomie






43
Fingermittelgelenke sind Gelenkverbindung (Scharniergelenk) zwischen den
Fingergrundgliedern und den Fingermittelgliedern.
 Fingermittelgelenke können von der rheumatoiden Arthritis betroffen sein, als auch von
der Arthrose (Bouchard-Arthrose).
Fingerendgelenke (II-V) sind Gelenkverbindung (Scharniergelenk) zwischen den
Fingermittelgliedern und den Fingerendliedern.
 Fingerendgelenke sind von der Arthrose befallen (Heberden-Arthrose).
Daumenendgelenk ist ein Scharniergelenk zwischen dem Daumenendglied und dem
Daumengrundglied.
Daumengrundgelenk ist eine Gelenkverbindung (wenig bewegliches Scharniergelenk)
zwischen dem ersten Mittelhandknochen und dem Daumengrundglied.
Daumensattelgelenk (Daumenwurzelgelenk) ist eine Gelenkverbindung (Sattelgelenk)
zwischen einem Handwurzelknochen (großes Vieleckbein) und dem ersten
Mittelhandknochen.
 Wird häufig von der Arthrose befallen (Rhizarthrose).
Karpometakarpalgelenk (Articulatio metacarpalis) ist eine Gelenkverbindung zwischen
den Metakarpalknochen (Mittelhandknochen) und der distalen Reihe der
Handwurzelknochen.
Handwurzelgelenk


Distales Handwurzelgelenk (Articulatio mediocarpalis) ist eine Gelenkverbindung
zwischen der proximalen und der distalen Reihe der Handwurzelknochen mit einem Sförmigen Gelenkspalt. Wenig Beweglichkeit möglich.
Proximales Handwurzelgelenk (Articulatio radiocarpalis, Radiokarpalgelenk)
Diese Gelenkverbindung (sog. Eigelenk) besteht aus Speiche (Radius) und der proximalen
Reihe der Handwurzelknochen (Kahnbein, Mondbein und Dreieckbein) und verursacht die
eigentliche Bewegung im Handwurzelbereich. Die Elle (Ulna) ist nicht am
Handwurzelgelenk beteiligt.
Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti)

Besteht aus drei Untergelenken, die alle in einer großen Gelenkkapsel vereint sind:
 Dem Oberarm-Speichen-Gelenk (Articulatio humeroradialis), ein Kugelgelenk.
 Dem Oberarm-Ellen-Gelenk (Articulatio humeroulnaris), ein Scharniergelenk.
 Dem Speichen-Ellen-Gelenk (Articulatio radioulnaris), ein Radgelenk.
Schultergelenk (Articulatio humeri)

Das beweglichste Gelenk des Körpers. Es ist ein Kugelgelenk und wird von Schulterblatt
und Oberarmknochen gebildet.
 Die sehr kleine Gelenkpfanne des Schulterblatts ist fast eben. Zur Stabilität ist das
Gelenkpfannendach wichtig. Es wird durch einen Bandapparat zwischen dem
Rabenschnabelfortsatz und der Schulterhöhe gebildet.
 Fixiert wird das Schultergelenk durch die sog. Rotatorenmanschette, eine
Sehnenmanschette von vier Muskeln, welche die Rotation des Oberarms zur Aufgabe haben
 Musculus infraspinatus
 Musculus supraspinatus
 Musculus subscapularis
 Musculus teres minor).
 Das Schultergelenk ist das instabilste Gelenk.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
44
Bewegungsapparat Anatomie
Hüftgelenk (Articulatio coxae)

Stellt das größte Kugelgelenk im Körper da. Es wird vom Femurkopf und Hüftbein gebildet.
Die Gelenkpfanne (Acetabulum) im Hüftbein wird aus Darm-, Sitz- und Schambein
gebildet.
 Muskuläre Bewegung: Die zahlreichen Muskeln des Hüftgelenks haben neben ihrer
Bewegungsfunktion auch die Funktion der Stabilisierung. Es werden vier große
Muskelgruppen unterschieden:
 Strecker: Musculus gluteus maximus als wichtigster Muskel
 Beuger: Musculus iliopsoas als wichtigster Muskel, Musculus rectus femoris
(der einzige von den vier Muskel des Quadriceps, welcher am Hüftbein ansetzt),
Musculus sartorius (Schneidermuskel, verläuft vom SIAS bis zur medialen Seite
des Schienbeins)
 Abduktoren (bewegen das Bein weg vom Körper): Musculus gluteus als
wichtigster Muskel
 Adduktoren (bewegen das Bein zum Körper hin): Musculus gluteus maximus,
Musculus adductor magnus
 Eine Hüftgelenksdysplasie (Fehlstellungen des Hüftgelenks bei Neugeborenen) findet
sich bei 2-4% aller Neugeborenen. Mädchen sind häufiger betroffen. Die Diagnose wird
mit einer Ultraschalluntersuchung gesichert. Bei der konservativen Therapie wird eine
Abspreizbehandlung (Spreizhose) durchgeführt.
Kniegelenk (Articulatio genus)







Wird als sog. Drehscharniergelenk bezeichnet (Bewegungen um zwei Achsen). Am
Kniegelenk sind folgende Strukturen beteiligt:
Femur (Oberschenkelknochen) mit zwei Kondylen (distale Gelenkfortsätze), welche dem
Abrollen des Femurs auf der Tibia dienen.
Tibia (Schienbein)
 Das Wadenbein ist nicht am Gelenk beteiligt, da es nur mit dem Schienbein gelenkig
verbunden ist.
Kniescheibe (Patella). Sie befindet sich an der Knievorderseite und ist als größtes
Sesambein des Körpers in die Sehne des Musculus quadriceps eingebettet. An ihrer
Rückseite ist sie mit dem unteren Femurende gelenkig verbunden. Aufgaben:
 Dient als Umlenkrolle (Hypomochlion) für die Patellasehne.
 Verschließt das Kniegelenk bei Beugung.
 Ein Sesambein ist ein in einer Sehne befindlicher Knochen.
Zwei hufeisenförmige Menisken. Befinden sich innerhalb der Gelenkkapsel medial und
lateral und führen zu einer der jeweiligen Gelenkstellung (Beugung, Drehung im gebeugten
Knie) angepassten Gelenkpfanne.
 Der Außenmeniskus (Meniscus lateralis) ist der besser bewegliche Meniskus.
 Der Innenmeniskus (Meniscus medialis) ist an der Gelenkkapsel verwachsen
und daher schlechter beweglich
 Der Innenmeniskus ist wegen seiner geringeren Flexibilität der Gelenkmeniskus, der bei
Extremsituationen am häufigsten verletzt wird.
Kniegelenkbänder. Sie sind zur Stabilität und Führung des Gelenks notwendig.
 In der Gelenkkapsel befindliches vorderes und hinteres Kreuzband
(Ligamentum cruciatum; cruciatus = gekreuzt). Befestigen Femur und Tibia
miteinander und fixieren gebeugtes Knie.
 Außen auf der Gelenkkapsel, lateral und medial, befindliche Seitenbänder (auch:
Kollateralbänder). Machen eine Drehbewegung im gestreckten Knie unmöglich.
Zwei Schleimbeutel (Bursae), ein unterer und ein oberer.
Bewegungsapparat Anatomie

45
Muskuläre Bewegung
 Streckung (Extension): Musculus quadriceps femoris
 Beugung (Flexion): Musculus biceps femoris, Musculus semitendinosus,
Musculus semimembranosus, Musculus gastrocnemius
Sprunggelenk



Oberes Sprunggelenk (Articulatio talocruralis). Ein Scharniergelenk aus Schienbein,
Wadenbein und Sprungbein (Talus).
Unteres Sprunggelenk (Articulatio talocalcaneonavicularis). Besteht aus zwei Gelenken.
 Das vordere untere Sprunggelenk besteht aus Sprungbein und Kahnbein
(Naviculare).
 Das hintere untere Sprunggelenk besteht aus Sprungbein (Talus) und Fersenbein
(Kalkaneus).
Muskuläre Bewegung
 Plantarflexion: Musculus gastrocnemius
 Dorsalflexion: Musculus tibialis anterior
Die Muskeln des Körpers
Makroskopische Anatomie

Muskelursprung bezeichnet die Befestigung des Muskels an einem Punkt des Skelettes,
welcher der Körpermitte am nächsten liegt.
 Der Muskelansatz liegt an der Stelle, die der Körpermitte weiter entfernt ist.
 Sehnen bilden den Ursprung und Ansatz des Muskels und verbinden ihn mit den Knochen.
 Agonisten sind Muskeln, die eine Primärbewegung verursachen, z.B. Beugung im
Kniegelenk, während Antagonisten die Gegenbewegung ausführen.
 Die mimische Ringmuskulatur am Kopf unterscheidet sich von den übrigen
Skelettmuskeln. Sie setzt nicht am Knochen an, sondern liegt im Unterhautfettgewebe
und dient der Mimik.
Namensgebung der Muskeln

Muskeln werden nach unterschiedlichen Kennzeichen benannt, z.B.:
 Nach dem Muskelursprung bzw. Muskelansatz. Beispiel: Musculus
sternocleido-mastoideus.
 Nach der Muskelform. Beispiel: Musculus trapezius (trapezförmig).
 Nach der Lokalisation. Beispiel: Musculus gastrocnemius (zur Wade gehörend).
 Nach der Anzahl der Ursprünge. Beispiel: Musculus biceps, Musculus
quadriceps.
 Nach der Muskelgröße. Beispiel: Musculus gluteus maximus (größter).
 Nach der Funktion:
 Musculus flexor, ein Muskel mit beugender Funktion.
 Musculus extensor, ein Muskel mit streckender Funktion.
 Musculus abductor, ein Muskel, welcher eine Extremität vom
Körper wegführt.
 Musculus adductor, ein Muskel, welcher eine Extremität zum
Körper hinführt.
 Musculus sphincter, ein Schließmuskel.
 Musculus erector, ein Muskel mit aufrichtender Funktion.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
46
Bewegungsapparat Anatomie
Hilfseinrichtungen des Bewegungsapparates






Faszien sind formgebende Muskelumhüllungen, die teilweise mit den Knochen verwachsen
sind. Sie dienen der Abgrenzung und Verschieblichkeit von Muskeln bzw. Muskelgruppen
untereinander.
Schleimbeutel (Bursa) dienen dem Schutz der Sehnen bei knöcherner Umlenkung.
Sehnenscheiden sind Führungskanäle von Sehnen und dienen der Reibungsverminderung
entlang von Knochen, Muskeln und Gewebe. Im Inneren wird von der Synovialhaut
Flüssigkeit (Synovia) produziert um ein Gleiten zu ermöglichen.
Aponeurosen sind flächenhafte Sehnen.
Bänder (Ligamentum) dienen der Verstärkung und Führung von Gelenken.
Sesambeine sind in Sehnen oder Bändern eingelagerte Knochenstücke, die zur Verstärkung
der Strukturen dienen. Das größte Sesambein: Kniescheibe (Patella), das kleinste
Sesambein: Erbsenbein.
Bewegungsapparat Anatomie
47
Zusammenfassung
Die wichtigsten Knochen des Körpers
Kopf
Stirnbein
Scheitelbein
Hinterhauptbein
Schläfenbein
Keilbein
Siebbein
Oberkiefer
Unterkiefer
Jochbein
Nasenbein
Tränenbein
Gaumenbein
Pflugscharbein
Nasenmuschel
Zungenbein
 Os frontale
 Os parietale
 Os occipitale
 Os temporale
 Os sphenoidale
 Os ethmoidale
 Maxilla
 Mandibula
 Os zygomaticum
 Os nasale
 Os lacrimale
 Os palatinum
 Vomer
 Os concha nasalis
 Os hyoideum
Schulter
Schlüsselbein
Schulterblatt
Schultergräte
Schulterhöhe
Rabenschnabelfortsatz
Oberarmknochen
 Klavikula
 Skapula
 Spina scapulae
 Akromion
 Processus coracoideus
 Humerus
Oberarm
Unterarm
Hand
Rippen
Speiche
Elle
8 Handwurzelknochen
Kahnbein
Mondbein
Dreiecksbein
Erbsenbein
Hakenbein
Kopfbein
kleines Vieleck
großes Vieleck
5 Mittelhandknochen
Fingerendglieder
Endglied
Mittelglied
Grundglied
 Radius
 Ulna
12 Rippenpaare
7 echte Rippen, 5 falsche Rippen,
davon 2 freie Rippen
 Ossa costae
Brustbein
Kopfteil
Körper
Schwertfortsatz
© Arpana Tjard Holler (Autor)
 Os scaphoideum
 Os lunatum
 Os triquetrum
 Os pisiforme
 Os hamatum
 Os capitatum
 Os trapezoideum
 Os trapezium
 Os metacarpale I - V
 Phalangen
 Phalanx distale
 Phalanx mediale
 Phalanx proximale
 Sternum
 Manubrium sterni
 Corpus sterni
 Processus xiphoideus
48
Bewegungsapparat Anatomie
Bewegungsapparat Anatomie
Becken
Kreuzbein
2 Hüftbeine
Darmbein
Sitzbein
Schambein
49
 Sakrum
 Os coxae
 Os ilium
 Os ischii
 Os pubis
 Femur
Oberschenkel
Unterschenkel
Schienbein
Wadenbein
 Tibia
 Fibula
Fuß
Sprungbein
Fersenbein
Kahnbein
Würfelbein
3 Keilbeine
5 Mittelfußknochen
Zehenknochen
 Talus
 Kalkaneus
 Os naviculare
 Os cuboideum
 Ossa cuneiformia
 Os metatarsale I - V
 Phalangen
Halswirbel
Brustwirbel
Lendenwirbel
Kreuzbeinwirbel
Steißbeinwirbel
 Vertebrae cervicales
Vertebrae thoracicae
 Vertebrae lumbales
 Vertebrae sacrales
 Vertebrae coccygiae
Wirbelsäule
© Arpana Tjard Holler (Autor)
50
Bewegungsapparat Anatomie
Die wichtigsten Muskeln des Körpers
Lat. Name
Deutscher Name
M. sternocleidomastoideus
Kopfwendermuskel
M. trapezius
Kapuzenmuskel
M. deltoideus
Deltamuskel
M. pectoralis major
Großer Brustmuskel
M. latissimus dorsi
Breitester Rückenmuskel
M. biceps brachii
Zweiköpfiger
Unterarmbeuger
Dreiköpfiger
Unterarmstrecker
M. triceps brachii
M. rectus abdominis
Gerader Bauchmuskel
M. obliquus internus/
externus abdominis
Innerer/äußerer schräger
Bauchmuskel
M. erector spinae
Autochthone Rückenmuskulatur
größter Gesäßmuskel
M. gluteus maximus
M. psoas major
Hüftgelenkbeuger (großer
Lendenmuskel)
M. quadriceps femoris
(rectus femoris / vastus
intermedius / vastus lateralis
/vastus medialis)
M. sartorius
Kniestrecker, vierköpfiger Oberschenkelmuskel
M. biceps femoris
M. gastrocnemius
Diaphragma
Bewegung
Drehung des Kopfes
Anheben, drehen und
senken des
Schulterblatts
Abduktion Oberarm
Bewegung Skapula
Adduktion, Innenrotation Oberarm
Abheben, Innenrotation und
Rückwärtsbewegung
des Arms im
Schultergelenk
beugt den Unterarm,
Auswärtsdrehung
Streckung im
Ellenbogengelenk
Zurückführen des
Oberarms
Bauchpresse,
Rumpfbeugung
Knochenansätze
 Sternum, Klavikula
 Warzenfortsatz
 Dornfortsätze
 Schulterblatt
 Skapula, Klavikula
 Schulterblatt
 Klavikula, Sternum
 Oberarmkopf
 Dornfortsatz der
Brustwirbel VII-XII
 unterhalb des
Oberarmkopfes
 Skapula
 Radius
 Humerus, Skapula
 Ellenbogen
 Rippenknorpel der
5.-7. Rippe, Sternum
 oberer Rand des
Schambeins
 Darmbeinkamm
 letzten drei Rippen
Bauchpresse,
Seitwärtsneigung,
Drehung der WS
Sammelbezeichnung für die Muskeln am
Rücken, welche die Wirbelsäule aufrichten
Streckung und
 Os Ileum, Sakrum,
Außenrotation des
Steißbein
Oberschenkels
 Femur
Ab- und Adduktion des
Beins
Beugung und Drehung
 Lendenwirbel
Hüftgelenk, Beugung
 Trochantor minor
der WS
Streckung im
 Femur, Os coxae
Kniegelenk, Hüft Patella, Tibia
beuger
 SIAS
 mediale Seite Tibia
Kniebeuger, zweiköpfiger
Oberschenkelmuskel
Hüft- und Kniebeuger
Abduktion und
Außenrotation
Oberschenkel
Außenrotation und
Beugung Knie
Zwillingswadenmuskel,
zweiköpfiger Wadenmuskel
Zwerchfell, großer
Einatemmuskel
Plantarflexion Fuß und
Beugung im
Kniegelenk
Senkung der Zwerchfellplatte
 Femur
 Kalkaneus (Fersenbein)
 Innenseite der 7.-12.
Rippe, Querfortsätze
der LWS
 Sehnenplatte
Schneidermuskel
 Os coxae
 Fibula, Tibia
Bewegungsapparat Anatomie
51
Untersuchung des Bewegungsapparates
Beurteilung der Gelenkbeweglichkeit durch die Neutral-Null-Methode.



Alle Gelenkbewegungen werden von einer einheitlich definierten Ausgangsstellung
(Nullstellung) ausgemessen: Aufrechter Stand mit parallel gestellten Füßen, gestreckten
Knien und angelegten Handflächen.
Die Beweglichkeit eines Gelenkes wird mit drei Ziffern angegeben: Die erste Zahl
entspricht meist der Bewegung, die vom Körper wegführt, die zweite Zahl entspricht der
Nullstellung und die dritte Zahl gibt den Umfang einer Bewegung in die entgegengesetzte
Richtung wieder.
Die im Weiteren angegebenen Messwerte beziehen sich auf Erwachsene mit
durchschnittlicher Beweglichkeit.
Untersuchung der Wirbelsäule

Inspektion (Abweichung der physiologischen Wirbelsäulenform)
 Rundrücken (thorakale Hyperkyphose): Die Brustkyphose ist verstärkt und
verlängert, der Kopf nach vorne geneigt. Eine Lendenlordose (wenn auch
gering) ist vorhanden.
 Hohlkreuz (lumbale Hyperlordose): Die Lendenlordose ist verstärkt, das
Becken nach vorne geneigt.
 Hohlrundrücken (Kypho-Lordose): Beides ist verstärkt, die Brustkyphose
sowie die Lendenlordose. Das Becken ist nach vorne geneigt.
 Extrem stark ausgeprägte Kyphose (Totalkyphose): Brust- und
Lendenwirbelsäule sind kyphosiert. Der Rücken ist ein einziger Rundrücken.
Die Lendenlordose besteht aus einem Knick zwischen L5 und dem Sakrum.
 Flachrücken: Die physiologischen WS-Krümmungen sind stark aufgehoben.
Die Wirbelsäule wirkt eher wie ein Brett.
 Skoliose: Die Wirbelsäule ist seitlich gekrümmt.
 C-förmige Skoliose ohne Gegenkrümmung (sog. totale Skoliose).
 S-förmige Skoliose mit Gegenkrümmung.
 Symptome:
 Asymmetrie des Taillendreiecks
 Schultern auf ungleicher Höhe
 verschiedener Abstand der Schulterblätter zur
Mittellinie
 bei Vorneigung wird der Rippenbuckel besonders
deutlich (Höhendifferenz)
 gebogener Verlauf der Dornfortsätze (stehen nicht
senkrecht untereinander)
 Beckenschiefstand
 Palpation der Dornfortsätze (Tumore/Metastasen, Entzündungen)
 Palpation des Dornfortsatzes von C7: Durch Beugung des Kopfes nach vorne
ragt der starke Dornfortsatz des siebten Halswirbels hervor.
 Palpation des Dornfortsatzes von Th3: Auf der Verbindungslinie der beiden
Schultergräten.
 Palpation des Dornfortsatzes von Th7: Auf der Verbindungslinie der beiden
unteren Schulterblattwinkel.
 Palpation des Dornfortsatzes von Th12: Etwas unterhalb des Ansatzes der letzten
Rippe.
 Palpation des Dornfortsatzes von L4: Auf der Verbindungslinie der beiden
Darmbeinkämme.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
52
Bewegungsapparat Anatomie
Bewegungsapparat Anatomie


53
Palpation der Muskulatur, z.B. Paravertebralmuskulatur, Musculus quadratus lumborum
(der viereckige Lendenmuskel; Funktion: Beugung der Wirbelsäule zur Seite). Feststellung
von Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit, erhöhtem Muskeltonus und Myogelosen
(umschriebene Muskelverhärtung).
Funktionsanalyse der Wirbelsäule
 Beweglichkeit der Halswirbelsäule
 Neigung des Kopfes zur Seite:
45° / 0° / 45°
 Neigung nach vorne und hinten:
40° / 0° / 40°
 Rotation:
85° / 0° / 85°
 Rotation in vorgeneigter Stellung:
50° / 0° / 50°
 Rotation in rückwärtsgeneigter Stellung: 70° / 0° / 70°
 Hinterhaupt-Wand-Abstand: Im Normalfall kein Abstand (bei Abstand immer
pathologisch).
 Kinn-Sternum-Distanz: Im Normalfall kein Abstand (bei Abstand immer
pathologisch).
 Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule
 Schober-Zeichen (unteres Schober-Zeichen): Bei maximaler
Vorwärtsneigung vergrößert sich der Abstand zwischen dem
Dornfortsatz S1 und einem 10 cm weiter nach kranial liegenden
Punkt normalerweise um ca. 4 – 6 cm. Ist er geringer, spricht man
vom positiven Schober-Zeichen.
 Ott-Zeichen (oberes Schober-Zeichen): Bei maximaler
Vorwärtsneigung im Sitzen vergrößert sich der Abstand zwischen
dem siebten Halswirbel und einem 30 cm kaudal davon liegendem
Punkt normalerweise um ca. 4 – 6 cm. Ist er geringer, spricht man
vom positiven Ott-Zeichen.
 Lasegue-Zeichen positiv: Schmerz in dem betroffenen Bein, im
Gesäß und im Kreuz beim passiven Anheben des gestreckten Beins
in Rückenlage. Ursache: Bandscheibenprolaps und andere
Ursachen einer Ischialgie, Meningismus (akuter Reizzustand der
Hirnhäute).
 Bragard-Zeichen positiv: Verstärkte Schmerzen bei Dorsalflexion
des Fußes, während gleichzeitig das gestreckte Bein in Rückenlage
passiv angehoben wird.
 Fingerbodenabstand: Gemessen bei maximaler Beugung des
Rumpfes mit gestreckten Knien. Gilt als Maß für die
Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule (z.B. bei Arthrose der WS,
Osteoporose oder Morbus Bechterew herabgesetzt).
Untersuchung Iliosakralgelenk (ISG = Darmbein-Kreuzbein-Gelenk)


Blockaden im ISG? Beckenschiefstand? Echtes langes Bein (nachmessen)?
Mennell-Zeichen: Überprüft das Iliosakralgelenk auf entzündliche oder degenerative
Veränderungen.
 Patient Bauchlage: Ein Bein wird im Hüftgelenk nach hinten überstreckt,
während die zweite Hand das Kreuzbein nach ventral drückt.
 Patient Rückenlage: Auf beide Darmbeinschaufeln wird nach dorsal ein Druck
ausgeübt.
 Im positiven Fall gibt der Patient Schmerzen an, z.B. als Frühsymptom beim
Morbus Bechterew
© Arpana Tjard Holler (Autor)
54
Bewegungsapparat Anatomie
Untersuchung Hüftgelenk



Inspektion beim Gehen und Stehen.
 Schonhinken. Die Belastungszeit der schmerzenden Extremität wird verkürzt.
 Versteifungshinken. Bewegung des Beines durch Drehung des Beckens infolge
einer Gelenkversteifung oder bei Kontrakturen (Muskelverkürzungen).
 Trendelenburg-Zeichen: Beim Einbeinstand kommt es zum Absinken des
Beckens auf der gesunden Gegenseite. Ursache ist eine Insuffizienz der
Gesäßmuskel (z.B. infolge Lähmung der Nerven, Arthrose). Die Muskeln sind
zu schwach, um das Becken in der Waagerechten halten zu können.
 Duchenne-Zeichen: Das Absinken des Beckens wird durch eine
Seitwärtsneigung des Oberkörpers zur Verschiebung des Gleichgewichts
ausgeglichen.
Palpation zur Feststellung von Druck- oder Klopfschmerz (z.B. bei Arthrose oder
Arthritis).
Funktionsanalyse
 Extension / Flexion: 15° / 0° / 130°-140° Messung am besten in Seitenlage
 Außenrotation/Innenrotation: 30°-45° / 0° / 40°-50°
Messung z.B. in Rückenlage, der um 90° gebeugte Unterschenkel wird als
Zeiger benutzt
 Abduktion /Adduktion: 30°-45° / 0° / 20°-30° Messung in Rückenlage
Untersuchung des Kniegelenks

Stabilitätsprüfung des Kniegelenks (immer am liegenden Patienten)
 Kreuzbänder: Beim fixierten und um 90° angewinkelten Knie wird die
Beweglichkeit des Unterschenkels in horizontaler Richtung gegenüber dem
Oberschenkel geprüft. Bei Ruptur des vorderen Kreuzbandes kommt es zur
schmerzhaften abnormen Verschieblichkeit nach vorne (vorderes
Schubladenphänomen) und häufig zum begleitenden Kniegelenkserguss. Bei
Ruptur des hinteren Kreuzbandes kommt es zur schmerzhaften abnormen
Verschieblichkeit nach hinten (hinteres Schubladenphänomen).
 Ein Bei einer frischen Ruptur des vorderen Kreuzbandes besteht oft ein
begleitender Kniegelenkserguss.
 Seitenbänder: Es wird versucht den gestreckten Unterschenkel gegenüber dem
fixierten Oberschenkel zu abduzieren oder adduzieren. Die seitliche
Aufklappbarkeit des Knies spricht für eine Schädigung der Seitenbänder. Siehe
auch Böhler-Zeichen.
 Menisken:
 Steinmann-Zeichen I:
Forcierte Außenrotation des Unterschenkels bei leichter Beugung mit
Schmerzangabe ergibt den Verdacht auf Schädigung des inneren
Meniskus, forcierte Innenrotation des Unterschenkels mit
Schmerzangabe ergibt den Verdacht auf Schädigung des äußeren
Meniskus.
 Steinmann-Zeichen II:
Wandernder Druckschmerz von vorn nach hinten bei Kniebeugung
gibt den Verdacht auf inneren Meniskusschaden.
 Meniskustest nach Payr:
Herunterdrücken des gebeugten Knies im Schneidersitz führt bei
einer Läsion des inneren Meniskus zu Schmerzen.
Bewegungsapparat Anatomie

55
 Böhler-Zeichen:
 Schmerzen bei der Abduktion des Unterschenkels im
gestreckten Kniegelenk zeigen einen lateralen
Meniskusschaden oder eine Verletzung des medialen
Seitenbandes an.
 Schmerzen bei der Adduktion des Unterschenkels im
gestreckten Kniegelenk zeigen einen medialen
Meniskusschaden oder eine Verletzung des lateralen
Seitenbandes an.
 Apley-Zeichen: Test zur Unterscheidung eines Meniskusschadens
von einer Schädigung des Kapselbandapparates. Dabei liegt der
Patient auf dem Bauch, das Knie ist 90° angewinkelt und der
Oberschenkel des Patienten fixiert.
 Untersuchung Menisken: Es erfolgt bei gleichzeitiger
Rotation ein Druck senkrecht auf die Fußsohle.
Schmerz bei Innenrotation gibt den Verdacht auf
Außenmeniskusschaden. Schmerz bei Außenrotation
gibt den Verdacht auf Innenmeniskusschaden.
 Untersuchung Kapselbandapparat: Es erfolgt bei
gleichzeitiger Rotation ein Zug am Fuß. Ein Schmerz
bei Innenrotation gibt den Verdacht auf eine
Verletzung des äußeren Kapselbandapparates.
Schmerz bei Außenrotation gibt den Verdacht auf eine
Verletzung des inneren Kapselbandapparates.
 Patella: Bei der Untersuchung wird die Kniescheibe (gestrecktes Bein) mit
beiden Händen (Daumen und Zeigefinger) von oben und unten fixiert. Dabei
wird das Gewebe zur Patella gedrückt. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand
wird auf die Kniescheibe gedrückt. Bei einem Gelenkerguss bewegt sie sich nach
der Palpation (tanzende Patella).
 Ein Gelenkerguss kann z.B. infolge von Traumen, Entzündungen, Arthrose,
rheumatischen Erkrankungen oder Tumoren entstehen.
 Chondropathia patellae bezeichnet die degenerative Erkrankung des sehr
dicken Knorpels (7 mm) auf der Rückseite der Kniescheibe infolge einer
Mangelernährung. Grund dafür scheint eine Über-, Fehl- oder
Unterbelastung des Kniegelenks zu sein. Tritt am häufigsten bei
Jugendlichen auf.
Funktionsanalyse
 Extension / Flexion: 5°-10° / 0° / 120°-150°
 Außenrotation / Innenrotation: 30° / 0° / 10°
Untersuchung Sprunggelenk

Funktionsanalyse
 Oberes Sprunggelenk: Dorsalextension / Plantarflexion: 20°-30° / 0° /40°-50°
 Das Umknicken des Sprunggelenks wird als Supinationstrauma bezeichnet.
Zum Ausschluss einer knöchernen Verletzung (Tibiafraktur) ist eine
bildgebende Diagnostik erforderlich.
 Unteres Sprunggelenk: Pronation / Supination: 15° / 0° / 35°
© Arpana Tjard Holler (Autor)
56
Bewegungsapparat Anatomie
Untersuchung Fuß
Inspektion (Fußdeformitäten)
 Hallux valgus: Großzehe weicht zunehmend nach außen ab (steht manchmal sogar über
oder unter der zweiten Zehe), dadurch Hervortreten bzw. Sichtbarwerden des distalen
Metatarsalköpfchens, häufig mit Verhornung und Entzündung. Ursache kann eine relative
Verkürzung der Streck- und Beugesehnen bei abgeflachtem Fußgewölbe sein.
 Begünstigend wirken zu enge und spitze Schuhe bei meist schon bestehendem Platt- und
Spreizfuß. Kommt häufiger bei Frauen vor!
 Hallux rigidus: Versteifung des Großzehengrundgelenkes mit Schmerzen beim
Treppensteigen oder Zehenstand. Aufhebung der Dorsalflexion im Endstadium. Ursache:
z.B. bei Gicht, Arthrose, chronischer Polyarthritis.
 Knickfuß (Pes valgus): Durch nicht ausreichende Unterstützung der Bänder und Muskeln
des unteren Sprunggelenks erfolgt eine Abknickung der Ferse zur Außenseite hin, der Fuß
knickt nach innen ein. Tritt häufig mit einer Abflachung des inneren Fußgewölbes auf
(Knick-Senkfuß). Bei Kleinkindern bis zu 2 Jahren normal.
 Senkfuß / Plattfuß (Pes planus): Beim Senkfuß flacht das innere Fußgewölbe bei Belastung
ab und erreicht im unbelasteten Zustand wieder eine normale Form. Beim Plattfuß ist das
Längsgewölbe immer aufgehoben.
 Hohlfuß (Pes cavus / Pes excavtus): Angeborene oder erworbene Fehlstellung, bei der das
Längsgewölbe überhöht ist und nur Ferse und Fußballen den Boden berühren. Am
häufigsten wird dadurch der Fußballen stark belastet (Ballenhohlfuß). Dabei können sich
die Zehen stark krümmen und versteifen. Beim Hackhohlfuß ist das Fersenbein steil
aufgerichtet, so dass beim Auftreten nur die Ferse den Boden berührt und die Zehen nicht.
 Spreizfuß: Häufigste Fehlbildung des Fußes, bei der sich das Quergewölbe absenkt und
dadurch die Metatarsalknochen (Mittelfußknochen) auseinanderweichen. Tritt häufiger bei
Frauen auf. Es kommt typischerweise zu Schmerzen und Schwielenbildungen unter den
Köpfchen der Mittelfußknochen (Metatarsalknochen) 2-4.
 Spitzfuß: Fixierte Plantarflexion im oberen Sprunggelenk, nur Zehenstand möglich,
Anhebung der Fußspitze unmöglich
 Hammerzehe: Beugekontraktur des Zehenendgliedes mit Bodenkontakt der Zehenkuppe.
 Krallenzehe: Beugekontraktur des Zehenmittel- und -endgelenks mit Überstreckung im
Grundgelenk ohne Bodenkontakt der Zehenkuppe.
 Fersensporn (Kalkaneussporn): Durch Überbelastung verursachte Mikroverletzung im
Bereich der Sehnenansätze von Muskeln an der Unterseite des Fersenbeins, die zur
dornartigen Verknöcherung neigen.
 Klumpfuß: Meist angeborene Fußdeformation, bei der die Fußsohle nach innen gedreht ist
und praktisch nur die Außenkante des Fußes belastet wird.
Untersuchung Schultergelenk


Funktionsanalyse
 Abduktion /Adduktion: 180° / 0° / 40°
 Anteversion/Retroversion: 170° / 0° / 40°
 Drehung (Ausgangsstellung 0° = ausgestreckter horizontaler Arm):
 Innenrotation /Außenrotation:
70° / 0° /60°
Inspektion und Palpation: Inspektorische und palpatorische Untersuchung des
Schultergelenkes auf Asymmetrie, Luxation und Subluxation, Schwellung und
Druckdolenz.
Bewegungsapparat Anatomie
57
Untersuchung Ellenbogengelenk


Funktionsanalyse
 Extension / Flexion: 10° / 0° / 150°
 Supination / Pronation: 90° / 0° / 90°
Inspektion und Palpation des Ellenbogengelenks
 Epikondylitis humeri radialis: Tennisellenbogen. Bezeichnung für Läsionen an
der Ursprungssehne der Streckmuskeln der Hand am lateralen Epikondylus des
Humerus als Folge einer wiederholten Überbelastung der Hand bei
Dorsalflexion (Beugung zum Handrücken hin).
 Epikondylitis humeri ulnaris: Golfspielerellenbogen. Nicht nur bei Golfspielern
auftretende Entzündung des Sehnenansatzes am Epikondylus humeri ulnaris, an
dem die Beugemuskulatur des Unterarms ansetzt. Ursache ist eine wiederholte
Überbelastung bei Palmarflexion (Beugung der Finger bzw. der Hand zur
Unterarmseite hin).
Untersuchung Hand



Funktionsanalyse Hand: Der Bewegungsspielraum des Handgelenkes ist individuell sehr
unterschiedlich
 Dorsalextension / Palmarflexion: 35°-60° / 0° / 50°-60°
 Abduktion / Adduktion: 40° / 0° / 30°
Funktionsanalyse der Fingergrundgelenke (II-V)
 Dorsalextension / Palmarflexion 30° / 0° / 90°
Inspektion und Palpation des Handgelenkes und der Fingergelenke, insbesondere von
Radius und Ulna, Karpaltunnel, Daumenballen und Fingergrundgelenken.
 Fingerendgelenke schmerzhaft: Arthrose (Heberden-Arthrose).
 Fingermittelgelenke schmerzhaft: Arthrose (Bouchard-Arthrose), rheumatoide
Arthritis.
 Fingergrundgelenke schmerzhaft: rheumatoide Arthritis.
 Daumengrundgelenk schmerzhaft: Arthrose (Rhizarthrose), rheumatoide
Arthritis
© Arpana Tjard Holler (Autor)
58
Bewegungsapparat Pathologie
Bewegungsapparat Pathologie
Traumatologie ......................................................................................................................................... 59
Erkrankungen der Knochen ................................................................................................................... 65
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (Rheumatismus) .................................................... 73
Erkrankungen der Wirbelsäule .............................................................................................................. 82
Erkrankungen der Muskeln.................................................................................................................... 84

Bewegungsapparat Pathologie
59
Traumatologie
Fraktur 
Def:
Knochenbruch. Kontinuitätsunterbrechung eines Knochens (selbst feinster Haarriss)
 Unterscheidung:
 Traumatische Fraktur: Direkte oder indirekte Gewalteinwirkung führt zum
offenen (komplizierten) oder geschlossenen Bruch.
 Ermüdungsfraktur, sog. schleichende Fraktur. Mikrotraumen infolge
ungewohnter Überbeanspruchung führen zum Bruch, so z.B. bei der
Marschfraktur, sog. Schipperkrankheit (anhaltende Überbelastung der
Rückenmuskulatur führt oft zur Fraktur des 7. Halswirbeldornfortsatzes),
Hustenfraktur (durch sehr starkes Husten verursachte Rippenfraktur).
 Pathologische Fraktur (sog. Spontanfraktur). Knochenbruch durch
vorgeschädigtes Knochengewebe, so z.B. durch Knochentumore,
Knochenzysten, Osteoporose, Rachitis bzw. Osteomalazie, Osteomyelitis,
Plasmozytom.
 Grünholzfraktur: Fraktur bei Kleinstkindern und Kindern, die infolge der noch
weichen Kortikalis nicht vollständig ist. Das Periost bleibt teilweise erhalten.
Sym:  Sichere Frakturzeichen:
Abnorme Beweglichkeit
Abnorme Stellung
Knochenreibegeräusch (Crepitatio)
offensichtliche Knochenunterbrechung
 Unsichere Zeichen:
Starke Schmerzen
Schwellung und Rötung, Hämatom
Unbeweglichkeit, Druckschmerzhaftigkeit
Kom:  Bei offenem Bruch: Osteomyelitis
Beschädigung von Nerven, Blutgefäßen und Muskeln
Fettembolie
Eingeschränkte Beweglichkeit, frühzeitige Abnutzungserscheinungen (Arthrose)
Übermäßige Kallusbildung
Sudeck-Syndrom
Pseudarthrosenbildung (sog. Falschgelenk), fehlgeschlagene Überbrückung des
Knochenbruchs durch mangelnde Kallusbildung
Verletzungen im Bereich der Epiphysen können zu vorzeitigem Wachstumsstillstand
oder überschießendem Wachstum der betroffenen Knochen führen.
Frakturen im Schaftbereich können ein vermehrtes Längenwachstum induzieren.
Osteochondrosis dissecans: Eine traumatisch bedingte aseptische Knochennekrose
mit Herauslösen eines Knochen- oder Knorpelstücks als freier Gelenkkörper. Kommt
v.a. in großen Gelenken vor. Absolute Bewegungsstarre mit blitzartig einschießenden
Schmerzen kann auftreten.
Pneumothorax bei Rippenbruch möglich
© Arpana Tjard Holler (Autor)
60
Bewegungsapparat Pathologie
The:
 Ruhigstellung und provisorische Schiene.
 Abschwellende Maßnahmen (z.B. Eisbeutel).
 Bei venöser Blutung Druckverband mit Kompressen, bei arterieller Blutung
zusätzlich Hochlagerung der Extremität. Die Extremität darf nicht abgebunden
werden.
Muskelzerrung / Muskelfaserriss / Muskelriss
Def:
 Durch Überdehnung eines Muskels kann es zu mikroskopischen Verletzungen
(Muskelzerrung) bis hin zum Muskelfaserriss kommen.
 Sind so viele Muskelfasern gerissen, dass der Muskel funktionsuntüchtig wird, so
spricht man von einem Muskelriss (häufig in Kombination mit direkter
Gewalteinwirkung).
 Unzureichendes Aufwärmen, kalt-nasse Witterung und Muskelverhärtungen gelten
als Risikofaktoren.
Sym: Ausmaß je nach Schweregrad der Verletzung.
 Plötzlich einsetzender Schmerz mit verminderter Funktionsfähigkeit.
 Hämatom bei Muskelfaserriss.
 Tastbare Lücke mit ausgeprägtem Hämatom und Schwellung bei Muskelriss.
The:
 Sofortmaßnahmen nach PECH-Schema:
1. Pause, Ruhigstellung
2. Eis im Wasserbeutel
3. Compressionsverband
4. Hochlagerung
 Ruhigstellung: Muskelzerrung 10 Tage, Muskelfaserriss 3-4 Wochen, Muskelriss
(Chirurgie) 3 Monate
Tendopathie
Def:
Zusammenfassende Bezeichnung für abakterielle Entzündungen der Sehnen und
Sehnenscheiden durch chronische Überbelastung, aber auch durch Stoffwechsel- oder
Durchblutungsstörungen.
Urs:




Pat:
 Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung) als Überanstrengung bei bestimmten
Berufen bzw. Tätigkeiten: Maurer, Tischler, Balletttänzerinnen, Maschineschreiben,
Klavierspielen, Stricken.
Häufigste Lokalisation an der Achillessehne, Kniescheibensehne, am Schambein
durch Adduktorenüberbelastung, Bizepssehne, Ellenbogen sowie Finger- und
Handsehnen.

Ständige Überbelastung und einseitige Bewegung.
Zu kurze Regenerationspause, Koordinationsstörungen, Stress.
Intensives sportliches Training bei ungenügender Vorbereitung.
Qualitativ schlechtes Sportgerät (z.B. falsches Schuhwerk, zu harte Bespannung des
Tennisschlägers, falsche Griffstärke usw.).
Tendovaginitis stenosans, wird auch als Schnappfinger, schnellender Finger
oder Digitus saltans bezeichnet. Es handelt sich um eine Erkrankung der
Beugesehnen der Finger (v.a. Daumen und Mittelfinger), die v.a. durch chronische
Überbelastungen entstehen kann (selten angeboren), aber auch im Rahmen von
anderen Erkrankungen zu finden ist (Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis). Es
entstehen knötchenförmige Verdickungen der Beugesehnen, die ein ruckartiges
Vorschnellen des Fingers beim Strecken zu Folge haben.
Bewegungsapparat Pathologie
61
Symptome:
 Fühlbare knotige Verdickungen an der Handinnenseite im Bereich des
Fingergrundgelenks
 Schmerzen bei Beugung und bei Streckung
 Finger kann in Beugestellung blockiert sein und nur mit schmerzhafter
Anstrengung bzw. mit Hilfe der gesunden Hand zur Streckung gebracht
werden, dabei ist ein typisches Vorschnellen des Fingers zu beobachten
 Der sog. Tennisellenbogen (Epikondylitis humeri radialis) entsteht durch
Mikrotraumen an der Ursprungssehne der langen Extensoren am äußeren
Ellenbogen. Im Wesentlichen ist eine Dorsalflexion im Handgelenk bei gestrecktem
Ellenbogen dafür verantwortlich; häufiger nach dem 40sten Lebensjahr.
Sym:  Schmerz bei Bewegung, nimmt bei Belastung allmählich ab, bei Fortschreiten der
Erkrankung Dauerschmerz.
 Sind die Sehnenscheiden des Unterarms betroffen, ist es manchmal nicht mehr
möglich Gegenstände festzuhalten.

Tennisellenbogen: Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens und beim Ballen
der Faust.
The:
 Ruhigstellung.
 Antientzündliche Behandlung, Elektrotherapie.
 Chirurgie bei erfolgloser konservativer Therapie.
Bursitis
Def:
Entzündung eines Schleimbeutels.
Urs:
Meist durch Traumen oder länger andauernden Druckreiz.
Pat:
Häufig befallene Schleimbeutel:
 Bursa subcutanea praepatellaris. Zwischen Kniescheibe und Haut liegender
Schleimbeutel. Entzündung v.a. bei Personen, die eine kniende Arbeit durchführen,
z.B. bei Fliesenlegern, Putzfrauen. Als „Pastorenknie“ bekannt.
 Bursa subcutanea olecrani. Zwischen Ellenbogen (Olekranon) und Haut liegender
Schleimbeutel. Betroffen sind v.a. Personen mit einer Schreibtischarbeit. Auch als
„Studentenellenbogen“ bekannt.
Sym:  Entzündungszeichen, Druckschmerz, Schmerz bei Bewegung.
The:
 Ruhigstellung.
 Antientzündliche Behandlung.
 Chirurgie bei erfolgloser konservativer Therapie.
Distorsion / Luxation
Def:
 Bei einer Distorsion (Verstauchung, Zerrung) kommt es durch plötzliche
Gewalteinwirkung auf das Gelenk zu Verletzungen am Bänderapparat.
 Eine Luxation (Verrenkung) führt zur vollständigen Diskontinuität der beiden
gelenkbildenden Knochen. Dabei kann es zu erheblichen Verletzungen der
umliegenden Strukturen kommen (Gelenkkapsel, Gefäße, Nerven, Muskeln,
Knochen, Bänder, Sehnen). Typisch kann eine federnde Fixation sein.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
62
Bewegungsapparat Pathologie
 Subluxation ist eine teilweise und unvollständige Verrenkung, wobei die
Gelenkfläche zum Teil noch in Berührung miteinander stehen (z.B. bei rheumatoider
Arthritis, beim Apoplex das Schultergelenk)
Pat:
Häufigste Gelenkzerrungen treten auf am Sprunggelenk (Laufsportarten), Kniegelenk
(Skifahren, Fußballspielen), Handgelenk und an der Halswirbelsäule (z.B. beim
Schleudertrauma). Luxationsformen:
 Angeborene Luxation
Am häufigsten eine Hüftgelenkluxation; entwickelt sich meist aus einer
Hüftdysplasie (Mangelentwicklung der Hüftpfanne). Findet sich bei 2-4 % aller
Geburten.
 Traumatische Luxation
Am häufigsten ist das Schultergelenk betroffen.
 Habituelle Luxation (habituell = öfter auftretend).
Häufiger auftretende Schulterluxationen, deren Ursache meist in einem ersten
Trauma liegt. Oft ohne Schmerzen mit leichter oder spontaner Reposition.
 Pathologische Luxation
Entstehung durch chronische Gelenkschäden, Entzündungen oder infolge von
Muskellähmungen.
Sym:  Distorsion
 Druck- und Bewegungsschmerz
 Meist schnelle Schwellung
 Eingeschränkte Funktionsfähigkeit
 Luxation
 Deformiertes Gelenk, heftiger Schmerz, Bewegungsunfähigkeit, Schonhaltung,
federnde Fixation (sichtbar und tastbar)
 Schwellung, Erguss
 Bei einer Schulterluxation evtl. Eindellung der Haut in Höhe des ehemaligen
Gelenkspaltes
Kom: Lebensgefährliche Blutungen
Lähmungen
Arthrotische Erscheinungen, Versteifungsgefahr
The:
Distorsion:
 Ruhigstellung des Gelenks.
Abschwellende Maßnahmen.
Nach Abschwellen Kompressionsverband.
 Luxation:
Reposition durch eine Fachkraft, Feststellung von Schäden.
Ruhigstellung.
Subluxation des proximalen Radiusköpfchens (Chassaignac-Lähmung)
Def:
Durch Gewalteinwirkung entstandene Subluxation des proximalen Radiusköpfchens
aus dem ringförmigen Ligamentum (Befestigungsband), welches das
Speichenköpfchens mit der Elle im Ellenbogengelenk befestigt. Mit Subluxation ist das
Herausrutschen des Speichenköpfchens aus dem ringförmigen Befestigungsband
gemeint.
Urs:
In der Regel ein ruckartiger Zug am Arm des Kindes, meist aus der plötzlichen Absicht
heraus, das Kind vor einem Sturz zu bewahren.
Bewegungsapparat Pathologie
Sym: 



The:
63
plötzlichen Armschmerzen mit Schonhaltung des Arms
meist völlige Bewegungseinschränkung
Ellenbogengelenk steht in Neutral-Null-Stellung, leichte Pronation der Hand
evtl. Schwellung im Bereich des proximalen Speichenköpfchens
Einrenkung durch eine ärztliche Fachkraft: Druck auf das proximale Radiusköpfchen,
bei gleichzeitiger Extension und Supination im Ellenbogengelenk.
Sudeck-Syndrom (Sudeck-Dystrophie, sympathische Reflexdystrophie) 
Def:
Gewebsveränderung (Dystrophie) und Gewebsschwund (Atrophie) infolge einer
vasomotorischen Störung (Vasospasmus = Gefäßverengung), die meist im Rahmen
einer Gewebsverletzung (steht nicht im Verhältnis zur Erkrankung) auftritt und bis zur
völligen Versteifung eines Gelenkes führen kann.
 Tritt nur an den Extremitäten auf.
Urs:
 Idiopathisch.
 Nach Frakturen und Weichteilverletzungen, aber auch nach Herzinfarkt und
Hirnverletzungen.
 Vorkommen häufiger bei Frauen. Psychosomatisch.
Sym: Klinische Einteilung, drei Stadien:
 Sudeck I, Stadium der Entzündung (mehrere Wochen nach einem Trauma).
 Entzündungszeichen, Schwellung
 Dauer- und Bewegungsschmerz
 Glanzhaut
 Übermäßige Schweißabsonderung
 Im Röntgenbild kein Befund
 Sudeck II, Stadium der Dystrophie.
 Schmerzrückgang
 Zunehmende Gewebsveränderung (z.B. Muskelschwund, blasse und glänzende
Haut, Nagelwuchsstörungen)
Zyanose
Im Röntgenbild zunehmende Aufhellung (Zeichen eines Knochenschwunds)
 Sudeck III, Stadium der Atrophie.
 Muskelatrophie bis hin zur Ausbildung von Kontrakturen
 Schrumpfung der Gelenkkapsel, allmähliche Versteifung des Gelenks
 Hautatrophie
Im Röntgenbild deutliche Knochenveränderungen
The:
Medikamentöse Therapie: Schmerzmittel,
Nervenblockade des Sympathikus.
Physikalische Therapie in allen drei Stadien.
Psychotherapeutische Behandlung.
Kortison,
Sympathikolytika,
evtl.
Baker-Zyste 
Def:
Ausstülpung der Gelenkkapsel des Kniegelenks in die Kniekehle infolge einer
Überproduktion von Gelenkflüssigkeit.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
64
Bewegungsapparat Pathologie
Urs:
Chronische Entzündungsvorgänge führen zur vermehrten Produktion von
Gelenkflüssigkeit:
 Meist infolge eines medialen Meniskusschadens, auch bei länger
bestehenden Bursitiden (Schleimbeutelentzündung).
 Auch infolge von rheumatischen Schäden (rheumatoide Arthritis oder
Kniegelenksarthrose) möglich.
Pat:
Durch die chronische Entzündung kommt es zur Vermehrung von Entzündungs- bzw.
Synovialflüssigkeit. Der Druck der Flüssigkeit führt zur Aussackung der Gelenkkapsel
im hinteren Bereich.
Sym: 
Bei großen Zysten (z.B. faustgroß) Schmerzen und Bewegungseinschränkung
 Druckgefühl in der Kniekehle
 Bei Extension gut fühlbar (meist auf der medialen Seite)
Kom: Ruptur der Baker-Zyste mit heftiger Schmerz- und Entzündungssymptomatik
(Verwechslung tiefer Beinvenenthrombose).
The:
 Konservativ durch Behandlung der Grundursache durch einen Physiotherapie
 Operation
Überbein
Def:
Umgangssprachliche ungenaue Bezeichnung für eine harte Schwellung unter der Haut.
Diese Bezeichnung kann Ausdruck für ein Ganglion, eine Exostose, ein Hallux valgus
oder eine reaktive Knochenwucherung im Rahmen einer Arthrose sein (z.B. HeberdenKnötchen bei einer Arthrose im Fingerendgelenk).
Ganglion
Def:
Zystische Ausstülpung einer Sehnenscheide. Gutartige Geschwulstbildung (Zyste) im
Bereich einer Gelenkkapsel oder einer Sehnenscheide, die mit Synovialflüssigkeit
gefüllt ist. Tritt v.a. an der Streck- und Beugeseite am Handgelenk und an den Fingern
auf.
Urs:
Idiopathisch, möglicherweise Überbeanspruchung und chronische Reizzustände.
Sym: 
häufig als prallelastische Schwellung zu fühlen
 Schmerzen am Handgelenk (Ganglion muss nicht immer sichtbar sein), können nach
oben hin ausstrahlen, evtl. völlige Beschwerdefreiheit
 Je nach Größe Bewegungseinschränkung möglich
 Parästhesien (Missempfindungen) bei Kompression von Nerven
The:
Operation
Exostose
Syn:
Exostosenkrankheit, multiple Osteochondrome, heriditäre (erbliche) Exostosen
Def:
Unkontrolliertes Wachstum von Knochengewebe meist in der Nähe der
Epiphysenfugen von langen Röhrenknochen. Das Gewebe ist in der Regel gutartig und
mit einer Knorpelplatte bedeckt.
Urs:
Idiopathisch, ein familiäres Auftreten ist häufig.
Bewegungsapparat Pathologie
65
Sym: 
Die Knochenwucherungen können als breitbasige, gestielte oder hakenförmige
Verhärtungen zu palpieren sein. Jedoch gibt es auch Exostosen, welche von außen
nicht sichtbar sind.

Bewegungseinschränkungen, Schmerzen bei Bewegung

Die Erkrankung kann auch beschwerdefrei verlaufen

Verformung des Knochens

Einschränkung des Längenwachstums

Evtl. Bursitis

Selten maligne Entartung
Impingement-Syndrom
Syn:
Schulterengpass-Syndrom, subakromiales Engesyndrom
Def:
Eine Verdickung der Sehne des Musculus supraspinatus führt zur Einklemmung
zwischen dem Humeruskopf und Akromion (Schulterhöhe). Häufig werden gleichzeitig
die Sehne des Musculus biceps und die subakromialen Schleimbeutel eingeklemmt.
Urs:
Entzündliche bzw. degenerative Veränderungen im Bereich der Sehne des Musculus
supraspinatus durch
 chronische bzw. einseitige Überlastung (Arm hochheben), z.B. Maler,
Schwimmer, Tennisspieler, Volleyballspieler
 infolge von Frakturen im Bereich des Humeruskopfes
 angeborene Enge im subakromialen Bereich (knöcherne Vorsprünge).
Sym: 
Nächtliche Schmerzen in der Schulter, die bis in den Oberarm ausstrahlen können
 Ruheschmerzen
 Schmerzen beim Anziehen eines Mantels oder einer Jacke
Erkrankungen der Knochen
Osteomalazie / Rachitis (Knochenerweichung) 
Def:
 Osteomalazie: Qualitative Knochenstoffwechselstörung aufgrund von mangelndem
Einbau von Mineralstoffen in den Knochen beim Erwachsenen. Betroffen sind v.a.
WS, Hüftknochen und Extremitäten.
 Rachitis: Gestörte Knochenmineralisation der Grundsubstanz des wachsenden
Knochens bei Kindern mit typischen Veränderungen an den Wachstumsfugen
(Breitenwachstum).
Pat:
Vitamin-D-Stoffwechsel:
Das Vitamin D-Hormon wird nur zu 10% aus der Nahrung gewonnen (z.B. Ei, Butter,
Milch, Fisch) und zu 90% in der Haut durch UV-Licht gebildet (Cholesterin wird
gespalten und zu Vitamin D3 umgebaut). Das durch den Darm aufgenommene oder in
der Haut durch eine Vorstufe gebildete Vitamin D wird in der Leber und der Niere in
die aktive Form überführt. Es fördert die Kalzium- und Phosphatresorption im
Dünndarm, die Rückresorption in der Niere und den Einbau von Kalzium in den
Knochen.
Infolge des Vitamin-D-Mangels kann es zu Verbiegungen insbesondere der langen
Röhrenknochen kommen. Die Verminderung des Serumkalziums wird durch
vermehrte Produktion von Parathormon kompensiert.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
66
Bewegungsapparat Pathologie
Cholesterin in der Haut
UV-Licht
Vitamin D3 = Cholecalciferol
Leber
Calcidiol
Niere
Aktives Vitamin D - Hormon
Parathormon
Verstärkte CalciumAufnahme im Darm
Urs:
Rückresorption
von
Calcium in der Niere
Einbau von Calcium in
den Knochen
 Vitamin D-Mangel (sog. Englische Krankheit)
 Mangelhafte Vitamin D-Zufuhr, ungenügende UV-Bestrahlung (bei Kleinkindern)
 Malabsorptionssyndrom (z.B. Zöliakie)
Vitamin D-Stoffwechselstörungen bei Erkrankungen der Leber (z.B. Leberzirrhose) oder der Nieren (z.B. chronische Niereninsuffizienz)
Sym:  Osteomalazie:
 Generalisierte Knochenschmerzen, Schmerzen bei Belastung besonders im
Rücken und in den Oberschenkeln.
 Skelettverbiegungen, Muskelschwäche
 Gehstörungen bis hin zur Gehunfähigkeit (Watschelgang, X/O - Beine).
 Rachitis (Manifestation meist im 2.-3. Lebensmonat):
 Unruhe, Schreckhaftigkeit, Schwitzen (besonders am Kopf).
 Muskelhypotonie, schlaffe Bauchdecke (sog. Froschbauch).
 verzögerter Zahndurchbruch mit Schmelzdefekten (Karies)
 Schmerzhafte Skelettveränderungen:
 Verformung des Schädelknochens, Fontanelle vergrößert,
quadratische Kopfform (Caput quadratum)
 Rachitischer Rosenkranz (Auftreibungen der Rippen an der
Knorpel-Knochen-Grenze)
 Waagerechte Furche (Hauteinziehung) am Brustkorbrand, dort, wo
das Zwerchfell am Brustkorb ansetzt (Harrison-Furche)
 Deformationen des Brustkorbes, z.B. Glockenthorax
 Becherförmige Erweiterung der distalen Enden der Röhrenknochen
(z.B. Perlschnurfinger, doppelter Fußknöchel)
 Deformationen der WS, z.B. ausgeprägte Kyphose, Skoliose
 Beckendeformierung
 O-Beine
 Deformationen des Fußgewölbes, z.B. Knick-Senk-Fuß
Bewegungsapparat Pathologie
The:
67
 Zwei bis drei Wochen lang 200 IE Vitamin D pro Tag mit Wasser oder Milch direkt
in den Mund (nicht ins Fläschchen).
 Im Kindesalter reicht eine Sonneneinwirkung im Frühjahr und Sommer auf Hände
und Gesicht von durchschnittlich 2 Stunden die Woche.
 Ansonsten Behandlung der Grundursachen.
Osteoporose 
Def:
Allgemeiner oder lokaler Knochenschwund mit erhöhtem Frakturrisiko.
Urs:
 Primäre Osteoporose (ca. 90%).
 Typ I: Postmenopausale Osteoporose. Als Grund wird ein Östrogenmangel
angenommen. Betroffen sind v.a. Brustwirbel.
 Typ II: Altersosteoporose. Ursache ist verminderter Knochenaufbau.
Betroffen
sind
Personen
ab
70
Jahren.
Typisch
sind
Oberschenkelhalsfrakturen.
 Sekundäre Osteoporose (ca. 10%).
 Infolge von hormonellen Erkrankungen, wie z.B. Cushing-Syndrom,
Hyperthyreose, Diabetes mellitus, Hyperparathyreoidismus.
 Infolge einer Niereninsuffizienz.
 Infolge einer rheumatoiden Arthritis.
 Infolge Immobilisation (z.B. nach 4-6 Wochen Bettruhe); kurzfristige
Hyperkalzämie möglich.
 Infolge von Alkoholabusus (Alkoholkrankheit).
 Folgende Risikofaktoren zur Entwicklung einer Osteoporose sind bekannt:
 Bewegungsmangel
 Östrogenmangel
 Genussgifte (Alkohol, Nikotin, Koffein)
 Phosphatreiche Nahrungsmittel (z.B. Cola) sind Kalziumräuber
 Personen mit sehr schlankem Habitus (Untergewicht)
 Früher Beginn der Wechseljahre (jünger als 45 J.)
 Später Menstruationsbeginn (später als 15 J.)
 Komplette Entfernung beider Eierstöcke
 Kalziumarme Ernährung
 Länger andauernde Behandlung mit Glukokortikoiden (Kortison)
 Alter über 60 Jahre
Pat:
 Ein altersbedingter Knochenabbau ist normal. Mit 70 Jahren hat jeder Mensch etwa
ein Drittel seiner Knochenmasse verloren. Im Grunde spricht man erst von
Osteoporose, wenn durch Knochenbrüche Beschwerden auftreten.
 Bei der Osteoporose entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Knochenaufbau und
Knochenabbau. Es kommt zur Verminderung von Spongiosa und Kompakta und
infolge dessen zur erhöhten Knochenbrüchigkeit mit Frakturen und Deformationen.
 Die Osteoporose ist die häufigste Knochenerkrankung (6% der Gesamtbevölkerung).
Sym:  Typ I-Osteoporose:
 Akute Schmerzen bei Mikrofrakturen, bei Einblutungen unter dem Periost
(z.B. nach Deckplatteneinbruch), bei Subluxation kleiner Wirbelgelenke.
 Klopfschmerzhaftigkeit der betroffenen Wirbel
 Chronische Rückenschmerzen, Muskelverspannungen (Myogelosen) der
Rückenmuskulatur
© Arpana Tjard Holler (Autor)
68
Bewegungsapparat Pathologie
 Ermüdbarkeit bei längerem Stehen und Gehen (bereits kleinste
Veränderungen der Wirbelsäulenstatik führen zu einer Fehlbelastung von
Muskulatur, Gelenken und Bandapparat)
 Verstärkte Brustkyphose (sog. Witwenbuckel)
 Vorwölbung des Bauches
 Aufsetzen des unteren Rippenbogens auf dem Beckenkamm mit schräg
verlaufenden Hautfalten im Stammbereich (sog. Tannenbaumeffekt)
 Abnahme
der
Körpergröße
durch
Wirbelkörpereinbrüche
(Keilwirbelbildung, Fischwirbelbildung)
 Typ II-Osteoporose:
 Oberschenkelhalsfrakturen
Typisch für eine aktuelle Oberschenkelhalsfraktur kann sein:
 Verkürztes Bein
 Bein in Außenrotationsstellung
Kom: Bei länger dauernder Immobilisation durch Frakturen oder Operation Gefahr von
Thrombose, Embolie, Lungenentzündung.
The:
 Physiotherapie und regelmäßige Bewegung (Wandern, Laufen)
 Medikamentös: Schmerzmittel, Vitamin D, Knochenaufbaumittel (FluoridTherapie), Östrogene, Calcitonin, Kalzium oral, Anabolika, Bisphosphonate (sollen
trotz Nebenwirkung nachweislich die Gefahr von Knochenrüchen reduzieren)
 Kalziumreiche Nahrung
 Konsumverzicht von Kaffee, Zigaretten und Alkohol
Selbsthilfegruppe Osteoporose e.V.
Aseptische Knochennekrosen
Def:
Untergang von Knochengewebe meist in einem umschriebenen Gebiet, ohne dass
Infektionen oder andere Gründe dafür in Betracht kommen. Aseptische
Knochennekrosen entstehen vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen, wobei Jungen
häufiger betroffen sind als Mädchen. Eine familiäre Disposition ist bekannt. Vermutet
wird eine zirkulatorische Störung (Ischämie) des Knochengewebes.
 Die bekanntesten aseptischen Knochennekrosen sind Morbus Scheuermann
und Morbus Perthes.
Morbus Scheuermann (Adoleszentenkyphose, Osteochondrosis deformans juvenilis) 
Def:
Degenerative Verformungen der Wirbelkörper und Wirbelscheiben als häufigste
Wirbelsäulenerkrankung beim Jugendlichen. Sie beschränkt sich fast ausschließlich auf
die BWS und kommt meist im 18. Lebensjahr zum Stillstand.
Urs:
Aseptische Knochennekrose. Vermutet werden hormonelle, genetische und
konstitutionelle Faktoren. Häufig besteht eine schlaffe Rundrückenhaltung im
Kindesalter (Kopf und Schultern nach vorne gebeugt).
Pat:
Es kommt zu Wachstumsstörungen mit nekrotischen Veränderungen an der
Wirbelkörper-Bandscheibengrenze. Typisch ist die Bildung von ruinösen
Wirbeldeckplatten und Keilwirbeln. Der Intervertebralraum ist verschmälert.
 Schmorlsche Knötchen entstehen durch Bandscheibeneinbrüche in Grundund Deckplatten. Sie sind im Röntgenbild zu sehen und gelten als
diagnoseweisend.
Bewegungsapparat Pathologie
69
Sym:  Muskelverspannungen, Rückenschmerzen (nicht zwingend, ca. 30% d.Falle), lokales
BWS-Syndrom
 Brustkyphose und Rundrücken erst im fortgeschrittenen Stadium.
 Schnelle Ermüdbarkeit der WS
 Im
Erwachsenenalter:
chronische
Rückenschmerzen,
kompensatorische
Hyperlordose, Neigung zu Bandscheibenvorfällen
 Auffallend ist die schlechte Haltung der betroffenen Person.
The:




Behandlung hängt vom Ausmaß der Erkrankung ab.
Im jugendlichen Alter Befreiung vom Schulsport.
Physiotherapie (Entlastung der Wirbelsäule, Stärkung der Rumpfmuskulatur)
Kein Leistungssport, keine Berufswahl mit schwerer körperlicher Tätigkeit (z.B.
Bauberufe, Landwirtschaft).
 Bei schweren Formen Stützkorsett oder Operation
Morbus Perthes
Def:
Aseptische Knochennekrose des wachsenden Hüftkopfes (Femurkopf-Epiphyse) bei
Kindern zwischen 3.-12. Lebensjahr. Der Beginn ist schleichend und die Krankheit
erstreckt sich über mehrere Jahre.
Urs:
Ursache unklar. M : F = 4 : 1
Sym: 




The:
Belastungsabhängige Hüft- und Knieschmerzen.
Schonhinken (Kind zieht das Bein nach).
Bewegungseinschränkung (bes. Rotation).
Kein Fieber, Allgemeinzustand nicht beeinträchtigt, Blutbild unauffällig.
Spätsymptome: sekundäre Arthrose, Kontrakturen, Muskelatrophien.
Facharzt, Physiotherapeut. Ziel: Verbesserung der Durchblutung.
Osteomyelitis
Def:
Knochen- und Knochenmarkentzündung.
Urs:
 Als Komplikation eines offenen Bruchs oder einer offenen Wunde (z.B. Ulcus cruris
oder arteriosklerotische Hauterscheinung).
 Nach Knochenoperationen oder operativen Eingriffen.
 Infolge einer hämatogenen Streuung von Eitererregern bei Furunkeln, Angina,
Tonsillitis, Sinusitis, Otitis, Harnwegsinfektionen. Oft auch idiopathisch.
 Bei Kindern sind v.a. die langen Röhrenknochen betroffen, bei Erwachsenen
vorwiegend Wirbelkörper.
Sym:  Druckschmerzhaftigkeit und Weichteilschwellung.
 Bewegungsschmerz.
 Fieber, jedoch nicht typisch, kann fehlen.
 Rückenschmerzen und paravertebrale Muskelverspannungen, wenn die Wirbelkörper
betroffen sind (eher chronischer Verlauf)
Bisweilen verläuft die Osteomyelitis über Monate bis Jahre klinisch stumm.
Labor:  BSG erhöht, Leukozytose mit Linksverschiebung (kann auch fehlen).
 Röntgen erst positiv bei Knochenveränderungen.
 Szintigraphie früh aussagekräftig.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
70
Bewegungsapparat Pathologie
Bewegungsapparat Pathologie
71
Kom: Irreversible Wachstumsstörungen.
Abszess mit Fistelbildung (Knochensequester).
The:
Hohe Gaben von Antibiotika, Lokale chirurgische Maßnahmen
Ruhigstellung der betroffenen Extremität
Knochentumore
Def:
1% aller malignen Tumore machen primäre Knochentumore aus (z.B. Osteosarkom,
Chondrosarkom).
Sekundäre Knochentumoren sind Metastasen anderer maligner Primärtumoren (häufig:
Mamma-, Bronchial-, Schilddrüsen-, Prostatakarzinom und Nierenkarzinom).
Am häufigsten ist die Wirbelsäule von Metastasen betroffen.
Knochenmetastasen werden unterschieden in osteolytische Tumore (Knochenabbau mit
Hyperkalzämie, z.B. Plasmozytom, Bronchialkarzinom) und osteoplastische Tumore
(mit Knochenneubildung).
Gutartige Knochentumor sind Osteoblastom und Osteochondrom (Kindesalter).

Osteosarkom 
Häufigster maligner Knochentumor; knochenbildender Tumor. Vorkommen bei
Kindern und Jugendlichen. Am häufigsten sind die Epiphysenfugen der langen
Röhrenknochen betroffen.

Chondrosarkom:
Zweithäufigster Knochentumor, meist jenseits des 40. Lebensjahres: Häufig betroffen
sind die langen Röhrenknochen und die Beckenknochen.

Plasmozytom (Morbus Kahler, multiples Myelom) 
Eine bösartige Vermehrung von Plasmazellen im Knochen mit unkontrollierter
Vermehrung von Antikörpern und Infiltration und Zerstörung des Knochenmarks.

Ewing-Sarkom 
Ein bösartiger Knochenmarktumor, der v.a. an den Diaphysen von Femur und Tibia
auftritt und Personen v.a. zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr befällt. Macht sich
häufig durch Entzündungszeichen bemerkbar (Verwechslung mit Osteomyelitis):
Fieber, Leukozytose, Rötung, Schwellung und Schmerzen.
Sym:  Ziehende Dauerschmerzen, die oft in Gelenknähe lokalisiert sind.
 Zunehmende, harte Vorwölbung, druckdolent.
 Bei osteolytischen Tumoren pathologische Fraktur möglich.
 Später Verschlechterung des Allgemeinzustandes.
Labor:
 Blutbildveränderungen, evtl. BSG-Erhöhung (bei Plasmozytom immer)
 Alkalische Phosphatase erhöht bei knochenverdichtenden Prozessen
 Saure Phosphatase erhöht bei knochenabbauenden Prozessen
The:
Chemotherapie, Strahlentherapie, Operation, Schmerztherapie
Gicht (Arthritis urica) 
Def:
Störung des Purinstoffwechsels (Nukleinsäurestoffwechsel) mit Erhöhung des
Harnsäurespiegels im Blut (Hyperurikämie). Kann zu akuten und chronischen
Gelenkerkrankungen führen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
72
Bewegungsapparat Pathologie
Urs:
 Primär
Erbliche
Störung
des
Harnsäurestoffwechsels
mit
verminderter
Harnsäureausscheidung in der Niere.
 Auslösende Faktoren: Üppiges Essen, Fleisch (v.a. Innereien), Fisch (v.a.
eingelegt in Mayonnaise), Sojaprodukte, Alkoholgenuss (hemmt die
Harnsäureausscheidung in der Niere), Nulldiät (Abbau der Muskelkerne
führt zur verstärkten Harnsäurebildung), ASS (verlangsamt die
Ausscheidung von Harnsäure)
 Männer : Frauen = 20 : 1
 Sekundär
 Bei verstärkter Hämolyse (mehr Harnsäure fällt an), z.B. bei Leukämie,
Polyzythämie, andere Tumore
 Bei Nierenfunktionsstörung (Harnsäure wird vermindert ausgeschieden)
Pat:
Eine Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blutserum über 6,4 mg/dl nennt man
Hyperurikämie. Je höher der Harnsäurespiegel steigt, desto größer das Risiko eines
Gichtanfalls (Ablagerungen von Harnsäurekristallen z.B. im Knorpel oder anderen
gefäßarmen Gewebe wie Bänder und Sehnen). Es kommt im Gelenk zu einer meist
kurzzeitigen, äußerst schmerzhaften Entzündungsreaktion.
Akute Anfälle können in einen chronischen Verlauf übergehen (heute wegen
Medikamenten selten). Es kommt zu Deformierung von meist mehreren Gelenken mit
frühzeitiger Arthrose und Ablagerungen von Harnsäurekristallen in das Gewebe.
Vier Stadien der Gicht:
I. Asymptomatische Hyperurikämie (häufig)
II. Akuter Gichtanfall
III. Beschwerdefreies Intervall zwischen zwei Gichtanfällen
IV. Chronische Manifestation in Gelenken und außerhalb der Gelenke
Sym: Akuter Verlauf
 Plötzlicher Beginn, meist nachts
Starke Schmerzen eines Gelenks mit lokalen Entzündungszeichen
 Zu 75% am Großzehengrundgelenk, nennt sich Podagra.
 Zu 25% am Kniegelenk, nennt sich Gonagra.
 Seltener in den Hand- und Fingergelenken (Chiragra).
 38,5° Fieber (mäßiges Fieber), meist nur wenige Stunden
 Nach einem akuten Anfall oft Rezidive in den nächsten Tagen
 Zwischen den akuten Anfällen oft über längere Zeit symptomfreie Intervalle
 Achtung: Während oder nach einem Gichtanfall kann häufig keine
Hyperurikämie nachgewiesen werden, da sich die Harnsäure in den Gelenken
abgesetzt hat.
Chronischer Verlauf (heute durch Medikamention selten)
Betroffen sind meist mehrere Gelenke mit chronischen Schmerzen
 Gelenkveränderungen mit Gefahr auf sekundärer Arthrose
Knotige Ablagerungen im Bindegewebe
 Ohrknorpel (Gichttophi = Gichtperlen)
 Nasenknorpel, Augenlider, Schleimbeutel
Kom: Arthrose, irreversible Deformationen an Gelenken (v.a. Fingergelenke)
Gichtniere (Gichtnephropathie)
 Ablagerung von Uratkristallen im Nierenmark und damit verbundene
Entzündungen und vaskuläre Veränderungen (Gichtnephropathie; kann zur
Insuffizienz führen)
 Nierensteinbildung (Urate nicht schattengebend im Röntgenbild)
Bewegungsapparat Pathologie
73
 Entzündungen der Iris
 In 50% der Fälle besteht eine arterielle Hypertonie (metabolisches Syndrom)
The:
 Im akuten Anfall medikamentös, Gelenk ruhigstellen und feuchte, kalte
Umschläge, hohe Flüssigkeitszufuhr (>3l/Tag)
 In der Dauertherapie:
 Gewicht normalisieren (keine Nulldiät!)
 purinarme Ernährung: Verzicht auf Fleisch, Innereien, Geflügel, Fisch
und Meerestiere, Mayonnaisen, Kidney-Bohnen
 Alkohol meiden (ist nicht purinhaltig, sondern vermindert die
Harnsäureaus-scheidung in der Niere)
 Unbedingt viel trinken
 Medikamente zur Harnsäuresenkung (Allopurinol, Colchicin)
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (Rheumatismus)
Def:
Rheuma ist eine ungenaue Bezeichnung für Beschwerden am Bewegungsapparat mit
fließenden, ziehenden und reißenden Schmerzen, die nicht durch Traumen entstanden
sind.
Die Rheumatologie umfasst mehr als 100 Krankheiten mit unterschiedlichster Ursache,
Lokalisation und Symptomatik.
Folgende Unterteilung ist sinnvoll:
 Entzündlich rheumatische Erkrankungen, z.B. chronische Polyarthritis,
Bechterew, Kollagenosen
 Degenerativ rheumatische Erkrankungen (Arthrosen)
 Weichteilrheumatismus: Extraartikuläre (außerhalb der Gelenke befindliche)
Rheumaformen (z.B. Fibromyalgie)
Rheumatisches Fieber (akuter Gelenkrheumatismus) 
Def:
Zweiterkrankung nach einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken der
Gruppe A mit Manifestation an den Gelenken und zu 50% am Herzen 1-3 Wochen
nach einem Erstinfekt (z.B. Scharlach, Tonsillitis, Sinusitis, Pharyngitis).
Urs:
Immunologische Reaktion (kreuzreagierende Antikörper, Ablagerung von
Immunkomplexen) nach einem Streptokokkeninfekt v.a. bei Kindern im Schulalter
(möglicherweise genetisch bedingte Anlagebereitschaft).
Sym: Jones-Kriterien zur Diagnosestellung (zwei Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium plus
zwei Nebenkriterien), wenn der Nachweis einer Racheninfektion durch betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A vorliegt.
 5 Major-Kriterien („SPECK“)

Subkutane Knötchen (schmerzlose, bewegliche Knötchen; in 5% d.F.),

Polyarthritis, Entzündungssymptome an mehreren großen Gelenken

Erythema marginatum (nicht juckende Ringelflecke am ganzen Rumpf mit
geröteten Rändern und Abblassung im Zentrum), Erythema nodosum
(druckschmerzhafte, rötliche bis braune Knötchen und Flecken, die v.a. an
den Vorderseiten der Unterschenkel auftreten)

Chorea minor Sydenham (Enzephalitis): unkontrollierte und
asymmetrische Bewegungen (in 20% d.F.)

Karditis (in 50% d.F.), v.a. Endokarditis
 Charakteristisch: Gelenkerscheinungen sind flüchtig und wandern.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
74
Bewegungsapparat Pathologie
Bewegungsapparat Pathologie

4 Minor-Kriterien („BEAF“)

BSG  CRP Leukozytose mit Linksverschiebung,
(Antistreptolysine), Rheumafaktor nicht erhöht

EKG-Veränderungen

Arthralgien (Gelenkschmerzen)

Fieber und Schüttelfrost
75
ASL

SPRUCH: “Rheumatisches Fieber leckt die Gelenke und beißt das Herz.“
Kom: Herzklappenstenose bzw. -insuffizienzen (v.a. Mitral- und Aortenklappen sind
betroffen), lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.
Chronisch rezidivierende Beschwerden.
The:




Bettruhe 3 Wochen
Antibiotika, evtl. Schmerzmittel
Bei Herzbeteiligung Salicylate bzw. Kortison
Penicillinprophylaxe, bei Kindern über mehrere Jahre
Rheumatoide Arthritis (RA) 
Primär chronische Polyarthritis (PcP; ältere Bezeichnung)
Def:
Eine chronisch voranschreitende, autoaggressive Erkrankung des gesamten Bindegewebes, deren Symptomatik sich besonders in den Gelenken zeigt und in der
Synovialschleimhaut beginnt.
Urs:
Autoimmunerkrankung
 Frauen : Männer = 4 : 1
 Erkrankung tritt familiär gehäuft auf.
 Erkrankungsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
 Auslösende Faktoren wie Viren, Hormone, Kälte und Nässe, Infekte und
Überanstrengung werden diskutiert.
 Sonderform Still-Syndrom: schwere Verlaufsform der rheumatoiden Arthritis im
Kindes- und Jugendalter mit starker extraartikulärer (außerhalb der Gelenke
befindlicher) Beteiligung.
Pat:
Zwei Theorien der Pathophysiologie:
 Theorie der Entzündung: Fehlgesteuerte Immunreaktion führt zur Entzündung der
Gelenkschleimhaut (Synovialitis). Dabei sollen Zytokine (v.a. Interleukin-1 und
Tumornekrosefaktor-alfa) die entzündliche Reaktion auslösen. Dabei entsteht ein
geschwulstartiges Gewebe (Pannus), welcher die umliegenden Strukturen allmählich
zerstört und somit zur Zerstörung und Deformierung des Gelenkes führt.
 Theorie der „tumor-like proliferation“: Onkologischer Prozess, bei dem aggressive
Zellverbände der Synovialschleimhaut in die Knorpel- und Knochenstruktur
eindringen. Dabei werden hochwirksame proteolytische Enzyme freigesetzt, welche
die Knorpel- und Knochensubstanz zerstören. Die wuchernden Zellen werden
kurzfristig von Mikro- und Makrophagen angegriffen und resorbiert. Zurück bleibt
der Pannus. Dieser Prozess kann sich am gleichen Ort wiederholen und die Knorpelund Knochensubstanz weiter zerstören
Diese (entzündlichen) Veränderungen können sich in den Gelenken abspielen
(intraartikulär), aber auch um die Gelenke herum (periartikulär) oder seltener von
Gelenken weit entfernt (extraartikulär).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
76
Bewegungsapparat Pathologie
Sym: Die Verläufe können recht unterschiedlich sein, manchmal schneller Verlauf, manchmal
monate- oder jahrelanger Stillstand.
Typische Verläufe:
 schleichend, meist symmetrisch von den kleinen Gelenken auf immer größere
übergreifend
 schubweise über Monate und Jahre
 90% der Verläufe beginnen an den Fingergrund- und -mittelgelenken
 10% Beginn an großen Gelenken (z.B. Knie- und Hüftgelenk)
 Kälte und Nässe kann die Symptomatik verschlimmern.
 Allgemeinsymptome:
 Leistungsrückgang, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme
 Schweißneigung, subfebrile Temperaturen
 Parästhesien (Missempfindungen)
 Druckempfindlichkeit der Hände (v.a. der Fingergrundgelenke), z.B.
Schmerzen beim Händedruck (Gaenslen-Zeichen)
Gelenksymptome (häufig symmetrisch):
 Gelenkschwellung, Überwärmung und Schmerz
 Morgensteifigkeit und Bewegungseinschränkung der Hände und Finger über
eine Stunde (länger als 6 Wochen)
 meist an Fingergrund- und -mittelgliedern beginnende Auftreibung (fast nie
Fingerendglieder)
 Im weiteren Verlauf können alle Gelenke betroffen werden
 Bewegungseinschränkungen
 Muskulatur bildet sich zurück (Muskelatrophie)
 Haut über den Gelenken ist dünn und glatt, oft mit Einlagerung von bräunlichen
Pigmentierungen
 Im späteren Verlauf Entstehung von Gelenkdeformationen:
 Ulnare Deviation (Abweichung der Fingergrundgelenke zur Elle hin;
Subluxation)
 Schwanenhalsdeformation
(Fingermittelgelenk
in
Hyperextensionsstellung, Endgelenk in Flexionsstellung)
 Knopflochdeformation (Fingermittelgelenk in Flexionsstellung,
Endgelenk in Hyperextensionsstellung)
 Knöcherne
Gelenkversteifung
(Ankylose),
Kontrakturen,
Subluxationen
 Außerhalb der Gelenke (extraartikulär)
 subkutane Rheumaknötchen (v.a. an den Streckseiten der Unterarme)
 Befall von Sehnenscheiden und Schleimbeuteln
 Karpaltunnelsyndrom
 Am Auge: sekundäres Sicca-Syndrom, Iridozyklitis (Entzündung der Iris und
des Ziliarkörpers)
 Manifestation auch in anderen Organen möglich z.B. Vaskulitis, Myokarditis,
Polyneuropathie, Pleuritis
 Laborwerte
 BSG  (mäßig beschleunigt, im akuten Schub Sturzsenkung), CRP 
 Leukozytose
 Erythrozyten erniedrigt (Anämie), Serumeisen erniedrigt (Eisen wandert in
das Gewebe und steht der Blutbildung nicht zur Verfügung)
 Extreme Thrombozytose möglich
 Rheumafaktor positiv in ca. 90% der Fälle
 CCP-Antikörper in 95% der Fälle positiv (Antikörper gegen cyclische
citrullinierte Peptide)
Bewegungsapparat Pathologie
 Röntgen erst
Gelenkspaltes
77
positiv bei
Deformationen und Verkleinerung des
 Rheumafaktoren finden sich auch bei anderen Erkrankungen (z.B.
Kollagenosen, chronische Hepatitis C) oder bei gesunden Menschen. Ein
negativer Rheumafaktor schließt die rheumatoide Arthritis nicht aus.
The:
 Schädigende Reize vermeiden
 Physiotherapie, medikamentöse Therapie, vor allem bei akuten Schüben
Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans) 
Def:
Schleichend oder schubweise verlaufende, entzündliche Erkrankung des Bindegewebes, die sich vorwiegend an der Wirbelsäule abspielt und zur Versteifung führen
kann.
Urs:
Idiopathisch (unbekannt)
Genetische Disposition, da bei fast allen Erkrankten HLA-B27 (körpereigenes Antigen)
nachgewiesen werden kann (familiäre Häufung).
 In 90% der Fälle erkranken Männer zwischen dem 15. und 30 Lebensjahr.
Pat:
Der Entzündungsprozess beginnt typischerweise an den Iliosakralgelenken und schreitet
dann von kaudal nach kranial fort. Folgende Strukturen an der Wirbelsäule können
sich entzünden:
 Kleine Wirbelgelenke (Facettengelenke)
 Bandscheiben
 Bandapparat der Wirbelsäule
Die chronische Entzündung führt zur Verkalkung und Verknöcherung der WS. Die
dadurch entstehenden Bewegungseinschränkungen führen zu Muskelatrophie und der
typischen Haltung eines Bechterew-Patienten mit thorakolumbaler Hyperkyphose
(vollständiger Rundrücken) und Vorbeugung der HWS. Im Endstadium kann die WS
völlig versteifen (Bambusstabwirbelsäule).
Sym: 
schleichender Beginn (5-8 Jahre) mit Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme,
Nachtschweiß
 Nächtliche, tiefsitzende, teils quälende Kreuz- und Gesäßschmerzen, die in die
Oberschenkel ausstrahlen können, morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule
 Schmerzen bei Erschütterung oder Husten und Niesen (restriktive Atemwegserkrankung)
 Schmerzen beim tiefen Einatmen
 In einigen Fällen extravertebrale Symptome:
 Entzündung der Achillessehne mit Fersenschmerzen (Achillodynie)
 Arthritis
 Iridozyklitis (Entzündung der Iris und des Ziliarkörpers)
 BSG erhöht, Rheumafaktor negativ, HLA-B27 häufig positiv
 Diagnostische Zeichen:
 Schober-Zeichen, Ott-Zeichen, Mennell-Zeichen positiv
 Hinterhaupt-Wand-Abstand und Kinn-Sternum-Distanz allmählich
größer (normal kein Abstand)
 Finger-Fußboden-Abstand wird größer
 Extreme Vorwölbung des Abdomens
 Röntgen: Veränderungen anfangs der Iliosakralgelenke, später der gesamten WS
© Arpana Tjard Holler (Autor)
78
Bewegungsapparat Pathologie
The:
 Antirheumatika
 Physiotherapie zur Verhinderung weiterer Schrumpfung
 Wärmeanwendung zur Auflockerung des Gewebes
Kollagenosen
Def:
Kollagenosen sind verschiedene systemisch-entzündliche Erkrankungen des kollagenen
Bindegewebes.
Urs:
Autoimmunerkrankung, häufiger Nachweis von Antikörpern.
 Kollagenosen kommen bei Frauen häufiger vor.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Def:
Relativ seltene Systemerkrankung der Haut und des Gefäßbindegewebes mit
unterschiedlichen Verlaufsformen.
Urs:
Antikörper (ANA) und Immunkomplexe lösen die Entzündungsreaktion aus.
Pat:
Meist sind Frauen zwischen 20 und 30 Jahren betroffen. Haut, Lunge, Herz, Nieren,
Nerven und Gelenke sind unterschiedlich und wechselnd befallen. Die Verläufe sind
unterschiedlich, vom akuten tödlichen bis hin zum chronisch jahrzehntelangen Verlauf.
 Eine kutane Form ohne systemische Beteiligung ist möglich (günstige
Prognose).
Sym:  Kutane (auf die Haut bezogene) Manifestation: Schmetterlingserythem (vor allem
im Gesicht und auf dem Kopf), Lichtempfindlichkeit der Haut, oronasale
Ulzerationen
 Pleuritis
 Perikarditis, Myokarditis, Endokarditis
 Glomerulonephritis, Nephrotisches Syndrom
 ZNS-Symptome
 Blutbildveränderungen (z.B. Leukopenie)
 Arthritis
vim akuten Schub hohes Fieber
Sklerodermie (Darrsucht)
Def:
Autoimmunerkrankung des Bindegewebes, die in systemischer Weise auftreten kann
(progressive systemische Sklerodermie) oder in lokalisierter Form (Sklerodermia
circumscripta).
Pat:
Meist sind Frauen im mittleren Lebensalter betroffen.
 Es werden drei Stadien unterschieden:
1. Entzündung mit teigigen Ödemen
2. Hyperplasie (Bindegewebsneubildungen)
3. Atrophie und Verhärtung des Bindegewebes
Sym: Die Erkrankung verläuft in Schüben, beginnt meist an den Händen und breitet sich zum
Körper hin aus.
 Beteiligung der Haut:
 Rötung, teigige Aufschwellung, glänzend und straff, unverschieblich
 Gangränöse Veränderungen der Fingerspitzen (sekundäres RaynaudSymptom), sog. Rattenbissnekrosen
Bewegungsapparat Pathologie
79
 Durch Straffung der Gesichtshaut: Starre Gesichtszüge (Maskengesicht),
glattes Gesicht (Madonnengesicht), kleiner Mund (Mikrostomie) mit radiärer
Faltenbildung (Tabaksbeutelmund)
 Beteiligung innerer Organe
 Fibrosierung von Lunge, Herz, Niere und Ösophagus
Sjögren-Syndrom (Sicca-Syndrom = trockenes Auge)
Def:
Autoimmunerkrankung, bei der der Körper v.a. die Speicheldrüsen und die Tränendrüse
angreift. Aber auch rheumatische Erkrankungen und Veränderungen an der Haut sind
möglich.
Urs:
Autoimmunerkrankung
Sym: 





Mundtrockenheit
Entzündung der Speicheldrüsen, z.B. Parotitis
Versiegen der Tränensekretion mit Gefahr auf Keratokonjunktivitis
Trockene Nasenschleimhaut mit Rhinitis
evtl. Gelenk- und Muskelschmerzen
Purpuraartige Hautveränderungen
Polymyalgia rheumatica
Def:
Eine entzündliche rheumatische Erkrankung, die mit heftigen Schmerzen der
Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels und deutliche erhöhten Entzündungsparameter im Blut einhergeht. In 50% d. F. tritt die Erkrankung zusammen mit Arteriitis
temporalis auf.
Urs:
Gefäßentzündungen (Vaskulitis) der Muskulatur unbekannter Ursache. Betroffen sind
Patienten über 60 Jahre. Frauen sind doppelt so häufig erkrankt.
Sym:  Morgendliche
symmetrische
Muskelschmerzen
im
Schulterund
Beckengürtelbereich,
die
plötzlich
einsetzen
und
zu
erheblichen
Bewegungseinschränkungen führen.
 Charakteristisch ist die Morgensteifigkeit
 Häufig allgemeines Krankheitsgefühl mit Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust,
Nachtschweiß und Abgeschlagenheit.
 Entzündungszeichen im Labor erhöht: BSG (Sturzsenkung), CRP, Leukozytose
 Gute Ansprechbarkeit auf Kortikoide
 Kopfschmerzen bei gleichzeitigem Bestehen von Arteriitis temporalis
Arthrosis deformans (Arthrose) 
Def:
Langsame Degeneration des Gelenkknorpels über die natürliche Abnutzung hinaus.
Urs:
 Primäre Arthrose
 erbliche Disposition
 begünstigende Faktoren
Überbeanspruchung
wie
Kälte,
Nässe,
Wetterwechsel
 Sekundäre Arthrose
 mechanische Überbeanspruchung, Fehlstellung, Sport, Beruf, Unfall
 Stoffwechselerkrankungen wie Gicht, Osteoporose, Adipositas
 wiederholte Entzündungen
 hormonelle Faktoren, bes. nach Klimakterium
© Arpana Tjard Holler (Autor)
und
80
Bewegungsapparat Pathologie
Pat:
Durch die relativ schlechte Ernährungslage des Knorpels (keine Gefäße, wird durch
Diffusion versorgt) kann es v.a. bei mechanischer Überbeanspruchung dort zu
Abnutzungserscheinungen kommen. Der Knorpel verliert seine Elastizität und innere
Festigkeit. Die Reize innerhalb des Gelenkes können zu Entzündungen führen. Der
daraus entstehende Dauerschmerz führt zu Bewegungseinschränkungen mit
Muskelatrophie.
 Drei charakteristische Merkmale der Pathophysiologie einer Arthrose:
1. Verschmälerung des Gelenkspaltes.
2. Sklerosierung (Verhärtung) des umliegenden Knochengewebes mit reaktiven
Knochenwucherungen an den Gelenkrändern (sog. Osteophyten).
3. Zystenbildung im umliegenden Knochengewebe.
 Am häufigsten vorkommende Arthrosen:
 Im Hüftgelenk (Koxarthrose)
 Im Kniegelenk (Gonarthrose)
 Im Großzehengrundgelenk (Hallux rigidus)
 Im Schultergelenk (Omarthrose)
 An der Wirbelsäule
 Wirbelkörper (Spondylose)
 Kleine Wirbelgelenke (Spondylarthrose)
 Bandscheiben (Chondrosis intervertebralis)
 In den Fingergelenken (Fingerpolyarthrose); findet sich häufig bei Frauen
im Klimakterium.
 Fingerendgelenke sind betroffen: Heberden-Arthrose (häufigste Form) mit
charakteristischen Heberden-Knoten (Verdickungen an den Dorsalseiten der
Fingerendgelenke).
 Mittelgelenke sind betroffen: Bouchard-Arthrose
 Daumensattelgelenke sind betroffen: Rhizarthrose
Sym:  beginnt mit Steifigkeit, Spannungsgefühl
 dann Anlaufschmerz bei Beginn der Bewegung, Belastung- und Ermüdungsschmerzen, Morgensteifigkeit (nicht länger als 30 Minuten), Endphasenschmerz
 später Dauerschmerz, Bewegungseinschränkung und Fehlstellung
 evtl. aufgetriebenes Gelenk

im fortgeschrittenen Stadium knöcherne Verdickung des Gelenks (Neubildung)
mit Schmerzausstrahlung in die Muskeln
Kom: Fehlstellungen, Funktions- und Bewegungseinschränkung, Muskelkontrakturen,
(Kontrakturen), Muskelatrophie.
The:




Schmerzbehandlung (akut: Kälte; chronisch: Wärme)
Verbesserung der Durchblutung
Physiotherapie und Massage
Operationen, Hyaluron-Therapie
Weichteilrheumatismus
Def:
Sammelbegriff für alle akuten oder chronischen Erkrankungen der gelenkbegleitenden
und gelenkfernen Weichteile wie Muskeln, Bänder, Sehnen und Sehnenscheiden.
Es gibt bisher keine einheitliche Beschreibung und Klassifizierung des Weichteilrheumatismus.
Als rheumatische Weichteilerkrankung kann z.B. bezeichnet werden: Tendopathie,
Bandläsion, Sehnenscheidenentzündung, Bursitis, Myogelosen, Fibromyalgie,
Zellulitis, Karpaltunnelsyndrom.
Bewegungsapparat Pathologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
81
82
Bewegungsapparat Pathologie
Fibromyalgiesyndrom 
Es handelt sich um eine generalisierte Tendomyopathie mit typischen
Schmerzpunkten („tender points“; 11 von 18) im Bereich der Muskulatur,
Sehnenansätze, Bänder und Knochen. Organisch können keine Schäden festgestellt
werden.
90 % der Patienten sind Frauen, meist zwischen 30 - 60 Jahren alt. Es bestehen
häufig weitere vegetative Störungen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit,
Schlafstörungen, verminderte Belastbarkeit, Spannungskopfschmerz und Migräne.
Viele Patienten leiden unter Ängsten, Depressionen und Kontaktstörungen. Eine
Chronifizierung der Beschwerden ist typisch.
 Fibromyalgie ist eine Ausschlussdiagnose!
Erkrankungen der Wirbelsäule
Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) 
Def:
Verlagerung oder Hervortreten der Bandscheibe aus ihrer normalen Position.
Urs:

Multifaktoriell:
 Falsche Wirbelsäulenbelastung durch
 Bücken und schweres Heben (z.B. 90% der Krankenschwestern)
 Langes und falsches Sitzen (Taxifahrer, LKW und Bus)
 Bindegewebsschwäche und Diffusionsstörung der Bandscheibe
Stress, seelische Konflikte
Pat:
Protrusion: Der Faserring (Anulus fibrosus) der Bandscheibe verlagert sich über die
Wirbelkörperränder hinaus. Der Faserring ist teilweise angerissen, aber nicht
vollständig wie beim Prolaps.
Prolaps: Hervortreten des Gallertkerns (Nucleus pulposus) durch einen Riss im
Faserring (am häufigsten).
Meistens ereignet sich der Vorfall nach lateral auf die Nervenwurzel der
Spinalnerven, ein medialer Vorfall in den Spinalkanal ist jedoch auch möglich (sog.
Kaudasyndrom)
 Fast alle Bandscheibenvorfälle ereignen sich zwischen L4-L5 und L5-S1. In ca. 1%
der Fälle auch an der HWS zwischen C5-C6 und C6-C7 (meist sind Frauen
betroffen).
Sym: Bandscheibenprotrusion:

Lumbago (Hexenschuss) mit plötzlichen, heftigsten Schmerzen und vorübergehender Bewegungsunfähigkeit
 Schonhaltung, erhöhter Muskeltonus der Rückenmuskulatur (fühlbar hart)
Bandscheibenprolaps (Wurzelkompressions-Syndrom):
 Kreuz- und Rückenschmerzen
 Ischiassyndrom (einseitig), mit ausstrahlenden Schmerzen entlang des Ischiasnervs
am Oberschenkel und Unterschenkel bis in die Zehen (Verstärkung beim Husten).
 Erst Sensibilitätsstörungen am Fuß und Bein, bei Fortschreiten des Prolaps auch
motorische Ausfallserscheinungen
 Parästhesien an der Großzehe: Prolaps bei L4/L5
 Parästhesien am lateralen Fußrand bei L5/S1
Untersuchungsmethoden beim Prolaps:
 Schober-Zeichen
 Lasegue-Zeichen positiv
Bewegungsapparat Pathologie
83
 Bragard-Zeichen positiv (verstärkte Schmerzen bei Dorsalflexion des Fußes,
während gleichzeitig das gestreckte Bein in Rückenlage passiv angehoben
wird)
 Herabgesetzte oder fehlende Reflexe: PSR herabgesetzt bei Prolaps L4/L5
und ASR herabgesetzt bei Prolaps L5/S1
 Hackenstand nicht möglich und Aufhebung Dorsalflexion der großen Zehe
bei Prolaps L4/L5
 Zehenstand nicht möglich und Aufhebung Plantarflexion der Zehen bei
Prolaps L5/S1
 Valleix-Punkte druckschmerzhaft (Schmerzpunkte entlang des N.
ischiadicus an der Rückseite des Beins
Kom:  Medialer Bandscheibenvorfall mit Schädigung der Cauda equina (sog.
Kaudasyndrom) als Notfall.
 akute Rückenschmerzen, beidseitig ausstrahlende Schmerzen in die Beine
 unwillkürlicher Harn- und Stuhlabgang
Reithosenanästhesie (Taubheitsgefühl an den Innenseiten der Oberschenkel)
 ASR beidseits herabgesetzt bzw. fehlend
 Irreversible Druckschädigung der Spinalnerven (Wurzeltod)
Abtrennung und Absterben des vorgefallenen Bandscheibenmaterials (Sequestration)
mit möglicher Wanderung
The:
 Medikamentöse Therapie zur Muskelrelaxation, Schmerzlinderung und
Entzündungsbekämpfung
 Physiotherapie, Hydrotherapie, Lasten so nah wie möglich am Körper bewegen
 Operative Entfernung der Bandscheibe
Ischias-Syndrom 
Def:
Bezeichnung für sensible und evtl. motorische Ausfallserscheinungen entlang des
Einzugsgebietes des Nervus ischiadicus, die durch unterschiedliche Reizzustände
entstehen.
Urs:
Druck auf die Ischiaswurzel bzw. auf den Ischiasnerv durch z.B.
Bandscheibenvorfall, Tumore, Abknickung der Gebärmutter nach dorsal,
Schwangerschaft
Degenerative Veränderungen und Erkrankungen der WS (Arthrose, M. Bechterew)
Entzündungen des Ischiasnervs durch Infektionskrankheiten (Zoster), Toxine (z.B.
Arsen, Alkohol) oder bei Polyneuropathie, z.B. Diabetes mellitus
Nach Trauma bzw. Frakturen, unsachgemäße i.m.-Injektion
Idiopathisch; häufig findet sich ein erhöhter Tonus der Rückenmuskulatur
Sym: 






Schmerzen in der Lendengegend, klopfempfindlich
In das betroffene Bein ausstrahlende Schmerzen bis in den Fußaußenrand
Schmerzen fast immer einseitig (bei Polyneuropathie jedoch zweiseitig)
Parästhesien im betroffenen Bein und evtl. Lähmungen
Verschlechterung beim Husten, Niesen und Pressen
Typische Schonhaltung
Lasegue- und Schober-Zeichen positiv
© Arpana Tjard Holler (Autor)
84
Bewegungsapparat Pathologie
Lumbago (Hexenschuss)
Def:
Plötzlich auftretende, starke Schmerzen in der Lendengegend mit erheblicher
Bewegungseinschränkung.
Urs:




Pat:
Bei meist plötzlichen Bewegungen reagieren die umgebenden Muskeln reflektorisch mit
einem schmerzhaften Muskelhartspann
Trauma, Tumore (z.B. Rückenmarks- oder Bauchtumor)
Erkrankungen und degenerative Veränderungen der WS
Bandscheibenvorfall
Erkältungen im Lendenbereich
Spondylolisthese
Def:
Die Verschiebung eines Wirbels nach ventral infolge einer Spaltbildung im Wirbelbogen
(Spondylolyse). Meist sind lumbale Wirbel betroffen.
Urs:
 Angeboren
 Erworben im Kindesalter; v.a. durch Sportarten mit einer erhöhten Rückwärtsbiegung der WS (Delphinschwimmen, Gewichtheben, Hochsprung, Speerwerfen,
Trampolinspringen, Turnen) hervorgerufen. Tritt zu 90% am 4. und 5. Lendenwirbel
auf.
 Erworben durch Verletzungen, Knochenerkrankungen oder degenerativen
Veränderungen.
Sym:  Entstehung ist selten schmerzhaft, oft asymptomatisch
 Rückenschmerzen können auftreten
Kom:  Einklemmungen von Spinalnerven oder Kauda equina
 Bildung von Skoliosen
 Bildung von WS-Arthrosen
Erkrankungen der Muskeln
Muskelkontraktur
Def:
Bleibende Verkürzung der Muskulatur mit Bewegungseinschränkung (Gelenkversteifung).
Urs:
Idiopathisch
Band- und Sehnenverkürzungen
Erkrankungen des Muskelgewebes
Erkrankungen des Zentralnervensystems (spastische Kontraktur)
Ungenügende Blutversorgung (z.B. Kompartmentsyndrom)
Narbenverwachsungen
Sym:  Beugekontraktur: Gelenkversteifung in der Beugestellung, Patient kann keine
Streckbewegung ausführen
 Streckkontraktur: Gelenkversteifung in der Streckstellung, Patient kann keine
Beugestellung ausführen
Bewegungsapparat Pathologie
85
Dupuytren-Kontraktur 
Def:
Muskelverkürzung der Fingerbeuger (v.a. des 4. und 5. Fingers) infolge einer
Verdickung und narbigen Schrumpfung der Palmaraponeurose (Sehnenfläche der
Hohlhand).
Urs:
Idiopathisch (familiäres Auftreten)
Häufiges Auftreten bei Alkoholkrankheit, Lebererkrankungen, Diabetes mellitus
und hirnorganisches Anfallsleiden ohne offensichtlichen Grund.
 Männer im 5. Lebensjahrzehnt sind am häufigsten betroffen.
Sym: 
Beugekontraktur des 4. und 5. Fingers, nicht selten beidseitig

Tastbarer, teils sichtbarer Bindgewebsstrang, häufig mit der darüber liegenden Haut
verwachsen

Schmerzlos, in Schüben auftretend
© Arpana Tjard Holler (Autor)
86
D.
Blut-Lymphe Anatomie
Blut-Lymphe Anatomie/Pathologie
Blut-Lymphe Anatomie
Allgemeines ............................................................................................................................................. 88
Aufgaben des Blutes ................................................................................................................................ 88
Blutbildung (Hämatopoese) .................................................................................................................... 88
Zusammensetzung des Blutes ................................................................................................................. 88
Blutgruppen ............................................................................................................................................. 98
Untersuchungsmethoden des Blutes .................................................................................................... 100
Das Lymphsystem .................................................................................................................................. 103
Die Milz (Splen, Lien) ........................................................................................................................... 104
Lymphatischer Rachenring (Waldeyer-Rachenring) ........................................................................... 105
Thymus .................................................................................................................................................. 105
Blut-Lymphe Anatomie
87
Blut und lymphatisches System
Zusammensetzung des Blutes
45%
Blutzellen
ca. 30 Bio.
55 %
Blutplasma
90% Wasser
Erythrozyten
ca. 5 Mio. /µl
Leukozyten
ca. 4.000-10.000/µl
Thrombozyten
ca. 150.000-400.000/µl
O2-Aufnahme
Transport
Abwehr
Blutstillung
Blutgerinnung
Granulozyten
ca. 70%
Lymphozyten
ca.25%
Monozyten
ca. 5%
unspezifische Abwehr
spezifische Abwehr
B-Lymphozyten
B-Gedächtniszellen
Plasmazellen
neutrophile
Granulozyten
Phagozytose
stabkernige Neutrophile
(„jugendlich“)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
unspezifische und spezifische Abwehr
T-Lymphozyten
T-Gedächtniszellen
T-Helferzellen
T-Unterdrückerzellen
T-Killerzellen
eosinophile
Granulozyten
Allergien, Würmer
Antigen-Antikörper-Komplexe
segmentkernige Neutrophile
(„erwachsen“)
basophile
Granulozyten
Histamin, Heparin
88
Blut.
Blut.
Allgemeines



Blut ist ein flüssiges Körpergewebe, ein Transportmedium.
Die normale Blutmenge beträgt 7 - 8% des Körpergewichts, d.h. ca. 4-6 Liter Blut.
Hypervolämie bezeichnet eine Zunahme des Blutvolumens. Physiologisch kommt dies bei
Menschen im Hochgebirge und bei Schwangeren vor, pathologisch z.B. infolge einer
chronischen Niereninsuffizienz oder bei Hormonerkrankungen (z.B. Conn-Syndrom).
 Hypovolämie bezeichnet eine Abnahme des Blutvolumens bei
 akuten inneren Blutungen
 sehr starkem Schwitzen
 Durchfall und Erbrechen (z.B. Cholera)
 großen Hautverbrennungen
 Bei Blutverlusten ab 30% kommt es zum hypovolämischen Schock.
Blutverluste von 50% sind ohne Behandlung stets tödlich.
Aufgaben des Blutes






Transportfunktion (z.B. Sauerstoff, Kohlendioxid, Nährstoffe, Hormone, Enzyme)
Abwehrfunktion
Blutgerinnung und Blutstillung
Säure-Basen-Haushalt (Bikarbonat-Puffer-System)
Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks
Regulierung der Körpertemperatur (durch Erweiterung und Verengung von Gefäßen)
Blutbildung (Hämatopoese)


Die Blutbildung erfolgt im roten Knochenmark in den Epiphysen der langen
Röhrenknochen und in den flachen Knochen (z.B. Sternum, Skapula und Hüftknochen).
Die Blutbildung geht von der pluripotenten (= alleskönnenden) Stammzellen im roten
Knochenmark aus, welche Rezeptoren für das Hormon Erythropoetin besitzt.
Zusammensetzung des Blutes


Blut besteht aus Blutplasma (Blutflüssigkeit) und aus Blutzellen.
Den prozentualen Anteil der zellulären Bestandteile am Gesamtblutvolumen gibt der
Hämatokritwert = Hk-Wert an.
 Werte: Frau 37-48%, Mann 40-52%. Werte ab 55% gelten als pathologisch.
Blutplasma

Blutplasma ist der extrazelluläre Anteil des Blutes, eine klare gelbe Flüssigkeit.
Zusammensetzung:
 90% Wasser.
 Bluteiweiße (Albumine, Globuline)
 Nährstoffe (Glukose, Aminosäuren, Fettsäuren), Vitamine
 Mineralien (z.B. Na, K, Ca, Mg, Cl), Spurenelemente
 Hormone
 Abbauprodukte (z.B. die harnpflichtigen Stoffe)
 Blutplasma ohne Fibrinogen nennt sich Blutserum
Blut.
89
Bluteiweiße (Plasmaproteine)


Mit Hilfe der Elektrophorese kann man verschiedene Proteinarten unterscheiden.
Albumine: Sie sind die kleineren Eiweißpartikel im Plasma.
 Transportfunktion, z.B. für Bilirubin, Fettsäuren u.a.
 Erzeugung des kolloidosmotischen Druckes (die Kraft, mit der die Albumine
Wasser an sich binden).
 Globuline: Unterschieden werden alpha-1- und alpha-2-Globulin, beta- und
Gammaglobuline.
 Trägerfunktion, z.B. für Hormone, Enzyme, Eisen u.a.
 Gammaglobuline haben Abwehrfunktion (Antikörper)
 Gerinnungsfaktoren Prothrombin und Fibrinogen
 . Blutplasma ohne Fibrinogen nennt sich Blutserum
pH-Wert des Blutplasmas




Der pH-Wert muss zwischen 7,36 - 7,44 liegen!
Die genaue Einhaltung dieses relativ schmalen Bereiches ist wesentlich, insbesondere für
enzymatische Reaktionen.
Der pH-Wert ist die Wasserstoffionenkonzentration in einer Lösung.
 Vermehren sich die H-Ionen, wird die Lösung sauer und der pH-Wert sinkt nach
unten.
 Vermindern sich die H-Ionen, wird Lösung basisch und der pH-Wert steigt nach
oben.
Im Blut wird das Säure-Basen-Gleichgewicht durch das Bikarbonat-Puffer-System
(Atmung) und durch die Ausscheidungsfunktion der Niere aufrechterhalten.
 Ist der pH-Wert  7,36: Azidose
 Ist der pH-Wert  7,44: Alkalose
Blutzellen (Blutkörperchen)

Die Blutkörperchen werden beim Erwachsenen im roten Knochenmark durch dort ansässige
Stammzellen gebildet (Hämatopoese). Unterscheidung:
 Erythrozyten: Sind für den Sauerstofftransport verantwortlich.
 Thrombozyten: Sind für die Blutstillung und Blutgerinnung verantwortlich.
 Leukozyten: Sind für die Abwehr zuständig.
 Die Hämatopoese findet statt in:
 flachen Knochen (Beckenknochen, Sternum, Schädelknochen)
 Epiphysen der langen Röhrenknochen
 Die Blutbildung außerhalb des Knochenmarks erfolgt physiologisch beim ungeborenen
Kind in Leber und Milz. Beim Erwachsenen ist dies möglich, wenn bestimmte
Blutkrankheiten (z.B. bei Leukämie, Lymphogranulomatose, Plasmozytom) das
blutbildende Knochenmark schädigen (extramedulläre Blutbildung).
Erythrozyten (rote Blutkörperchen)




Anzahl beim Mann: 5 - 6,2 Mio./µl (mm3)
Anzahl bei der Frau: 4,2 - 5,7 Mio./µl
Form: Erythrozyten sind bikonkave Scheiben ohne Zellkern. Diese Form ist wesentlich für
eine gute Verformbarkeit z.B. in den Kapillaren. Durchmesser 8 m, Dicke am Rand 2m,
zentrale Dicke ca. 1 m
Aufbau: Im Inneren der Erythrozyten befindet sich der rote Blutfarbstoff (Hämoglobin).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
90
Blut.
Blut.
91

Das Hämoglobinmolekül setzt sich zusammen aus
 Globin (Eiweiß)
 und Häm (Porphyrin + Eisen), der den eigentlichen Blutfarbstoff darstellt.
 An jedem Eisenmolekül kann sich ein Sauerstoffmolekül anlagern.
 Hämoglobin (Hb) hat die Aufgabe Sauerstoff (25% Kohlendioxid) zu
transportieren
 Embryonaler Farbstoff bindet O2 stärker als der des Erwachsenen
 Hb-Wert gesamt 12 - 16 g /100ml
 HbE (MCH): 28 - 32 pg (Picogramm) = Hb-Wert eines einzelnen Ery`s
 Die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut beträgt 95-99%, im venösen Blut 70-80%.

Erythropoese (Bildung der Erythrozyten)
 Für die Erythropoese wird Eisen, Vitamin B12 (Cobalamin) und Folsäure
benötigt.
 Die Quantität der Erythropoese ist sehr hoch (höchste Mitoserate im Körper), ca.
160 Millionen Erythrozyten pro Minute.
 Aus den Stammzellen im roten Knochenmark findet eine Zellentwicklungsreihe
von kernhaltigen zu kernlosen Zellen, den Erythrozyten statt (diese sind also
nicht mehr teilungsfähig).
 Hämozytoblast – Proerythroblast – Erythroblast – Normoblast
(stößt den Kern ab und geht ins Blut über) – Retikulozyt –
Erythrozyt
 Retikulozyten sind junge Erythrozyten im Blut mit netzartigen Strukturen im Zellleib
(Retikulum = Netz), die nach 1-2 Tagen abgestoßen werden. Ein Anstieg der
Retikulozytenzahl ist typisch bei hämolytischen Anämien (nicht bei chronischer
Eisenmangelanämie).
 Hormonelle Steuerung der Erythropoese: Die Erythropoese wird gesteuert durch das
Hormon Erythropoetin, welches in der Niere gebildet wird. Dort befinden sich Zellen, die
den O2-Gehalt des Blutes messen.
 Wenn der Sauerstoffgehalt des Blutes in der Niere absinkt kommt es zu
folgender Reaktion:
 vermehrte Produktion und Ausschüttung von Erythropoetin
 gesteigerte Bildung der Erythrozyten im Knochenmark.
 Sauerstoffgehalt des Blutes in der Niere steigt an. Folge:
 verminderte Produktion und Ausschüttung von Erythropoetin
 gedrosselte Erythropoese im Knochenmark.
 Hämolyse (Abbau der Erythrozyten): Erythrozyten werden bis 120 Tage alt. Sie werden
abgebaut vom Monozyten-Makrophagen-System in
 Milz, Leber, Knochenmark.
 Bei der Hämolyse (siehe Schaubild)
 wird das freigewordene Globin in der Leber neu verwertet
 das aus dem Häm freigewordene Porphyrin zu Bilirubin
(Abbauprodukt der Hämolyse) umgebaut
 das freigewordene Eisen in der Leber und Milz gespeichert.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
92
Blut.
Hämoglobin
Häm
Biliverdin
Globin (Eiweißanteil), wird in der
Leber neu verwertet.
Eisen (Fe) wird gespeichert in Leber,
Milz und Knochenmark.
Bilirubin (wasserunlöslich),
wird im Blutplasma mit Albuminen
gekoppelt und zur Leber gebracht.
Thrombozyten (Blutplättchen)




Anzahl: 150.000 - 400.000 /µl
Form: Sie sind kernlose Scheibchen, die aus Abschnürungen des Zytoplasmas der
Knochenmarkriesenzellen entstehen. Die Größe beträgt ca. 2-3 m, Dicke ca. 0,5 m.
Lebensdauer: 8 - 14 Tage. 1/3 der Thrombozyten sind in der Milz gespeichert und können
durch Stresshormone mobilisiert werden. Werden in der Milz abgebaut.
Aufbau: In den Thrombozyten befinden sich im Wesentlichen sog. Plättchenfaktoren. Die
Thrombozyten spielen eine Rolle bei der Blutstillung und leiten die Blutgerinnung im
endogenen System ein.
Blutungsstillung (primäre Hämostase)
Die Blutu
Hautverletzung
Vasokonstriktion
Histamin
Vasodilatation
Thrombozyten
Blutstillung
Blutgerinnung
Bei Verletzung eines Gefäßes entsteht in den ersten Sekunden
reflektorisch eine Vasokonstriktion (Gefäßverengung), es
blutet nicht. Nach kurzer Zeit erfolgt durch
Histaminausschüttung
eine
Vasodilatation
(Gefäßerweiterung), es blutet heftig. Jetzt erfolgt die
Blutstillung durch Anheften von Thrombozyten an den
Gefäßdefekt. Mit Hilfe verschiedener Substanzen wird ein
provisorischer Thrombus gebildet, welcher die Wunde
vorläufig mechanisch verschließt und jetzt noch gerinnen
muss.
Die Blutungszeit beträgt ca. 1 - 3 Minuten.
Einfacher Test zur Bestimmung der Blutungszeit: Mit
einer Lanzette eine Blutung am Finger provozieren und
dann den blutenden Finger in ein Glaswasser halten und
die Blutung mit einer Stoppuhr messen.
Blut.
93
Blutgerinnung (sekundäre Hämostase)
Prothrombin
wird zu
Thrombin
aktiviert
Fibrinogen

wird zu
Fibrin
Gerinnungseiweiße
 Prothrombin und Fibrinogen sind Bluteiweiße, die in der Leber hergestellt
werden und als inaktive Blutgerinnungsfaktoren im Blutplasma vorhanden sind.
 Fibrin ist ein kontraktiles Bluteiweiß, dass die Wunde verschließt und
schließlich fest wird.
 Die Gerinnungszeit beträgt normal 5 - 7 min.
 Phasen der Blutgerinnung
 Aktivierungsphase: Umwandlung von Prothrombin in Thrombin.
 Koagulationsphase: Thrombin führt das unwirksame Fibrinogen in das Fibrin
über.
 Retraktionsphase: Das lösliche Fibrin zieht sich zusammen und wird zum
festem, unlöslichem Fibrin (Blutkuchen, Schorf).
 Unterscheidung in endogenes und exogenes Blutgerinnungssystem.
 Blutthrombokinase: Bestimmte Faktoren im Blut reagieren auf eine “blutfremde
“ Oberfläche und setzen die endogene Gerinnungskette in Gang.
 Gewebsthrombokinase:
Verletztes
Gewebe
setzt
Faktoren
frei
(Thromboplastin), die die exogene Gerinnungsabfolge in Gang setzten.
 Blutgerinnungshemmende Stoffe:
 Heparin
 hemmt die Wirkung von Thrombokinase (Prothrombin in
Thrombin), die Wirkung von Thrombin auf Fibrinogen und die
Thrombozyten-Verklumpung.
 kommt in basophilen Granulozyten und in Mastzellen vor.
 wird therapeutisch bei akuten Erkrankungen eingesetzt, da es rasch
wirkt (hält aber nur wenige Stunden an).
 Cumarinderivate (z.B. Marcumar)
 sind Vitamin K-Antagonisten, welche die Bildung von Vitamin K
abhängigen Blutgerinnungsfaktoren in der Leber hemmen,
Wirkungszeit erst nach 36-48 Stunden, hält aber länger an als
Heparin.
 Acetylsalicylsäure (ASS)
 hemmt die Zusammenballung der Thrombozyten
 wird v.a. als Vorbeugung zur Thrombosebildung verwendet.
 Kinder unter 6 Jahren dürfen nicht mit ASS behandelt werden.
 Natriumzitrat
 bindet Ca-Ionen und wird als Zusatzmittel bei der Blutentnahme
zur Verhinderung der Gerinnung eingesetzt.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
94
Blut.
Blut.
95

Fibrinolyse
 Im Gefäßsystem werden ständig bestimmte Mengen von Fibrinogen in Fibrin
überführt.
 Diese Fibringerinnsel werden im Gleichgewicht zu der Gerinnung durch die
Fibrinolyse neutralisiert. Verschiedene Enzyme (Streptokinase, Urokinase u.a.)
führen die Vorstufe Plasminogen zum Wirkstoff Plasmin. Dieser Stoff hat die
Fähigkeit Fibrin (Thrombus) aufzulösen.
 Der Prozess der Fibrinolyse läuft im Gleichgewicht zur Gerinnung ab.
Leukozyten (weiße Blutkörperchen)


Anzahl: 4.000 - 10.000 / µl
Aufgabe
 Vernichtung von kranken und überalterten körpereigenen Zellen.
 Bekämpfung von Fremdkörpern.
 Bildung des Immunsystems.

Fähigkeiten
 Sind in der Lage, die Kapillargefäße zu verlassen (Diapedese).
 Bewegen sich amöbenähnlich.
 Werden von chemischen Reizen angelockt (Chemotaxis).
 Leisten Phagozytose („fressen auf“), unspezifische Abwehr.
 Bilden Antikörper, spezifische Abwehr.

Aufteilung
 Granulozyten
 Monozyten
 Lymphozyten
ca.
ca.
ca.
70% (60-70)
5% (2-6)
25% (20-30)
Granulozyten („Soldaten“)




Aufgabe: Träger der unspezifischen zellulären Abwehr
Lebensdauer: 2-3 Tage
Größe: 10 - 15 m
Unterteilung in neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten.
 Neutrophile Granulozyten (ca. 66%)
 Aufgabe ist die Phagozytose (das Unschädlichmachen von
Fremdstoffen).
 Lassen sich nur durch neutrale Farbstoffe anfärben.
 Haben im Zytoplasma kleine Granula (Körnchen), die Lysozyme
enthalten.
 Dadurch sind sie in der Lage Fremdstoffe, aber auch körpereigene
Zellen oder Tumorzellen aufzulösen.
 Sind die ersten Abwehrzellen am Entzündungsort.
 Stabkernige neutrophile Granulozyten (3-6%) sind jugendliche
Granulozyten, Zellkern nur schwach eingeschnürt.
 Übermäßiges Auftreten von „Stabkernigen“ ist zu finden bei
akuten Entzündungen. Man bezeichnet dies als Leukozytose mit
Linksverschiebung.
 Segmentkernige neutrophile Granulozyten sind reife
“erwachsene“ Granulozyten, Zellkern ist meist stark gelappt
.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
96
Blut.
 Eosinophile Granulozyten (ca. 0-6 %)
 Ihre Aufgabe ist Phagozytose von Antigen-AntikörperKomplexen und Eiweißen. Sind v.a. in der letzten Phase des
Abwehrgeschehens aktiv.
 Eosinophilie (Erhöhung der eosinophilen Granulozyten) bei
Allergien, Würmern und anderen Parasiten.
 Lassen sich rot anfärben, anfärbbar auf saure Farbstoffe.
 Basophile Granulozyten (ca. 1%)
 Wirken entzündungsfördernd.
 Ihre Granula enthält Histamin (bewirkt Entzündungszeichen durch
Weitstellung kleiner Gefäße), Heparin (hemmt die Blutgerinnung)
und andere Mediatoren (Serotonin, Proteasen u.a.)
 Sind nicht fähig zur Phagozytose.
 Im Gewebe lokalisierte Zellen mit Produktion von Histamin
nennen sich Mastzellen. Sie werden durch IgE-Antikörper
aktiviert. Mastzellen kommen überall vor, nur nicht im Gehirn.
 Lassen sich blau anfärben, anfärbbar auf basische Farbstoffe.
Monozyten („Polizei, Werkschutz“)



Größe: 10 - 20 m
Lebensdauer: mehrere Jahre
Aufgabe
 Phagozytose (unspezifische Abwehr)
 Präsentieren
die
Antigenstruktur
phagozytierter
Fremdstoffe
(Antigenpräsentation) an ihrer eigenen Zelloberfläche den B- und T –
Lymphozyten zur Anregung der Antikörperbildung (spezifische Abwehr).

Makrophagen
 Monozyten zirkulieren nur 1 - 2 Tage im Blut und wandern dann für immer aus.
Dann werden sie als Makrophagen bezeichnet und besitzen teilweise spezifische
Namen in den verschiedenen Geweben.
 In der Leber: Kupfer’sche Sternzellen.
 Im Knochen: Osteoklasten.
 In den Alveolen: Alveolarmakrophagen.
 Im Bindegewebe: Histiozyten.
Lymphozyten („Kommissare, Ermittler“)







Aufgabe: Träger der spezifischen zellulären und humoralen Abwehr.
Größe: 7 - 12 m
Lebensdauer: verschieden, 7 Tage bis Jahre.
Unterscheidung
 T-Lymphozyten
 B-Lymphozyten
Bildung: Nur die erste Generation wird im roten Knochenmark von den Stammzellen
gebildet, jede weitere durch mitotische (nicht-geschlechtliche) Zellteilung in den
lymphatischen Organen.
Prägung: Ihre spezifische Schulung erhalten die T-Lymphozyten bis zum Ende der Pubertät
im Thymus, die B-Lymphozyten wahrscheinlich im Knochenmark.
Produktion von bestimmten Botenstoffe (Zytokine) zur Kommunikation untereinander:
z.B. Interferon, Interleukine, Lymphokine.
Blut.
97


T – Lymphozyten sind Träger der spezifischen zellulären Abwehr. Im Thymus lernen sie
bestimmte Antigene aufzuspüren und zu analysieren. Dadurch sensibilisieren sie sich
jeweils auf eine bestimmte Antigenart, die sie dann in der Folge bekämpfen können.
 An ihrer Oberfläche besitzen sie spezifische Rezeptoren, die bestimmte
Antigene erkennen und binden können.
 Während des Abwehrgeschehens setzen die T-Zellen Lymphokine frei, die auf
andere Abwehrzellen fördernd einwirken und Entzündungsreaktionen auslösen.
 Es entwickeln sich T-Helfer-Zellen, die mit Makrophagen kommunizieren und
B-Lymphozyten aktivieren, spezifische Antikörper zu produzieren und ins
Plasma abzugeben.
 T-Zell-Gedächtnis: Antigenspezifizierte T-Lymphozyten unterhalten einen
geringen Pool von Antikörpern, um das immunologische Gedächtnis aufrecht zu
erhalten, und bei einem erneuten Angriff (Sekundärantwort) mit den gleichen
Antigen mit einer massenhaften Produktion von spezifischen Antikörpern zu
reagieren (Immunität). T-Suppressor-Zellen, die nach der Abwehrreaktion die
Immunantwort bremsen und unterdrücken.
 T-Killerzellen, die das Antigen direkt angreifen können und spezialisiert sind
auf virusinfizierte Zellen und Tumorzellen (Krebsabwehr).
B – Lymphozyten sind Träger der spezifischen humoralen Abwehr. Ihre Prägung geschieht
im Knochenmark.
 Nach Kontakt mit dem Antigen oder den T-Helfer-Zellen entwickeln die BLymphozyten den für das Antigen spezifischen Antikörper.
 Nach Fertigstellung des spezifischen Antikörpers entwickeln sich die BLymphozyten zu Plasmazellen, welche die spezifischen Antikörper
massenhaft produzieren und in das Blutplasma abgeben. Dort binden sie die
entsprechenden Antigene nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und werden als
Antigen - Antikörper -Komplex von Makrophagen “beseitigt“.
 B-Zell-Gedächtnis: Die B-Lymphozyten können auf einen erneuten Angriff
sofort mit einer gezielten Antikörperproduktion (Sekundärantwort) reagieren
(Immunität).
Immunglobuline (Antikörper)

Immunglobuline sind Bluteiweiße (Gamma-Globuline), die von B-Lymphozyten
entwickelt und von Plasmazellen produziert werden und spezifisch eine molekulare
Bindung mit dem entsprechenden Antigen eingehen. Dabei entsteht ein Immunkomplex
(AK-AG), welcher vom Monozyten-Makrophagen-System vernichtet wird. Antikörper
wirken dabei als Opsonine, sie „steigern den Appetit“ der Phagozyten. Unterscheidung der
Immunglobuline:
 IgM (Immunglobuline der Klasse M) („erstes Mal“, „im Moment“)
 Tritt immer bei einer Erstinfektion auf. Die Konzentration sinkt
aber dann schnell wieder, während IgG noch weitergebildet wird.
 Ein erhöhter IgM- Spiegel zeigt eine Frischinfektion an.
 Größter Antikörper, der 10 Antigenbindungsstellen aufweist und
nicht plazentagängig ist.
 IgE (Immunglobuline der Klasse E)
 Erhöht bei der Abwehr von Parasiten.
 Heften sich an die Oberfläche von Mastzellen oder basophilen
Granulozyten.
 Anzeiger für allergische Reaktionen (Allergie vom Soforttyp).
 Nicht plazentagängig.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
98
Blut.

 IgG (Immunglobuline der Klasse G) („gekannt“, „gewesen“)
 Macht 80% der Immunglobuline aus.
 Träger der erworbenen Immunabwehr (memory cells).
 Bei der Zweitinfektion wird fast ausschließlich IgG gebildet. Zeigt
deshalb eine durchgemachte Infektion an.
 Ist in der Muttermilch zu finden und plazentagängig (kleinster
Antikörper).
 IgA (Immunglobuline der Klasse A)
 Ist spezialisiert auf Abwehrvorgänge an den Schleimhäuten.
Besteht aus zwei zusammengesetzten Antikörpern, die die
Schleimhautbarriere nicht passieren können.
 In der Muttermilch enthalten.
 Nicht plazentagängig.
 IgD (Immunglobuline der Klasse D): Noch nicht geklärt.
Merkspruch für die Immunglobuline: MEGA-D
Zusammenfassung der Abwehrsysteme des Körpers
Abwehrsystem
Zellulär
Humoral (in den
Körperflüssigkeiten
befindlich)
Unspezifisch
Angeboren, kein Gedächtnis
Granulozyten
Makrophagen
Natürliche Killerzellen
Komplementsystem
Lysozyme
Spezifisch
Erworben, Gedächtnis
T-Lymphozyten
B-Lymphozyten bzw.
Antikörper
Zytokine

Immunität: Der Organismus ist durch vorausgegangene Sensibilisierung in der Lage, ein
Antigen unschädlich zu machen, ohne dass eine entzündliche Reaktion im Körper abläuft.
Verantwortlich dafür sind die B- und T-Gedächtniszellen, die eine teilweise oder sogar
lebenslange Immunität garantieren.
 Immunisierung: Stellt die Herbeiführung einer Immunität durch das Impfen dar.
 Aktive Impfung (Schutzimpfung) ist eine vorbeugende Maßnahme und
bedeutet, dass das entsprechende Antigen in unschädlichen Mengen oder in
abgetöteter bzw. abgeschwächter (attenuierte Erreger) Form zugeführt wird. Der
Körper bildet dann die spezifischen Antikörper ohne dabei zu erkranken und
gelangt so zur Immunität.
 Bei der passiven Impfung (Heilimpfung) werden bestimmte Antikörper von
einem aktiv immunisierten Menschen injiziert (Serum). Das gibt einen
sofortigen Schutz gegen die jeweilige Erkrankung (z.B. Tollwut, Tetanus,
Hepatitis A und B), hält aber nicht lange vor (Therapieimpfung).
 Inkubationsimpfung ist eine aktive Impfung noch nach einer (vermuteten)
Infektion, meist innerhalb von 3 Tagen (72 Stunden)
 Von der STIKO (Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts) empfohlene
Impfungen: Diphtherie, Pertussis (Keuchhusten), Tetanus, Haemophilus influenzae
Typ B (HiB), Hepatitis B, humane Papillomviren, Poliomyelitis, Pneumokokken,
Meningokokken, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen (Windpocken) und für Senioren
gegen Influenza und Pneumokokken.
Blutgruppen

Es sind mehr als 300 Blutgruppensysteme bekannt. Von Bedeutung sind jedoch vor allem
das ABNull-System und das Rhesus-System.
Blut.
99
Das ABNull-System


Die Erythrozyten haben genetisch vererbte Strukturen auf ihrer Zelloberfläche (sog.
molekularer Daumenabdruck), die Glykoproteine und Glykolipide (Agglutinogene). Sie
bestimmen die Blutgruppe A, B oder AB. Sind keine Glykoproteine des AB0-Systems auf
der Zellmembran zu finden, liegt die Blutgruppe Null vor.
Jeder menschliche Körper hat neben der spezifischen Blutgruppe von der Geburt an
vorhandene körpereigene Antikörper, die sich an Erythrozyten einer körperfremden
Blutgruppe des AB0-Systems haften und dadurch als körperfremde Antigene bekämpft
werden.
Blutgruppe
A (44%)
B (10%)
AB (4%)
O (42%)
Antigeneigenschaft
A
B
A und B
Keine
Antikörper im Serum
Anti-B
Anti-A
Keine
Anti-A und Anti-B

Blutgruppe 0 ist der ideale Spender, da seine Erythrozyten keine Antigeneigenschaften
aufweisen.
 Blutgruppe AB ist der ideale Empfänger, da sein Serum keine Antikörper des ABO-Systems
enthält (das gilt nur für gewaschene serumfreie Erythrozytenkonzentrate).
 Bei der Transfusion nicht kompatiblen Blutes kommt es zum Transfusionszwischenfall,
die Erythrozyten werden agglutiniert (zusammengeballt) und hämolysiert (aufgelöst).
Rhesus-System



Bei der Blutgruppe des Rhesus-Systems existiert ein spezifisches Antigen auf der
Erythrozytenmembran. Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten:
 Der Erythrozyt besitzt Rhesusantigene = Rhesus-positiv (85%).
 Der Erythrozyt besitzt keine Rhesusantigene = Rhesus-negativ (15%).
Die Rhesus-Antikörper im Serum bestehen im Gegensatz zum ABO-System nicht von
Geburt an, sondern werden nach Erstkontakt gebildet.
Wenn eine Rhesus-negative Person mit Rhesus-positiven Erythrozyten in Kontakt kommt,
passiert beim ersten Mal nichts, erst beim zweiten Kontakt kommt es zu einer Reaktion bzw.
Agglutination (Verklumpung): Morbus haemolyticus fetalis
 Voraussetzung: Die Mutter ist Rh-negativ, der Vater Rh-positiv und das Kind
wird auch Rh-positiv.
 Bei der Geburt des ersten Kindes kommt die Mutter in Kontakt mit Rh-positivem
Blut des Kindes und bildet Rh-Antikörper, es passiert jedoch nichts.
 Falls das zweite Kind wieder Rh-positiv ist, kommt es zu einer
immunhämolytischen Anämie des Ungeborenen, weil die Rh-Antikörper der
Mutter die Plazenta passieren und die Erythrozyten des Kindes hämolysieren.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
100
Blut.
Untersuchungsmethoden des Blutes
Kleines Blutbild

Das kleine Blutbild umfasst die Werte von:
 Erythrozyten ♂: 4,5 – 6,2 Millionen / mm3 (µl = Mikroliter)
 Erythrozyten ♀: 4,2 – 5,7 Millionen / mm3
 Retikulozyten: 1-2 % vom Erythrozyten-Wert
 Thrombozyten: 150.000 - 400.000 / mm3
 Leukozyten: 4.000 - 10.000 / mm3
 Hämoglobin (Hb) ♂: 14 – 18 g/dl (14,0 – 17,5 g/dl)
 Hämoglobin (Hb) ♀: 12 – 16 g/dl (12,3 – 15,3 g/dl)
 Hämatokrit (HK) ♂: 40 – 50 % des Gesamtblutvolumens
 Hämatokrit (HK) ♀ 36 – 46 %
 MCV: 82-92 fl (Femtoliter)
 MCH: 28-32 pg (Picogramm)
Großes Blutbild (Differentialblutbild)


Das große Blutbild beinhaltet das kleine Blutbild mit und gibt Auskunft darüber, in welchem
Zahlenverhältnis die einzelnen Leukozytenarten zueinanderstehen.
 Lymphozyten
ca. 25 – 40 %
 Monozyten
ca. 2 - 6 %
 stabkernige neutrophile Granulozyten
ca. 3 - 6 %
 segmentkernige neutrophile Gran.
ca. 60 - 70 %
 eosinophile Granulozyten
ca. 2 - 5 %
 basophile Granulozyten
ca. 1 %
Im Rahmen eines Entzündungsgeschehens kann es im Differentialblutbild zu typischen
Veränderungen der Leukozytenarten kommen:
 Neutrophile Kampfphase (Leukozytose mit Linksverschiebung)
 Monozytäre Überwindungsphase (Vermehrung der Monozyten auf dem
Höhepunkt der Erkrankung)
 Lymphozytäre Heilphase (Erhöhung der Lymphozyten mit allmählichem
Rückgang der absoluten Leukozytenzahlen)
 Eosinophile Heilphase (sog. „Morgenröte der Genesung" mit Erhöhung der
eosinophilen Granulozyten)
Eisenwerte


Um eine Aussagekraft über die Eisenwerte im Blut zu erhalten müssen drei Parameter
untersucht werden:
 Ferritin (Speichereisen); wird in Dünndarmschleimhaut, Leber, Milz und
Knochenmark gespeichert. Werte ♀: 10-200 ng/ml, Werte ♂: 30-300 ng/ml
 Transferrin (Transporteisen): Die Transferrinsättigung beträgt 15-40%. Werte:
200-360 mg
 Serumeisen (labile Eisenpool): Das Eisen, welches sich an Transferrin bindet.
Tagesbedarf bei Männern: 10 mg, bei Frauen: 12 mg, bei Schwangeren: 20-30 mg, bei
Stillenden: 15-10 mg, bei Frauen während der Periode: 15 mg
Blut.
101
Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG oder BKS)






Die in einer speziellen Vorrichtung, dem "Westergren Röhrchen", messbare Senkung der
Erythrozyten in ungerinnbar gemachtem Blut.
 Dabei führt ein Mehr an Immunglobulinen im Plasma zu Verklebung von
Erythrozyten, die so schwerer werden und im Westergren Röhrchen schneller
absinken: Die BSG ist erhöht.
 Zu einem Mehr an Immunglobulinen kommt es bei verstärkter Abwehrleistung,
also bei allen Entzündungen.
 Eine BSG-Erhöhung ist ein unspezifischer Hinweis auf entzündliche Prozesse und
Abwehrgeschehen im Körper.
Weitere mögliche Ursachen eine BSG-Erhöhung außer Entzündungen
 Anämie
 Schwangerschaft
 Kontrazeptiva
 Hyperlipidämie
 Saunabesuch
 Malignome
Stark erhöhte BSG (Sturzsenkung, über 100 mm) bei
 Metastasenbildung
 Morbus Hodgkin
 Plasmozytom
 Rheumatisches Fieber, akuter Schub bei Polyarthritis
 Fulminante Entzündungen
 Nephrotisches Syndrom (Verhältnis Albumine – Globuline ist verändert)
Verlangsamte BSG bei
 Alle Erkrankungen, die mit einer Polyglobulie einhergehen
 Polyzythämie
 Allergien
 Exsikkose (Dehydration)
 Medikamente, sog. Senkungsblocker wie ASS, Kortison, Schmerzmittel
Normalwerte (nach Westergren), abgelesen wird nach 1 Stunde
 Männer unter 50 Jahre bis 15 mm
 Männer über 50 Jahre bis 20 mm
 Frauen unter 50 Jahre bis 20 mm
 Frauen über 50 Jahre bis 30 mm
 Mit zunehmendem Lebensalter steigt die BSG an.
Durchführung einer BSG:
 Abgenommenes Blut wird in ein spezielles Röhren mit Natriumzitratlösung
gebracht. Dann vorsichtiges Mischen und Abgabe in einen BSG-Ständer, an
welchem man nach einer Stunde die mm ablesen kann, wie weit die Erythrozyten
sich nach unten abgesetzt haben.
CRP (C-reaktives Protein)

Wird genauso wie die BSG als unspezifischer Suchparameter für Entzündungen im Körper
benutzt. Vorteil gegenüber BSG:
 Reaktionszeit schneller als BSG
 Wesentlich unempfindlicher als BSG. Wird in Arztpraxen und Krankenhäuser
benutzt.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
102
Blut.
 Normalisiert sich im Krankheitsverlauf früher als die BSG.
 Nachteil gegenüber BSG:
 Aufwendiger und teurer als BSG
 Ein normaler CRP-Wert schließt eine bakterielle Entzündung innerhalb des Körpers aus.
CRP-Wert steigt nicht bei einer viralen Infektion an.
 Normalwert: bis 0,8.
 Für Heilpraktiker gilt nach wie vor: Wissen und Durchführung der BSG muss beherrscht
werden.
Verschiedene Gerinnungstests





Blutungszeit
2-3
Min. testet die primäre Hämostase
Gerinnungszeit
5-7
Min. testet die sekundäre Hämostase
Thromboplastinzeit = TPZ (Quick-Test)
 Zum Nachweis von Störungen im exogenen Gerinnungssystem
 Testet bestimmte Blutgerinnungsfaktoren
 Guter Parameter zur Therapiekontrolle unter Marcumar, bei Leberzirrhose,
Vitamin-K-Mangel, Malabsorption (Resorptionsstörung im Dünndarm)
 Angegeben wird in % des optimalen Wertes. Normalwert:70-120%
 Werte unter 70% ohne Zusatz von gerinnungshemmenden Stoffen sind
pathologisch
 Einstellungswerte bei Cumarin-Therapie ca. 15-25%
INR: (engl.: International Normalized Ratio): INR-Werte dienen wie der Quickwert als
Aussage über die Gerinnungsfunktion im Körper. INR-Werte haben im Gegensatz zum
Quickwert keine labortechnischen Schwankungen.
 Norm: 0,8
 Einstellungswerte bei Cumarin-Therapie: 2,5 (Quickwert ca. 30%) bis 4,5
(Quickwert 18%)
 INR-Wert von vier bedeutet, die Probe gerinnt viermal langsamer als eine
normale Probe
Partielle Thromboplastinzeit = PTT: Zum Nachweis von Störungen im endogenen
Blutgerinnungssystem
Labortest zur Differenzierung von Anämien


MCH = mittleres korpuskuläres Hämoglobin, der durchschnittliche Hämoglobinwert eines
einzelnen Erythrozyten in pg (Picogramm = 10-12). Wird auch als HbE bezeichnet.
 28 - 32 pg: normochrome Erythrozyten
  28 pg: MCH hypochrome Anämie
 32 pg MCH hyperchrome Anämie
MCV = mittleres korpuskuläres Volumen, das durchschnittliche Volumen eines einzelnen
Erythrozyten in fl (Femtoliter = 10-15).
 82 - 92 fl: normozytäre Erythrozyten
  82 fl: MCV mikrozytäre Anämie
 92 fl MCV makrozytäre Anämie
DAS LYMPHATISCHE SYSTEM
103
DAS LYMPHATISCHE SYSTEM
Das Lymphsystem



Aus allen Kapillaren des Körpers werden pro Tag rund 20 l Flüssigkeit in den
Zwischenzellraum (Interstitium) ab gefiltert. Davon kehren 18 Liter zurück in die venösen
Kapillaren und ca. 2 Liter werden als Lymphe dem Lymphsystem zugeführt.
Zum lymphatischen System werden gezählt:
 Das Lymphsystem mit den Lymphknoten und Lymphgefäßen
 Milz
 Tonsillen im Mundbereich (lymphatischer Rachenring)
 Lymphatisches Gewebe im Darm
 Peyer-Plaques im Krummdarm (Ileum)
 Wurmfortsatz des Blinddarms (Appendix vermiformis)
 Große Bauchfellschürze (Omentum majus)
 Thymus
Aufgaben
 Ist die Bildungsstätte des spezifischen Abwehrsystems. Hier werden die
Lymphozyten gebildet.
 Filtration von Gewebsflüssigkeit (Lymphe).
 Abtransport von Nahrungsfetten aus dem Darm ins venöse Blut.
Zusammensetzung der Lymphe


Die Lymphe setzt sich aus der Flüssigkeit in dem Zwischenzellraum zusammen.
Im Vergleich zum Blut:
 größerer Wassergehalt
 weniger Eiweißstoffe (keine Albumine)
 keine Thrombozyten und Erythrozyten, aber reichlich Lymphozyten
 Die Darmlymphgefäße enthalten, besonders bei fettreicher Mahlzeit, eine milchig-trübe
Flüssigkeit (Chylus), die durch die Aufnahme von langkettigen Fettsäuren entsteht.
Lymphgefäße




Die Lymphe wird durch die im Interstitium blind beginnenden Lymphkapillaren
aufgenommen und über immer größer werdende Lymphgefäße weitergeleitet.
Die Lymphbahnen ähneln dem venösen System, sie verlaufen meist parallel dazu und
enthalten neben einer Muskelschicht auch Klappen, die den Rückstrom verhindern.
Die großen Lymphstämme aus dem linken und rechten Bein und aus dem Eingeweide
verlaufen zusammen in die Lymphzisterne (Cisterna chyli) auf Höhe L1/L2 und von dort
aus in den Milchbrustgang (Ductus thoracicus).
Die gesamte Lymphe des Körpers wird in den linken und rechten Venenwinkel (Angulus
venosus), zwischen Vena jugularis (Drosselvene) und Vena subclavia (Schlüsselbeinvene)
in das venöse Blutsystem abgegeben.
 In den linken Venenwinkel mündet die Lymphe der gesamten unteren und der
linken oberen Körperhälfte.
 In dem rechten Venenwinkel mündet die Lymphe der gesamten rechten oberen
Körperhälfte (Ductus lymphaticus dexter).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
104
DAS LYMPHATISCHE SYSTEM
Lymphknoten



In die Strombahn der Lymphgefäße sind die Lymphknoten eingebaut.
Lymphknoten finden sich immer gruppenweise in einer bestimmten Region (regionale
Lymphknoten).
Per Palpation können folgende Lymphknoten kontrolliert werden:
 Am Kieferwinkel
 Vor und hinter dem Ohr
 Vor und hinter dem Musculus sternocleidomastoideus (Kopfwender)
 An der Knochenleiste (Linea nuchea) am Hinterkopf
 Unterhalb des Schlüsselbeins, am Ansatz des Kopfwenders
 Unter den Achseln
 In der Leistenregion

Aufgaben
 Abwehrfunktion, Reinigung der Lymphe durch Lymphozyten und Makrophagen
 Bildung von Lymphozyten

Aufbau
 Der Lymphknoten ist ein weniges Millimeter großes bohnenförmiges
Körperchen, das von einer bindegewebigen Kapsel umgeben ist.
 Im Inneren findet sich retikuläres Bindegewebe, sog. Retikulumzellen, die zur
Phagozytose befähigt sind.
 Die zuführenden Lymphgefäße sind meist zahlreich, während die Lymphe aus
dem Lymphknoten über ein oder zwei Gefäße abfließt.
Die Milz (Splen, Lien)



Gewicht: 150 - 200 g schwer
Größe: ca. 11  7  4 cm
Lage
 Liegt im linken hinteren Oberbauch, links vom Magen und hinter dem Magen.
 Berührt nach oben die linke Zwerchfellkuppel, nach vorne den Magen, nach
unten die linke Dickdarmkrümmung, nach hinten die Niere und zur Mitte hin die
Bauchspeicheldrüse (Pankreas).
 Liegt in Höhe der 9. - 11. Rippe (im Normalzustand nicht zu tasten) und ist vom
Bauchfell umgeben (intraperitoneal).
 Die Palpation der Milz erfolgt am besten in Linkslage des Patienten.
 Eine gesunde Milz ist beim Erwachsenen normalerweise nicht zu tasten.
 Aufgaben
 Abbau von Erythrozyten (Hämolyse = Blutmauserung)
 Infektabwehr durch Phagozytose und Bildung von Lymphozyten und
Antikörperbildung (lymphatisches Gewebe)
 Abbau und Speicherung von Thrombozyten.
 Blut- und Eisenspeicher
 Nur in der Fetalzeit Blutbildung

Aufbau
 Die rote Pulpa besteht aus großen Bluträumen, den Milzsinusoiden, und
retikulärem Bindegewebe, hier geschieht die Hämolyse.
 Die weiße Pulpa ist als lymphatisches Gewebe um die arteriellen Gefäße
angeordnet, hier werden Lymphozyten gebildet (Abwehr).
 Am Milzhilus tritt die Arterie (A. lienalis) ein und die Milzvene aus.
 Die Milz gibt ihr Blut in das Pfortadersystem ab.
DAS LYMPHATISCHE SYSTEM
105
Lymphatischer Rachenring (Waldeyer-Rachenring)


Darunter versteht man lymphoretikuläres Gewebe im Mund-Rachen-Bereich.
 Zwei Gaumenmandeln (Tonsilla palatina), die rechts und links zwischen dem
vorderen und hinteren Gaumenbogen liegen (sind am größten).
 Die Rachenmandel (Tonsilla pharyngea) sitzt im Rachendach im NasenRachen-Raum.
 Die Zungenmandel (Tonsilla lingualis) befindet sich als eine Ansammlung von
Lymphfollikeln am Zungengrund.
 Zwei lymphatische Seitenstränge, die sich an der hinteren Wand im MundRachen-Raum befinden.
 Ansammlung von lymphatischem Gewebe an der Eintrittsstelle zur
Eustachischen Röhre (Tuba auditiva, Ohrtrompete).
Aufgabe: Als Schutz am Eingang der Verdauungs- und Atmungsorgane.
 Phagozytose, Lymphozyten- und Antikörperbildung
Thymus

Der Thymus liegt im oberen Mediastinum (Raum zwischen den beiden Lungen) vor dem
Herzen (ventral) und ist im Kindes- und Jugendalter voll ausgebildet. Im Erwachsenenalter
bildet er sich zurück (retrosternaler Fettkörper). Der Thymus ist Teil des lymphatischen
Systems und ein wichtiges Organ für die zelluläre Abwehr, hier werden die T-Lymphozyten
geprägt.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
106

Blut-Lymphe Pathologie
Blut-Lymphe Pathologie
Erkrankungen der Erythrozyten ........................................................................................................... 107
Hämorrhagische Diathese  ................................................................................................................ 113
Erkrankungen der Leukozyten ............................................................................................................. 115
Erkrankungen des lymphatischen Gewebes ......................................................................................... 118


Blut-Lymphe Pathologie
107
Erkrankungen der Erythrozyten
Anämie 
Def:
Unter Blutarmut versteht man eine Verminderung Hämoglobinmenge, meist auch
der Erythrozytenanzahl und des Hämatokritwertes unter der Norm.
Urs:
1) Ungenügende Bildung von Erythrozyten oder Hämoglobin infolge eines Mangels.
 Eisenmangelanämie
 Vitamin B12-Mangelanämie (megaloblastäre Anämie)
 Folsäuremangelanämie (megaloblastäre Anämie)
2) Abbau der Erythrozyten ist höher als der Aufbau, sog. hämolytische Anämie
 angeborene hämolytische Anämien
 erworbene hämolytische Anämien
3) Störungen im blutbildenden Knochenmark, sog. aplastische Anämie
4) Andere Erkrankungen, die zu einer Anämie führen (sekundäre Anämie)
 renale Anämie
 Tumor- und Infektanämie
 Blutbildung verdrängende Prozesse, z.B. Leukämien, Plasmozytom
Sym:
Allgemeine Symptome bei allen Formen der Anämien
 allmählicher Leistungsabfall, Schwäche
 Blässe (vor allem an den Schleimhäuten)
 Kopfschmerzen
 Appetitlosigkeit, evtl. Gewichtsabnahme
 Müdigkeit, schlechter Schlaf
 Kompensatorische Zunahme der Herzfrequenz (Tachykardie) bei Belastung
 häufig Ohrensausen, systolisches Herzgeräusch (bei dünnerem Blut),
 Atemnot und Tachypnoe (schnelle, oberflächliche Atmung) bei Belastung
 Neuromuskuläre Symptome wie
 Konzentrationsschwäche, rasche Ermüdbarkeit bei Muskelarbeit
 Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen
 Kälteempfindlichkeit
 bei Anämien über langen Zeitraum
 Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris-ähnliche Beschwerden
 große Blutdruckamplitude
 gastrointestinale Beschwerden, wie Durchfälle, Obstipation, Blähungen
 muskuläre Verspannungen (Rückenschmerzen)

Ausprägungsgrad der Symptome ist abhängig von dem Ausmaß der Anämie, aber
auch davon, ob sie plötzlich eintritt oder sich schleichend entwickelt (bessere
Anpassung an die schlechteren Zeiten).
Eisenmangelanämie (ca. 80% aller Anämien) 
Def:
Am häufigsten vorkommende Anämieform, die durch eine verminderte Bildung des
Häm-Moleküls infolge eines Eisenmangels charakterisiert ist.

Bei Verdacht auf Eisenmangelanämie müssen die Werte von Eisen und
Speichereisen (= Ferritin) ermittelt werden. Speichereisen ist bei
Eisenmangelanämie erniedrigt und bei Tumoren und chronischen Infekten
erhöht!
© Arpana Tjard Holler (Autor)
108
Blut-Lymphe Pathologie
Urs:
 Eisenverluste infolge von chronischen Sickerblutungen (meist aus dem
Verdauungstrakt; häufigste Ursache) oder verstärkter Menstruationsblutung
(Hypermenorrhö)
 Mangelnde Zufuhr von Eisen (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse)
Tagesbedarf bei M.: 10 mg, F.: 12 mg, Schwangere: 15-20 mg
 Erhöhter Bedarf in der Wachstumsphase, bei Sportlern, bei Schwangeren und in der
Stillzeit
 Gestörte Resorption im Dünndarm durch Malabsorption, Magenerkrankungen
(Fehlen von Magensäure), Magenresektion
 Idiopathisch (ohne erkennbare Ursache)
Pat:
Eisen ist ein essentielles Spurenelement und wird im Dünndarm aktiv (= unter Aufwand
von Energie) in die Darmzelle aufgenommen und von dort im Blutplasma an Transportoder Speicherproteine gebunden. Eisen wird im Körper im Wesentlichen für den roten
Blutfarbstoff benötigt und kann nicht aktiv ausgeschieden werden. Eisenverluste gibt es
über die Haut durch eisenhaltige Enzyme in den Häuten, Schleimhäuten und
Hautanhangsgebilde.
Sym:
Neben den allgemeinen Anämiesymptomen:
 rotgeschwollener brennender Zunge (Glossitis)
 rissige brennende Lippen
 Schluckbeschwerden
 Mundwinkelrhagaden
 brüchige, gefurchte Nägel (Rillenbildung)
 trockene, rissige Haut, Juckreiz
 glanzloses Haar, Haarausfall
Lab:









MCH (HbE) vermindert
 hypochrome Anämie (MCH-Norm: 28-32pg)
MCV erniedrigt
 mikrozytäre Anämie (MCV-Norm: 82-92 fl)
Hb 
Erythrozytenzahl 
Retikulozyten vermindert (in der kompensatorischen Phase Retikulozytose)
Transferrin (Transporteisen) 
Serumeisen 
Ferritin (Speichereisen) 
BSG leicht erhöht
 Bei Tumoranämie ist das Ferritin normal bis erhöht (siehe Kapitel 1.6)
The:
 Immer die Ursache eindeutig abklären lassen!
 Gastrointestinale Blutungen oder Tumore müssen ausgeschlossen werden!
 Eisenabgaben nur oral (nur zweiwertiges Eisen), 100 - 200 mg pro Tag über drei
Monate. Retikulozytose zeigt den Erfolg an.
Nebenwirkungen einer oralen Eisenspeichertherapie:
 Schwarzfärbung des Stuhls
 Schlechte Verträglichkeit mit Resorptionsstörungen, Verstopfung, MagenDarm-Beschwerden
 Sind im Röntgenbild im Magen-Darm-Trakt schattengebend
Blut-Lymphe Pathologie
109
Vitamin B12-Mangelanämie 
Syn:
Perniziöse Anämie, Morbus Biermer
Urs:
 Autoimmungastritis Typ A: Autoantikörper greifen die Belegzellen der
Magenschleimhaut an und führen zu Fehlen des „Intrinsic Faktors", welcher für die
Aufnahme von Vitamin B12 erforderlich ist
 Malabsorption (Störung der Stoffaufnahme), z.B. bei Morbus Crohn
 Mangelernährung z.B. vegane Ernährung
 Vermehrter Verbrauch von Vitamin B12 durch den Fischbandwurm
Pat:
 Vitamin B12 kommt vor allem in tierischen Eiweißen vor.
 Es ist für die DNS und RNS - Synthese der Zellkerne notwendig.
 Vitamin B12 (extrinsic factor) wird im terminalen Ileum aufgenommen und braucht
dafür den "intrinsic factor", der in den Belegzellen der Magenschleimhaut produziert
wird.
 Wenn nicht genügend B12 vorhanden ist, können nicht genügend Erythrozyten
gebildet werden. Da die Hämoglobinbildung ausreichend ist, sind die einzelnen
Erythrozyten quasi vollgestopft mit Blutfarbstoff.
 Sie sind zu groß = makrozytäre Anämie.
 sie sind überfärbt = hyperchrome Anämie.
Durch die Vergrößerung der Erythrozyten kommt es zu vorzeitiger Hämolyse.
Sym:
Vitamin B12-Mangel-Trias:
 Allgemeine Anämiesymptome
 Gastrointestinale Symptome (Bauchschmerzen, Durchfälle, Appetitlosigkeit)
 Neurologische Symptome (funikuläre Myelose)
 Parästhesien, z.B. herabgesetztes Vibrationsempfinden
 spastische Lähmungen, Fehlen der Eigenreflexe
 motorische Symptome: Gangunsicherheit, evtl. Babinski-Reflex positiv
 evtl. psychische Symptome
 Außerdem:
 Gerötete und glatte Zunge, Zungenbrennen (Hunter-Glossitis)
 Ikterus (Gelbfärbung) der Augenbindehaut, Cafe-au-lait-Farbe durch die
Blässe und den Ikterus (strohgelbe Farbe)
 evtl. Splenomegalie (vergrößerte Milz)
 evtl. Löffelnägel
B12-Mangel-Symptomatik möglich ohne gleichzeitige Anämiesymptome.
Lab:








Erythrozyten , auch Leuko- und Thrombozyten 
Retikulozyten 
HK und Hb erniedrigt
MCH (HbE)
 hyperchrome Anämie
MCV 
 makrozytäre Anämie
indirektes (unkonjugiertes) Bilirubin direktes Bilirubin normal
Serumeisen 

© Arpana Tjard Holler (Autor)
110
Blut-Lymphe Pathologie
Folsäuremangelanämie
Urs:

 Unzureichende Ernährung (tritt v.a. bei Alkoholkrankheit auf)
 Erhöhter Bedarf (v.a. in der Schwangerschaft und in der Stillzeit)
 Malabsorption
Folsäure wird im gesamten Ileum resorbiert und ist ebenfalls wichtig für die DNSSynthese
Sym:  allg. Anämiesymptome

Schleimhautveränderungen (z.B. rötliche Zunge)
 Labor wie perniziöse Anämie (makrozytär, hyperchrom)

keine neurologischen Symptome (!)
Kom:  Bei Entwicklung des Fetus Neuralrohrdefekte, z.B. Spina bifida (offener Rücken),
Anenzephalie (Fehlen des Gehirns), Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
 Bei Schwangeren erhöhtes Risiko für Frühgeburten.
Hämolytische Anämien 
Def:
Anämie durch vorzeitigen und vermehrten Abbau der Erythrozyten im MonozytenMakrophagen-System (RES), vor allem in der Milz.
 Ist die hämolytische Anämie chronisch, so wird sie im Anfangsstadium durch eine
gesteigerte Erythropoese im Knochenmark kompensiert. Der Patient hat keine
Anämiesymptome, aber erhöhte Retikulozyten- und Eisenwerte. Das indirekte Bilirubin
im Blut ist erhöht.
Urs:
 Angeborene hämolytische Anämien
Die angeborenen Defekte können die Erythrozytenmembran oder das Hämoglobin
betreffen.
 Kugelzellenanämie (Sphärozytose)
Defekt in der Erythrozytenmembran, dadurch Aufnahme von Natrium und
Wasser und Veränderung der Erythrozyten zur Kugelform. Entfernung der
Milz führt meist zur Beschwerdefreiheit.
 Sichelzellenanämie
Molekulare Abnormität des Hämoglobins (Austausch einer Aminosäure),
dadurch Ausbildung der Sichelform der Erythrozyten mit erhöhter
Thromboseneigung
 Erworbene hämolytische Anämien
 Infektionen, z.B. Malaria
 Autoimmun-hämolytische Anämien
Erythrozyten werden durch körpereigene Antikörper zerstört
 Mechanisch-hämolytische Anämien
Schwach ausgeprägte Anämie durch künstliche Herzklappen
Marschhämolyse (Marschhämoglobinurie)
 Medikamentös-immun-hämolytische Anämien; Medikamente geben den
Anstoß zur Bildung von Antikörpern (z.B. Sulfonamide)
 Toxisch-hämolytische Anämien
Chemische Substanzen schädigen die Erythrozyten, z.B. Arsen, Blei,
Essigsäure, Knollenblätterpilz, Nitroverbindungen, Schlangengifte
 Makrozytäre Anämie bei Vitamin B12-Mangel oder Folsäuremangel
Blut-Lymphe Pathologie
Sym:



111
 Allgemeine Anämiesymptome
 Leichter Ikterus (strohgelbe Farbe)
 Milzvergrößerung (Splenomegalie) durch den verstärkten Abbau der Erys
 Gallensteinbildung möglich (Bilirubinsteine)
Lab: 




unkonjugiertes (indirektes) Bilirubin erhöht
Urobilinogen im Urin erhöht
Anstieg des Serumeisenspiegels
Retikulozytose (Erhöhung der „jungen“ Erythrozyten)
Erythrozyten normochrom und normozytär
Kom:  Hämolytische Krise mit Fieber, Schüttelfrost, dunklem Urin (Hämoglobinurie)
und Ikterus.
 Milzruptur
Aplastische Anämie (aplastisches Syndrom) 
Def:
Hemmung bzw. Versagen der Hämatopoese durch eine erworbene Schädigung im
Knochenmark.
Pat:
Die aplastische Anämie zählt zu den gefährlichsten Anämien, da hier die Blutbildungsstätte, das Knochenmark, direkt betroffen ist. In der Regel ist auch die Bildung
von Leukozyten und Thrombozyten gehemmt. Im Extremfall kommt es zur
extramedullären Blutbildung in Leber und Milz.
Urs:






Idiopathisch
Virusinfektionen des Knochenmarks (z.B. Herpesinfektion)
bösartige Tumore im Knochenmark
Medikamente
 z.B. Antibiotika, Analgetika, Rheumamittel
Strahlenschäden
 z.B. Röntgen
Toxine
 z.B. Insektizide, Quecksilber, Schwermetalle,
Haarfärbemittel
Sym:  Schleichende Anämiesymptome durch Erythropenie
 Hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung) durch Thrombopenie:
Hämatome, Petechien,
 Erhöhte Infektanfälligkeit (Mykosen) durch die Leukopenie
Lab:  Verminderung aller drei Blutzellreihe (Panzytopenie).
Sekundäre Anämien 
Def:
Begleitanämien bei chronischen Erkrankungen.
Urs:
 Renale Anämie
Mangel an Erythropoetin durch Tumore in der Niere oder durch Niereninsuffizienz.
 Anämien infolge von Malabsorption

Tumoranämie
Tumore können im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms eine Anämie
bewirken (meist normochrom und normozytär)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
112
Blut-Lymphe Pathologie
Infektanämie
Sogenannte Eisenfehlverwertung: Zugriff auf die Eisenspeicher ist vermindert,
weil das dafür benötigte Ferroportin durch Hepcidin gehemmt wird. Hepcidin wird
bei chronischen Entzündungen in der Leber vermehrt gebildet. Meist mäßig
ausgeprägt mit Hb-Werten von 10-11 g/dl.
 Speichereisen (Ferritin) normal bis erhöht.
 Transporteisen (Transferrin) erniedrigt.
 Serumeisen erniedrigt.
 Rheumatoide Arthritis
Pannusgewebe bindet Eisen.
Polyglobulie (Erythrozytose) 
Def:
Kompensatorisch infolge eines Sauerstoffmangels gesteigerte Erythropoese und
dadurch bedingte pathologische Erhöhung des Hämatokritwertes auf über 53%.
Pat:
Durch die Erhöhung des HK-Wertes kommt es zum Anstieg der Viskosität des
Blutes mit der Gefahr auf Thromboembolien.
Urs:
Sauerstoffmangel
 Beim Gebirgsaufenthalt, die sog. Höhenpolyglobulie
 Bei chronischen Lungenerkrankungen (Lungenemphysem, Lungen-fibrose).
 Bei Erkrankungen des Herzens (Herzinsuffizienz, Herzklappenfehler usw.).
 Bei starken Rauchern gestörter Sauerstofftransport durch CO-Hämoglobin.
Eine seltene Ursache der Polyglobulie: Ein Erythropoetin produzierender
Nierentumor.
Sym:  Blutfülle (Plethora), mit Gesichtsrötung (blühendes Aussehen)
 evtl. Lippenzyanose
 Kopfschmerz, Schwindel und Ohrensausen
 evtl. Nasenbluten
Lab: 



Hb erhöht (> 18 g/dl)
HK erhöht (> 53 %)
Erythrozytose
BSG stark erniedrigt
Polyzythämie (Polycythaemia rubra vera) 
Def:
Bösartige Erkrankung des Knochenmarks mit gesteigerter Hämatopoese aller drei
Blutzellarten, am stärksten die der Erythrozyten.
Urs:
Unbekannt, Erkrankungsgipfel im 6. Lebensjahrzehnt.
Sym:  Blutfülle: Hitzegefühl, Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen, blaurote
Gesichtsfarbe
 Hypertonie
 Dyspnoe (Atemnot)
 Vergrößerung der Milz und der Leber (Hepatosplenomegalie)
 Pseudokonjunktivitis (gerötete Augenbindehaut)
 generalisiertes Hautjucken (50% d.F.), v.a. nach dem Duschen oder Baden (Histamin
)

hämorrhagische Diathese (Blutungsneigung, z.B. Petechien) möglich, Thrombozyten
können infolge der erhöhten HK-Wertes nicht mehr zum Einsatzort
Blut-Lymphe Pathologie
113

psychotische Symptomatik (Euphorie und Depressionen)
Lab: 



HK  ( > 60 % ), Hb , BSG 
Erythrozytose, Leukozytose, Thrombozytose (Panzythämie)
Hypervolämie
indirektes Bilirubin 
Kom:  Thromboembolien (z.B. Apoplexie, Lungenembolie)
 Sekundäre Gicht
The:
Aderlass
Hämorrhagische Diathese 
Def:
Erhöhte Blutungsneigung infolge unterschiedlicher Ursachen.
Hämorrhagische Diathese
Fehlende
Gefäßschäden
Thrombopenie
Gerinnungsfaktore
n
Urs: Angeborene oder erworbene Störung der Blutgerinnung aufgrund von Mangel an
oder Funktionsstörungen von Gerinnungsfaktoren (Koagulopathien)
 angeboren z.B. bei Hämophilie
 erworben bei Vitamin K-Mangel (z.B. Leberzirrhose, Malabsorption, Gabe
von Vitamin K-Antagonisten = Marcumar)
Infolge eines Mangels an Thrombozyten (Thrombopenie; siehe 2.1)
Gefäßschäden (Schädigung der Kapillare)
 Infektionen:
z.B.
Meningokokken-Meningitis,
Virus-bedingtes
hämorrhagisches Fieber, Masern, Scharlach, Endokarditis lenta
 toxisch-allergisch: Purpura Schoenlein-Henoch
 medikamentöse Behandlung (z.B. Langzeitbehandlung mit Kortison)
 im Rahmen einer Pankreatitis durch aktivierte Enzyme
 Purpura senilis: im hohen Alter durch eine verminderte
Widerstandsfähigkeit der Kapillaren auftretende Blutungsneigung mit
Petechien und kleinen blauen bis braunen Flecken, v.a. an den oberen
Extremitäten; meist harmlos.
Verbrauchskoagulopathie
Sym:  erhöhte Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese)
 Hämatome: Blutungen in tiefgehende Gewebsschichten, häufig mit kleiner
Hautwölbung
 Purpura: kleinfleckige Kapillarblutungen
 punktförmige: Petechien (kleinste punktförmige Hautblutungen)
 streifenförmig angeordnete Kapillarblutungen: Vibices
 kleinflächig: Ekchymose
 großflächig: Sugillation
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114
Blut-Lymphe Pathologie
Lab:
Blutgerinnungsteste:
 Quick-Test (Prothrombinzeit) zur Überprüfung des exogenen Systems
 partielle Thromboplastinzeit zur Überprüfung des endogenen Systems
Thrombopenie 
Def:
Verminderung der Thrombozyten unter 150.000 µ (mm3)
Urs:
Primär: Idiopathische thrombozytopenische Purpura (Morbus Werlhof)
Es werden Autoantikörper gegen Thrombozyten gebildet. Betrifft v.a. Kinder und
Jugendliche und tritt v.a. nach Infektionskrankheiten auf.
Sekundär durch z.B. Leukämien, Plasmozytom, aplastisches Syndrom
Knochentumore, Kollagenosen, sehr starker Vitamin B12-Mangel, Folsäuremangel,
Alkoholkrankheit, Medikamente (z.B. ASS: Thrombozyten werden inaktiv
gemacht).
Sym:  Petechien (hämorrhagische Diathese erst bei Werten unter 30.000 pro mm3), keine
ausgedehnten Hämatome
Rumpel-Leede-Test zur Prüfung von Gefäßwandschäden bzw. Thrombopenie.
Durchführung: Anlegen einer Blutdruckmanschette mit einem gerade noch tastbaren
Radialispuls für 5-10 Minuten.
Treten punktförmigen Hautblutungen auf, sind dies Zeichen einer Thrombopenie
bzw. Gefäßwandschäden (z.B. bei Infektionen; nicht Blutgerinnungsstörungen)
Purpura Schoenlein-Henoch
Def:
Toxisch-allergische Gefäßwandentzündung der kleinen Blutgefäße und der Kapillaren
mit erhöhter Blutungsneigung.
Urs:
Allergische Reaktion (Typ III) mit Ablagerung von Antigen-Antikörper-Komplexen an
den Kapillaren und kleinen Gefäßen, welche zu einer Immunkomplexvaskulitis führen.
Tritt v.a. bei Kindern nach einem Infekt der oberen Atemwege (Streptokokken, Viren)
auf.
Sym: 
kleinste punktförmige Blutungen in der Haut auf größerer Fläche (Purpura)
 Rumpel-Leede-Test positiv

Magen-Darm-Beschwerden mit Koliken, Erbrechen und Teerstuhl

Gelenkbeschwerden durch Gelenkeinblutungen, meist sind mehrere Gelenke
betroffen

evtl. Hämaturie (Blut im Urin)
Verbrauchskoagulopathie
Syn:
Disseminierte intravasale Gerinnung (Abk. DIC)
Def:
Ein durch verschiedene Erkrankungen hervorgerufener massiver Verbrauch an
Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten mit der Folge einer hämorrhagischen Diathese.
Urs:
Im Rahmen eines Schocks
Aktivierung der Blutgerinnung durch z.B. Bakteriengifte, Schlangengifte
Purpura Schoenlein-Henoch
Transfusionszwischenfälle
Blut-Lymphe Pathologie
115
Hämophilie (Bluterkrankheit)
Def:
Vererbte Gerinnungsstörung, bei der bestimmte Gerinnungsfaktoren fehlen und
die zu einer verzögerten Blutgerinnung führen (X-chromosomal-rezessiv).
Urs:
Erbkrankheit, die über das X-Chromosom durch Frauen übertragen wird und an
der meist Männer erkranken.
 Mangel an Faktor VIII: Hämophilie A, schwere Verlaufsform (85%).
 Mangel an Faktor IX: Hämophilie B, leichtere Verlaufsform (15%).
Pat:
Die Blutungsstillung (primäre Hämostase) ist nicht beeinträchtigt (normale
Blutungszeit). Die Blutgerinnung ist infolge der fehlenden oder mangelnden
Gerinnungsfaktoren unvollkommen. Manifestation meist erst nach der Säuglingszeit, im
Kindesalter stärker als im Erwachsenenalter.
Sym:  erhöhte Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese)
 Blutungen bereits nach kleinen Verletzungen
 innere Blutungen (Petechien sind keine typischen Symptome)
 Einblutungen in den Muskel
 Einblutungen in große Gelenke (Hämarthrosen)
 Schleimhautblutungen (Magen, Darm, Harnwege)
Kom:  Ohne Substitution von Gerinnungsfaktoren: lebensgefährliche Blutungen.
 Gelenkblutungen führen häufig zu Versteifungen, besonders im Kniegelenk.
Erkrankungen der Leukozyten
Agranulozytose (perniziöse Neutropenie) 
Def:
Akut einsetzende schwere Störung der Granulozytenbildung im Knochenmark.
Urs:
Allergie (Typ II) durch Medikamenteneinnahme, z.B. Analgetika (Methamizol),
Antibiotika, Diuretika, Sedativa
Sym: 
Innerhalb von Stunden schweres Krankheitsgefühl, Fieber und Schüttelfrost,
Lymphknotenschwellungen
 Schnell auftretende Schleimhautgeschwüre und Hautnekrosen
 Labor: Neutropenie (stark verminderte oder völliges Fehlen der Granulozyten)
Leukämie 
Def:
Eine bösartige Erkrankung der weißen Blutkörperchen im Knochenmark, bei der es zu
einer unkontrollierbaren Vermehrung und Entartung einer Leukozytengruppe kommt.
Urs:
Unbekannt
Pat:
 Die Leukozyten sind qualitativ verändert und können so ihrer Aufgabe nicht mehr
gerecht werden. Die Folge ist eine Abwehrschwäche gegen Infektionen.
 Durch die Wucherung der Leukozyten im Knochenmark kommt es zur Verdrängung
der Stammzellen aus der Erythrozyten- und Thrombozytenreihe, die Folge sind
Anämiesymptome und Blutungsneigung (ab 30.000 µ/dl).
Normale Erythrozyten- und Thrombozytenzahlen schließen fast immer eine
Leukämie aus.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
116
Blut-Lymphe Pathologie
Einteilung der Leukämien
 Lymphatische Leukämien haben ihre Entartungszelle aus der Lymphozytenreihe
 Myeloische Leukämien haben ihre Entartungszelle aus der Granulozyten- oder
Monozytenreihe.
 Akute Leukämien verlaufen unbehandelt in wenigen Wochen und Monaten tödlich
und haben in 25% der Fälle eine Leukopenie.
 Chronische Leukämien beginnen schleichend, mit wenig Symptomen und werden
häufig per Zufallsbefund diagnostiziert.
Sym:  Akute lymphatische Leukämie (ALL)
Betrifft überwiegend Kinder und ist die häufigste bösartige Erkrankung im
Kindesalter.
Hohe Überlebensquote durch Chemotherapie und Knochenmarktransplantation.
 Infektanfälligkeit, Pilzerkrankungen, Haut- und Schleimhautentzündungen
Säuglinge, Kleinkinder und Kinder können 8-12-mal pro Jahr an einem
Infekt erkranken, ohne dass der Verdacht einer Immunschwäche besteht.
 Fieber, Fieberschübe, Nachtschweiß, Appetitmangel, Gewichtsabnahme (BSymptome)
 Zahnfleichentzündungen (Gingivitis)
 Kopfschmerzen
 Allgemeine Anämiezeichen (Müdigkeit, Blässe, Atemnot) durch
Verdrängung der Erythrozytenreihe
 Erhöhte Blutungsneigung (Petechien, Nasenbluten, Zahnfleischbluten) durch
Verdrängung der Thrombozytenreihe
 Knochenschmerzen („Bauchweh“)
 Generalisierte Lymphknotenschwellungen
 Milz- und Leberschwellung
 Meningitis, Infiltration der Gehirnhäute (Meningen) mit Tumorzellen und
nachfolgender Entzündung und sehr starken Kopfschmerzen
 Akute myeloische Leukämie (AML)
Betrifft überwiegend Erwachsene mit einem
Lebensjahrzent.
Symptomatik und Behandlung entspricht der ALL.
Prognose jedoch weitaus schlechter als bei der ALL.
Erkrankungsgipfel
im
5.
 Chronische myeloische Leukämie (CML)
Beginnt schleichend im mittleren Lebensalter meist zwischen 20-40 Jahren. In 90%
der Fälle Chromosomenveränderung, sog. Philadelphiachromosom (Nr.9 und Nr.22),
welche die CML auslösen.
 Leistungsminderung, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, unklare Fieberschübe
 Fast immer extreme Leukozytose (500.000 µl) mit Milz- und
Leberschwellung (Oberbauchdruck), typisch ist der Klopfschmerz des
Brustbeins
 Später Infektneigung, Anämie, Blutungsneigung und Thrombosen
 Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Befällt meist Männer im fortgeschrittenen Alter.
Übermäßige Produktion von funktionsunfähigen B-Lymphozyten.
Bessere Prognose als die anderen Formen.
 Leistungsminderung, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit
 Fast immer generalisierte Lymphknotenschwellungen
 Häufig Splenomegalie (Milzvergrößerung)
 Lymphozytose
Blut-Lymphe Pathologie
Lab:
117
 Häufig Hauterscheinungen, z.B. Exanthem (entzündliche Hautveränderung),
Mykosen (Pilzerkrankungen), Pruritus (Hautjucken)
 Leukozytenzahl kann normal, erhöht oder erniedrigt sein (außer bei der CML)
 Erythrozytenzahl erniedrigt (Anämie)
 Thrombozytenzahl erniedrigt (Thrombopenie)
 Leukozyturie möglich (Ausscheidung von Leukozyten über den Harn)
Plasmozytom (multiples Myelom) 
Def:
Bösartige Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark mit abnormer Produktion
von pathologischen Immunglobulinen (Paraproteinen) ohne Abwehrfunktion. Wird
auch zu den malignen primären Knochentumoren
gezählt.
Urs:
Unbekannt
Pat:
 Erkrankung tritt vorwiegend im höheren Lebensalter auf, Männer sind
doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
 Die malignen Plasmazellen wuchern meist herdförmig zerstörend im
Knochenmark (Plasmozytomherde) und führen im weiteren Verlauf zu sog.
osteolytischen Herden (sekundäre Osteoporose).
 Die rasche Wucherung der Plasmazellen im Knochenmark führt zu einer
Verdrängung der blutbildenden Zellen mit Anämiesymptomen, hämorrhagischer
Diathese und Immundefekten (Antikörpermangelsyndrom).
Sym: 





Lab:

Kom:





Rheumatische Beschwerden, Knochenschmerzen (v.a. Rücken, Kopf, Rippen)
Spontanfrakturen (pathologische Fraktur)
Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieberschübe (B-Symptomatik)
Allgemeine Anämiesymptome
Zeichen der hämorrhagischen Diathese (Petechien)
Gefahr auf Thrombosen durch erhöhte Viskosität
BSG extrem erhöht (Sturzsenkung)
Paraproteinämie (Elektrophorese)
Hyperkalzämie
Proteinurie (Bence-Jones-Proteine)
Röntgen: schrotschussähnliche Defekte der Knochenstruktur, Mottenfraß-ähnliche
Knochenzerstörung
 Niereninsuffizienz durch Kalziumeinlagerungen
Allergische Reaktionen 
Def:

Überschießende Immunantwort gegenüber bestimmten Antigenen, die normalerweise
nicht schädlich auf den Körper wirken. Zur Manifestation ist eine Sensibilisierungsphase
notwendig.
Allergien werden pathophysiologisch in 4 Typen unterteilt.
Allergie Typ I vom Soforttyp (anaphylaktische Reaktion) in 90% d. F. 
 Ist die häufigste Allergieform.
 Genetische Veranlagungen, bei Kontakt mit Allergenen mit einer erhöhten
Produktion von IgE reagieren.
 IgE haften sich an Mastzellen und bei Aktivierung durch Antigene kommt es
zur Ausschüttung von Histamin.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
118
Blut-Lymphe Pathologie
 Örtliche Erscheinungen: z.B. Heuschnupfen, Asthma bronchiale,
Neurodermitis, Urtikaria, Quincke-Ödem, Nahrungsmittelallergien.
 Generalisierte Erscheinung: Anaphylaktischer Schock (Notfall).

Allergie Typ II (antikörpervermittelnde zytotoxische Reaktion)
 Antikörper reagieren mit körpereigenen Zellen und schädigen diese.
 Klinische Erscheinungen: z.B. allergisch bedingte hämolytische Anämien,
idiopathische
thrombozytopenische
Purpura
(Morbus
Werlhof),
Agranulozytose, Diabetes mellitus Typ I, Transfusionszwischenfälle

Allergie Typ III (Immunkomplextyp)
 Ablagerung von Antigen-Antikörper-Komplexen an Gefäßinnenwänden, die
nicht vollständig phagozytiert werden und so entzündungsfördernd wirken.
 Komplementsystem und Granulozyten reagieren und führen zusätzlich zu einer
Gewebsschädigung.
 Klinische Erscheinungen: z. B. allergische Alveolitis, rheumatisches Fieber,
Glomerulonephritis, Purpura Schoenlein-Henoch, Erythema nodosum.

Allergie Typ IV vom Spättyp
 Allergische Veränderungen frühestens nach 12 Stunden.
 Reaktion von T-Lymphozyten auf körperfremde und körpereigene Antigene (TZell-abhängige allergische Reaktion).
 Klinische Erscheinungen: z.B. Kontaktekzem, Arzneimittelexanthem.
 Abstoßung transplantierter Organe.
Erkrankungen des lymphatischen Gewebes
Lymphogranulomatose (Morbus Hodgkin) 
Def:
Ein bösartiger Tumor der Lymphknoten, der im Spätstadium als Systemerkrankung
auch extralymphatische Organe befallen kann.
 Zwei Erkrankungsgipfel: zwischen 20 und 30 Jahren und im 6. Lebensjahrzent
Urs:
Unbekannt
Pat:
Der Tumor beginnt meist in einem einzelnen Lymphknoten und breitet sich dann
langsam schubweise auf andere Lymphknoten aus. Im Endstadium diffuser Befall
von Organen außerhalb des lymphatischen Systems.
 Die Lymphogranulomatose ist durch das Auftreten von sog. Hodgkin-Zellen und
Sternberg-Riesenzellen charakterisiert. Alle anderen malignen Lymphome werden
unter Non-Hodgkin-Lymphome zusammengefasst.
 Mehrere Lymphknoten aus einem Bezirk „verbacken“ miteinander und lassen sich
als Granulome ertasten.
Stadieneinteilung nach Ann-Arbor-Klassifikation
 Stadium I
Befall einer Lymphknotenregion (IN) bzw. Auftreten eines extralymphatischen
Herdes auf einer Seite des Zwerchfells (IE).

Stadium II
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen (IIN) bzw. Auftreten von zwei
oder mehreren extralymphatischen Herden auf einer Seite des Zwerchfells (IIE)

Stadium III
Blut-Lymphe Pathologie
Sym:







Lab:
119
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen (IIIN) bzw. Auftreten von
zwei oder mehreren extralymphatischen Herden auf beiden Seiten des
Zwerchfells (IIIE)
 Stadium IV
Ausgedehnter Befall v.a. von extralymphatischen Organen wie z.B.
Knochenmark, Leber und Lunge
Isolierte schmerzlose „kartoffelsackartige“ verbackene Lymphknoten-schwellungen,
oft im Kopf-Hals-Bereich, aber auch im Achselbereich und Brust- und Bauchraum
generalisierter Juckreiz (Basophilie = basophile Granulozyten erhöht)
Alkoholschmerz: Schmerzen in den Lymphknoten nach Alkoholgenuss
evtl. Fieber (typisch: wellenförmig; sog. Pel-Ebstein-Fieber)
evtl. Leber und Milzschwellung
A-Symptomatik: generalisierte Lymphknotenschwellung ohne Beschwerden
(relativ gute Prognose)
B-Symptome (verschlechtern die Prognose)
 Nachtschweiß, Fieber
 Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit
 Leistungsabfall, Müdigkeit
 BSG stark erhöht
 Lymphozytopenie
 Eosinophilie, Basophilie (basophile Granulozyten im Blut erhöht)
Lymphödem
Def:
Ansammlung von Lymphflüssigkeit zwischen den Gewebezellen aufgrund eines
Rückstaus, die zu einer meist nicht schmerzhaften Schwellung führt. Meist sind die
Extremitäten betroffen.
Urs:
 Idiopathisch (ohne erkennbare Ursache), vermutet wird eine Rückbildung der
Lymphgefäßzellen.
 Entzündungen, Tumore, große Hämatome
 Nach Operationen durch bindegewebige Vernarbungen
Sym:  Beinödem: Stemmer-Zeichen positiv: Die Haut des Fußrückens v.a. über der zweiten
und dritten Zehe lässt sich beim Lymphödem mit einer Pinzette nicht abheben.
 Kastenzehen: verdickte Zehen mit viereckiger Form infolge von Fibrosierung.
 Länger bestehende Lymphödeme sind nicht wegdrückbar.
Kom:  Bei längerem Bestehen des Ödems wird die Oberhaut reaktiv dicker (Elephantiasis).
 Bei der Mastektomie (Entfernung der weiblichen Brust) mit Ausräumung der
regionären Lymphknoten kann es als Komplikation zu einem Lymphödem des
Armes kommen.
Lymphangiitis
Def:
Entzündung einer Lymphbahn.
Urs:
Lokaler Infektionsherd mit Verschleppung von Erregern in die Lymphbahn.
Sym:  Sichtbarer roter Streifen (im Volksmund: Blutvergiftung)
 Entzündete geschwollene Lymphknoten (Lymphadenitis)
 evtl. Fieber und Allgemeinsymptome
© Arpana Tjard Holler (Autor)
120
Blut-Lymphe Pathologie
Angina tonsillaris (Mandelentzündung) 
Def:
Entzündung des lymphatischen Rachenringes, meist mit Beteiligung der Gaumenmandeln.
Blut-Lymphe Pathologie
121
Urs:
 Häufigste Erreger: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A und Viren
(Parainfluenzaviren, Adenoviren)
 Seltener: Staphylokokken, Pneumokokken
 Als Begleiterkrankung bei anderen Infektionserkrankungen (Diphtherie, Pfeiffer
Drüsenfieber, Röteln, Scharlach,)
Pat:
Im Wesentlichen sind Kinder und Jugendliche betroffen, vor allem in den
Wintermonaten.
Formen:  Angina catarrhalis: Schwellung und Rötung der Mandeln. Am häufigsten
verursacht durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A

Angina lacunaris: Eiterpfropfen oder ein gelber Belag auf den Tonsillen
 Angina ulcerosa: geschwüriger Zerfall der Mandeln

Angina Plaut-Vincent: relativ seltene einseitige Entzündung der
Gaumenmandeln, die durch eine Mischinfektion mit Treponema vincentii
und Fusobakterien verursacht werden. Auffallen ist der Gegensatz
zwischen geringem Krankheitsgefühl und heftigen Befund mit deutlicher
Geschwürsbildung.
Sym:  Beginn meist plötzlich mit hohem Fieber
 Halsschmerzen, besonders beim Schlucken
 Rötung und Schwellung der Tonsillen oft mit sog. Eiterstippchen
 Häufig Schwellung der regionalen Lymphknoten am Kieferwinkel
Kom: 




Otitis media (Mittelohrentzündung
Tonsillarabszess
Rheumatisches Fieber
Entzündungen am Herzen (rheumatische Karditis)
Glomerulonephritis (Nierenentzündung)
Milzruptur 
Def:
Riss der Milzkapsel mit lebensgefährlichen Blutungen (Notfall)
Urs:
 Am häufigsten infolge von Traumen.
 Möglich auch bei Infektionskrankheiten (z.B. Mononukleose) oder einer extremen
Hämolyse (Splenomegalie).
Sym: Unterscheidung
 Einzeitige Milzruptur: Riss der Milzkapsel und dadurch erfolgte Einblutung
in die Bauchhöhle.
 Akut
einsetzenden
Symptomatik
mit
Schocksymptomen
(hypovolämischer Schock), Abwehrspannung und linksseitigen
Oberbauch- und Flankenschmerzen
 Dämpfung der linken Körperseite bei der perkutorischen Untersuchung

Zweizeitige Milzruptur: Riss des Milzgewebes mit Hämatombildung bei
unbeschädigter Milzkapsel. Ein nachträglicher Einriss der Milzkapsel ist durch
die zunehmende Milzvergrößerung möglich.
 Zwischen Trauma und Symptomatik besteht ein freies Intervall
(Stunden, Tage, sogar Wochen)
 Evtl. lokale Abwehrspannung, linksseitige Oberbauchschmerzen
 Splenomegalie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
122
Blut-Lymphe Pathologie
 Eine Raumforderung im linken Oberbauch kann auch
Pankreastumore, Pankreaszysten oder ein Kolonkarzinom als
Differenzialdiagnose haben.
 Evtl. Kehrzeichen: ausstrahlende Schmerzen in die linke Schulter,
Hyperästhesie (Überempfindlichkeit) der Haut.
The:
Splenektomie (Entfernung der Milz)
 Bei einer Milzentfernung besteht eine erhöhte Gefahr für eine akute bakterielle
Infektion (Sepsisgefahr) mit hoher Letalität. 1-2 Wochen nach einer Splenektomie
entsteht eine extrem hohe Thrombozytose mit Thrombosegefahr, die sich nach
einigen Wochen normalisiert. Es kommt zu einer verminderten Bildung von
Antiköpern (IgG, IgM). Patienten sollten gegen Pneumokokken geimpft werden.
Herz
E.
.
123
Herz-Kreislauf Anatomie und Physiologie
Herz
.
Anatomie und Physiologie des Herzens ............................................................................................... 125
Anatomie des Gefäßsystems .................................................................................................................. 131
E.2.3.2.5.1.
Oberflächliche Beinvenen ....................................................................................... 135
© Arpana Tjard Holler (Autor)
124
Herz
.
Herz
.
125
Anatomie und Physiologie des Herzens
Die Lage des Herzens








Das Herz ist ein ca. faustgroßer Hohlmuskel.
Es liegt im Mediastinum (Mittelfellraum), dem Raum zwischen den beiden Lungenflügeln.
Es befindet sich hinter dem Brustbein (retrosternal) und vor der Speiseröhre.
2/3 des Herzens befinden sich links der Medianlinie, 1/3 rechts.
Die Herzachse verbindet die Herzbasis mit der Herzspitze und verläuft von rechts oben
hinten nach links unten vorn.
Die Herzspitze befindet sich im 5. ICR (Interkostalraum = Raum zwischen den Rippen)
innerhalb der linken Medioklavikularlinie (senkrechte Linie von Mitte Schlüsselbein aus)
und ist mit dem Zwerchfell verwachsen.
Die Herzbasis befindet sich oberhalb des Herzens auf Höhe von Th4 und stellt den Ein- und
Ausgang der Gefäße dar.
Herzgewicht eines Erwachsenen ca. 300 g.
Der Herzwandaufbau.

Das Herz besteht aus drei Schichten.
Endokard



Kleidet die Vorhöfe und Kammern aus und besteht aus einschichtigem Plattenepithel mit
bisschen Bindegewebe.
Wird durch Diffusion aus dem vorbeiströmendem Blut ernährt.
Bildet die vier Herzklappen (Taschenklappen und Segelklappen).
Myokard




Stellt die Muskelschicht des Herzens dar.
Ist aufgebaut wie quergestreifte Muskulatur, vereinigt jedoch bezüglich seiner
Funktionsweise die Eigenschaften quergestreifter und glatter Muskulatur und stellt deshalb
eine Besonderheit des Muskelgewebes dar.
Enthält das autonome Reizleitungssystem des Herzens.
Enthält sog. Glanzstreifen, welche die Aufgabe haben die einzelnen Herzmuskelzellen
mechanisch und elektrisch so miteinander zu verbinden, dass das Herz nur als eine einzige
große Herzmuskelplatte erregt bzw. kontrahiert wird.
Perikard




Ist der Herzbeutel und umschließt zweiwandig das Herz: Das äußere (parietale) Blatt, das
eigentliche Perikard und das innere (viszerale) Blatt, das Epikard.
Enthält einen vom Epikard produzierten Gleitfilm, der das Herz in seiner leichten
Drehbewegung beim Schlagen schützt.
Ist an der Herzspitze mit dem Zwerchfell verwachsen, so dass das Herz den Bewegungen
des Zwerchfells folgen muss.
Dient dem Herz zum Schutz vor Überdehnung und vor Übergreifen einer Entzündung.
Die Herzhöhlen und die Herzklappen

Das Herz wird durch eine Trennwand (Septum) in ein rechtes und linkes Herz unterteilt,
welches jeweils einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel) besitzt.
 Herzohren sind deutlich sichtbare Ausbuchtungen der beiden Vorhöfe. Produktionsort
des ANP (atriales natriuretisches Peptid, Gegenspieler von Aldosteron)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
126
Herz








.
Die Segelklappen (Atrioventrikularklappen) trennen Vorhöfe und Kammern.
Im linken Herzen liegt die Mitralklappe (Bikuspidalklappe).
Im rechten Herzen liegt die Trikuspidalklappe.
Die Segelklappen sind mit sehnenähnlichen Strängen an den Papillarmuskeln des
Myokards befestigt und hindern die Klappen am Zurückschlagen.
Die Taschenklappen (Semilunarklappen) trennen die Kammern von den großen
abgehenden Gefäßen (Truncus pulmonalis und Aorta).
Die Pulmonalklappe liegt im rechten Herzen zwischen rechter Kammer und Truncus
pulmonalis (eine Lungenarterie).
Die Aortenklappe liegt im linken Herzen zwischen linker Kammer und Aorta.
Alle Klappen liegen auf einer Ebene, die im 90° Winkel zur Herzachse verläuft
(Herzklappenebene).
 Das Herzskelett ist ein zusammenhängendes sehniges Bindegewebsgerüst in welchem
die vier Herzklappen positioniert sind.
Physiologie des Herzmuskels





Die eigentliche Antriebskraft des Herzens wird von der Kammer- und Vorhofmuskulatur
gebildet.
Durch Kontraktion der Herzmuskelzellen wird das Blut in den Truncus pulmonalis
(Pulmonalarterien) und in die Aorta gepresst.
Die Kammermuskulatur ist stärker ausgebildet als der Vorhofmuskel.
Der linke Herzmuskel muss stärker sein als der rechte, weil er das Blut in den großen
Kreislauf pumpt.
 linkes Herz: 120 mmHg
 rechtes Herz: ca. 30 mmHg
Der Herzschlag entsteht durch Verkürzung von Herzmuskelzellen. Diese sind mit einem
System von Filamenten ausgestattet. Strömt Calcium in die Muskelzelle hinein, aktiviert es
durch einen biochemischen Prozess das ATP, den Energielieferanten jeder Zelle. Mit Hilfe
dieser Energie verschieben sich Aktin- und Myosinfilamente gegeneinander und bewirken
ein Zusammenziehen der Zelle und des gesamten Muskels. Das Herz kontrahiert.
Die Arbeitsphasen (Herzzyklen) des Herzens


Systole, unterscheidet sich in:
 Anspannungsphase, alle Klappen sind geschlossen, Dauer: 0,05 - 0,1 Sek.
 Austreibungsphase, Taschenklappen sind geöffnet, Segelklappen geschlossen
Kammermuskulatur zieht sich zusammen und befördert das Blut nach außen
(Aorta und Truncus pulmonalis), Dauer: 0,2 - 0,3 Sek.
Diastole, unterscheidet sich in:
 Erschlaffungsphase, alle Klappen sind geschlossen, Dauer: 0,4 – 0,5 Sek.
 Füllungsphase, die Segelklappen öffnen sich und Blut strömt herein, Dauer:
abhängig von der Herzfrequenz
1. HT
2. HT
1. HT
Herzklappen
Systole
Diastole
Taschenklappen
offen
zu
Segelklappen
zu
offen
Herz
.
127
Weg des Blutes durch das Herz










Das Blut fließt aus der unteren und oberen Hohlvene (Vena cava inferior und superior) in
den rechten Vorhof. Dabei erschlafft der Vorhof und saugt das Blut an.
Übersteigt der Druck im rechten Vorhof (ca. 5 mmHg) den in der rechten Kammer, öffnet
sich die Trikuspidalklappe und das Blut strömt in die Kammer, angesogen durch die
Ventrikeldiastole.
Am Ende der Kammerdiastole kontrahiert der Vorhof (Vorhofsystole, macht aber nur 1/10
des gesamten Ventrikelvolumens aus).
Ist der rechte Ventrikel gefüllt, beginnt die Anspannungsphase. Der Druck in der Kammer
erhöht sich und die Trikuspidalklappe wird zugeschlagen, die Pulmonalklappe ist noch
geschlossen. Erst wenn der Druck in der Kammer den in der Pulmonalarterie übersteigt (ca.
35 mmHg) wird die Pulmonalklappe aufgestoßen und die Austreibungsphase beginnt.
Das Blut fließt jetzt über den Truncus pulmonalis und der rechten bzw. linken Lungenarterie
zu den beiden Lungenflügeln in den kleinen Kreislauf. In den Alveolarkapillaren Sauerstoff
aufnehmend fließt das Blut über die Pulmonalvenen zum linken Vorhof.
Der linke Vorhof erschlafft und saugt das Blut an.
Übersteigt der Druck im linken Vorhof (ca. 12 mmHg) den in der linken Kammer, öffnet
sich die Mitralklappe und das Blut strömt in den linken Ventrikel.
In der Anspannungsphase umspannt der Herzmuskel das Blutvolumen und schließt die 2zipflige Segelklappe.
Die Aortenklappe öffnet sich, wenn der Druck in der Kammer über den diastolischen Druck
in der Aorta steigt.
Das Blut fließt jetzt über die Aorta in den großen Kreislauf (Körperkreislauf).
Die Herzkranzgefäße (Koronararterien und -venen)





Sie versorgen die Herzmuskelzellen (Myokard und Perikard) mit Sauerstoff und
Nährstoffen.
Sie entspringen direkt aus der Aorta im Bereich der Aortenklappe. Sie sind die ersten
"Abzweigarterien" der Aorta.
Sie werden gefüllt in der Ventrikeldiastole.
Es gibt eine rechte und eine linke Koronararterie, die sich weiter aufzweigen.
Das Blut aus den Venen der Herzkranzgefäße fließt über eine Sammelvene direkt in den
rechten Vorhof.
Das Herzreizleitungssystem




Der für die Muskelkontraktion des Herzens erforderlicher elektrischer Reiz wird von
speziellen Herzmuskelzellen selber gebildet (Autonomie).
Die Reizbildung geht vom Sinusknoten (sog. Herzschrittmacher) aus. Er befindet sich in
der Wand des rechten Vorhofs zwischen der oberen und unteren Hohlvene.
Von dort werden die Impulse weitergegeben zum AV- Knoten (Atrioventrikular-knoten
oder Aschoff-Tawara-Knoten genannt). Er liegt zwischen Atrium und Ventrikel und ist das
sekundäre Erregungsbildungszentrum.
Von hier aus über das His-Bündel, das sich in die beiden Tawara-Schenkel teilt, zu den
Purkinje-Fasern. Diese leiten die Impulse weiter zu den auf die Zellen der
Kammermuskulatur. Das Myokard kontrahiert, und das Herz schlägt.
Die Herzleistung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
128
Herz


.
Das Herzzeitvolumen HZV (auch HMV, Herzminutenvolumen) bezeichnet die Menge
Blut, die der linke Ventrikel pro Minute fördert. Das Volumen der linken Herzkammer
beträgt ca. 70 ml. Bei einer Herzfrequenz von ca. 70 Schlägen pro Minute beträgt das HMV
4900 ml (ca. 5 l)
Herzfrequenzwerte
Schläge pro Minute
Sportler
40 – 60
Erwachsene
60 – 80
Kinder / Jugendliche
80 – 100
Kleinkinder
100 – 120
Säuglinge
120 – 140
Neugeborene
140 – 160
 Eine Herzfrequenz von 80-85 gilt im Alter nicht als pathologisch.
 Die Herzfrequenz erhöht sich leicht während der Einatmungsphase.
 Frank-Starling-Mechanismus: Gesetz der Kraft-Spannungsbeziehung des linken
Herzmuskels. Je größer der Herzmuskel durch das enddiastolische Volumen (Vorlast)
gedehnt wird, desto größer ist die Kontraktionskraft und damit das Schlagvolumen. Dieser
Mechanismus kann über lange Zeit eine Herzmuskelschwäche kompensieren, bis ab einer
bestimmten Grenze (sog. kritisches Herzgewicht) das Herz dilatiert (sich ausweitet) und
schwach wird (siehe unter Herzinsuffizienz).
 Die Herzleistung ist abhängig von:
 der eigenständigen Steuerung durch den Sinusknoten.
 nervalen Einflüssen (Sympathikus/Parasympathikus).
 hormonalen Einflüssen (Adrenalin/Noradrenalin, Schilddrüsenhormone).
 von der Menge und der Viskosität des Blutvolumens.
 Medikamenten wie Koffein, Digitalis etc.
Anatomie des Herzens beim Fötus




Beim Fötus ist die Lunge vor Geburt noch nicht entfaltet. Er erhält den Sauerstoff aus dem
mütterlichen Blut über die Plazenta.
Vor der Geburt besteht eine große Öffnung in der Vorhofscheidewand des Herzens
(Foramen ovale), so dass ein Teil des Blutes die Lunge umgeht, indem es vom rechten
Vorhof direkt in den linken Vorhof fließt.
Eine zweite Kurzschlussverbindung besteht zwischen der Lungenarterie und der Aorta
(Ductus arteriosus Botalli). Sie liegt als Kurzschlussgefäß in den meisten Fällen hinter den
drei Gefäßabgängen im Aortenbogen. Von einem offenen Ductus arteriosus
(Persistierender Ductus arteriosus) wird gesprochen, wenn sich dieser nach drei Monaten
nach der Geburt noch nicht geschlossen hat
Während bzw. kurz nach dem Geburtsvorgang entfaltet sich die Lunge und die beiden
Kurzschlüsse werden normalerweise in den ersten beiden Tagen abgedichtet.
Untersuchungsmethoden
Auskultation (Abhören)

Auskultationspunkte der Herzklappen
Die einzelnen Abhörstellen (Punctum maximum) der verschiedenen Klappen liegen nicht
an ihrer anatomischen Lage, sondern sie liegen dort, wo der Blutstrom die
Klappenschlusstöne am deutlichsten hinträgt.
 Aortenklappe: 2. ICR parasternal rechts
 Pulmonalklappe:
2. ICR parasternal links
 Trikuspidalklappe:
4. ICR parasternal rechts
Herz
.
129
 Mitralklappe:
5. ICR medioklavikular links (Herzspitzenstoß)
 Erb-Punkt: 3. ICR parasternal links (Auskultationspunkt für alle Herzgeräusche)
 Merksatz: „Anton Pulmann trinkt Milch um 22 Uhr 45, erbricht um 3 und stößt um 5.00
Uhr morgens auf.“
 Herztöne: Die Herztöne sind die akustischen Zeichen der Herzaktivität. Sie entstehen durch
das Zuschlagen der Herzklappen.
 Der erste Herzton ist der Klappenschlusston der Mitral- und Trikuspidalklappe
enthalten. In ihm ist der dumpfe Anspannungston der Herzmuskulatur
(Muskelton) enthalten. Sein Punctum maximum liegt an der Herzspitze, im 5.
ICR medioklavikular.
 Der zweite Herzton entsteht durch den Klappenschluss der Aorten- und
Pulmonalklappen (Klappenton). Er ist der hellere Herzton und normalerweise
lauter als der erste Herzton (Pschyrembel). Punctum maximum über der
Herzbasis.
 Der zweite Herzton ist bei Kindern und bei jungen schlanken Menschen während der
Einatmung als minimaler gespaltener Herzton zu hören (im 2. ICR parasternal links).
Bei Erwachsenen kann ein gespaltener 2. Herzton auf Herzerkrankungen hinweisen (z.B.
Mitralklappeninsuffizienz)
 Herzgeräusche: Sie entstehen durch Turbulenzen des Blutstromes bei verändertem
Blutfluss. Sie werden eingeteilt in ein systolisches, diastolisches oder kontinuierliches
Geräusch.
 Organische Herzgeräusche entstehen meist durch angeborene oder erworbene
Herzklappenfehler und angeborene Shunts (Kurzschlussverbindungen).
 Funktionelle Herzgeräusche entstehen hämodynamisch durch eine erhöhte
Herzfrequenz oder durch eine veränderte Blutzusammensetzung, z.B. bei Fieber,
starkem Kaffee, körperliche Anstrengung, Hyperthyreose, Anämie.
 Akzidentelle Herzgeräusche sind harmlose und nur in der Systole (nie in der
Diastole) auftretende Herzgeräusche, die häufig bei Kindern und Jugendlichen
auftreten können.
 Akzidentelle und funktionelle Herzgeräusche sind lagerungsabhängig im
Gegensatz zu den organischen Herzgeräuschen.
Palpation



Der Herzspitzenstoß wird am liegenden Patienten links im 5. ICR medioclavicular palpiert.
Das fühlbare Gebiet ist ca. 2 cm2 groß.
Verlagerung des Herzspitzenstoßes bei einer Rechtsherzvergrößerung nach links außen.
Verlagerung des Herzspitzenstoßes bei einer Linksherzvergrößerung nach links außen
unten.
Blutdruckmessung

Der Blutdruck wird gemessen mit einem Blutdruckapparat nach Riva-Rocci (RR).
 Der systolische Blutdruck ist der Druck, den die linke Kammer während ihrer
Kontraktion erzeugt (Systole), er beträgt normal etwa 120 (130) mmHg.
 Der diastolische Blutdruck ist der Druck, der während der Erschlaffung der
linken Herzkammer in den großen Arterien herrscht, er beträgt normal etwa 80
(90) mmHg.
 Der Blutdruck ist abhängig von:
 der Herzmuskelkraft.
 der vorhandenen Blutmenge.
 der Viskosität des Blutes.
 den Gefäßwiderständen in den Arteriolen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
130
Herz
Durchführung der Blutdruckmessung siehe unter E.2.5.1
.
Herz
.
131
Anatomie des Gefäßsystems




Gefäße, die vom Herzen wegführen, heißen Arterien.
Sie führen im großen Kreislauf arterielles (sauerstoffreiches) Blut, im Lungenkreislauf
venöses (sauerstoffarmes) Blut.
Gefäße, die zum Herzen hinführen, heißen Venen.
Sie führen im großen Kreislauf venöses (sauerstoffarmes), im Lungenkreislauf arterielles
(sauerstoffreiches) Blut.
Makroanatomie des Gefäßsystems
Großer Kreislauf (Körperkreislauf)


Der arterielle Körperkreislauf beginnt nach dem linken Herzen und endet an den Kapillaren.
Das linke Herz pumpt das Blut in die Arterien des großen Kreislaufs und versorgt den
gesamten Körper zu 100%.
 Herz ca. 5%
 Kopf und Arme ca. 10%
 Gehirn ca. 15 %
 Magen, Dünndarm, Dickdarm, Bauchspeicheldrüse, Milz ca. 25%
 Leber ca. 10%
 Nieren ca. 20%
 Beine, Körperstamm ca. 15%
Der venöse Körperkreislauf beginnt bei den Kapillaren und endet am rechten Herzen:
Linkes Herz  Aorta  Arterien  Arteriolen  Kapillaren (arterieller/venöser
Kapillarschenkel)  Venolen  Venen  Vena cava (Hohlvene)  rechtes Herz
Kleiner Kreislauf (Lungenkreislauf)



Der Lungenkreislauf beginnt am rechten Herzen und endet am linken Herzen.
Das rechte Herz pumpt 100% des Blutes über Pulmonalarterien in die Lunge, in der die
Sauerstoffaufnahme geschieht. Von der Lunge fließt das Blut über Pulmonalvenen zum
linken Herzen.
Rechtes Herz  Truncus pulmonalis  Pulmonalarterien (mit venösem Blut) 
Lungenkapillaren  Pulmonalvenen (mit arteriellem Blut)  Linkes Herz
Pfortaderkreislauf (portaler Kreislauf)

Das venöse Blut von Milz, Bauchspeicheldrüse, Magen, Dünndarm, Dickdarm und 2/3 des
Mastdarms fließt über ein Venensystem (keine Venenklappen) in eine große Vene (Vena
portae = Pfortader), die in die Leber mündet. Somit gelangen fast alle Nahrungsmittel, die
ins Blut aufgenommen werden in die Leber.
 Das venöse Blut des unteren Teils des Mastdarms fließt in die untere Hohlvene (Vena
cava inferior) ab.
 Portokavale Anastomosen (Verbindung des Pfortadervenen mit der Vena cava)
 Nabelvenen
 Ösophagusvenen
 Hämorrhoidalvenen
Aufbau der Gefäße


Intima: Einschichtiges Plattenepithel (Endothel) mit einer kleinen Schicht elastischem
Bindegewebe.
Media: Glatte Muskulatur und elastisches Bindegewebe.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
132
Herz

.
Adventitia: Äußere zusammenfassende Schicht aus kollagenen und elastischen Fasern. In
ihr verlaufen die das Gefäß ernährenden Gefäße und Nerven.
Arterien






Arterien werden definiert als Gefäße, die vom Herzen wegführen. Diese Definition gilt
immer!
Arterien sind im Körperkreislauf Hochdruckgefäße und besitzen 20% des Blut-volumens.
Arterien vom “elastischen Typ“ sind herznahe Arterien. Sie besitzen in ihrer Media
überwiegend elastische Fasern und sind so für die Windkesselfunktion gut geeignet. Sie
besitzen die Fähigkeit die Druckwelle der Systole „aufzufangen“ und weiterzuleiten.
Arterien vom “muskulären Typ“ sind herzferne Arterien. In ihrer Media überwiegen die
ringförmig angelegten glatten Muskelfasern. Sie sind somit gut geeignet, die arterielle
Versorgung in unterschiedliche Körperregionen zu steuern und den Blutdruck zu regulieren.
Ganz kleine Arterien heißen Arteriolen. Sie haben eine einschichtige glatte Muskel-schicht
als Media und gelten als die Widerstandsregler.
Die Muskelschicht der Arterien ist am vegetativen Nervensystem angeschlossen und besitzt
verschiedene Rezeptoren.
 Eine Vasodilatation (Gefäßerweiterung) wird bewirkt durch:
 Parasympathikus / Sympathikus
 Sauerstoffmangel
 Alkohol
 Wärme
 Eine Vasokonstriktion (Gefäßverengung) wird bewirkt durch:
 Sympathikus / Parasympathikus
 Angiotensin II
 Nikotin
 Kälte
Venen







Venen werden definiert als Gefäße, die zum Herzen hinführen!
Venen sind Niederdruckgefäße (Kapazitätsgefäße) und besitzen 75% des Blutvolumens.
Die Intima bildet durch Ausstülpungen Venenklappen, die den Blutrückfluss verhindern
sollen.
Die Media (Muskelschicht) ist wesentlich dünner als die der Arterien und kann wesentlich
mehr Blutvolumen aufnehmen.
Die Adventitia ist dicker als die der Arterien und besitzt mehr elastische Fasern.
Rückfluss des venösen Blutes geschieht durch:
 Muskelpumpe
 Arterielle Pumpe
 Sogkraft durch Unterdruck im Thoraxraum
Folgende Gefäße gehören zum Niederdrucksystem:
 Venen des Körperkreislaufs
 Rechtes Herz (Vorhof/Kammer)
 Lungenkreislauf (Pulmonalarterie und –vene)
 Linker Vorhof
 Linke Kammer in der Diastole
 Pfortaderkreislauf
Herz
.
133
Kapillare (sog. Haargefäße)

Kapillare bestehen aus einschichtigem Epithelgewebe mit einer Basalmembran. Sie besitzen
5% des Blutvolumens und dienen dem Stoffaustausch. Durchmesser 6-20 µm.
Druckverhältnisse im Kapillargebiet
Resorption ca. –10 mmHg
Arteriole RR ca. 35 mmHg
kolloidosmotischer Druck im Gewebe
ca. 25 mmHg
Filtration ca. +10 mmHg






Venole RR ca. 15 mmHg
RR 15 mmHg
Am Ende der Arteriole herrscht ein Blutdruck von ca. 35 mmHg.
Im Gewebe findet sich der sog. kolloidosmotische Druck von ca. 25 mmHg, welcher durch
die „“Wasseranziehungskraft“ der Albumine im Kapillarblut entsteht.
Blutdruck der Arteriole (35) minus kolloidosmotischer Druck (25) = Filtrationsdruck im
arteriellen Kapillarschenkel (+10).
Durch Austreten von Flüssigkeit aus dem arteriellen Kapillarschenkel in das Gewebe sinkt
der Blutdruck im weiteren Verlauf der Kapillare auf 15 mmHg.
Blutdruck Anfang venöser Kapillarschenkel (15) minus kolloidosmotischer Druck (25) =
Resorptionsdruck (-10).
Infolge des Resorptionsdruckes von -10 mmHg wird ein Teil der Körperflüssigkeit zurück
in die Kapillare gebracht.
 Liegt ein Mangel an Albuminen im Blut vor und dadurch ein erniedrigter kolloidosmotischer Druck, entstehen Eiweißmangelödeme.
Gefäßverlauf
Verlauf der großen Arterien
Verlauf der Aorta mit den wichtigsten Abzweigungen


Die Aorta ist die Hauptschlagader des Körpers, die hinter dem Herzen an der Aortenklappe
beginnt und an der Aortenbifurkation in Höhe des 4. Lendenwirbels endet.
Brustaorta (Aorta thoracalis): Der im Brustkorb gelegene Teil der Aorta unterteilt sich in
aufsteigende Aorta, Aortenbogen und absteigende Aorta. Wichtige Abgänge sind:
 direkt hinter der Aortenklappe die zwei Koronararterien
 im Aortenbogen drei Gefäßabgänge für Kopf und Arme:
 Truncus brachiocephalicus, versorgt die rechte obere Körperhälfte
und teilt sich auf in A. carotis communis dextra (rechter Kopf) und
A. subclavia dextra (rechter Arm)
 A. carotis communis sinistra (linke gemeinsame Halsschlagader),
versorgt den linken Kopf und teilt sich auf Höhe des Unterkiefers
auf in A. carotis externa (Kopf außen) und A. carotis interna
(Gehirn und Augen)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
134
Herz

.
 A. subclavia sinistra (linke Schlüsselbeinarterie), versorgt den
linken Arm
 im
absteigenden
Teil
der
Brustaorta
die
Interkostalarterien
(Zwischenrippenarterien)
Bauchaorta (Aorta abdominalis): Der unterhalb des Zwerchfells gelegene Teil der
absteigenden Aorta. Wichtige Abgänge:
 Truncus coeliacus. Direkt unterhalb des Zwerchfells gelegenes
kleines Gefäßstück, von dem drei Arterien in den Bauchraum
abgehen:
Leberschlagader
(A.
hepatica),
Magenschlagader
(A. gastrica) und Milzschlagader (A. lienalis)
 Obere Mesenterialschlagader (A. mesenterica superior), versorgt den Dünndarm
und Dickdarm bis ca. Mitte Colon transversum.
 Die paarig angelegten Nierenarterien (Aa. renales)
 Untere Mesenterialschlagader (A. mesenterica inferior), versorgt den restlichen
Dickdarm.
 Hoden- bzw. Eierstockschlagader (A. testicularis, A. ovarica)
Verlauf der Arterien nach der Aortenbifurkation




Die Aorta endet mit der Gabelung (Aortenbifurkation) in die beiden Beckenschlagadern
(Aa. iliaca communes) kurz unterhalb des Bauchnabels bzw. auf Höhe des 4.
Lendenwirbels.
Verlauf: Arteria iliaca communis (gemeinsame Beckenschlagader)  Arteria iliaca externa
 Arteria femoralis (Oberschenkelschlagader)  Arteria poplitea (Kniekehlenschlagader)
 Arteria iliaca interna versorgt Eingeweide des kleinen Beckens, Geschlechtsorgane,
Gesäß- und Oberschenkelmuskeln
Arteria poplitea verzweigt sich in Arteria tibialis anterior und Arteria tibialis posterior.
Von der Arteria tibialis posterior geht die Arteria fibularis ab
Verlauf der Arterien in den Arm


Die Unterschlüsselbeinarterie (A. subclavia) geht rechts vom Truncus brachiocephalicus
und links vom Aortenbogen als dritter Ast ab.
Verlauf: Arteria subclavia  Arteria axillaris (Achselarterie)  Arteria brachialis
(Oberarmarterie)  von dort in die Arteria radialis (Speichenarterie) und Arteria ulnaris
(Ellenarterie)
Verlauf der großen Venen
Hohlvene (Vena cava)


Vena brachiocephalica dextra (venöses Blut vorm rechten Arm und rechten Kopf) und Vena
brachiocephalica sinistra (venöses Blut vom linken Arm und linken Kopf) münden in die
obere Hohlvene = Vena cava superior, welche das Blut zum rechten Vorhof leitet.
Linke und rechte Vena iliaca communis münden rechts der Mittellinie unterhalb des Nabels
in die untere Hohlvene = Vena cava inferior, welche durch den Bauchraum, durch die
Leber und durchs Zwerchfell zum rechten Vorhof zieht.
Venenwinkel

Der Venenwinkel ist die Mündung der Vena jugularis = Drosselvene (venöses Blut vom
Kopf) und der Vena subclavia in die Vena brachiocephalica. Dort mündet das Lymphgefäß
in die Venen.
Verlauf der Armvenen (Innenseite)
Herz
.

135
Auf der Daumenseite: Vena cephalica, an der radialen Ellenbeuge durch venöse Stauung
sichtbar. Geeignete Stelle zur venösen Punktion!
Auf der Kleinfingerseite: Vena basilica, an der ulnaren Ellenbeuge durch venöse Stauung
sichtbar. Nicht geeignet zur venösen Punktion, da die Gefahr zur Punktion der
darunterliegenden Arterie besteht. Geht in die Vena axillaris und die in die Vena subclavia
über.
In der Ellenbeuge verläuft die Vena mediana cubiti von der Vena cephalica zur Vena
basilica.


Verlauf der Beinvenen
Tiefe Beinvenen

E.2.3.2.5.1.



Verlauf: Vena tibialis anterior/ posterior/ Vena fibularis  Vena poplitea  Vena femoralis
 Vena iliaca externa  Vena iliaca communis  Vena cava inferior
Oberflächliche Beinvenen
Die Vena saphena parva bekommt das venöse Blut vom dorsalen oberflächlichen
Unterschenkelbereich und mündet in die Vena poplitea.
Die Vena saphena magna bekommt das venöse Blut vom gesamten oberflächlichen
Bereich der unteren Extremität und mündet in die Vena femoralis.
Zwischen den oberflächlichen und tiefen Beinvenen verlaufen die Perforansvenen (Venae
perforantes) von oberflächlich nach tief.
Blutdruck und Kreislaufregulation (Blutdruckregulation)






Der Blutdruck ist der Druck, den das Blut auf die Gefäßwände ausübt.
Systolischer Blutdruck wird bestimmt und beeinflusst von der Kontraktionskraft der
linken Herzkammer (ca. 130 mmHg).
Diastolischer Blutdruck ist der Druck des Blutes auf die Gefäßwand, wenn die
Arotenklappe geschlossen ist und die linke Kammer wieder gefüllt wird (ca. 80 mmHg).
Der Blutdruck ist abhängig von:
 Herzmuskelkraft bzw. Herztätigkeit mit verändertem Herzminutenvolumen
 Widerstand der peripheren Arterien (TPR = totaler peripherer Widerstand) durch
Kontraktion der Arteriolen (hoher peripherer Widerstand) bzw. Erweiterung der
Arteriolen (niedriger peripherer Widerstand)
 Blutvolumen mit Regulationsmöglichkeit über die Niere
Aufgabe des Kreislaufs ist, die Mindestdurchblutung aller Organe zu gewährleisten, die
Herzleistung und den Blutdruck an die jeweilige Situation anzupassen und aktive Organe
auf Kosten der ruhenden besser zu versorgen.
Regulationsmechanismen des Blutdrucks sind:
 Arterielle Barorezeptoren (Druckrezeptoren) in der Wand des Aortenbogens und
des Karotissinus (Erweiterung an der Teilungsstelle der Halsschlagader in
äußere und innere Halsschlagader) geben als Messfühler Information über den
Blutdruck zum Kreislaufzentrum in der Medulla oblongata (verlängertes
Rückenmark).
 Venöse Barorezeptoren (Dehnungsrezeptoren) des rechten Herzvorhofs
reagieren auf Veränderungen des Blutvolumens. Bei Hypervolämie
(Vermehrung des Blutvolumens) reagieren die venösen Barorezeptoren und
führen zu Ausschüttung des ANP (Atriales natriuretisches Peptid) in den
Herzmuskelzellen. Wirkung:
 Verstärkte Natriumausscheidung in den Nieren.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
136
Herz
.
 Hemmung der Renin-Ausschüttung und damit Hemmung des
RAAS.
 Hemmung
der
Ausschüttung
von
ADH
im
Hypophysenhinterlappen.
 Hemmung des Durstgefühls im Hypothalamus.
 Vasodilatation der Gefäße mit Erniedrigung des Blutdruckes.
 Eigenregulation der Niere durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems
(RAAS).
 Nervale Regulation des Hypothalamus mittels Sympathikus und
Parasympathikus.
 Lokale Regulationsmechanismen sind Stoffe, die von Abwehrzellen oder
Gewebsmastzellen ausgeschüttet werden können.
 Histamin, Bradykinin (Gefäßerweiterung)
 Serotonin (Gefäßverengung)
Alter
Neugeborene
Säuglinge
Kinder bis 10 Jahre
Blutdrücke für Kinder
Systolischer Blutdruck
60-85 mmHg
80-90 mmHg
90-100 mmHg
Diastolischer Blutdruck
Nicht feststellbar
60 mmHg
60-70 mmHg
Untersuchungsmethoden
Blutdruckmessung nach Riva-Rocci (RR) 






Gemessen wird in mm Quecksilbersäule (= mmHg).
Benutzt wird eine aufblasbare Gummimanschette mit Manometer beim liegenden oder
sitzenden Patienten am Oberarm (3 cm über der Ellenbeuge), wobei der Ellenbogen sich
ungefähr auf Höhe des Herzens befinden soll.
Die Manschette wird aufgepumpt bis der Puls an der A. radialis nicht mehr tastbar ist und
dann noch 30 mmHg über diesen Druck.
Langsames Ablassen des Manschettendruckes (ca. 3 mmHg/sek.) und dabei gleichzeitig
Auskultation der Arterie in der Ellenbeuge (Arteria cubitalis).
Beim ersten hörbaren Geräusch (Korotkow-Ton) zeigt das Manometer den systolischen
Blutdruck an. Der diastolische Wert wird abgelesen, wenn das Geräusch ganz verschwindet.
Wichtig bei der Blutdruckmessung (Fehlerquellen)!
 Eine Blutdruckmessung muss mindestens drei Mal die Woche erfolgen.
 Bei Erstdiagnostik immer an beiden Armen messen.
 Bei Verwendung einer normalen Blutdruckmanschette bei sehr dicken Personen
können zu hohe Werte gemessen werden. Eine zu breite Manschette führt zu
falsch niedrigen Werten (Druck = Kraft geteilt durch Fläche).
 Vor der Blutdruckmessung muss eine Ruhephase erfolgt sein.
 Eine zu locker angelegte Manschette führt fälschlicherweise zu hoch gemessen
Werten.
 Eine mögliche Fehlerquelle bei der Blutdruckmessung ist die sog.
auskultatorische Lücke: Beim Ablassen der Luft aus der Blutdruckmanschette
kann der Korotkow-Ton vorrübergehend so leise werden, dass man ihn
fälschlicherweise als den diastolischen Druck annimmt oder man bläst die
Blutdruckmanschette (z.B. bei Bluthochdruck-patienten) zu gering auf. Dann
kann es sein, dass man genau die Lücke trifft und den ersten Ton als systolischen
Blutdruck falsch erkennt.
Kontraindikationen
Herz
.

137
Eine Blutdruckmessung ist nicht angebracht bei:
 Arterielle oder venöse Zugänge
 Dialyseshunt
 Lymphödem
 Lähmung des betroffenen Arms
 Erhebliche Verletzungen des betroffenen Arms
 Nach Resektion von axillären Lymphknoten
Pulstastung

Der Puls ist die tastbare durch den systolischen Blutauswurf des Herzens entstehende
arterielle Druckwelle. Sie gibt Auskunft über:
 Herzfrequenz
 Stärke des Blutdruckes
 Durchgängigkeit von Arterien
 Puls ist während der Einatmung schneller, bei der Ausatmung langsamer.
Pulsqualitäten







Die Beurteilung der Pulsqualität kann bei der Erstanamnese zu einer Verdachtsdiagnose
führen.
Pulsqualität bezüglich der Frequenz:
 Pulsus frequens: > 100 Schläge/min, z.B. bei Schock, Fieber u.a.
 Pulsus rarus: < 50 Schläge/ min, z.B. bei Digitalisintoxikation
Pulsqualität bezüglich der Regelmäßigkeit:
 Pulsus regularis: nicht arrhythmischer Puls, Normalbefund
 Pulsus irregularis: arrhythmischer Puls, Arrhythmie.
Pulsqualität bezüglich der Unterdrückbarkeit
 Pulsus durus: harter Puls bei hohem systolischen Blutdruck, z.B. bei
Aortenklappeninsuffizienz
 Pulsus mollis: weicher Puls bei niedrigem systolischen Blutdruck
Pulsqualität bezüglich der Amplitudengröße
 Pulsus altus (Pulsus magnus): hoher Puls, große Blutdruck-Amplitude, z.B.
Hyperthyreose, Aorteninsuffizienz
 Pulsus parvus: niedrige Blutdruck-Amplitude, z.B. Aortenstenose, Mitralstenose
Pulsqualität bezüglich der Geschwindigkeit der Pulswelle
 Pulsus celer: schnell ansteigende Pulswelle, z.B. Aorteninsuffizienz
 Pulsus tardus: langsam ansteigende Pulswelle, z.B. Aortenstenose,
Mitralstenose, Perikarditis
Weitere klinisch relevante Pulsqualitäten:
 Pulsus celer et altus et durus: Sog. Wasserhammerpuls, schnell – hoch – hart,
typisch bei Aortenklappeninsuffizienz
 Pulsus tardus et parvus et mollis: Langsamer, kleiner und weicher Puls, typisch
bei Aortenklappenstenose
 Pulsus bigeminus (Bigeminie): Sog. Doppelschlägigkeit, regelmäßiger Wechsel
zwischen hartem und weichem Puls, nach einer Herzaktion erfolgt eine
Extrasystole, z.B. bei Digitalisintoxikation
 Pulsus trigeminus (Trigeminie): Nach zwei normalen Sinusschlägen erfolgt eine
Extrasystole
 Pulsus alternans: abwechselnd starker und schwacher Puls, z.B. Herzinsuffizienz
© Arpana Tjard Holler (Autor)
138
Herz
.
 Pulsus differens: Pulse sind rechts und links unterschiedlich, z.B. bei
Aortenisthmusstenose, Arteriosklerose, Aneurysma
 Pulsus filiformis: sehr dünner Puls, schlecht wahrnehmbar, bei Schock oder
Kreislaufzusammenbruch
Herz
.
139
Wichtige Palpationsstellen für Pulse neben der Arteria radialis:










Arteria brachialis (Oberarmarterie): Innenseite Oberarm, zwischen Bizeps und Humerus,
am besten ulnar im Bereich des Ellenbogengelenks
Arteria axillaris (Axelarterie): Mitte der Achselhöhle.
Arteria subclavia (Schlüsselbeinarterie)
Arteria carotis communis (Halsschlagader): Vor dem Kopfwender (M.
sternocleidomastoideus) auf Höhe des Kehlkopfes.
Arteria temporalis (Schläfenarterie)
Aorta abdominalis (Bauchaorta): Bei liegenden Personen mit angewinkelten Beinen
unterhalb des Nabels etwas links der Mittellinie.
Arteria femoralis (Oberschenkelarterie): Am liegenden Patienten kurz unterhalb der Mitte
des Leistenbandes.
Arteria poplitea (Kniekehlen-Arterie): Tief in der Mitte der Kniekehle.
Arteria tibialis posterior (hintere Schienbeinarterie): Zwischen dem inneren Knöchel und
Achillessehne.
Arteria dorsalis pedis (Fußrücken-Arterie): Auf dem Fußrücken zwischen den Sehnen der
1. und 2. Zehe.
 Pulsmessung immer seitenvergleichend vornehmen!
Kreislauffunktionsprüfungen
Schellong-Test 




Der Schellong-Test gibt Auskunft über hypotone Kreislaufstörungen (orthostatische
Hypotonie).
Zuerst wird im Liegen Blutdruck und Frequenz gemessen und dann im Stehen.
Normale Reaktion ist eine leichte Zunahme der Pulsfrequenz bei zunächst gleichbleibendem
oder nur leicht absinkendem systolischen Blutdruck (max. 10-15 mmHg), während der
diastolische Blutdruck unverändert bleibt oder nur leicht ansteigt.
Bei der orthostatischen Hypotonie kommt es zum Abfall des systolischen Blutdruckwertes
mit Abnahme der Blutdruckamplitude und einer erhöhten Pulsfrequenz.
Ratschow-Test (Lagerungsprobe) 


Der Ratschow-Test dient zur Erkennung arterieller peripherer Durchblutungsstörungen
(pAVK) in den unteren Extremitäten.
Patient liegt auf dem Rücken und hebt die Beine senkrecht nach oben. Jetzt lässt er die Füße
möglichst so lange kreisen, bis Schmerzen ihn zwingen anzuhalten. Beim anschließenden
Sitzen kommt es nach wenigen Sekunden zu einer deutlichen Rötung der Füße.
Pathologische Zeichen:
 Abblassen der Hautfarbe und auftretende Schmerzen.
 Beim Herabhängen der Beine tritt eine Durchblutung mit vermehrter Rötung
verspätet auf, ebenso die anschließende Venenfüllung.
Faustschlussprobe


Die Faustschlussprobe dient zur Erkennung arterieller Durchblutungsstörungen in der
oberen Extremität.
Patient hebt die Arme senkrecht hoch und öffnet und schließt die Fäuste innerhalb von
2 Minuten ca. 60mal. Pathologische Zeichen:
 Während der Übung kommt es zu einem meist fleckförmigen Abblassen der
Finger und der Handinnenfläche.
 Beim Herablassen der Hände tritt eine vermehrte Durchblutung und die
anschließende Venenfüllung verspätet auf.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
140
Herz
.
Gehtest


Der Gehtst dient zur Erkennung von schweren arteriellen Durchblutungsstörungen in den
Beinen (Claudicatio intermittens).
Patient wird aufgefordert bei forscher Schrittfolge eine Gehstrecke von mindestens 200 m
zu bewältigen. Pathologische Zeichen:
 Starke Schmerzen, die ihn am Weitergehen hindern.
Untersuchungen bei Verdacht auf chronisch venöse Insuffizienz

Zur Diagnostik einer chronischen Veneninsuffizienz sind zwei Untersuchung bedeutsam:
Perthes-Test (Perthes-Versuch) 

Test zur Prüfung einer Klappeninsuffizienz der tiefen Beinvenen bzw. der Perforansvenen
(Verbindungsvenen zwischen den oberflächlichen und tiefen Beinvenen).
 Durchführung: Anlegen einer Staubinde am Oberschenkel oberhalb der
oberflächlichen Krampfadern bzw. unterhalb der Mündungsstelle der Vena
saphena magna in die Oberschenkelvene (Vena femoralis). Dadurch kommt es
zur prallen Füllung der Varizen. Der Patient wird dann aufgefordert 5 Minuten
umherzugehen
 Beurteilung:
 Werden die vorher prall gefüllten Venen durch das Umhergehen
(Muskelpumpe) leer gepumpt, ist keine Klappeninsuffizienz der
Perforans- und tiefen Beinvenen gegeben bzw. sind diese frei
durchgängig (Fluss des venösen Blutes erfolgt von den
oberflächlichen Venen über die Perforansvenen in die tiefen
Beinvenen). Die Varizen müssen dann durch eine
Klappeninsuffizienz der oberflächlichen Beinvenen bedingt sein.
 Erfolgt durch das Umherlaufen keine Entleerung der sichtbaren
Krampfadern,
muss
eine
Klappeninsuffizienz
der
Verbindungsvenen bzw. der tiefen Beinvenen angenommen
werden.
Trendelenburg-Test

Test zur Prüfung einer Klappeninsuffizienz der tiefen Beinvenen bzw. der Perforansvenen.
 Durchführung: Am liegenden Patienten wird das betroffene Bein hochgelagert,
um die Varizen leer laufen zu lassen. Nicht leer gelaufene Varizen werden
ausgestrichen. Dann wird eine Staubinde am Oberschenkel an der Leiste
angelegt. Der Patient wird aufgefordert sich hinzustellen. Dabei wird beobachtet
wie rasch sich die oberflächlichen Venen wieder füllen. Die Staubinde bleibt
angelegt.
 Beurteilung:
 Trendelenburg negativ: Von der Peripherie ausgehende allmähliche
Füllung der oberflächlichen Venen und nach Lösung der Stauung
nicht mehr zusätzlich.
 Trendelenburg positiv: Kommt es noch während der Stauung
innerhalb von 20 Sekunden zur Venenfüllung liegt eine
Klappeninsuffizienz der Perforansvenen vor. Das Blut aus den
tiefen Beinvenen fließt entgegen der physiologischen Richtung
über die Perforansvenen in die oberflächlichen Venen ab.
 Trendelenburg doppelt positiv: Kommt es nach Lösung der
Stauung zur raschen Venenfüllung von proximal nach distal (in
Richtung Fuß) liegt eine Klappeninsuffizienz der Vena saphena
vor.
Herz-Kreislauf Pathologie
141
Herz-Kreislauf Pathologie
Erkrankungen des Herzens .................................................................................................................. 143
Erkrankungen des Kreislaufs ............................................................................................................... 162
E.4.2.4.1.1.Thrombangiitis obliterans (Endangiitis obliterans, Winiwarter-Buerger- Krankheit) . 171
© Arpana Tjard Holler (Autor)
142
Herz-Kreislauf Pathologie
Herz-Kreislauf Pathologie
143
Erkrankungen des Herzens
Koronare Herzkrankheiten (KHK) 
Def:
KHK bezeichnet eine ungenügende Durchblutung der Herzkranzgefäße
(Koronarinsuffizienz). Dadurch entsteht ein Missverhältnis zwischen dem
Sauerstoffangebot im Blut und dem Sauerstoffbedarf im Herzmuskel.
Urs:
 Arteriosklerose bzw. Koronarsklerose
 Krampf der Herzkranzgefäße (Koronarspasmus)
 Entzündungen der Herzkranzgefäße
Geringes Sauerstoffangebot (Anämie, Lungenerkrankungen)
Sym: Mögliche Folgen von KHK sind:
Angina pectoris
Herzinfarkt

 Herzinsuffizienz
Herzrhythmusstörungen
Angina pectoris (Herzenge, Stenokardie) 
Def:
Akute vorübergehende Sauerstoffunterversorgung des Herzens mit plötzlich
einsetzenden Schmerzen im Brustkorb.
Urs:
 Am häufigsten in der Folge arteriosklerotischer Prozesse
 Auch im Rahmen von Herzklappenfehlern möglich (z.B. Aortenklappenfehler).
Anfall kann ausgelöst werden durch:
 Körperliche Anstrengung
 Psychische Stresssituation
 Temperaturwechsel, Kälte, extreme Wetteränderung
 Große, fettreiche Mahlzeit
 Aufenthalt in großen Höhen
 Die vasospastische Angina (Prinzmetal-Angina) gilt als Sonderform. Es handelt
sich um einen Koronarspasmus, welcher anfallartig meist in Ruhe auftritt. Diese
Patienten haben kerngesunde Herzen!
Pat:
Der Angina pectoris-Anfall gilt als Leitsymptom einer Koronarverengung.
Er ist nicht als Zeichen einer beginnenden KHK, sondern meist als Vorbote eines
Herzinfarktes zusehen. Aber nur die Hälfte der Patienten mit Verengungen der
Herzkranzgefäße entwickeln Angina pectoris-Beschwerden.

Unterscheidung der Angina pectoris-Formen:
 Stabile Angina pectoris. Entsteht regelmäßig durch bestimmte Mechanismen
(z.B. körperliche Belastung, reichliche Mahlzeit, Kälte) und ist gut mit
Nitroglycerin therapierbar.
 Instabile Angina pectoris. Zeichnet sich durch zunehmende Schwere, Dauer
und Häufigkeit aus. Ist nicht gut mit Nitroglycerin therapierbar. Meist
bestehen nächtliche Anfälle mit Ruheschmerzen, gilt als akutes
Herzinfarktrisiko.
Sym.: 
Retrosternale drückende Empfindung, evtl. ein Ziehen, welche immer nur von kurzer
Dauer sind.

Ausstrahlung typischerweise in die linke Schulter und in den linken Arm, aber auch
Oberbauchbeschwerden (Blähungen, Sodbrennen).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
144
Herz-Kreislauf Pathologie
The:

Abklingen der Beschwerden nach Einnahme von Nitroglyzerin sublingual.
 Sauerstoffbedarf vermindern und Sauerstoffzufuhr erhöhen.
 Während des Anfalls: Nitroglyzerin (Kapseln und Spray), nur bei konstantem
systolischem Blutdruck über 100 mmHg (sonst Gefahr auf akutes Nieren-versagen).
 Medikamente über längeren Zeitraum:
 Betablocker
 Acetylsalicylsäure (ASS)
Herzinfarkt (Myokardinfarkt) 
Def.:
Absterben von Herzmuskelgewebe (Myokardnekrose) aufgrund einer verminderten
Durchblutung in den Herzkranzgefäßen.
Urs.:
 Koronarsklerose. Zu den Risikogruppen gehören:
 Menschen mit Arteriosklerose
 Menschen mit Bluthochdruck
 Raucher
 Missverhältnis der Blutfettwerte (Dyslipidämie): Cholesterin gesamt erhöht
(Hypercholesterinämie); HDL erniedrigt, LDL erhöht; evtl. auch
Triglyzeride erhöht.
 Menschen mit Adipositas
 Menschen mit Diabetes mellitus
 Embolie
Pat.:
 Je nach Lage Hinterwandinfarkt (überwiegend die linke Kammer; am häufigsten)
oder Vorderwandinfarkt (überwiegend die rechte Kammer).
 Das Ausmaß des Herzinfarktes hängt davon ab, wie groß das Gebiet ist, das die
unterbrochene Arterie zu versorgen hatte.
 20% der Infarkte verlaufen stumm, ohne Symptomatik!
 Häufig treten Infarkte in den Morgenstunden auf.
Sym.: 
Länger anhaltender Schmerz, welcher nicht besser wird bei Einnahme von
Nitroglyzerin (nitratresistent).

Schmerzausstrahlung typischerweise in die linke Schulter und in den linken Arm
(Kleinfingerseite), aber auch möglich in den rechten Arm, Hals, Kiefer und
Oberbauch (evtl. akutes Abdomen, Bauchschmerzen, Sodbrennen).

Vernichtungsschmerz mit Todesangst

Symptomatik kann auch nur sehr gering sein, z.B. nur Oberbauchschmerzen

Vegetative Begleitsymptomatik wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, kalter
Schweiß, Blässe, Kältegefühl

Schocksymptome (Tachykardie, Blutdruckabfall)

Evtl. Rasselgeräusche über der Lunge (Lungenödem)

Evtl. gestaute Halsvenen (akute Rechtsherzinsuffizienz)

Evtl. leichtes Fieber nach 1-2 Tagen; beim Zerfall körpereigener Eiweiße
werden pyogene (fiebererzeugende) Stoffe frei.
 Der Blutdruck kann am Anfang normal oder erhöht sein, im weiteren Verlauf muss
mit einem sinkenden Blutdruck gerechnet werden.
Lab.:  Leukozytose mit Linksverschiebung
 BSG 
 Charakteristischer Anstieg von Enzymen im Blut.
 Herzspezifisches Troponin-T  (Schnelltest, in ca. 1 Minute)
 Herzspezifische CK (CK-MB) 
 Myoglobin (Muskelfarbstoff) 
Herz-Kreislauf Pathologie
145
 Gesamt-CK (Creatin-Kinase) 
 GOT (Glutamat-Oxalazetat-Transaminase) 
 LDH (Laktat-Dehydrogenase) 
 EKG zeigt die Infarktgröße und die Lokalisation an (nach 1-2 Tagen)
 Bei einem Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt sind i.m.-Injektionen streng
kontraindiziert, weil in der Regel eine Lysetherapie erfolgt. Infolge der
Lysetherapie kann eine i.m.-Injektion zu starken Einblutungen ins Gewebe führen.
Kom.: Gefahr eines Herztodes innerhalb der ersten 24 Stunden am größten.
Kardiogener Schock (Hypotonie, Tachykardie; Schockindex > 1)
 Herzrhythmusstörungen: Kammerflimmern (oft Todesursache), Vorhofflimmern
mit absoluter Tachyarrhythmie, AV-Blockierung
 Akute Linksherzinsuffizienz mit daraus resultierendem Lungenödem
 Papillarmuskelriss mit Insuffizienz einer Segelklappe
 Kammerseptumdefekt mit Links-Rechts-Shunt
 Herzwandruptur mit Bluteintritt in den Herzbeutel, Perikarditis, Perikarderguss
 Entstehung von Embolien
 Reinfarkt: Auftreten eines zweiten Herzinfarktes nach 24 Stunden
The:
 Notarzt rufen
 Wichtig: Beruhigen, um eine weitere Adrenalinausschüttung zu verhindern!
 Oberkörper etwas aufrichten und die Beine waagerecht oder leicht nach unten legen
(Herzbettlagerung
 Wenn möglich venösen Zugang legen, minimal laufen lassen
 Keine i.m. Spritzen geben (wg. CK - Verfälschung)
 Vitalparameter regelmäßig bis zum Eintreffen des Notarztes überprüfen
 Wenn möglich Sauerstoffgabe (5-6 l/min)
DD:
 Herz:
 Angina pectoris, Myokarditis, Perikarditis
 Herzneurose (Ausschlussdiagnose)
 Lunge:
 Lungenembolie, Pleuritis sicca, Ventilpneumothorax
 Ösophagus:
 Refluxkrankheit
 Abdomen:
 Akute Pankreatitis, Ulkus ventriculi und duodeni (v.a. Perforation),
Cholelithiasis (Gallensteine), Roemheld-Syndrom
 Sonstiges: Herpes Zoster (Gürtelrose)
Entzündliche Herzerkrankungen
Endokarditis 
Def:
Entzündung der Herzinnenhaut, die über narbige Veränderungen an den Herzklappen
zu Herzklappenfehlern führen kann. Sie wird infektiös (Bakterien, Viren, Pilze) oder
rheumatisch verursacht.
Urs:
 Rheumatische, abakterielle Endokarditis (E. verrucosa)
 Autoimmunreaktion auf primären Streptokokkeninfekt (beta-hämolysierende
Streptokokken der Gruppe A). 1-3 Wochen nach Streptokokkeninfekt im
oberen Respirationstrakt entsteht durch überschießende immunologische
Reaktion das rheumatische Fieber.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
146
Herz-Kreislauf Pathologie
 Die Endokarditis ist eine Manifestation des rheumatischen Fiebers am
Herzen und tritt bei ca. 50% der Patienten auf.
 Führt zu Klappenfehler überwiegend an der Mitralklappe (Insuffizienz).
 Akute bakterielle Endokarditis (E. septica)
 Direkte Besiedlung von Bakterien (Strepto-, Staphylo-, Enterokokken)
an den meist vorgeschädigten Klappen (Mitral- und Aortenklappe) mit
Sepsis und schwerem Krankheitsbild.
 Subakut bakterielle Endokarditis (E. lenta)
 Langsamer und schleichender Verlauf, schwer zu diagnostizieren.
Erreger meist Streptococcus viridans
Sym:
 Rheumatische Endokarditis
 Fieber
 Anfallartige Tachykardien, systolisches Geräusch
 Rhythmusstörungen
 Polyarthritis
 Zeichen einer Karditis können fehlen oder sind uncharakteristisch.
 Akute bakterielle Endokarditis
 Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie, starkes Krankheitsgefühl
 Splenomegalie (geschwollene Milz)
 Mikroembolien z.B. an Fingern und Zehen (Osler-Knötchen)
 Herzgeräusche, je nachdem welche Herzklappe betroffen ist
 Hämaturie
 Subakut bakterielle Endokarditis (Endokarditis lenta)
 Schleichender Verlauf, unklares Fieber, Herzbeschwerden, unspezifische
Symptome wie Leistungsminderung, Gewichtsverlust und Nachtschweiß
 Osler-Knötchen: schmerzhafte, rötliche Knötchen (Entzündung kleinster
Gefäße aufgrund einer bakteriellen Mikroembolie)
 Petechien, Anämie
Kardiomyopathie (Myokardiopathie)
Def.:
Bezeichnung für alle Erkrankungen des Herzmuskels, die nicht durch koronare
Herzkrankheit, angeborene und erworbene Herzfehler, Herzbeutelerkrankungen und
pulmonaler und arterieller Hypertonie entstehen. Eine dilatative Kardiomyopathie
kommt bei chronischen Verläufen vor. Sie entsteht, wenn der Herzmuskel infolge der
Erkrankung insuffizient wird und dilatiert.
Urs.:
 Primäre Kardiomyopathie, idiopathisch
 Sekundäre Kardiomyopathie
 Infektiöse Myokarditis durch Bakterien (z.B. Streptokokken), Viren (z.B.
Influenzaviren, HIV), Protozoen (Toxoplasmose), Pilze, Würmer (Trichinose)
 Rheumatische Myokarditis
 Allergisch bedingt (Medikamente, z.B. Sulfonamide)
 Alkoholabusus (alkoholische Kardiomyopathie)
 Hormonelle Störungen, z.B. Diabetes mellitus, Hyper- und Hypothyreose,
Akromegalie
 Systemerkrankungen, z.B. Kollagenosen
Sym.: 
anfallartige Tachykardien schon bei der kleinsten Anstrengung

Herzrhythmusstörungen, neu auftretendes oder verändertes Herzgeräusch

evtl. retrosternales Druckgefühl oder Angina pectoris ähnliche Beschwerden

evtl. Fieber, BSG-Erhöhung, Leukozytose
Herz-Kreislauf Pathologie
147

evtl. Zeichen einer Herzinsuffizienz (Lungenstauung, venöse Stauungszeichen)

EKG-Veränderungen
The.:
Bettruhe, Grunderkrankung, Antibiotika, Digitalis, Schrittmacher
Perikarditis
Def.:
Entzündung des Herzbeutels
Urs:






Pat:
Häufig sind Herzbeutel und Herzmuskel gleichzeitig betroffen.
Infektionen (am häufigsten viral)
Autoimmun bedingt (z.B. Kollagenosen, rheumatisches Fieber)
Tumore (z.B. Tumor der Lunge)
Thoraxtraumen, Bestrahlungen
Urämie (harnpflichtige Substanzen entzünden seröse Häute)
Nach einem Herzinfarkt
Sym.:  Perikarditis sicca (trockene Perikarditis)
 Stechende Schmerzen in der Herzgegend
 Herzschlagsynchrone Reibegeräusche (Schleifpapiergeräusch)
 Perikarditis
exsudativa
(feuchte
Perikarditis
=
Perikarderguss)
Flüssigkeitsaustritt in den Perikardspalt (Herzbeuteltamponade).
Charakteristische Trias (Beck-Trias):
 leise Herztöne
 venöse Stauungszeichen am Hals
 arterielle Hypotonie, Dyspnoe
Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) 
Def:
Die Unfähigkeit des Herzens die angebotene Blutmenge vollständig weiter zu
befördern. Das Herzzeitvolumen sinkt ab und es kommt zu Stauungserscheinungen vor
dem geschwächten Ventrikel.
Pat:
 Kompensative Phase:
 Die Herzmuskelzellen hypertrophieren (Zelle wird größer) um eine bessere
Auswurfleistung zu erreichen.
 Dekompensative Phase:
 Durch die Vergrößerung der Herzmuskelzellen verlängert sich die
Diffusionsstrecke zwischen Zellen und Herzkranzgefäßen.
 Sauerstoff- und Nährstoffmangel führt zum Nachlassen der
Kontraktionskraft der Herzmuskulatur mit Dilatation und Insuffizienz.
 Rechtsherzvergrößerung: Verlagerung des Herzspitzenstosses über
die Medioklavikularlinie hinaus nach links außen.
 Linksherzvergrößerung: Verlagerung des Herzspitzenstosses über
die Medioklavikularlinie nach links unten.
 Konservativ
 Körperliche Schonung des Patienten, sog. Herzlagerung, Patient liegt mit
aufgerichtetem Oberkörper und leicht herabhängenden Beinen.
 Kochsalzarme Diät, kleine Mahlzeiten (fettarm), am Abend möglichst keine
Mahlzeiten mehr, Trinkmenge nicht mehr als 1 Liter pro Tag.
 Submaximales Ausdauertraining für 10 Minuten
 Gewichtsnormalisierung, Stuhlregulierung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
The.:
148
Herz-Kreislauf Pathologie
Herz-Kreislauf Pathologie
149
 Medikamentöse Therapie (siehe Kapitel 6)
 Steigerung der Kontraktionskraft durch Herzglykoside (Digitalispräperate).
 Senkung der vom Herzen zu pumpenden Blutmenge (sog. Vorlast)
durch Diuretika (führt zur vermehrten Urinausscheidung).
 Verringerung des Förderdruckes (sog. Nachlast) durch ACE-Hemmer
(führen zu einer Gefäßerweiterung).
Linksherzinsuffizienz 
Def:
Das linke Herz ist nicht mehr in der Lage die angebotene Blutmenge vom
Lungenkreislauf in den großen Körperkreislauf zu pumpen. Das Blut staut sich zurück
in die Lunge.
Pat.:
Kompensierte Linksherzinsuffizienz
Ein Sauerstoffmangel (unzureichende Durchblutung der Organe) führt zur
Ausschüttung von Adrenalin und Aktivierung des RAA-Systems. Die Folge ist eine
Zunahme des Blutdrucks und des Blutvolumens, welche wiederum die Vorlast
(enddiastolisches Volumen) erhöht und so den Frank-Starling-Mechanismus
aktiviert: Durch erhöhte Vordehnung der Herzmuskelfasern kommt es zu einer
Verstärkung der Kontraktionskraft (Hypertrophie der Herzmuskelfasern), d.h. zur
Erhöhung des Herzzeitvolumens; das Herz wird kräftiger.
Dekompensierte Linksherzinsuffizienz
Bei dem kritischen Herzgewicht (500gr) sind die Herzmuskelfasern so groß
geworden, dass eine ausreichende Versorgung über die Kapillaren nicht mehr
gegeben ist (Kapillare wachsen nicht mit). Das Herz erschlafft (Herzdilatation).
Urs.:
 Akute Linksherzinsuffizienz
 Herzinfarkt
 Hypertensive Krise (extrem hoher Bluthochdruck)
 Chronische Linksherzinsuffizienz
 Endokard: angeborene und erworbene Herzklappenfehler (Endokarditis)
 Myokard: Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Herzmuskelerkrankungen
(Kardiomyopathien), KHK, Herzrhythmusstörungen
 Perikard: Herzbeutelentzündung (Perikarditis)
 Außerhalb des Herzens: Hypertonie, Arteriosklerose, Anämie
Sym.: Stadien nach NYHA (New York Heart Association)
 Stadium I: Nachweis einer Herzinsuffizienz durch technische
Untersuchung, jedoch keine Beschwerden bei normaler
Belastung.
 Stadium II: Atemnot und Tachykardie bei normaler Belastung.
 Stadium III: Atemnot und Tachykardie bei leichter Belastung.
 Stadium IV: Atemnot Tachykardie in Ruhe (Asthma cardiale).
 Asthma cardiale
Klinisches Bild eines Patienten mit Linksherzinsuffizienz, anfallartige, meist
nächtliche Atemnot mit Husten und spastischer Verengung der Bronchien,
Orthopnoe (Atemnot im Liegen, verbessert sich durch Aufrechtsitzen, Atmung nur
in der aufrechten Position möglich), Sputum evtl. durch Blutbeimengung rötlich
Die Anzahl der Kissen gibt den Grad der Linksherzinsuffizienz an.
Kom.:  Lungenödem
Stauungspneumonie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
150
Herz-Kreislauf Pathologie
 Im weiteren Verlauf Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz (Globalinsuffizienz)
Rechtsherzinsuffizienz 
Def:
Das rechte Herz kann das venöse Blutangebot nicht mehr vollständig zur Lunge bzw.
in den kleinen Kreislauf pumpen. Das Blut staut sich in den großen Körperkreislauf
zurück.
Urs.:
 Akute Rechtsherzinsuffizienz
 Lungenembolie
 Herzinfarkt (Vorderwandinfarkt)
 Chronische Rechtsherzinsuffizienz
 Lungenerkrankungen, die zu einem Abbau von Lungenkapillaren führen
(z.B. Lungenemphysem und Lungenfibrosen), nennt sich Cor pulmonale.
 Klappenfehler (Pulmonalinsuffizienz oder –stenose)
 KHK, Myokarditis
 Rezidivierende Lungenembolien
 Durch gestaute Linksherzinsuffizienz, nennt sich dann jedoch
Globalinsuffizienz
 Cor Pulmonale ist der Ausdruck für eine Rechtsherzinsuffizienz, die als
Folge einer Erkrankung in der Lunge entsteht (Emphysem, Lungenfibrosen).
Es kommt zum Abbau von Lungenkapillaren, welcher zu einem erhöhten Druck im
Lungenkreislauf führt. Die rechte Herzkammer muss gegen den Widerstand
anpumpen, hypertrophiert und kann später dann dilatieren.
Sym.: 
Belastungsdyspnoe, Zyanose
 Gestaute Hals- und Unterzungenvenen (bei erhöhtem Oberkörper)
 Gefüllte Handrückenvenen beim Hochheben des Armes (Gaertner-Zeichen)
 Ödeme in den Beinen und am Knöchel
 Gewichtszunahme infolge ödematöser Aufschwemmung
 Nykturie (In der Ruhe reicht die Herzleistung aus. Die ins Gewebe ausgetretene
Flüssigkeit gelangt nachts wieder in die Gefäße und wird über die Nieren
ausgeschieden)
 Stauungsleber
 Hepatomegalie (vergrößerte Leber)
 evtl. Stauungshepatitis
 Ausbildung eines Pfortaderhochdrucks mit Aszites (Bauchwassersucht),
Splenomegalie
(vergrößerte
Milz),
portokavale
Anastomosen
Umgehungskreisläufe), Stauungsgastritis und Stauungsenteritis mit
Malabsorption
 Stauungsniere mit Eiweiß im Urin (Proteinurie)
 Pleuraerguss (venöse Entsorgung über Vena cava inferior)
 Herzvergrößerung
 Zerebrale Stauungserscheinungen
 Schlafstörung bei ständiger Müdigkeit
 Aggressionen od. Depressionen, Gedächtnisschwäche
 Kopfschmerz (durch Blutfülle)
 Sehstörungen (im Auge sind gestaute Venen sichtbar)
 Akustischer Dauerton (Rauschen, Pfeifen)
Herz-Kreislauf Pathologie
151
Herzfehler (Herzvitium) 
Erworbene Herzklappenfehler






Erworbene Herzfehler entstehen in der Regel durch rheumatisches Fieber.
Meist sind die Klappen des linken Herzens betroffen.
Oft treten Symptome eines Herzklappenfehlers erst Jahre oder Jahrzehnte nach der
ursächlichen Endokarditis auf.
Eine Stenose entsteht durch eine narbige Verziehung in der Herzklappe, eine Insuffizienz
durch entzündliche Zerstörungen an den Klappenrändern.
Kombinierte Herzklappenfehler weisen pathologische Veränderungen einer Stenose und
einer Insuffizienz auf.
Taktik mit der das Geräusch (Diastolikum oder Systolikum) zum jeweiligen
Herzklappenfehler assoziiert wird: 1. Frage: Was bedeutet die Stenose bzw. Insuffizienz der
betroffenen Herzklappe? 1. Antwort: Die betroffene Herzklappe öffnet bzw. schließt nicht
richtig. 2. Frage: Wann soll die betroffene Herzklappe öffnen bzw. schließen? 2. Antwort:
Die betroffene Herzklappe soll in der Diastole/Systole öffnen bzw. schließen. In der
Herzphase in der die betroffene Herzklappe sich öffnet bzw. schließt findet das Geräusch
statt.
Aortenklappeninsuffizienz 


Def:
Urs:
Pat:
Die Aortenklappe schließt nicht richtig.

 Meist rheumatisch erworben (Folge eines Streptokokkeninfekts).
 Selten angeboren.
Während der Diastole fließt ein Teil des Schlagvolumens durch die halboffene
Aortenklappe zurück in die linke Kammer (Pendelblut). Dadurch erhöht sich das
systolische Schlagvolumen, der linke Herzmuskel vergrößert sich und dilatiert dann
später mit den typischen Zeichen einer Linksherzinsuffizienz.
Sym.:  Große Blutdruckamplitude (z.B. 160/40) mit hohem systolischen und
niedrigem diastolischem Wert (Leitsymptom)
 Pulsierende Karotis (Halsschlagader)
 Kapillarpuls (festzustellen beim Herunterdrücken eines Fingernagels)
 Musset-Zeichen (pulssynchrones Kopfnicken; sprich „müsä“)
 Herzpalpitationen (Palpitatio cordis)
 Schwindelanfälle beim Aufstehen, Angina pectoris
 Zeichen einer Linksherzinsuffizienz (Stadium 1-IV)

Auskultation: Diastolisches Geräusch im 2. ICR rechts parasternal
Bei einer höhergradigen Aortenklappeninsuffizienz kann auch ein systolisches
Geräusch zu hören sein.

Palpation Herz: Bei Dilatation verlagerter Herzspitzenstoß nach links außen unten

Palpation Puls: Pulsus celer et altus et durus (sog. Wasserhammerpuls, schnell –
hoch – hart)
Aortenklappenstenose (Aortenstenose) 
Def:
Die Aortenklappe öffnet sich nicht richtig.
Urs:
Meist rheumatisch erworben (Folge eines Streptokokkeninfekts), seltener angeboren,
häufiger bei Männern.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
152
Herz-Kreislauf Pathologie
Pat:
Das Blut der linken Kammer kann nicht vollständig in die Aorta gepumpt werden. Die
linke Kammer muss den erhöhten Austreibungsdruck überwinden, vergrößert sich
(hypertrophiert) und dilatiert später. Die Folge ist eine Linksherzinsuffizienz mit
Asthma Cardiale.
Sym:

 bei Belastung (infolge fixierten Herzzeitvolumens):
 plötzliche Atemnot mit Schwindel und schnelle Ermüdbarkeit
 Synkope (Ohnmachtsanfälle)
 Angina pectoris-Symptome
 Herzrhythmusstörungen, plötzlicher Herztod
 kleine Blutdruckamplitude (100/80)
 Pulsus tardus et parvus et mollis (langsamer, kleiner und weicher Puls)
 später Zeichen der dekompensierten Linksherzinsuffizienz.
 Auskultation
 Systolikum im 2. ICR parasternal rechts
 Schwirren über den Karotiden (Halsschlagader) durch Fortleitung des
Geräusches
 2. leiser Herzton (Klappe geht nicht ganz auf, dadurch beim Schließen ein
leiserer Ton)
 Gespaltener 2. Herzton
The:
OP, Klappenaufsprengung, Klappenersatz
Mitralinsuffizienz (Mitralklappeninsuffizienz) 
Def:
Die Mitralklappe schließt nicht richtig.
Urs:
Rheumatische Karditis (Folge eines Streptokokkeninfekts), sehr selten angeboren
Pat:
Das Blut der linken Kammer fließt während der Systole durch die offene Mitralklappe
teilweise wieder in den linken Vorhof zurück (Pendelblut). Dadurch kommt es zu einer
Volumenbelastung des linken Vorhofs mit der Gefahr auf Herzrhythmusstörungen und
Thrombenbildung. Das linke Herz kann den Klappenfehler durch Hypertrophie eine
Zeit lang kompensieren und erst später kann es zu den typischen Zeichen einer
Linksherzinsuffizienz kommen.
Sym:
 Durch Stase im linken Vorhof:
 Herzrhythmusstörungen, z.B. Vorhofflimmern, Herzstolpern
 Thrombenbildung mit arterieller Embolie (häufig Apoplex)
 Symptome der Linksherzinsuffizienz: Belastungsdyspnoe, später Asthma cardiale
(Ruhedyspnoe)
 Auskultation:
 Leiser oder nicht hörbarer 1. Herzton
 2. Herzton gespalten durch vorzeitigem Schluss der Aortenklappe (linke
Herzkammer wird schneller entleert)
 Systolisches Geräusch (Systolikum) mit Punctum maximum im 5. ICR
medioklavikular links
Mitralklappenstenose 
Def:
Die Mitralklappe öffnet sich nicht vollständig. Häufigster erworbener Herzfehler.
Urs:
Fast immer rheumatische Karditis, die sich als Folge eines Streptokokkeninfekts in der
Kindheit entwickelt.
Herz-Kreislauf Pathologie
153
Pat:
Die Verengung der Mitralklappe bewirkt:
 eine Verminderung der Auswurfleistung des linken Ventrikels (keine
Hypertrophie des linken Herzmuskels),
 einen Blutstau im linken Vorhof (erst Hypertrophie, dann Dilatation) mit
Gefahr auf Herzrhythmusstörungen und Bildung von Embolien,
 einen Rückstau über die V. Pulmonalis in den Lungenkreislauf mit
Lungenstauung (Asthma kardiale) und Lungenödem.
Sym:
 Herzrhythmusstörungen als Folge der Erweiterung des linken Vorhofs (z.B.
Vorhofflimmern)
 Belastungsdyspnoe, Husten, Asthma cardiale als Folge der Lungenstauung,
Hämatemesis (Bluthusten)
 Typisch bläulich rote Wangen (sog. Mitralgesicht), Lippenzyanose, Hautblässe
 Niedriger arterieller Blutdruck

Auskultation:
 Paukender 1. Herzton (entsteht durch die verdichtete und weniger mobile
Herzklappe)
 Diastolikum mit Punctum maximum im 5. ICR medioklavikular
 Mitralöffnungston (Abk. MÖT): Öffnungston der Mitralklappe zwischen dem
zweiten und ersten Herzton. Dieser entsteht dann, wenn der Vorhofdruck den
Kammerdruck übersteigt und dadurch die Segelklappe früher als normal
aufgeht.
Kom:  Lungenödem
 Rechtsherzinsuffizienz mit Venenstauung, Ödemen, Leberstauung
 Arterielle Thromboembolie, meist Hirnembolie (Gehirnschlag)
Mitralklappenprolaps
Syn:
Mitralklappenprolaps-Syndrom, Mitralprolaps, Klick-Syndrom.
Def:
Ballonartige Vorwölbung der Mitralsegel in den linken Vorhof während der Systole.
Urs:
 Angeboren
 Erworben, z.B. im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit, nach Herzinfarkt oder
idiopathisch
Sym: 
Meist beschwerdefrei

Seltener Herzstechen, Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe, Schwindel

EKG in der Regel normal

Auskultation: spätsystolischer Klick, welcher von der Körperlage abhängen kann

Diagnose i.d.R. durch Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens)
Angeborene Herzfehler
Urs:
Angeborene Herzfehler entstehen überwiegend durch äußere Einflüsse während
des ersten Schwangerschaftsdrittel, z.B. durch:
 Infektionen der Mutter (Röteln!)
 Sauerstoffmangel des Embryos
 Strahlenschäden
 Medikamente (Zytostatika, Immunsuppressiva)
 Alkoholmissbrauch der Mutter
 Diabetes mellitus der Mutter
 Ungefähr 1% der Neugeborenen weisen einen Herzfehler auf!
© Arpana Tjard Holler (Autor)
154
Herz-Kreislauf Pathologie
Vorhofseptumdefekt
Def:
Offen gebliebenes Foramen ovale in der Vorhofseptumwand zwischen rechtem
und linkem Herzen.
Pat:
Defekt (sog. Shunt) führt zum Blutübertritt vom linken zum rechen Vorhof da der
Blutdruck links höher ist als rechts. Dadurch kommt es zu einer Druckerhöhung im
Lungenkreislauf (pulmonale Hypertonie) und zu einer Mehrbelastung des rechten
Herzens mit Hypertrophie und Dilatation (Rechtsherzinsuffizienz)
Die Ventrikelhypertrophie prägt sich erst in der Pubertät aus.
Sym: Die Menge des Shunt-Blutes bestimmt die klinischen Beschwerden:
Meist ist das Shuntvolumen eher gering und daher oft lange beschwerdefrei.
 kleiner, zierlicher Körperbau
 meist erst zw. 20-30 Jahren Leistungsminderung, Atemnot
 in der Kindheit evtl. vermehrt Bronchitiden bzw. Pneumonien
 später Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz
 Herzbuckel (vergrößertes rechtes Herz) bei großen Defekten
Ventrikelseptumdefekt
Def:
Loch in der Trennwand zwischen rechter und linker Kammer.
Sym:
Sind je nach Ausmaß des Defektes unterschiedlich.

Bei kleinen Defekten:
 Beschwerdefreiheit, aber
systolisches
Herzgeräusch
Pressstrahlgeräusche im 3. ICR links parasternal)
(sog.

Bei mittleren Defekten:
 Belastungsdyspnoe, Leistungsminderung, Neigung zu Bronchititiden
und Pneumonien

Bei großen Defekten zusätzlich:
 Fehl- und Unterentwicklungen des Säuglings, Herzbuckel
 Zeichen einer Herzinsuffizienz
Offener Ductus Botalli (persistierender Duktus arteriosus)
Def:
Offenbleiben der fetalen Verbindung zwischen der Aorta und der Pulmonalarterie, die
sich in der Regel innerhalb der ersten drei Wochen schließt.
Pat:
Durch den Druck in der Aorta fließt das arterielle Blut über den Ductus Botalli zurück
in die A. pulmonalis und gelangt erneut in die Lunge. Es kommt zu einer Mehrbelastung
des linken Herzens (Hypertrophie) und später zu einer Überbelastung des rechten
Herzens, aufgrund des Lungenhochdrucks.
Sym:






oft lange beschwerdefrei
Belastungsdyspnoe
leichte Entwicklungsstörung und Verzögerung
pulmonale Infekte
große Blutdruckamplitude mit erniedrigtem diastolischen Wert
Herzgeräusche konstant im 2. ICR links parasternal zu hören (Lokomotivgeräusch),
oft auch palpatorisches Schwirren
 später Links- und Rechtsherzinsuffizienz
Herz-Kreislauf Pathologie
155
Fallot-Tetralogie (Morbus Fallot)
Def:
Die Fallotsche Tetralogie ist eine Kombination von vier Herzfehlern.
 Pulmonalstenose
 Rechtsherzhypertrophie schon beim Fötus
 Kammerseptumdefekt
 “Reitende Aorta“, die Aorta ist nach rechts verlagert und reitet über dem
Ventrikelseptumdefekt.
Pat:
 Durch die Pulmonalklappenstenose ist der Druck in der rechten Kammer
größer als in der linken Kammer.
 Es kommt zum Rechts-Links-Shunt, wodurch ein Teil des Blutes den
Lungenkreislauf umgeht.
 Folge ist eine Zyanose und eine Sauerstoffminderversorgung.
Sym:
 Von Geburt an bestehende Zyanose als Leitsymptom ("blue Babys")
 Polyglobulie (kompensatorische Vermehrung der roten Blutkörperchen) und
aufgrund dessen Gefahr auf Embolien
 Häufig sog. Hockerstellung, erhöht den Widerstand im Körperkreislauf
und führt somit zu einer gesteigerten Lungendurchblutung.
 körperliche Leistungsminderung
 Körperliche Wachstumsstörung (z.B. Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel)
 Krampf- und Ohnmachtsanfälle infolge mangelnder Durchblutung des Gehirns

Auskultation: Lautes systolisches Geräusch im 2. ICR links parasternal
Aortenisthmusstenose 
Def:
Angeborene Verengung der Aorta unterschiedlichen Ausmaßes, meist nach der
Abzweigung der drei großen Gefäße für Kopf und Arme (Truncus brachiocephalicus,
A. carotis communis sinistra und A. subclavia sinistra)
Pat:
Es kommt zu einer erhöhten Durchblutung von Kopf und Armen und zu einer
Minderdurchblutung der unteren Körperhälfte.
Sym:
 Bluthochdruck, Hypertonie in den Armen und im Kopf
 warme Hände
 harter Puls der A. radialis
 Kopfschmerzen, Schwindel, Nasenbluten

Hypotonie im Bauch und Beinen
 kalte Füße
 fehlender oder schwacher Puls der A. femoralis und der Fußpulse
 schwache Beine mit geringer Leistungsfähigkeit
 Bei einer Hypoplasie des Aortenbogens entsteht eine Verengung zwischen der linken
gemeinsamen Halsschlagader (A. carotis communis sinistra) und der linken
Schlüsselbeinschlagader (A. subclavia sinistra) und somit ein deutlich
unterschiedlicher Blutdruck in den beiden Armen
 Blutdruck im linken Arm normal bzw. erniedrigt

Auskultation: Systolisches Geräusch im 2. ICR parasternal links
Kom: 



Arteriosklerose
Aneurysma mit Gefahr auf Ruptur (Riss, Zerreißen)
Linksherzinsuffizienz
Gehirnschlag (Apoplexie)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
156
Herz-Kreislauf Pathologie
Herzrhythmusstörungen 
Def:
Herzrhythmusstörungen sind Abweichungen der Herzaktion von der normalen
Herzfrequenz.
Pat:
Generell lassen sich die Rhythmusstörungen nach drei Gesichtspunkten unterteilen:
 Anhand der Frequenz in Bradykardie und Tachykardie.
 Anhand der Lokalisation in ventrikuläre (in der Kammer gelegene) und
supraventrikuläre (oberhalb der Kammer gelegene) Herzrhythmusstörungen.
 Anhand der Entwicklung in Reizbildungsstörungen und Reizleitungsstörungen.
Urs:
 Idiopathisch
 Erkrankungen am Herzen (z.B. KHK, Entzündungen, Klappenfehler)
 Erkrankungen außerhalb des Herzens (z.B. Schilddrüsenüberfunktion, Hyper- bzw.
Hypokaliämie, Medikamente, psychisch bedingt)
 Physiologisch bei körperlicher Anstrengung, Aufregung, Fieber, Genussmittel
 Herzrhythmusstörungen kommen auch beim Gesunden vor.
Herzrhythmusstörungen bedürfen einer genauen Abklärung des Facharztes. Das
entscheidende diagnostische Mittel dafür ist das EKG.
Reizbildungsstörungen (Erregungsbildungsstörungen)
Def:
Durch eine pathologische Reizbildung hervorgerufene Herzrhythmusstörungen.
Bradykardie
Def:
Herzfrequenz unter 60 Schläge die Minute.
Urs:
Physiologisch bei gut trainierten Personen
 evtl. im Schlaf
 Idiopathisch
 Arteriosklerotische Störung im Reizleitungssystem (KHK)
 Totaler AV-Block
 Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
 Unterkühlung
Intoxikationen (Vergiftungen
 Medikamentös (z.B. Digitalis)
 Hirndrucksteigerung
Sym: Beschwerden erst bei einer Herzfrequenz unter 40

Schwindel, Augenflimmern, Wolkensehen, Kopfschmerz, Ohnmacht
Relative Bradykardie tritt auf, wenn trotz einsetzendem Fieber die Herzfrequenz
nicht mitsteigt (z.B. bei Typhus abdominalis, Ornithose, Morbus Bang). Gewöhnlich
steigt der Frequenz um 10 Schläge bei Erhöhung um 1 °C.
Tachykardie
Def:
Herzfrequenz über 100 Schläge die Minute.
Urs:
 Körperliche Belastung, Aufregung, Genussmittel
 Vegetative Fehlregulation (psychisch, Herzneurose, erhöhter Sympathikotonus),
idiopathisch
 Hypertonie, hypertensive Krise
 Hormonelle Erkrankungen (z.B. Schilddrüsenüberfunktion, Phäochromozytom)
Herz-Kreislauf Pathologie
157
 Herzerkrankungen (z.B. Myokarditis, Perikarditis, KHK, Herzinsuffizienz,
Klappenfehler)
 Fieber (10 Schläge pro 1 Grad Celsius)
 Sauerstoffmangel (z.B. Anämie, Lungenerkrankungen)
 Kreislaufschock
 Medikamente
Unphysiologisch wird es bei einer Schlagfrequenz ab ca. 180 Schläge pro Minute.
Dabei wird mit zunehmender Tachykardie die Kammerfüllung (Diastole) so knapp,
dass das Herzzeitvolumen abnimmt und somit die Durchblutung des Körpers
herabgesetzt wird.
Pat:
Abklärung verschiedener Begriffe:
 Sinustachykardie
Bezeichnung für eine Tachykardie, die ihren Ursprung im Sinusknoten hat.
Entsteht i.d.R. infolge eines Sauerstoffmangels bzw. eines erhöhten
Sauerstoffbedarfs und durch einen erhöhten Sympathikotonus.

Ventrikuläre Tachykardie (Kammertachykardie)
Bezeichnung für eine Tachykardie, die ihren Ursprung im Herzmuskel der
Herzkammer (z.B. Tawara-Schenkel) hat. Diese Kammertachykardie vollzieht
sich i.d.R. anfallartig mit einem Puls über 200 und bei normaler Frequenz des
Sinusknoten. Die Ursachen können organisch sowie idiopathisch bedingt sein.

Supraventrikuläre Tachykardie
Bezeichnung für eine Tachykardie, die ihren Ursprung im Bereich der Vorhöfe
(oberhalb der Herzkammern) hat.

Paroxysmale (supraventrikuläre) Tachykardie
Bezeichnung für eine anfallartige (paroxysmale) Pulssteigerung. Sie kann
organisch bedingt sein; in der Regel bezeichnet dieser Ausdruck jedoch eine
idiopathische Herzrhythmussteigerung ohne Extrasystolen, welche Stunden
oder sogar Tage andauern kann und mit vegetativen Symptomen begleitet wird
(z.B. Atemnot, Schwindel, Gefühl der Herzenge, Schweißausbruch, Blässe).
Therapie: Bulbusdruckversuch (Druck auf die Augäpfel kann zur
Herabsetzung der Frequenz führen), Karotissinus-Druckversuch (Druck auf den
Karotissinus)
Arrhythmien
Def:
Der Begriff Arrhythmie umfasst alle Abweichung von der herkömmlichen
Herzfrequenz (z.B. Tachykardie, Bradykardie, Extrasystolen) und kommt dem Begriff
Herzrhythmusstörung sehr nahe.
Der Begriff absolute Arrhythmie bezeichnet eine arrhythmische Herzfrequenz, bei der
eine Grundfrequenz nicht erkennbar ist. Kommt am häufigsten beim Vorhofflimmern
vor. Es besteht die Gefahr von Thromboembolien. Nach dem Ursprung der
Rhythmusstörung können die ventrikulären von den supraventrikulären Arrhythmien
unterschieden werden.
Respiratorische (physiologische) Arrhythmie: Bei der Einatmung ist der Puls
schneller als bei der Ausatmung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
158
Herz-Kreislauf Pathologie
Extrasystolie
Def:
Bezeichnung für Extraschläge des Herzens, die außerhalb des Grundrhythmus einsetzen
und vom Patienten als Herzstolpern wahrgenommen werden. Wenn Extrasystolen
zwischen zwei Herzschlägen einsetzen, kommt es häufig zu einer kompensatorischen
Pause (Herzstolpern). Der „gesunde“ Reiz des Sinusknoten trifft dann auf ein noch nicht
wieder erregbares Herzgewebe (Refraktärzeit) und erst der nächste Reiz führt zur
Kammerkontraktion.
Extrasystolen lassen sich nach dem Entstehungsort in ventrikuläre und
supraventrikuläre Extrasystolen unterscheiden.
 Pulsdefizit
Eine Abweichung in der Pulsfrequenz am Radialispuls (geringer) und am
Herzen. Entsteht durch eine frühzeitige Kammersystole mit zu geringem
Kammervolumen, um als Pulswelle in der Peripherie gefühlt zu werden.
Vorhofflattern / Vorhofflimmern
Def:
Vorhofflattern bezeichnet eine konstante Vorhofkontraktion mit einer Frequenz von
200 bis 350 des Sinusknoten in der Minute.
Vorhofflimmern bezeichnet eine hochfrequente (über 350 Schläge/min) und
chaotische Vorhofkontraktion.
Urs:
 Idiopathisch
 Organische Erkrankungen, z.B. Herzklappenfehler (z.B. Mitralklappenstenose),
KHK, Myokarditis, Hypertonie, Schilddrüsenüberfunktion, Intoxikationen (z.B.
Digitalisintoxikation)
Sym: 
kann symptomlos sein

Herzstolpern, Herzklopfen

Blutdruckabfall mit Schweißausbruch, Schwindel, Atemnot und Angst
Bewusstseinstrübung, evtl. Pulsdefizit (Abweichung in der Frequenz zwischen
fühlbaren Herzschlag und Radialispuls)
Kom: Absolute Arrhythmie
Thrombenbildung mit Gefahr auf arterieller Embolie (am häufigsten in die
zerebralen Gefäße)
Kammerflattern / Kammerflimmern
Def:
Kammerflattern bezeichnet eine (regelmäßige) Kammerkontraktion mit einer
Frequenz von 200 bis 350 Herzschlägen in der Minute. Geht häufig in ein
Kammerflimmern über.
Kammerflimmern bezeichnet eine ungleichmäßige, extrem rasante Kammerkontraktion mit einer Frequenz von über 350 Schlägen die Minute.
Urs:
 Organische Erkrankungen, z.B. KHK, Herzinfarkt, Myokarditis, Herzfehler,
hypertensive Krise, Hypo- und Hyperkaliämie, Hyperkalzämie, Medikamente (z.B.
Digitalis). Kann sich aus allen Rhythmusstörungen entwickeln.
Sym: 
kein Puls, bewusstlos, Atemstillstand, lichtstarre Pupillen
Kammerflattern und –flimmern entspricht einem Kreislaufstillstand. Es
handelt sich um einen Notfall. Sofortige Defibrillation!
Herz-Kreislauf Pathologie
159
Reizleitungsstörungen (Erregungsleitungsstörungen, Überleitungsstörungen)
Def:
Störungen in der Weiterleitung der Erregung werden als Herzblock bezeichnet. Ist die
Erregungsleitung zwischen Sinusknoten und Vorhofmuskulatur gestört, wird dies SABlock genannt (Sinuatrialer Block), ist die Erregungsleitung zwischen den Vorhöfen
und den Kammern gestört, wird dies AV-Block genannt.
Urs:
Koronare Herzkrankheiten (KHK)
 Digitalisüberdosierung
 Herzinfarkt, Myokarditis, Perikarditis, Herzfehler
Sym:  AV-Block I. Grades
 Verzögerte Erregungsleitung. Macht keine Symptome, nur im EKG
eine verlängerte Überleitungszeit erkennbar (PQ-Zeit)
 AV-Block II. Grades (partieller Herzblock, Typ Mobitz)
 Nicht alle Erregungen des Sinusknoten werden an den AV-Knoten
weitergeleitet. Es kommt zum Herzstolpern, Blässe und Schwindel.
 AV-Block III. Grades (totaler Herzblock)
 Die Überleitung der Vorhoferregung zur Kammer ist vollständig
unterbrochen. Der AV-Knoten übernimmt das Kommando und arbeitet
völlig unabhängig vom Sinusknoten (Bradykardie).
Kom:  Adams-Stokes-Anfall (nicht schmerzhaft)
Beim totalen Herzblock übernimmt der AV-Knoten nicht sofort die Reizbildung, es
kommt zur Asystolie (Kreislaufstillstand).
 3-5 Sekunden: Schwindel und Blässe
 10-15 Sekunden: Bewusstlosigkeit
 20-30 Sekunden: Krämpfe (Fehldiagnose Epilepsie)
 30-60 Sekunden: Irreversible Hirnschäden
Medikamente bei der Herztherapie
Herzglykoside (Digitalis) 



Sie werden eingesetzt bei dekompensierter Herzinsuffizienz und haben folgende Wirkung:
 Erhöhung des HZV durch gesteigerte Herzmuskelkraft (positiv inotrop)
 Senkung der Herzfrequenz (negativ chronotrop)
 Abnahme der Erregungsleitungsgeschwindigkeit (negativ dromotrop)
 Zunahme der Erregbarkeit durch Herabsetzung der Reizschwelle (positiv
bathmotrop)
Unterscheidung der Herzglykoside:
 Herzglykoside erster Ordnung: Reinsubstanz von Fingerhut und Strophanthus
(stark wirksam), wird nicht mehr als Phytotherapeutika gezählt und ist
verschreibungspflichtig.
 Herzglykoside zweiter Ordnung: Digitaloide von Adonisröschen,
Maiglöckchen und Meerzwiebel, werden als Phytotherapeutika gezählt und sind
nicht verschreibungspflichtig.
Herzglykoside besitzen eine geringe therapeutische Bandbreite, daher ist eine
Überdosierung mit lebensgefährlichen Symptomen (Kammerflimmern) möglich (Trias):
© Arpana Tjard Holler (Autor)
160
Herz-Kreislauf Pathologie




Mögliche Nebenwirkungen: Digitalisintoxikation (Notfall!)
 1. Herzrhythmusstörungen (90%)
 Bradykardie bei leichter Intoxikation
 Tachykardie bis Vorhof- und Kammerflimmern bei schwerer
Intoxikation
 Bigeminus
(Zwillingspuls,
Doppelschlägigkeit
durch
Extrasystolen)
 AV-Block
 2. Gastrointestinale Beschwerden (70%)
 Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle
 3. Neurozerebrale Symptome (20%)
 Augenflimmern, Wolkensehen, Farben-Sehen (bunte Flecken, rotgrün-gelb-Sehen)
 Verwirrtheit, Reizbarkeit, Nervenschmerzen, Kopfschmerzen,
Schwindel
Kalzium verstärkt die Digitaliswirkung.
Kalium vermindert die Digitaliswirkung.
Der Wirkspiegel des Medikamentes im Blut muss regelmäßig gemessen werden, um Überoder Unterdosierung zu vermeiden.
Nitropräparate (Nitroglyzerin) 



Wirkt sofort gefäßerweiternd (vor allem auf die venösen Kapazitätsgefäße) und wird
deshalb v.a. bei akutem Angina pectoris-Anfall und als Nachbehandlung bei Herzinfarkt
(Verminderung der Vorder- und Nachlast) eingesetzt.
Nitroglyzerin darf nur eingesetzt werden, wenn der Blutdruck stabil und mindestens
systolisch 110 mmHg beträgt (sonst Gefahr auf akutes Nierenversagen). Nitroglyzerin wird
nicht kontinuierlich eingesetzt und ist nicht zugelassen als Behandlung einer hypertensiven
Krise.
Mögliche Nebenwirkungen:
 Starker Blutdruckabfall mit akutem Nierenversagen (systolisch ab 60 mmHg)
 Reaktive Tachykardie
Diuretika



Diuretika sind harntreibende Medikamente, die zu einer Entwässerung des Gewebes führen.
Sie werden häufig verwendet bei Herzinsuffizienz und Hypertonie, außerdem bei nieren(nephrotisches Syndrom) und leberbedingten Ödemen (Leberzirrhose).
Es gibt verschiedenste Präparate. Erwähnt seien hier Schleifendiuretika (stark wirkende
Diuretika z.B. Furosemid) und Kalium-sparende Diuretika.
Mögliche Nebenwirkungen:
 Hypokaliämie-Syndrom (v.a. bei Schleifendiuretika) mit Alkalose
 Pseudoglobulie (Bluteindickung) mit Gefahr von Thrombosen
 Tinnitus (Ohrgeräusche), Fettstoffwechselstörungen, Impotenz, Libidoverlust
u.a.
ACE-Hemmer


Sie wirken blutdrucksenkend, indem sie das Angiotensin Converting Enzym blockierenund
somit in das RAA-System (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) eingreifen. Sie gehören
zu den Vasodilatatoren und werden bei Hypertonie und Herzinsuffizienz eingesetzt.
Mögliche Nebenwirkungen:
 Zu starker Abfall des Blutdruckes mit Kopfschmerzen, Schwindelanfällen und
evtl. Synkope (Ohnmacht)
Herz-Kreislauf Pathologie
161
 Verschlechterung der Nierenfunktion (v.a. bei vorgeschädigter Niere)
 Evtl. starker Reizhusten, Geschmacksstörungen, Hautausschläge u.a.
Betarezeptorenblocker

Betablocker verhindern bzw. hemmen die stimulierende Wirkung von Noradrenalin und
Adrenalin, indem sie deren Rezeptoren blockieren, und haben folgende Wirkung:
 Senkung der Herzfrequenz, Verminderung der Herzmuskelkraft
 Abnahme der Reizleitungsfähigkeit
 Abnahme der Erregbarkeit durch Heraufsetzen der Reizschwelle
 Konstriktion (Verengung der Bronchien und peripheren Gefäße)
 Verminderung der Glykogenolyse (Abbau des Glykogens wird gehemmt)
 Sie werden häufig eingesetzt bei Hypertonie, Angina pectoris (KHK), nach Herzinfarkten,
Herzrhythmusstörungen, psychosomatischen Angstzuständen (z.B. hyperkinetisches
Herzsyndrom), als Migräneprophylaxe, Glaukom in Form von Augentropfen.
 Mögliche Nebenwirkungen:
 Herabsetzung der physischen Leistungsfähigkeit, Müdigkeit
 Atemnot, obstruktive Atemwegerkrankung
 Durchblutungsstörungen, kalte Hände und Füße, Morbus Raynaud, Claudicatio intermittens, Verschlechterung des klinischen Bildes bei Herzinsuffizienz
 Bradykardie, Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfälle und Erbrechen
 Kontraindiziert bei chronisch obstruktiver Bronchitis, Asthma bronchiale, Asthma cardiale,
Diabetes mellitus, Hypotonie, starke Bradykardie und AV-Block.
 Ein abruptes Absetzen von Betablockern kann sich lebensbedrohlich auswirken.
Kalziumantagonisten (Kalziumkanalblocker)


Sie verhindern eine Verengung der Blutgefäße, indem sie den Einstrom von Kalzium in die
Muskelzelle hemmen. Es kommt zur Vasodilatation und einer negativen inotropen Wirkung
(verminderten Herzmuskelkraft) auf das Herz. Verwendet werden sie bei Hypertonie und
Angina pectoris.
Mögliche Nebenwirkungen:
 Starker Blutdruckabfall mit Schwindel und Kopfschmerzen
 Bradykardie, Ödeme, Hitzegefühl, Erbrechen und Durchfälle
Antikoagulanzien



Antikoagulanzien hemmen die Blutgerinnung, indem sie bestimmte Blutgerinnungsfaktoren unwirksam machen. Sie werden als Thromboseprophylaxe bei Lungenembolien,
Herzinfarkt, Phlebothrombose und operativen Eingriffen eingesetzt.
 Heparin hemmt die Umwandlung von Thrombin auf Fibrinogen. Wird in
geringen Dosen zur Vorbeugung venöser Thromben nach OP`s oder bei längerer
Bettlägerigkeit gegeben, in hohen Dosen bei akuten Erkrankungen wie z.B.
Phlebothrombose, Herzinfarkt, Lungenembolie. Die Wirkung setzt schnell ein,
hält aber nur relativ kurz an.
 Cumarinderivate sind Vitamin-K-Antagonisten und sind für die ambulante
Langzeittherapie geeignet. Ihre Wirkungszeit setzt erst nach 1-2 Tagen ein und
hält länger an als bei Heparin.
Mögliche Nebenwirkungen Heparine:
 Thrombopenie, Haarausfall, Osteoporose
Mögliche Nebenwirkungen Cumarine:
 Hämorrhagische Diathese, Haarausfall, gastrointestinale Beschwerden
© Arpana Tjard Holler (Autor)
162
Herz-Kreislauf Pathologie


Cumarine sind kontraindiziert bei Schwangerschaft.
Dosierung muss regelmäßig durch den Quick-Test kontrolliert werden.
Erkrankungen des Kreislaufs
Regulationsstörungen des Kreislaufes
Hypotonie (RR) 
Def:
Urs:
Chronisch erniedrigte Blutdruckwerte.
 Beim Mann systolischer Wert < 110 mmHg
 Bei der Frau systolischer Wert < 100 mmHg
 Diastolische Werte < 60 mmHg
 Menschen mit primärer Hypotonie haben statistisch die höchste Lebenserwartung.
 Primäre (essentielle) Hypotonie
 Häufigste Form, Ursache unbekannt.
 Meist leptosome (schlankwüchsige), junge Menschen, mehr Frauen.
 Begünstigt durch Inaktivität und Stress
 Orthostatische Hypotonie (Orthostasesyndrom, orthostatische Dysregulation)
 Blutdruckabfall durch rasches Aufstehen aus sitzender oder liegender
Position.
 Symptome: „Schwarzwerden“ vor den Augen, Schwindel, Blutdruckabfall,
evtl. kurze Bewusstlosigkeit.
 Nachweis durch Schellong-Test
 Vasovagale Synkope (auch Vagovasale Synkope oder Tokio-Hotel-Syndrom)
 Blutdruckabfall bei längerem Stehen, evtl. mit zusätzlichem Stress
 Sekundäre Hypotonie
 Blutverluste, Schock (Hypovolämie), Exsikkose (z.B. bei Cholera)
 Kardiovaskuläre Ursachen (Herzinsuffizienz, Mitral- und Aortenstenose,
Aortenisthmusstenose)
 Hormonelle Ursachen (Morbus Addison, Hypothyreose)
 Medikamentös (Sedativa, Psychopharmaka, Diuretika, Digitalisvergiftung)
 Toxisch bedingt bei Infektionskrankheiten (z. B. Diphtherie)
 Lungenembolie
 Bettlägerigkeit, nach Operationen
 Anorexie (Magersucht)
Sym:

Müdigkeit, eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit

Kopfschmerzen, Ohrensausen,

Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen, Synkope (Ohnmacht)

Kalte und blasse Extremitäten

Depressionen, innere Unruhe, Schlafstörungen
Kom: Akutes Nierenversagen beim systolischen Blutdruck von unter 60 mmHg.
Hypertonie (RR) 
Def.:
Dauernde Erhöhung des Blutdrucks. Die Diagnose wird erst nach mehrfach erhöht
gemessenen Werten bei unterschiedlichen Gelegenheiten gestellt!
Werte der Hypertonie:

systolisch ab 140 mmHg
Herz-Kreislauf Pathologie

163
diastolisch ab 90 mmHg
© Arpana Tjard Holler (Autor)
164
Herz-Kreislauf Pathologie
Einteilung der Blutdruckwerte nach WHO
systolischer
diastolischer
Blutdruck
Blutdruck
normaler Blutdruck
unter 130 mmHg
unter 85 mmHg
„noch“ normal
bis 139 mmHg
bis 89 mmHg
Grad I (leichte Hypertonie)
140 – 159 mmHg
90 – 99 mmHg
Grad II (mittelschwere Hypertonie)
160 – 179 mmHg
100 – 109 mmHg
Grad III (schwere Hypertonie)
ab 180 mmHg
ab 110 mmHg
Isolierte systolische Hypertonie
über 140 mmHg
unter 90 mmHg
über 230 mmHg
über 130 mmHg
Hypertensive Krise
Urs:
1. Essentielle Hypertonie (90%)
 Es liegt ein Hochdruck vor ohne weitere Erkrankung.
 Die Ursache ist unbekannt. Begünstigende Faktoren sind:
 familiär-erbliche Veranlagung
 Übergewicht
 Bewegungsmangel
 salzreiche Ernährung
 Frauen im Klimakterium
 Stress
 Auftreten häufig im Zusammenhang mit den Erkrankungen des metabolischen
Syndroms (Wohlstandserkrankungen, sog. tödliches Quartett):
 Stammbetonte Adipositas
 Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämie bzw. Dyslipidämie,
erniedrigtes HDL-Cholesterin)
 Glukoseintoleranz (Diabetes mellitus Typ II)
 Essentielle Hypertonie
 Ein metabolisches Syndrom bezeichnet das Zusammenwirken kardiovaskulärer
Risikogruppen.
2. Sekundäre Hypertonie

Renale Hypertonie (häufigste sekundäre Form).
Reninausschüttung bei jeder Minderdurchblutung der Niere.
 Arteriosklerose der Niere
 Entzündungen in der Niere (z.B. Glomerulonephritis)
 Nierentumore

Endokrine Hypertonie
 Hyperthyreose (isoliert systolische Hypertonie)
 Conn-Syndrom (vermehrte Aldosteronbildung)
 Cushing-Syndrom (vermehrte Kortisonbildung)
 Phäochromozytom (Adrenalin produzierender Tumor)
 Akromegalie (vermehrte STH-Sekretion)
 Kontrazeptivaeinnahme (Pille)

Kardiovaskuläre Hypertonie
 Aortenisthmusstenose
 Aortenklappeninsuffizienz (nur systolisch erhöht)

Neurogene Hypertonie
 Hirndrucksteigerung, Hirntumor, Schädel-Hirn-Trauma, SchlafapnoeSyndrom

Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie

Hypertonie durch Hypervolämie (z.B. bei Polyzythämie, Urämie)
Herz-Kreislauf Pathologie
165
Path: Im Wesentlichen führt der dauernd erhöhte Druck in den Gefäßen (v.a. der diastolische)
zu Gefäßwandschäden und damit zur Arteriosklerose. Bei sehr hohen Blutdrücken
besteht die Gefahr auf Gefäßruptur.
Sym:

Verläufe sind oft symptomarm oder asymptomatisch.

Kopfschmerzen, die v.a. frühmorgendlich auftreten und beim Aufstehen besser
werden, frühmorgendlicher Schwindel, Hitzegefühl

erst bei hohen Blutdruckwerten:
 Nasenbluten, Ohrensausen, Sehstörungen
 Gedächtnisschwäche, Nervosität, Reizbarkeit, Depression, innere
Unruhe, Schlafstörungen
 Atemnot bei Belastung, Herzklopfen
 rotes Gesicht
 Tremor (Zittern)
Einteilung der Hypertonie nach WHO
Grad I
Keine nachweisbaren Organschäden
Grad II
Nachweis mindestens eine der folgenden Symptome:
 Herz: Hypertrophierte linke Herzkammer
 Niere: Proteinurie (Eiweißausscheidung über den Urin)
 Auge: Netzhautveränderungen (Fundus hypertonicus: Verengung und
Schlängelung der Netzhautgefäße)
 Gefäße: Nachweis von Arteriosklerose mittels Sonographie
Grad III
Nachweis mehrerer Organschädigungen
 Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Angina pectoris
 Arteriosklerotische Schrumpfniere (Niereninsuffizienz)
 Sehverschlechterung, Erblindung (hypertensive Retinopathie)
 TIA, Schlaganfall, Hochdruckenzephalopathie, vaskuläre Demenz
 Mittels einer Augenhintergrundspiegelung (Ophthalmoskopie) werden Augenhintergrundveränderungen erkannt und den Schweregrad einer Hypertonie beurteilt.
Kom:  Schädigung der Gefäße infolge von Arteriosklerosebildung.
 Gefahr auf Gefäßruptur (Reißen von arteriellen Gefäßen), besonders von
Bauchaortenaneurysma oder Aneurysmen im Subarachnoidalraum.
 Maligne Hypertonie
 Konstante Erhöhung des diastolischen Blutdrucks auf über 120-130 mmHg.
 Therapieresistent
 Tritt plötzlich auf
 Ungewöhnliches Manifestationsalter (30-60 Jahre)
 Aufgehobener Tag-Nacht-Rhythmus bei der Langzeitblutdruckmessung.
Führt in der Regel in 1-2 Jahren zum Tod.
 Hochdruckkrise (hypertensive Krise)
 Plötzlich auftretende Blutdrucksteigerung mit Werten auf über 230
mmHg und diastolisch über 130 mmHg.
 Hirnödem, Verwirrtheit, Krampfanfällen, Sehstörung, Übelkeit und
Erbrechen
 Gefahr auf akute Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem.
 Gefahr auf Gefäßruptur (z.B. intrakraniale Blutungen)
 Notfall: Sofortige medikamentöse Blutdrucksenkung (z.B. Nifedepin), Oberkörper
hoch, Sauerstoffgabe, unblutiger Aderlass. Vorsicht: Keine forcierte
Blutdrucksenkung!
© Arpana Tjard Holler (Autor)
166
Herz-Kreislauf Pathologie
Herz-Kreislauf Pathologie
167
 Hypertensiver Notfall
Bluthochdrücke (muss nicht Hochdruckkrise sein) mit deutlichen Organschäden
(z.B. Linksherzinsuffizienz, Gehirnschlag, Schocksymptome).
 Vaskuläre Demenz
The.:
 Die fünf Säulen einer medikamentösen Therapie der Hypertonie:
 ACE-Hemmer (Kontraindikation bei Schwangerschaft,
Niereninsuffizienz, Hyperkaliämie)
 Betablocker (KI bei Asthma bronchiale, AV-Block)
 Kalzium-Antagonisten (KI bei instabiler Angina pectoris, nach
Herzinfarkt, AV-Block)
 Diuretika
 Angiotensin II-Antagonisten (KI wie bei ACE-Hemmer)
 Die sieben Säulen der nichtmedikamentösen Therapie der Hypertonie:
 Gewichtsreduzierung bei Übergewicht, Senkung der Blutfette,
ballaststoffreiche Ernährung mit erhöhter Aufnahme von ungesättigten
Fettsäuren
 Körperliches Training (Ausdauertraining)
 Salzarme Diät (nicht mehr als 6 g pro Tag).
 Kaliumreiche Ernährung mit Obst und Gemüse (wirkt
blutdrucksenkend).
 Alkoholkonsum einschränken: Männer nicht mehr als 20g, Frauen nicht
mehr als 10g pro Tag.
 Kein Nikotin und kein Kaffee (wirkt beides blutdruckerhöhend).
 Stressbewältigung und –verarbeitung, Entspannung (z.B. Autogenes
Training).
Morbus Raynaud 
Def:
Eine funktionelle Erkrankung, bei der es durch Fehlschaltung im Hypothalamus zur
Vasokonstriktion (Gefäßverengung) der Finger- und Zehenarterien und dadurch
bedingten anfallartigen Gefäßkrämpfen kommt.
Urs:
 Primäres Raynaud-Syndrom
 Ohne organische Ursache, meist junge Frauen (in 80% der Fälle).
 Mögliche Auslöser: Kälteeinwirkung, Erschütterungen, Stress.
 Sekundäres Raynaud-Syndrom, als Folge von
 Sklerodermie
 Thrombangiitis obliterans
 Arteriosklerose
 Diabetes mellitus (Polyneuropathie)
Pat:
Durch den Gefäßspasmus kommt es zum sog. Trikolore-Phänomen:
 Weißwerdung der Finger infolge mangelnder Durchblutung (Ischämie)
 Blaufärbung
 Rötung
Sym:

Symmetrisch anfallartige Blässe der Finger mit Taubheitsgefühl

Blaufärbung einzelner Finger (Zyanose)

Anschließend deutlich schmerzhafte Rötung der Finger (reaktive Hyperämie)

Sog. Rattenbissnekrose (sehr selten)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
168
Herz-Kreislauf Pathologie
Arterielle Gefäßerkrankungen
Arteriosklerose (Arterienverkalkung) 
Def:
Degenerative Arterienwandveränderung mit Verhärtung, Verdickung und
Elastizitätsverlust.
Urs:
Risikofaktoren wie:
 Hypertonie
 Hypercholesterinämie (erhöhter Cholesterinspiegel im Blut)
 Erhöhte Homocystein-Werte (Entsteht bei Folsäuremangel)
 Nikotin
 Bewegungsmangel, Übergewicht, Fettsucht (Adipositas)
 Diabetes mellitus
 Gicht
Pat:
 Schäden am Intimaendothel führen zu Ein- und Anlagerung von verschiedensten
Stoffwechselprodukten (Lipide, Proteine, Mineralien).
 Bindegewebs- und Muskelzellen beginnen mit ihnen zu verwachsen und es kommt
zu herdförmigen Nekrosen, Wucherungen und Verkalkungen.
 Es besteht die Gefahr, dass sich auf dem arteriosklerotischen Geschehen durch
Wirbelbildungen an der unebenen Oberfläche eine Thrombose bildet.
 Die Gefäße verlieren ihre Elastizität und das Lumen des Gefäßes wird immer mehr
eingeengt mit der Folge von Ischämie und Nekrosen.
 Männer sind 4mal häufiger betroffen als Frauen.
Sym: Der degenerative Prozess der Arteriosklerose macht keine Beschwerden.
Erst wenn die Lichtungseinengung so stark ist (70-90%), dass es zur Unterversorgung
eines umschriebenen Gebietes kommt, treten klinische Symptome auf.
 Koronarsklerose (KHK)  Angina pectoris  Myokardinfarkt
 Gefäßeinengung Gehirn  TIA/PRIND  Apoplexie  vaskuläre Demenz
 Aortenbogensyndrom: Arteriosklerose an den vom Aortenbogen abgehenden
Gefäße.
 Gefäßeinengung Niere
Niereninsuffizienz
(A.
renalis)

renovaskuläre
Hypertonie

 Gefäßeinengung Mesenterialgefäße  Claudicatio intermittens abdominalis (nach
Nahrungsaufnahme
auftretende
kolikartige
Bauchschmerzen)

Mesenterialinfarkt (Akutes Abdomen)
 Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
 Besteht bei allen Durchblutungsstörungen, die durch Lumeneinengung
der Arterien in den Extremitäten bedingt sind (90% Beine!).
 Seltenere Ursachen der AVK können entzündliche Gefäßerkrankungen
sein: Thrombangiitis obliterans, Panarteriitis nodosa
Einteilung der Verschlusskrankheit der unteren Extremitäten in vier Stadien
(nach Fontaine)
I
Gefäßeinengung ohne klinische Beschwerden.
II Belastungsschmerz nach einer bestimmten Gehstrecke:
 Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit).
IIa Gehstrecke ist größer als 200 m.
IIb Gehstrecke ist kleiner als 200 m.
III Ruheschmerz.
IV Untergang von Gewebe (Nekrose /Gangrän).
Herz-Kreislauf Pathologie
169
Je nach Schweregrad kommt es zu folgenden weiteren klinischen Zeichen:
 Abgeschwächte oder fehlende Fußpulse (Arteria dorsalis pedis, Arteria
tibialis posterior)
 Parästhesien (Missempfindungen), z.B. Kribbelgefühl, Ameisenlaufen,
pelziges und taubes Gefühl
 Kältegefühl
 Blasse, marmorierte, zyanotische Haut
 Schlecht heilende Wunden
 Pilzerkrankungen
Kom: Herzinfarkt
 Hirnschlag
 Morbus Binswanger (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie), durch
arteriosklerotische Minderdurchblutung (Ischämie) bedingte Hirnschäden mit
neurologischen Ausfällen, Persönlichkeitsveränderungen und Demenz.
 Niereninsuffizienz
 Nekrosen, Gangrän
 Hypertonie
The.:
Beseitigung der Risikofaktoren und Ursachen
Bewegungstherapie, sog. Gefäßtraining, um Kollateralkreisläufe zu unterstützen
(nur bei Schweregrad I + II)
Operativ bei Schweregrad III + IV
Medikamentös, gefäßerweiternd und durchblutungsfördernd
Embolie 
Def:
Plötzlicher Verschluss einer Arterie durch einen Embolus.
Urs:
 Venöses System
 Meist eine tiefe Beinvenenthrombose (Phlebothrombose).
 Seltener eine oberflächliche Beinvenenthrombose (Thrombophlebitis).
 Arterielles System
 Entwicklung einer Thrombose meist im linken Herz (Vorhofthrombus)
durch Mitralstenose oder Vorhofflimmern (absolute Arrhythmie).
 Thrombosen auf dem Boden einer arteriosklerotischen Veränderung, die
sich losreißen und im Blutstrom fortgetragen werden (seltener).
Sym:  Venöses System
 Lungenembolie
 Arterielles System
 Gehirn
 Apoplexie mit neurologische Ausfallserscheinungen
 Herz
 Herzinfarkt
 Niere
 Nierenembolie
 Heftige Schmerzen im Oberbauch oder Lendenbereich
 Makrohämaturie (sichtbare Blutbeimengung im Urin)
 Darm
 Mesenterialinfarkt mit 3 Stadien
© Arpana Tjard Holler (Autor)
170
Herz-Kreislauf Pathologie
 Initialstadium
mit
plötzlich
einsetzende
heftige
Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit.
 Latenzstadium: Beschwerden lassen nach (Stadium des
„faulen Friedens“), evtl. blutiger Durchfall, weicher Bauch,
RR normal.
 Endstadium:
abnehmende
Peristaltik,
zunehmende
Verschlechterung des Allgemeinzustandes, paralytischer
Ileus, Peritonitis, akutes Abdomen.
 Gefäße
 Akuter peripherer Arterienverschluss: 5 „p“:
 peitschenhiebähnliche starke Schmerz (pain)
 Blässe distal des Verschlusses (paleness)
 keine Pulse (pulslessness)
 Gefühls- und Bewegungsunfähigkeit (paralysis)
 Missempfindung (parasthesia)
The:
 Notfall  Klinik  operative Thrombusentfernung
 Tieflagerung der Beine und Watteverband, keine Erwärmung der Extremität, keine
i.m.-Injektion, keine Bewegung
Aneurysma 
Def:
Erweiterung und Aussackungen der arteriellen Hochdruckgefäße, meist im Bereich der
Aorta (Aortenaneurysma) und der großen Becken- und Beinschlagader.
Urs:
 Angeboren, z.B. bei Hirngefäßaneurysma (im Subarachnoidalraum)
Erworben
 Idiopathisch
 Hypertonie, Arteriosklerose, vor allem am Bauchteil der Aorta (80%)
 Entzündliche Prozesse z.B. Syphilis, rheumatisches Fieber,
Panarteriitis nodosa
Sym: 
Meist asymptomatisch

Beim Aortenaneurysma evtl. Druck- und Fremdkörpergefühl

Beim Aneurysma der Bauchaorta evtl. pulsierender Tumor im Bauchraum

Kann sich in Rückenbeschwerden äußern

Bei großem Aneurysma im Subarachnoidalraum sind Kopfschmerzen möglich
Kom: Ruptur, z.B. Subarachnoidalblutung
Arterielle Embolie
The:
Endovaskuläre Katheterbehandlung (sog. Coiling)
Aneurysma dissecans (Aortendissektion)
Def:
Meist durch Bluthochdruck auftretender Einriss der innersten Schicht des Gefäßes
(häufig Brustaorta) mit Aufspaltung der nächsten Wandschicht (Media). Das in die
Gefäßwand eintretende Blut führt zur Trennung der beiden Schichten.
 Es handelt sich um einen Notfall!
Urs:
In der Regel besteht eine Hypertonie.
Sym: 
Plötzlich auftretende Brustschmerzen (ähnlich eines Axthiebes)
 Schocksymptome möglich (Tachykardie und Hypotonie)
 Ischämiesymptome möglich
Herz-Kreislauf Pathologie
171
 Evtl. Puls- und Blutdruckdifferenz
Entzündliche Gefäßerkrankungen
E.4.2.4.1.1.
Thrombangiitis
Krankheit)
obliterans
(Endangiitis
obliterans,
Winiwarter-Buerger-
Def:
Schubweise verlaufende chronisch-entzündliche Erkrankung der Arterien der distalen
Extremitäten (Unterschenkel, Fuß, Unterarm, Hand), meist der Beine.
Urs:
Unbekannt, betroffen sind aber jüngere (20-40 Jahre) männliche Raucher (toxische
Angiitis?). Bei den Frauen liegt gleichzeitig eine Einnahme hormoneller Antikonzeptiva
(Pille) vor.
Pat:
Es kommt zu Intima-Wucherungen mit nachfolgender Thrombose. Häufig ist es
schwierig die Erkrankung mit der Arteriosklerose abzugrenzen. Typischerweise
schreitet der Prozess nach distal fort.
Sym: 





Parästhesien (Missempfindungen), Sensibilitätsstörungen
Arm: Raynaud-Phänomen
Bein: Claudicatio intermittens
Fußpulse abgeschwächt oder fehlend
Ischämische Ulzeration und Gangräne
Betroffene Extremität kann überwärmt (Entzündung) oder unterkühlt (Verschluss)
sein
Panarteriitis nodosa (Polyarteriitis nodosa)
Def:
Knötchenförmige nekrotisierende Entzündung der Arterien mit meist schwerem
Krankheitsbild. Wird zu den Kollagenosen gezählt.
Urs:
Unbekannt,
Verhältnis Frauen zu Männer = 3:1, oft zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr
Sym: Die Symptomatik ist sehr unterschiedlich, je nach dem welches Organ betroffen ist.
 Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß
 Niere: Glomerulopathie, Hypertonie, Ödeme, Urämie
 Herz: Angina pectoris, Herzinfarkt
 Nerven: Polyneuropathie, Apoplexie
 Muskeln, Gelenke, der Gastrointestinaltrakt und die Haut können betroffen sein
Arteriitis temporalis 
Syn:
Arteriitis cranialis, Riesenzellarteriitis, Morbus Horton
Def:
Entzündung der Intima und Media der großen und mittleren Arterien im Kopfbereich.
Betroffen sind v.a. Arteria temporalis und Arteria ophthalmica, aber auch die großen
Äste im Aortenbogen
Urs:
Autoimmunprozess unklarer Ursache. Tritt v.a. nach dem 50. Lebensjahr auf. Frauen
sind häufiger betroffen (3:1). In 50% der Fälle besteht gleichzeitig Polymyalgia
rheumatica (Gefäßentzündungen meist nach dem 60igsten Lebensjahr mit meist
nächtlichen Schmerzen der Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels).
Sym:  Starke (pochende) Kopfschmerzen, meist im Schläfenbereich (auch beidseitig) und
am Hinterkopf
© Arpana Tjard Holler (Autor)
172
Herz-Kreislauf Pathologie
 Sehstörungen mit Augenschmerzen (Gefahr der Erblindung bei Befall der Arteria
ophthalmica; Notfall!)
 Berührungsempfindlichkeit der Kopfhaut
 Evtl. Schmerzen beim Kauen
 Arteria temporalis verdickt und schmerzhaft bei Druck (pulslos)
 Entzündungszeichen möglich: z.B. Fieber, BSG stark erhöht, Gewichtsverlust
Venöse Gefäßerkrankungen
Varikose (Krampfaderleiden) 
Def:
Schlängeln und Erweiterungen oberflächlicher Beinvenen.
Es gibt auch Krampfadern (Varizen) im Bereich des Bauches (Medusenhaupt) und
der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) als klinisches Zeichen der Leberzirrhose.
Urs:
Primäre Varikose (ca.70%)
Angeborene Bindegewebsschwäche, manifestiert sich meist im Alter
(Venenwandschwäche, Venenklappeninsuffizienz). Begünstigende Faktoren:
 Übergewicht, Schwangerschaft, Obstipation
 Langdauernde stehende Beschäftigung oder sitzende Tätigkeit
 Sekundäre Varikose (ca.30%)
 Durch venöse Stauungen z.B. durch eine tiefe Beinvenenthrombose
(Phlebothrombose), Rechtsherzinsuffizienz, Pfortaderhochdruck
Pat:
 Stammvarikose
 Die großen Hauptstämme sind betroffen (V. saphena magna oder parva),
häufig sind dabei auch die Perforansvenen insuffizient.
 Retikuläre Varizen
 Netzförmige Venenerweiterung in der Haut (Schönheitsfehler), meist an
der Kniekehle.
 Besenreiservarizen
 Kleinste erweiterte dunkelbläuliche Venen in der Haut.
Sym: Symptomatik steht oft nicht im Zusammenhang mit dem Ausmaß der Varikose.

Schwere und müde Beine, evtl. Hitzegefühl
 Spannungsgefühl, Kribbeln und nächtliche Fuß- und Wadenkrämpfe, evtl. dumpfer
Dauerschmerz

Juckreiz, Hautschuppung
Kom: Bei fortgeschrittener Varikose Gefahr auf chronisch venöse Insuffizienz (CVI).
Platzen der Knoten (Varizenblutung).
Gefahr auf Thrombose mit Entzündungsfolge (Thrombophlebitis).
The:
Bewegung und sportliche Therapie
Hydrotherapie (z.B. Kneipp)
Beine im Liegen hochlagern
Vermeidung von Risikofaktoren (Nikotin, Übergewicht, hohe Absätze)
Kompressionstherapie
Chirurgisch: Verödung und Venenstripping
Keine Saunagänge, langes Sitzen und Stehen ist schlecht
Herz-Kreislauf Pathologie
173
Thrombophlebitis
Def:
Entzündung der Gefäßwand der oberflächlichen (Bein-) Venen durch Thrombose.
Urs.:
An den Beinen fast immer eine Stammvarikose.
An den Armen möglich durch Infusion und Injektion.
 Tumore (v.a. Pankreaskarzinom) im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms.

Sym: 
Lokale Entzündungszeichen ohne Beinödeme
 Rötung, Überwärmung, Schmerz, Schwellung
The:
Keine Bettruhe, sonst Gefahr auf tiefe Beinvenenthrombose
Kompressionsverband
Umschläge
Phlebothrombose 
Def:
Thrombose tiefer Beinvenen mit Entzündungsfolge.
Urs:
 Verlangsamte Blutfließgeschwindigkeit (Stase)
 Langes Stehen, langes Liegen (Bettlägerigkeit, Operationen), langes Sitzen
im Flugzeug (sog. Economy-Class-Syndrom; Vorbeugung: viel trinken!)
oder Auto.
 Herzinsuffizienz
 Medikamente (z.B. Diuretika, Östrogentherapie v.a. in Kombination mit
Rauchen)
 Adipositas
 Herzinsuffizienz im höheren Stadium
 Exsikkose
 Tumore (v.a. Pankreaskarzinom) im Rahmen eines paraneoplastischen Syndroms
Pat:
Ursachen einer Thrombose allgemein: Virchow-Trias! 
 Gefäßwandschäden
 Arteriosklerose, Entzündungen, Trauma
 Veränderte Blutströmung
 Wirbelbildung, Strömungsverlangsamung, Stase
 Veränderte Blutzusammensetzung
 Erhöhte Viskosität, Exsikkose, Blutgerinnungsstörung
Sym: Zwei Drittel der Fälle verlaufen asymptomatisch. Dabei kann eine Lungenembolie das
erste klinische Zeichen sein.
 Lokale Entzündungszeichen (Fieber, Pulsanstieg, Leukozytose, BSG )
 Schwere Beine, ziehende Schmerzen, Wadenkrämpfe
 Schwellung, veränderter Beinumfang
 Bläulich-rötliche Verfärbung
 Glänzende, gespannte Haut
 Druckpunkte im Verlauf der Vene schmerzhaft
Mögliche Früherkennungszeichen:
 Payr-Zeichen = Fußsohlendruckschmerz
 Homans-Zeichen = Schmerz bei Dorsalflexion des Fußes
 Meyer-Druckpunkte = druckschmerzhafte Punkte entlang der medialen
Tibiakante
 Kniekehlenschmerz, Leistenschmerz
© Arpana Tjard Holler (Autor)
174
Herz-Kreislauf Pathologie
 Louvel-Zeichen = Schmerzen im Bein beim Husten, Pressen und Bücken
 Sog. Warnvenen = sichtbare oberflächliche Varizen, als Kollateralvenen
Kom:  Lungenembolie
 Postthrombotisches Syndrom (chronisch venöse Insuffizienz = CVI). Insuffiziente
Venenklappen als Zustand nach einer oder mehreren abgelaufenen tiefen
Beinvenenthrombosen. Stadien:
 Stadium 1: Reversible Ödeme, braune Pigmentation durch
Kapillarblutungen.
 Stadium 2: Persistierende Ödeme, ekzematöse Hautveränderungen,
subkutane Verhärtungen, Zyanose.
 Stadium 3: Ulcus cruris venosum (Unterschenkelgeschwür); offene,
meist nässende Wunde am Unterschenkel v.a. am distalen Schienbein
im Bereich des inneren Fußknöchels.
The:
 Phlebothrombose:
 Die ersten drei Tage strenge Bettruhe (Klinik)
 Medikamente; zur Auflösung des Thrombus (Fibrinolyse) mit Urokinase
und Streptokinase, zur gerinnungshemmenden Therapie mit Heparin und
später über längere Zeit Marcumar.
 Kompressionsbehandlung
 Gefäßchirurgie
 Ulkus cruris:
 Bewegung
 Kompressionsbehandlung mit Hydrokolloidverbänden für mehrere Tage
(Tag und Nacht)
DD:
 Venöses Bein: warme Haut, gerötet bis violett, Pulse vorhanden, Schwellung
 Arterielles Bein: kalte Haut, blass, Pulse nicht vorhanden, keine Schwellung
Ursachen
Hautfarbe
Hauttemperatur
Fußpulse
Schwellung?
Arterielle Fuß
pAVK
Blass
Kalt
Abgeschwächt, aufgehoben
Nein
Venöser Fuß
Phlebothrombose
Rötlich, bläulich
Warm
Vorhanden
Ja
Respirationstrakt Anatomie
F.
175
Respirationstrakt Anatomie und Pathologie
Respirationstrakt Anatomie
Aufgaben ............................................................................................................................................... 176
Anatomie der Atmungsorgane .............................................................................................................. 177
Physiologie der Atmungsorgane ........................................................................................................... 179
Lungenuntersuchung ............................................................................................................................ 183
© Arpana Tjard Holler (Autor)
176
Respirationstrakt Anatomie
Aufgaben


Mit Hilfe des Atmungssystems ist der Körper in der Lage, Gase mit der Umgebung
auszutauschen, zu atmen. Der Gasaustausch besteht in der Aufnahme von Sauerstoff und
der Abgabe von Kohlendioxyd.
 Äußere Atmung: Gasaustausch zwischen Blut und Umgebungsluft.
 Innere Atmung: Gasaustausch zwischen Blut und Gewebe.
Der Respirationstrakt wird unterteilt in Atemwege und Lunge.
 Obere Atemwege: Mundhöhle, Nase und Nasennebenhöhlen, Nasen- und
Mundrachenraum, Kehlkopf.
 Untere Atemwege: Kehlkopf, Luftröhre und Bronchialbaum.
 Lunge: Alveolen (Lungenbläschen)
Aufgaben der Atemwege




Aufbereitung der Atemluft (Flimmerepithel mit eingestreuten Becherzellen)
 Erwärmung
 Befeuchtung
 Reinigung, Filtrierung
Geruchswahrnehmung (Nervus olfactorius)
Sprachbildung (Kehlkopf, Zunge)
Gastransport (obere und untere Atemwege)
Aufgabe der Lunge

Gasaustausch (Einatmung von Sauerstoff und Abatmung von Kohlendioxid) durch
Diffusion.
 Die Zellen gewinnen Energie (ATP) vor allem durch den oxidativen Abbau von
Nährstoffen (Glukose) und sind deshalb auf die ständige Sauerstoffzufuhr angewiesen.
Gasaustausch

Der Gasaustausch vollzieht sich in 4 physiologischen Abschnitten.
 Transport der Gase von der Außenluft zu den Lungenbläschen :
 Ventilation
 Übertritt von den Alveolen ins Kapillarblut:
 Diffusion
 Transport der Gase in den Blutgefäßen zu den Gewebszellen:
 Perfusion
 Übertritt von den Gewebekapillaren in die Gewebezellen:
 Diffusion
Respirationstrakt Anatomie
177
Anatomie der Atmungsorgane
Obere und untere Atemwege
Nasenhöhle mit Nasennebenhöhlen








Nasenseptum (Nasenscheidewand)
Locus Kieselbachii ist ein Venengeflecht im vorderen Teil der Nasenscheidewand. Aus
diesem Venengeflecht erfolgt Nasenbluten.
 Nasenbluten (Epistaxis) ist bei Kindern häufig. Behandlung: Kopf nach vorne beugen
(damit das Blut nicht verschluckt wird), Nasenflügel zudrücken, kalter Wickel in den
Nacken!
Drei Nasenmuscheln (Conchae). Sie vergrößern die Schleimhautoberfläche
Drei Nasengänge. Die Übergänge der Nasengänge in den Nasenrachenraum nennen sich
Choanen.
Nasenschleimhaut
 birgt ein Venengeflecht zum Aufwärmen der Atemluft (Nasenbluten)
 Flimmerepithel mit eingestreuten Becherzellen
 Riechepithel, innerviert vom Nervus olfactorius (I. Hirnnerv)
Aufgabe der Nase: Schutzfunktion durch
 Reinigung (Flimmerepithel), Erwärmung und Anfeuchten der Luft
 Prüfung der Luft durch den Riechnerv (Rezeptoren befinden sich im Bereich der
oberen Nasenmuschel)
 Absonderung von IgA (Immunglobuline der Klasse A)
 Niesen
Nasennebenhöhlen
 paarige Stirnhöhlen (Sinus frontalis)
 paarige Kieferhöhlen (Sinus maxillaris)
 unpaarige Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis)
 viele Siebbeinzellen (Sinus ethmoidales)
Aufgaben der Nebenhöhlen
 Bildung des Resonanzraumes
 Gewicht des Schädelknochens zu vermindern
 Oberflächenvergrößerung, Reinigung, Erwärmung und Anfeuchten der
Atemluft
Pharynx (Rachen)


Drei Rachenräume:
 Oberer Rachenraum: Nasenrachenraum = Pars nasalis, Epipharynx
(Atemweg). Enthält Rachenmandel (Tonsilla pharyngea). Von hier aus über die
Ohrtrompete (Eustachische Röhre) Verbindung zum Mittelohr.
 Mittlerer Rachenraum: Mundrachenraum = Pars oralis, Mesopharynx (Atemund Speisenweg). An der Rachenwand zwei lymphatische Seitenstränge.
 Unterer Rachenraum: Kehlkopfrachenraum = Pars laryngea, Hypopharynx
(Speiseweg)
Tonsillen
 Lymphatischer Rachenring: Gaumenmandel, Rachenmandel, Zungengrundmandeln
© Arpana Tjard Holler (Autor)
178
Respirationstrakt Anatomie
Larynx (Kehlkopf)





Schildknorpel (Cartilago thyreoidea), bildet den Adamsapfel, dient als Schutz.
Ringknorpel (Cartilago cricoidea), befindet sich unterhalb des Schildknorpels und bildet
nach hinten Basis für die Stellknorpel.
Epiglottis (Kehldeckel), verschließt beim Schluckakt den Kehlkopf.
Stimmbänder und Stellknorpel (Aryknorpel) mit Stimmritze (Glottis)
Beim reflektorischen Schluckvorgang hebt sich der Schildknorpel, und die Epiglottis senkt
sich auf die Trachea und verschließt sie.
Trachea (Luftröhre)





Verlauf 1/3 im Hals und 2/3 im Mediastinum (Mittelfellraum).
Länge 10 - 12 cm, Durchmesser ca. 2 cm.
Beginnt unterhalb des Ringknorpels auf Höhe C6/7 und endet auf Höhe Th4/5.
Aufbau: 16 bis 20 hufeisenförmige Knorpelspangen, die durch Bänder verbunden sind
Mikroanatomie: Flimmerepithel mit schleimbildenden Becherzellen, bindegewebige
Knorpelschicht, eingelagerte glatte Muskelzellen, Tunika Adventitia als Verbindung zur
Umgebung.
Bronchialbaum





Teilung (Bifurkation) der Trachea in Höhe Th4 in die beiden Stammbronchien.
Der rechte Stammbronchus ist steiler als der linke, weil sich links das Herz befindet.
 Beim Verschlucken in die Atemwege (Aspiration) gleitet das Verschluckte eher in den
rechten Bronchialbaum.
Der Bronchialbaum besteht aus:
 2 Stammbronchien
 5 Lappenbronchien
 18 - 20 Segmentbronchien
 namenlose Bronchien
 Bronchiolen
 terminale Bronchiolen (Bronchioli terminalis, Endbronchiolen)
 respiratorische Bronchiolen (Bronchioli respiratorii, hier finden sich schon
einige Lungenbläschen)
 Alveolargänge
 Alveolensäckchen
 Alveolen (= Lungenbläschen, hier findet der Stoffaustausch statt)
Die Bronchien bestehen aus Knorpel, Flimmerepithel und einer Muskelschicht (glatte
Muskulatur)
Die Bronchiolen besitzen keinen Knorpel mehr. Ihr Lumen wird durch glatte Muskulatur
aufgehalten.
Die Alveolen (Lungenbläschen)







Jede Lunge hat 300 Millionen Alveolen, Gesamtoberfläche ca. 80 qm.
Durchmesser 0,1-0,2 mm in der Exspiration und 0,3-0,5 in der Inspiration
Hier findet der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxyd statt
Stellt die Grenzfläche zwischen Luft- und Blutraum dar
Surfactant: Eine Flüssigkeit, welche die Oberflächenspannung der Alveolen herabsetzt und
so einen Kollaps der Lungenbläschen verhindert
Alveolarmakrophagen, leisten Abwehr in den Alveolen.
Um die Alveolen herum liegt das Lungenkapillarnetz, welches Sauerstoff aufnimmt und
Kohlendioxid abgibt.
Respirationstrakt Anatomie


179
Zwischen den Alveolen liegt im Bindegewebe ein stark elastisches interstitielles Fasergerüst
Aufbau der Blut-Luft-Schranke (= 1 Mikrometer): Kapillarendothel, Basalmembran,
Alveolarendothel, Surfactant
Pleura (Brustfell)



Pleura visceralis ist als Lungenfell mit den Lungenflügeln verwachsen,
Pleura parietalis mit den Rippen (Rippenfell) und dem Zwerchfell verwachsen.
 innerviert von sensitiven Nervenfasern
 gibt die Pleuraflüssigkeit ab
Der Pleuraspalt mit einem Flüssigkeitsfilm (5-10 ml) gewährleistet durch den Unterdruck
die Anhaftung der Lunge bei Ein- und Ausatmung und die Verschieblichkeit der Lunge
gegenüber den Rippen.
Die Lungenflügel






In der Mitte der beiden Lungenflügel befindet sich das Mediastinum.
Aufteilung der Lungenflügel in:
 Lungenlappen, (links zwei, rechts drei Lappen) sind untereinander
verschiebbar.
 Lungensegmente, rechts 10 Segmente und links 8-10 Segmente. Bei
Operationen kann ein Segment herausgenommen werden.
Lungenspitze ragt über die erste Rippe hinaus.
Lungenbasis liegt direkt dem Diaphragma auf, fest verwachsen.
Lungenhilus, die Eintrittsstelle des Bronchialbaumes, der Blutgefäße, der Lymphgefäße
und der Nerven. Hier ist der Umschlag zwischen Pleura visceralis und Pleura parietalis.
Lungenläppchen. Funktionseinheit der Lunge, welche von allen Alveolen gebildet wird,
die von einer Endbronchiole ausgehen.
Physiologie der Atmungsorgane
Die Lungenvolumina








Atemzugvolumen: Das Volumen eines einzelnen normalen Atemzuges (0,5 l).
Inspiratorisches Reservevolumen: Kann nach normaler Einatmung noch zusätzlich
eingeatmet werden (2-3 l).
Exspiratorisches Reservevolumen: Kann nach normaler Ausatmung noch zusätzlich
ausgeatmet werden (1-2 l).
Vitalkapazität: Das Volumen, welches nach maximaler Ausatmung maximal eingeatmet
werden kann (4-6 l).
Residualvolumen: Luftanteil, der nach stärkstem Ausatmen noch in der Lunge verbleibt (1
l).
Totalkapazität: Die Vitalkapazität plus Residualvolumen (6 l).
Totraum: Der Raum der Atemwege, welche nicht am Gasaustausch beteiligt sind
(Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen, Nasen- und Mundrachenraum, Kehlkopf, Luftröhre und
Bronchien).
Atemfrequenz: Anzahl der Atemzüge pro Zeiteinheit.
 Bei Erwachsenen 12-16 Atemzüge pro Minute.
 Bei Kindern 20-24 Atemzüge pro Minute.
 Bei Säuglingen ca. 40 Atemzüge pro Minute.
 Bei Neugeborenen ca. 50 Atemzüge pro Minute.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
180
Respirationstrakt Anatomie

Atemzeitvolumen: ist das in einer bestimmten Zeiteinheit ein- oder ausgeatmete Volumen
(7 l/min)
 Bei Extrembelastung Atemminutenvolumen bis zu 120 l.
Einsekundenkapazität (Tiffeneau-Test, FEV1 = forciertes exspiratorisches Volumen in 1
Sekunde): ist ein Atemstoßtest, bei dem nach tiefster Einatmung in einer Sekunde mit
maximaler Anstrengung schnellstmöglich ausgeatmet werden soll. In der Regel kann nach
einer Sekunde 2/3 der Vitalkapazität abgeatmet werden. Der Test gibt Auskunft über
mögliche obstruktive oder restriktive Ventilationsstörungen und ist v.a. wichtig zur
Einteilung der COPD.

Volumen
5,0
Inspiratorisches Reservevolumen ca. 2-3 l
3,0
Atemzugvolumen ca. 0.5 l
2,5
Exspiratorisches Reservevolumen ca. 1,5 l
Vitalkapazität
1,0
Totalkapazität
Residualvolumen ca. 1 l
Zeit
Die Mechanik der Atmung
Muskeln der Einatmung


Der wichtigste Muskel der Einatmung ist das Zwerchfell (Diaphragma), wird als
Bauchatmung oder abdominale Atmung bezeichnet.
 Das Zwerchfell mit quergestreifter Muskulatur ist ein besonderer Muskel,
welcher in der Lage ist, sich selbst zu bewegen.
 Muskelansatz: Eine nach oben gewölbten Sehnenplatte, die gleichzeitig Brustund Bauchhöhle trennt. In dieser Sehnenplatte befinden sich drei große
Öffnungen zum Durchtritt von:
 Speiseröhre (Hiatus oesophageus)
 Aorta (Hiatus aorticus)
 Untere Hohlvene (Foramen venae cavae)
 Muskelursprung:
 An der Innenseite der 7.-12. Rippe.
 An den Körpern und Querfortsätzen von L1 und L2.
 An dem Schwertfortsatz des Brustbeins (Processus xiphoideus)
 Die nervale Versorgung des Zwerchfells erfolgt durch den Nervus phrenicus.
 Die Bauchatmung ist gesünder als die Brustatmung, weil sie weniger Energie
verbraucht, den Blutdruck senkt, die Verdauung fördert und den venösen
Rückstrom zum rechten Herzen verbessert.
Der Einatemmuskel des Brustkorbes ist die äußere Zwischenrippenmuskulatur (Musculi
intercostales externi). Die Muskelfasern verlaufen jeweils in den Rippenzwischenräumen
von einer Rippe zur anderen von oben hinten nach unten vorne und führen bei Kontraktion
zur Anhebung der Rippen und somit zur Vergrößerung des Volumens des Brustkorbes.
Respirationstrakt Anatomie

181
Die Atemhilfsmuskulatur bei stärkster Einatmung:
 Musculus scaleni (Rippenhalter)
 Musculus sternocleidomastoideus (Kopfwender)
 Musculus pectoralis major/minor (großer und kleiner Brustmuskel)
Muskel der Ausatmung



Unter Ruhebedingungen geschieht die Ausatmung nahezu passiv (elastisches interstitielles
Fasergerüst im Lungengewebe).
Der Ausatemmuskel des Brustkorbes ist die innere Zwischenrippenmuskulatur (Musculi
intercostales interni).
Die Atemhilfsmuskulatur bei starker Ausatmung:
 Die Bauchmuskulatur. Bei Kontraktion erhöht sie den Druck im Bauchraum
und drängt das Zwerchfell nach oben. Der Brustraum wird verengt und die
eingeatmete Luft ausgestoßen.
Pleuraspalt



Wesentlich für die Atemmechanik ist der Pleuraspalt, ein kapillarer Spalt zwischen
Lungenfell (Pleura visceralis) und Rippenfell (Pleura parietalis). Dieser Spalt ist mit einem
Flüssigkeitsfilm gefüllt.
Da sich die Flüssigkeit nicht ausdehnen kann, bleiben bei der Einatmung die Pleurablätter
dicht beisammen (Unterdruck ca. -5 mmHg), sind aber dennoch gegeneinander
verschieblich.
Nur deshalb ist es möglich, dass die Lunge den Atembewegungen des knöchernen Thorax
folgt und sich dehnt, gleichzeitig aber durch die Formänderung des Thorax nicht gezerrt
oder verletzt wird.

Bei einer Verwachsung der Pleurablätter (Pleuraschwarte) nach einer Pleuritis, ist die
Atemmechanik in diesem Bereich behindert.
Gasaustausch in der Lunge






Der Transport von O2 im Blut geschieht hauptsächlich durch Anlagerung an das
Hämoglobin in den Erythrozyten.
Der Transport von CO2 geschieht hauptsächlich durch die Dissoziation zu Kohlensäure.
 CO2 + H2O  H2CO3  HCO-3 + H+
Ein Teil der Kohlensäure wird in Ionenform transportiert. Dadurch hat die Atmung Einfluss
auf den pH-Wert des Blutes.
 Bikarbonat-Puffer-System
Der pH-Wert ist abhängig von der Menge an H-Ionen.
 Steigt die Anzahl der H-Ionen wird der pH-Wert niedriger und das Milieu saurer.
 Sinkt die Anzahl der H-Ionen wird der pH-Wert höher und das Milieu basisch.
Bei flacher Atmung wird weniger CO2 abgegeben und das Blut durch die vermehrt
anfallenden H-Ionen leicht übersäuert:
 pH-Wert  7,36 (Azidose)
Bei Hyperventilation wird verstärkt CO2 abgeatmet und das Blut durch die fehlenden HIonen basisch:
 pH-Wert  7,44 (Alkalose)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
182
Respirationstrakt Anatomie
Diffusion der Atemgase



Ein effektiver Diffusionsprozess erfordert eine große Austauschfläche und einen kurzen
Diffusionsweg. Beide Bedingungen sind in der Lunge ideal erfüllt.
Die Diffusion der Gase erfolgt entlang einem Gefälle des Partialdruckes. In den Alveolen
sind ein relativ hoher Partialdruck an O2 und ein relativ niedriger Partialdruck an CO2 zu
finden, in den Lungenkapillaren umgekehrt.
Der einzelne Erythrozyt steht nur für ca. 0,3 Sekunden im Diffusionskontakt mit den
Alveolen (Lungenbläschen).
Lungenperfusion




Die Lungendurchblutung beträgt im Ruhezustand 5-6 l/min.
Der Blutdruck im kleinen Kreislauf ist wesentlich niedriger als im Großen, daher besteht
nur ein geringer Strömungswiderstand.
Die Perfusion der Lunge ist regional unterschiedlich. Auf der einen Seite ist sie lagebedingt.
Da der Blutdruck im kleinen Kreislauf niedrig ist, sind bei aufrechter Haltung die unteren
Partien der Lunge wesentlich mehr durchblutet als die oberen.
Auf der anderen Seite wird die Durchblutung der einzelnen Regionen auch gesteuert durch
den O2-Partialdruck in den Alveolen. Schlecht belüftete Alveolen führen zu einer
Konstriktion der Arteriolen und damit zu einer Minderdurchblutung des betroffenen
Gebietes (Euler-Liljestrand-Reflex).
Die Atemregulation

Ein komplexes Regelsystem sorgt dafür, dass die Ventilation den Anforderungen in Ruhe
und Belastung stets angeglichen ist. Außerdem werden die pO2- und die pCO2-Werte, sowie
der pH-Wert des Blutes auf sehr engen vorgegebenen Werten gehalten.
Zentrale Atemsteuerung




Das Atemzentrum liegt in der Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark). Hier werden
rhythmische Nervenimpulse erzeugt, die die Ein- und Ausatmung steuern.
Folgende Einflüsse (Afferenzen) wirken auf das Atemzentrum:
 Periphere Chemorezeptoren im Glomus caroticum (an der Teilungsstelle der
Halsschlagader) und Glomus aorticum (am Aortenbogen) messen pO2, pCO2
und die H-Ionenkonzentration.
 Dehnungsrezeptoren in den Alveolen melden den jeweiligen Dehnungszustand
über den Nervus Vagus (X. Gehirnnerv) an das Atemzentrum.
 Der Sympathikus steigert die Atemfrequenz und führt zu einer Erweiterung der
Bronchien (Bronchodilatation), während der Parasympathikus zu einer
Verengung (Bronchokonstriktion) führt.
 Die Großhirnrinde und das limbische System haben Einfluss auf die Atmung.
Eine Atemsteigerung findet sich bei:
 Anstieg arterieller CO2 (stärkste Atemantrieb)
 Abfall arterieller pO2
 Anstieg arterieller H-Ionenkonzentration (Azidose)
 Gesteigerter Herzfrequenz
 Temperaturabfall an der Haut
 Sympathikusreaktion (Emotionalität, Angst, Ärger)
Kommt es zu einem Verlust der zentralen Chemo-Sensibilität, das heißt der Organismus
reagiert nicht mehr auf einen CO2-Anstieg, wird die Spontanatmung nur noch stimuliert
durch einen Abfall der O2-Konzentration.
 z.B. bei Barbituratvergiftungen
Respirationstrakt Anatomie

183
 Lungenerkrankungen, die zu einem konstanten erhöhten pCO2 führen (COPD
mit Lunngenemphysem, Lungenfibrosen).
Daher ist eine Beatmung mit reinem Sauerstoff z.B. bei Barbituratvergiftungen sehr
gefährlich und kann einen Atemstillstand provozieren.
Lungenuntersuchung
Anamnese




Symptomenanamnese (Fallanamnese)
 Husten: wie oft, schmerzhaft, akut oder chronisch?
 Auswurf: Farbe (weißlich-schleimig, rostbraun, gelblich-grünlich), Geruch, viel
oder wenig, flüssig oder zäh, dreischichtig?
 Atemnot (Dyspnoe): Orthopnoe, Belastungsdyspnoe, Ruhedyspnoe?
 Atemfrequenz?
 Atemtiefe?
 Schmerzen, atemabhängig?
Vegetative Anamnese
 Verdauung, Stuhl?
 Harn, schmerzhaft, häufig, Aussehen?
 Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber (sog. B-Symptome)
Eigenanamnese
 Rauchen, Alkohol, Medikamente?
 Erkrankungen? Urlaub?
Familienanamnese
 Bekannte Erkrankungen?
Inspektion

Folgendes kann bei der Inspektion auf Lungenkrankheiten hinweisen:
 Form des Thorax (Fassthorax bei Lungenemphysem)
 Atemfrequenz (Bradypnoe, Tachypnoe)
 Asymmetrische Atembewegung (asymmetrische Thoraxbewegung), z.B. bei
Lappenpneumonie, Pleuritis exsudativa und sicca, Pneumothorax
Pathologische Atemtypen:



Kussmaul-Atmung: Die sog. Azidoseatmung, tiefe und langsame Atemzüge um möglichst
viel CO2 abzuatmen und H-Ionen zu binden. Vorkommen bei:
 Ketzoazidose bei Diabetes mellitus
 Urämie (Niereninsuffizienz im letzten Stadium)
 Morbus Addison (Nebennierenrindeninsuffizienz)
Cheyne-Stokes-Atmung: Perioden mit an- und abschwellender Atemtiefe, nach 20-30
Atemzügen 1-2min Pause (Apnoe). Vorkommen bei verminderter Durchblutung des
Atemzentrums, z.B. bei
 Herzinsuffizienz, Apoplex, Urämie oder Kohlenmonoxidvergiftung.
Biot-Atmung: Einige starke Atemzüge wechseln mit Apnoe. Vorkommen bei Schädigung
des Atemzentrums und oft kurz vor dem Tod.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
184
Respirationstrakt Anatomie

Schnappatmung: Schnappende kurze Atemzüge mit langen Atempausen dazwischen
(bevor die Atmung völlig versagt). Ursache liegt im Funktionsausfall des Atemzentrums
meist infolge Sauerstoffunterversorgung.
Perkussion (Abklopfen)



Wichtig: Immer seitenvergleichend perkutierten.
Der normale Lungenschall wird als sonorer Perkussionsschall bezeichnet:
 Tief, laut, lang und ungedämpft
Pathologische Schallqualitäten sind:
 Hoch, leise, kurz und gedämpft


Der Perkussionsschall dringt nur ca. 5cm tief ein. Starke Muskel- oder
Fettüberlagerungen beeinflussen den normalen Lungenschall.
Mit Hilfe der Perkussion wird auch die Atemverschieblichkeit der Lungengrenzen
festgestellt. Im Normalfall beträgt sie 4-6 Querfinger.
Pathologischer Perkussionsschall



Hypersonorer Klopfschall: Ein tiefer, sehr lang anhaltender, ungewöhnlich lauter und
hohler Ton. Zeigt Höhlen im Lungengewebe an. Vorkommen bei
 Pneumothora
 Lungenemphysem
 Asthmaanfall
 Kavernen bei Tbc
 Ein sehr lauter Klopfschall findet sich auch über gasgefüllten Darmschlingen.
Hyposonorer Klopfschall oder Schenkelschall (totale Dämpfung): Ein kurzer, hoher,
leiser und gedämpfter Ton. Zeigt Verdichtungen des Gewebes an. Vorkommen bei
 Tumoren der Lunge
 Pneumonie
 Pleuritis exsudativa (Pleuraerguss).
Ein tympanitischer Klopfschall bezeichnet trommelartiges Geräusch, welches v.a. über
gasgefüllte Darmschlingen zu hören ist.
Palpation (Untersuchung durch Betasten)




Untersucht wird die Leitfähigkeit des Lungengewebes. Wird als Stimmfremitus
bezeichnet.
Die Hände werden beiderseits großflächig auf den Rücken gelegt, der Patient sagt mit tiefer
Stimme "99". Die durch die tiefe Stimme hervorgerufenen Vibrationen des Lungengewebes
lassen sich mit der Hand fühlen. Seitenvergleich ist wichtig. Je mehr Gewebe, desto stärker
der Stimmfremitus, je weniger Gewebe, desto abgeschwächter ist der Stimmfremitus.
Verstärkter Stimmfremitus findet sich:
 bei einer Lappenpneumonie (je mehr Gewebe, desto mehr Vibrationen)
 beim alveolärem Lungenödem
Abgeschwächter Stimmfremitus (Je weniger Gewebe, desto weniger Vibrationen) findest
sich bei:
 Pneumothorax
 Pleuraerguss (Pleuritis exsudativa)
Auskultation (Abhören)
Normale Atemgeräusche
Respirationstrakt Anatomie


185
Vesikuläratmen über der Lunge (leises niederfrequentiertes hauchendes Atemgeräusch).
Wird auch als Alveoläratmung oder Bläschenatmung bezeichnet.
Bronchialatmen bzw. Trachealatmen (Röhrenatmung) über den Hauptbronchien und der
Trachea, (lautes hochfrequentes Atemgeräusch während der Ein- und Ausatmungsphase).

Wichtig ist der Seitenvergleich! Auskultiert wird an mindestens 6 Stellen von hinten
(paravertebral und unter dem Schulterblatt).
Pathologische Atemgeräusche







Fehlendes oder vermindertes vesikuläres Atemgeräusch bei:
 Pneumothorax
 Emphysem
 Pleuraerguss, Pleuraschwarte
Trockene Rasselgeräusche (kontinuierliche Nebengeräusche) werden als Giemen, Pfeifen
und Brummen bezeichnet. Sie entstehen durch Verengung der Atemwege bei
Schleimhautschwellungen und zähen Sekretmassen. Vorkommen v.a. bei:
 Asthma bronchiale
 chronische Bronchitis
 Bronchialkarzinome
Feuchte (feine und grobe) Rasselgeräusche (diskontinuierliche Nebengeräusche); sie
entstehen durch flüssige Sekrete und durch plötzliches Öffnen der Luftwege. Vorkommen
bei:
 chronischer Bronchitis (frühinspiratorisch)
 Pneumonie
 Lungenödem
 Bronchiektasen
 Geräusche sind evtl. beim Gesunden nach langem Liegen zu hören!
Bronchialatmen statt Vesikuläratmen über der Lunge. Erkrankung des Lungengewebes
führt zum Verlust des „Frequenz-Filters“, normales hauchendes Atemgeräusch wird zum
deutlichen und lauten Atemgeräusch, z.B. bei Pneumonie, Lungenfibrosen.
Knisterrasseln am Anfang einer Pneumonie (wie das Aneinanderreiben von Haaren vor
dem Ohr).
Lederknarren (Reibegeräusche) bei Pleuritis sicca.
Stridor, Pfeifendes Atemgeräusch ohne Stethoskop hörbar
 Inspiratorischer Stridor: Ursache liegt außerhalb des Brustkorbes, z.B. bei:
 Pseudokrupp, Glottisödem, Laryngitis, Epiglottitis
 Struma
 Stenose der Trachea.
 Exspiratorischer Stridor: Ursache liegt innerhalb des Brustkorbes, z.B. bei:
 COPD
 Asthma bronchiale
 Aspirierte Fremdkörper
 Bronchialkarzinom
© Arpana Tjard Holler (Autor)
186
Respirationstrakt Pathologie
Respirationstrakt Pathologie
Abklärung der Terminologie ................................................................................................................ 187
Erkrankungen der oberen Atemwege ................................................................................................... 188
Erkrankungen der unteren Atemwege ................................................................................................. 191
Erkrankungen der Lunge (Gasaustauschfläche) und der Pleura ....................................................... 199
Störungen des Lungenkreislaufs .......................................................................................................... 205
Hyperventilationstetanie  ................................................................................................................... 207
Mukoviszidose (zystische Fibrose)  ................................................................................................... 208
Differenzialdiagnose ............................................................................................................................. 208
Respirationstrakt Pathologie
187
Abklärung der Terminologie














Respiratorische Insuffizienz: Jede Behinderung der äußeren Atmung, die zu einer Störung
der normalen Atemgaskonzentration im Blut führt (pO2/pCO2). Geht mit einer
Verminderung des Atemminutenvolumens einher.
Respiratorische Partialinsuffizienz: Erniedrigung des pO2 im Blut, während der pCO2
kompensatorisch normal ist.
Zyanose: Rotbläuliche Verfärbung der Haut und Schleimhäute infolge Abnahme der
Sauerstoffsättigung (sauerstoffarmes Hämoglobin). Besonders zu sehen an Lippen, Zunge,
Nasenspitze, Finger- und Zehennägel.
 Zentrale Zyanose entsteht durch verminderte Sauerstoffversorgung des
arteriellen Blutes. Ursachen: alle Lungenerkrankungen mit Behinderung des
Gasaustausches, Lungenembolie, Herzfehler mit Shunt (Rechts-Links-Shunt),
O2-Verminderung in der Atemluft.
 Periphere Zyanose entsteht durch verminderte venöse Sauerstoffsättigung.
Ursachen: Erkrankungen von Arterien, venöse Stauung
Hypoxie, Ischämie: Herabsetzung des Sauerstoffgehalts im Gewebe
Hypoxämie: Erniedrigung des pO2 im Blut, Sauerstoffmangel des Blutes
Dyspnoe: Erschwerte Atmung, Atemnot
Belastungsdyspnoe: Treppendyspnoe, Atemnot nur bei Belastung, der Patient muss stehen
bleiben und sich erholen
Ruhedyspnoe: Atemnot auch schon in Ruhe
Apnoe: Atemstillstand von mindestens 10 Sekunden
Orthopnoe: Atemnot, die im Liegen stärker, in aufrechter Haltung besser wird (Patient
stützt sich auf die Ellenbogen).
Tachypnoe: Schnelles (meist oberflächliches) Atmen
Obstruktion: Ein pathologisch erhöhter Strömungswiderstand in den luftleitenden
Atemwegen durch Konstriktion (Zusammenziehung) der Bronchialmuskulatur, vermehrte
Schleimsekretion und Schwellung der Schleimhaut.
Restriktion: Abnahme der Totalkapazität durch Verminderung des dehnungsfähigen
Lungenparenchyms oder bei eingeschränkter Beweglichkeit des Thorax.
Hyperventilation: Steigerung der Ventilation, die über die Stoffwechselbedürfnisse
hinausgeht und eine vermehrte Abatmung von CO2zur Folge hat.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
188
Respirationstrakt Pathologie
Erkrankungen der oberen Atemwege
Akute Rhinitis (Schnupfen)
Def:
Entzündung der Nasenschleimhaut
Urs:
 Viren, z.B. Rhinoviren (sind immer vorhanden, vermehren sich bei schlechter
Abwehrlage), Influenza-Viren, Adenoviren.
 Sehr selten Bakterien (führen zur Sekundärinfektion mit eitrigem Schnupfen).
 Bei verschiedenen Infektionskrankheiten (z.B. Masern, Keuchhusten, Scharlach,
Influenza).
 Allergisch bedingt: Rhinitis allergica = Heuschnupfen.
Sym: 
meist kein Fieber (afebril)

Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Müdigkeit
 Kitzeln in Nase und Rachen

Meist zuerst Absonderung eines wässrigen Sekrets (laufende Nase), später
Absonderung eines eitrigen Sekrets (verstopfte Nase)
 Reduzierter Geruchssinn
Kom: Sinusitis
Akute/ Chronische Sinusitis
Urs:




Rezidivierende Rhinitis
Zahnherde
Chronische Tonsillitis (Mandelentzündung)
Chronische Bronchitis
Sym: 




eitriges Sekret (gelb-grün)
druck- und klopfschmerzhafte Nebenhöhlen
behinderte Nasenatmung
Kopfschmerzen, Gesichtsschmerzen (einseitig)
Allgemeinsymptome, Schwäche, evtl. Fieber
Kom: 




Eiteransammlung in einer der Nebenhöhlen (Empyem)
Entzündung des Knochens (Ostitis, Osteomyelitis)
Sinusthrombose
Perforation in die Augenhöhle
Perforation in die Schädelhöhle (Meningitis, Enzephalitis)
 Rasende Kopfschmerzen
Schlafapnoesyndrom (SAS) 
Def:
Krankheitsbild, welches sich durch wiederholte Atemstillstände (Apnoe) in der Nacht
entwickelt.
 Unter Schlafapnoe wird ein nächtlicher Atemstillstand von mehr als 10 Sekunden
verstanden. Dieser kann auch einmalig oder mehrmalig bei Gesunden in
Erscheinung treten.
 Von Schlafapnoesyndrom spricht man dann, wenn diese Atemstillstandsattacken
mehr als 10-mal in der Stunde auftreten. Daraus resultiert eine abnorme Müdigkeit
während des Tages.
Respirationstrakt Pathologie
Urs:
189
 Obstruktives Schlafapnoesyndrom (90%). Während der Einatmung kommt es
durch einen verminderten muskulären Tonus zu einem plötzlichen Zusammenfall
der muskulären Rachenwände mit daraus resultierendem Atemstillstand.
Zentrales Schlafapnoesyndrom (10%) durch Ausfall der Atemregulation im
zentralen Nervensystem.
 Begünstigende Faktoren
 Männer sind doppelt so häufig betroffen, v.a. übergewichtige Männer
nach dem 40igsten Lebensjahr.
 Übergewicht, Rauchen, Alkohol, Hypertonie
Sym:








in der Nacht: lautes Schnarchen
abnorme Müdigkeit und vermehrte Einschlafneigung während des Tages
Unaufmerksamkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen
morgendliche Kopfschmerzen
Neigung zum depressiven Verhalten, Persönlichkeitsveränderungen
Potenzstörungen
Herzrhythmusstörungen, arterielle Hypertonie (Sympathikusreaktion)
Polyglobulie
Diagnose durch Schlaflabor
Kom: Erhöhte Unfallgefahr, Gefahr von Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Gehirnschlag.
The:
 Schlafhygiene (z.B. Verzicht auf Alkohol und Nikotin, richtige Matratze,
Schlafumgebung), keine Schlaftabletten
 Atemtherapiegerät
 Operation
Laryngitis
Def:
Entzündung des Kehlkopfes
Urs:
 Akute Laryngitis, meist als Folge einer Infektionskrankheit, z.B. Influenza, Masern,
Scharlach, Diphtherie
Chronische Laryngitis, z.B. bei Alkohol- und Nikotinabusus, Inhalation von Staub,
gut- und bösartige Tumore des Kehlkopfes, Überanstrengung des Stimmapparats
Sym:
akute Laryngitis
 Heiserkeit, Stimmlosigkeit (Aphonie)
 meist gleichzeitig Pharyngitis mit Halsschmerzen
 Fieber
 evtl. Atemnot
 inspiratorischer Stridor
 chronische Laryngitis
 über längere Zeit bestehende Heiserkeit
Kom:  Glottisödem (Schwellung der Kehlkopfschleimhaut im Bereich der Stimmlippen mit
Gefahr der Erstickung)
Kruppsyndrom 
© Arpana Tjard Holler (Autor)
190
Respirationstrakt Pathologie
Def:
Urs:
Sammelbezeichnung für Erkrankungen der Atemwege, die mit entzündlicher
Kehlkopfverengung und einem daraus resultierenden bellenden Husten
(Schleimbeläge auf den Stimmlippen), Heiserkeit und Atemnot einhergehen.
 Echter Krupp
Heute selten gewordene Verlaufsform mit grau-weißlichen Pseudomembranen bei
der Kehlkopfdiphtherie (siehe Diphtherie unter N.5.1.3).
 Pseudokrupp (Laryngitis subglottica)
 Akuter infektiöser Krupp (sog. Infektkrupp)
Durch Viren (am häufigsten) oder Bakterien hervorgerufene entzündliche
Verengung des Kehlkopfes. Am häufigsten in der Herbst- und Winterzeit.
 Spastischer Krupp
Allergische Reaktion, die plötzlich (häufig in der Nacht) auftritt und mit akuter
Atemnot auftritt. In der Regel sind Kleinkinder und Kinder betroffen.
Krupp
Pseudokrupp
infektiös bedingt
durch Bakterien
z.B. Scharlachkrupp
echter Krupp
nur bei Diphtherie
allergisch bedingt
allergischer Krupp
durch Viren
z.B. Masernkrupp
Sym:

bellender und knallender Husten, häufig in Attacken

inspiratorischer Stridor, Heiserkeit

Dyspnoe

geringes Fieber bei akutem infektiösem Krupp
The:
 Beruhigen, Angst verschlimmert die Atemnot
 Kühle, feuchte Luft führt zum Abschwellen der Schleimhaut
 Gabe von Kortison-Zäpfchen (Rectodelt-Zäpfchen 100 mg)
Epiglottitis 
Def:
Meist akute auftretende Entzündung der Schleimhaut des Kehldeckels (Epiglottis),
welche häufig eine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt.
Urs:
Infektiös, gefürchtet v.a. im Rahmen einer Haemophilus-influenza-Infektionen (TypB) bei Säuglingen und Kleinkindern.
Sym:

Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber und starkem Krankheitsgefühl

Typische Trias (Holler-Trias):
 Dysphagie (Schluckstörungen), kann bis in die Ohren ausstrahlen
 kloßige Stimme (gedämpft und gedrückte Aussprache), Kind sagt gar nichts
mehr
 vermehrter Speichelfluss

Inspiratorischer Stridor

teilweise heftige Atemnot; Kind beugt sich nach vorne und überstreckt den Kopf um
die Atmung zu erleichtern
Respirationstrakt Pathologie
The:
191
 Notfall, rasche Krankenhauseinweisung (Intubation um einen Atemweg-verschluss
zu verhindern!)
 Keine Inspektion des Rachenraums, da sonst Gefahr auf Stimmlippenspasmus.
Erkrankungen der unteren Atemwege
Akute Bronchitis
Def:
Entzündung der Bronchialschleimhaut. Äußert sich beim Erwachsenen meist in den
oberen Luftwegen als Tracheobronchitis (Luftröhre und die großen Bronchien sind
entzündet).
Urs:




Fast immer Viren, z.B. Rhinoviren, Influenzaviren
Seltener Bakterien und Pilze (Candida albicans)
Sekundär bei Keuchhusten, Masern, Diphtherie, Typhus
Reizstoffe, z.B. Stäube, Gase (Ozon)
Begünstigende Faktoren:
 Austrocknung der Bronchialschleimhaut in trockenen Räumen
 reduzierte Abwehrlage
 Nässe und feuchtes Klima
Sym:
 trockener schmerzhafter Reizhusten
 erst zäher, spärlicher, glasiger Auswurf (virale Bronchitis)
 dann später gelb-grünliches Sputum (bakterielle Bronchitis)
 meist in Verbindung mit Rhinitis, Pharyngitis, Laryngitis, Tracheitis
 leichtes Fieber, Kopfschmerzen

Auskultation: anfänglich evtl. trockene, später feuchte Rasselgeräusche
Kom:  Bakterielle Superinfektion
 Bronchopneumonie
Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD/COLD) 




COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ist eine chronisch entzündliche
Erkrankung der Bronchialschleimhaut, die mit einer dauerhaften Verengung der Atemwege
einhergeht.
Leitsymptome sind Auswurf, Husten und Atemnot (sog. AHA-Symptome) bei
körperlicher Belastung. Im Gegensatz zu Asthma bronchiale lässt sich diese Erkrankung
nicht bessern.
COPD wird als Sammelbegriff für die chronische obstruktive Bronchitis (im Volksmund
als „Raucherbronchitis“ bezeichnet) und das Lungenemphysems verwendet.
Obstruktive Atemwegserkrankungen sind Erkrankungen der Atemwege, die zur Verengung
oder Verlegung (Obstruktion) der Luftwege führen, z.B. bei
 Asthma bronchiale
 COPD
 Struma
 Tumore der Luftröhre bzw. Bronchien)
Chronische (obstruktive) Bronchitis
© Arpana Tjard Holler (Autor)
192
Respirationstrakt Pathologie
Def:
Chronische Schleimproduktion in den Luftwegen mit rezidivierendem (wiederkehrendem) Husten, der während mindestens 3 Monaten pro Jahr in den vergangenen
zwei Jahren auftritt (nach WHO).
Respirationstrakt Pathologie
193
Urs:




Pat:
Durch die Irritation der Bronchialschleimhaut kommt es zu einer chronischen
Entzündung der Schleimhaut der unteren Atemwege. Die Folgen sind:
 Schwellung der Schleimhaut
 Produktion von mehr Becherzellen mit mehr zähem Schleim
 Muskeltonus der glatten Muskulatur in den Bronchien und Bronchiolen erhöht
sich (Bronchospasmus)
 Durch Umformungsprozesse und Reparaturvorgänge in der Wand der
Bronchien und Bronchiolen kommt es zur vermehrten Einlagerung von
Kollagen in die Bronchialwand mit Bildung von Narbengewebe, welches
verengend wirkt
 Das Flimmerepithel nekrotisiert und später atrophiert die Bronchialschleimhaut mit Gefahr der Wandveränderung der Bronchien (Bronchiektasen)
 Der verstärkte Entzündungsprozess bei COPD wird durch ProteaseAntiprotease-Hypothese
erklärt:
Angelockte
Neutrophile
setzten
zellschädigende Proteasen frei, gleichzeitig sind die schützenden Antiproteasen
vermindert (Alpha-1-Antitrypsinmangel)
 Entstehung
eines
Lungenemphysems
durch
Untergang
von
Alveolarzwischenwänden. Dadurch werden die Lungenkapillaren weniger. Das
führt zu einem Rückstau des Blutes zum rechten Herzen mit allmählicher
Bildung eines Cor Pulmonale.
Zigarettenrauchen. Jeder 2. Raucher über 40 Jahre hat eine chronische Bronchitis!
Berufliche oder umweltbedingte Luftverschmutzung
Feuchtes und kaltes Klima
Allergisch
Einteilung der COPD durch GOLD (Global initiative for chronic Obstructiv Lung
Disease) anhand der Einsekundenkapazität (FEV1) mit Hilfe des Spirometers.
COPD-Stadien
 COPD 0: Personen, welche zur Risikogruppe gehören (Nikotinmissbrauch,
Alpha-1-Antitrypsinmangel) und die Symptome Auswurf und Husten zeigen.
FEV1 ist normal.

COPD 1: FEV1 100-80% des Normalwertes (milde COPD). Die chronischen
Symptome sind Auswurf und Husten, können aber auch ganz fehlen. Atemnot
tritt i.d.R. nicht auf.

COPD 2: FEV1 50-80% des Normalwertes (mittelgradige COPD). Die
chronischen Symptome sind meist stärker ausgeprägt, können aber auch
manchmal fehlen. Atemnot entsteht i.d.R. bei starker körperlicher Belastung.

COPD 3: FEV1 30-50% des Normalwertes (schwere COPD). Die chronischen
Symptome (Auswurf und Husten) sind i.d.R. deutlich spürbar. Atemnot besteht
schon bei geringer körperlicher Belastung. Beginn eines Lungenemphysems.

COPD 4: FEV1 < 30% des Normalwertes (sehr schwere COPD). Endstadium
der COPD mit deutlicher Erscheinung eines Lungenemphysems und
Ausbildung eines Cor pulmonale (Rechtsherz-insuffizienz infolge einer
Lungenerkrankung).
Sym:  Länger bestehender Husten und Auswurf
 Bei chronischem Husten müssen bösartige Tumore und Tuberkulose
ausgeschlossen werden.

Anlass für Arztbesuche ist häufig die Belastungsdyspnoe.
 Leistungsabfall
© Arpana Tjard Holler (Autor)
194
Respirationstrakt Pathologie


Kom: 



Auskultation: trockene Rasselgeräusche
Einsekundenkapazität (Tiffeneau-Test) herabgesetzt
Bronchopneumonie
Lungenabszess
Bronchiektasen
Jeder weitere Atemwegsinfekt kann den Patienten akut gefährden, da die
bereits eingeschränkte Lungenfunktion sich noch weiter verschlechtert.
Lungenemphysem 
Def:
Irreversible Erweiterung der Alveolen durch Zerstörung der Alveolar-zwischenwände.
Führt zur Lungenblähung.
Urs:
 Am häufigsten durch chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (Bronchitis,
Asthma).
 Elastizitätsverlust der Alveolen im Alter (Altersemphysem).
 Narbenemphysem (selten), durch in der Umgebung schrumpfendes Lungengewebe.
 Angeboren durch Enzymmangel (Alpha-1-Antitrypsinmangel).
Pat:
Es entsteht ein abnorm großes Gasvolumen in den Alveolen durch den Schwund der
alveolaren Wandstrukturen. Aufgrund der Atrophie von Alveolar- und Kapillarzellen
nimmt die Gasaustauschfläche ab. Das führt zwangsläufig zu einer chronischen
Dyspnoe, die sich zuerst als Belastungsdyspnoe bemerkbar macht.
Sym:  Belastungsdyspnoe und chronischer Husten
 Fassthorax mit Zwerchfelltiefstand und breiten Interkostalräumen, wird auch als
Blählunge (durch Elastizitätsverlust) bezeichnet
 Drosselgrube verstrichen, evtl. Emphysemkissen sichtbar
 O2-Mangel-Syndrom: Kopfschmerz, Adynamie (Kraftlosigkeit), Schlaflosigkeit,
Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel
 Positiver Kerzenversuch: Flamme in einem Abstand von 20 cm kann nicht mehr
ausgeblasen werden
 Differenz Thoraxumfang zwischen maximaler Ein- und Ausatmung erheblich
herabgesetzt (normal: 4-6 cm)
 Zyanose
 Auskultation: abgeschwächte Atemgeräusche, leise Herztöne, evtl. trockene
Rasselgeräusche (chronische Bronchitis)
 Perkussion
 hypersonorer Klopfschall
 Atemgrenzen zw. maximaler Ein- und Ausatmung kaum verschieblich
 tiefstehende Zwerchfellgrenzen
 Palpation: Stimmfremitus vermindert an beiden Lungenflügeln
 Pink-Puffer-Typ („rosa-roter Schnaufer“)
Ist meist hager und eher untergewichtig, zeigt starke Dyspnoe mit wenig Zyanose
und sehr wenig Sauerstoff im Blut.
 Blue-Bloater-Typ („blauer Aufgedunsener“)
Ist meist füllig und übergewichtig, zeigt wenig Dyspnoe aber ausgeprägte Zyanose
und sehr viel CO2 im Blut.
Diese beiden Typen von Emphysematikern sind in der Realität nicht häufig zu
finden.
Kom:  Entstehung einer Rechtsherzinsuffizienz (Cor Pulmonale)
 Respiratorische Insuffizienz
Respirationstrakt Pathologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
195
196
Respirationstrakt Pathologie
Bronchiektasen 
Def:
Irreversible meist sackförmige Ausweitung der Bronchien
Urs:
 Als Folge einer chronisch entzündlichen Bronchialerkrankung:
 chronische Bronchitis (Raucherbronchitis am häufigsten)
 starke kindliche Atemwegsinfekte (Keuchhusten, Masern)
 Tbc, Tumore
 Selten angeboren
Pat:
Zerstörung der Bronchialwände peripherer Bronchien mit Ausweitung oder
Aussackungen
Sym:  eitrige Sekretion, die bei Änderung der Körperlage (meist morgens und abends) zu
plötzlicher maulvoller Expektoration führt (Leitsymptom)
 Husten
 Dreischichtiges Sputum: schaumig-wässrig, schleimig, eitrig-krümelig,
übelriechend
 Fieberschübe
 Blutiges Sputum als Folge ulzerierender Bronchialschleimhaut
 Trommelschlägelfinger möglich

Auskultation: feuchte Rasselgeräusche
Kom:  Lungenabszess
 Rezidivierende bronchopulmonale Infekte
 Lungenmykosen (Pilzbefall) durch ständige Antibiotikaeinnahme
Asthma Bronchiale 
Def:
Eine akute, anfallsweise auftretende Atemnot, bei der es durch Bronchospasmus,
Schwellung und Hypersekretion der Bronchialschleimhaut zu einer bronchialen
Obstruktion kommt (bronchiale Hyperreaktivität).
Urs:
Überreaktion der Bronchien auf exogene oder endogene Stoffe oder Reize.
 Exogenes (extrinsic oder allergisches) Asthma
 Allergische Reaktion vom Soforttyp (Typ I) mit Bildung von IgEAntikörpern.
 Häufig im Kindesalter mit familiärer Häufung.
 Kinder mit Milchschorf, Heuschnupfen und Neurodermitis sind häufiger
betroffen.
 Geht im Erwachsenenalter häufig in das endogene Asthma über.
 Auslösende Ursachen sind entsprechende Allergene wie z.B. Pollen,
Tierhaare, Federn, Hausstaubmilben, Schimmelpilze, Nahrungsmittel
(z.B. Mehlbestandteile = Bäckerasthma) und Medikamente
(Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac)
Paracetamol darf gegeben werden.
 Endogenes (intrinsic oder nichtallergisches) Asthma
 Häufig bei Erwachsenen. Ausgelöst durch z.B. bronchopulmonale Infekte,
körperliche Anstrengungen, psychische Belastungen, Reizung der
Atemwege (z.B. Nikotin, Staub, Gase), kalte Luft, Medikamenten.
 Mischformen aus exogenem und endogenem Asthma (kommen am häufigsten vor)
Respirationstrakt Pathologie
Pat:
197
Kontakt mit Allergenen führt zur Ausschüttung von Histamin durch die Mastzellen.
Folgende Faktoren führen zur Einengung der Atemwege:
 Schwellung der Schleimhaut
 Sehr zäher Schleim
 Bronchialspasmus
Sym: Die Asthmaanfälle setzen plötzlich ein. Die Dauer kann von Minuten bis Stunden
reichen. Die Anfälle sind häufig nachts (Parasympathikus ist aktiv und wirkt Bronchien
zusammenziehend)
 Leitsymptom: plötzlich einsetzende Atemnot
 Orthopnoe, Atmung wird in aufrechter Position verbessert
 Inanspruchnahme der Atemhilfsmuskulatur (Aufstützen der Arme)
 Zyanose
 quälender Hustenreiz
 Auswurf: sehr zäh, spärlich, weißlich, glasig, gummiartig
 exspiratorischer Stridor (lautes pfeifendes Atemgeräusch bei der
Ausatmung)
 verlängerte Ausatemphase (schlechte Ausatmung durch die Überblähung)
 Lungenblähung (Fassthorax)
 Zwerchfelltiefstand
 kaltschweißbedeckte Haut, Angst, Tachykardie (vegetative Symptome)
 Auskultation: trockene Rasselgeräusche (Pfeifen und Brummen),
allerdings sind bei totaler Lungenüberblähung kaum noch Geräusche zu
hören
 Perkussion: hypersonorer Klopfschall
 Labor: pCO2 , pO2 Eosinophilie, Sauerstoffsättigung < 94% (sO2
normal 94-98%)
Kom:  Akut: Status asthmaticus, Asthmaanfälle über einen Zeitraum von 24 Stunden mit
Dyspnoe, Tachykardie, Tachypnoe, Blässe, Zyanose, Herzrhythmusstörungen,
Bewusstseinsstörungen.
 Chronisch: Lungenemphysem mit Cor Pulmonale.
The:
 Inhalative Kortikosteroide (sog. Puffer), evtl. Sympathomimetikum
 Verzicht auf Rauchen, Vermeidung von Allergenen, evtl. Psychotherapie
 Im akuten Anfall: Sauerstoffgabe, Kutschersitz (sitzende Lagerung mit Aufstützen
der Arme auf die Knie), Lippenbremse, evtl. Kortikoide intravenös
Bronchialkarzinom 
Def:
Häufigste tödliche Krebserkrankung, welche von der Bronchialschleimhaut ausgeht und
beim Mann dreimal so häufig ist wie bei der Frau.
Pat:
Grundsätzlich werden zwei Bronchialkarzinome unterschieden:
 Kleinzellige Bronchialkarzinome, welche rasch wachsen, früh Metastasen bilden
und aufgrund ihres neuroendokrinen Ursprungs gerne Hormone bilden (z.B.
Glukokortikoide, ADH, Parathormon).
 Großzellige Bronchialkarzinome werden unterteilt in Adenokarzinome,
Plattenepithelkarzinome und großzellige Karzinome.
Urs:
 Zigarettenrauchen, 90% der an Bronchialkrebs Erkrankten sind Raucher!
 Luftverschmutzung, Industrie- und Autoabgase
 Asbeststaub, Schwermetallbelastung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
198
Respirationstrakt Pathologie
Respirationstrakt Pathologie
199
Sym:  Im Frühstadium keine Symptome: Erste Symptome sind immer Spätsymptome!
 Reizhusten, Atemnot, Brustschmerzen
 Aushusten von hellrotem Blut (Hämoptoe, Hämoptyse), himbeergeleeartiges
Sputum
 Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber (sog. B-Symptome)
 Atelektasenbildung (unbelüfteter Lungenabschnitt)
 Lungenentzündung (poststenotisch)
 Pleuraerguss
 Metastasen bedingte Knochenschmerzen
Jeder Husten, der länger als 3-4 Wochen trotz Therapie andauert, ist bis zur
beweisenden Diagnose karzinomverdächtig!
Kom:  Pancoast-Tumor (sog. Ausbrecherkrebs)
In den Lungenspitzen schnell wachsender Bronchialtumor, welcher die
Lungengrenzen durchbricht und frühzeitig in das umliegende Gewebe einwächst und
die dort vorhandenen Strukturen schädigen kann.
 Starke Schulter-Arm-Schmerzen (Brachialgie) und andere Parästhesien
(Missempfindungen)
 Atemabhängige Schmerzen durch Infiltration der ersten Rippe
 Horner-Syndrom (Miosis = Pupillenverengung, Ptosis = Herabhängen des
Oberlids, Enophthalmus = Zurücksinken des Augapfels)
 Lymphödem am Arm (geschwollener Arm)
 Heiserkeit (Lähmung des Nervus recurrens)
 Vena-cava-superior-Syndrom mit Kopfschmerzen und Rötung des Gesichtes.
 Bei Einbruch in die dorsalen Rippen: Rückenschmerzen
 Bei Einbruch in das Mediastinum: Dysphagie, Zwerchfelllähmung
(Phrenikuslähmung), Rekurrensparese (Lähmung der Kehlkopfmuskulatur)
The:
 Chirurgische Therapie mit primärer Operation
 Radio- bzw. Chemotherapie durch Facharzt
Erkrankungen der Lunge (Gasaustauschfläche) und der Pleura
Lungenentzündung (Pneumonie) 
Def:
Entzündung der Alveolen (Lungenparenchym)
Urs:
 Primär
 Bakterien, z.B. Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Legionellen,
Chlamydien, Mykoplasmen, Haemophilus influenzae
 Viren, z.B. Influenzaviren, Masernvirus
 Sekundär
 aufgrund von schon bestehenden Erkrankungen (siehe Unterteilung)
Begünstigende Faktoren:
 Chemische Belastung, z.B. durch Zigarettenrauch, Gas
 Physikalische Belastung durch Strahlung
 Geschwächte Abwehrlage
 Bettlägerige Patienten
 Mangelbelüftung der Lunge bei Bettruhe fördert Pneumonien
Pat:
Klassische Unterteilung des Abwehrgeschehens in den Alveolen in vier Stadien:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
200
Respirationstrakt Pathologie
 Anschoppung mit dunkelroter Lunge infolge lokaler Ansammlung von
Erythrozyten in den Alveolen am 1. Tag.
 Rote Hepatisation, grau rote Lunge mit leberartiger Beschaffenheit am 2.-3. Tag
und möglichem rötlichbraunem Auswurf (pflaumenkompottartig).
 Graugelbe Hepatisation mit Einwanderung von Leukozyten am 4.-6. Tag.
 Lysis. Auflösung des Infiltrats und Abhusten eines eitrigen Auswurfs. Kritische
Entfieberung am 7.-8. Tag.
Einteilungen der Lungenentzündungen:
 Nach der Lokalisation
 Lobärpneumonie (Lappenpneumonie)
Ein ganzer Lappen ist befallen. Wird als typische (klassische) Pneumonie
bezeichnet (heute infolge von Antibiotikatherapie seltener). Wird durch
Bakterien (meist Pneumokokken) verursacht.
 Bronchopneumonie (Herdpneumonie)
Die Entzündung greift herdförmig von den Bronchiolen auf die Alveolargänge
über. Symptome sind am Anfang uncharakteristisch, Beginn oft unbemerkt.
Erreger sind in der Regel Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken,
Haemophilus influenzae, Legionellen). Wird in der Literatur manchmal als
atypische Pneumonie bezeichnet.
 Interstitielle Pneumonie (atypische Pneumonie)
Lungenentzündungen, die sich v.a. im Lungeninterstitium abspielen. Erreger
sind v.a. Influenzaviren, Chlamydien, Pneumocystis jirovecii, Mykoplasmen,
Candida albicans.
Wird als atypische Pneumonie bezeichnet.
 Nach den Erregern
 bakterielle Pneumonie
 Pneumokokken, Staphylokokken (sog. typische Pneumonie)
 Chlamydien
 Legionellen
 virale Pneumonie (immer atypische Pneumonie)
 Oft handelt es sich um eine interstitielle Pneumonie
 Symptomatik sehr uncharakteristisch, langsamer Beginn, mäßiges
Fieber, trockener Reizhusten
 Untersuchung geringe Zeichen, Labor oft normal
 Röntgenbild beweisend!
 Nach der Ursache
 primäre Pneumonie
Auftreten einer Lungenentzündung ohne Vorerkrankungen
 sekundäre Pneumonie
 als Folge von pulmonalen Erkrankungen wie z.B. Bronchiektasen,
Bronchitis, Bronchialkarzinom, Lungen-Tbc
 als Folge von Kreislaufstörungen wie Stauungspneumonie bei
Linksherzinsuffizienz / Herzinfarkt, Infarktpneumonie bei
Lungenembolie
 als Begleitpneumonie bei Ornithose (Chlamydia psittaci),
Legionärskrankheit (Legionella species), Q-Fieber (Coxiella burnetii),
AIDS (PcP = Pneumocystis carinii Pneumonie)
Respirationstrakt Pathologie
 Sonstige:
Aspirationspneumonie
(Lungenentzündung
Einsaugen von Fremdstoffen), z.B. bei Alkoholkrankheit
201
infolge
 Nach dem Verlauf
 akute Pneumonie
 chronische Pneumonie
Besteht länger als 6-8 Wochen. Findet sich bei Patienten mit verminderter
Abwehr, meist als Endstadium, z.B. bei Diabetes mellitus, Aids,
Alkoholkranken, Krebskranken, Herzkranken und alten Menschen.
Sym:
 Typische bakterielle Lobärpneumonie
 akuter Beginn mit Schüttelfrost, Fieber (über 40°C) mit Tachypnoe und
Tachykardie
 Dyspnoe oft mit Zyanose
 Nasenflügelatmen  oft bei Kindern, nicht bei der atypischen Pneumonie
 Starker, meist schmerzhafter Husten
 Schmerzen bei der Atmung (infolge begleitender Pleuritis sicca)
 Sputum zunächst uncharakteristisch und wenig, dann meist rostbraun mit
kleinen Fibringerinnsel (pflaumenkompottartig)
 Nachschleppen der betroffenen Brustseite möglich
 Häufig Herpes labialis
 Auskultation:
kann:
feinblasige
(klingende)
Rasselgeräusche,
Bronchialatmen, Knisterrasseln am Anfang (Anschoppung) und am Ende
(Lysis), aufgehobenes Atemgeräusch (am Anfang)
 Perkussion: Schenkelschall über Entzündung
 Palpation: Stimmfremitus verstärkt
 Labor
 BSG stark erhöht, Leukozytose mit Linksverschiebung
 C-reaktives Protein (CRP) 
 Röntgenologische Verschattung
 Atypische Pneumonie
 mäßiges Fieber
 Reizhusten, kein Sputum
 geringes Krankheitsgefühl
 kein positiver Untersuchungsbefund
 Labor: evtl. Leukopenie, BSG nur leicht erhöht
Kom:  Pleuritis durch Übergreifen der Entzündung (Pleurareiben, Pleuraerguss,
Pleuraempyem)
 Lungenabszess mit Gefahr auf septischer Streuung (z.B. Endokarditis, Meningitis)
 ARDS (akutes Atemnotsyndrom)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
202
Respirationstrakt Pathologie
Erreger
Lokalisation
Fieber
Husten
Sputum
Tachykardie
Tachypnoe
Dyspnoe,
Nasenflügelatmen
Auskultation
Perkussion
Palpation
Blutbild
Typische Pneumonie
Bakterien: v.a. Pneumokokken,
Staphylokokken, Streptokokken
Lobär, alveolär
Mit Schüttelfrost bis 40°C
Stark und schmerzhaft
Pflaumenkompottartig
Rostbraunes Sputum
Evtl. grüngelb, blutig
Ja
Ja
Ja
Atypische Pneumonie
Vor allem Viren und Chlamydien
Am Anfang und am Ende feinblasig
klingende (feuchte) Rasselgeräusche
Bronchialatmen, Knisterrasseln
Aufgehobenes Atemgeräusch
Evtl. Lederknarren (Pleuritis sicca)
Schenkelschall über den betroffenen
Lungenlappen
Verstärkter Stimmfremitus
Leukozytose mit Linksverschiebung
BSG und CRP erhöht
Anfänglich ohne Befund
Interstitium, intrazellulär
38° - 39°C, kaum Schüttelfrost
Wenig, Reizhusten
wenig
Relative Bradykardie
Wenig
Nein
Anfänglich ohne Befund
Ohne Befund
Leichte Leukozytose
Auch Leukopenie
Restriktive Lungenerkrankungen 
Def:
Lungenerkrankungen, bei denen die Dehnungsfähigkeit von Lunge und Thorax
eingeschränkt ist. Dies führt zu vermehrter Inspirationsarbeit, die Exspiration ist nicht
behindert.
Urs:
 Die häufigste Form ist die Lungenfibrose.
 Weitere Vorkommen bei Lungenstauung, Lungenresektion, Pleuraschwarte,
ausgedehnter Pleuraerguss, Zwerchfellhochstand, Adipositas, Morbus Bechterew
Lungenfibrose 
Def:
Chronisch entzündliche Lungenprozesse mit einem herdförmigen Umbau des
Lungenparenchyms in narbiges Bindegewebe.
Pat:
Durch die knötchenförmige oft narbige Umwandlung des Lungenparenchyms zu
Bindegewebe kommt es zu einem Elastizitätsverlust der Lunge mit restriktiver
Ventilationsstörung.
Urs:
 Pneumokoniosen (Staublungenerkrankungen) 
Entstehen durch langjährige Inhalation bestimmter Stäube:
 Silikose (Stein- bzw. Quarzstaublunge)
 Anthrakose (Kohlenstaublunge)
 Asbestose (Asbeststaublunge)
 Lungensiderose (Eisenstaub, Schweißerlunge)
 Metallstaublunge (z.B. Aluminium, Quecksilber, Beryllium)
 Sarkoidose (Morbus Boeck)
Eine granulomatöse (knötchenförmige) Systemerkrankung unbekannter Ursache,
welche vorwiegend zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt auftritt und das
Bindegewebe befällt. Am häufigsten betroffen sind Lunge, Lymphknoten, Leber,
Milz, Knochen und Haut.
Respirationstrakt Pathologie
203
 Allergische Alveolitis
 Farmerlunge (Stäube von Getreide und Gräser)
 Bäckerlunge (Mehl- und Kleiestäube)
 Kfz-Mechaniker
 Holzverarbeitende Berufe wie Schreiner oder Tischler
 Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
 Rheumatoide Arthritis
 Lupus erythematodes, Sklerodermie (Kollagenosen)
 Physikalische Schädigungen (Strahlenfibrose)
 Mukoviszidose, sog. zystische Fibrose (siehe F.11)
Eine erbliche Stoffwechselerkrankung mit vermehrter Schleimproduktion.
 Idiopathische Lungenfibrose (ohne erkennbare Ursache in 50% der Fälle)
Pathologie der Silikose
 Jahrelange Inhalation von kieselsäurehaltigen Staubpartikeln bei:
 Bergleute, Keramik- und Porzellanarbeiter, Sandstrahlarbeiter
 Arbeiter in Mineralmahlwerken, Schamottarbeiter
 Staubpartikel (ca. 1-5 Mikrometer) werden von den Alveolarmakrophagen
aufgefressen“.
 Durch den enzymatischen Zerfall der Makrophagen kommt es zur Anregung einer
bindegewebigen Neubildung (silikotische Granulome). Das Bindegewebe
„verpackt“ die Staubpartikel. Dabei geht das Lungenparenchym unter. Lässt sich im
Röntgenbild gut feststellen.
Sym: 



Belastungsdyspnoe, Tachypnoe
wiederholt infektiöse Schübe mit Husten, Auswurf und Fieber
Zyanose, evtl. Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel
Perkussion: Zwerchfellhochstand
Kom:  Cor Pulmonale
 Maligne Entartung besonders bei der Asbestose
Atelektase
Def:
Zusammenfallen eines bestimmten Lungenabschnitts (Bronchiolen und Alveolen)
infolge einer Luftleere oder einer fehlenden Durchblutung.
Urs:
 Luftleere durch Verengung der Bronchialwege (z.B. durch Tumor, Fremdkörper).
 Mangelnde oder fehlende Durchblutung (z.B. bei Lungenembolie).
Sym:  möglich: Fieber, Atemnot, Schmerzen
 Auskultation: abgeschwächtes oder fehlendes Atemgeräusch

 Perkussion: gedämpfter Klopfschall

 im Röntgenbild sichtbar
Pleuritis 
Def:
Entzündung des Brustfells, welche mit einem Erguss (Pleuritis exsudativa) oder ohne
Erguss (Pleuritis sicca) auftreten kann. Eine trockene Pleuritis geht meist in eine
feuchte Pleuritis über.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
204
Respirationstrakt Pathologie
Urs:
 Die primäre Pleuritis ist sehr selten.
 Meist sekundär durch andere Erkrankungen.
Am häufigsten:
 Pneumonie
 Tuberkulose
 Wachsendes Bronchialkarzinom und Metastasen
Seltener:
 Urämie (Erhöhung der harnpflichtigen Stoffe im Blut)
 Penetrierende Entzündungsprozesse aus dem Oberbauchraum (z.B.
Pankreatitis)
 Kollagenosen (z.B. Lupus erythematodes)
 Rheumatoide Arthritis
Sym:  Pleuritis sicca (trockene Pleuritis)
 Atmungsabhängiger Schmerz, auf einer Seite (Leitsymptom!)
 Druck- und Klopfempfindlichkeit mit einer Schonhaltung zur erkrankten Seite
(Nachschleppen der Atmung)
 Auswurfloser Reizhusten
 Auskultation: Lederknarren
 Perkussion und Palpation: Normal
 Pleuritis exsudativa (feuchte Pleuritis, Pleuraerguss)
 Schmerzen gehen langsam in ein Druckgefühl über.
 Starke Atemnot, je nach Größe des Pleuraergusses.
 Nachschleppen der betroffenen Brusthälfte.
 Auskultation: schwaches oder aufgehobenes Atemgeräusch
 Perkussion: Dämpfung mit Schenkelschall, hochgestellte
verschiebliche) Atemgrenzen
 Palpation: Stimmfremitus ist abgeschwächt bis aufgehoben
(wenige
 Der Untersuchungsbefund beim Pleuraerguss ist typischerweise lage-abhängig!
 Beim Pleuraerguss ist die Untersuchung des Pleurapunktates wichtig für die
Differenzialdiagnose.
Kom:  Vernarbung der Pleura (Pleuraschwarte). Folge ist eine restriktive
Ventilationsstörung durch Narbenzug
 Pleuraempyem: Eitriges Exsudat, meist im Rahmen einer bakteriellen Pneumonie
 Bildung von Atelektasen
Pneumothorax 
Def:
Plötzliches Eindringen von Luft in den Pleuraspalt.
Urs:
 Äußerer Pneumothorax durch Verletzungen von außen (Trauma, Akupunktur,
Injektion)
 Innerer Pneumothorax (Spontanpneumothorax)
 Idiopathischer Pneumothorax (häufigste Form), vorwiegend bei jungen
Männern ohne erkennbare Ursache und ohne vorbestehende
Lungenerkrankungen. Auslöser ist meist eine körperliche Betätigung.
 Symptomatischer Pneumothorax, entsteht infolge von anderen
Erkrankungen, z.B. bei Lungenemphysem, Lungentumoren, Tbc,
Lungenfibrose.
Respirationstrakt Pathologie
Pat:
205
Durch Ansammlung von Luft im Pleuraspalt gleicht sich der Druck im Pleuraspalt den
atmosphärischen Außendruck an. Der benötigte Unterdruck vermindert sich, und es
kommt aufgrund des elastischen Fasergerüstes zum Kollabieren der Lunge.
Sym:  Evtl. plötzlicher einseitiger meist stechender Brustschmerz
 Plötzliche Atemnot, Reizhusten
 Vegetative Symptome wie z.B. Blässe, Tachykardie, Schweißausbruch, Schwindel

Auskultation: Abgeschwächte bzw. fehlende Atemgeräusche

Perkussion: Hypersonorer Klopfschall, Zwerchfellhochstand

Palpation: Fehlender Stimmfremitus (99)

Inspektion: asymmetrische Thoraxbewegung, evtl. Jugularisstauung
Kom:  Ventilpneumothorax (Spannungspneumothorax)
Ein Ventilmechanismus, bei dem Luft während der Einatmung in den Pleuraspalt
eindringt, ohne dass die Luft während der Ausatmung wieder zurückströmen kann.
Der zunehmende Überdruck verdrängt das Mediastinum auf die gesunde Seite und
damit auf die Lunge und das Herz.
 Schocksymptome: Hypotonie, Tachykardie (akuter Notfall)
 Zunehmende schwere Atemnot mit Zyanose
 Starke Schmerzen bei der Einatmung
 Vernichtungsgefühl, akute Herzbeschwerden
 Gestaute Halsvenen
The:
Beim Ventilpneumothorax: Sofortige Druckentlastung durch Punktion einer
großkalibrigen Kanüle im 3. ICR. Medioklavikular im Bereich der unteren Rippe.
Störungen des Lungenkreislaufs
Lungenödem 
Def:
Ansammlung von seröser Flüssigkeit in dem interstitiellen Spalt zwischen Kapillaren
und Alveolen (interstitielles Lungenödem) oder in den Alveolen (alveoläres
Lungenödem).
Urs:
 Kardiale Ursachen
 Linksherzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Hypertensive Krise
 Renale Ursachen
 Irreversible chronische Niereninsuffizienz mit Anurie
 Nephrotisches Syndrom (Eiweißverlustniere)
 Erhöhte Durchlässigkeit (Permeabilität) der Alveolar-Kapillarwand
 durch Toxine (z.B. Gase, Rattengift, Barbiturate in Schlaf- und
Narkosemittel, Bakterientoxine)
 durch allergische Reaktionen (anaphylaktischer Schock)
Pat:
Durch das Lungenödem kommt es zu einer Verlängerung der Diffusionsstrecke im
Bereich der Luft-Blut-Schranke.
Sym:  Interstitielles Lungenödem (Prälungenödem)
 Atemnot, Husten, Tachypnoe, Orthopnoe
 Evtl. Bronchospasmus (Asthma cardiale)
 Manifestes Lungenödem (alveoläres Ödem)
 schwerste Atemnot, Angst, Zyanose, Orthopnoe
© Arpana Tjard Holler (Autor)
206
Respirationstrakt Pathologie
 laute, mittelblasige oder grobblasige feuchte Rasselgeräusche
 Husten, hellrotes schaumiges Sputum
 Brustschmerzen
The:
Notfall. Sitzende Lagerung mit tiefhängenden Beinen! Ins Krankenhaus! Evtl.
Aderlass.
Lungenembolie 
Def:
Verschluss einer Lungenarterie durch einen Embolus, der sich von einer Thrombose aus
dem venösen Körpersystem abgelöst hat (meist tiefe Beinvenen).
Pat:
Folgen der plötzlichen Verengung einer Lungenarterie sind:
 Ischämie (Mangeldurchblutung) der Lunge mit Erniedrigung des pO2, Erhöhung des
pCO2 und einem Abfall des Herzzeitvolumens mit Hypotonie.
 Rückwärtsstau des Blutes mit einer akuten Rechtsherzbelastung (Erhöhung des
Pulmonalarteriendrucks) und evtl. akutem Rechtsherzversagen (Todesursache).
Unterscheidung:
 Leichte Lungenembolie (80% d.F.) mit asymptomatischen Verlauf oder geringer
Symptomatik (z.B. nur Kurzatmigkeit).
 Schwere Lungenembolie (10% d.F.) mit Verengung mittlerer Lungenarterien und
deutlicherer Symptomatik
 Schwerste Lungenembolie mit Entwicklung eines Lungeninfarkts (5-10% d.F.) und
hoher Letalität.
 90% aller Thromben kommen aus den tiefen Bein- und Beckenvenen im
Anfangsstadium der Phlebothrombose (tiefe Beinvenenthrombose). Auslöser ist
häufig eine plötzliche körperliche Anstrengung.
Urs:
Venöse Stase (Blutstau) beiliegenden Patienten, nach Operationen und Traumen, nach
Entbindungen (Wochenbett) oder im Rahmen einer Herzinsuffizienz.
Sym: Größe des verschleppten Embolus bestimmt das klinische Bild
 Unruhe, Angst, Bedrohungsgefühl
 plötzliche Atemnot
 Schwindel
 stechende Brustschmerzen, stärker bei der Einatmung, atemabhängig
 Tachypnoe, Tachykardie
 Einflussstauung (z.B. Halsvenenstauung, Pleuraerguss)
 Husten mit manchmal schaumig blutigem Sputum
 Zyanose
 einseitiger Zwerchfellhochstand (schmerzreflektorisch)
 Schocksymptome
 Arterieller Blutdruck niedriger, pulmonaler Blutdruck erhöht
 Fieber (Thrombus wird abgebaut)
 Asymptomatischer Verlauf bei kleinen Embolien möglich
 Es müssen nicht alle diese Symptome vorhanden sein! Jede beliebige Kombination
ist möglich!
 Möglich: Rezidivierende Embolien mit
Schwindelanfälle, Tachykardie und Fieber.
kurzem
Bewusstseinsverlust,
Respirationstrakt Pathologie
207
Kom: Akutes Rechtsherzversagen mit stark gefüllten Unterzungenvenen, Hand- und
Halsvenen (akutes Cor Pulmonale).
 Lungeninfarkt, wenn der Thrombus sich nicht wieder auflöst und das Gefäß
verschlossen bleibt (10% d.F.), kann zu heftigen Thoraxschmerzen, Hämoptoe
(Bluthusten) und Pneumonie führen.
 Pleuritis, Pleuraerguss
The:
Notfall. In sitzender Lagerung ins Krankenhaus. Keine i.m.-Injektion.
DD:
Herzinfarkt
Cor Pulmonale 
Def:
Rechtsherzinsuffizienz infolge von Lungenerkrankungen.
Path:  Chronisches Cor pulmonale: Durch den Abbau von Lungenkapillaren kommt
es zum Rückstau in das rechte Herz mit Volumenbelastung. Daraus folgt eine
Rechtsherzinsuffizienz mit Rückstau in die Venen des großen Kreislaufs.
 Akutes Cor pulmonale: Plötzlicher Verschluss einer Pulmonalarterie kann zum
akuten Rechtsherzversagen führen (das rechte Herz ist nur geringe Drücke gewöhnt)
Urs:
 Chronisches Cor pulmonale
 Chronisch obstruktive Ventilationsstörungen (COPD)
 Fibrotische Lungenparenchymschädigungen (Lungenfibrosen)
 Akutes Cor pulmonale
 Lungenembolie durch tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombose
Sym: 
Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz
Hyperventilationstetanie 
Def:
Typische Muskelkrämpfe infolge einer Hyperventilation.
Urs:
Verstärkte Atmung mit vermehrter Abatmung von Kohlendioxyd, meist infolge von
emotionalem Stress.
Pat:
Infolge der verstärkten Abatmung von Kohlendioxyd und Elimination von H-Ionen
entsteht eine respiratorische Alkalose. Diese wird durch einen raschen Verbrauch von
Kalziumionen im Blut kompensiert. Die Folge ist eine kurzfristige Hypokalzämie mit
anfallartigen Muskelkrämpfen.
CO2 Atmung
H+ Blut
Alkalose
Hypokalzämie
Tetanie
Sym:
 Pfötchenstellung (auch als Geburtshelferhand bezeichnet)
 Tetaniegesicht mit gespitzten Lippen und periorales (um den Mund herum)
Kribbeln, karpfenartige Mundstellung
 Krampfartige Schmerzen im Bereich der Brustwand
 Blässe im Gesicht (v.a. um den Mund herum)
 Parästhesien (Missempfindungen), Kribbeln an Arm und Beinen (Ameisenlaufen)
 Hyperreflexie
 Atemnot, Angst, Schweißausbruch
The:
Beruhigung
kurzfristige Atmung in eine Plastiktüte
© Arpana Tjard Holler (Autor)
208
Respirationstrakt Pathologie
in der Regel kein Notfall
kein Kalzium spritzen, kein Kalzium oral!
Mukoviszidose (zystische Fibrose) 
Def:
Autosomal rezessive Stoffwechselerkrankung, bei der die exokrinen Drüsen ein
abnorm zähes Sekret produzieren und deren Symptome sich am häufigsten in den
Atemwegen und der Lunge zeigen. Die Mukoviszidose gehört zu den häufigsten
angeborenen Stoffwechselkrankheiten.
Urs:
Angeborener Gendefekt, bei dem der Schleim (Mukus) im Körper zu zähflüssig wird.
Der Nachweis erfolgt u.a. über eine Messung des Chloridgehaltes des Schweißes
(Schweißtest). Es gibt zur Früherkennung der Krankheit ein Neugeborenenscreening.
Pat:
Betroffen sind v.a. die Atemwege und die Lunge, aber auch die Verdauungsorgane
(Pankreas, Leber, Darm), Niere, Geschlechtsorgane und Schweißdrüsen.
Sym:
 chronischer Husten mit zähem Schleim, Sinusitis, Nasenpolypen, Bronchitis,
Pneumonie
 Verdauungsstörungen (Bauchschmerzen, Diarrhö, Verstopfung, Meteorismus),
Gewichtsverlust, sekundärer Diabetes mellitus, Cholelithiasis (Gallensteinleiden),
Hepatomegalie, Leberzirrhose
 Trommelschlegelfinder, Uhrglasnägel
 stark salzig schmeckende Haut durch vermehrten Salzgehalt
 bei Männern Sterilität
Differenzialdiagnose
DD Husten
Def:
Reflektorische Aktion als Antwort auf einen Reiz in der Schleimhaut des
Bronchialsystems (Hustenreflex), welche über Äste des Nervus Vagus gesteuert wird.
Dabei wird bei geschlossenen Stimmbändern durch forcierte Ausatmung
(Verkrampfung von Zwerchfell und Zwischenrippenmuskulatur) ein enormer Druck
aufgebaut, der dann schließlich zur Aufsprengung der Stimmritze führt
(Geschwindigkeiten über 800 km/h!). Unterschieden werden ein produktiver und ein
unproduktiver Husten.
Unterscheidung der Ursachen:
 Pulmonale Ursachen
Alle Erkrankungen in den Atemwegen, welche die Flimmerhärchen reizen:
Akute Bronchitis, COPD, Asthma bronchiale, Bronchiektasen, Bronchialkarzinom,
Tuberkulose, Fremdkörperaspiration, Inhalation von Reizgasen, Pneumonie,
Pneumothorax, Pleuritis, Lungenembolie, Sarkoidose.

Kardiale Ursachen
Alle Erkrankungen, welche eine Linksherzinsuffizienz verursachen und zum Rückstau
in die Lunge und zum Asthma cardiale bzw. zum Lungenödem führen.

Zentralnervöse Ursachen
Keuchhusten (Toxin der Bordetella pertussis wirken auf Hustenzentrum), intrakraniale
Druckerhöhung, Medikamente (z.B. ACE-Hemmer) psychogen
Respirationstrakt Pathologie
209
DD Sputum
Def: Gesamtheit der Absonderungen aus dem Atemtrakt, bestehend aus Schleimstoffen,
Leukozyten, abgestoßene Epithelzellen, Schmutz- und Rauchpartikel, im pathologischen
Fall auch aus Mikroorganismen, rote Blutkörperchen und Eiter.
Unterscheidung:

Zäh-glasiges Sputum, fadenziehend, klebt am Glas
z.B. bei Asthma bronchiale, Keuchhusten, „trockener“ Bronchitis, Mukoviszidose

Eitriges Sputum (gelb-grünliches)
z.B. bei akuter Bronchitis, Lungenabszess (auch: semmelbraun), Bronchiektasen,
Pneumonie (v.a. am Ende), offener Tuberkulose

Blutiges Sputum
z.B. bei Bronchialkarzinom, akute (chronische) Bronchitis, offener Tuberkulose,
Pneumonie, Lungeninfarkt, Fremdkörperaspiration, Thoraxtraumen, hämorrhagische
Diathese (z.B. Virus-bedingtes hämorrhagisches Fieber), Endometriose

Rotbraunes Sputum (auch: rostbraun oder pflaumenkompottartig)
bei Pneumonie

Himbeer- oder erdbeergeleeartiges Sputum
bei Bronchialkarzinom

Dreischichtiges Sputum (nach langem Stehen: oben schaumig, in der Mitte trüb und
unten krümelig)
bei Bronchiektasen

Schaumiges Sputum bei Lungenödem
DD Atemnot (Dyspnoe)
Unterscheidung:

Pulmonale Dyspnoe
z.B. COPD, Asthma bronchiale, Pneumonie, Lungenemphysem, Lungenfibrosen,
Bronchialkarzinom,
Pneumothorax,
Phrenikuslähmung,
Pleuraerguss,
Fremdkörperaspiration, Verengung der Luftröhre durch Mediastinaltumore,
Erkrankungen und Verletzungen des Kehlkopfes (Pseudokrupp, Epiglottitis)

Kardiovaskuläre Dyspnoe
Infolge einer Linksherzinsuffizienz, Herzfehlern, Hypotonie, hypertensive Krise,
Lungenembolie

Extrapulmonale und extrakardiale Dyspnoe
Störungen des Atemzentrums (intrakraniale Druckerhöhung, SHT, zerebrale Ischämie),
schwere Anämie, Aszites, Azidose, Höhenkrankheit, Fieber, Struma, Polyzythämie,
schwere Form der Hiatushernie (Upside-down-stomache)
DD Mundgeruch (Foetor ex ore)
Def.
Mundgeruch (auch Körpergeruch) als pathologischer Hinweise auf eine bestimmte
Krankheit.
Unterscheidung

Azetongeruch
Diabetes mellitus Typ I (ketoazidotisches Koma)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
210
Respirationstrakt Pathologie
Respirationstrakt Pathologie
211

Urinöser Geruch
Urämisches Koma (terminale Niereninsuffizienz)

Geruch nach roher Leber (erdig-muffiger Geruch)
Leberzerfallkoma (Leberzirrhose)

Ammoniakgeruch
Leberausfallskoma (z.B. bei fulminanter Hepatitis)

Süßlicher Geruch
Typisch für alle bakterielle Infektionen der Atemwege (z.B. Diphtherie, Scharlach,
Plaut-Vincent-Angina, Lobärpneumonie)

Fauliger Geruch (Geruch nach Aas)
Typisch für alle Erkrankungen im Atemtrakt, welche zu einem Gewebszerfall führen
(z.B.
Bronchialkarzinom,
Bronchiektasen,
Lungenabszess,
Karies,
Ösophagusdivertikel)

Geruch nach Bittermandeln
Vergiftung mit Blausäure (Zyankali)

Geruch nach Knoblauch
Gebrauch eines Narkosemittels (Trapanal)
Veränderungen des Zwerchfellstandes
Zwerchfelltiefstand
Def.
Abnorme Lage des Zwerchfells nach kaudal, unterhalb der hinteren Bereiche der
10. Rippe mit Abflachung der Zwerchfellkuppen. Da die Herzspitze am Zwerchfell
verwachsen ist, verlagert sich die Herzachse gerade nach unten und das Herz wird in
die Länge gezogen (sog. Tropfenherz). Die Atemverschieblichkeit der Lungengrenzen
ist vermindert.
Urs:
Lungenemphysem, Asthma bronchiale (Anfall), Ventilpneumothorax, Pleuraerguss,
ausatmungsbedingte Ventilstenose in den Bronchien (z.B. bei Fremdkörperspiration,
Bronchialkarzinom), Leistungssportler
Zwerchfellhochstand
Def.
Ein- oder beidseitige Verlagerung des Zwerchfells nach kranial mit Verkleinerung des
Thoraxraumes.
Urs:
 Pulmonale Ursachen:
Pneumothorax, Phrenikuslähmung, Lungenfibrose
 Abdominale Ursachen:
Hepatomegalie, Splenomegalie, Aszites, Roemheld-Syndrom, Meteorismus, Große
Tumore im Bauchraum, Adipositas, Schwangerschaft
© Arpana Tjard Holler (Autor)
212
Respirationstrakt Pathologie
Tabelle DD Lungenbefund
Pleuritis
exsudativa
Pleuritis sicca
Pneumothorax
Lungenemphysem
Inspektion
Auskultation
Perkussion
Asymmetrische
Thoraxbewegung
Asymmetrische
Thoraxbewegung
Asymmetrische
Thoraxbewegung
Fassthorax
Aufgehobenes
Vesikuläratmen
Lederknarren
Dämpfung
Palpation
(Stimmfremitus)
Aufgehoben
Ohne Befund
Ohne Befund
Aufgehobenes
Vesikuläratmen
Vermindertes
Vesikuläratmen
Feuchte
Rasselgeräusche
Knisterrasseln
Aufgehobenes
Vesikuläratmen
Hypersonor
Aufgehoben
Hypersonor
Vermindert
Dämpfung
Verstärkt
Lappenpneumonie Asymmetrische
Thoraxbewegung
Verdauungsapparat Anatomie
G.
213
Verdauungsapparat Anatomie und Physiologie
Verdauungsapparat Anatomie
Aufgaben und Übersicht ....................................................................................................................... 214
Die Mundhöhle ..................................................................................................................................... 214
Der Rachen (Pharynx) .......................................................................................................................... 217
Die Speiseröhre (Ösophagus) ............................................................................................................... 217
Der Magen (Gaster, Ventriculus) ......................................................................................................... 218
Der Dünndarm (Intestinum tenue) ....................................................................................................... 220
Dickdarm und Mastdarm ...................................................................................................................... 221
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas)..................................................................................................... 224
Das Bauchfell (Peritoneum) ................................................................................................................. 225
Die Gefäßversorgung der Verdauungsorgane ..................................................................................... 226
Die Leber (Hepar) ................................................................................................................................. 226
Die Gallenblase und deren Gallengänge .............................................................................................. 232
© Arpana Tjard Holler (Autor)
214
Verdauungsapparat Anatomie
Aufgaben und Übersicht





Der Verdauungstrakt (Gastrointestinaltrakt) bildet ein durchgehendes Rohr vom Mund
bis zum After.
Ziel ist die Gewinnung von Energie aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln. Dazu wird
die Spaltung der Nahrung in aufnahmebereite Bausteine (Glukose, Aminosäuren,
Fettsäuren) durch Enzyme beschleunigt.
Aufgaben des Verdauungssystems:
 Mechanische Verdauung
 Chemische Verdauung
 Vermischung und Weiterbewegung der aufgenommenen Nahrung
 Resorption, Aufnahme von Stoffen in den Körper
 Kontrolle der Nahrung durch die Geschmacks- und Geruchsnerven
 Ausscheidung der verdauten und nicht resorbierten Nahrung in Form von Kot
Übersicht der Organe des Verdauungstraktes:
 Mundhöhle (Cavum oris)
 Rachen (Pharynx, Mundrachenraum, Kehlkopfrachenraum)
 Speiseröhre (Ösophagus)
 Magen (Gaster, Ventriculus)
 Dünndarm (Intestinum)
 Zwölffingerdarm (Duodenum
 Leerdarm (Jejunum)
 Krummdarm (Ileum)
 Dickdarm (Grimmdarm, Kolon
 Blinddarm (Zäkum / Zökum)
 Aufsteigender Dickdarm (Colon ascendens)
 Querliegender Dickdarm (Colon transversum)
 Absteigender Dickdarm (Colon descendens)
 Mastdarm (Rektum)
 Bauchfell (Peritoneum)
Dazugehörige Verdauungsdrüsen:
 Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis)
 Unterkieferspeicheldrüse (Glandula submandibularis)
 Unterzungenspeicheldrüse Glandula sublingualis)
 Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
 Leber (Hepar)
 Gallenblase
(Vesica
fellea
oder
biliaris),
keine
Drüse,
nur
Aufbewahrungsbehälter.
Die Mundhöhle

Die Mundhöhle dient der Aufnahme und Zerkleinerung der Nahrung, die mit Speichel zu
einem Brei vermengt wird. Der Mundvorhof liegt zwischen den Wangen und Lippen und
den Zahnreihen und dient dem Ergreifen der Nahrung.
Die Grenzen

Seitlich und nach vorne wird die Mundhöhle abgegrenzt durch die Zähne, nach oben durch
den harten und weichen Gaumen, der zum Rachen hin in das Zäpfchen übergeht und den
vorderen Gaumenbögen, und nach unten durch die Mundbodenmuskulatur.
Verdauungsapparat Anatomie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
215
216
Verdauungsapparat Anatomie
Die Lippen (Labien)

Sie bestehen im Wesentlichen aus dem kreisförmigen Schließmuskel des Mundes und haben
die Aufgabe, Nahrung zu ergreifen bzw. zu ertasten. Die Epithelschicht der Lippen ist
besonders dünn, sodass das darunterliegende gefäßreiche Gewebe leuchtend rot erscheint.
Deshalb gelten die Lippen als „Gradmesser“ des Blutes.
Die Zähne (Dentes)



Das Gebiss eines Erwachsenen besteht aus 32 Zähnen, je Quadrant aus
 2 Schneidezähne
 1 Eckzahn
 2 Backenzähne
 3 Mahlzähne (Molaren)
Das Milchgebiss hat 20 Zähne (keine Molaren) und kommt zwischen dem 6. Lebensmonat
und dem 2. Lebensjahr zum Durchbruch. Der Zahnwechsel erfolgt ab dem 6. Lebensjahr.
Die Schreibweise im zahnärztlichen Fachbericht sieht so aus: Die erste Zahl bezeichnet den
Quadranten, die zweite Zahl die Nr. des Zahns immer von der Mitte aus zur Wange hin. Die
Quadranten sind nummeriert von rechts oben nach rechts unten im Uhrzeigersinn.
Rechter oberer Quadrant
18 17 16 15 14 13 12 11
Rechter unterer Quadrant
48 47 46 45 44 43 42 41

Linker oberer Quadrant
21 22 23 24 25 26 27 28
Linker unterer Quadrant
31 32 33 34 35 36 37 38
Ein Zahn besteht aus einer knochenartigen Substanz, deren Anteil an anorganischen
Substanzen noch höher ist als beim Knochen. Die aus dem Zahnfleisch (Gingiva)
herausragende Zahnkrone ist vom Zahnschmelz überzogen, der die härteste Substanz im
Körper darstellt und aus Kalzium, Phosphor und Fluor besteht. Im Inneren des Zahnes
befindet sich die Zahnpulpa, die gefäß- und nervenreiches Bindegewebe enthält.

Nach dem HP-Gesetz §6 und dem „Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde“ ist
die Ausübung der Zahnheilkunde nur den zugelassenen Zahnärzten vorbehalten.
Die Zunge (Lingua, Glossa)



Die Zunge besteht aus quergestreifter Muskulatur, die von einer dicken Schleimhaut
überzogen ist.
Aufgaben:
 Sprachbildung,
 Einleitung des Schluckaktes
 Hilft beim Kauen und Saugen
 Tast-, Temperatur- und Geschmacksempfindung durch Zungenpapillen
 Immunabwehr durch Zungentonsillen am Zungengrund (gehört zum
lymphatischen Abwehrring)
Geschmackssinn
 Zungenspitze: süß
 vordere seitliche Zungenränder: salzig
 hintere seitliche Zungenränder: sauer
 hinterer Zungenbereich: bitter
Verdauungsapparat Anatomie
217
Die Speicheldrüsen





Die Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis): Sie ist die größte Speicheldrüse und liegt vor
und unterhalb des Ohres zwischen der Haut und dem Kaumuskel (Musculus masseter). Ihr
langer Ausführungsgang mündet in Höhe des zweiten oberen Mahlzahnes in dem
Mundvorhof.
 Mumps ist die Entzündung der Ohrspeicheldrüse (Parotitis) meist im Kindesalter
aufgrund einer Viruserkrankung.
Die Unterkieferspeicheldrüse (Glandula submandibularis): Sie liegt unter der
Mundbodenmuskulatur an der Innenseite des Unterkiefers im Kieferwinkel. Ihr
Ausführungsgang mündet nahe dem Zungenbändchen unterhalb der Zunge.
Die Unterzungendrüse (Glandula sublingualis): Sie liegt seitlich unterhalb der Zunge auf
der Mundbodenmuskulatur.
Es gibt noch zahlreiche kleinere Speicheldrüsen, die verteilt in der Mundschleimhaut liegen.
Zusammensetzung und Aufgaben des Speichels
 Durchschnittlich werden pro Tag ca. 1,5 l Speichel gebildet.
 Besteht aus über 99% Wasser.
 Schleimstoffe (Muzine) machen den Bissen gleitfähiger.
 Ptyalin (Alphaamylase), ein Enzym, das Kohlenhydrate spaltet.
 Zungengrundlipasen, spalten 30% der Fette im Magen.
 Lysozyme und Immunglobuline A, die antibakterielle Funktion haben.
 Bikarbonat (HCO3- Ionen), dient der Pufferung des Speichels auf pH-Werte
zwischen 7 und 8 zum Schutz des Zahnschmelzes.
 Fluoride, zum Schutz des Zahnschmelzes.

Speichelsteine (Sialolithen) entstehen durch eine Störung in der Zusammensetzung der
Speichelproduktion. Charakteristisch sind beim Kauen auftretende heftige Schmerzen
(Sialolithiasis). Am häufigsten ist die Unterkieferspeicheldrüse betroffen.
Der Rachen (Pharynx)

Im mittleren Rachenraum kreuzen sich der Atemweg und der Speiseweg. Der Schluckakt
wird willkürlich durch die Zunge eingeleitet und dann, sobald der Bissen den weichen
Gaumen berührt, unwillkürlich über mehrere Reflexvorgänge weitergeleitet.
Die Speiseröhre (Ösophagus)



Die Speiseröhre ist ein 25-30 cm langer elastischer Muskelschlauch, der als Transportweg
zwischen Mund und Magen dient.
Sie verläuft zwischen Trachea und Wirbelsäule, beginnend auf der Höhe von C 6 (hinter
dem Ringknorpel) und geht in Höhe Th9 - Th11 in den Magen über.
Sie weist drei physiologische Engen auf:
 Ringknorpelenge, in der sich der obere Ösophagussphinkter befindet.
 Aortenenge, die durch den absteigenden Aortenbogen entsteht.
 Zwerchfellenge (Durchtritt der Speiseröhre durch das Zwerchfell = Hiatus
oesophageus), in der sich der untere Ösophagussphinkter) befindet.


Entzündungen, Tumore und Aussackungen kommen bevorzugt an den drei
Engen vor.
Aufbau der Wand des Ösophagus:
 Mukosa, innerste Schleimhautschicht
 Submukosa, sog. Verschiebeschicht aus Bindegewebe
© Arpana Tjard Holler (Autor)
218
Verdauungsapparat Anatomie
 Muskularis, Muskelschicht in Form einer äußeren längsverlaufenden
Muskelfaserschicht und einer inneren ringförmig verlaufenden Schicht. Im
obersten Drittel besteht sie aus quergestreifter Muskulatur, im weiteren Verlauf
dann aus glatter Muskulatur.
 Adventitia, äußerste Bindegewebshülle

Diese vier Gewebsschichten befinden sich im gesamten Verdauungstrakt, sind
aber in den verschiedenen Darmabschnitten unterschiedlich aufgebaut.
Der Magen (Gaster, Ventriculus)

Der Magen ist ein Muskelsack von unterschiedlicher Größe (je nach Füllungszustand). Das
Fassungsvermögen beträgt normal ca. 1,5 Liter. Hier wird die Nahrung aufgefangen, mit
Magensaft gemischt und durch mechanische und enzymatische Verdauung in einen
Speisebrei verwandelt. Sind die Teilchen des Speisebreis kleiner als 0,5 mm wird er in
kleinen Portionen in den Dünndarm abgegeben.
Lage des Magens







Im Oberbauch links der Medianlinie.
Nach oben die linke Zwerchfellkuppe.
Rechts die Leber.
Links die Milz (links hinten).
Nach hinten die Bauchspeicheldrüse.
Nach vorne linker Leberlappen, Bauchwand.
Nach unten der querliegende Dickdarm.

Der Magen ist durch das Mesogastrium an der hinteren Bauchwand befestigt.
Makroskopische Anatomie des Magens (Magenabschnitte)






Kardia: Mageneingang, kleiner Bereich im Magen nach der Zwerchfellenge.
Fundus: Magengrund, stellt die Kuppel des Magens dar.
Corpus: Magenkörper, nimmt den größten Teil ein.
Antrum: Magenausgangsteil, Vorraum des Magenpförtners.
Pylorus: Magenpförtner, ein Ringmuskel, welche Magen und Dünndarm trennt.
Kleine und große Kurvatur bezeichnen den rechten bzw. linken Magenrand.
 In der kleinen Kurvatur im Antrum findet sich am häufigsten Magengeschwüre und
Magenkarzinome.
Die mikroskopische Anatomie des Magens


Mukosa: In der faltigen Magenschleimhaut sind schlauchförmige Drüsen eingelassen, die
den Magensaft produzieren.
 Die Belegzellen produzieren die Salzsäure (bakterizide Wirkung) und den
Intrinsic Faktor herstellen (notwendig zur Aufnahme von Vitamin B12).
 Die Hauptzellen bilden Pepsinogen für die Eiweißverdauung.
 Die Nebenzellen, die einen schützenden Schleim für die Magenwand herstellen
 Lernspruch: „Hauptsache Pepsi, Schleim ist Nebensache.“
 Die G-Zellen im Bereich des Antrums produzieren das Hormon Gastrin,
welches über den Blutweg die Haupt- und Belegzellen stimuliert.
Die Submukosa ermöglicht dem Magen eine Anpassung an den jeweiligen
Füllungszustand.
Verdauungsapparat Anatomie


219
Die Muskularis des Magens ist die einzige Muskelschicht des Verdauungskanals, die aus
drei Schichten besteht. Zu der längs- und ringförmig verlaufenden Schicht kommt innen
eine schräg verlaufende Muskelschicht. Dies ermöglicht eine gute Mischung des
Speisebreis (Chymus). In der Muskelschicht befinden sich „Schrittmacher“, die für die
Peristaltik des Magens sorgen.
Die äußere Bindegewebsschicht des Magens ist das viszerale Blatt des Bauchfells.
Die Physiologie des Magens
Der Magensaft



Die Magensaftproduktion beträgt pro Tag normalerweise zwischen 2-3 Litern und hat durch
den hohen Salzsäuregehalt einen pH-Wert von 1 - 2.
Das von den Hauptzellen gebildete Pepsinogen wird durch die Salzsäure in die aktive Form
in Pepsin umgewandelt. Pepsin ist ein eiweißspaltendes Enzym.
Die von den Belegzellen gebildete Salzsäure hat außerdem eine denaturierende Wirkung
auf die Eiweiße und eine bakterizide Wirkung.

Merksatz: Die Belegschafft ist sauer, weil die Nebenschaft schleimt und mit der
Hauptschaft Pepsi trinkt.
Intrinsic Faktor (koppelt sich an Vitamin B12)
Belegzellen
Hauptzellen
bakterizid
Pepsinogen (unwirksam)
HCL (Salzsäure
denaturierende
Wirkung
Proteine
Pepsin (wirksam)
Polypeptide (10-99 Aminosäuren)
Steuerung der Magensaftbildung


Nervale bzw. orale Phase: Reize werden von den Sinnesrezeptoren (Geruch, Geschmack,
Auge) zum Gehirn geleitet und von dort über Nervenfasern des N. vagus (X. Hirnnerv) zu
den Beleg- und Hauptzellen in der Magenschleimhaut. So wird die Bildung des Magensaftes
angeregt, ohne dass sich schon Speisen im Magen befinden. Selbst Gedanken und
Erinnerungen an Essen oder Stress und Ärger können die Bildung von „Appetitsaft“ im
Magen herbeiführen.
Gastrische Phase: Die sog. Magenphase wird ausgelöst, wenn Nahrungsmittel in den
Magen gelangen. Dabei führen angedaute Nahrungsmittel (insbesondere auch Gewürze und
Genussmittel), ein Anstieg des pH-Wertes und eine Dehnung der Magenwand im Bereich
des Antrums zu einer Sekretion von Gastrin aus den G-Zellen. Dieses Gewebshormon
gelangt über den Blutweg zu den Beleg- und Hauptzellen und fördert die Magensaftbildung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
220
Verdauungsapparat Anatomie

Intestinale Phase: In der Schleimhaut im Anfangsteil des Duodenums (Zwölffingerdarm)
wird das Gewebshormon Sekretin immer dann gebildet, wenn der stark angesäuerte
Speisebrei in kleinen Portionen durch den Pylorus in das Duodenum gelangt. Sekretin wirkt
hemmend auf die Haupt- und Belegzellen und wirkt so regulierend auf die
Magensaftbildung.
Aufgaben des Magens (Zusammenfassung)






Auffangen der Nahrung und Durchmischen mit Magensaft zu einem Speisebrei.
Beginn der Eiweißverdauung.
Beginn der Fettverdauung durch Zungengrundlipasen.
Bakterizide Wirkung durch den niedrigen pH-Wert.
Bildung eines zähen Schleims zum Schutz der Magenschleimhaut vor der Salzsäure.
Produktion des Intrinsic-Factors zur Aufnahme von Vitamin B12 in den Körper.
Der Dünndarm (Intestinum tenue)

Hier findet die endgültige chemische Verdauung und die Aufnahme der aufgespaltenen
Bausteine in den Körper statt (Absorption, Resorption).
Die makroskopische Anatomie des Dünndarms

Der Dünndarm ist ca. 3 - 4 Meter lang und wird in drei Abschnitte unterteilt, die nahtlos
ineinander übergehen.
Duodenum (Zwölffingerdarm)





Das Duodenum ist der kürzeste Abschnitt des Dünndarms mit ca. 25 - 30 cm.
Es liegt in der Form eines C um den Kopf der Bauchspeicheldrüse herum.
In der Mitte des absteigenden Duodenums mündet der Ausführungsgang der
Bauchspeicheldrüse und der Gallengang durch die Vater-Papille (Papilla vateri, Papilla
duodeni major) in den Verdauungskanal. Der Oddi-Sphinkter ist der Ringmuskel in der
Vater-Papille, welcher hormonell (CCK) gesteuert wird.
Das Duodenum liegt retroperitoneal und ist mit der hinteren Bauchwand fest verwachsen.
Der Übergang des Duodenums in das Jejunum liegt in einer Dünndarmkurve (Flexura
duodenojejunalis)
Jejunum (Leerdarm) und Ileum (Krummdarm)






Werden zusammen als der Gekrösedarm bezeichnet.
Sie befinden sich innerhalb des Bauchfells (intraperitoneal).
Das Jejunum ist etwas kürzer als das Ileum und liegt hauptsächlich im linken Oberbauch.
Das Ileum schließt an das Jejunum an und liegt hauptsächlich im rechten Unterbauch.
Der Abschnitt vor dem Dickdarm wird als terminales Ileum bezeichnet.
Das Ileum wird durch die Ileozökalklappe (Bauhin-Klappe) zum Dickdarm abgegrenzt.
Die mikroskopische Anatomie des Dünndarms

Um der Aufnahme von Millionen von molekularen Bausteinen gewachsen zu sein, ist die
Dünndarmschleimhaut um das 600fache vergrößert (ca. 100-200qm).
 Kerckring Falten sind ringförmig angelegte Schleimhautfalten.
 Die Dünndarmschleimhaut besteht aus ca. 1 mm hohen und 0,1 mm dünnen
Dünndarmzotten (Villi intestinales).
Verdauungsapparat Anatomie



221
 Die Dünndarmepithelzellen (Enterozyten) besitzen zahlreiche zytoplasmatische
Ausläufer (Mikrovilli), die zusammen als Bürsten- oder Stäbchensaum
bezeichnet werden und die Resorptionsort für die molekularen Bausteine dienen.
Enterozyten besitzen eine Lebensdauer von ca. 3 Tagen.
 Pro mm3 finden wir ca. 100 Millionen Mikrovilli.
Zwischen den Dünndarmzotten befinden sich Krypten (in die Schleimhaut führende
Einbuchtungen), die eine Vielzahl von exokrinen und endokrinen Drüsen beherbergen. Die
Gesamtheit der Drüsen wird als Lieberkühn-Drüsen bezeichnet.
Brunner Drüsen bilden alkalihaltigen Schleim und finden sich vorwiegend in der
Duodenalschleimhaut.
Im terminalen Ileum werden v.a. Vitamin B12 und Gallensäuren resorbiert. Außerdem
findet sich hier zahlreiches lymphatisches Gewebe (Peyer-Plaques).
Die Physiologie des Dünndarms





Die Resorptionsvorgänge spielen sich an den Mikrovilli der Epithelzellen ab.
 Eiweiße werden in Form von freien Aminosäuren aufgenommen
 Kohlenhydrate in Form von Monosacchariden (Glukose, Fruktose, Galaktose)
 Triglyzeride, Cholesterine, Glyzerin und fettlösliche Vitamine (E, D, K, A)
werden in den Mizellen (Gallensäuren) transportiert.
Die meisten resorbierfähigen Nahrungsstoffe werden aktiv (unter Verbrauch von Energie)
von den Enterozyten in den Körper aufgenommen.
 Bei der Auskultation sind normalerweise über allen 4 Quadranten 5 – 10 kollernde oder
gurrende Darmgeräusche pro Minute zu hören.
Die Bausteine gelangen dann in die unterhalb der Epithelschicht verlaufenden Blutgefäße.
Diese verlaufen zu der Pfortader zusammen, die in die Leber einmündet.
Langkettige Fettsäuren werden über die Lymphe zum Milchbrustgang abgeleitet,
kurzkettige gelangen über das Blut zur Leber.
Das Milieu im Dünndarm ist im Gegensatz zum Magen neutral bis alkalisch.
Dickdarm und Mastdarm



Der Dickdarm bildet den letzten Teil des Magen-Darm-Kanals und hat eine Länge von ca.
1,5 - 2 m.
Aufgabe des Dickdarms ist die Reabsorption von Wasser und Elektrolyten und die
Vergärung von nicht aufgenommenen Substanzen durch Bakterien.
Die Aufgabe des Mastdarms ist die Speicherung des eingedickten und vergärten
Dickdarminhalts (Kot, Fäzes) und dessen Ausscheidung über den After.
Makroskopische Anatomie
Der Blinddarm (Zäkum oder Zökum)
 Unterhalb der Bauhin`schen Klappe (Ileozökalklappe) im rechten Unterbauch befindet sich
der Blinddarm, der den ersten Abschnitt des Dickdarms darstellt.
 An dessen unterem Ende befindet sich medial der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis),
ein lymphatisches Organ, das der Infektabwehr dient. Er ist sehr variabel in Form, Größe
und Länge (2 –20 cm).
 Liegt intraperitoneal.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
222
Verdauungsapparat Anatomie
Der Grimmdarm (Kolon)

Ist der Hauptteil des Dickdarms und beginnt oberhalb der Ileozökalklappe und endet mit
dem Übergang in den Mastdarm. Der Grimmdarm wird unterteilt in vier Abschnitte:
 Colon ascendens, an der rechten Bauchwand der aufsteigende Dickdarm, der
bis zur Leber verläuft und retroperitoneal liegt.
 Colon transversum, der querliegende Dickdarm. Er verläuft von der rechten
Dickdarmkrümmung (Flexura hepatica, Flexura coli dexter) bis zur linken
Dickdarmkrümmung (Flexura lienalis, Flexura coli sinistra). Befindet sich
intraperitoneal.
 Colon descendens, der an der linken Bauchwand befindliche absteigende
Dickdarm, welcher retroperitoneal liegt.
 Colon sigmoideum (Sigmoid), verläuft ab Höhe der linken Beckenschaufel Sförmig in Richtung kleines Becken und verlässt den Bauchraum. Liegt
intraperitoneal.
Der Mastdarm (Rektum)


Das Rektum beginnt in Höhe des 3. Sakralwirbels, hat eine Länge von etwa 15-20 cm und
liegt der konkaven Krümmung des Kreuzbeins an.
Im oberen Bereich liegt die Ampulle, der eigentliche Kotbehälter, und nach unten folgt der
etwa 3 cm große Analkanal. Die Öffnung nach außen heißt After (Anus).
Mikroskopische Anatomie
Dickdarm



Die Mukosa des Dickdarms hat keine Zotten mehr, sondern tiefe Dickdarmkrypten. Dort
finden sich hauptsächlich schleimbildende Becherzellen (heißen auch hier Lieberkühn
Drüsen) und resorbierende Epithelzellen mit Mikrovilli.
Die Muskularis des Dickdarms hat eine Besonderheit: Die äußere Längsmuskelschicht
verläuft in drei Längsmuskelstreifen (Tänien). Durch den erhöhten Muskeltonus der Tänien
und die Kontraktion der darunterliegenden Ringmuskelschicht entstehen für den Dickdarm
typische peristaltische Einschnürungen (Haustren).
An der Adventitia des Dickdarms finden sich meist noch Fettanhängsel (Appendices
epiploicae), die beträchtliche Ausmaße annehmen können (Speicherfett).
Verdauungsapparat Anatomie
223
Überblick Verdauungsrohr
Zerkleinerung
Kohlenhydratverdauung
durch Ptyalin (Amylase)
Transport
Auffangen, mischen und
mengen
Bakterizide Wirkung
Eiweißverdauung durch
Pepsin
Fettverdauung durch
Zungengrundlipasen
Produktion des IntrinsicFaktors
Pankreas
Leber
Enzym
e
Galle
Eiweißverdauung durch
Proteasen
Kohlenhydratverdauung
durch Amylasen
Fettverdauung durch
Lipasen und Galle
Absorption der
molekularen
Nahrungsbestandteile
Wasserrückresorption
Eindickung der
Ballaststoffe
Ausscheidung
Mundhöhle
Ösophagus
Magen
Dünndarm
Dickdarm
Mastdarm

Die Schleimhaut geht im Bereich des Anus allmählich in die äußere Haut über. Im
Analkanal liegt unter der Schleimhaut ein Venengeflecht (Hämorrhoidalzone), welches
als Schwellkörper die Funktion hat, den Anus gas- und wasserdicht abzuschließen.
 Die Muskelschicht des Rektums hat keine Tänien und Haustren mehr. Der Verschluss des
Afters erfolgt durch zwei Muskelschichten:
 Der innere Schließmuskel (Musculus sphincter ani internus); besteht aus glatter
Muskulatur und wird durch den Sympathikus geschlossen.
 Der äußere Schließmuskel (Musculus sphincter ani externus); besteht aus
quergestreifter Muskulatur. Er ist ständig kontrahiert und erschlafft nur bei der
willkürlichen Entleerung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
224
Verdauungsapparat Anatomie

Der Stuhl (Kot, Fäzes, Fäkalien) ist der unverdauliche Nahrungsrest, der eingedickt wird
und von Bakterien zersetzt wird. Wesentlichen Bestandteile sind:
 Nicht aufgenommene, von den Bakterien zersetzte Nahrungsbestandteile.
 Schleim und abgestoßenes Resorptionsepithel.
 Bakterien (Milliarden!) und deren Stoffwechselprodukte, sog. Fäulnisprodukte,
die für den unangenehmen Geruch verantwortlich sind.
 Sterkobilin, ein Stoff der aus dem Gallenbestandteil Bilirubin entsteht und dem
Kot die bräunliche Farbe gibt.
 Abbauprodukte und Giftstoffe, die fettlöslich sind und von der Leber über die
Galle ausgeschieden werden.
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Anatomie der Pankreas

Daten
 5 - 20 cm lang
 1,5 - 3 cm dick
 ca. 80 g schwer

Lage





Pankreaskopf liegt in der C-Schlinge des Duodenums.
Pankreaskörper kreuzt die Wirbelsäule in Höhe Th12/L1.
Pankreasschwanz reicht bis zum Milzhilus.
Der Verlauf vom Kopf zum Schwanz ist leicht schräg nach oben links.
Vor dem Pankreaskörper und Pankreasschwanz liegt der Magen, vor dem Kopf
die Leber.
 Hinter der Pankreas befindet sich die Bauchwand, mit der es fest verwachsen ist.
 Der Pankreas befindet sich retroperitoneal.

Aufbau
 Das Innere der Pankreas besteht aus vielen kleinen serösen Drüsen-läppchen, die
alle in den großen Pankreasgang (Ductus pancreaticus) münden.
 Der große Pankreasgang führt in 80% der Fälle zusammen mit dem Gallengang
(Ductus choledochus) durch eine Mündungsstelle (Vater-Papille, lat: Papilla
duodeni major) ins Duodenum.
Physiologie der Pankreas

Endokrine Funktion: Langerhans-Inseln (Inselapparat) produzieren Hormone
(vorwiegend im Schwanzteil der Pankreas).
 A-Zellen produzieren Glukagon, welches den Blutzuckerspiegel erhöht.
 B-Zellen produzieren Insulin, welches den Blutzuckerspiegel senkt.
 Exokrine Funktion: Die Pankreas produziert den sog. Bauchspeichel (Pankreassaft) (ca.
1,5 l/Tag). Er besteht zum einen aus bikarbonatreichen Säften, welche die Aufgabe haben,
den sauren Magenbrei auf einen pH-Wert von 7 - 8 zu führen, und zum anderen aus
Enzymen, welche die Aufgabe haben, die Nährstoffe aufzuspalten. Im Bauchspeichel gibt
es drei Enzymgruppen:
 Proteasen spalten große Eiweißmoleküle in Aminosäuren.
 Amylasen spalten Kohlenhydrate in Monosaccharide (z.B. Glukose).
 Lipasen spalten Fette (Triglyzeride) in Fettsäuren und Glyzerin.
 Enzyme sind Stoffe, welche die Fähigkeit haben, biochemische Prozesse zu
beschleunigen.
Verdauungsapparat Anatomie

225
Steuerung der Pankreasproduktion: Ähnlich wie beim Magen können drei Phasen
unterschieden werden.
 Nervale Phase: Durch Sinneseindrücke wird die Bauchspeicheldrüse über den
Nervus Vagus (X. Hirnnerv) zur Produktion eines bikarbonat- und
enzymreichen Pankreassaftes angeregt.
 Gastrische Phase: Das von den G-Zellen produzierte Hormon Gastrin fördert
auch die Produktion des Bauchspeichels.
 Intestinale Phase: Sie hat die größte Bedeutung. In der Dünndarmschleimhaut
direkt nach dem Magenpförtner werden zwei Hormone an die Blutbahn
abgegeben:
 Sekretin, regt die Pankreas zur Produktion von bikarbonatreichen
Bauchspeichel an und hemmt die Magenmotorik und die
Magensäureproduktion.
 CCK (Cholecystokinin), führt zur Kontraktion der Gallenblasenmuskulatur, zur Erschlaffung des Oddi-Sphinkters in der VaterPapille und damit zur Ausschüttung der Galle und stimuliert die
Bauchspeicheldrüse zur Produktion von Verdauungsenzymen.
Das Bauchfell (Peritoneum)





Das Bauchfell hat die Aufgabe, ähnlich wie die Pleura bei der Atmung und das Perikard bei
der Herztätigkeit, eine Verschieblichkeit der Organe untereinander zu ermöglichen.
 Peritoneum parietale umkleidet die Bauchhöhlenwand, nach vorne die Bauchmuskulatur, nach hinten die Rückenmuskulatur und die WS und nach oben das
Zwerchfell.
 Peritoneum viszerale überzieht die Verdauungsorgane, die sich in der
Embryonalzeit vom Retroperitonealraum her in die Bauchhöhle
hineingeschoben haben.
Die Bauchhöhle (Peritonealraum bzw. Intraperitonealraum) ist der Raum innerhalb des
Bauchfells. Dient in der Medizin wegen der hohen Resorptionsleistung der kontinuierlichen
ambulanten Peritonealdialyse beim chronischen Nierenversagen.
Intraperitoneale Organe sind ganz mit Peritoneum viszerale überzogen:
 Magen, Jejunum, Ileum, Zäkum (Blinddarm) mit Appendix (Wurmfortsatz),
Colon transversum, Colon sigmoideum
 Milz, Leber
 Auch Eierstöcke und Eileiter befinden sich intraperitoneal.
Der Retroperitonealraum: Der Raum hinter dem Bauchfell, zwischen Bauchfell und
hinterer Bauchwand. Die hier befindlichen Organe werden als retroperitoneale Organe
bezeichnet.
 Primär retroperitoneale Organe befinden sich im Retroperitonealraum ohne
Verwachsung mit dem Bauchfell, z.B. Nieren, Nebennieren, Harnleiter, Aorta,
Vena cava, Ductus thoracicus (Milchbrustgang)
 Sekundär retroperitoneale Organe sind innerhalb des Bauchfells entstanden,
jedoch mit der hinteren Bauchwand verwachsen und noch nur mit einer Seite mit
dem Bauchfell bedeckt (Duodenum, Colon ascendens und descendens,
Pankreas).
Das Mesenterium (Dünndarmgekröse) besteht aus zwei Bauchfellblättern, die Jejunum
und Ileum an der hinteren Bauchwand befestigen. Dieses Aufhängeband ist an der
Mesenterialwurzel (Radix mesenterii), eine ca. 12 cm lange Linie, befestigt. Im
Mesenterium verlaufen Arterien, Venen, Lymphknoten und Nervenfasern.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
226
Verdauungsapparat Anatomie

Omentum majus (großes Netz) ist eine Art Fettschürze, die als Bauchfellduplikatur
faltenartig vor der Dünndarmschlinge liegt. Sie ist am Magen und am Colon transversum
befestigt. Sie enthält zwischen ihren elastischen Fasern Fettgewebe und zahlreiches
lymphatisches Gewebe (Abwehrorgan) und dient auch als Schutz der Bauchorgane.
Die Gefäßversorgung der Verdauungsorgane

Die arterielle Versorgung der Bauchorgane erfolgt durch drei große Abzweigungen der
Bauchaorta:
 Gleich unterhalb des Diaphragmas der Truncus coeliacus, ein gemeinsamer
Stamm der Magenschlagader (A. gastrica), der Milzschlagader und der
Leberschlagader (A. hepatica communis). Von hier aus wird auch der Pankreas
versorgt.
 Obere Mesenterialschlagader oder obere Gekröseschlagader (Arteria
mesenterica
superior), die den Dünndarm, den aufsteigenden Teil des Dickdarms und einen
Teil des querliegenden Dickdarms versorgt.
 Untere Mesenterialschlagader oder untere Gekröseschlagader (Arteria
mesenterica inferior), versorgt den restlichen Dickdarm.

Der venöse Abfluss geschieht durch die Pfortader (Vena portae), die in der Leber mündet.
 Alle Venen der Bauchorgane (Magen, Milz, Pankreas, Dickdarm, Dünndarm)
fließen durch die Leber über die Pfortader ab, mit Ausnahme der unteren
Rektalvenen, die über die V. iliaca in die untere Hohlvene abfließen
Die Leber (Hepar)


Gewicht: 1,5 - 2 kg, die größte exokrine Drüse des Körpers
Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan, vorstellbar als ein riesiges chemisches
Laboratorium.
Die Lage der Leber




Die Hauptmasse liegt im rechten Oberbauch unter der rechten Zwerchfellkuppe und ist mit
ihr teilweise verwachsen.
Mit dem kleineren linken Leberlappen reicht sie weit über die Mittellinie hinaus und bedeckt
dort teilweise den Magen.
Nach unten hin ist die Leber konkav gewölbt und passt sich den Eingeweiden an.
Der untere Leberrand verläuft entlang dem Rippenbogen und ist an der Medioklavikularlinie
während der Einatmung bei schlanken Personen gut tastbar.
Makroskopische Anatomie der Leber



Rechter Leberlappen (Lobus dexter), der die Hauptmasse einnimmt und fast bis zur
Mittellinie reicht.
Linker Leberlappen (Lobus sinister), der wesentlich kleiner ist und in den linken Oberbauch
hineinreicht.
Die Leberpforte befindet sich an der Unterseite zwischen quadratischem und
geschwänztem Lappen.
 Einmündungsstelle der Pfortader
 Einmündungsstelle der Leberarterie
 Austrittsstelle der beiden Lebergallengänge, der Lymphgefäße und der zum
autonomen Nervensystem gehörenden Nervenfasern.
Verdauungsapparat Anatomie

227
Meist 3 Lebervenen (Venae hepaticae) leiten das venöse Blut der Leber in den Teil der
unteren Hohlvene, der vom Leberparenchym fast vollständig umschlossen ist.
Mikroskopische Anatomie der Leber







Die kleinste anatomische Einheit der Leber ist das Leberläppchen. Größe: Durchmesser
ca. 1,5 mm und Höhe ca. 2 mm groß.
Aufbau der Leberläppchen:
 Sehen unter dem Mikroskop aus wie sechseckige Zylinder.
 An den Eckpunkten der Leberläppchen befinden sich jeweils bindegewebige
Felder, die Periportalfelder mit den Glisson Trias.
 Glisson Trias beinhalten drei Gefäße:
 Einen Versorgungsast der Pfortader, gibt das Blut in das
Leberläppchen ab.
 Einen Versorgungsast der Leberarterie, gibt das Blut in das
Leberläppchen ab.
 Ein kleiner Gallengang, transportiert die Galle aus dem
Leberläppchen in Richtung Gallenblase ab.
Im Inneren der Leberläppchen laufen sog. doppelreihige Leberzellbalken der Mitte zu. Sie
bestehen aus den Leberzellen, der eigentlichen Stoffwechselfabrik.
Die Hohlräume zwischen den Leberzellbalken werden Sinusoide genannt. In diesen
Leberkapillaren fließt das arterielle Blut der Leberarterien gemischt mit dem venösen Blut
der Pfortader.
In der Mitte eines Leberläppchens befindet sich die Zentralvene, die das Blut aus den
Leberkapillaren auffängt und weiterleitet in Richtung Hohlvene.
In der Wand der Sinusoide sitzen Abwehrzellen, die Kupffer Sternzellen, welche die
Fähigkeit zur Phagozytose haben.
Die Leberzellen produzieren die Gallenflüssigkeit, die gegenüber der Sinusoide an sog.
intrahepatische Gallengänge abgegeben wird. Der Fluss dieser Gallenkapillaren fließt
entgegen dem Blutstrom von innen nach außen.
Physiologie der Leber (Aufgaben der Leber)
Stoffwechselfunktion

Resorbierte Stoffe aus dem Magen-Darm-Trakt werden über den Pfortaderkreislauf der
Leber zugeführt.
Eiweißstoffwechsel


Aus den Aminosäuren werden körpereigene Eiweiße (Proteine) aufgebaut, z.B. Albumine,
Globuline, Prothrombin, Fibrinogen
Für den Transaminierungsprozess (Aminosäuren werden von einem Stoff auf den anderen
übertragen) werden bestimmte Enzyme (Transaminasen) benötigt.
 GOT (neu: AST; Lernspruch Gott sitzt auf dem Ast), nicht leberspezifisch
 GPT (neu: ALT)
 GLDH
 Gamma-GT
 Beim Zerfall von Leberparenchym steigen die Transaminasenwerte an!
 Bei Ab- und Umbauvorgängen von Aminosäuren wird das Eiweißstoffwechsel-endprodukt
Harnstoff gebildet, welcher über die Niere ausgeschieden werden muss.
 Pro Tag benötigt eine gesunde erwachsene Frau ca. 40-60 g Eiweiße.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
228
Verdauungsapparat Anatomie

1 g Proteine = 4,3 kcal
Kohlenhydratstoffwechsel




Bei Überangebot von Blutzucker (Glukose) wird dieser in Form von Glykogen unter
Insulineinwirkung in der Leber, Niere, Muskel und Gehirn gespeichert.
Bei Bedarf wird Glykogen durch das Hormone Glukagon (auch Adrenalin) wieder zu
Glukose umgebaut.
Die Leber ist in der Lage aus Nicht-Kohlehydrat-Molekülen (Eiweiße und Fettsäuren)
Glukose zu bilden (Glukoneogenese).
Kohlenhydrate (Saccharide) werden in Einfach-, Zweifach- und Mehrfachzucker
unterschieden:
 Einfachzucker (Monosaccharide)
 Glukose (Traubenzucker)
 Fruktose (Fruchtzucker), insulinunabhängig
 Galaktose (Schleimzucker), in Milch enthalten, insulinunabhängig
 Zweifachzucker (Disaccharide)
 Maltose (Malzzucker): Glukose und Glukose
 Saccharose (Rohrzucker, Rübenzucker): Fruktose und Glukose
 Laktose (Milchzucker): Galaktose und Glukose
 Lernspruch: Ma-Sa-La
 Mehrfachzucker (Polysaccharide)
 Tierische und pflanzliche Stärke

1 g Kohlenhydrate = 4,3 kcal
Verdauungsapparat Anatomie
229
Übersicht exogene Fette
Magen
Zugengrundlipasen spalten
30% der Triglyzeride
Dünndarm
Leber
Gallensäuren
Mizellen
Transportvehikel für
exogene Fette im Darm
Enterohepatischer
Kreislauf
Lipasen
Pankreas
An den Mikrovilli
Gallensäuren werden größtenteils
im terminalen Ileum zum
Wiederaufbau rückresorbiert
Kurzkettige Fettsäuren
Werden über Albumine im
Pfortaderblut transportiert
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Resorption der Fette in den
Resorptionszellen =
Enterozyten
Langkettige Fettsäuren
Werden über Chylomikronen
über die Lymphe im MilchBrustgang transportiert
230
Verdauungsapparat Anatomie
Fettstoffwechsel




Bei verstärktem Fettabbau (Fasten, Diabetes mellitus) entstehen in der Leber Ketonkörper,
die zu einer Übersäuerung des Blutes führen können.
Triglyzeride (Neutralfette) bestehen aus einem Molekül Glycerin und drei Molekülen
Fettsäuren. Unterscheidung der Fettsäuren in:
 Gesättigte Fettsäuren (enthalten Einfachbindungen), können vom Körper selbst
hergestellt werden (z.B. Palmitinsäure).
 Einfach ungesättigte Fettsäuren (enthalten eine Doppelbindung: Ölsäure).
 Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (enthalten mehr als eine Doppelbindung),
können vom Körper nicht hergestellt werden und sind deshalb essentiell (z.B.
Arachidonsäure, Linolsäure, Linolensäure).
Cholesterin wird zum großen Teil von der Leber hergestellt und zum Aufbau bzw. Einbau
von z.B. Hormonen (Kortikoide, Geschlechtshormone), Enzymen, Gallensäuren und
Zellwände verwendet.
Transport der Fette durch Lipoproteine (Transportpartikel)
 Exogene Fette (Nahrungscholesterin) werden im Darm über Mizellen zu den
Mikrovilli gebracht. Von dort gelangen sie ins Blut und werden durch
Chylomikronen größtenteils über die Lymphe zu den Zellen gebracht.
 Endogene Fette werden von der Leber aus überschüssigen Kohlenhydraten und
Fette produziert und zu den Zellen gebracht. Folgende Lipoproteine werden
unterschieden:
 VLDL (Very Low Density Lipoprotein): Transportiert Triglyzeride
und Cholesterin
 LDL (Low Density Lipoprotein): Transportiert Cholesterin (bis
150 mg/dl)
 HDL (High Density Lipoprotein): Aufnahme von Cholesterin und
Rücktransport zur Leber (ab 40 mg/dl)

1 g Fett = 9,1 kcal
Entgiftungsfunktion

Die Leber baut schädliche Fremdstoffe (z.B. Medikamente, Alkohol, Lebensmittelstoffe,
Gifte) und körpereigene Stoffe (z.B. Ammoniak) ab bzw. so um, dass sie in relativ
harmloser Form entweder über die Niere (wasserlösliche Stoffe) oder über die Galle
(wasserunlösliche Stoffe) ausgeschieden werden können.
Gallenproduktion



Ca. ¾ - 1 Liter pro Tag.
Die Galle besteht aus Wasser (90%), Gallensäuren und den lithogenen (steinbildenden)
Substanzen: Kalzium, Cholesterin und Bilirubin. Die Gallensäuren halten diese Substanzen
in der Lösung. Sind zu wenige Gallensäuren vorhanden, können die Substanzen
kristallisieren und Steine bilden.
Enterohepatischer Kreislauf der Gallensäuren: Die Leber bildet aus Cholesterin die
Gallensäuren (Gallensalze), welche die Aufgabe haben, die mit der Verdauung
aufgenommenen Fette in kleinste molekulare Fetttröpfchen, den Mizellen, zu emulgieren.
Der größte Teil der Gallensäuren bleibt intakt und wird im unteren Dünndarmabschnitt
zurückresorbiert und über das Pfortaderblut in die Leber zur erneuten Produktion von Galle
abgegeben.
Verdauungsapparat Anatomie


231
Gallenfarbstoff Bilirubin (Bilirubinkreislauf):
 Beim Abbau des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin entsteht Bilirubin, das wegen
schlechter Wasserlöslichkeit an das Bluteiweiß Albumin gebunden wird.
 Das indirekte bzw. unkonjugierte (wasserunlösliche) Bilirubin.
 In der Leber wird dieses Bilirubin in wasserlösliches umgewandelt, indem es mit
Glukuronsäure konjugiert (gekoppelt) wird.
 Das direkte bzw. konjugierte (wasserlösliche) Bilirubin.
Ein Teil des Bilirubins wird im Darm durch die Zersetzungsprozesse zu Urobilinogen, ein
anderer Teil zu Sterkobilin umgewandelt. Urobilinogen wird zum Teil (70%) wieder
rückresorbiert und in der Leber abgebaut. Ein kleiner Teil wird über die Niere
ausgeschieden. Sterkobilin gibt dem Kot seine bräunliche Farbe.
Bilirubinkreislauf
Hämolyse
Biliverdin
indirektes Bilirubin
(nicht wasserlöslich, mit Albumine gekoppelt)
Leber
Niere
Pfortader
direktes Bilirubin
(wasserlöslich)
Ausscheidung von
Urobilinogen über
den Harn
Enterohepatischer
Kreislauf
Über die Galle in den
Dünndarm
Urobilinogen
Dickdarm
Sterkobilin
(färbt den Stuhl dunkel)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
232
Verdauungsapparat Anatomie
Weitere Aufgaben der Leber




Blutbildung in der Fetalzeit.
Leber als Speicherorgan (Vitamin A, K, B12, Glykogen, Eisen, Blut).
Erythrozytenabbau durch Phagozytose der Kupfferschen Sternzellen.
Bildung der Mehrzahl aller Gerinnungsfaktoren.
Die Gallenblase und deren Gallengänge
Gallenblase



Lage: Sie liegt unterhalb der Leber in einer Längsfurche und ist an der Oberseite mit der
Leber fest verwachsen.
Der Gallenblasenhals liegt in der Nähe der Leberpforte und der
blind endende Fundus reicht bis zum unteren Leberrand und ist bei praller Füllung tastbar.
Aufbau: Ca. 7 - 12 cm langer, birnenförmiger Sack mit Mukosa, ringförmiger Muskularis
und Adventitia. Volumenkapazität ca. 40 - 100 ml.
Aufgabe Sie dient der Speicherung und Eindickung von Gallenflüssigkeit. Die Gallenblase
kontrahiert sich unter Einfluss des Hormons CCK.
Gallengänge


Intrahepatische Gallengänge. In der Leber befindliche Gallengänge.
Extrahepatische Gallengänge. Es werden drei Gallengänge unterschieden:
 Der zuleitende Lebergallengang (Ductus hepaticus communis)
 Der eigentliche Gallenblasengang (Ductus cysticus), der vom Lebergallengang
zur Gallenblase abzweigt.
 Der ableitende Hauptgallengang (Ductus choledochus), der die Weiterführung
des Lebergallengangs darstellt und meist gemeinsam mit dem Ductus
pancreaticus über die Vater-Papille in das Duodenum mündet.
Verdauungsapparat Pathologie
233
Verdauungsapparat Pathologie
Erkrankungen der Mundhöhle ............................................................................................................. 235
Erkrankungen der Speiseröhre ............................................................................................................ 236
Erkrankungen des Magens ................................................................................................................... 241
Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms ........................................................................................... 246
Erkrankungen derPankreas ................................................................................................................. 257
Erkrankungen der Galle ....................................................................................................................... 259
Erkrankungen der Leber ...................................................................................................................... 261
© Arpana Tjard Holler (Autor)
234
Verdauungsapparat Pathologie
Peritonitis (Bauchfellentzündung) ....................................................................................................... 272
Fettstoffwechselstörungen  ................................................................................................................ 272
Differenzialdiagnose ............................................................................................................................. 273
Verdauungsapparat Pathologie
235
Erkrankungen der Mundhöhle

Behandlungsverbot für Heilpraktiker gemäß Zahnheilkundegesetz
Stomatitis
Def.:
Entzündung der Mundschleimhaut unterschiedlicher Ursache und unterschiedlichen
Ausmaßes
Urs.:
Infektion (Pilze, Bakterien, Viren)
 Allergisch
Toxisch (z.B. Blei, Quecksilber)
Im Rahmen von anderen Erkrankungen (z.B. Anämie, Diabetes mellitus, HIVInfektion, Leukämie) oder Abwehrschwäche
Sym.: 
Gerötete und schmerzhaft geschwollene Mundschleimhaut, evtl. weißliche Beläge

Mundgeruch (= Foetor ex ore)

Fieber möglich
Stomatitis herpetica
Syn: Stomatitis aphthosa, Gingivostomatitis herpetica, „Mundfäule“

Urs: Meist Herpes simplex Typ I.

Sym: 
Mundschleimhaut gerötet, geschwollen und stark schmerzhaft

Bildung von zahlreichen Aphthen

Fieber

Fauliger Geruch

Regionale Lymphknotenschwellung

 Aphthen sind auf der Mundschleimhaut befindliche linsengroße Schleimhautdefekte, die
mit Bläschenbildung, einem rötlichen entzündlichen Saum und gelblichweißen Belägen
einhergehen. Sie können vereinzelt (meist unbekannter Ursache) oder gehäuft im Rahmen
einer Mundfäule auftreten.
Stomatitis mycotica
Syn:
Mundsoor
Def:
Entzündung der Mundschleimhaut mit Candida albicans.
Urs:
Abwehrschwäche (z.B. AIDS, Diabetes mellitus, Leukämie, Lymphome,
Systemerkrankungen), Apoplex (infolge Austrocknung der Mundhöhle)
Medikamente (Antibiotika, Immunsuppressiva, Kortison, Zytostatika)
Sym: 
weiße Stippchen, welche in einen flächenhaften, gelbbraunen, leicht abwischbaren
Belag übergehen können
Mundwinkelrhagaden
Syn:
Stomatitis angularis, Faulecken
Def:
Schmerzhafte Einrisse im Bereich des Mundwinkels
Meist Mangelernährung (z.B. Eisenmangelanämie, Vitamin B12-Mangelanämie)
Verminderte Immunabwehr, Diabetes mellitus
V.a. Säuglinge und ältere Menschen sind betroffen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Urs:
236
Verdauungsapparat Pathologie
Sym: 
Einrisse sind schmerzhaft und heilen schlecht

Können verkrustet sein und evtl. geschwürig werden
Erkrankungen der Speiseröhre
Die meisten Speiseröhrenerkrankungen
(Schluckstörung).
haben
als
Leitsymptom
die
Dysphagie
Achalasie (Ösophagusachalasie) 
Def:
Eine neuromuskuläre Erkrankung, bei der es zu einer fehlenden Erschlaffung des
unteren Ösophagussphinkters (UÖS) kommt.
Urs:
Degenerierte Nervenfaser des Auerbach-Plexus.
Pat:
Oberhalb des UÖS erweitert sich die Speiseröhre stark („zugebundene Wurst“).
Diagnose durch Röntgen mit Kontrastmittel.
Sym:  Dysphagie mit retrosternalen dumpfen Schmerzen beim Schlucken
 Regurgitation (Zurückfließen von unverdauten Speisen)
 Gewichtsabnahme
Kom:  Gefahr auf Aspirationspneumonie
 Karzinomatöse Entartung
The:
 Dehnung des UÖS mit einer Ballonsonde
 Operation
Ösophagusdivertikel 
Def:
Sackartige Ausstülpung der Speiseröhre.
Urs:
 Koordinationsstörungen mit von innen erhöhtem Druck auf die Wand.
Missverhältnis zwischen innerem Druck und Wandstabilität.
 Zenker-Divertikel (unechtes Divertikel; 70%), entstehen im Bereich des
oberen Ösophagussphinkters. Männer sind häufiger betroffen.
 Parahiatales Pulsionsdivertikel (20%) im Bereich des unteren
Ösophagussphinkters.
 Zug von außen, z.B. durch Entzündungsprozesse, entstehen in der mittleren
Ösophagusenge (Aortenenge) in Höhe der Trachealbifurkation.
 thorakales Traktionsdivertikel (10%)
Sym:  Dysphagie
 Globusgefühl (Fremdkörpergefühl)
 Regurgitation (Hervor würgen unverdauter Nahrungsbestandteile)

Mundgeruch (Foetor ex ore)
Kom:  Ösophagitis
 Aspirationspneumonie
Verdauungsapparat Pathologie
237
Ösophagitis (Speiseröhrenentzündung) 
Def:
Schleimhautentzündung durch infektiöse, chemische oder physikalische
Ursachen.
Urs:
 Refluxösophagitis (siehe Refluxkrankheit)
 Durch Mikroorganismen, meist Pilze (Soorösophagitis)
 Chemisch durch Verschlucken von Säuren, Laugen oder hoch hochprozentigem
Alkohol.
 Physikalisch durch Bestrahlung oder durch Magensonden.
 Eisenmangel (Plummer-Vinson-Syndrom)
Sym und Kom: siehe Refluxkrankheit
The:
 Je nach Ursache.
 Bei Verätzungen:
 Neutralisierung durch Trinken von Wasser in kleinen Schlucken.
 Bei Säureverätzungen Natriumbikarbonat.
 Bei Laugenverätzungen verdünnter Essig (100 ml auf 500 ml H2O).
 Keine Milch, nicht erbrechen lassen.
Refluxkrankheit (Refluxösophagitis) 
Def:
Reizung bzw. Entzündung der Ösophagusschleimhaut durch aufsteigende Magensäure
(gastroösophagealer Reflux).
Urs:
 Primäre Refluxkrankheit (Ursache nicht geklärt)
 Sekundäre Refluxkrankheit. Verschiedene Krankheiten können eine
Dysregulation des unteren Ösophagussphinkters bewirken:
 Axiale Hiatushernie
 Sklerodermie, Diabetes, nach operativen Eingriffen
 Akute Gastritis, Magengeschwür, Magenkarzinom
 Einnahme von bestimmten Medikamenten
 Begünstigende Faktoren
 Bestimmte Nahrungs- und Genussmittel: z.B. Fette, Süßigkeiten, Nikotin,
Alkohol.
 Intraabdominale Druckerhöhung durch z.B. Schwangerschaft, Adipositas,
Aszites, Obstipation.
 Der Reflux und dessen Symptomatik wird verstärkt nach Mahlzeiten, im Liegen und
durch Bauchpressen wie Bücken, Husten und Niesen.
Sym:  Sodbrennen und saures Aufstoßen
 Dysphagie mit brennenden Schmerzen hinter dem Brustbein (können in den
Oberbauch oder Rücken ausstrahlen)
 Regurgitation von z.T. verdauten oder nicht verdauten Nahrungsresten
 Übelkeit, Erbrechen (bei histologisch nachweisbaren entzündlichen Veränderungen
der Ösophagusschleimhaut)
 evtl. Reizhusten
 evtl. Heiserkeit
Kom:  Durch Narbenbildung in der Submukosa entstehende Stenosen (Verengungen)
 Ulkusentstehung, Blutungen
 Karzinomatöse Entartung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
238
Verdauungsapparat Pathologie
Verdauungsapparat Pathologie
The:
239
Nur in schweren Fällen operativ, sonst konservativ:
 Gewichtsnormalisierung bei Übergewicht.
 Umstellung der Ernährungs- und Genussmittelgewohnheiten.
 Nach dem Essen nicht sofort hinlegen, beim Liegen Kopfende hochstellen.
 Medikamentöse Therapie mit Antacida (Säureneutralisation) und H2-Blocker.
Hiatushernie (Zwerchfellhernie) 
Def:
Durch eine Erweiterung im Hiatus oesophageus (Öffnung im Zwerchfell) kommt es
zum Übertritt von Magenanteilen in den Brustraum.
Urs:
Begünstigende Faktoren:
 Bindegewebsschwäche
 Intraabdominale
Druckerhöhung,
z.B.
Übergewicht,
Obstipation,
Meteorismus, häufige und fettreiche Mahlzeiten, häufiges oder permanentes
Husten, Schwangerschaft
Pat:
 Axiale Gleithernie (90%)
Kardia (Mageneingang) und Magenfundus befinden sich oberhalb des Zwerchfells
und der Ösophagus schiebt sich dabei nach oben.
 Paraösophageale Hernie (10%)
Der obere Magenanteil (Fundus) tritt neben dem UÖS in den Brustraum hinein.
Sym:  Gleithernie; nur ca. 10% machen Krankheitssymptome, der Rest ohne
Krankheitswert
 Sodbrennen, Refluxösophagitis
 retrosternales Druckgefühl besonders beim Liegen nach dem Essen
 Paraösophageale Hernie; verläuft meist beschwerdefrei, führt aber zu
Komplikationen:
 Einklemmung (Inkarzeration), welche zum Notfall führen kann.
 Chronische Sickerblutungen können zu Eisenmangelanämie führen.
The:
 Gleithernie: Beseitigung des intraabdominalen Drucks (z.B. Gewichts-reduzierung,
Beseitigung der Obstipation), häufig kleine Mahlzeiten, nach dem Essen nicht
hinlegen
Paraösophageale Hernie: Wegen hoher Komplikationsgefahr operative Beseitigung
Ösophaguskarzinom 
Def:
Malige Entartung der Schleimhaut des Ösophagus, kommt v.a. an den physiologischen
Engen vor.
Urs:
 Chronische Reizwirkung durch Alkohol, Nikotin, heiße Getränke und Speisen.
 Entartung länger bestehender Ösophaguserkrankungen
 Verätzungsnarben, Achalasie, Refluxösophagitis
Pat:
 Speiseröhrenkarzinom hat eine schlechte Prognose wegen rascher Metastasenbildung.
 Männer ab 50 - 60 Jahren sind häufiger betroffen.
 Bei Männern über 50 Jahren ist die häufigste Ursache der Dysphagie das
Ösophaguskarzinom
© Arpana Tjard Holler (Autor)
240
Verdauungsapparat Pathologie
Verdauungsapparat Pathologie
241
Sym: Am Anfang fast immer symptomlos. Treten erste Schluckbeschwerden auf, ist
die mittlere Überlebenszeit 5-8 Monate.
 Dysphagie, ohne weiteres Symptom immer CA-verdächtig
 Retrosternale Schmerzen unabhängig von der Nahrungsaufnahme
 Regurgitation
 Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Nachschweiß, Fieber (sog. B-Symptome)
 Spätsymptom: Hämatemesis (Bluterbrechen)
The:
 Operation nur in 1/3 der Fälle möglich, 5-Jahresüberlebensrate ca. 15%
 Strahlentherapie 5-Jahresüberlebensrate ca. 5 %
 Chemotherapie hat schlecht Erfolgsrate
Mallory-Weiss-Syndrom
Def:
Schleimhauteinrisse am Übergang Speiseröhre zum Magen mit teils massiven
arteriellen Blutungen.
Urs:
Wiederholtes Erbrechen v.a. bei Alkoholkrankheit und Bulimie führt zu
Schleimhauteinrissen im oberen Teil des Magens oder im Bereich des unteren
Ösophagussphinkters. Begünstigend wirkt eine plötzliche Druckerhöhung, z.B. durch
Husten, Pressen.
Sym: 
Bluterbrechen (entweder helles Blut oder kaffeesatzartiges)

Teerstuhl

Schmerzen oberhalb des Nabels
Zusammenfassung: Leitsymptome der Ösophaguserkrankungen
Es gibt einige charakteristische Symptome, die auf eine Erkrankung der Speiseröhre schließen
lassen.
 Dysphagie
bei
Ösophaguskarzinom
(40%),
Divertikel,
Hiatushernie,
Narbenverwachsungen, verschluckte Fremdkörper, Ösophagitis, selten Achalasie,
Sklerodermie, idiopathisch (Globus hystericus, vegetative Dysphagie).
 Sodbrennen meist bei ösophagealem Reflux (Refluxösophagitis), Schwangerschaft,
seltener bei Magengeschwür und Magenkarzinom. Kann auch aufteten bei chronischem
Alkoholmißbrauch, Herzinfarkt oder Angina pectoris
 Regurgitation (Zurückströmen von meist unverdauter Nahrung) bei Divertikel,
Ösophagusstenosen, Karzinom und Achalasie.
Erkrankungen des Magens
Symptome, die auf Erkrankungen des Magens hinweisen können sind:
 Oberbauchschmerzen und Oberbauchdruck, nahrungsmittelabhängige Schmerzen
 Unverträglichkeit oder Widerwillen gegen bestimmte Nahrungsmittel
 Übelkeit, Erbrechen
 Bluterbrechen (Hämatemesis), Teerstuhl oder okkultes Blut im Stuhl
Reizmagen (somatoforme autonome Funktionsstörung)
Def:
Es handelt sich um eine funktionelle Störung des Magens, ohne dass ein organischer
Befund nachweisbar ist.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
242
Verdauungsapparat Pathologie
Urs:
Psychische Faktoren lösen einen Spasmus der Magenmuskulatur aus.
Die Diagnose „funktionelle Störung“ oder „psychosomatisch“ wird erst nach
Ausschluss aller schulmedizinischen Erkrankungen des Magens gestellt.
Sym:  Druck- und Völlegefühl
 Reflux von saurem Mageninhalt mit Sodbrennen
 Mäßige bis heftige Schmerzen

Bestimmte Nahrungs- und Genussmittel werden schlecht vertragen, z.B. Kaffee,
Alkohol, Fette, süße Speisen
The:




Ernährungsumstellung
Lokale Wärmeanwendung
Phytotherapeutisch, Homöopathisch etc.
Psychotherapeutische Betreuung
Akute Gastritis
Def:
Akute Magenschleimhautentzündung
Urs:
 Mikrobiell bedingte Lebensmittelvergiftung durch toxinbildende Bakterien
(Staphylokokken, Salmonellen, Escherichia coli, Yersinien, Campylobacter) oder
Viren (z.B. Noroviren, Rotaviren), Protozoen (tierische Einzeller, z.B.
Cryptosporidium parvum, Giardia lamblia)
 Akute infektiöse Gastroenteritis (meldepflichtig gemäß IFSG §6)




Exogene Noxen z.B. Laugen oder Säuren (Ätzgastritis)
Nahrungsmittelexzess (Fresserei, Sauferei)
Stress, z.B. bei Unfällen, OP, Verbrennungen und andere Traumen
Medikamente, z.B. ASS (Azetylsalizylsäure) oder andere NSAR (nicht-steroide
Antirheumatika, Zytostatika
 Sonderfall: Stauungsgastritis durch Rechtsherzinsuffizienz.
Pat:
Durch die exogenen Noxen entsteht ein Missverhältnis zwischen Magensäure
und Schleim. Es kommt zu einer akuten Schleimhautschädigung mit oberflächlichen
Defekten und Schleimhautblutungen.
Sym: 



The:
Übelkeit, Erbrechen (häufig Linderung danach), Aufstoßen
Diffuses Druckgefühl und Oberbauchschmerzen (können in den Rücken ausstrahlen)
Appetitlosigkeit und Krankheitsgefühl
evtl. (reflektorisch) Durchfall
Meist reicht eine Nahrungskarenz (Verzicht) aus.
Chronische Gastritis 
Def:
Laut „Pschyrembel“ wird nur von einer chronischen Gastritis gesprochen, wenn
beweisende histologische Untersuchungen der Magenschleimhaut vorliegen.
 Die chronische Gastritis ist außerordentlich häufig mit zunehmendem Alter.
Urs:
Einteilung der chronischen Gastritiden:
 Typ A: Autoimmungastritis = Korpusgastritis (atrophische Gastritis). Bildung von
Antikörpern gegen die Belegzellen und den Intrinsic-Factor. Die Folgen sind:
 Schwund der Belegzellen
Verdauungsapparat Pathologie
243
 Anazidität (Fehlen der Magensäure)
 Entwicklung einer perniziösen Anämie
 Gefahr der Entartung (Magenkarzinom)
 yp B: Helicobacterpylorusgastritis = Antrumgastritis
Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori (am häufigsten, 85%), häufig
im Alter, Gefahr auf Ulkusbildung und Entartung.
 Typ C: Chemisch-toxische Gastritis
Durch Medikamente (nichtsteroidale Antirheumatika = NSAR), Gallenreflux und
Toxinen (z.B. Alkohol, Nikotin) verursachte Gastritis.
Pat:
Nach dem Ausmaß der Schäden werden unterschieden:
 Oberflächengastritis
 Chronisch atrophische Gastritis
Sym: 




Häufig beschwerdefrei
Uncharakteristische Oberbauchbeschwerden
Druck- und Völlegefühl nach dem Essen
Bei atrophischer Gastritis Unverträglichkeit von schwerverdaulichen Speisen
evtl. Aufstoßen, Übelkeit, Blähungen
Kom: 



Entstehung eines Ulkus
Magenkarzinom
Eisenmangelanämie
Anazidität (Fehlen von Magensäure)
The:
 Typ A: Vitamin B12 parenteral, endoskopische Kontrolle wegen erhöhter Gefahr
einer karzinomatösen Entartung.
 Typ B: Nur bei Beschwerden Therapie mit Antacida und Antibiotika.
 Typ C: Gallensäurebindende Medikamente, Absetzung der Medikamente.
Gastroduodenale Ulkuskrankheit 
Def:
Bezeichnung für den Oberbegriff von Geschwürbildung im Bereich des Magens (Ulcus
ventriculi) oder im Bereich des Zwölffingerdarms (Ulcus duodeni). Wird auch als
Ulkus pepticum bezeichnet, wenn das Geschwür infolge der Einwirkung von
Magensaft (Salzsäure, Pepsin) entstanden ist.
Die gleichzeitige Einnahme von Glukokortikoiden mit nicht-steroidalen
Antirheumatika (NSAR*) erhöht das Risiko einer Ulkusentstehung deutlich.
Die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) ist i.d.R. kontraindiziert.
Urs:
Missverhältnis zwischen den Schutzmechanismen der Schleimhaut und den aggressiven
Faktoren.
 Folgende Faktoren gelten als Schutzmechanismen für die Schleimhaut:
 Schleimmenge
und Schleimqualität
 Ausreichende Durchblutung
 Säurehemmhormone (z.B. Sekretin)
 Stabile Psyche
 Folgende Faktoren gelten als aggressive Faktoren für die Schleimhaut:
 Vermehrte Produktion von Salzsäure
 Gallenreflux (Duodenalulkus)
 Medikamente (v.a. NSAR*)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
244
Verdauungsapparat Pathologie
 Alkohol
 Rauchen
 Helicobacter pylori-Infektion
 Gestresste, labile Psyche (erhöhter Vagotonus)
* NSAR = Abk. für nicht-steroidale Antirheumatika (z.B. ASS, Paracetamol,
Ibuprofen, Diclofenac)
Unterscheidung zweier Geschwüre
Ulkus
ventriculi
(Magengeschwür)
Meist an der kleinen Kurvatur im
Bereich des Antrums
Seltener als Ulcus duodeni
Ulkus
duodeni
(Zwölffingerdarmgeschwür)
Lokalisation
Anfangsteil des Duodenums,
wenige cm vom Pylorus entfernt
Häufigkeit
4-5-mal häufiger als Ulcus
ventriculi
Patienten
Ältere Patienten, keine
Jüngere Patienten, Männer sind
Geschlechtsverteilung
fünf Mal häufiger betroffen
Entartung?
In ca. 3% der Fälle
Sehr selten
Klassische Beschwerden Sofortschmerz, nahrungsabhängige Spätschmerz, Nacht- und
(nur in 10-30% der Fälle) Schmerzen
Nüchternschmerz
Punktschmerz
Eher links der Körpermittellinie
Eher rechts der Körpermittellinie
Jahreszeitl. Auftreten
In jeder Jahreszeit
V.a. Herbst und Frühling
Psyche
Patienten wirken eher krank,
Schmerzen werden unterdrückt,
Körperbau eher asthenisch
Patienten sind leistungsorientiert
Helicobacter pylori
Findet sich in 70% der Fälle
Findet sich in 95% der Fälle
Blutgruppe
Häufiger bei Patienten mit der
Häufiger bei Patienten mit der
Blutgruppe A
Blutgruppe 0
Sym:  10% haben überhaupt keine Schmerzen
 Aufstoßen, Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen
 drückende, kneifende, krampfende Schmerzen im Epigastrium
 okkultes Blut im Stuhl nachweisbar
Kom:  Akute Blutungen (25%), häufigste ulkusbedingte Todesursache
 Bluterbrechen (kaffeesatzartiges Erbrechen, Teerstühle)
 Perforation mit akutem Abdomen (10%)
 Plötzlich heftige, nicht kolikartige Oberbauchschmerzen, brettharter Bauch
 Plötzlich heftige Rückenschmerzen bei Perforation des Ulcus duodeni
 Penetration (20%), Geschwür greift auf Nachbarorgane über (Milz, Leber)
 Maligne Entartung des Magengeschwürs möglich (3%)
 Pylorusstenose beim Ulcus duodeni (10%)
 Schwallartiges Erbrechen nach dem Essen, Gewichtsverlust, seltene Stühle,
sichtbare Magenperistaltik, schlecht gedeihendes Kind
Eine Pylorusstenose kann auch angeboren sein (sog. Spuckkinder mit
Pseudoobstipation)
The:
 Meidung säurelockender und unverträglicher Speisen:
 Alkohol, Kaffee, Nikotin, Tee, Zitrusfrüchte
 Scharfe und stark gewürzte Speisen, erhitzte Fette
 Große Portionen und späte Abendmahlzeit
 Vermeidung bzw. Bearbeitung Stress auslösender Faktoren
Verdauungsapparat Pathologie
245
 Medikamentöse Therapie, laut Schulmedizin unausweichlich
 Säure- und Galleblocker (Antazida, H2-Rezeptoren-Blocker), keine
Analgetika
 Magenresektion (25%), nach Billroth I oder Billroth II
Magenkarzinom (ca. 20% aller Tumore) 
Urs:
Endogene und exogene Faktoren scheinen eine Entstehung zu begünstigen:
 Länger bestehende Magenerkrankungen (atrophische Gastritis, Magenulkus,
Anazidität, Magenpolypen, Helicobacter pylori, nach Teilresektion)
 Karzinogene (chemische Stoffe, welche die zelluläre DNA verändern können), wie
z.B. Schwermetalle, erhitzte Öle, Acrylamid, Nitrosamine, Nikotin
 Essgewohnheiten, wie z.B. zu viel gegrillte, gepökelte oder geräucherte Speisen,
Alkoholmissbrauch
 Familiäre Häufung, Blutgruppe A bevorzugt
 Nationale Herkunft, z.B. in Japan und China doppelt so viel
Pat:
 Altersgipfel zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
 In 80% der Fälle Lokalisation im Antrum in der kleinen Kurvatur.
 Prognose sehr schlecht, schnelle Metastasenbildung (z.B. Peritonealkarzinose).
Sym:  Im Frühstadium meist keine Symptome
 evtl. Völlegefühl, Brennen, Übelkeit, diffuse Oberbauchbeschwerden
 Im fortgeschrittenen Stadium:
 Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, Fieber (sog. BSymptome)
 Widerwille gegen Fleisch
 evtl. Erbrechen (möglich: Kaffeesatz artiges Erbrechen), Sodbrennen
 Zunehmende Schmerzen im Oberbauch
 Okkulter Stuhl, Teerstuhl
 Allgemeine Anämiesymptome infolge von chronischen Blutungen
 Im Oberbauch kann der Tumor tastbar sein.
 Zeichen der Metastasierung in Leber, Lunge, Knochen und Gehirn
 Virchow-Lymphknoten
(Virchow-Drüse)
kann
hinter
dem
Schlüsselbeinansatz tastbar sein (kann bei allen bösartigen Tumoren der
Bauchhöhle vergrößert sein)
The:
 Gastrektomie (vollständige Entfernung des Magens)
Roemheld-Syndrom
Def:
Urs:
Durch Gasansammlungen im Magen (evtl. auch in der linken Kolonflexur) verursachter
Zwerfellhochstand mit Verdrängung auf das Herz.
Idiopathisch
Sym.:  Druckgefühl im Brustraum

Herzbeschwerden, Herzrhythmusstörungen, Tachykardie, Angstzustände
 Völlegefühl im Oberbauch
 Beschwerden durch Hinlegen besser
© Arpana Tjard Holler (Autor)
246
Verdauungsapparat Pathologie
Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms
Chronische entzündliche Darmerkrankungen
Enteritis regionalis Crohn (Morbus Crohn) 
Def:
Eine entzündliche narbenbildende Erkrankung, die entweder chronisch oder in
rezidivierenden Schüben den gesamten Verdauungskanal (vom Mund bis After)
befallen kann, am häufigsten aber im terminalen Ileum und Anfang Dickdarm zu finden
ist.
Urs:
 Idiopathisch (psychosomatische Auslösung? Autoimmunerkrankung? Viren?)
 Familiäre Häufung!
 In 75% der Fälle HLA-B27 (körpereigenes Antigen) positiv
Tritt am häufigsten dem 15. und 35. Lebensjahr auf.
Pat:
 Die Entzündung befällt alle Wandschichten.
 Diskontinuierliche Entzündung.
Granulomatöse Entzündung. Die Entzündungsherde sind in Granulome abgepackt.
Ausbildung eines sog. "Kopfsteinpflasterreliefs" mit Gefahr einer Verengung des
Darmlumens.
 Häufigste Lokalisation ist terminales Ileum und Anfang Dickdarm. Führt oft zur
Verwechslung mit einer akuten Appendizitis (sog. Pseudoappendizitis).
Sym:








Schmerzen oder Koliken im rechten Unterbauch, Druckgefühl
Durchfälle bis zu 6-mal/Tag, meist nicht blutig, auch nächtlich
Gewichtsverlust, Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Leichtes Fieber oder Fieberschübe möglich
Übelkeit und Erbrechen möglich
Blähungen
evtl. tastbare walzenartige Verdickungen
Außerhalb des Magen-Darm-Kanals gelegene (extraintestinale) Symptome (ca.
50% d. Fälle):
 Erythema nodosum, druckschmerzhafte rote Knoten besonders an den
Unterschenkelstreckseiten symmetrisch
 Arthritis, Morbus Bechterew
 Entzündungen der Augen (Iridozyklitis)
Kom:  Bildung von Abszessen mit Fisteln (40%); mögliches Erstsymptom sind Analfisteln.
 Mechanischer Ileus (25%), Stenose durch die chronischen Entzündungen
(Kopfsteinpflasterrelief)
 Häufig Malabsorptionssyndrom (z.B. Vitamin B12-Mangelanämie, Gallensäureverlustsyndrom)
 Blutungen (25%)
 Darmkrebs, wenn der Dickdarm über 20 Jahre betroffen ist
 Hohe Komplikationsrate macht eine Operation früher oder später notwendig.
The:




Medikamentös (Kortison)
Diät, z. B. milchfrei bei Laktoseintoleranz (30% der Patienten)
Bewegungs- und Hydrotherapie
Psychosomatisch, Selbsthilfegruppen
Verdauungsapparat Pathologie
247
Colitis ulcerosa 
Def:
Chronisch entzündliche kontinuierliche Entzündung der Schleimhaut des Dickdarms
mit oberflächlichen Ulzerationen, die typischerweise vom Rektum aus nach proximal
fortschreitet.

In 10% der Fälle ist eine Unterscheidung zwischen Enteritis regionalis Crohn und
Colitis ulcerosa nicht möglich!
Urs:
Unbekannt! psychosomatisch? Autoimmunerkrankung? Manifestation zwischen 20.
und 40. Lebensjahr. Die Erkrankung tritt familiär auf.
Pat:
Die Entzündungen und Geschwüre betreffen meist nur die Mukosa und Submukosa. Sie
beginnen fast immer im Rektum und schreiten dann kontinuierlich in Richtung
Dünndarm weiter fort. Die Dickdarmschleimhaut ist gerötet, geschwollen und zeigt
zwischen intakten Schleimhautinseln leicht blutende Geschwüre (landkartenähnliche
Schleimhautulzerationen). Infolge der flächenhaften Entzündung können die Haustrien
aufgehoben sein (sog. Fahrradschlauchphänomen). Häufiger sind junge Frauen
betroffen.
Drei unterschiedliche Verläufe sind bekannt:
 Leichte Form; chronisch rezidivierend (ca. 70%), mit beschwerdefreien Intervallen
unterschiedlicher Länge.
 Mittlere Form; chronisch kontinuierlich (ca. 25%), leichte Symptomatik, aber nie
ganz beschwerdefrei.
 Akut fulminant; (ca. 5%), mit kolikartigen Schmerzen, sehr starken blutig-eitrigen
Durchfällen und hohem Fieber (Notfall).
Sym: 






schleimig-blutige Durchfälle bis zu 20-mal/Tag
Bauchschmerzen (linker Unterbauch), schmerzhafter Stuhldrang (Tenesmus)
Fieber
Gewichtsabnahme
Extraintestinale Symptome möglich, aber seltener wie bei M. Crohn
Anämiezeichen
Koloskopie: Pseudopolypen, intakte Schleimhautinseln mit überschießender
Heilungsreaktion
Kom: Maligne Entartung nach jahrelangem Verlauf (20 Jahre)
Starke Blutungen

 Perforationsgefahr bei der schweren Form

 Toxisches Megakolon (stark erweiterter Dickdarm mit Schocksymptomen und
akutem Abdomen)
Allergische Darmerkrankungen
Zöliakie / Sprue (Glutenintoleranz, Gluten sensibilisierte Enteropathie) 
Def:
Entzündliche Reaktion der Dünndarmschleimhaut auf ein Getreideeiweiß (Gluten, das
als Klebereiweiß in allen Getreidesorten vorkommt. Das klinische Bild im Kindesalter
(schon im ersten Lebensjahr) wird Zöliakie genannt, das beim Erwachsenen Sprue.
Urs:
Überempfindlichkeitsreaktion gegen das Gluten (Gliadin), vererbbare Autoimmunerkrankung (gilt nicht mehr als eine Allergie)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
248
Verdauungsapparat Pathologie
Pat:
Es kann durch die überschießenden Entzündungsvorgänge zur totalen Zottenatrophie
und dadurch zu einem schweren Malabsorptionssyndrom kommen. 70 % der
Patienten sind Frauen. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis von spezifischen
Antikörpern im Blut. Als beweisend gilt jedoch nur die Gastroskopie
(Magenspiegelung) mit Dünndarmbiopsie und dem anschließenden Beweis einer
Zottenatrophie.
Sym:  Chronische Diarrhoe, häufig Steatorrhoe (Fettstühle = großvolumige fettigschleimig übelriechende Durchfälle)
 Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
 Teilweise extrem aufgeblähter Bauch (Meteorismus)
 Beschwerden sind nicht selten gering, so dass die Krankheit als Magenverstimmung
fehldiagnostiziert wird
 Wachstumsstörungen, Unterernährung, Gewichtsverlust
 Symptome der Malabsorption: Vitaminmangel, Eisenmangel, Eiweißmangel
 Labor: Nachweis von Antikörpern gegen Gliadin
Kom: Die Erkrankung kann lebensbedrohlich werden, wenn es zu stark gehäuften wässrigen
Durchfällen kommt, die zur Exsikkose (Austrocknung) des Körpers führen
(hypovolämischer Schock!).
The:
 Strikte Gluten freie Diät:
 NEIN: Gerste, Hafer, Roggen (anderes Klebereiweiß, seltener), Weizen, Dinkel,
Couscous (Hartweizen), Bulgur (Hartweizen), Grünkern.
 JA: Erlaubt sind Kartoffeln, Mais (Polenta), Reis, Hirse, Sojabohnen, Buchweizen,
Amarant.
Laktoseintoleranz 
Def:
Die Unfähigkeit des Körpers Laktose (Milchzucker; ein Zweifachzucker) richtig zu
verdauen.
Urs:
 Primäre Form: Natürliche Form der Milchzuckerunverträglichkeit.
 Sekundäre Form: Erkrankungen des Dünndarms, z.B. Morbus Crohn, Zöliakie.
Pat:
Das von der Dünndarmschleimhaut produzierte Enzym Laktase hat die Aufgabe den
Milchzucker Laktose in seine beiden Einzelzucker, Galaktose (Schleimzucker) und
Glukose (Traubenzucker) zu spalten. Beim Fehlen von Laktase wird der Milchzucker
nicht gespalten, gerät in den Dickdarm und führt dort durch Bakterien zu
Gärungsprozessen, in deren Folge Gase entstehen (Wasserstoff, Kohlendioxyd, Methan,
Milch- und Essigsäure). Die Diagnose kann durch den H2-Atemtest
(Wasserstoffexhalationstest) erfolgen.
Sym: 




Durchfallattacken mit viel flüssigem Stuhl (Laktose bindet Wasser)
Blähungen mit Bauchschmerzen (Krämpfe)
Völlegefühl, Flatulenz
Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel
Leistungsschwäche
Kom: Gewichtsverlust mit Kachexie
The:
Vermeidung von Laktose haltigen Lebensmitteln.
Verdauungsapparat Pathologie
249
Appendizitis (Akute Wurmfortsatzentzündung) 
Def:
Entzündung des Wurmfortsatzes des Blinddarms, fälschlicherweise als Blinddarmentzündung bezeichnet.
 Ist die häufigste Erkrankung des Darmkanals in Europa und typisch im Kindes- und
Jugendalter.
Urs:
Infektion durch Stauung oder Verlegung des Wurmfortsatzes durch z.B. Kotsteine,
Würmer, entzündliche Schleimhautschwellungen und Abknickungen.
Pat:
Die typische akute Appendizitis ist klinisch gut zu diagnostizieren, die untypische eher
chronisch verlaufende ist sehr schwierig zu erkennen (häufig). Der Erkrankungsverlauf
bei alten Menschen ist häufig symptomarm.
Sym:
 Typisch ist ein plötzlich auftretender Schmerz um die Nabelgegend herum bzw. im
mittleren Oberbauch (epigastrisch), der dann nach Stunden in den rechten
Unterbauch wandert
 Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen
 Fieber, Temperaturdifferenz zwischen axillär und rektal im klassischen Fall
1°C
(0,8-1,3), normal ist 0,5 Grad
 evtl. lokale Abwehrspannung im rechten Unterbauch
 Typische Schonhaltung: Patient zieht das rechte Bein an oder steht gekrümmt
 Labor: Leukozytose, BSG und CRP erst nach einem Tag erhöht (anfangs unauffällig)
 Bei Schwangeren kann es durch Verlagerung zu Schmerzen im rechten Oberbauch
oder Epigastrium kommen.
 Ein Harnleiterstein im rechten unteren Harnleiter kann der Symptomatik einer
Appendizitis täuschend ähnlich sein.
Klassische Untersuchungsmöglichkeiten:
 McBurney Punkt schmerzhaft
Lateraler Drittelpunkt der Linie rechter vorderer oberer Darmbeinstachel bis
zum Nabel.

Lanz Punkt schmerzhaft
Rechter Drittelpunkt zwischen beiden Darmbeinstacheln.

Blumberg-Zeichen
Kontralateraler Loslass- bzw. Erschütterungsschmerz (gegenüber dem
McBurney Punkt

Psoas-Zeichen positiv
Schmerzen beim Heben des rechten Beines gegen den Widerstand.

Douglas-Schmerz („come in and find out“)
Schmerzen bei der digitalen Untersuchung des Mastdarms.

Rovsing-Zeichen
Schmerzhaftes Ausstreichen des Dickdarms entgegen der natürlichen
Peristaltik.

Nachlassen der bestehenden Schmerzen beim angewinkelten rechten Bein,
Patient kann nicht auf dem rechten Bein hüpfen.

Schmerzen in der Blinddarmgegend beim Zug am Samenstrang (Ten-HornZeichen).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
250
Verdauungsapparat Pathologie
Kom: Perithyphlitischer Abszess (Perityphlitis = Entzündung der näheren Umgebung des
Blinddarms und Wurmfortsatzes)
Perforation (Durchbruch) mit Peritonitis und akutem Abdomen
Reizdarmsyndrom (Colon irritabile, irritables Kolon, Reizkolon)
Def:
Funktionelle Darmbeschwerden, bei denen kein nachweisbarer organischer
Befund zu erheben ist (Ausschlussdiagnose).
 Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Urs:
 Psychosomatisch, häufig bei vegetativ empfindlichen Personen
 Stresssituationen
Pat:
Die muskuläre Tätigkeit des Darms reagiert auf Stress. Entweder reagiert der Darm mit
Hypermotilität und daraus resultierendem Durchfall oder mit Hypomotilität mit daraus
resultierender Verstopfung.
Sym: 









Durchfall und Verstopfung abwechselnd
Stuhl oft "schafkotartig" mit Schleimbeimengungen
rezidivierende, oft anfallartig auftretende Bauchschmerzen und Krämpfe
Blähungen (Flatulenz)
Übelkeit, Völlegefühl und Druckgefühl
evtl. Schleimbeimengungen im Stuhl
evtl. spastischen Darm als kontrahierten Strang tastbar
Labor: unauffällig, kein Blut im Stuhl
oft Karzinophobie (ausgeprägte Angst vor Krebs)
Häufig begleitend: langjähriger Laxanzienabusus (Abführmittelmissbrauch)
 Nächtliche Diarrhöen, die den Patienten aus dem Schlaf aufwecken, schließen einen
Reizdarm in der Regel aus.
The:
 Ausschluss organischer Ursachen: Test auf okkultes Blut, Blutbild, BSG,
Sigmoidoskopie
 Ballaststoffreiche Kost, Stuhlregulierung
 Körperliche Aktivität
 evtl. psychosomatische Therapie
 Darmeinläufe, Tiefengewebsmassage
Divertikulose und Divertikulitis 
Def:
Divertikel sind meist sackförmige Ausstülpungen der Darmwand.
 Pseudodivertikel sind Ausstülpungen ausschließlich der Mukosa durch Lücken der
Muskularis hindurch. Kommen v.a. im Dickdarm vor.
 Echte Divertikel sind Ausstülpungen aller Wandschichten. Sie kommen viel
seltener als Pseudodivertikel vor.
Urs:
Angeboren (selten) oder erworben durch hohen Darminnendruck bei zunehmender
Bindegewebsschwäche. Eine ballaststoffarme Kost bewirkt Verstopfung, die bei der
Stuhlentleerung einen erhöhten Darminnendruck zur Folge hat.
 70% der über 70-jährigen haben eine Divertikulose!
Pat:
Divertikel werden im gesamten Verdauungskanal gefunden, am häufigsten aber im
Dickdarm (Pseudodivertikel) und zwar im absteigenden Kolon und im Sigmoid.
Verdauungsapparat Pathologie
251
Meckel-Divertikel sind fingerförmige Ausstülpungen (2 - 10 cm lang) im
terminalen Ileum (als Überbleibsel des Dottergangs). Bei Entzündung (MeckelDivertikulitis) kommt es zur Symptomatik ähnlich einer Appendizitis.
Sym: Zu 90% ist die Divertikulose symptomlos, meist besteht Obstipation. Divertikulitis
(Entzündung der Divertikel) entsteht meist durch Kotstau in den Divertikeln.
 Plötzliche Bauchschmerzen bis hin zu Krämpfen, meist auf der linken Seite
(sog. Linksappendizitis, Appendizitis der alten Männer)
 Änderung des Stuhlverhaltens, Wechsel von Diarrhoe und Obstipation
 Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen
 Blutungen aus dem After ohne Stuhlvorgang
 Fieber, BSG , Leukozytose
 evtl. Abwehrspannung der Bauchdecke
 evtl. druckschmerzhafte walzenförmige Resistenz tastbar
Kom:  Freie und gedeckte Perforation
 Fistel- und Abszessbildung
 Mechanischer Ileus durch Stenosen
 Akute und chronische Blutungen
The:
 Divertikulose: ballaststoffreiche Kost
 Divertikulitis: in der akuten Phase Nahrungskarenz und Antibiotika, danach
ballaststoffarme Kost
Dickdarmpolypen (Kolonpolypen)
Def:
Gestielte oder breitwandig (breitbasig) aufsitzende gutartige Wucherungen der
Dickdarmschleimhaut. Sie kommen einzeln, in Gruppen oder massenhaft (familiäre
adenomatöse Polypose) vor. Größe etwa 2-3 cm.
 V.a. die breitbasigen Darmpolypen haben eine hohe Entartungstendenz. Sie werden
meist durch Zufallsbefund entdeckt und endoskopisch entfernt. Je größer die
Polypen, desto größer die Entartungstendenz.
Bei der familiären adenomatösen Polypose (Dickdarmpolypose) handelt es sich um
eine autosomal dominante Erkrankung, die mit vielen kleinen Dickdarmpolypen
einhergeht, ein starkes Beschwerdebild und ein sehr hohes Entartungsrisiko besitzt.
Sym: In der Regel keine Beschwerden (nur bei der Dickdarmpolypose).
Kom:  Blutungen können entstehen, wenn der Polyp größer als 1cm ist (chronische
Sickerblutungen)
 Maligne Entartung
 Bei großen Polypen evtl. Gefahr der Verlegung (mechanischer Ileus)
The:
 Vollständige Koloskopie und vollständige Polypektomie.
 Nachsorge, da neue Polypen entstehen können.
Dickdarmkarzinom (kolorektales Karzinom, Kolonkarzinom) 
Def:
Bösartiger Tumor des Dickdarms, v.a. im Rektum (70%) und Sigmoid (20%), welcher
relativ spät metastasiert und als zweithäufigster Tumor überhaupt auftritt.
Karzinome im Darmtrakt sind meistens im Dickdarm und nur sehr selten im
Dünndarm zu finden.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
252
Verdauungsapparat Pathologie
Verdauungsapparat Pathologie
Urs:





253
Genetische Faktoren (familiäre Häufung).
Ballaststoffarme Kost, viel Fleisch, viel Fett (in Industrieländern steigend).
Adipositas
Maligne Entartung von Polypen.
Langjährige chronische Entzündung (z.B. Colitis ulcerosa, M. Crohn)
Sym:  Sind oft lange stumm oder sehr uncharakteristisch.
 Alarmierende Symptome können sein:
 schleimig-blutige Auflagerungen (werden oft als Hämorrhoidal-blutungen
missdeutet)
 okkultes Blut (= verstecktes) im Stuhl
Bei Blutungen aus dem Mastdarm muss immer ein Karzinom
ausgeschlossen werden, auch dann, wenn der Betroffene an Hämorrhoiden
leidet!
 Änderungen der Stuhlgewohnheiten
 Durchfall und Verstopfung abwechselnd
 Bleistiftförmiger Stuhl
 Gefühl der unvollständigen Entleerung
 Stuhlinkontinenz
 Abgang von feuchten Winden, üble Gerüche (nach Aas)
 Zwingender Stuhldrang, häufig ohne Stuhlentleerung
 Begleitsymptome:
 Anämie durch chronischen Blutverlust
 Bauchschmerzen, Koliken (Karzinom im Colon ascendens)
 Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß
 Schmerzen beim Sitzen (Enddarmkrebs)
 evtl. Rückenschmerzen
 evtl. als Resistenz durch die Bauchdecke tastbar
Tumormarker CEA kann erhöht sein.
Kom: 




The:
Mechanischer Ileus durch Verlegung
Akute Blutungen
Perforation mit Abszess- und Fistelbildung
Penetration in Blase, weibliche Geschlechtsorgane und Wirbelsäule
Metastasenbildung vor allem in lokale Lymphknoten, in Leber (schlechte Prognose)
und Bauchfell (Peritonealkarzinose)
Operativ mit oder ohne künstlichen Darmausgang (Anus praeternaturalis)
Hämorrhoidalleiden
Def:
Urs:
Meist knotige Vergrößerung der Schwellkörper in der Hämorrhoidalzone des
Anusbereich.
Hyperplasie der Schwellkörper (Vergrößerung durch Zellvermehrung).
Begünstigende Faktoren:
 Obstipation
 sitzende Tätigkeit, Bewegungsmangel
 Schwangerschaft
 Übergewicht
 starke Anspannung des Afterschließmuskels
 Häufige Erkrankung mit familiärer Disposition.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
254
Verdauungsapparat Pathologie
Pat:
 Stadium I: Leichte tastbare Schwellung, äußerlich nicht sichtbar
 Stadium II: Beim Stuhlgang und Pressen tretende Hämorrhoiden hervor, die
von selbst in den Analkanal zurückgleiten.
 Stadium III: Prolabierte Hämorrhoiden, die digital (mit den Fingern) in den
Analkanal zurückgeschoben werden können.
 Stadium IV: Permanente große Hämorrhoidalknoten vor dem After, die nicht mehr
in den Analkanal hineingeschoben werden können.
Sym: 



Hellrote Blutungen ohne Schmerzen, die dem Stuhl aufgelagert sind
Perianaler Juckreiz (Pruritus ani)
Brennen und Schmerzen beim Stuhlgang
anales Nässen
Kom:  chronische Blutungsanämie
 Hämorrhoidalthrombose
 Analer Symptomenkomplex (Analfissuren, Analprolaps, Anitis, Analekzem, anale
Ulzerationen)
Marisken sind Analfalten und keine Hämorrhoiden. Sie sind direkt hinter dem
Schließmuskel als schmerzlose Hautlappen zu palpieren. Sie stellen eine
Hyperplasie der Haut dar und bilden sich ohne erkennbare Ursache oder infolge einer
Analthrombose. In der Regel sind sie nur ein kosmetisches Problem.
The:
 Konservativ, Stuhlregulierung, Nahrungsumstellung, Gewichtsabnahme
 Bei Grad III - IV evtl. Hämorrhoidektomie, Verödung, Ligatur (Abbinden)

Bei Blutnachweis im Stuhl immer erst eine bösartige Erkrankung ausschließen; die
Hälfte der an Rektumkarzinom Erkrankten leiden an Hämorrhoiden. Allerdings gilt:
Hämorrhoiden stellen kein Entartungsrisiko dar! 
Malassimilationssyndrom (Maldigestion / Malabsorption)
Def:
 Das Malabsorptionssyndrom umfasst Krankheitsbilder, die zu einer Störung der
Aufnahme von Nahrungsendprodukten über die Dünndarmschleimhaut in den
Körper führen.
 Das Maldigestionssyndrom umfasst Krankheitsbilder, die zu einer Störung der
Verdauung (Nahrungsaufspaltung) führen.
 Beide Syndrome werden unter dem Oberbegriff Malassimilation zusammengefasst.
Urs:
 Malabsorption
 Zöliakie / Sprue, Nahrungsmittelallergie
 Morbus Crohn
 chronische Darminfektionen
 portale Hypertension (Pfortaderstau)
 intestinale Ischämie
 Strahlenenteritis
 Medikamente (z.B. Zytostatika)
 Dünndarmresektion (Kurzdarmsyndrom)
 Maldigestion
 chronische Pankreatitis
 chronisch atrophische Gastritis, Magenresektion
 Erkrankungen, die zum Mangel von Gallensäuren führen (z.B.
Gallenwegsverschluss, Leberzirrhose, Gallensäureverlust-Syndrom)
Verdauungsapparat Pathologie
Sym: 




255
chronische Diarrhoe (Massenstühle, Fettstühle = Steatorrhoe)
Gewichtsabnahme
Leistungsmangel, Müdigkeit
Anämie, Schleimhautveränderungen
Mangelsymptome
 Eiweiße
 Eiweißmangelödem
 Kohlenhydrate
 Blähungen, Abmagerung, Kachexie
 Vitamin A
 Nachtblindheit
(Nyktalopie),
verminderte
Tränenbildung
 Vitamin D
 Rachitis, Osteomalazie
 Vitamin K
 Hämorrhagische Diathese (z.B. Zahnfleischblutungen, Mikrohämaturie)
 Vitamin B1
 Wernicke-Enzephalopathie
(chronischer
Alkoholgenuss führt zu B1-Mangel), Beriberi
(nur weißer Reis)
 Vitamin B12
 Perniziöse Anämie
 Nikotinsäure B3
 Pellagra (Dermatitis), nur Mais
 Kalium
 Herzrhythmusstörungen
 Eisen
 Eisenmangelanämie
Ileus (Darmverschluss) 
Def:
Behinderung des Speisebreiflusses im Dünn- oder Dickdarm infolge eines
mechanischen Verschlusses (mechanischer Ileus) oder der Lähmung der glatten
Muskulatur des Darms (paralytischer Ileus).
Immer ein NOTFALL
Mechanischer Ileus
Def:
Behinderung des Speisebreiflusses im Dünn- oder Dickdarm infolge eines
mechanischen Verschlusses.
Urs:
 Obturationsileus (von innen verstopft) bzw. Obstruktionsileus (Verengungen des
Darmrohrs)
 Verschluckte Fremdkörper
 Kotsteine, Würmer
 Gallensteine (gelangen zahlreich über eine Fistel in den Dünndarm)
 Entzündungen, die zu Stenosen führen (M. Crohn, Colitis Ulcerosa,
Divertikulitis
 Tumore, v.a. Kolonkarzinom
 Strangulationsileus
 Bauchwandhernien:
Leistenbruch,
Nabelbruch,
Hodenbruch,
Femoralhernie, Narbenhernie
 Postoperative Narbenverwachsungen (Briden)
 Darmverschlingung (Volvulus), häufiger Jungs
 Invagination (Einstülpung eines Darmabschnittes in einen anderen), v.a. bei
Säuglingen
Sonderform Mekoniumileus: Darmverschluss infolge des ersten Stuhls eines
Neugeborenen.
Sym:  Inkompletter Stopp: allmählich zunehmende kolikartige Schmerzen
 Kompletter Stopp: plötzlich auftretende peristaltikabhängige starke Koliken
 Stuhl- und Windverhalten (Leitsymptom)
 periumbilikaler (um den Nabel herum gelegener) Dauerschmerz
© Arpana Tjard Holler (Autor)
256
Verdauungsapparat Pathologie




Aufstoßen, Erbrechen, Koterbrechen (Miserere)
Meteorismus (Blähungen)
reflektorische Abwehrspannung (brettharter Bauch)
Auskultation: „spitz“ klingende metallische Geräusche, Pressstrahlgeräusch
Ein Ileus im Dünndarm benötigt nur wenige Stunden bis maximal ein Tag, während
ein Ileus im Dickdarm Tage brauchen kann, um sich zu einen lebensbedrohlichen
Zustand zu entwickeln.
Paralytischer Ileus
Def:
Behinderung des Speisebreiflusses im Dünn- oder Dickdarm infolge der Lähmung der
glatten Muskulatur des Darms.
rs:
 Mechanischer Ileus
Perforationen im Magen-Darm-Trakt, z.B. Magen- und Duodenalgeschwür,
Magenkarzinom, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis, Appendizitis
 Reflektorisch bedingt infolge heftigster Schmerzen bei z.B. akuter Pankreatitis,
Gallen-, Nieren- und Harnleiterkoliken, Herzinfarkt oder beim postoperativen
Stress, Traumen (z.B. Wirbelfrakturen)
 Metabolisch-toxisch bedingt durch z.B. Azidose (z.B. Diabetes mellitus), Alkalose
(Hypokaliämie), Urämie (Vergiftung mit harnpflichtigen Stoffen)
 Sepsis (massives Auftreten von Bakterien im Blut)
 Vaskulär bedingt durch z.B. Mesenterialinfarkt
 Hypothyreotes Koma
 Medikamentenwirkung (Opiate)
Sym: 




Stuhl- und Windverhalten
Koliken bzw. heftige Bauchschmerzen möglich
Meteorismus (Gasansammlung im Darm)
Erbrechen und Koterbrechen möglich (Überlauferbrechen)
Auskultation: keine Darmgeräusche, „Grabesstille über dem Abdomen“,
„Ticken der Totenuhr“ (Pulsation der Aorta)
 Schneller Puls und Blutdruckabfall
 Stark beeinträchtigter Allgemeinzustand
Hernien
Def:
Ausstülpung von Eingeweideteilen (Bruchinhalt) einschließlich des Bauchfells durch
angeborene oder erworbene Lücken der Bauchdecke (Bruchpforte). Männer sind zu
90% betroffen.
Urs:
Angeborene oder erworbene Wandschwäche
Intraabdominale Druckerhöhung (Bücken, Bauchpresse, Schwangerschaft)
Pat:
Unterscheidung:
 Innere Hernie: Innerhalb der Bauchhöhle meist in den Retroperitonealraum erfolgte
Hernie, welche von außen nicht zu sehen ist.
 Äußere Hernie: Nach außen sichtbare Hernie.
Die bekanntesten Hernien:
 Leistenhernie (Hernia inguinalis, Inguinalhernie). Die häufigste Bruchform (80%).
Ausstülpung des Bauchfells mit Eingeweideteilen durch den Leistenkanal. Kann sich
bis zum Hodensack fortsetzen (Skrotalhernie). Heben schwerer Gegenstände oder
Übergewicht sind als Risikofaktoren anzusehen.
Verdauungsapparat Pathologie
257
 Nabelhernie (Hernia umbilicalis). Ausstülpung des Bauchfells mit Eingeweideteilen
im Bereich des Nabels. V.a. bei Säuglingen vorkommend, bei Erwachsenen i.d.R.
hervorgerufen durch Adipositas, Schwangerschaft, schwere körperliche Arbeit
 Bauchhernie (Hernia ventralis). Ausstülpung des Bauchfells mit Eingeweideteilen
durch die vordere Bauchwand meist im Bereich der Linea alba (weißer
Sehnenstreifen der Bauchmuskulatur in der Mittellinie des Körpers)
 Schenkelhernie (Hernia femoralis = Femoralhernie). Seltene Bruchform.
Ausstülpung von Eingeweideteilen durch eine Lücke unterhalb des Leistenbandes,
welche als Durchtrittsstelle der Femoralgefäße dient. Häufiger bei Frauen.
 Narbenhernie
Eine durch eine Operation auftretende Hernie im Bereich der Bauchdecke, häufig im
medianen Bereich. Als Risikofaktoren gelten Adipositas, Therapie mit
Glukokortikoiden, Wundinfektion, COPD
Sym:  Mechanischer Ileus
 Inkarzeration (Einklemmung) mit Gefahr auf Nekrose

Auch symptomlos
Erkrankungen derPankreas
Akute Pankreatitis 
Def:
Entzündung des Pankreasparenchyms i.d.R. durch Autolyse (Selbstverdauung) durch
aktivierte Pankreasenzyme mit leichter bis schwerer Ausprägung.
Urs:
Aktivierung von Bauchspeichelenzymen innerhalb des Pankreas führt zur
Autodigestion (Selbstverdauung) des Organs mit nachfolgender Entzündung.
 Gallenwegserkrankungen
(50%):
Gallensteinleiden,
Papillenstenose,
Pankreaskopftumor
 Alkoholmissbrauch (30%)
 Idiopathisch (ungeklärte Ursache,15-20%)
 Seltener
 postoperativ nach chirurgischem Eingriff (meist Magen und Gallengänge)
 Infektiös durch z.B. Mumps und Virushepatitis
 Medikamente (z.B. Glukokortikoide, „Pille“, Zytostatika)
 penetrierendes Ulkus duodeni
Sym:  Heftige Oberbauchschmerzen (Dauerschmerzen), häufig linksseitig, oft beginnend
nach einer reichlichen Mahlzeit oder einem Alkoholexzess
 Schmerzausstrahlung oft gürtelförmig in den Rücken (Rückenschmerzen), in den
linken Oberbauch oder auch Brustraum möglich
 Pankreasdruckpunkt schmerzhaft: linker Eckpunkt zwischen der letzten Rippe und
der Wirbelsäule (head`sche Zone)
 Übelkeit, Erbrechen
 Pankreasschonhaltung: angezogene Beine, Oberkörper gebeugt, keine Bewegung
 Elastische Bauchdeckenspannung (Gummibauch), Meteorismus

Labor: Fieber, BSG , Leukozytose, Lipase- und Amylaseerhöhung,
Hyperglykämie, Hypotonie (infolge der Hypovolämie), Hypokaliämie (Aktivierung
des RAAS), Hypokalzämie (Ursache nicht geklärt)
 bei hämorrhagischer Pankreatitis mit ungünstiger Prognose:
 Cullen-Zeichen: flächenförmige Einblutung um den Bauchnabel herum
 Grey-Turner-Zeichen: bläulich grüne Einblutungen an den Flanken
© Arpana Tjard Holler (Autor)
258
Verdauungsapparat Pathologie
 Gesichtsrötung, verursacht durch Vasodilatation
Kom:  Hypovolämischer Schock (aktivierte Enzyme im Blut zersetzen Albumine, dadurch
Verlust von Plasmawasser ins Interstitium)
 Milzvenenthrombose mit Splenomegalie (Milzschwellung)
 Akutes Nierenversagen
 Respiratorische Insuffizienz
 Gastrointestinale Blutungen (Bluterbrechen)
 Gefahr einer Darmlähmung (paralytischer Ileus)
 Aszites, Pleuraerguss (Albuminmangel)
 Kardiale Komplikationen (EKG-Veränderungen)
The:
Intensivüberwachung, Schocktherapie, Nulldiät, evtl. chirurgisch
Chronische Pankreatitis
Def:
Chronisch ablaufende Entzündung des Pankreasgewebes über Jahre und Jahrzehnte.
Urs.:
 Chronischer Alkoholmissbrauch (75%)
 Idiopathisch
 Seltener: Medikamente (Glukokortikoide), Mukoviszidose, Hyperkalziämie
Pat:
Beschwerdefreie Perioden wechseln ab mit schubweisem Aufflackern der Entzündung.
Das Pankreasgewebe wird mehr und mehr zerstört und verkalkt nachweisbar. Dies führt
zur exkretorischen Pankreasinsuffizienz und kann auch zum Diabetes mellitus führen.
Sym: 
Rezidivierende Oberbauchschmerzen oft nahrungsabhängig, aber auch
dumpfer
Dauerschmerz möglich (gürtelförmig)
 Übelkeit und Erbrechen besonders bei Fett, Kaffee, Alkohol und Süßspeisen
 Gewichtsabnahme
 Exokrine Pankreasinsuffizienz: Maldigestionssyndrom tritt auf wenn 90% des
Parenchyms ausgefallen ist.
 voluminöser Fettstuhl (Steatorrhoe)
 Abmagerung bis zur Kachexie
 Endokrine Pankreasinsuffizienz: Sekundärer Diabetes mellitus wenn das endokrine
Gewebe nur noch 1% vorhanden ist.
The:
 Striktes Alkoholverbot
 Substitution mit Verdauungsenzymen
Pankreaskarzinom 
Def.:
Bösartiger Tumor in die Pankreas als dritthäufigster Tumor im Verdauungstrakt.
Ist zu 80% im Pankreaskopf lokalisiert. Männer sind dreimal mehr betroffen.
Altersgipfel im 6. Lebensjahrzehnt.
Urs:
Begünstigende Faktoren sind:
 Raucher sind viermal häufiger betroffen
 Chronischer Alkoholgenuss
 Chronische Pankreatitis und chronische Erkrankungen der Gallenwege
Pat:
Eine Frühdiagnostik des Pankreaskarzinoms ist nicht möglich. Das Karzinom ist kaum
zu therapieren und hat eine sehr schlechte Prognose.
Sym: Symptome werden erst sehr spät bemerkt.
Verdauungsapparat Pathologie
259
 Verschlussikterus mit Juckreiz kann beim Pankreaskopftumor ein
Frühsymptom sein
 Courvoisier-Zeichen (schmerzlos vergrößerte, prall elastisch tastbare
Gallenblase bei bestehendem Ikterus)
 Dumpfe unklare Oberbauchschmerzen, die sehr häufig in den Rücken
ausstrahlen
 Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen
 Leistungsknick, Appetitmangel, Gewichtsverlust, Fieber (sog. B-Symptome)
 evtl. Begleitpankreatitis
 Im fortgeschrittenen Stadium ist der Tumor im Oberbauch tastbar
 Evtl. Phlebothrombose (paraneoplastisches Syndrom) bzw. Thrombophlebitis
Erkrankungen der Galle
Cholelithiasis (Gallensteinleiden) 
Def:
Ausfällung (Kristallisierung) von lithogenen Substanzen (Cholesterin, Kalzium,
Bilirubin) in einer übersättigten Galle.
10% der Bevölkerung haben Gallensteine. Frauen sind 4-mal häufiger betroffen.

Urs:
Missverhältnis zwischen Gallensäuren und den lithogenen Substanzen.
 Idiopathisch. Als begünstigende Faktoren gelten die sog. 6 „F“
 weiblich (female)
 übergewichtig (fat)
 hellhäutig, blond (fair)
 über vierzig (fourty)
 fruchtbar, gebärfähig (fertile)
 familiär
 Sekundär durch z.B.
 Adipositas, Hypercholesterinämie
 Diabetes mellitus (Leber bildet weniger Gallensäuren)
 Gallensäureverlustsyndrom
(Gallensäuren
halten
steinbildende
Substanzen in Lösung)
 Vermehrte Hämolyse (Entstehung von mehr Bilirubin)
 Infolge der Schwangerschaft (Östrogene ), durch Einnahme von
Medikamenten (z.B. „Pille“)
 Während des Fastens (es werden weniger Gallensäure wegen fehlendem
Cholesterin gebildet).
Pat:
Es werden folgende Gallenstein unterschieden:
 Cholesterinsteine 20%
 Bilirubinsteine (Pigmentsteine) 10%
 Kalksteine 70% (gemischte Steine)
Sym: 80% der Gallensteinträger haben keine Symptome (stummer Stein).
 Funktionelle Beschwerden:
 Druckgefühl im rechten Oberbauch
 Völlegefühl, Übelkeit, Aufstoßen, Meteorismus
 Druckempfindlichkeit in der Gallenblasengegend
 Steineinklemmung mit nachfolgendem Spasmus der Gallenwege, meist nach
fettreicher Nahrung:
 Kolikartige, akut einsetzende Schmerzen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
260
Verdauungsapparat Pathologie
 Rechtsseitige Oberbauchschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter
und evtl. in die rechte Rückenseite
 Übelkeit, Erbrechen
 Fieber, Leukozytose und Abwehrspannung weisen auf eine begleitende
akute Cholezystitis oder Cholangitis hin
 Bei Steineinklemmung des Ductus choledochus zusätzlich:
 Verschlussikterus
 heller Stuhl und dunkler Urin, evtl. Juckreiz
Kom: 




Akute und chronische Cholezystitis (durch Reizung der Steine)
Cholangitis (Entzündung der Gallengangswege)
Peritonitis durch Gallenblasenperforation
Penetration und Fistelbildung in den Dünndarm
Akute oder chronische Pankreatitis durch Steinverschluss des gemeinsamen
Ausführungsganges des Ductus pancreaticus und Ductus choledochus.
 Gallenblasenkarzinom
The:
 Im akuten Steinanfall: Nahrungskarenz, heiße Kompressen und Spasmolytika
 Cholelitholyse (Medikamentöse Auflösung) nur bei Cholesterinsteinen
 Cholezystektomie, Cholelithotripsie (Zertrümmerung mittels Ultraschall)
Cholezystitis 
Def:
Akute bzw. chronische Entzündung der Gallenblasenschleimhaut.
Urs:
In der Regel durch Steinbildung, mit sekundärer Bakterienbesiedlung aus dem Darm.
Frauen sind häufiger betroffen.
Sym:  Bei akutem Verlauf
 Fieber, Krankheitsgefühl
 Übelkeit, Erbrechen
 (scharfe) Schmerzen im rechten Oberbauch mit möglicher Ausstrahlung in
die rechte Schulter oder/und Rücken
 evtl. Murphy-Zeichen positiv: schmerzhaftes Innehalten der Atmung eines
Patienten bei gleichzeitiger Palpation der Gallenblase während einer tiefen
Einatmung (scharfes Stechen bis in den rechten Arm)
 Bei akutem Verlauf allgemeine Entzündungsparameter erhöht (Leukozytose
mit Linksverschiebung, BSG und CRP erhöht)
 Bei chronischem Verlauf
 Uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, auch symptomlos
 Dumpfe Schmerzen oder Drücken im rechten Oberbauch, v.a. nach
fettreichen Speisen
 Gallenblasengegend evtl. druckschmerzhaft
Kom:  Gallenblasenhydrops (Stauungsgallenblase)
 Gallenblasenempyem (Eiteransammlung in der Gallenblase)
 Porzellangallenblase (Gallenblase mit verkalkter und verhärteter Wand), besitzt ein
erhöhtes Entartungsrisiko
 Schrumpfgallenblase bei chronischem Verlauf
 Gallenblasenkarzinom
Cholangitis
Def:
Akute bzw. chronische Entzündung der intra- und/oder extrahepatischen Gallenwege.
Verdauungsapparat Pathologie
Urs:
261
Akute Cholangitis: entsteht meist durch Infektionserreger (Bakterien), welche durch
begünstigende Faktoren aus dem Darm angelockt werden (z.B. Steine, Tumore,
Stenosen, Pankreatitis)
Chronisch: primär sklerosierende Cholangitis unklarer Ursache, v.a. Männer unter
40 Jahre, auffallend hohe Beteiligung mit Colitis ulcerosa
Sym: Charcot-Trias
 Fieber, Schüttelfrost
 Ikterus, Juckreiz
 Schmerzen im rechten Oberbauch, rechte Schulter
Kom:  Biliäre Zirrhose (Leberzirrhose)
 Gallengangskarzinom
Tumore der Gallenblase und Gallenwege
Def:
Tumore im Gallenblasentrakt sind fast immer bösartig.
Pat:
 Das Gallenblasenkarzinom (80%) und das Cholangiokarzinom (20%) haben zu 90%
Gallensteine als Vorgeschichte.
 Frauen sind viermal häufiger betroffen und entwickeln meist jenseits des
5. Lebensjahrzehnts bösartige Tumore in der Gallenblase.
 Männer sind häufiger betroffen beim Gallengangskarzinom.
Sym: Ein Gallenblasentumor wird in der Regel erst erkannt, wenn er als tastbarer
Tumor in die Leber eingewachsen ist oder zu Lebermetastasen geführt hat.
 evtl. uncharakteristische Dauerschmerzen im rechten Oberbauch
 Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit, allg. Schwäche
 evtl. Verschlussikterus
Gallensäurenverlust-Syndrom (Gallensäurenmalabsorption)
Def:
Ungenügende Sekretion von Gallenflüssigkeit infolge fehlender
Gallensäurenrückresorption im terminalen Ileum
Urs:
Malabsorption im terminalen Ileum durch chronische rezidivierende
Entzündungsprozesse z.B. beim Morbus Crohn
Sym:

Steatorrhoe (fettiger und voluminöser Durchfall), häufig auch wässrig
 Gefahr von Vitamin B12-Mangel

erhöhtes Risiko der Bildung von Gallensteinen
Erkrankungen der Leber
Ikterus (Gelbsucht) 
Def:
Helle bis dunkelgelbe Hautfarbe infolge einer Hyperbilirubinämie.
Pat:
Bei erhöhter Konzentration bindet sich das Bilirubin an elastische Fasern der Haut und
der Konjunktiven (Augenbindehaut) und führt zum Sklerenikterus.
Normalert Bilirubin: 0,6 - 1,3 mg/dl Bilirubin
© Arpana Tjard Holler (Autor)
262
Verdauungsapparat Pathologie
 Ab ca. 2 mg/dl Sklerenikterus.
 Ab ca. 8 mg/dl gelbe Haut.
Auf jeder der drei Stufen des Bilirubinstoffwechsels (Bildung, Konjugation, Exkretion)
kann es zu einer Störung kommen, die zu einem prä-, intra- und posthepatischen Ikterus
führen kann.
Prähepatischer (hämolytischer) Ikterus
Def:
Leichter Ikterus durch gesteigerte Hämolyse.
Urs:
Verstärkte Hämolyse (siehe unter Kapitel Blut).
Pat:
Infolge eines vermehrten Abbaus von Hämoglobin entsteht eine vermehrte Menge von
indirektem Bilirubin.
Sym:  Leichte Gelbfärbung (strohgelb, kaffee-aulait-Farbe)

Keine Stuhlentfärbung, Stuhl etwas dunkler

Urin nicht dunkler

zusätzlich Symptome der auslösenden Ursache

Labor:
 Indirektes Bilirubin im Blut stark erhöht.
 Direktes Bilirubin im Blut nicht erhöht.
 Bilirubin nicht vermehrt im Urin.
 Im Urin vermehrt Urobilinogen nachweisbar.
 Im Kot vermehrt Sterkobilin nachweisbar (Stuhl ist dunkler).
Intrahepatischer Ikterus (Parenchymikterus)
Def:
Ikterus infolge von Schädigung des Leberparenchyms.
Urs:
 Hepatitis
 Leberzirrhose
 Morbus Meulengracht (Icterus intermittens juvenilis), ca. 10% der Bevölkerung.
Erbliche Störung der Leber, bei der die Konjugation von Bilirubin um 1/3
herabgesetzt ist. Die Erkrankung ist harmlos, da kaum Symptome auftreten (evtl.
leichte gelbliche Verfärbung der Augen)
 Neugeborenenikterus (50% d.F.) durch verkürzte Lebensdauer fetaler Erythrozyten
und unreifer Leberfunktion, die noch nicht ausreichend in der Lage ist, das
ankommende Bilirubin zu konjugieren. Apathie und Trinkschwäche können
Hinweis auf hohe Bilirubinwerte sein. Sehr hohe Bilirubinwerte können zur
Bilirubinenzephalopathie führen.
Pat:
Infolge von Leberzellzerfall gelangt direktes Bilirubin in den Blutkreislauf.
Sym:  Gelbe Skleren bzw. gelbe Haut
 Hellfärbung des Stuhls (lehmfarben)

Bierbrauner Urin
 Labor:
 Direktes und (häufig auch) indirektes Bilirubin erhöht.
 Mittels Harnteststreifen Bilirubin im Urin nachweisbar.
 Transaminasen (GOT, GPT) erhöht
Posthepatischer Ikterus (Verschlussikterus)
Def.:
Ikterus infolge einer Behinderung des Gallenabflusses.
Verdauungsapparat Pathologie
Urs.:




263
Gallensteine
Tumore: Pankreaskopftumor, Gallengangstumore)
chronische Cholangitis
Strikturen (narbige Verengungen
Sym.:  Sehr gelbes Aussehen
 Entfärbung des Stuhls (weißer Stuhl)

Bierbrauner Urin

Starker Juckreiz (durch die Gallensäuren im Blut)

Labor:
 Direktes Bilirubin im Blut stark erhöht, indirektes Bilirubin normal.
 Urobilinogen im Urin nicht nachweisbar.
 AP (Alkalische Phosphatase) oft stark erhöht im Serum.
Fettleber 
Def:
Ablagerung von Fettsäuren in den Leberzellen.
Urs:






Pat:
Die Fettsäuren werden als Vakuolen im Zytoplasma der Leberzellen aufbewahrt. Der
Übergang, vor allen bei der alkoholischen Leberschädigung, in eine Hepatitis und eine
Leberzirrhose ist fließend.
Chronischer Alkoholmissbrauch
Diabetes mellitus
Überernährung, Adipositas
Hyperlipidämie
Medikamente (z.B. Kortison und Tetrazykline)
Unterernährung (Eiweißmangel: es werden keine Lipoproteine zum Abtransport der
Fettsäuren gebildet)
 Andere toxische Substanzen (z.B. Pilzgifte, Tetrachlorkohlenstoff)
Sym: Es müssen keine spezifischen Symptome vorliegen.
 Evtl. Oberbauchschmerzen oder Druckgefühl, Appetitlosigkeit, Müdigkeit
 Leber vergrößert und prallelastisch tastbar, meistens nicht schmerzhaft.
 Labor: Transaminasen, direktes Bilirubin können erhöht sein.
Akute Hepatitis 
Def:
Entzündung des Leberparenchyms mit Leberzellnekrosen und entzündlichen Infiltraten.
Der Ausdruck „akute Hepatitis“ wird oft als Synonym für die Virus-Hepatitis (A-E)
benutzt.
Urs:
 Infektiös
 Hepatitis-Viren A-E (Meldepflicht und Behandlungsverbot bei Verdacht
gemäß IFSG §§ 6, 7, 24)
 Andere Viren: Zytomegalie-Virus, Gelbfiebervirus, Herpes-simplex-Viren,
Epstein-Barr-Virus
 Bakterien: Brucellen, Leptospiren, Borrelien
 Parasiten: Plasmodien, Amöben, Echinokokken
 Nichtinfektiös
 Alkohol
 Medikamente, z.B. Paracetamol, Tetrazykline
 Andere exogene Noxen, z.B. Knollenblätterpilz , Schlangengifte
© Arpana Tjard Holler (Autor)
264
Verdauungsapparat Pathologie
 Gallenstauung (cholestatische Hepatitis)
 Autoimmunhepatitis
Verdauungsapparat Pathologie
265
Unterscheidung der akuten Virushepatitis je nach Virus
Erreger
Inkub.zeit
Übertragung
Chronizität
Fulminanter
Verlauf
Häufigkeit
CA-Risiko
Pat:
Hepatitis A
HAV
2-6 Wochen
fäkal-oral
v.a. Muscheln
Hepatitis C
HCV
1-6 Monate
parenteral
sexuell
Hepatitis D
HDV
1-6 Monate
parenteral
braucht HBV
Hepatitis E
HEV
2-6 Wochen
fäkal-oral
Nein
Nein
Hepatitis B
HBV
1-6 Monate
parenteral,
sexuell,
perinatal
ca. 10%
sehr selten
ca. 50%
ca. 1%
90%
ca. 2%
Nein
10%
20%
Nein
55%
Ja
20%
Ja
5%
Ja
selten in BRD
Nein
 HAV-Infektion
Besonders betroffen sind Reisende in Endemiegebiete und Homosexuelle. HAV sind
im Stuhl 1-2 Wochen vor und etwa 1 Woche nach Beginn der Erkrankung
nachweisbar (in dieser Zeit infektiös). Hepatitis A führt zu einer lebenslangen
Immunität. Sie heilt fast regelmäßig vollständig aus. Impfstoff vorhanden.
 HBV-Infektion
Besonders betroffen sind Personen mit wechselnden Sexualpartnern, Homosexuelle, Drogensüchtige, Transfusionspatienten und med. Personal. Impfstoff
vorhanden.
 HDV-Infektion, sog. Satellitenvirusinfektion
Benötigt zur Vermehrung HBV. In Europa zunehmend unter Drogensüchtigen
verbreitet. Simultane Infektion mit HBV und HDV führt meist zu schweren
Krankheitsbildern.
 HCV-Infektion
Verläuft in 80-90% der Fälle symptomlos oder symptomarm, wird aber in mehr als
der Hälfte der Fälle chronisch. Besonders betroffen sind Transfusionsbedürftige und
Drogenabhängige.
 HEV-Infektion
Ähnelt sehr der Hepatitis A mit Ausnahme der schweren Verläufe, besonders bei
Schwangeren (20%). Impfstoff vorhanden.
Sym: Das klinische Bild erlaubt keine Differenzierung der verschiedenen Hepatitiden.
Über die Hälfte der Infektionen verlaufen asymptomatisch.
 Präikterisches Prodromalstadium (Vorläuferstadium)
 Grippeähnliche Symptome
 leichtes Fieber, katarrhalische Symptome
 Kopfschmerzen, Schwindel, Mattigkeit
 Gastrointestinale Beschwerden
 Appetitlosigkeit, Übelkeit
 Diarrhö, Verstopfung
 evtl. Widerwillen gegen Fett, Alkohol und Nikotin
 Rheumatische Erscheinungen (Gelenkschmerzen)
 Ikterisches Stadium (Organmanifestationsstadium)
 Beginn des Ikterus (fehlt allerdings in der Hälfte der Fälle)
 Meist bessern sich die subjektiven Beschwerden
© Arpana Tjard Holler (Autor)
266
Verdauungsapparat Pathologie





Oft Pruritus (Hautjucken), durch Anstieg der Gallensäuren im Blut
Heller Stuhl (Fehlen des Sterkobilin)
Bierbrauner Urin
Leber druckempfindlich und palpatorisch vergrößert
Labor:
 Transaminasen erhöht: z.B. GOT (nicht leberspezifisch), GPT,
GLDH, Gamma-GT
 Bilirubin im Serum erhöht
 Bilirubin im Urin erhöht (dunkler Urin)
Kom:  Fulminante Hepatitis (meist tödlich), am häufigsten bei HEV.
 Übergang in die chronische Hepatitis bei HBV, HCV und HDV.
 Fortbestehen der Infektiosität nach der Erkrankung (Carrier-Status), nur bei der
chronischen Form.
 Leberzellkarzinomrisiko bei HBV, HCV und HDV
The:
 Keine spezifische medikamentöse oder diätetische Therapie.
 Bettruhe und Wunschkost (Alkohol verboten).
 Alle nicht unbedingt nötigen Medikamente weglassen.
Chronische Hepatitis
Def:
Eine progredient (fortschreitend) verlaufende Hepatitis, die länger als 6 Monate
andauert. Behandlungsverbot gemäß IFSG §24.
Urs:
Infolge von Infektionen, in der Regel HBV, HCV und HDV.
 Infolge von toxischen Substanzen, z.B. Medikamente, Drogen, Alkohol.
 Infolge einer Autoimmunkrankheit.
Sym: Leichtes klinisches Beschwerdebild bei chronisch persistierender Hepatitis. Kann
jahrelang bestehen.
 Uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, Leber normal groß
 Müdigkeit, Appetitlosigkeit
 Transaminasenwerte nur leicht erhöht
 Gute Ausheilungstendenz, Übergang in die aggressive Form selten
Schweres klinisches Beschwerdebild bei chronisch aggressiver Hepatitis
 Ikterus (im entzündlichen Schub)
 Leber druckschmerzhaft palpabel, oft auch Splenomegalie
 Deutlich erhöhte Transaminasenwerte
 Zeichen der zunehmenden Leberinsuffizienz
 Leberhautzeichen (siehe Leberzirrhose)
 Gerinnungsstörungen (Quickwert  )
 Bei Frauen Amenorrhö oder Regelstörungen
 Bei Männer Gynäkomastie und Hodenatrophie
 Oft Bildung einer Leberzirrhose
 Durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 5 Jahre
 Gefahr des primären Leberzellkarzinoms
Fulminante Hepatitis (akutes Leberversagen)
Def:
Schwere akut nekrotisierende Hepatitis mit einer Letalität von 75 bis 95 %.
Verdauungsapparat Pathologie
267
Pat:
Durch das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie (Schädigung des Gehirns
infolge des Funktionsausfalls der Leber) kommt es zu Bewusstseinsstörungen bis hin
zum Koma.
Sym:  Unruhe, verwaschene Sprache, Konzentrationsstörungen
 Krämpfe, Zittern
 lichtstarre Pupillen
 Vertiefte Atemzüge mit gesteigerter Frequenz
 evtl. süßlicher Geruch (Foetor hepaticus)
 starker Ikterus
 hämorrhagische Diathese
 Nierenversagen, Kreislaufversagen, Respiratorische Insuffizienz
The:
Notfall, Intensivmedizin
Leberzirrhose 
Def:
Chronische Lebererkrankung, bei der es nach Parenchymuntergang zu einem knotigen
Umbau der Leber kommt.
Urs:
 Alkoholmissbrauch (60%) = Alkoholzirrhose
In 20 Jahren eine Leberzirrhose:
 Bei Männer: ca. 80 Gramm Alkohol täglich.
 Bei Frauen: ca. 40 Gramm Alkohol täglich
 80gr. Alkohol (C2H5OH = Äthanol) entsprechen etwa:
 bis 6 Flaschen Bier oder 1 Flasche Wein oder
 0,2 bis 0,4 Liter Schnaps (je nach Alkoholgehalt)
Energiegehalt von 1g Alkohol = 7 kcal/g (30kj/g)
 Chronische Hepatitis B, C oder D (30%),

 Andere seltenere Ursachen (10%)
 Medikamente (Psychopharmaka, „Pille“), Giftstoffe
 Chronisch aggressive Autoimmunhepatitis
 Chronische Erkrankungen in den extrahepatischen Gallengängen (biliäre
Zirrhose)
 Chronische Leberstauungen, z.B. bei Herzinsuffizienz (kardiale Zirrhose),
Venenverschlusskrankheit
 Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
Pat:
Das zerstörte Lebergewebe wird durch Bindegewebe und nachgebildete Leber-zellen
ersetzt. Dadurch geht die Leberarchitektur zugrunde (Anordnung der Arterien, Venen,
Gallengänge und Leberzellen) und eine normale Leberfunktion wird unmöglich.
Sym:  Symptome der Mangelfunktion der Leber (Ausfallserscheinungen):
 Müdigkeit, Mattigkeit, Leistungsminderung
 Verdauungsstörungen: Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Unverträglichkeit
von Fett, Magenbeschwerden, Blähsucht, Diarrhö und Verstopfung
 Gewichtsabnahme
 Leber anfangs meist vergrößert mit höckeriger Oberfläche, später schrumpft
die Leber und wird kleiner
 Bei entzündlicher Aktivität: Fieber, rechtsseitige Oberbauchschmerzen
 Hämorrhagische Diathesen (Verminderung der Gerinnungsfaktoren) mit
Petechien
 Generalisierte Ödeme (infolge Verminderung der Albumine)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
268
Verdauungsapparat Pathologie
 Hodenatrophie, Potenzstörungen, fehlende Sekundärbehaarung
 Menstruationsstörungen, Amenorrhoe, Libidostörung
 Gynäkomastie (weibliche Brustentwicklung), Östrogene werden in der
Leber nicht mehr vollständig abgebaut
 Leberhautzeichen (Hautveränderungen im Rahmen einer Leberzirrhose):
 Klassische Leberhautzeichen:
 Palmarerythem (Rötung der Handinnenfläche), Plantarerythem
(Rötung der Fußinnenfläche)
 Spider Nävi (Spinnennävus, Naevus araneus), Gefäß-sternchen,
strahlenförmig
von
einer
Arteriole
ausgehende
Kapillarerweiterungen (besonders Gesicht, Nacken, Oberarm und
Handrücken), nicht juckend
 Leichter Ikterus (nicht zwingend)
 Weißnägel (Leukonychie)
 Sog. Geldscheinhaut, durch den Schwund der Subkutis wirkt die Haut
papierdünn
 Lackzunge und Lacklippen
 Weißfleckung der Haut, besonders nach Abkühlung
 Bei der biliären Zirrhose Bildung von Xanthomen (gelbe, knotige
Fetteinlagerungen in die Haut)
Symptome des Pfortaderhochdrucks (portale Hypertension), siehe 7.7
 Labor






Anämie
Thrombopenie
Hypoproteinämie, Erhöhung des Gammaglobulins
Transaminasen schubweise erhöht
Bilirubin erhöht
INR-Werte erhöht (Zeichen der hämorrhagischen Diathese)
Kom:  Ösophagusvarizenblutung (Hälfte der Alkoholiker stirbt an Varizenblutung)
 Leberkoma (Coma hepaticum, hepatische Enzephalopathie durch Ammoniakvergiftung) mit Flapping-Tremor (Flattertremor)
 Primäres Leberzellkarzinom (bei 10% der Patienten)
The:
Intensivstation
Gabe von Laktulose (synthetisiertes Zweifachzucker): Kann vom Körper nicht
aufgenommen werden. Wirkt als Abführmittel und zieht Ammoniak aus dem
Körper.
Portale Hypertension (Pfortaderhochdruck) 
Def:
Eine Erhöhung des Blutdruckes innerhalb des Pfortadersystems infolge von
Abflussstörungen.
Urs:
 Pfortaderthrombose (prähepatische Ursache)
 Leberzirrhose (intrahepatische Ursache)
 Rechtsherzinsuffizienz (posthepatische Ursache)
Sym:  Aszites
 Varizenbildung der portokavalen Anastomosen (Kurzschlussverbindungen bzw.
Umgehungskreisläufe zwischen Vena portae und Vena cava superior/inferior)
 Ösophagusvarizen
 Caput medusae (Medusenhaupt), Venenerweiterung in der Bauchdecke
Verdauungsapparat Pathologie
269
 Hämorrhoiden
 Splenomegalie (vergrößerte Milz)
 Malabsorption, Stauungsenteritis, Stauungsgastritis
Lebertumore
Pat:
 Gutartige Tumore
Meist Hämangiom, Leberzelladenom, Leberzyste (häufig im Rahmen einer
Zystenniere). Betroffen sind Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen.
Entartungs- und Rupturgefahr.
 Bösartige Tumore
 Primäres Leberzellkarzinom. Risikofaktoren sind Leberzirrhose (80%),
chronische
 Hepatitiden, Hämochromatose, Aflatoxine (Toxin des Pilzes Aspergillus
flavus), Kontrazeptiva und Anabolika.
 Sekundäre Lebertumore sind sehr häufig und metastasieren aus dem
Magen-Darm-Trakt, aus der Lunge und der weiblichen Brust.
Sym: Die Klinik entwickelt sich schleichend und uncharakteristisch.
 Beschwerden im rechten Oberbauch, evtl. ausstrahlend in die rechte Schulter
 Im späteren Stadium meist eine vergrößerte Leber
 Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Nachtschweiß
 Aszites möglich
The:
Leberteilresektion (selten) und Zytostatika. Prognose schlecht.
Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
Def:
Durch krankhaft vermehrte Eisenresorption im Dünndarm kommt es zu einer
verstärkten Eisenspeicherung besonders im Parenchym von Leber und Pankreas
(aber auch Herz, Milz, Lymphknoten, endokrine Organe). Männer erkranken wesentlich
häufiger als Frauen.
 Die Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson) ist auch eine erbliche Erkrankung
und führt ebenfalls zu Leberschäden.
Urs:
 Primär: Autosomal rezessiv vererbt.
 Sekundär:
 Erhöhte orale oder parenterale Eisenzufuhr
 Chronische Hämolyse
 Chronischer Alkoholgenuss kann bei einigen Menschen zur Eisenspeicherkrankheit führen.
Sym:  Typisches Trias: Leberzirrhose (Leber vergrößert und verhärtet), dunkle
Hautpigmentierung und Diabetes mellitus (sog. Bronzediabetes)
 Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz
 Endokrine Störungen und Gelenkerkrankungen möglich
Alkoholkrankheit 
Def:
Alkoholiker ist, wer länger als ein Jahr große Mengen Alkohol konsumiert, die
Kontrolle über den Konsum verloren hat und dadurch körperlich, psychisch oder in
seiner sozialen Stellung geschädigt ist (nach WHO).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
270
Verdauungsapparat Pathologie
Urs:
Psychische und soziale Probleme
Folgen der Alkoholkrankheit (Alkohol wird von der Leber in Glukose und Fettsäuren
umgebaut)
 Leberschädigung
 Fettleber
 Alkoholhepatitis
 Leberzirrhose
 Häufig ist Gamma-GT und CDT (Carbohydrate Deficient Transferrin = durch
Alkoholaufnahme von mehr als 60 g pro Tag geschädigtes Transferrin; normal <
3%) erhöht. Allerdings: Normale Transaminasen schließen eine alkoholische
Fettleber nicht aus.
 Pankreasschäden
 Akute und chronische Pankreatitis, Pankreasinsuffizienz, sekundärer
Diabetes mellitus
 Magen- und Darmbeschwerden
 Akute und chronische Gastritis (Typ C), Ösophagitis
 Malabsorption
 Mallory-Weiss-Syndrom, gastrointestinale Blutungen aufgrund von
kardianahen Einrissen der Ösophagusschleimhaut durch Druckerhöhung bei
Erbrechen
 Kardiomyopathie
 Alkoholembryopathie
 Erkrankungen des Nervensystems
 Wernicke-Enzephalopathie
 Polyneuropathie
 Epilepsie, Muskelzittern
 Psychische Folgen
 HOPS (Hirnorganisches Psychosyndrom = Alkoholpsychose) mit
Wesensveränderungen, Wahn, Halluzination
 Soziale Folgen
 Probleme am Arbeitsplatz und in der Familie, Isolation
 Delirium tremens (Alkoholdelir, Alkoholentzugsdelir), 2-3 Tage nach Entzug
auftretend
 Bewusstseinsstörung, Halluzinationen, Illusion, Desorientiertheit
 Motorische Unruhe (agitierte Psychomotorik), Tremor (Zittern),
Krampfanfälle (10%)
 Verwaschene Sprache
 Vegetative Entgleisungen, z.B. Tachykardie, Fieber, Diarrhö,
Hyperthermie, Hypoglykämie
 Unbehandelt in 20% d. F. letal (infolge von Hyperthermie undn
Hypoglykämie)
 Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine Störung des Kohlenhydrat-stoffwechsels
der Neurone im ZNS infolge eines Vitamin B1-Mangels (Thiamin). Es kommt zu
punktförmigen Einblutungen mit Hirnrindenatrophie als Folge. Typisch Symptome
sind:
 Bewusstseinsminderung
 Korsakow-Syndrom:
Desorientiertheit,
Gedächtnisstörungen
(v.a.
Kurzzeitgedächtnis) und Konfabulation (Erzählung ohne Bezug zur Realität);
kann sich in manchen Fällen verbessern
 Ataxie
 Augenmuskellähmung, Nystagmus, Pupillenstarre
Verdauungsapparat Pathologie
Kom:  Ösophagusvarizenruptur
 Hepatische Enzephalopathie (Ammoniakvergiftung)
The:
Entziehung und Entwöhnung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
271
272
Verdauungsapparat Pathologie
Peritonitis (Bauchfellentzündung)
Def:
Lebensgefährliche eitrige Entzündung des Bauchfells, die sofortige Behandlung
bedarf. Ist immer ein NOTFALL.
Urs:
 Selten primär, durch hämatogene bakterielle Streuung.
 Sekundär (95%) nach Perforation eines Hohlorgans durch Verseuchung des
Bauchfells mit Bakterien aus der Darmflora und Verdauungssäften.
 Appendizitis
 Magen- und Duodenalulkus, Magenkarzinom
 Darmperforation, z.B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Divertikulitis
 Gallenblasenentzündung
 Pankreatitis
 Entzündung und Perforation der weiblichen Genitalorgane (z.B. bei
Eileiterschwangerschaft)
Sym:  Klinisches Bild des akuten Abdomens.
 Akut auftretende Bauchschmerzen mit angezogenen Beinen, Vermeiden
jeglicher Bewegung, regungsloses Daliegen
 Abwehrspannung mit "brettharter Bauchdecke"
 Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Meteorismus
 Im weiteren Verlauf paralytischer Ileus
Kom: Septischer Schock: Fieber, Tachykardie und Blutdruckabfall
Fettstoffwechselstörungen 
Syn:
Dyslipidämie, Hyperlipidämie, Hyperlipoproteinämie
Def:
Störungen des Fettstoffwechsels mit erhöhten Blutfettwerten (Hypercholesterinämie,
Hypertriglyzeridämie, geringe HDL-Werte). Tritt häufig mit Erkrankungen des
metabolischen Syndroms (Wohlstandskrankheiten) auf.
Urs:
Physiologische Form:
Nach häufigem Genuss kohlenhydratreicher Ernährung, meist im Zusammenhang
mit Adipositas.
Primäre familiäre Form (angeboren):
Genetisch bedingt, durch einen Mangel an LDL-Rezeptoren in der Leber.
Sekundäre Form:
 Diabetes mellitus
 Alkoholkrankheit
 Nephrotisches Syndrom
 Cushing-Syndrom
 Hypothyreose
 Cholestase (Gallenstau)
 Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Kortisonpräparate, Pille,
Hormonersatztherapien)
Sym:


 Bildung von Arteriosklerose mit Folgeerkrankungen
 Fettleber

 Arcus senilis (Greisenbogen)
 Xanthome (gelbliche Hautknoten)
 Xanthelasmen (gelbliche Fetteinlagerungen an den Augenlidern)
Verdauungsapparat Pathologie
273

 Xanthome und Xanthelasmen sind Ausdruck einer Fettstoffwechselstörung, mit oder
ohne Hyperlipidämie, oder sie treten im Rahmen von anderen Erkrankungen auf
(alkoholische Lebererkrankung, Diabetes mellitus, Pankreatitis). Sie können auch in
den Zwischenfingerfalten, auf der Mundschleimhaut und im Rachen auftreten.
Fettwerte
Cholesterin
bis 200 mg/dl
Triglyzeride
bis 180 mg/dl
bis 150 mg/dl
LDL
HDL
LDL/HDL-Quotient
(Arteriosklerosefaktor)
ab 40 mg/dl
Bis 3,0
3,0 – 5,0 erhöhtes Risiko
> 5,0 hohes Risiko
Differenzialdiagnose
Diarrhoe (Durchfall)
Def:
Unter Diarrhoe versteht man eine gehäufte Entleerung von Stühlen ( 3 / Tag)
mit übermäßigem Wassergehalt ( 80%), und einer vermehrten Stuhlmenge
( 250 g / Tag).

„zu häufig, zu viel, zu flüssig“
Urs:
 Infektiöse Diarrhöen
 durch Viren (z.B. Noroviren, Adenoviren),
 durch Bakterien (z.B. pathogene Escherichia coli, Campylobacter,
Salmonellen, Vibrionen, darmpathogene Yersinien)
 durch Protozoen (z.B. Entamoeba histolytica, Giardia lamblia,
Cryptosporidium parvum)
 durch Toxine (v.a. Staphylokokkentoxine)
 Nicht infektiöse Diarrhöen im Darm
 durch entzündliche Erkrankungen des Dünndarms (z.B. Morbus Crohn,
Zöliakie, Sprue, andere Nahrungsmittelallergien)
 durch Erkrankungen des Dickdarms (z.B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn,
Divertikulitis, Dickdarmpolypen, kolorektales Karzinom)
 im Rahmen einer Malabsorption (z.B. Strahlenenteritis, Resektionen,
intestinale Ischämie, Pfortaderstauung)
 im Rahmen einer Maldigestion mit Fettstühlen = Steatorrhoe (z. B.
Pankreaserkrankungen, Pankreaskopftumor, Erkrankungen der Leber und
Gallenwegen)
 infolge einer Medikamenteneinnahme (z.B. Laxanzien, Eisenpräparate,
Digitalis, Antibiotika)
 durch Intoxikationen (z.B. Pilzvergiftung, Arsen, Quecksilber)
 Funktionelle Darmstörungen =Reizkolon (Ausschlussdiagnose)
 Nicht infektiöse Diarrhöen außerhalb des Darms (Systemerkrankungen)
 Hyperthyreose
 Polyneuropathie (z. B. Diabetes mellitus)
Jede Diarrhoe von mehr als 2 bis 3 Wochen bedarf der genauen diagnostischen
Abklärung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
274
Verdauungsapparat Pathologie
The:
Unter einer paradoxen Diarrhö versteht man den Abgang von flüssigem Stuhl
gemischt mit festen, teils harten Bestandteilen.
 Je nach Ursache Medikamente (z.B. Antibiotika)
 Nahrungskarenz, Diät (schlackenarme Kost)
 Falls nötig intravenöse Zufuhr von Flüssigkeit
Verstopfung (Obstipation)
Def:
Weniger als drei Stuhlentleerungen pro Woche, meist mit Schwierigkeiten bei der
Stuhlentleerung. Entweder handelt es sich um einen verzögerten Darmtransport oder
um eine Störung der Defäkation (Stuhlentleerung).
„zu selten, zu wenig, zu dick“
Urs:
 Primär (am häufigsten)
 durch ballaststoffarme Nahrung, ungenügende Flüssigkeitsaufnahme und
mangelnde Bewegung
 Schwangerschaft
 Sekundär
 Organische Erkrankungen im Darm, z.B. Karzinome, Polypen,
Divertikulitis, Hernie, Morbus Cohn, Hämorrhoiden
 Medikamenteneinnahme (z.B. Eisen, Antazida, Antidepressiva, Sedativa,
Opiate u.a.)
 Hormonelle Erkrankungen, z.B. Hypothyreose, Conn-Syndrom
(Hypokaliämie)
 Neurogene Erkrankungen, z.B. Polyneuropathie (Diabetes mellitus,
Multiple Sklerose)
 Funktionelle Störung (Reizdarmsyndrom = Colon irritabile)
The:
 Ursache behandeln.
 Ballaststoffreiche Kost, ausreichend trinken.
 Regelmäßige körperliche Bewegung, Meidung verstopfender Nahrungsmittel.
Gastrointestinale Blutung

Pat:
Starke Blutungen sind immer ein NOTFALL!
 Starke Blutungen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt verursachen entweder einen
schwarzen Stuhl (Teerstuhl = Meläna: Blutungen von 80-100 ml und einer
Verweildauer von mehr als 6 Stunden) oder Bluterbrechen (Hämatemesis). Kommt
das Blut mit Magensäure in Kontakt, spricht man von kaffeesatzartigem Erbrechen.
 Eine Schwarzfärbung des Stuhls kann auch durch den Genuss von Heidelbeeren
oder Lakritze bzw. durch die Einnahme von Kohlen- oder Eisentabletten
entstehen.
 Chronische Sickerblutungen sind oft „versteckt“ (okkultes Blut im Stuhl) und nur
mit dem Hämoccult-Test nachweisbar.
Urs:
 Obere gastrointestinale Blutungen (bis Duodenum)
 Ösophagitis, Ösophagusvarizen, Mallory-Weiss-Syndrom
 Magenkarzinom
 Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür
 Untere gastrointestinale Blutungen
 Infektiöse Darmerkrankungen (z.B. Salmonellosen, Typhus, Shigellenruhr)
 seltener: Meckel-Divertikulitis, ischämische Enteritis, Darm-Tbc
Verdauungsapparat Pathologie






275
Morbus Crohn
Colitis Ulcerosa
Mesenterialinfarkt
Dickdarmpolypen, Dickdarmkarzinom
Divertikulitis
Hämorrhoidalblutung
 Bei gastrointestinalen Blutungen muss immer ein Karzinom ausgeschlossen werden!
© Arpana Tjard Holler (Autor)
276
H.
Harnapparat
Harnapparat Anatomie und Physiologie
Harnapparat
Hauptaufgabe und Aufbau ................................................................................................................... 277
Die Niere (Ren, Nephro-) ...................................................................................................................... 277
Die harnableitenden Organe ................................................................................................................ 282
Untersuchungsmethoden und Laborbefunde ....................................................................................... 283
Harnapparat
277
Hauptaufgabe und Aufbau


Die Hauptaufgabe des Harnapparates ist die Filtration von schädlichen körpereigenen
Stoffwechselprodukten (harnpflichtige Stoffe) und körperfremden Substanzen aus dem
Blut. Dabei entsteht der Harn, welcher durch entsprechende Organe nach außen geleitet
werden muss.
Aufbau des Harnapparats:
 Zwei Nieren
 Die harnableitenden Organe:
 zwei Nierenbecken (Pyelon)
 zwei Harnleiter (Ureter)
 eine Harnblase (Vesica urinaria)
 eine Harnröhre (Urethra)
Die Niere (Ren, Nephro-)
Lage





Unterhalb des Zwerchfells.
Paravertebral (rechts und links neben der WS) am Übergang der Brustwirbelsäule zur
Lendenwirbelsäule (Th11 - L2), wobei die rechte Niere wegen der Leber etwas tiefer liegt.
Lokalisation im Retroperitonealraum (der Raum hinter dem Bauchfell).
Einlagerung der Nieren in einer Fett- und Bindegewebskapsel, gibt der Niere den Halt und
schützt vor Auskühlung und harten Schlägen.
Wird die Fettkapsel z.B. bei Anorexia nervosa (Magersucht) abgebaut, so kann sich eine
Wanderniere entwickeln.
Größe und Gewicht


Jede Niere kann zwischen 100 und 200 g wiegen, je nach Körperkonstitution und
Ernährungsgewohnheiten.
Jede Niere ist ungefähr 10 - 14 cm lang, 5 - 7 cm breit und 4 - 5 cm dick.
Makroskopischer Aufbau



Die Form einer Niere ähnelt der einer Bohne. Dabei ist die konvexe Außenseite der WS
abgewandt und die konkave Innenseite der WS zugewandt.
In der Mitte der Innenseite befindet sich der Nierenhilus.
 Einmündungsstelle der Nierenarterie (Arteria renalis)
 Austritt der Nierenvene (Vena renalis)
 Ausstritt des Harnleiters und der Lymphgefäße
Das Nierenparenchym wird unterteilt in:
 Die Nierenrinde, eine ca. 1 cm breite, rotbraune Schicht, in der eine gekörnte
Struktur sichtbar ist, die Nierenkörperchen (0,1 mm).
 Das Nierenmark, besteht aus 8 - 20 sog. Markpyramiden, deren Spitzen
(Nierenpapillen) zum Nierenbecken weisen. Diese Pyramiden weisen eine
ausgeprägte Längsstreifung auf (Markstrahlen), die durch den
parallellaufenden Tubulusapparat und die dazu gehörigen Blutgefäße
hervorgerufen wird.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
278
Harnapparat
Mikroskopischer Aufbau

Die mikroskopische Funktionseinheit der Niere ist das Nephron. Jedes Nephron besteht aus
drei funktionell unterschiedlichen Abschnitten:
 Nierenkörperchen (Malpighi-Körperchen): Das Nierenkörperchen hat eine
Größe von 0,2 - 0,3 mm und ist mit dem bloßen Auge als rotes Pünktchen
sichtbar.
 Es besteht aus der Bowman-Kapsel und den darin befindlichen
knäuelförmigen,
parallellaufenden
Kapillarschlingen
(Glomerulum).
 Im Gefäßpol des Nierenkörperchens mündet die zuführende
Arteriole (Vas afferens), die Blut zum Glomerulum bringt, und
entspringt die abführende Arteriole (Vas efferens), die das Blut aus
dem Nierenkörperchen herausführt.
 Dem Gefäßpol gegenüber liegt der Harnpol, der den Anfang des
Tubulusapparats darstellt.

 Bei alten Menschen nimmt die Anzahl der Nierenglomerula und somit die
Leistungsfähigkeit der Nieren ab.
 Nierenkanälchen (Nierentubuli)
 Der Tubulusapparat wird unterteilt in den proximalen Tubulus
(ein gewundener und ein gerader Anteil), die Henle-Schleife und
den distalen Tubulus (ein gewundener und ein gerader Anteil).
 Umgeben wird der Tubulusapparat von einem peritubulären
Kapillarnetz (Vasa recta).
 Sammelrohre: Viele distale Tubuli der Nephrone münden in ein Sammelrohr.
Pro Niere gibt es ca. 1 Mio. Nephrone mit etwa 10 km Nierenkanälchen.
Blutversorgung der Niere



Von der Bauchaorta gehen die rechte und linke Nierenschlagader (A. renalis) seitlich kurz
unter der oberen Gekröseschlagader (A. mesenterica superior) ab. Der Durchmesser ist so
groß, dass 20 - 30% des Herzzeitvolumens die Nieren durchbluten.
Weiterer Verlauf: A. renalis  Zwischenlappenarterien (Aa. interlobares)  Bogenarterien
(Aa. arcuatae)  Zwischenläppchenarterien (Aa. interlobulares)  Vas afferens 
Glomerulum (Kapillarschlingen)
Der venöse Abfluss verläuft in der gleichen Struktur umgekehrt. Das venöse Blut wird über
die Nierenvenen (V. renalis) an die untere Hohlvene abgegeben.
Physiologie der Niere
Glomeruläre Filtration





Täglich fließen durch die Glomerulusschlingen ca. 1800 Liter Blut. Davon werden 10%
abgefiltert und als Primärharn in den Tubulusapparat abgeführt.
Verantwortlich für den passiven Filtrationsvorgang ist der effektive Filtrationsdruck.
RR Vas afferens - (kolloidosm. Druck + Druck in Bow.kapsel) = Filtrationsdruck
ca. 50 mmHg (ca. 25 mmHg + 17 mmHg) =
ca. 8 mmHg
Die filtrierende Schicht in den Nierenkörperchen besteht aus den Endothelzellen der
Glomerulusschlingen, einer Basalmembran und den Podozyten, die das innere Blatt der
Bowman-Kapsel ausmachen.
Der glomeruläre Filter ist so gebaut, dass nur Plasmabestandteile mit einem
Molekulargewicht bis zu 60.000 mmol durchgelassen werden. Zelluläre Bestandteile
und Bluteiweiße (Albumine, Transportglobuline) sind dafür zu groß.
Makrophagen in den Glomeruli reinigen den Filter durch Phagozytose.
Harnapparat
279
Die tubuläre Rückresorption und Sekretion (Harnkonzentrierung)






Die wesentliche Aufgabe des Tubulussystems besteht darin, den größten Teil des
Primärharns wieder in die Blutgefäße zurückzuholen. 99% des Primärharns wird wieder
zurückgewonnen, der Rest als Sekundärharn über die ableitenden Harnwege
ausgeschieden
Tubuläre Rückresorption von Wasser, Glukose, Aminosäuren, Mineralien
Die Rückresorption geschieht
 passiv durch Diffusion infolge des Konzentrationsunterschiedes (vornehmlich
im proximalen Tubulus)
 und aktiv durch Natriumtransport (Natrium-Kalium-Pumpe) infolge des
Hormons Aldosteron (vornehmlich im distalen Tubulus) in die peritubulären
Blutgefäße.
Glukose kann nur bis zu einem gewissen Grad rückresorbiert werden. Übersteigt der
Blutzuckerspiegel die Nieren- bzw. Harnschwelle (180 mg/100 ml), so wird die restliche
Glukose über den Harn ausgeschieden.
Tubuläre Sekretion: Im Tubulusapparat werden zusätzlich harnpflichtige Stoffe und
andere auszuscheidende Substanzen (Medikamente) aktiv in den Primärharn abgegeben.
In den Sammelrohren findet die Feinregulation des Endharns hinsichtlich des Volumens
und der Konzentration unter hormoneller Kontrolle (ADH = antidiuretisches Hormon) statt.
Die Zusammensetzung des Harns


Der Harn ist eine klare, gelbliche Flüssigkeit, und hat im Wesentlichen folgende
Bestandteile:
 ca. 98% Wasser
 Harnpflichtige Substanzen:
 Harnstoff, Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels.
 Harnsäure, Abbauprodukt des Purinstoffwechsels.
 Kreatinin, Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels.
 Medikamente und andere körperfremde Substanzen
 Harnfarbstoff, im wesentlichen Urobilinogen
 Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine
Der Endharn enthält keine Bluteiweiße oder Zucker. Jedoch sind vereinzelt Aminosäuren
und Monosaccharide im Urin feststellbar.
Regulationsmechanismen der Niere



Die Niere gewährt die Aufrechterhaltung des sog. inneren Milieus mit Hilfe von
verschiedenen Regelsystemen.
Mit dem inneren Milieu sind der Flüssigkeitshaushalt, der Elektrolythaushalt und das SäureBasen-Gleichgewicht gemeint.
Außerdem ist die Niere in der Lage den Filtrationsdruck in den Glomeruli konstant zu halten
und kann daher auf den arteriellen Blutdruck im Körper Einfluss nehmen.
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280
Harnapparat
Die hormonelle Regulation des Wasserhaushalts

Ca. 60% des Körpergewichtes besteht aus H2O. Im Alter nimmt der Wasseranteil ab.
Wasseraufnahme pro 24 Stunden





Wasserabgabe pro 24 Stunden
Flüssigkeit
Ca. 1500 ml
Harn
Ca. 1500 ml
Nahrung
Ca. 900 ml
Haut
Ca. 600 ml
Zelloxydation
Ca. 300 ml
Atmung
Ca. 500 ml
Stuhl
Ca. 100 ml
Der Wasserbedarf des Menschen ist stark abhängig von der körperlichen Tätigkeit, den
Temperaturverhältnissen, der Luftfeuchtigkeit und dem Salzgehalt der Nahrung. Die
Niere hat nun die Aufgabe, bei Bedarf an Wasser den Endharn zu konzentrieren, um so
Wasser „einzusparen“, oder ein Zuviel an Wasser auszuscheiden.
Regulierendes Hormon: ADH (Antidiuretisches Hormon) Synonyme sind Vasopressin
und Adiuretin.
 Produktionsort: Hypothalamus, Speicherung des ADH im Hypophysenhinterlappen (HHL).
 Wirkungsort: Wirkt auf die marknahen Sammelrohre.
 Wirkung: Die Poren der Sammelrohre erweitern sich und es kommt zu einer
vermehrten Rückresorption des Wassers aus dem Harn in die dicht
danebenliegenden aufsteigenden Teile der Henle-Schleife. Der Harn
konzentriert sich und das Harnvolumen sinkt.
 Auslösender Reiz: Im HHL wird im Blut die Plasmaosmolarität gemessen
(Menge der gelösten Teilchen pro Kilogramm Wasser). Steigt die Osmolarität,
so wird ADH ins Blut abgegeben. Auch bei einem Abfall des Plasmavolumens
wird ADH verstärkt ins Blut abgegeben. Sinnvoll ist dieser Mechanismus um
einer hypertonen Dehydration vorzubeugen.
Ein ADH-Mangel (z.B. bei einem Tumor im Hypothalamus oder HHL) bewirkt eine
verstärkte Harnausscheidung mit häufigem Wasserlassen (Polyurie) und viel Trinken
(Polydipsie) mit starkem Durst. Diese Krankheit wird als Diabetes insipidus
(Wasserharnruhr) bezeichnet.
Ein ADH-Überschuss (z.B. bei einem Hypophysenadenom) bewirkt eine verminderte
Urinausscheidung mit Hypervolämie und einer starken Erhöhung des Blutdrucks.
Alkohol, Kaffee und Tee haben eine harntreibende Wirkung, da sie das ADH hemmen und
zu einer vermehrten Urinausscheidung führen.
Die hormonelle Regulation des Elektrolythaushaltes

Regulierendes Hormon: Aldosteron (gehört zu den Mineralokortikoiden)
 Produktionsort: Nebennierenrinde
 Wirkungsort: Wirkt auf distale Tubuli und rindennahe Sammelrohre.
 Wirkung: Rückresorption von Natrium aus dem Primärharn in das Blut.
Aldosteron bewirkt die Resorption von Natrium und die Sekretion von Kalium.
Na+-Ionen ziehen Cl--Ionen an, und NaCl wiederum zieht Wasser mit sich ins
Blut. Dabei führt Aldosteron durch die vermehrte Wasserresorption und
Harnkonzentrierung zu einer Zunahme des extrazellulären Volumens und
tendenziös zu einer Hyperhydration (Wasserüberschuss) mit Steigerung des
Blutdruckes. Sinnvoll ist dieser Mechanismus, um einer hypotonen Dehydration
vorzubeugen.
Harnapparat
281
Autoregulation der Niere



Um die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und den dazu benötigten Filtrationsdruck von ca.
8 mmHg konstant zu halten, kann die Niere die zuleitenden und abführenden Arteriolen
selbständig regulieren.
Steigt der Blutdruck im Körper, so verengt sich die Muskelschicht im Vas afferens und
bewirkt, dass die Filtrationsrate gleichbleibt und nicht steigt.
Sinkt der Blutdruck im Körper, so erweitert sich Vas afferens und gleichzeitig verengt sich
Vas efferens. Das führt zu einem erhöhten Filtrationsdruck und zur Konstanthaltung der
Filtrationsrate.
Die Regulation des
System (RAA-System).

Blutdrucks
durch
das
Renin-Angiotensin-Aldosteron-
Regulierendes Enzym: Renin
 Produktionsort: Juxtaglomerulären Apparats
 Auslösender Reiz: Für die Renin-Freisetzung sind verschiedene Mechanismen
verantwortlich:
 Blutdruckabfall im Vas afferens
 Na+ und Volumenmangel (wird gemessen in der Macula densa)
 Adrenalinausschüttung
 Wirkungsweise
Angiotensinogen (in der Leber hergestellt)
Renin
Angiotensin I
ACE
Angiotensin II
 Angiotensin II ist das eigentlich aktive Hormon.
 Wirkt stark vasokonstriktiv und erhöht somit den Blutdruck.
 Stimuliert die Freisetzung von Aldosteron in der Nierennebenrinde.

Hierdurch sind die Nieren in der Lage, den Blutdruck auf einem konstanten, für die
glomeruläre Filtration optimalen Wert zu halten.
Regulierung des Säuren-Basen-Haushalts durch die Niere.

Die Niere kann durch die vermehrte oder verminderte Ausscheidung von H+-Ionen den
pH-Wert des Blutes (7,38-7,42) mit konstant halten.
Aufgaben der Niere (Zusammenfassung)

Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen wie Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin und
körperfremder Substanzen wie z.B. Nahrungsmittelzusätze, Gifte und Medikamente.
 Regulierung des Wasserhaushaltes.
 Regulierung des Elektrolythaushaltes.
 Einfluss auf den Blutdruck durch das RAA-System um die effektive Filtrationsrate in den
Glomeruli aufrechtzuerhalten.
 Regulierung des Blut-pH-Werts.
 Regulierung der Blutbildung im roten Knochenmark durch das Erythropoetin.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
282
Harnapparat

Aktivierung des Vitamin D und damit Regulierung der Kalziumresorption in der
Darmschleimhaut.
Weg eines Wassermoleküls vom Blut in die Toilette

A. renalis  Zwischenlappenarterien  Bogenarterien  Zwischenläppchenarterien 
Vas afferens  Glomerulum  Bowman-Kapsel  proximaler Tubulusapparat  HenleSchleife  distaler Tubulusapparat  Sammelrohr  durch die Nierenpapille in den
Nierenkelch  Nierenbecken  Harnleiter  Harnblase  Harnröhre  Toilette.
Die harnableitenden Organe
Nierenbecken (Pyelon, Pelvis renalis)


Übergangsepithel kleidet die gesamten harnableitenden Wege aus. Es kann sich je nach
Dehnungsgrad verändern und schützt gleichzeitig vor dem aggressiven Urin.
Von den Nierenpapillen aus tropft der Endharn in die Nierenkelche (8-20) und ins
Nierenbecken. Die Größe und die Form des Beckens sind extrem variabel. Nierenkelche
und Nierenbecken besitzen eine starke glatte Muskelschicht, die in peristaltischer
Bewegung den Harn vorwärtstreibt.
Harnleiter (Ureter)



Länge: ca. 30 cm, Durchmesser: ca. 4-7 mm
Verlauf: Retroperitoneal beiderseits der Wirbelsäule.
Harnleiter durchläuft drei physiologische Engstellen, in denen sich größere Harnkristalle
festsetzen können.
 Übergang Nierenbecken zum Harnleiter.
 Überkreuzung der Vena und Arteria iliaca communis.
 Einmündung des Harnleiters in die Harnblase. Sie verläuft schräg um ein
Zurückfließen des Blasenurins zu verhindern
 Weiterleitung des Endharns durch Peristaltik der zwei schichtigen glatten
Muskulatur.
(Vesica urinaria)



Lage: Sie liegt direkt hinter der Symphyse (Schambeinfuge) und unterhalb der
Dünndarmschlingen). Bei gefüllter Blase reicht das Blasendach über den Rand des
Schambeinknochens hinaus. Beim Mann liegt die Blase über der Prostata und vor dem
Mastdarm, bei der Frau liegt sie vor der Scheide und unterhalb der Gebärmutter.
Anatomische Unterscheidung:
 Blasenscheitel (Apex vesicae), die vom Peritoneum überzogene obere Fläche
der Blase
 Blasenkörper (Corpus vesicae), die Hauptmasse der Blase zwischen
Blasenscheitel und Blasengrund
 Blasengrund (Fundus vesicae), der hintere untere Anteil der Blase, in dem sich
das Blasendreieck befindet (schleimhautfaltenfreie Zone zwischen den beiden
Harnleitern und der Harnröhre)
 Blasenhals (Cervix vesicae), der sich vom Blasengrund nach unten stark
verjüngende Teil der Blase, welcher in die Harnröhre übergeht.
Füllungsgrad: Ab einer Menge von 200 - 600 ml entsteht das Gefühl des Harndrangs. Das
größtmögliche Fassungsvermögen hängt vom Trainingszustand der Blase ab und kann
zwischen 900 - 1500 ml betragen.
Harnapparat



283
Glatte Muskulatur: Die glatte Muskulatur der Harnblasenwand (Detrusor vesicae) wird
vom Parasympathikus (S2-S4) versorgt und hat die Entleerung der Blase zur Aufgabe.
Zwei Schließmuskel am Blasenausgang:
 Ein oberer Ringmuskel (Sphinkter internus), der unwillkürlich innerviert ist.
 Ein unterer Ringmuskel (Sphinkter externus), der dem bewussten Willen
unterliegt (Nervus pudendus).
Bauchfell: Die Blase liegt subperitoneal (unterhalb des Bauchfells). Das Blasendach ist im
gefüllten Zustand mit dem Peritoneum bezogen. Im erschlafften Zustand reicht das
Bauchfell bis zum seitlichen und hinteren Anteil der Blase.
Harnröhre (Urethra)




Die Harnröhre führt den Endharn nach außen ab.
Bei Frauen ist sie ca. 5 cm lang und mündet zwischen Klitoris und Scheidenöffnung in den
Scheidenvorhof. Der kurze Abstand zum Anus hin gefährdet die weibliche Harnröhre für
eine mikrobielle Verunreinigung, außerdem begünstigt die kurze Harnröhre aufsteigende
Infektionen.
Beim Mann ist sie zwischen 20 und 25 cm lang. Ab der Prostata dient sie gleichzeitig auch
als Samenweg (Harnsamenröhre).
Die vordere Harnröhre ist physiologischerweise mit Keimen besiedelt.
Untersuchungsmethoden und Laborbefunde
Anamnesedaten






Störungen der Harnausscheidung (Diurese)
 Polyurie  3000 ml Harn / Tag (geht immer mit einer Polydipsie einher)
 Ursachen: Diabetes mellitus, Diabetes insipidus (ADH ↓), Hyperkalzämie
 Oligurie  500 ml Harn / Tag
 Anurie  100 ml Harn / Tag
 Ursachen: Exsikkose, ADH ↑, terminale Niereninsuffizienz, akutes
Nierenversagen, Harnabflussstörungen (z.B. Prostatahyperplasie)
 Dysurie: Erschwerte Harnentleerung bei Harnabflussbehinderung und
Harnwegsinfektion; Störungen beim Harnlassen
 Pollakisurie: Häufiger Harndrang, aber geringe Harnmenge (Träufeln), z.B. bei
Zystitis (Blasenentzündung) oder Prostataadenom
 Nykturie: Häufiges nächtliches Wasserlassen, z.B. bei Zystitis, Steine, Tumore,
Prostatahyperplasie,
Niereninsuffizienz,
Schwäche
der
Beckenbodenmuskulatur,
Rechtsherzinsuffizienz,
Polyneuropathie,
Hyperkalzämie, idiopathisch
 Enuresis: Meist nächtliches Einnässen.
Schmerzhafte Nierenlager
 Akute (kolikartige) Schmerzen, z.B. beim Harnleiterstein, im typischen Fall
Ausstrahlung in die Genitalorgane (Vulva bzw. Hoden)
 Dumpfe andauernde Schmerzen im Nierenlager und/oder Nierenlagerklopfschmerz, typisch bei Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung)
 Nierenlager bei Kindern sind generell leicht schmerzhaft!
Ödeme: Bei Glomerulonephritis, nephrotischem Syndrom und Niereninsuffizienz.
Kopfschmerzen: z.B. durch Hypertonie bei Pyelonephritis und Niereninsuffizienz.
Abnorme Müdigkeit und Abgeschlagenheit: Bei Niereninsuffizienz.
Erhöhter diastolischer Blutdruck: Bei Aktivierung des RAA-Systems.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
284
Harnapparat
Körperlicher Untersuchungsbefund



Inspektion
 Blässe, z.B. bei renaler Anämie
 Café au lait - Hautfärbung (milch-kaffee-farben), bei Niereninsuffizienz
 Urinöser Geruch bei terminaler Niereninsuffizienz
 Farbe des Urins
 rötlich - Makrohämaturie
 dunkelbraun – Bilirubinurie (intra- und posthepatischer Ikterus)
 trübe milchig – Proteinurie, Pyurie (Eiter im Urin)
 hell - wenig rückresorbiert
 dunkelgelb - viel rückresorbiert
 schaumig – Proteinurie, Bilirubinurie (dunkel)
Palpation: Evtl. als Tumor fühlbar bei z.B. Wilms-Tumor, Zystenniere, Nierenzyste
Perkussion: Beklopfen der Nierenlager zur Schmerzprüfung. Die flache Hand auf die
Nierenregion legen und mit der Faust auf die Hand klopfen.
Laborbefunde und Untersuchungsmethoden
Harnanalyse mittels Teststreifen (Combur-10-Test = Trockenchemie-Teststreifen)


Glukosurie: Findet sich bei Diabetes mellitus ab der Nierenschwelle von ca. 180 mg/dl im
Blut.
Erythrozyturie: Findet sich bei Blutungen im Urogenitaltrakt.
 Prärenale Ursachen: Hämorrhagische Diathesen, Antikoagulanzien, Traumen
und ungewohnte körperliche Anstrengungen (z.B. Jogger-Hämaturie).
 Renale Ursachen: Glomerulonephritis, Pyelonephritis, Nierenkarzinom,
Zystennieren, Nieren-Tbc, Niereninfarkt, Traumen.
 Postrenale Ursachen: Nephrolithiasis (Steine im Nierenbecken / Harnleiter /
Blase), Blasentumoren, Zystitis, Traumen, bei Frauen evtl. Perioden-blutung,
Entzündungen und Tumoren der männlichen und weiblichen Genitalorgane
(z.B. Prostatakarzinom).



Mikro- und Makrohämaturie ist bis zum Beweis des Gegenteils verdächtig auf
karzinomatöses Geschehen!
Leukozyturie: Zeigt eine Entzündung im Urogenitalbereich (Harn- und Geschlechtstrakt)
an.
 Leuko`s + Nitrit: Bakterien haben eine Entzündung hervorgerufen.
 Leuko`s + Nitrit + Erythrozyten: schwere Entzündung im Urogenital-bereich,
hervorgerufen durch Bakterien.
 Leuko`s ohne Nitrit: sterile Leukozyturie, Verdacht auf Tbc.
 Einzelne Leukozyten sind im Morgenurin nachweisbar.
Eiweiße (Proteinurie)
 Prärenale Ursachen bei erhöhter Eiweißserumkonzentration, z.B. Hypertonie,
Plasmozytom (allerdings nicht mittels Teststreifen feststellbar), akuter
Hämolyse (Hämoglobinurie), bei Rechtsherzinsuffizienz (Stauungsniere).
 Proteinurie auch bei Schwangerschaft oder als sog. Anstrengungs- bzw.
Arbeitsproteinurie (physiologische Proteinurie)
 Renale Ursachen bei nephrotischem Syndrom, diabetische Nephropathie,
Glomerulopathie, Zystenniere.
 Postrenale Ursachen bei entzündlich bedingter Produktion von Immunglobulinen durch Harnwegsinfektionen (reaktive Proteinurie).
 Eiweiße + Blut zeigen eine Glomerulonephritis an!
Harnapparat








285
Nitrit zeigt an, dass sich Bakterien im Urogenitalbereich aufhalten. Bakterien
verstoffwechseln Nitrat im Körper zu Nitrit.
 Einige Bakterien produzieren kein Nitrit, so z.B. Gonokokken, Trichomonaden,
Staphylokokken und Mykobakterien.
Ketonurie: Entsteht bei verstärktem Fettabbau (Glukoneogenese) und tritt v.a. auf bei
Diabetes mellitus, langandauerndes Erbrechen, hohem Fieber, Hunger und Diäten.
Ketonkörper sind wasserlöslich gemachte Fettsäuren.
 Ketonkörper + Glukose zeigen einen manifesten Diabetes mellitus an.
Bilirubinurie: Entsteht beim intrahepatischen (Hepatitiden, Leberkarzinom) und
posthepatischen Ikterus (Gallensteine, Gallengangsentzündung, Gallengangs-tumore,
Pankreaskopfkarzinom). Es handelt sich um das direkte Bilirubin.
Urobilinogen: Ist erhöht bei Lebererkrankungen und verstärkter Hämolyse.
Spezifisches Gewicht (1.012 – 1.035)
 Erhöht bei herabgesetzter Flüssigkeitszufuhr, Fieber, Diabetes mellitus
 Erniedrigt bei erhöhter Flüssigkeitszufuhr, Diuretika, Diabetes insipidus
pH-Wert des Harns beträgt normal 5,5 - 7,0. Er kann auch mittels eines Urometers ermittelt
werden. Ein alkalischer pH-Wert tritt bei Harnwegsinfektionen auf.
Hohe Dosen von Vitamin C (Ascorbinsäure) verfälschen die Aussagen der Teststreifen.
MERKE: Combur-10-Test kann man gut lernen durch „pH-GELENKBUS“.
Bestimmung harnpflichtiger Substanzen im Blut

Die Blutwerte der harnpflichtigen Substanzen geben erst Auskunft bei schweren Nierenfunktionsschäden.
 Kreatinin (0,6 - 1,1 mg/dl) ist der erste Parameter der im Blut ansteigt, wenn
die Nierenfunktion zur Hälfte ausgefallen ist.
 Harnstoff (10 - 50 mg/dl) ist erhöht wenn ¾ der Nierenfunktion ausgefallen ist.
 Harnsäure (2 - 6,7 mg/dl) ist kein empfindlicher Parameter bei chronischer
Niereninsuffizienz, die Werte sind erhöht bei Zellzerfall und Hyperurikämie
(erhöhte Harnsäurewerte).
Kreatinin-Clearance



Die Fähigkeit der Niere aus einer bestimmten Blutmenge in einer bestimmten Zeit (24 St)
eine bestimmte Menge von Kreatinin oder Cystatin C auszuscheiden.
Die Bestimmung der Kreatinin-Clearance zeigt schon sehr früh pathologische Werte bei
eingeschränkter Nierenfunktion.
Bestimmung der Kreatinin-Clearance im Labor durch bestimmte Formel: Im 24-StundenSammelurin wird die Harnmenge, das Kreatinin im Urin und im Blutserum bestimmt.
Benötigt werden außerdem die Körpergröße und das Körpergewicht.
Mikroskopische Harnsedimente



Das aus 10 ml Mittelstrahlurin durch Zentrifugieren gewonnene Sediment wird unter dem
Mikroskop untersucht.
Zelluläre Bestandteile:
 Leukozyten und Erythrozyten (s.o.)
 Epithelzellen: sind normal
Harnzylinder entstehen in den Tubuli und beweisen deshalb eine Herkunft aus der Niere:
 Erythrozytenzylinder: Kennzeichnend für Glomerulonephritis.
 Leukozytenzylinder: Kennzeichnend für Pyelonephritis.
 Fettzylinder: Diabetische Nephropathie, nephrotisches Syndrom.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
286
Harnapparat


 Hyaline Zylinder: Bestehen aus Eiweiß, Vorkommen bei körperlicher
Belastung, Proteinurie, hohem Fieber, kompensierter Herzinsuffizienz.
 Epithelzylinder: Entstehen infolge einer Verbackung von Epithelzellen des
Tubulusapparates und weisen auf eine schwere Nierenerkrankung hin.
Kristalle sind ohne Krankheitswert, können jedoch auf eine Bildung von Nierensteinen
hinweisen:
Calciumcarbonat, Calciumoxalat, Phosphatkristalle, Zystinkristalle
Zweigläserprobe 




Die Zweigläserprobe wird durchgeführt bei sichtbarem Blut im Urin (Makrohämaturie)
und bei Harnwegsinfektionen und Gonorrhoe mit sichtbarer Trübung des Urins durch Eiter.
Die ersten 10 ml Urin werden in das erste Glas, der Rest in das zweite Glas entleert.
Eine Trübung oder Blutbeimengung nur im ersten Glas spricht für eine Infektion bzw.
Blutungsquelle in der Harnröhre.
Sind die Beimengungen (Blut oder Eiter) in beiden Gläsern vorhanden, stammen sie aus
oberhalb der Harnröhre gelegenen Organen (Blase, Harnleiter, Nieren)
Gerätemedizin




Sonographie (Ultraschall), Bestimmung der Lage und Größe der Nieren und Nachweis von
Zysten, Tumoren und Steinen
Röntgenuntersuchung (Leeraufnahme) zur Feststellung verkalkter Steine
Intravenöse Urographie (Röntgenkontrastdarstellung), für die Aufzeichnung der
ableitenden Harnwege
Zytoskopie (Blasenspiegelung), zur Betrachtung der Blaseninnenwand
Harnapparat/Niere Pathologie
287
Harnapparat/Niere Pathologie
Harnwegsinfektionen  ....................................................................................................................... 288
Glomerulonephritis  ........................................................................................................................... 290
Nephrotisches Syndrom (Eiweißverlustniere)  ................................................................................. 291
Analgetikanephropathie  ................................................................................................................... 291
Nephrolithiasis (Nierensteinleiden)  ................................................................................................. 293
Nierentumore ........................................................................................................................................ 294
Angeborene Nierenmissbildungen........................................................................................................ 295
Niereninsuffizienz ................................................................................................................................. 295
Harninkontinenz ................................................................................................................................... 299
© Arpana Tjard Holler (Autor)
288
Harnapparat/Niere Pathologie
Harnwegsinfektionen 
Def:
Eine
Harnwegsinfektion
kann
sich
als
asymptomatische
Bakteriurie,
Harnröhrenentzündung, akute Zystitis, akute Pyelonephritis oder als chronische
Pyelonephritis bemerkbar machen.
Urs:
Aufsteigende Infektion (98%), meist Keime aus der Darmflora (Escherichia coli).
Pat:
Betroffen sind vor allem Frauen im geschlechtsreifen Alter (kleine Harnröhre) und
Kinder. Männer meist nur im höheren Alter durch Harnabflussstörungen bei
Prostataerkrankungen (Prostatahyperplasie).
Prädisponierende Faktoren
 Harnabflussstörungen: Anatomische Anomalien, Steine, Tumore, Prostataadenom, Gebärmuttersenkung, Blasenfunktionsstörungen.
 Psychischer Stress
 Kaltes Wetter (Resistenzschwäche)
 Abwehrschwäche
 Schwangerschaft
 Sexueller Kontakt (z.B. postkoitale Zystitis, Flitterwochenzystitis)
 Diabetes mellitus (Glukose, Mikroangiopathie)
 Multiple Sklerose
 Geringe Harnbildung
 Harnblasenkatheter
 Querschnittslähmung
 Medikamente: Immunsuppressiva, hohe Gaben von Schmerzmittel
(Analgetikabusus)
The:





Beseitigung der auslösenden Ursachen.
Bakterienkultur vor Behandlung mit Antibiotika.
Lokale Wärme, vermehrtes Trinken.
Bei Fieber strikte Bettruhe.
Phytotherapie: Brennnessel, Goldrute, Süßholz, Zinnkrauttee
Asymptomatische Bakteriurie 
Def:
Eine asymptomatische Bakteriurie liegt vor, wenn eine signifikante Keimzahl
(105/ml) im Urin vorhanden ist, aber keine Symptome und keine Hinweise auf eine
Harnwegserkrankung vorliegen.
Behandlungsbedürftig nur bei Schwangeren, Kindern und bei nachgewiesenen
Harnabflussstörungen.
Zystitis (Blasenentzündung) 
Def:
Entzündung der Blasenschleimhaut, nur in sehr schweren Fällen Entzündung der
gesamten Blasenwand.
Sym: 






Schmerzhafter Harnzwang
Pollakisurie, häufiger Harndrang mit kleiner Harnmenge
Brennen beim Harnlassen
Nykturie
Harninkontinenz
evtl. Druckschmerz hinter dem Schambein

Harnapparat/Niere Pathologie
289
 Schnellteststreifen:
 Nitrit
 Leukozyturie (keine Zylinder)
 evtl. Erythrozyturie (keine Zylinder), Makrohämaturie möglich
 gelegentlich diskrete Proteinurie (Immunglobuline im Urin
 Labor: Nachweis von Bakteriurie (mehr als 100.000 Keime pro ml)
Keine Schmerzen im Nierenlager! Kein Fieber!
Kom.: Pyelonephritis
Akute Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) 
Def:
Bakteriell bedingte Entzündung der Schleimhaut des Nierenbeckens mit Beteiligung des
Nierengewebes (interstitielle Nephritis).
Sym: 






Plötzlich ansteigendes Fieber (evtl. Schüttelfrost)
Klopfschmerz der Nierenlager
Rückenschmerzen
Evtl. Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
Dysurie bei bestehender Zystitis
Kopfschmerz, Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Schnellteststreifen:
 Nitrit, Leukozyturie
 evtl. Erythrozyturie
 Labor:
 Leukozytose mit Linksverschiebung, BSG und CRP 
 Bakteriurie, im Zweifelsfall Keimnachweis per Blasenpunktion
 evtl. Leukozytenzylinder
Bei Fieber und klopfschmerzhafte Nierenlager nach einer Zystitis immer an eine
Pyelonephritis denken.
Kom:  Akutes Nierenversagen
 Urosepsis (von den Harnwegen ausgehende Sepsis)
 Abszessbildung
Chronische Pyelonephritis
Def:
Chronischer Entzündungsprozess der Schleimhaut des Nierenbeckens und des
Nierenparenchyms. Pyelonephritis entsteht aus einer nicht abgeheilten akuten
Pyelonephritis oder durch akute Schübe rezidivierender Pyelonephritiden.
Urs.:
Entsteht aus einer nicht abgeheilten akuten Pyelonephritis. Meist sind chronische
Harnabflussstörungen oder vesikoureteraler Reflux dafür verantwortlich.
Pat:
Die chronische Pyelonephritis schreitet nur langsam voran, führt aber unbehandelt über
viele Jahre zur Niereninsuffizienz.
Sym:  Es gibt oft symptomlose oder symptomarme Verläufe.
 Eine Differenzierung zwischen einer akuten PN und einem akuten Schub einer
chronischen PN ist klinisch nicht möglich.
 Die Symptome sind oft uncharakteristisch:
 Kopfschmerzen und Müdigkeit
 unklare Rückenschmerzen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
290
Harnapparat/Niere Pathologie






Gewichtsabnahme
evtl. Brechreiz
unklare Fieberanfälle
unklare Hypertonie
unklare Anämie
unklare BSG-Erhöhung
 Bei symptomarmen Verläufen ist folgender Trias ein wichtiger diagnostischer
Hinweis:
 Pyurie (Eiterbeimischung im Harn)
 signifikante Bakteriurie (105/ml)
 BSG CRP 
Kom:  Niereninsuffizienz, Schrumpfniere
 Sepsis
 Hypertonie (30 - 50%)
Glomerulonephritis 
Def:
Sammelbegriff verschiedener Nierenerkrankungen, die alle mit einer nicht infektiös
verursachten Entzündung der Nierenkörperchen einhergehen.
Urs:
Autoimmunreaktion (gegen die Basalmembran gerichtete Antikörper, liegen
gebliebene Immunkomplexe)
Pat:
 Die Einteilung der verschiedenen Formen ist uneinheitlich und richtet sich nach
nach dem klinischen Verlauf und den pathologischen Veränderungen an den
Glomeruli.
 Glomerulonephritiden sind im Vergleich zu den Harnwegsinfektionen wesentlich
seltener, jedoch häufigste Ursache einer Niereninsuffizienz.
Akute postinfektiöse Glomerulonephritis (Poststreptokokken-Glomerulonephritis) 
Urs:
Immunkomplexnephritis, als Zweiterkrankung nach einem akuten Infekt mit betahämolysierenden Streptokokken der Gruppe A. Betroffen sind meist die oberen
Atemwege (z.B. Scharlach, Tonsillitis, Pharyngitis, Sinusitis, Zahngranulome).
Pat:
Nicht-phagozytierte Immunkomplexe (AG-AK-Komplexe) haften sich an den
Kapillarschlingen der Nierenkörperchen und führen im weiteren Verlauf zu einer
Entzündung und Schädigung des Endothels der Glomeruli. Bluteiweiße und
Erythrozyten gelangen bei der glomerulären Filtration durch entzündliche Löcher in den
Primärharn und werden ausgeschieden.
 Akute GN haben eine gute Prognose. 50 % der Fälle verlaufen asymptomatisch.
Sym: 







Leitsymptom: Hämaturie und Proteinurie ( 3g / 24h)
Ödeme (v.a. Augenlider)
Hypertonie (in ca. 50% der Fälle)
Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen
evtl. Rückenschmerzen
evtl. beidseitiger Klopfschmerz
BSG 
Volhard-Trias: Hämaturie, Ödeme (v.a. Lidödem) und arterielle Hypertonie
Kom:  Chronischer Verlauf, welcher über Jahre zur Niereninsuffizienz führen kann.
 Nephrotisches Syndrom
Harnapparat/Niere Pathologie
291
 Akutes Nierenversagen
Nephrotisches Syndrom (Eiweißverlustniere) 
Def:
Charakteristischer Symptomenkomplex, der bei allen schweren Nieren-erkrankungen
auftreten kann und mit einer großen Proteinurie einhergeht.
Urs:






Glomerulonephritis (80%)
Glomerulosklerose bei Diabetes Mellitus
Kollagenosen: Lupus erythematodes, Sklerodermie, Panarteriitis nodosa
Nierenvenenthrombose
Toxische Schädigung der Glomeruli (Medikamente, Schwermetalle)
Plasmozytom
Sym: Proteinurie (3g / Tag) mit Trias:
 Hypoproteinämie: erniedrigter Eiweißspiegel im Blut
 Ödeme (zuerst an den Beinen und im Gesicht, dann generalisiert)
 Hyperlipidämie, Hypercholesterinämie (Leber kümmert sich um den Aufbau
von Albuminen und muss die Fette zirkulieren lassen)
Zusätzliche Symptome:
 Gewichtszunahme durch Flüssigkeitsverschiebung vom Plasma ins Interstitium
 Infektanfälligkeit durch Verlust von Immunglobulinen
 Thromboembolische Komplikationen (renaler Verlust von Antithrombin III)
 Lipidurie
 Hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit (Überwiegen der Immunglobuline durch
renalen Verlust der Albumine)
 Entstehung einer Eisenmangelanämie durch Verlust von Transferrin
The:
 Diät: Eiweißarm (1 g/kg/Tag), fettarm, kochsalzarm, ballaststoffreich.
 Körperliche Schonung
Analgetikanephropathie 
Def:
Durch Missbrauch von Analgetika (Schmerzmittel) bedingte abakterielle interstitielle
Nephritis.
Urs:
Einnahme von ca. 1 kg Schmerzmittel über einen längeren Zeitraum (3 - 10 Jahre), v.a.
Kombinationsanalgetika (Paracetamol, ASS mit Coffein und Codein).
Pat:
 Betroffen sind besonders ältere Frauen mit schweren Kopfschmerzen, Personen, die
an chronischer Arthritis leiden und Personen mit chronischen Schmerzen.
 Durch die starke kontinuierliche Einnahme der Analgetika kommt es zu
Durchblutungsstörungen und Nekrosebildung (Papillennekrose).
Sym: 



Im Frühstadium meist keine Symptome
Müdigkeit, Kopfschmerzen
leichte renale Anämie
Mikrohämaturie
Kom:  Papillennekrose (Flankenschmerz, Makrohämaturie, Fieber)
 Tubulusschädigung mit herabgesetztem Konzentrationsvermögen
 Niereninsuffizienz
 Erhöhtes Risiko bösartiger Tumore (präkanzerös) des Harnapparates
© Arpana Tjard Holler (Autor)
292
Harnapparat/Niere Pathologie
Harnapparat/Niere Pathologie
293
Nephrolithiasis (Nierensteinleiden) 
Def:
Harnsteinbildung durch Auskristallisierung verschiedener Salze.
Urs:
 Primär
Prädisponierende Faktoren:
 Saurer pH-Wert des Urins ( 5,5 Harnsäuresteine)
 Basischer pH-Wert des Urins (7 Phosphatsteine)
 erhöhtes spezifisches Gewicht (über 1.015)
 verminderte Flüssigkeitszufuhr
 Eiweißreiche Kost
 Oxalsäurereiche Kost (v.a. Tee, Kakaopulver, Mangold, Rhabarber, rote
Beete)

 Sekundär (durch andere Erkrankungen)
 Hyperkalzämie (z.B. Hyperparathyreoidismus)
 Hyperurikämie (Gicht; Harnsäure erhöht)
 Harnwegsinfektion
 Harnstauung (z.B. benigne Prostatahyperplasie)
 Angeborene oder erworbene Verengung
 Immobilität, z.B. nach einer Knochenfraktur
 Medikamente
Nierensteine und Harnwegsinfektionen bedingen sich gegenseitig.
Pat:
 1-5% der Bevölkerung sind betroffen, Männer häufiger als Frauen.
 Es werden im Wesentlichen drei Steinarten unterschieden:
 Kalziumhaltige Steine (Kalziumoxalat- und Kalziumphosphatsteine), ca.
80% der Fälle
 Harnsäuresteine (Uratsteine), ca. 15% der Fälle
 Magnesium-Ammonium-Phosphatsteine (sog. Infektsteine)
Sym:  Oft machen die Steine keine Beschwerden.
 Bei teilweiser oder leichter Steineinklemmung:
 Rezidivierende stechende oder ziehende Schmerzen mit Ausstrahlung in die
Leistengegend.
 Bei vollständiger Steineinklemmung:
 plötzlich heftigste kolikartige Schmerzen, die in den Rücken, in den
seitlichen Unterbauch oder bei tiefsitzenden Harnleitersteinen in die
Geschlechtsorgane ausstrahlen können.
 Übelkeit, Erbrechen
 Mikro- oder Makrohämaturie
 Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit der Nierenlager
Auch Blutgerinnsel im Harnleiter können eine Kolik auslösen.
Kom:  Harnwegsinfektion mit der Gefahr der Urosepsis. Vor allem die größeren
Steine
reizen die Schleimhaut der Harnwege und begünstigen somit
bakterielle Infekte
(meist Pyelonephritiden).
 Niereninsuffizienz
 Bei Steineinklemmung reflektorischer Subileus mit fehlender Stuhl- und Windabgang
 Prophylaktisch
 Reichlich Flüssigkeitszufuhr
© Arpana Tjard Holler (Autor)
The:
294
Harnapparat/Niere Pathologie
 Selbstkontrolle von pH-Wert und spezifischen Harngewicht
 Bei Steineinklemmung
 Spontanen Steinabgang provozieren ca. 75% (viel trinken, Bewegung, lokale
Wärmeanwendung, evtl. Spasmolytika und Analgetika)
 Steinauflösung (Litholyse) nur bei Harnsäuresteinen
 Steinzertrümmerung (Stoßwellenlithotripsie) (Erfolgsrate ca. 90%)
 Operative Steinentfernung
Nierentumore
Gutartige Nierentumore sind selten, meist handelt es sich um bösartige Tumore.
Nierenkarzinom 
Syn:
Nierenzellkarzinom, Adenokarzinom der Niere, Grawitz-Tumor, Hypernephrom
Pat:
Das Nierenkarzinom hat seinen Häufigkeitsgipfel zwischen 50 und 70 Jahren, Männer
sind doppelt so häufig betroffen. Der Tumor neigt früh zur Metastasierung, meist durch
Einbruch in die Vena renalis. Ist der Tumor noch innerhalb der Nierenkapsel, so ist die
5-Jahresüberlebensrate bei 80%. Bricht das Nierenkarzinom durch die Kapsel durch,
werden meist Fernmetastasen (Leber, Lunge, Gehirn, Knochen) gebildet. Dann ist die
Prognose sehr ungünstig.
Raucher sind häufiger betroffen.
Sym: Frühsymptome gibt es in der Regel nicht, die folgenden Symptome können auftreten
und sind meist schon Spätsymptome:
 Leitsymptom: Schmerzlose rezidivierende Makrohämaturie
 Mikrohämaturie
 Schmerzen der Nierenlager bzw. der Flanken
 Hypertonie
 Erythrozytose durch Ausschüttung von Erythropoetin
 B-Symptome, BSG evtl. stark erhöht
 tastbarer Tumor (nicht mehr operabel)
 Varikozele (Krampfaderbruch): Bricht der Tumor aus dem Nierenhilus
heraus in die linke Vena renalis, kann eine Behinderung bzw. Abklemmung
der linken Hodenvene erfolgen.
Wilms-Tumor (Nephroblastom) 
Def:
Ein bösartiger Nierentumor (sog. Mischtumor) im Kindesalter (3-5 Jahre). Der
Wilmstumor ist eine Entartung von primitivem Gewebe aus der Embryonalzeit mit
Vorläuferzellen aus verschiedenen Geweben, meist vom Nierengewebe
(metanephrogene Blasten). Er kann aber auch Vorläuferzellen aus dem Muskel- und
Knorpelgewebe oder anderen Geweben enthalten.
Pat:
Er wächst sehr schnell verdrängend und macht aber erst im Spätstadium
Metastasen. Prognose trotz Bösartigkeit recht gut (5-Jahresüberlebensrate 90%).
Sym:  Palpation: Tumor im Oberbauch
„Bauchschmerzen“
 Erbrechen, Durchfall, evtl. mit Fieber
 Gewichtsverlust
 Hämaturie
Harnapparat/Niere Pathologie
295
Angeborene Nierenmissbildungen







Anomalien des Harnapparates finden sich recht häufig, bleiben aber meist ein Leben lang
symptomlos. Im Wesentlichen ist die Zystenniere von klinischer Bedeutung.
Agenesie: Fehlen eines Organs, meist der linken Niere, die andere Niere ist hypertrophiert.
Hufeisenniere: Verbindung der beiden Nieren am unteren Pol.
Nephroptose: Wanderniere, beim aufrechten Stehen sinkt die Niere in das kleine Becken
ab, Gefahr der Abknickung der Harnleiter.
Beckenniere: Verlagerung der Niere in das kleine Becken mit verkürzten Harnleitern.
Nierenzysten: Umbildung des Nierenparenchyms (meist Tubulusapparat) durch sackartige
Hohlräume, die seröse Flüssigkeit enthalten. Sind erworbene gutartige Geschwulste, die
einseitig auftreten können und meist keine Symptome verursachen. Große Zysten können
evtl. zu einer Hypertonie oder zu Rücken- bzw. Bauchschmerzen führen.
Zystennieren sind angeboren (0,1% der Bevölkerung) und führen häufig zu einer
Niereninsuffizienz. Am häufigsten ist die autosomal dominante polyzystische
Nierenerkrankung. Aber auch ein autosomal rezessiver Erbgang ist möglich. Symptome
treten meist erst zwischen 35 und 55 Jahren auf:
 Makro- und Mikrohämaturie
 Proteinurie mit Ödemen (v.a. Lidödeme)
 Flankenschmerzen, Bauchschmerzen
 renale Hypertonie
 im fortgeschrittenen Stadium tastbare höckerige Nieren
 Häufig Zystenbildung in Leber, Pankreas, Milz, Schilddrüse
Niereninsuffizienz
Akutes Nierenversagen 
Def:
Plötzliches, oft reversibles Nierenversagen mit Versiegen der Harnsekretion
und Anstieg der harnpflichtigen Stoffe im Blut.
Urs:
 Prärenale Ursachen (80%)
 verminderte Nierendurchblutung infolge eines Kreislaufschocks
(Schockniere)
 Hypotonie (RR systolisch < 60 mmHg): Digitalisintoxikation,
Herzinsuffizienz
 toxische Nierenschädigung z.B. durch Medikamente, Schwermetalle,
Knollenblätterpilz, Sepsis
 Crush-Syndrom
(Verschüttungssyndrom,
Muskelzerfallssyndrom);
Auflösung der quergestreiften Muskelzellen und dadurch Überschwemmung
des Blutes mit einer Unmenge von Proteinen, welche für das akute
Nierenversagen verantwortlich gemacht werden
 Renale Ursachen
 akute entzündliche Nierenerkrankungen
 Verschluss der Nierenarterien oder -venen
 Autoimmunerkrankung
 Postrenale Ursachen
 Abflussbehinderungen der ableitenden Harnwege (beiderseits), z.B.
Prostataadenom
© Arpana Tjard Holler (Autor)
296
Harnapparat/Niere Pathologie
Pat:
Das akute Nierenversagen ist gekennzeichnet durch eine Verminderung der
Harnausscheidung (Oligurie, Anurie) und durch eine Erhöhung der harnpflichtigen
Stoffe im Serum.
Sym: Stadium I:
Initialphase mit Symptomen der auslösenden Ursache.
 Konzentrationsfähigkeit des Harns erhalten.
Stadium II:
Oligurie oder Anurie. Die glomeruläre Filtration ist stark eingeschränkt.
 Anstieg der harnpflichtigen Substanzen mit Vergiftungserscheinungen
(Bewusstseinsstörungen, Übelkeit und Erbrechen, Gastroenteritis, Perikarditis).
 Überwässerungssyndrom (Lungenödem, Hirnödem, Hypertonie).
 Metabolische Azidose
 Hyperkaliämie mit Herzrhythmusstörungen.
Stadium III:
Rückbildungsphase mit Polyurie (infolge der Hypervolämie) und allmählicher Abnahme
der harnpflichtigen Substanzen im Blut.
 Verlust von Wasser und Salzen (Elektrolytstörungen)
Stadium IV:
Heilungsphase (Restitutionsphase)
Kom: Letalität 20-30%. Eine akute Urämie entsteht 5-10 Tage nach einem akuten
Nierenversagen.
Chronische Niereninsuffizienz 
Def:
Fortschreitender Untergang von funktionsfähigem Nierengewebe durch Einbau von
Bindegewebe.
Urs:






Pat:
Die Niereninsuffizienz ist gekennzeichnet durch den Untergang der Nephrone.
Der Verlauf ist schleichend und geht über Jahre. Die Niereninsuffizienz hat zur Folge:
 Regulationsunfähigkeit des Wasser-, Elekrolyt- und Säure-BasenHaushaltes.
 Versiegen der inkretorischen Produktion (Renin, Erythropoetin, Vitamin DEnzym).
 Unfähigkeit, die harnpflichtigen Substanzen aus dem Blut herauszufiltern.
 Toxische Organschäden durch die erhöhten harnpflichtigen Substanzen im
Blut.
Chronische Glomerulonephritis (ca. 20%)
Diabetische Nephropathie (ca. 20%)
Chronische Pyelonephritis (ca. 20%)
Idiopathisch (ca. 20%)
Vaskuläre Nephropathie: Hypertonie, Arteriosklerose (ca. 10%)
Sonstiges: Zystenniere, Analgetikanephropathie, Kollagenosen, Autoimmun,
Gichtnephropathie, obstruktive Nephropathie (Harnabflussstörungen)
Es werden vier Stadien der Niereninsuffizienz unterschieden:
I.
Kompensiertes Dauerstadium
Einschränkung der Kreatinin-Clearance bei normalen Werten der harn-pflichtigen
Substanzen.
II.
Kompensiertes Stadium mit Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen
Kreatininerhöhung über 1,2 mg/dl bis 6 mg/dl keiner oder geringer Symptomatik
(Nykturie, Hypertonie), fortgeschrittene Niereninsuffizienz
Harnapparat/Niere Pathologie
III. Dekompensiertes Stadium
Kreatininerhöhung über 6 mg/dl bis 8 mg/dl mit deutlicher Symptomatik.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
297
298
Harnapparat/Niere Pathologie
IV. Terminale Niereninsuffizienz (Urämie)
Endstadium mit klassischem Bild der Urämie, führt ohne Dialysebehandlung ins
urämische Koma. Kreatininwerte über 10 mg/dl.
Sym:  Dekompensiertes Stadium (langsame Entwicklung)
 Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Appetitmangel
 Generalisierter Juckreiz (Pruritus)
 Polyurie (kann durch Umbauprozesse entstehen)
 Hypertonie, Herzrhythmusstörungen (z.B. Kammerflimmern), Perikarditis
 Polyneuropathie mit Muskelschwäche, Muskelzuckungen und -krämpfen
 Geistige Trägheit, psychiatrische Auffälligkeiten
 Pleuritis, Pneumonie
 Ödematöse Aufschwemmung
 Gewichtsverlust (Unterernährung)
 Gastroenteritis mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, Geschwüre, Blutungen,
Peritonitis
 Renale (normochrome und normozytäre) Anämie mit Retikulopenie
(verminderte „junge“ Erythrozyten)
 Thrombopenie mit hämorrhagischer Diathese (Pathomechanismus nicht geklärt)
 renale Osteopathie durch Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels mit
Osteomalazie (Knochenschmerzen) durch erhöhte Ausschüttung von
Parathormon
 Schmutzig gelbe (gelbbraune) Haut (Cafe-au-lait-Farbe)
 Urämisches Koma (Stadium IV): Symptome, welche im irreversiblen Stadium
definitiv auftreten, jedoch teilweise auch schon im kompensierten Stadium vorhanden
sein können)
 Metabolische Azidose mit Kußmaulsche Atmung (Abatmung von CO2 um die
Azidose zu kompensieren)
 Hyperkaliämie,
relative
Hyponatriämie
(Volumenüberlastung),
Hyperphosphat- und Hypermagnesiämie
 Herzrhythmusstörungen
 Schmutzige Haut (Caffee-au-lait-Farbe) infolge renaler Anämie und Anlagerung
harnpflichtiger Stoffe in der Oberhaut
 Anurie
 Hypervolämie, Ödeme (v.a. Lungenödeme = Fluid lung)
 Urinartiger Mund- und Körpergeruch (Foetor uraemicus)
 Schläfrigkeit, Verwirrung, Bewusstseinsstörungen
The:
Dialyse im Stadium der terminalen Niereninsuffizienz
 Vermeidung von kaliumreichen Speisen und Getränken (z.B. Bananen,
Trockenobst, Nüsse)
 Vermeidung von phosphatreichen Speisen und Getränken (z.B. Cola,
Schmelzkäse, Hülsenfrüchte)
 Normokalorische Kost mit entsprechender Korrektur bei Über- und
Untergewicht
 Salzige und Süße Speisen bzw. Getränke meiden
 Eiweißreiche Ernährung
 Begrenzte Flüssigkeitszufuhr (Trinkmenge wird vom Arzt errechnet)
Harnapparat/Niere Pathologie
299
Harninkontinenz
Def:
Unwillkürlicher Harnabgang
Urs:
 Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz):
Unfreiwilliger Harnabgang infolge Insuffizienz der Beckenbodenmuskulatur
bzw. Schwäche der Schließmuskel bei Belastung (z.B. Pressen, Husten, Lachen,
Heben, Hüpfen, Gebärmuttersenkung); am häufigsten bei Frauen.
 Dranginkontinenz (Urge-Inkontinenz), Syndrom der überaktiven Blase:
Unfreiwilliger Harnabgang, der mit unwiderstehlichen Harndrangattacken
verbunden ist (Reizung des Musculus detrusor). Ursache:
 Häufig idiopathisch bzw. psychosomatisch
 organische
Erkrankungen:
Harnwegsinfektionen,
Harnsteine,
neurologische Erkrankungen
 Reflexinkontinenz:
Unwillkürlicher Harnabgang ohne Harndrang durch Schädigung des Rückenmarks
bzw. des zuständigen Nervs (Nervus pudendus) durch z.B. medialen
Bandscheibenvorfall
(Kaudasyndrom),
Tumoren,
Multiple
Sklerose,
Polyneuropathie, Querschnittslähmung.
 Überlaufinkontinenz:
Unwillkürlicher Harnabgang durch passive Dehnung der Blasenwand bei einem
völligen Unvermögen der Blase den Harn zu entleeren infolge Harnabflussbehinderungen (z.B. bei Prostatahyperplasie, Polyneuropathie).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
300
I.
Neurologie
Neurologie Anatomie und Physiologie
Neurologie
Nervengewebe ........................................................................................................................................ 301
Nervensystem ......................................................................................................................................... 302
Neurologie
301
Nervengewebe

Das Nervengewebe besteht aus den
Nervenunterstützerzellen (Gliazellen).
Nervenzellen
(Neurone)
und
aus
den
Neuron (Nervenzelle)









Durch ihre Spezialisierung haben die Nervenzellen die Fähigkeit zur Zellteilung verloren.
Eine Nervenzelle besteht aus einem Zellkörper (Zellkern mit DNS) und den Zellfortsätzen.
Die Zellfortsätze leiten die Erregung zum Zellleib hin bzw. von ihm weg. Es werden daher
zwei Zellfortsätze unterschieden:
 Dendriten sind meist kurze, baumartige Zellfortsätze, welche die
Erregungsleitung auffangen und weiter zum Zellkörper des Neurons leiten.
 Axon (Neurit) leitet die Erregungsleitung vom Zellkörper zu anderen Neuronen
oder Zielzellen (z.B. Muskelzellen).
Synapsen sind Umschaltstellen zwischen den Neuronen untereinander bzw. zwischen
einem Neuron und dem Erfolgsorgan (z.B. Muskelzellen = motorische Endplatte). Sie
bestehen aus einem präsynaptischen Endkopf (präsynaptische Endigung) mit synaptischen
Vesikeln (Bläschen), einem synaptischen Spalt und einer postsynaptischen Membran.
Neurotransmitter (Überträgersubstanzen) sind chemische Stoffe, die in den synaptischen
Vesikeln enthalten sind. Durch den elektrischen Impuls platzen die Vesikel, die
Neurotransmitter werden frei und gelangen infolge der Diffusionskraft zur postsynaptischen
Membran, an der sie bestimmte Rezeptoren aktivieren.
 Acetylcholin (wirkt an der Skelettmuskulatur, am Sympathikus und
Parasympathikus)
 Adrenalin und Noradrenalin (wirken am Sympathikus)
 Dopamin (wirkt v.a. im extrapyramidalen System, verringert den Muskeltonus,
setzt das Schmerzempfinden herab)
 Serotonin (wirkt v.a. im Bauchhirn und limbischen System)
 GABA (Gamma-Aminobuttersäure; wirkt hemmend im ZNS)
Markhaltige Nervenfasern sind Nervenfortsätze, die von einer starken myelinhaltigen
Schicht (Fetteiweiß-Schicht) der Schwann-Zellen umgeben sind. Durch die Ranvierschen
Schnürringe wird die Erregungsleitung gegenüber den markarmen Nervenfasern
wesentlich erhöht (saltatorische Erregungsleitung).
Efferente Neurone (motorische Neurone) leiten die Erregung zur motorischen Endplatte
Afferente Neurone (sensible Neurone) leiten Sinnesreize zum ZNS.
Ein sog. Nerv besteht aus mehreren Nervenbündeln mit umliegendem Bindegewebe. Ein
Nervenbündel besteht aus vielen efferenten und afferenten Nervenfortsätzen.
Gliazellen (Neuroglia)




Gliazellen gehören zum Nervensystem und unterstützen in verschiedensten Funktionen die
Nervenzellen. Gliazellen können sich im Gegensatz zu den Nervenzellen teilen. Ohne die
Gliazellen sind die Neurone nicht funktionsfähig.
Schwann-Zellen sind periphere Gliazellen, die als Isolierungshülle um die Axone liegen
(sog. Hüllzellen). Je besser die Isolierung, desto schneller die Leitungsgeschwindigkeit.
Hüllzellen im ZNS werden als Oligodendrozyten bezeichnet.
Astrozyten stellen die Blut-Hirn-Schranke dar. Sie befinden sich zwischen Kapillaren und
Nervenzellen und kontrollieren somit den Stoffaustausch. Sie sind phagozytosefähig und
üben in der grauen Substanz eine Stütz- und Ernährungsfunktion aus.
Ependymzellen stellen die Liquor-Hirn-Schranke dar. Kleiden die Hohlräume im Gehirnund Rückenmark aus.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
302
Neurologie
Erregungsleitung





Ruhemembranpotential: Um ein Signal in einer Nervenzelle weiterzuleiten bedarf es eines
elektrischen Potentials an der Zellmembran, einer Ausgangssituation. Diese wird als Ruhemembranpotential bezeichnet. Dieser Spannungszustand an der Zellmembran wird durch
den Konzentrationsunterschied von K+-Ionen in der Zelle und Na+-Ionen außerhalb der
Zelle (Ionenpumpe) hervorgerufen. Da die Zellmembran nur für die K-Ionen durchlässig
ist, entsteht eine negative Spannung von ca. 90 mV an der Innenseite der Membran.
Aktionspotential: Es entsteht, wenn die Durchlässigkeit der Membran für Natrium erhöht
wird. Die Na+-Ionen strömen jetzt in das Zellinnere hinein und sorgen für eine
Depolarisierung der Zellmembran. Dieses Aktionspotential läuft als elektrischer Impuls
entlang der Nervenfaser.
Nach einer Reizung bleibt ein Nerv für eine bestimmte Zeit nicht erregbar, bis sich das
Ruhemembranpotential durch Natrium-Kalium-Pumpen wiederaufgebaut hat. Diese Zeit
nennt man Refraktärzeit.
Ist der elektrische Impuls an der Synapse angelangt, wird er in einen chemischen Reiz
umgewandelt. Aus den Vesikeln im präsynaptischen Endkopf werden Neurotransmitter
(z.B. Adrenalin, Acetylcholin und Dopamin) ausgeschüttet. Dieser Überträgerstoff gelangt
über den synaptischen Spalt zur postsynaptischen Membran und löst dort bei Neuronen
ein Aktionspotential aus. Bei der motorischen Endplatte (Verbindungsstelle eines
zuleitenden Neurons mit einem Muskel) kommt es durch den Überträgerstoff im
Zusammenhang mit Kalziumionen zur Kontraktion von Muskelfasern. Es werden erregende
und hemmende Synapsen unterschieden.
Um die Erregungsleitung für die Skelettmuskeln zu erhöhen bedient sich der Körper eines
Tricks: Die fortleitenden Nervenfasern werden von den Schwann-Zellen wie in einer
Biskuitrolle umhüllt, so dass dort kaum eine Erregungsleitung möglich ist. Zwischen zwei
Markscheidensegmenten liegt aber ein schmaler myelinfreier Spaltraum (RanvierSchnürring), so dass die Erregung von Schnürring zu Schnürring springen kann (sog.
saltatorische Erregungsübertragung = 40-120 m/s). Dadurch ist die Signalübertragung
wesentlich schneller als die elektronische Erregungsleitung (lokales Aktionspotential
pflanzt sich über die unmittelbare Nachbarschaft der Nervenzellwand hinfort = 0,5 - 3 m/s).
Nervensystem
Nervensystem
anatomische Lage
zentrales NS
Gehirn
Rückenmark

peripheres NS
31 Spinalnerven 12 Gehirnnerven
Funktion
animales NS
Sympathikus
vegetatives NS
Parasympathikus
Aufgaben:
 Reize werden in den Sinnesorganen aufgenommen und über Nervenfasern zum
Zentralnervensystem weitergeleitet.
 Innerviert (versorgt) die Muskeln und löst so Bewegungen aus.
 Reguliert alle vegetativen Funktionen, wie z.B. Atmung, Kreislauf, Blutdruck
Neurologie


303
Einteilung nach der anatomischen Lage:
 Zentralnervensystem
 Gehirn
 Rückenmark
 Peripheres Nervensystem
 12 Hirnnerven
 31 Spinalnerven
Einteilung nach der Funktion:
 Willkürliches Nervensystem
 Unwillkürliches Nervensystem
 Sympathikus
 Parasympathikus
Zentralnervensystem (ZNS)

Das Zentralnervensystem setzt sich zusammen aus Gehirn und Rückenmark. Es ist umgeben
von knöchernen Strukturen und den Hirnhäuten (Meningen).
Die Hirnhäute (Meningen)

Die Hirnhäute mit der Gehirn-Rückenmarkflüssigkeit haben die Aufgabe das ZNS vor
Stößen zu schützen und das Eigengewicht herabzusetzen. Von außen nach innen finden sich
folgende Hirnhäute:
 Die harte Hirnhaut (Dura Mater), aus derbem kollagenem Bindegewebe
bestehend, liegt dem inneren Schädelknochen an. Zwischen dem Knochen und
der harten Hirnhaut befindet sich der Epiduralraum. In der Dura mater
verlaufen die starrwandigen venösen Blutleiter.
 Die Arachnoidea liegt der Innenseite der Dura Mater an. Dazwischen befindet
sich der Subduralraum. Die Arachnoidea ist über ein spinnwebenartiges
Bälkchensystem aus Bindegewebe mit der weichen Hirnhaut verbunden. Der
Hohlraum des Bälkchensystems bildet den Subarachnoidalraum, in dem
Liquor cerebrospinalis fließt.
 Die Pia Mater liegt dem Gehirn oder Rückenmark direkt auf.
Liquorräume und Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis)






Die Hirnflüssigkeit fließt im Subarachnoidalraum und in den damit verbundenen inneren
Liquorräumen, den vier Ventrikeln.
Liquormenge:
Ca. 150 ml (pro Tag ca. 700 ml)
Zusammensetzung: Die klare, farblose Flüssigkeit ist im Wesentlichen ein Ultrafiltrat des
Blutes.
Aufgabe: Schutz vor schädigender Stoßeinwirkung. Führt zur Schwerelosigkeit des Hirns.
Bildungsort: Wird größtenteils in den Adergeflechten (Plexus choroidei) des I. und II.
Ventrikels aus dem Blut heraus filtriert.
Resorption: Fließt über die Arachnoidalzotten in die venösen Blutleiter.


Bei (angeborenen oder erworbenen) Abflussstörungen des Liquors kommt es zum
Hydrozephalus (Wasserkopf).
Es gibt folgende Liquorräume:
 Subarachnoidalraum; er umgibt das Gehirn und Rückenmark.
 Ventrikelsystem im Inneren des Gehirns:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
304
Neurologie
 Die beiden Seitenventrikel (I. und II Ventrikel). Sie befinden sich
im Zentrum der Hemisphären und haben Zugang zum:
 Dritten Ventrikel, welcher sich in der Mitte des Zwischenhirns
befindet.
 Vom III. Ventrikel fließt der Liquor über den Aquaädukt zum
vierten Ventrikel, welche sich zwischen Pons (Brücke) und dem
Kleinhirn befindet. Von hier gehen zwei Verbindungen zum
Arachnoidalraum ab.
 Der Zentralkanal schließt sich dem vierten Ventrikel an und fließt
im Zentrum der grauen Substanz des Rückenmarks.
Gehirn (Encephalon)



Das Gehirn wiegt ca. 1,5 kg und ist das zweitgrößte Organ nach der Leber. Es ist das zentrale
Steuerorgan des Nervensystems und leitet Befehle über das Rückenmark an die Peripherie
und empfängt bzw. verarbeitet Reize aus der Peripherie.
Die Substanz des ZNS lässt sich in graue und weiße Substanz unterteilen.
 Graue Substanz: Besteht aus den Zellkörpern der Neurone. Sie befindet sich im
Gehirn außen und im Rückenmark innen.
 Weiße Substanz: Besteht aus markhaltigen Nervenfasern, die für die weiße
Farbe verantwortlich sind. Sie befindet sich im Gehirn innen und im
Rückenmark außen.
Arterielle Versorgung des Gehirns:
 Die beiden inneren Halsschlagadern (Aa. carotis internae).
 Die beiden Vertebralarterien (Aa vertebralis), vereinigen sich zur Arteria
basilaris.
 Basilarisarterie und die inneren Halsschlagadern werden durch zwei
Verbindungsarterien (Aa. communicans) zu einem Anastomosenkranz (Circulus
arteriosus willisii oder cerebri) zusammengeschlossen.
Großhirn (Zerebrum) oder Endhirn (Telencephalon)








Die Aufgabe des Großhirns ist es, Handlungen bewusst zu steuern.
Das Großhirn wird durch die in der Mitte gelegene, sagittal verlaufende Großhirnsichel
(Falx cerebri) in zwei Hemisphären getrennt und macht den größten Anteil des Gehirns aus.
Es liegt direkt unterhalb der Schädelkalotte.
Beide Hemisphären sind über den Balken, in dem unzählige Nervenbahnen verlaufen,
miteinander verbunden.
In der Mitte der beiden Hemisphären liegen die Seitenventrikel.
Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) ist ca. 2-5 mm dick und enthält die graue Substanz.
Zur Oberflächenvergrößerung ist die Hirnrinde in Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci)
angeordnet
Die Großhirnrinde lässt sich in Rindenbezirke (Verbände von Nervenzellen mit ähnlichen
Funktionen) aufteilen: Motorische, sensible sowie Assoziationsfelder.
Nach der Hirnrinde folgt die weiße Substanz, in der sich sog. Kerne (die Basalganglien,
gehören dem extrapyramidalen System an) befinden, graue Nervensubstanz inmitten der
weißen Substanz.
Das Großhirn wird anatomisch in 4 Großhirnlappen unterteilt:
 Stirnlappen (Lobus frontalis) mit motorischer Rinde, hier befindet sich das 1.
motorische Neuron (Pyramidenzelle)
 Scheitellappen (Lobus parietalis) mit sensibler Rinde.
 Schläfenlappen (Lobus temporalis) mit der Hörrinde.
 Hinterhauptlappen (Lobus occipitalis) mit der Sehrinde.
Neurologie

305
Das limbische System befindet sich im Großhirn und teilweise auch im Thalamus und wird
der Gefühlswelt zugeordnet. Bekannt ist Amygdala (Mandelkern), ein paariges Kerngebiet
im medialen Temporallappen, welche an der Entstehung von Angst beteiligt ist.
Zwischenhirn (Diencephalon)

Im Zwischenhirn befindet sich der 3. Ventrikel. Das Zwischenhirn ist Schaltstelle zwischen
der Großhirnrinde und dem Stammhirn. Hauptbestandteile des Zwischenhirns sind:
 Thalamus, sog. „Tor zum Bewusstsein“
 Umschaltstation für optische, akustische und sensible Reize aus der Umwelt und
aus der Innenwelt des Körpers. Die ankommenden Informationen werden
gefiltert und nur die „Wichtigen“ werden zum Großhirn weitergeleitet. Hier
befinden sich auch noch Koordinationszentren für Berührung, Schmerz und
Temperatur.
 Hypothalamus ist das übergeordnete Zentrum („Boss“) des vegetativen
Nervensystems, das alle vegetativen Funktionen und Regulationsvorgänge
kontrolliert und steuert. Wärmeregulation, Wach- und Schlafrhythmus,
Blutdruck- und Atmungsregulation, Nahrungsaufnahme (Hunger- und
Sättigungszentrum), Fettstoffwechsel, Wasserhaushalt, Sexualfunktion,
Schweißsekretion, Steuerung des endokrinen Systems.
 Hypophyse ist ein endokrines Organ und speichert und bildet Hormone.
 Epiphyse (Zirbeldrüse, Glandula pinealis), produziert das Hormon Melatonin
Stammhirn (Hirnstamm, Truncus cerebri)

Das Stammhirn wird in drei anatomische Strukturen unterteilt:
 Mittelhirn (Mesencephalon): Der größte Teil besteht aus durchziehenden
Nervenfasern (weiße Substanz). Wichtige Anteile der grauen Substanz sind der
rote Kern (Nucleus ruber) und der schwarze Kern (Substantia nigra; hier wird
Dopamin produziert). Beide sind grobmotorische Zentren (extrapyramidales
System), die Informationen aus dem Großhirn und dem Kleinhirn erhalten
 Brücke (Pons): Befindet sich als deutliche Wölbung zwischen Mittelhirn und
Medulla oblongata.
 Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Sie schließt sich unmittelbar an das
Rückenmark an. Der größte Teil der motorischen Nervenfasern (80% der
Pyramidenbahn)
wechseln
hier
auf
die
andere
Seite
über
(Pyramidenbahnkreuzung). Das bedeutet, dass eine Gehirnhälfte die
gegenüberliegende Körperseite steuert. Der Rest der Pyramidenbahn kreuzt erst
im entsprechenden Rückenmarkssegment auf die andere Seite über.
 Bei der grauen Substanz im Stammhirn (v.a. in der Medulla) handelt es sich um
wichtige Reflex- und Schaltzentren (Atmung, Kreislauf, Erbrechen, Schlucken, Kauen,
Speichelfluss, Husten, Niesen, Tränenfluss, Lidschluss)
Kleinhirn (Cerebellum)


Das Kleinhirn liegt unterhalb der Großhirnhälften in der hinteren Schädelgrube.
Es besteht ebenso wie das Großhirn aus zwei Hälften mit Windungen und Furchen zur
Oberflächenvergrößerung. Das Kleinhirn erhält Informationen vom Großhirn, vom
Rückenmark, von den Augen und dem Gleichgewichtszentrum.
 Die Aufgabe ist die Koordination von Bewegung, Muskeltonus und Gleichgewicht.
 Damit der Mensch bei großen Bewegungen sein Gleichgewicht nicht verliert, muss der
Bewegungsablauf so kontrolliert werden, dass gegenläufige Bewegungen anderer
Körperteile das Gleichgewicht ausbalancieren.
Rückenmark (Medulla spinalis)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
306
Neurologie








Definition: Im Wirbelkanal eingeschlossener Teil des Zentralnervensystems.
Maße: Länge ca. 50 cm, Durchmesser ca. 1 cm.
Beginn: Direkt nach dem Hinterhauptsloch (Foramen occipitale).
Ende: 1. bis 2. Lendenwirbel. Darunter finden sich Bündel von Spinalnerven (Cauda
equina), die zu ihrem jeweiligen Zwischenwirbelloch ziehen.
Abschnitte:
 8 Halssegmente
 12 Brustsegmente
 5 Lendensegmente
 5 Kreuzbeinsegmente
 1 Steißbeinsegment.
Da die Wirbelsäule schneller wächst als die Rückenmarkssegmente, müssen die
Nervenwurzeln aus den unteren Abschnitten des Rückenmarks einen Teil im Wirbelkanal
entlang verlaufen (Cauda equina), bevor sie zu ihren Zwischenwirbellöchern gelangen.
Aufbau:
 Innere schmetterlingsförmige graue Substanz, enthält Zellkörper:
 Hinterhorn: Hier treten sensible, afferente Fasern ein.
 Seitenhorn: Hier befinden sich vegetative Neurone.
 Vorderhorn: Hier befindet sich das zweite motorische Neuron und
zieht mit seinen motorischen, efferenten Fasern über den
Spinalnerv zum jeweiligen Muskel.
 Äußere weiße Substanz, besteht aus markhaltigen Nervenfasern
 Vorderstrangbahn
 Hinterstrangbahn
 Seitenstrangbahn
Aufgaben:
 Leitungsorgan. Das Rückenmark leitet Nervenimpulse von der Peripherie zum
Gehirn und umgekehrt.
 Reflexorgan, Vermittlung von Reflexen. Ein Reflex ist eine unwillkürliche
Reaktion auf einen Reiz.
 Reflexbogen (Ablauf eines Reflexes):
 Reizaufnahme durch Rezeptor an der Peripherie.
 Sensible Nervenfaser leitet Impuls zum Hinterhorn.
 Umschaltung auf das Vorderhorn (Schaltneuron).
 Motorische Nervenfasern leiten den Impuls auf das Erfolgsorgan.
Eigenreflexe (Monosynaptische Reflexe)



Reflexe sind unwillkürliche Reaktionen auf einen Reiz, ohne Beteiligung des Großhirns.
Die physiologische Bedeutung der Eigenreflexe liegt in der Aufrechterhaltung des jeweils
benötigten Muskelruhetonus. Muskelspindeln sind die Dehnungsrezeptoren und geben ihre
Information über den jeweiligen Dehnungszustand ständig an das Hinterhorn des
Rückenmarks ab. Damit es nicht zu übersteigerten Muskeleigenreflexen kommt, wird das
Ausmaß durch Interneurone gehemmt.
Eigenschaften der Muskeleigenreflexe:
 Reizaufnahme und Reizantwort erfolgen an demselben Muskel.
 Sehr kurze Reflexzeit (ca. 40 msek).
 Arbeiten unabhängig von der Stärke des auslösenden Reizes
 Keine Ermüdbarkeit
 Arbeiten mit einer Schaltstelle (monosynaptisch)
Neurologie
307

Wichtige Eigenreflexe:
 Patellarsehnenreflex (PSR; auch: Quadrizepssehnenreflex), überprüft die
Rückenmarkssegmente L2-L4: Patient in sitzender Position, Beine baumeln frei
herunter. Schlag mit dem Reflexhammer auf die Sehne unterhalb der
Kniescheibe. Dies führt zur Kontraktion des Musculus quadriceps meist mit
Streckbewegung des Unterschenkels
 Achillessehnenreflex (ASR; auch: Triceps-surae-Reflex), überprüft die
Rückenmarkssegmente S1/S2: Schlag auf die Achillessehne, wobei der Patient
so kniet, dass seine Füße frei beweglich über eine Kante hinausragen. Dies führt
zur Plantarflexion des Fußes (Beugung in Richtung Fußsohle). Der Reflex kann
auch am liegenden oder sitzenden Patienten durchgeführt werden.
 Bizepssehnenreflex (BSR), überprüft die Rückenmarkssegmente C5/C6: Ein
Schlag auf den Daumen, welcher auf der Sehne des Musculus biceps brachii bei
angewinkeltem Ellenbogen liegt, führt zu einer schwachen Beugung des
Unterarms im Ellenbogengelenk.
 Trizepssehnenreflex (TSR), überprüft die Rückenmarkssegmente C6/C7: Eine
Hand zieht den gegenüberliegenden Arm zu sich herüber, während die andere
Hand einen Schlag oberhalb des Olekranon (Ellenbogen) beim gebeugten
Ellenbogengelenk auf die Sehne des Musculus triceps brachii abgibt. Dies führt
zur leichten Streckung im Ellenbogengelenk
 Masseterreflex überprüft den dritten Ast des Trigeminus
 Radiusperiostreflex (Radiusreflex), geeignet zur Feststellung einer
Radiuslähmung: Schlag auf die distale Lateralseite (unteres Drittel) des Radius
bei leicht gebeugten Arm führt zu leichten Flexion des Unterarms.
 Bauchdeckenreflex: Schlag auf die auf die Bauchmuskulatur gedrückten Finger
führt zur Kontraktion auf der gleichen Seite), überprüft die
Rückenmarkssegmente Th6/L1
 Der Bauchdeckenreflex ist nicht zu verwechseln mit dem Bauchhautreflex.
 Bei schwer auslösbaren Reflexen kann eine Reflexbahnung angewandt werden. Damit sind
Techniken gemeint, die zur Steigerung der Erregungsabläufe in einem Reflexbogen führen
sollen, z.B. der Jendrassik-Handgriff: Patient zieht die ineinander verhakten
Fingerendglieder beider Hände kurz und kräftig auseinander
 Die Prüfung erfolgt mit einem Reflexhammer.
 Abschwächung (Hyporeflexie) oder Aufhebung (Areflexie) von Muskeleigen-reflexen
bei: Peripherer Lähmung, Polyneuropathie, Wurzelkompression (Schädigung des
2.Neurons).
 Verstärkte Reflexe (Hyperreflexie) bei: Schädigung der Pyramidenbahn (Schädigung des
1. Neurons).
 Eine Hyperreflexie kann sich auch als erschöpflicher oder unerschöpflicher Klonus
(rhythmische Muskelkontraktion) ausdrücken.
Fremdreflexe (Polysynaptischer Reflex)



Fremdreflexe ermöglichen eine blitzschnelle Reaktion verschiedener Muskelgruppen auf
einen Reiz hin, z.B. die der quergestreiften Muskulatur beim Stolpern. Sie werden in den
Spinalsegmenten des Rückenmarks umgeschaltet.
Viszerale Reflexe sind Fremdreflexe, welche auf der Hirnstammebene umgeschaltet werden
und vegetative Reaktionen auf einen Reiz ermöglichen.
Eigenschaften der Fremdreflexe:
 Reizaufnahme und Reizantwort erfolgen in unterschiedlichen Organen (Muskel,
Haut)
 Längere Reflexzeit (70 - 150 msek)
 Auslösung ist von der Reizintensität abhängig
© Arpana Tjard Holler (Autor)
308
Neurologie
 Schnelle Ermüdbarkeit
 Arbeiten mit mehreren Schaltstellen (polysynaptisch)





Wichtige Fremdreflexe:
 Würgreflex (Gaumenreflex): Reflexauslösung durch Berührung des
Gaumensegels, der Gaumenbögen oder des Gaumenzäpfchens. Reflexantwort:
Anhebung des Gaumens und Kontraktion der Rachenmuskulatur
 Pupillenreflex: Veränderung der Pupillenweite infolge von unterschiedlichem
Lichteinfall und bei Sympathikus- bzw. Parasympathikusreaktion.
 Lidschlussreflex: Schluss der Lider durch Reizung der Hornhaut
(Hornhautreflex), der Augenbindehaut, infolge eines blendenden Lichteinfalls,
bei plötzlich starkem akustischem Reiz oder bei Wahrnehmung von Objekten,
die sich in Richtung Kopf bewegen.
 Hornhautreflex (Kornealreflex): Reflexauslösung: Bestreichen der Hornhaut mit
einem Wattebausch. Reflexwirkung: Schließung des Augenlids. Überprüft den
Trigeminusast V1 (Nervus ophthalmicus)
 Bauchhautreflex: Reflexauslösung durch kurzes und rasches Bestreichen der
Bauchhaut mit einem spitzen Gegenstand von lateral nach medial in drei Ebenen
links und rechts des Nabels bei entspannter Rückenlage (Arme und Kopf
entspannt!). Reflexwirkung: Kontraktion der Bauchmuskulatur mit sichtbarer
Bewegung der Bauchhaut und des Nabels.
 Kremasterreflex (Hodenreflex): Reflexauslösung durch leichtes Bestreichen der
Haut der Oberschenkelinnenseite. Reflexantwort: Hochziehen des Hodens auf
der gleichen Seite.
 Analreflex: Durch Bestreichen der Dammhaut bzw. der perianalen Haut kommt
es zur Kontraktion des äußeren Schließmuskels des Anus.
 Plantarreflex (Fußsohlenreflex): Auslösung durch Strich mit einem spitzen
Gegenstand von der Ferse aus an der äußeren Seite der Fußsohle bis zum kleinen
Zeh und unterhalb der Zehen weiter bis zum großen Zeh. Als Reflexantwort gilt
eine leichte Krümmung der Zehen mit Fluchtbewegung des Fußes (nicht zu
verwechseln mit dem Babinski-Zeichen)
 Weitere Fremdreflexe: Schluckreflex, Stolperreflex
Abschwächung oder Aufhebung von Fremdreflexen bei: spastischen und schlaffen
Lähmungen
Fehlen oder Abschwächung des Bauchhautreflexes bei:
 Multiple Sklerose
 Pyramidenbahnschädigung
 Narben und lokale Erkrankungen
 zu schlaffe Bauchdecken (z.B. bei älteren Patienten, die keiner körperlichen
Tätigkeit nachgehen), zu straffe Bauchdecken (z.B. Schwangere)
Frühkindliche Reflexe: Physiologische Reflexe bei Neugeborenen und Säuglingen, die
nach einiger Zeit verschwinden müssen z.B.
 Babinski-Reflex
 Suchreflex, Greifreflex, Saugreflex, Moro-Reflex = Klammerreflex)
Pyramidenbahnzeichen: Durch Schädigungen der Pyramidenbahn ausgelöste
pathologische Reflexe, z.B.:
 Babinski-Zeichen: Entlang streichen an der Fußaußenseite von Ferse in
Richtung Kleinzehe führt zur Dorsalflexion der Großzehe.
 Patellarklonus. Auslösung: Kniescheibe wird mit Daumen und Zeigefinger von
oben fixiert und dann ruckartig nach kaudal (in Richtung der Fußspitzen)
gedrückt und dort festgehalten. Antwort: rhythmisches Zucken (Klonus) der
Kniescheibe.
Neurologie
309

Unter Reflexstatus versteht man die Überprüfung aller Eigen- und Fremdreflexe, der
Kleinhirnbahnen, sowie der Hirnnerven.
Peripheres Nervensystem
Spinalnerven (Rückenmarksnerven)





Vom Rückenmark treten 31 Nervenpaare durch die Zwischenwirbellöcher (Foramen
intervertebrale) aus und ziehen zur Peripherie.
8 Hals-, 12 Brust-, 5 Lenden-, 5 Kreuzbeinnervenpaare und 1 Steißbeinnervenpaar.
Dermatom: Ein bestimmtes Hautsegment, welcher von einem Spinalnerv innerviert wird.
Nervengeflechte (Plexus): Vermischung von Nervenfasern aus mehreren Spinalnerven,
sodass Nerven entstehen, die Anteile aus mehreren Rückenmarkssegmenten besitzen:
Plexus cervicalis (Halsgeflecht: C1-C4), Plexus brachialis (Armgeflecht: C5-Th1), Plexus
lumbalis (Lendengeflecht: L1-L4), Plexus sacralis (Kreuzbeingeflecht: L4-S3)
 Aus dem Plexus brachialis entstehen die drei Armnerven:
 Nervus ulnaris
 Nervus medianus
 Nervus radialis.
Head’sche Zonen: Spinalnerven stehen über ihre gemeinsame Wurzel mit vegetativen
Nerven in Verbindung. Bei der Erkrankung eines Organs findet man häufig in dem
dazugehörigen Dermatom Durchblutungsstörungen und andere Haut- und
Bindegewebsveränderungen.
Die 12 Hirnnerven





Hirnnerv I. = Nervus olfactorius (Riechnerv)
 Ein rein sensorischer Nerv
 Hirnnervenprüfung: mit aromatischen Stoffen, Patient hält mit geschlossenen
Augen ein Nasenloch zu.
Hirnnerv II. = Nervus opticus (Sehnerv)
 Beginnt an der Netzhaut des Auges und zieht zum Hinterhauptlappen.
 Ein rein sensorischer Nerv.
 Hirnnervenprüfung: Visustafel, Fingerperimetrie, Ophthalmoskopie (Augenhintergrunduntersuchung).
Hirnnerv III. Nervus oculomotorius (Augenbeweger; 1. Augenmuskelnerv)
 Motorische Nervenfasern
 Hirnnervenprüfung: Untersuchung der Folgebewegung der Augen
in horizontaler vertikaler Richtung, Auftreten von Doppelbildern?
und Nystagmus (unwillkürliches Zittern des Augapfels)?
 Parasympathische Anteile: Innerviert Ziliarmuskel (Nah- und Ferneinstellung
des Auges) und Musculus sphincter pupillae (Pupillenverengung)
 Hirnnervenprüfung: Inspektion der Pupillengröße (ungleich oder
entrundet?), Pupillenreaktion auf Lichteinfall, Prüfen der
Konvergenzreaktion.
Hirnnerv IV. = Nervus trochlearis (Rollnerv; 2. Augenmuskelnerv)
 Ein rein motorischer Nerv
Hirnnerv V. = Nervus trigeminus (Drillingsnerv)
 Hirnnerv V1 = Nervus ophthalmicus (Augenhöhlennerv)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
310
Neurologie


 Sensibler Nerv: Auge (Bindehaut, Hornhaut, Lederhaut, Aderhaut),
Augenhöhle, Nasenrücken, Stirn.
 Tritt aus einer kleinen Knochenöffnung am oberen
Augenhöhlenrand heraus (Foramen supraorbitale)
 Hirnnervenprüfung: Prüfung des Versorgungsgebietes mit Watte
und Nadel, Auslösung des Kornealreflexes.
 Hirnnerv V2 = Nervus maxillaris (Oberkiefernerv)
 Sensibler Nerv: Gaumen, Oberkiefer, Oberlippe, Nasenflügel,
obere Zähne.
 Tritt unterhalb des Auges im Oberkiefer heraus (Foram.
infraorbitale)
 Hirnnervenprüfung: Prüfung des Versorgungsgebietes
 Hirnnerv V3 = Nervus mandibularis (Oberkiefernerv)
 Sensibler Nerv: Unterkiefer, Unterlippe, Teil der vorderen Zunge,
untere Zähne, äußerer Gehörgang.
 Motorischer Nerv: Innerviert alle Kaumuskeln und Muskulatur des
Mundbodens.
 Tritt an der Außenseite des Unterkiefers unterhalb des 2.
Backenzahns aus (Foramen mentale).
 Hirnnervenprüfung: Prüfung des Versorgungsgebietes, Auslösung
des Masseterreflexes.
Hirnnerv VI. = Nervus abducens (Augenabführer; 3. Augenmuskelnerv)
 Ein rein motorischer Nerv.
Hirnnerv VII. = Nervus facialis (Gesichtsnerv)
 Großer Anteil an motorischen Fasern: Mimische Muskulatur.
 Sensorische Fasern: Geschmacksempfindung.
 Parasympathische Fasern: Tränendrüse, Speicheldrüsen außer Parotis.
 Hirnnervenprüfung: Kontrollieren der mimischen Muskulatur (Stirnrunzeln,
Augen zu kneifen, Backen aufblasen, Zähne zeigen), Geschmacksprüfung. Eine
Tränenproduktion lässt sich mit dem Schirmer-Test kontrollieren: Ein
Filterpapierstreifen wird in den unteren Bindehautsack eingeführt. Nach 5 min
sind 10-20 mm normal
 Fazialislähmung tritt häufig auf als Folge eines Schlaganfalls.
 Hirnnerv VIII. = Nervus vestibulocochlearis (Gleichgewichts- und Hörnerv)
 Ein rein sensorischer Nerv.
 Hirnnervenprüfung: Untersuchung auf Hörfähigkeit (Zahlen flüstern, andere
Ohrseite zuhalten), Hörprüfung mittels Rinne- und Weber-Versuch,
Gleichgewichtsprüfung.
 Im Bereich des Nervs entsteht häufig ein gutartiger Tumor (Akustikusneurinom).
 Hirnnerv IX. = Nervus glossopharyngeus (Zungen- und Rachennerv)
 Motorische Fasern: Gaumen- und Rachenmuskeln (Schluckakt).
 Sensible Fasern: Schleimhaut Zunge, Gaumen und Rachen und Zunge.
 Parasympathische Fasern: Ohrspeicheldrüse.
 Hirnnervenprüfung: Testen des Würgreflexes, Abweichung des Zäpfchens?
 Hirnnerv X. = Nervus vagus (Eingeweidenerv)
 Hauptnerv des Parasympathikus, innerviert Kehlkopf, Herz, Lunge, Leber,
Niere, Magen, Dünndarm und Dickdarm bis ca. Mitte Colon transversum
 Motorische Fasern: Muskulatur des Rachens, Kehlkopfes und Speiseröhre
 Sensible Fasern: Geschmacksempfindung, Schleimhaut Rachen und äußerer
Gehörgang
Neurologie



311
Hirnnerv XI. = Nervus accessorius (Halsnerv)
 Rein motorischer Nerv, innerviert den Sternokleidomastoideus (SCM) und den
Musculus trapezius.
 Hirnnervenprüfung:
 SCM: Kopf gegen Widerstand drehen.
 Trapezius: Schulter gegen den Widerstand anheben.
Hirnnerv XII. = Nervus hypoglossus (Zungennerv)
 Rein motorischer Nerv: Zungenbewegungen.
 Hirnnervenprüfung: Zunge herausstrecken lassen (einseitiges Abweichen?)
Lernspruch:
 Onkel Otto operiert tagtäglich, aber freitags vertritt er gerne viele attraktive
Hebammen.
 Onkel Otto onaniert tagtäglich, aber freitags vögelt er gerne viele attraktive
Hebammen.
 Oma oben ohne tanzt tropfnass aber froh vor Großvaters Alberts Haus.
Willkürliches Nervensystem (animales NS)



Regelt alle Funktionen des Organismus, die dem bewussten Willen unterworfen sind. Die
Hauptzentrale ist dabei das Großhirn und das Rückenmark. Damit uns ein Vorgang
bewusstwerden kann, muss der Nervenimpuls die Großhirnrinde erreichen.
Die Informationen bekommt die Zentrale über sensible Nerven aus der Peripherie. Der
Thalamus entscheidet, welche Informationen zur Großhirnrinde gelangen.
Die motorischen Befehle nehmen dann ihren Weg über das erste motorische Neuron
(Pyramidenbahn) zum Vorderhorn der grauen Substanz im Rückenmark, werden dort auf
das zweite Neuron umgeschaltet und gelangen über die Spinalnerven zum jeweiligen
Muskel.
Unwillkürliches Nervensystem (autonomes, vegetatives NS)


Umfasst alle Nervenfasern, deren Aufgaben nicht vom bewussten Willen beeinflusst
werden. Es ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung des inneren Milieus im Körper und
innerviert die glatte Muskulatur der inneren Organe, die Herzmuskulatur, das Nierenmark
und die Drüsen.
Koordinationszentrum ist der Hypothalamus („Boss“ des Vegetativums). Ihm unterliegen
v.a. im Hirnstamm liegende Kerne, die als eigenständige Reflexzentren fungieren (z.B.
Atem- und Kreislaufzentrum).
Sympathikus




Aufgabe ist die Mobilisierung der Energie, die bei Stressreaktionen wie z.B. Flucht oder
Kampf nötig ist
Das präsynaptische Neuron im Seitenhorn (C8 - L2) verlässt das Rückenmark durch die
Vorderwurzel und verbindet sich im Grenzstrang mit dem postsynaptischen Neuron. Vom
Grenzstrang ziehen Axone zur glatten Muskulatur aller inneren Organe, zum Herz und zu
den Drüsen.
Der Grenzstrang zieht als Ganglienkette beiderseits der WS vom unteren Halsbereich bis
hinunter zum Kreuzbein.
Wirkung: Hemmend auf die glatte Muskulatur der Eingeweide und Ausscheidungsorgane
sowie auf die Verdauungsdrüsen und erregend auf alle anderen Organe. Beispiele:
 Herzfrequenzsteigerung
 Atemfrequenzsteigerung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
312
Neurologie

 Blutdruckanstieg
 Erschlaffung der Bronchialmuskulatur
 Pupillenerweiterung (Mydriasis)
 Auslösung der Ejakulation beim Mann
 Dämpfung der Magen-Darm-Motalität
 Verminderung der Sekretion der Verdauungsdrüsen
Überträgerstoff: Gemisch aus Adrenalin und Noradrenalin
Neurologie
313
Parasympathikus (kraniosakrales System)




Aufgabe: Energieliefernde Prozesse in den Erholungsphasen zu gewähren.
Der Parasympathikus wird als kraniosakrales System bezeichnet, weil er seinen Ursprung
im Hirnstamm und in den Sakralsegementen des Rückenmarks hat.
 Hirnstamm: Nervus Vagus (Hauptnerv) und kleinere Anteile in drei weiteren
Hirnnerven (III. + VII. + IX.)
 Rückenmark: In den Seitenhörnern S2-S4.
Die Wirkung ist entgegengesetzt zum Sympathikus. Beispiele:
 Herzfrequenzabfall
 Atemfrequenzabfall
 Blutdrucksenkung
 Kontraktion der Bronchialmuskulatur
 Pupillenverengung (Miosis)
 Auslösung der Erektion beim Mann
 Steigerung der Magen-Darm-Motalität, Öffnung des Schließmuskels (After)
 Steigerung der Sekretion der Verdauungsdrüsen
 Bewirkt die Miktion (Harnlassen), durch Kontraktion der glatten Muskulatur der
Harnblase und Öffnung des Schließmuskels
Überträgerstoff: Acetylcholin
Intramurales Nervensystem (sog. Bauchhirn)

Das sog. Darmwandnervensystem (mehr als 100 Mill. Ganglienzellen!) ist der dritte relativ
unabhängige Anteil des vegetativen Nervensystems (noch recht unerforscht). Es steuert im
Wesentlichen die Durchblutung, Motorik und Sekretion.
 Der Auerbach Plexus liegt in der Muskularis und regelt die Peristaltik.
 Der Meissner Plexus liegt in der Submukosa und regelt die Sekretion.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
314
Neurologie Pathologie
Neurologie Pathologie
Abklärung verschiedener pathologischer Grundbegriffe .................................................................... 315
Traumatisch bedingte Gehirnschäden (Schädelhirntrauma = SHT)  ............................................. 323
Intrakraniale Hämatome  .................................................................................................................. 324
Apoplexie (Hirnschlag)  .................................................................................................................... 325
Epilepsie (Anfallsleiden)  .................................................................................................................. 326
Degenerative Erkrankungen................................................................................................................. 328
Entzündliche Erkrankungen des ZNS.................................................................................................. 330
Migräne ................................................................................................................................................. 331
Hirntumore ............................................................................................................................................ 333
Huntington (Chorea major) .................................................................................................................. 334
Neurologie Pathologie
315
Abklärung verschiedener pathologischer Grundbegriffe
Neuralgien
Def.:
Schmerzen, die auf das Ausbreitungsgebiet eines Nervs beschränkt sind.
Urs.:
Idiopathisch (z.B. Trigeminusneuralgie), mechanische Kompressionen (z.B. Ischialgie),
Entzündungen (z.B. Herpes Zoster).
Trigeminusneuralgie
Def:
Auftreten heftiger (meist einseitiger) kurzer Schmerzattacken im Bereich des
Versorgungsgebietes des Nervus Trigeminus.
Urs:
 Idiopathisch, auslösende Faktoren können sein: Kälte, Niesen, Sprechen, Berührung,
Stress (?). Betroffen ist v.a. der zweite Ast.
 Ältere Menschen erkranken häufiger als junge. Frauen sind doppelt so häufig
betroffen.
 Sekundär durch andere Erkrankungen, z.B. mechanische Schädigung des Nervens,
nach Zahnextraktionen oder Wurzelbehandlungen, Sinusitis, Zoster ophthalmicus,
Polyneuropathie (z.B. Diabetes mellitus, Alkoholkrankheit, MS).
Sym: 





einseitige, blitzartige einsetzende reißende, brennende stärkste Schmerzen
Rötung des Gesichts
Tränen und Schweißsekretion
evtl. können Parästhesien vorausgehen
Anfallartig, zwischen den Anfällen völlige Schmerzfreiheit
Druckschmerzhaftigkeit der Nervenaustrittspunkte
 Patienten mit starker Trigeminusneuralgie sind suizidgefährdet.
The:
 Psychosomatisch arbeiten
 Bei heftigen Schmerzen starke Schmerzmittel oder Antiepileptika
 Bei anhaltenden Perioden Zerstörung des Ganglions oder Durchtrennung des Nervs.
Neuritis
Def:
Entzündung eines peripheren Nervs.
Urs:
 Infektiös z.B. bei Bakterienruhr, Typhus, Diphtherie, Tuberkulose, Herpes Zoster,
Gürtelrose, Mononukleose
 Autoimmun bedingt z.B. bei Panarteriitis nodosa
 Toxisch bedingt z.B. bei Alkohol, Blei, Quecksilber
Sym: 




Schmerzen
Parästhesien (Missempfindung, Sensibilitätsstörungen)
Schlaffe Lähmungen
vegetativ trophische Störungen (Haarausfall, Nagelveränderungen)
Entzündungszeichen: Rubor, Kalor, Dolor
Polyneuropathie (PNP) 
Def:
Erkrankung des peripheren Nervensystems aus nicht traumatischer Ursache.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
316
Neurologie Pathologie
Urs:
 Idiopathisch (häufigste Form, ca. 25%)
 Diabetes mellitus (Mikroangiopathie)
 Alkoholische Polyneuropathie







Im Rahmen einer Niereninsuffizienz (Vergiftung durch harnpflichtige Stoffe)
Im Rahmen einer Multiplen Sklerose
Infektionskrankheiten (z.B. Lyme-Borreliose, AIDS, Diphtherie, FSME, Masern)
Endokrine Erkrankungen (z.B. Hypothyreose, Akromegalie)
Kollagenosen (z.B. Lupus erythematodes, Sklerodermie)
Andere Toxine, z.B. chronische Bleivergiftung, Medikamente
Paraneoplastisches Syndrom (Krankheitszustände im Zusammenhang mit
malignen Tumoren)
 Autoimmunerkrankung (Guillain-Barrè-Syndrom)
 Perniziöse Anämie (B12 - Mangel), Pellagra (Nicotinsäuremangel)
Sym: Distal betonte Parästhesien (Missempfindungen)
 Sensible Ausfallserscheinungen, häufig symmetrisch
 Vermindertes Vibrationsempfinden
 Hypästhesie (herabgesetzte Empfindung von Berührungsreizen)
 Vermindertes Schmerzempfinden
 Vermindertes Temperaturempfinden
 Hyporeflexie, Areflexie (Fehlen von Reflexen)
 meist symmetrisch trophische Störungen, typisch strumpf- oder handschuhförmig
 Restless-legs-Syndrom
 evtl. schlaffe Lähmungen
 evtl. Muskelatrophie
 Autonome Neuropathie (Erkrankung von Sympathikus und Parasympathikus):
Hyperhidrosis, trocken Haut, kalte Extremitäten, warme Extremitäten, Diarrhö,
Obstipation, Tachykardie, Bradykardie, Erektionsstörungen
Restless-legs-Syndrom
Def:
Syndrom der unruhigen Füße. Unfähigkeit die Beine nachts und in Ruhe still zu halten,
gepaart mit Missempfindungen meist in den Waden.
Urs:
 Idiopathisch
 Sekundär, z.B. Polyneuropathie, Anämie, Urämie, Dialyse (Hyperkaliämie),
Medikamenteneinnahme (z.B. Antidepressiva), Kalziummangel, Schwangerschaft,
Ischialgie, Parkinson-Syndrom
Sym:  in der Nacht und in Ruhe auftretender Bewegungsdrang

Beschwerden werden durch Bewegung aufgehoben.
 Parästhesien, z.B. Brennen, Kribbeln, Hitze- und Kältegefühl, Schmerzen
 Schlafstörungen
 Kalziumspiegel im Blut normal, Reflexe normal
Lähmungen
Schlaffe Lähmung
Def:
Maximal herabgesetzter Muskeltonus mit der Unfähigkeit zur Bewegung.
Urs:
Schädigung des 2. motorischen Neurons, z.B. Trauma (Durchtrennung), Kompression,
Polyneuropathie, Poliomyelitis (Schädigung des Vorderhorns).
Sym: Areflexie, Bewegungsunfähigkeit
Neurologie Pathologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
317
318
Neurologie Pathologie
Spastische Lähmung 
Def:
Maximal heraufgesetzter Muskeltonus mit der Unfähigkeit zur Bewegung.
Urs:
Schädigung des 1. motorischen Neurons (Pyramidenbahnschädigung):
 Querschnittslähmung
 Apoplex (Hirnschlag)
 SHT (Schädel-Hirn-Trauma)
 Entzündungen (z.B. Enzephalitis)
 Tumore im ZNS
 multiple Sklerose
 perniziöse Anämie
Sym: 
Spasmus (kein Rigor)

Eigenreflexe erhöht (intakter Reflexbogen)
 Fremdreflexe abgeschwächt
Fazialislähmung 
Syn:
Fazialisparese, Gesichtslähmung.
Def:
Vollständige bzw. teilweise Lähmung des Nervus facialis (VII. Hirnnerv) mit Ausfall
bzw. Beeinträchtigung der mimischen Muskulatur.
Unterscheidung:
 Zentrale Fazialisparese (zentrale faziale Parese, Gesichtslähmung vom zentralen
Typ): Schädigung der Nervenzellen in der Großhirnrinde, welche die Kerne des
Nervus facialis im Stammhirn steuern.
 Periphere Fazialisparese (Gesichtslähmung vom peripheren Typ): Schädigung des
Nervus Facialis in seinem Verlauf.

Ursachen
Zentrale Fazialislähmung
Apoplexie, SHT, Tumore
Multiple Sklerose
Enzephalitis
Schädigung 1. Motoneuron
Ort
Lobus frontalis (Stirnlappen)
Stirnrunzeln Erhalten

Urs:
Periphere Fazialislähmung
Idiopathisch
nach
einer
Virusinfektion
Lyme-Borreliose, Herpes-Zoster
Otitis media
Polyneuropathie
2. Motoneuron
Stammhirn
Nicht erhalten
 Zentrale Fazialisparese:
 Apoplexie, Blutungen
 Tumore
 Multiple Sklerose
 Periphere Fazialisparese:
 Idiopathische Fazialisparese (75%, am häufigsten); vermutet wird eine
Virusinfektion, kommt häufig bei Kindern vor. Sie heilt oft ohne weitere
Therapie folgenlos ab.
 Trauma (Fraktur des Felsenbeins)
 Infektionen, z.B. Lyme-Borreliose, Herpes-Zoster-Infektion (Zoster oticus),
Mononukleose, Tuberkulose u.a.
 Otitis media (Mittelohrentzündung)
 Tumore im Verlauf der Nerven (z.B. Akustikusneurinom)
 Polyneuropathie
Neurologie Pathologie
319
Sym:  Zentrale Fazialisparese
 Auge kann nicht alleine geschlossen werden (kann aber geschlossen werden,
wenn der Betroffene beide Augen zumacht
 Behinderung der mimischen Muskulatur v.a. im Mundbereich
 Herabhängender Mundwinkel, unvollständig geschlossener Mund
 Evtl. Geschmacksstörungen
 Evtl. Störungen der Tränensekretion
 Evtl. erhöhte Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis)
 Stirnrunzeln i.d.R. erhalten
 Periphere Fazialisparese
 Gleiche Symptomatik nur Stirnrunzeln nicht möglich
 Lidschluss unvollständig (sog. Bell-Phänomen: die nach oben gerollten
Augen sind sichtbar), Herabhängen des Unterlides
 Nasolabialfalte verstrichen
 Parese bezeichnet eine unvollständige Lähmung, während Paralyse oder Plegie eine
vollständige Lähmung bezeichnet.
Medianuslähmung 
Def:
Urs:
Durch Kompression verursachte Lähmung im Verlauf des Nervus medianus.

 Schädigung des Nervs im Bereich des Ober- oder Unterarms (Frakturen, Tumore,
Muskel klemmt den Nerv ein).
 Schädigung des Nervs im Bereich des Karpaltunnels, bekannt als das
Karpaltunnelsyndrom.
 Primär: Wucherung von Granulationsgewebe im Karpaltunnel oder
Wassereinlagerung, idiopathisch, Frauen sind doppelt so häufig betroffen,
häufig nach der Menopause, während der Schwangerschaft
 Sekundär: z.B. als Folge von rheumatischer Arthritis, degenerative
Veränderungen des Handgelenks, Diabetes mellitus, Gicht, Hypothyreose,
Schwangerschaft, Alkoholkrankheit oder Traumen (Frakturen, Luxation des
Handgelenks)

Sym:  Missempfindungen im Bereich des Daumens und der ersten drei Finger
 v.a. nächtliche Schmerzen der Hand mit Ausstrahlung in den Arm, können durch
Schütteln der Hand besser werden; auch Kälte kann helfen
 Daumenballenatrophie, dem Patienten fallen Gegenstände aus der Hand, kann nicht
mit dem Daumen greifen

Beugeunfähigkeit der ersten beiden Finger
 Bei der primären Form in der Hälfte der Fälle symmetrische Beschwerden
 Test: Patient wird aufgefordert die erhobenen Finger zur Faust zu schließen; infolge
der Beugeunfähigkeit der ersten beiden Finger entsteht die Schwurhand.
 Phalen-Zeichen positiv: Auftreten von Parästhesien an der Beugeseite der ersten drei
Finger infolge einer maximalen Dorsalextension (Gebetsstellung) beider Hände.
 Hoffmann-Tinel-Zeichen: durch Beklopfen des geschädigten Nervs kommt es zu
Parästhesien mit dem Gefühl des Elektrisiert-werdens.
Weitere Nervenlähmung 

Peronaeuslähmung: Lähmung des Nervus peronaeus (Nervus fibularis) mit Ausfall der
Fußheber.
 Ursachen:
 Schädigung des ersten Motoneurons: z.B. Apoplex
© Arpana Tjard Holler (Autor)
320
Neurologie Pathologie



 Schädigung des zweiten Motoneurons: v.a. Druck in Höhe des
Wadenbeinköpfchens (z.B. Gipsverband), Fraktur, Diskusprolaps
 Symptome:
 Fallfuß, Spitzfuß
 Steppergang: beim Gehen wird das betroffene Bein so weit
hochgehoben, dass der schlaff herabhängende Fuß in der
Schwungphase nicht am Boden schleift
 Fersenstand unmöglich
Radialislähmung: Meist durch Druck (häufig als sog. Parkbanklähmung) oder Fraktur
verursachte Lähmung des Nervus radialis.
 Sog. Fallhand durch den Ausfall der Strecker für Hand und Finger.
Ulnarislähmung: Meist durch Druck oder Fraktur verursachte Lähmung des Nervus
ulnaris.
 Sog. Krallenhand
Merksatz für Medianus-, Ulnaris- und Radialislähmung:
 „Ich schwöre beim heiligen Medianus, dass ich der Ulna die Augen auskrall,
wenn ich vom Rad fall“.
Horner Symptomenkomplex (Horner-Syndrom) 
Def:
Typischer Symptomentrias aus:
 Miosis (Verengung der Pupille)
 Ptosis (Herabhängen des Oberlids)
 Enophthalmus (tiefliegender Augapfel)
Urs:
Schädigung der zum Auge laufenden Sympathikusfasern im Halsbereich.
 Traumen
 Tumore, z.B. Pancoast-Tumor, Mammakarzinom (Metastasen), Neuroblastom
 Struma
Sinus-cavernosus-Thrombose (Kavernosusthrombose)
Def:
Hirnvenenthrombose (Sinusthrombose) des Sinus cavernosus (eine schwammartige
Konstruktion aus venösen Blutleitern beidseits des Türkensattels), welcher u.a. sein Blut
von den Gesichtsvenen (oberhalb der Lippe) bekommt.
Urs:
Entzündungen der Gesichtshaut (Akne, Follikulitis, Furunkel, Piercing u.a.) kann zur
Thrombophlebitis (Entzündung der oberflächlichen Venen) und somit zur
Verschleppung von thrombotischem Material in den Sinus cavernosus führen.
Sym: 
Fieber, starke Kopfschmerzen (Meningismus), Bewusstseinsstörungen
 evtl. Krampfanfälle
 Hirnnervenlähmung
 Exophthalmus (Hervortreten des Augapfels) infolge von Ödemen hinter dem
Augapfel
 Gilt als Notfall, ungünstige Prognose (35% Letalität).
Kleinhirnzeichen 
Def:
Die Zeichen und Symptome, die bei Schädigung des Kleinhirns auftreten (ähnlich einer
Alkoholvergiftung).
Neurologie Pathologie
Urs:
321
 Traumen, Tumore, Multiple Sklerose, zerebrale Ischämie, Toxine (Alkohol), Vitamin
B12-Mangel
Sym:  Romberg-Versuch positiv: Der Patient steht aufrecht, Füße dicht aneinandergestellt,
Arme horizontal noch vorne gestreckt. Beim Schließen der Augen tritt eine
Fallneigung auf.
 Ataxie: Störung der Koordination von Bewegungsabläufen, sog. ataktischer Gang
 Intentionstremor: Muskelzittern bei zielgerichteten Bewegungen, z.B. beim FingerNase-Versuch
 Nystagmus (unwillkürliches Augenzittern)
 RAIN
 Positiver Knie-Hacken-Versuch: Der Patient versucht im Liegen mit der Ferse des
einen Beins das Knie des anderen Beins zu treffen.
 Überschießende Bewegungen über das Ziel hinaus (Rebound-Phänomen)
 Feine, gegensätzliche Bewegungen können nicht ausgeführt werden
(Dysdiadochokinese)
 Gleichgewichtsstörungen und Schwindel
Meningeales Syndrom (Meningismus) 
Def:
Ausdruck für akute Reizzustände der Hirnhäute
Urs:




Meningitis
Im Rahmen einer Hirndrucksteigerung (intrakraniale Druckerhöhung)
Als Begleitzustand bei schwerwiegenden akuten Erkrankungen (z.B. Migräne)
Sonnenstich
Sym: 
sehr starke Kopfschmerzen, die durch Schmerzmittelgabe nicht zu lindern sind
 Brudzinski-Zeichen: reflektorische Beugung der Beine bei Beugung des Kopfes.
 Kernig-Zeichen: Unmöglichkeit der Streckung der gebeugten Beine.
 Licht- und Geräuschempfindlichkeit
 Lasegue-Zeichen (nur beidseitig!)
 Bei Säuglingen: Opisthotonus (krampfartige Überstreckung von Kopf und Rücken),
Nackensteifigkeit (Kopf lässt sich nicht beugen), gewölbte Fontanelle
Hirndrucksteigerung (intrakraniale Druckerhöhung) 
Def:
Erhöhung des Drucks innerhalb des Schädels.
Urs:
Tumore, Schädelhirntrauma (SHT) mit Blutungen, Subarachnoidalblutung, Hirnödem,
Hirnvenenthrombose, Abflussstörungen des Liquors, Entzündungen (Enzephalitis),
Würmer
Sym:  Typische Trias:
 Sehr starke Kopfschmerzen
 Nüchtern Erbrechen ohne Übelkeit (schwallartiges Erbrechen)
 Stauungspapille (durch Ophthalmoskopie sichtbare pilzartige Vorwölbung des
blinden Flecks)
 Weitere Zeichen:
 Mydriasis (erweiterte Pupillen)
 Nervenaustrittspunkte der Trigeminusäste druckschmerzhaft
 Schwindel, Erbrechen
 Hirnnervenstörungen (z.B. Sehstörungen)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
322
Neurologie Pathologie
 Meningeales Syndrom
 Neurologische Ausfallserscheinungen infolge einer Mangeldurchblutung
 Druckpuls (Bradykardie von ca. 20 Schlägen infolge Reizung des Vagus durch
Hirndrucksteigerung = sog. Vaguspuls)
 Andere vegetative Störungen wie z.B. Blutdruckveränderungen, Erbrechen,
Atemstörungen u.a.
 Bewusstseinsstörungen, psychiatrische Veränderungen (HOPS)
 Krampfanfälle
Bewusstseinsstörungen
Def:
Dämmerungszustand unterschiedlichen Ausmaßes. Unterscheidung:
 Qualitative Bewusstseinsstörungen treten v.a. im Rahmen von Psychosen auf
(z.B. Bewusstseinseintrübung, Bewusstseinseinengung, Bewusstseinsverschiebung).
 Quantitative Bewusstseinsstörungen treten im Rahmen organischer
Veränderungen auf.
Grade der quantitativen Bewusstseinstrübung:
 Grad I (leichte Bewusststrübung)
 Orientierungsstörungen, Benommenheit, Verwirrtheit, herabgesetzte
Wahrnehmung, Verlangsamung von motorischen und geistigen
Aktivitäten,

Grad II (stärkere Bewusstseinstrübung)
 Somnolenz: Patient ist nur durch gröbere Reize (z.B. lautes Rufen)
weckbar

Grad III (starke Bewusstseinstrübung)
 Sopor: Schlafähnlicher Zustand, aus dem der Patient nur durch
Schmerzreize weckbar ist (Abwehrreaktion)

Grad IV (tiefste Bewusstlosigkeit)
 Koma: Keine Reaktion auch auf stärkste Reize (Wachkoma: Augen
sind offen)
Drop Attack
Def:
Bezeichnung für ein plötzliches Hinfallen ohne Bewusstlosigkeit.
Urs:
Durchblutungsstörungen der Arteria vertebralis oder Arteria basilaris (Vertebrobasiläre
Durchblutungsstörungen)
Tremor
Def:
Zittern. Bezeichnung für rhythmische unwillkürliche Zuckungen von antagonistischen
(gegensätzlichen) Muskeln.
Urs:
 Physiologischer Tremor bei Kälte, Aufregung, Erschöpfung oder Schmerz, meist ein
feinschlägiger Tremor
 Pathologischer Tremor infolge einer Erkrankung, z.B. Morbus Parkinson,
Hyperthyreose, Hypoglykämie, Erkrankungen des Kleinhirns, Delirium tremens,
Medikamente, perniziöse Anämie, Drogen oder Vergiftungen.
Neurologie Pathologie
323
Einteilungen Tremor
 Essentieller Tremor: Ein Tremor unbekannter Ursache, welcher im Alter am
häufigsten auftritt. Er kann sich als Bewegungs- und als Ruhetremor darstellen.
Eine familiäre Häufung ist bekannt. Die Abgrenzung zum Parkinson-Tremor ist
bisweilen schwierig.
 Haltetremor: Ein Aktionstremor meist der oberen Extremität, welcher beim
Halten oder Austrecken der Arme auftritt. Er tritt meist als feinschlägiger
Tremor auf. Die Ursache ist idiopathisch (essentieller Tremor).
 Intentionstremor: Ein Aktionstremor, welche bei zielgerichteten Bewegungen
kurz vor dem Ziel auftritt. Ursachen sind Erkrankungen des Kleinhirns bzw.
dessen Bahnen (zerebellärer Tremor), wie z.B. bei Multiple Sklerose.
 Ruhetremor: Zittern von Händen, Beinen oder auch Kopf in Ruhe.
Verschwindet bei Bewegung und im Schlaf. Tritt meist bei Erkrankungen des
extrapyramidalen Systems auf, z.B. bei Morbus Parkinson.
 Flapping-Tremor (Asterixis): im Rahmen einer hepatischen Enzephalopathie
(Ammoniakvergiftung) oder Opiumvergiftung auftretendes „Flattern“ der
Hände.
 Einteilung der Tremoramplitude in feinschlägiger Tremor (z.B. bei
Hyperthyreose, Delirium tremens) und grobschlägiger Tremor (z.B. ParkinsonSyndrom):
Traumatisch bedingte Gehirnschäden (Schädelhirntrauma = SHT) 
Aufforderung
Augen öffnen
Verbale Antwort
Motorische Antwort

GCS = Glasgow Coma Score
Reaktion
Spontan
Bei Ansprache
Bei Schmerzreizen
Kein Augenöffnen
Koordiniertes Gespräch möglich
Unkoordiniertes Gespräch
Einzelne Wörter, Wortsalat
Unverständliche Äußerung
Keine verbale Reaktion
Bei Aufforderung adäquate motorische
Reaktion
Gezielte Bewegung bei Schmerzreiz
Ungezielte Bewegung bei Schmerzreiz
Beugesynergismen
Strecksynergismen
Keine motorische Reaktion
Punkte
4 Punkte
3 Punkte
2 Punkte
1 Punkt
5 Punkte
4 Punkte
3 Punkte
2 Punkte
1 Punkt
6 Punkte
5 Punkte
4 Punkte
3 Punkte
2 Punkte
1 Punkt
Unterscheidung zwischen gedecktem und offenem Schädelhirntrauma. Bei den wesentlich
häufigeren gedeckten Hirnschädigungen werden drei Formen unterschieden, die nach der
Glasgow Coma Skala beurteilt werden. Dabei werden durch Prüfung des Augenöffnens, der
Bewegung und der Sprache Punkte gesammelt (GCS-Score), deren Wert das SHT in
verschiedene Schweregrade unterteilt.
Leichtes Schädelhirntrauma (SHT 1)
Syn:
Gehirnerschütterung, Commotio cerebri
Def:
Traumatisch bedingte, voll reversible, Hirnfunktionsstörung ohne pathologische
© Arpana Tjard Holler (Autor)
324
Neurologie Pathologie
Veränderungen im Gehirn. Die GCS-Score beträgt 13-15 Punkte. Der Patient muss
weiter beobachtet werden.
Sym:  Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit: Sekunden bis 5 Minuten
 Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
 Kurze anterograde Amnesie (Erinnerungslücke für die erste Zeit nach dem Ereignis)
 Es kommt zu keinen neurologischen Ausfällen.
Mittelschweres Schädelhirntrauma (SHT 2)
Syn:
Gehirnprellung, Contusio cerebri,
Def:
Traumatisch bedingte Hirnfunktionsstörung mit pathologischen Veränderungen
der Hirnsubstanz. Die GCS-Score beträgt 9-12 Punkte. Der Patient wird auf der
Intensivstation beobachtet. Spätfolgen sind sehr selten.
Sym:  Bewusstlosigkeit 5 Minuten bis 30 Minuten.
 Je nach Ort der Verletzung entstehen sog. zerebrale Herdsymptome wie z.B.
Lähmungen, Sehstörungen, Sprachstörungen. Neurologische Ausfallserscheinungen
bilden sich i.d.R. innerhalb von einem Monat zurück
 Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel können Monate bis Jahre andauern
Schweres Schädelhirntrauma (SHT 3)
Syn:
Gehirnquetschung, Compressio cerebri
Def:
Bewusstlosigkeit von mehreren Stunden mit meist schweren neurologischen
Ausfallserscheinungen (z.B. Hirnstammsyndrome), welche teilweise irreversibel sind.
Die GCS-Score beträgt 3-8. In der Regel treten Hirnblutungen und Hirnödeme auf, die
zur Einklemmung von Gehirnzentren führen.
Sym:  Bewusstlosigkeit kann Tage bis Wochen andauern
 Retrograde Amnesie (Erinnerungslücke besteht für den Zeitraum vor der
Bewusstlosigkeit)
 gestörte Merkfähigkeit
 rezidivierende epileptische Anfälle
 psychische Veränderungen (exogene Psychose; wird auch als HOPS bezeichnet)
Schädelbasisbruch
Def:
Schädelfrakturen im Bereich der Schädelbasis.
Sym: 



Brillenhämatom, Monokelhämatom
Blutungen aus dem Nasen-Rachen-Raum, aus dem Ohr
farbloser Ausfluss (Liquorrhoe) aus dem Nasen-Rachen-Raum oder Ohr
Hirnnervenlähmungen (z.B. Augenmuskellähmungen, Taubheit, Fazialis-lähmung)
Intrakraniale Hämatome 
Epidurales Hämatom
Einblutung eines arteriellen Gefäßes (Arteria meningea media) zwischen Dura und
Schädelknochen nach einem meist leichten SHT.
 Sog. freies Intervall (Minuten bis Tage) nach anfänglicher Bewusstlosigkeit.
Danach Kopfschmerzen und erneute Bewusstseinseintrübung bis Koma
Neurologie Pathologie
325
Subdurales Hämatom

Einblutung venöser Gefäße zwischen Dura und Arachnoidea nach einem leichten SHT.
 Freies Intervall (Tage bis Monate), chronischer Verlauf.
Subarachnoidalblutung

Akute arterielle Blutung in den Arachnoidalraum, meist durch Aneurysmaruptur mit
ungünstiger Prognose.
Sym: 
Plötzlich auftretende heftigste Kopfschmerzen (Hinterkopfschmerzen) mit Übelkeit
und Erbrechen

Nackensteifigkeit

Neurologische Ausfallserscheinungen

Bewusstseinsverlust innerhalb kurzer Zeit
Intrazerebrales Hämatom
Def:
Einblutung in das Hirngewebe mit ungünstiger Prognose (Letalität 50%).
Urs:
 Zerreißen eines Gefäßes infolge Hypertonie (v.a. bei hypertensiver Krise),
Arteriosklerose und Aneurysmaruptur.
 Infolge einer hämorrhagischen Diathese (z.B. Gerinnungsstörungen, erniedrigter
Quick-Wert).
Sym:

Plötzlicher Beginn mit Bewusstseinsstörungen und starken Kopfschmerzen

i.d.R. Bewusstseinsverlust

fast immer irreversible neurologische Ausfälle
Apoplexie (Hirnschlag) 
Syn:
Sog. Schlaganfall (apoplektischer Insult)
Def:
Irreversibler Untergang von Neuronen im Gehirn infolge eines Sauerstoffmangels. Am
häufigsten ist die Arteria cerebri media betroffen.
Urs:
 Ischämischer Hirninfarkt (unblutiger Insult: 85%, Letalität 20%)
 Arteriosklerose
 Thromboembolie, v.a. aus dem linkem Herz, bei Vorhofflimmern, nach
Herzinfarkt
 Intrazerebrale Massenblutung (blutiger Insult: 15%, Letalität 50%)
 Hypertonie
 Arteriosklerose
 Hämorrhagische Diathese, z.B. bei Marcumar®-Therapie, Thrombopenie
(z.B. bei EHEC / HUS)
 Aneurysmaruptur, Tumore
Pat:
Einteilung der zerebralen Ischämie:
 T I A = Transitorische (vorübergehende) ischämische Attacke: Neurologische
Ausfallserscheinungen, die innerhalb von 24 Stunden verschwinden.
 Als Warnhinweis gilt Amaurosis fugax (kurzandauernde Erblindung)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
326
Neurologie Pathologie

P R I N D = Prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit:
Neurologische Ausfallserscheinungen, die länger andauern als 24 Stunden und
innerhalb von 7 Tagen verschwinden.
 TIA und PRIND sind Vorboten eines Hirnschlages, so wie Angina pectoris beim
Herzinfarkt.

Hirninfarkt (Apoplex), irreversibler Untergang von Nervenzellen im Gehirn.
Sym:  Hirnblutung
 plötzlich einsetzende Symptomatik mit Bewusstseinsverlust
 schwerwiegende bleibende neurologische Ausfälle
 Hirninfarkt
Die Verschlusslokalisation bestimmt die Symptomatik. Der Gefäßverschluss tritt
meist nachts ein. Die Symptomatik kann sich sowohl langsam als auch plötzlich
entwickeln. Häufig vorkommende Symptome:
 Dämmerzustand, Verwirrtheit
 Sprach- und Schluckstörungen, Schwindel, Erbrechen, Nystagmus etc.
 Doppelbilder-Sehen
 evtl. Blickwendung zur Seite des Infarktes
 Sensomotorische kontralaterale Ausfälle, zuerst mit schlaffen Lähmungen, 12 Tage danach mit spastischen Lähmungen mit Reflexsteigerung
 Hemiplegie = vollständige Lähmung einer Körperhälfte
Hemiparese = unvollständige Lähmung einer Körperhälfte
 Zentrale Fazialislähmung
 Pyramidenbahnzeichen (Babinski-Zeichen) und pathologische Reflexe
 Im weiteren Verlauf typisch: Wernicke-Mann-Prädilektionsparese (Arm
gebeugt, Plantarflexion, Bein wird in Streckstellung in einem seitlichen
Bogen geführt)
 Achtung: Hirninfarkte sind nicht immer deutlich!
Vier Schritte um einen Schlaganfall zu erkennen (SALZ):
 Patient soll einen ganz einfachen Satz nachsprechen (er wird es nicht
können).
 Patient soll beide Arme heben (er wird es nicht oder nur teilweise können).
 Patient soll lächeln (er wird es nicht schaffen).
 Patient soll die Zunge herausstecken (er wird es nicht oder nur teilweise
können).
Kom: Aspirationspneumonie infolge von Schluckstörungen
The:




Frühzeitige therapeutische Interventionen
Bei Blutung und Hämatom evtl. OP
Frühzeitig Bobath-Methode (krankengymnastische Behandlungsmethode)
PNF = propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation
Epilepsie (Anfallsleiden) 
Def:
Anfallartige Funktionsstörung des Gehirns durch abnorme elektrische Aktivität mit
chronisch rezidivierendem Verlauf (Epileptos = Heiligkeit). „Gewitter im Gehirn“.
Urs:
 Idiopathisch (genetische Disposition)
Auslösende Faktoren: Schlafentzug, Lichtblitze, Flackerlicht, Alkohol, Drogen,
Gerüche, Stress.
 Sekundär, alle anatomischen bzw. krankhaften Veränderungen im Gehirn
Neurologie Pathologie
327
 Infektionen des Gehirns (Enzephalitis): HIV, Toxoplasmose, Cytomegalie
 Multiple Sklerose
 Stoffwechselkrankheiten: Hypoglykämie, Hypoxie, Urämie, Leberkrankheiten
 Vaskulär: zerebrale Ischämie, Apoplexie, hypertensive Krise
 Toxisch, v.a. Alkoholdelir
 Hirntumore
 SHT (Gehirnprellung), Gehirnblutung
 Gelegenheitskrämpfe (Okkasionskrämpfe); treten nur im Rahmen einer
akuten Erkrankung, eines Traumes, bei hohem Fieber (sog. Fieberkrämpfe
v.a. bei Kleinkindern) oder anderer schwerer Belastung (z.B. Schlafentzug)
auf. Sie bedürfen das erste Mal immer einer ärztlichen Abklärung.
Unterscheidung:
 Grand mal
 Kurz vor dem Anfall auftretende Missempfindungen (klassische Epilepsie,
10% d.F.), z.B. Kopfschmerzen, Hör- und Sehstörungen (Aura), etc.
 Bewusstseinsverlust - Hinstürzen – Initialschrei- Atemstillstand
 Plötzliches Steifwerden der Glieder (tonischer Krampf, 10-30 Sek.)
 Anschließend heftige Zuckungen (klonischer Krampf, 1-3 Min.)
 Oft blutiger Schaum vor dem Mund (Zungenbiss, Speichelfluss)
 Urin- und Stuhlabgang
 Danach Erwachen mit Benommenheit, evtl. Erbrechen
 Erschöpfungsschlaf mit nachfolgender Amnesie, nach Erwachen ein „totalErschlagen-sein-Gefühl“ (postepileptisches Koma)
 Petit mal
 Absence (Abwesenheit): kurz andauernder (10-30 Sek.) Bewusstseinsverlust, meist mit leichten motorischen Begleitsymptomen (z.B. feine
Zuckungen, Veränderung des Muskeltonus). Häufung im Schulalter,
Prognose gut.
 Sturzanfälle: plötzlicher allgemeiner Tonusverlust, Manifestation mit 2 - 5
Jahren
 Blitz-Nick-Salaam-Anfälle (BNS-Anfälle); bei Säuglingen auftretendes
blitzartiges Vorwärtsbeugen des Kopfes und des Oberkörpers mit
gleichzeitiger Streckung der Beine. Entsteht i.d.R. durch Sauerstoffmangel
bei der Geburt.
 Partielle (fokale) Anfälle: einzelne Bereiche des Gehirns sind betroffen, z.B.
Jackson-Anfall (tonische Verkrampfungen und Muskelzuckungen, die sich
an den Extremitäten von distal nach proximal ausbreiten), Bewusstsein
vorhanden.
Kom: 





The:




Status epilepticus (mehrere Anfälle erfolgen dicht hintereinander), Notfall
Psychische Veränderungen (HOPS), Demenz (Großhirnrindenatrophie)
Hirnödem
Frakturen
Akutes Nierenversagen
Aspirationspneumonie
Mögliche Verletzungsgefahren beseitigen, evtl. beengte Kleidung öffnen
einen Beißkeil in den Mund
Nach dem Anfall Gabe von Glukose
Therapie mit Antiepileptika (70% anfallsfrei)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
328
Neurologie Pathologie
Degenerative Erkrankungen
Parkinson-Syndrom (Schüttellähmung) 
Syn:
Morbus Parkinson, Schüttellähmung, Parkinsonismus, Paralysis agitans.
Def:
Erkrankung des extrapyramidalmotorischen Systems mit Abnahme der Dopaminproduzierenden Neurone (Substantia nigra) im Mittelhirn und daraus folgendem Mangel
an der Überträgersubstanz Dopamin. Die entsprechende Symptomatik (hypokinetisches
Syndrom) resultiert aus dem Übergewicht des Acetylcholins und setzt ein, wenn der
Dopamingehalt auf 15-20% der normalen Konzentration gesunken ist.
Die Parkinson-Krankheit ist die häufigste neurologische Erkrankung zwischen dem
50. und 60. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen.
Pat:
Der Dopamin-Mangel hemmt die aktivierende Wirkung der Basalganglien. Das hat
Auswirkungen auf die Feinabstimmung und Ausrichtung von willkürlichen
Bewegungen. Die Kraft, die Richtung und die Geschwindigkeit der Bewegungen
funktionieren nicht mehr richtig. Basalganglien haben auch mit der Verarbeitung von
Gefühlen und Erinnerungen zu tun, so dass es hier auch zu Defiziten kommt.
Urs:
 Idiopathisch (80-90% d.F.). Degeneration der Dopamin-produzierenden Neurone im
Mittelhirn unbekannte Ursache. Die Erkrankung ist langsam fortschreitend.
 Sekundär, infolge von anderen Erkrankungen oder Umständen
 Hirnarteriosklerose
 Hirntumore
 Enzephalitis
 Toxisch, z.B. durch Methylalkohol, Kohlenmonoxid
 Medikamentös durch z.B. Neuroleptika, Antiemetika, Ritalin
 Boxerkrankheit / Traumen
Sym:  Rigor (erhöhter Muskeltonus, extrapyramidale Störung)
 Muskelschmerzen (v.a. in der Nacken- und Schulterregion)
 Zahnradphänomen (ruckartiges Nachlassen des Widerstandes)
 „Kopfkissenphänomen“ (das weggezogene Kissen beim Liegenden führt
nicht zum Absinken des Kopfes)
 Evtl. offene stehender Mund mit Speichelfluss

 Akinese (Bewegungslosigkeit) bzw. Bradykinese (verlangsamte Bewegung)
 leise, monotone und undeutliche Sprache
 Verlangsamung aller Bewegungen (Bradykinese), Starthemmung
 Richtungsänderung und plötzliches Anhalten sind erschwert
 Freezing-Phänomen: kurzzeitiges Einfrieren der Bewegung (v.a. bei
Verengung des Raumes oder beim Durchschreiten einer Tür)
 Fehlen der physiologischen Mitbewegungen (z.B. Arme beim Gehen)
 mangelnde Mimik (Hypomimie), Maskengensicht
 gebückte Haltung, Oberkörper nach vorne gelagert
 kleinschrittiger Trippelgang, schlurfender Gang
 kleiner werdende Schrift
 Fallneigung nach allen Richtungen
 Haltungsinstabilität
 Kann die Bewegung nicht mehr bremsen (hohe Unfallgefahr!)

Neurologie Pathologie
329
 Tremor
 grobschlägiger Ruhetremor, Frequenz 4-6 Schläge/Sek.
 verschwindet bei Bewegung und Schlaf
 ist verstärkt bei Aufregung
 betrifft v.a. die Hände und Fingergelenke (sog. Pillendreh- und
Geldzählbewegung), manchmal auch den Kopf und Unterkiefer („RabbitPhänomen“)
 Beginn immer halbseitig
 Weitere Symptome
 Schmerzen im gesamten Körper (Ursache nicht genau geklärt)
 Psychische Veränderungen: z.B. Pseudohalluzination, Depression,
Suizidgefahr, HOPS, Verlangsamung der geistigen Funktionen
 Vegetative Symptome: z.B. sog. Salbengesicht, Dysphagie (kann auch als
erstes Zeichen auftreten), Schlafstörungen, Obstipation, orthostatische
Hypotonie,
Hyperhidrose
(vermehrte
lokale Schweißsekretion),
Sexualfunktion beeinträchtigt
RAT bezeichnet die Abkürzung der Parkinson-Trias:
Rigor - Akinese - Tremor
Kom:  Akinetische Krise (Notfall), z.B. durch Entzug von Parkinsonmitteln oder schweren
Erkrankungen:
 Völlige Bewegungsunfähigkeit
 Starke Muskelsteifheit
 Schluckstörungen

Entwicklung einer Demenz mit Bradyphrenie (Verlangsamung der psychischen
Funktionen)
The:
 Medikamente (L-Dopa-Präparate, Dopaminagonisten)
 Physiotherapie
Demenz (dementielles Syndrom) 
Def:
Diffuse Hirnatrophie mit Verlust der intellektuellen Fähigkeiten (Einschränkung des
Gedächtnisses, des Denkens, der Orientierung, der Auffassungsgabe), welche langfristig
bei vielen Patienten zur Geschäftsunfähigkeit führt. Zur Diagnose müssen die Störungen
länger als 6 Monate bestehen. Zur Beurteilung der geistigen Fähigkeiten wird der MiniMental Status-Test (MMST) durchgeführt.
Urs:
 Primäre Demenzformen (ca. 85%)
 Morbus Alzheimer (am häufigsten)
 Morbus Pick (frontotemporale Demenz)
 Altersdemenz
 Sekundäre Demenzformen (ca. 15%)
 Vaskuläre Demenz (durch Arteriosklerose der Zerebralarterien bedingt),
Verschlechterung durch Apoplexie
 Schädel-Hirn-Trauma (SHT), Epilepsie
 Multiple Sklerose, Parkinson-Syndrom, Chorea Huntington
 Alkoholkrankheit, Boxerenzephalopathie
 Infektionen (z.B. humane spongiforme Enzephalopathie, AIDS)
 Herzinsuffizienz, Hypertonie, Arteriosklerose, Hypothyreose
 Einnahme von Medikamenten, meist Psychopharmaka
© Arpana Tjard Holler (Autor)
330
Neurologie Pathologie
 Hirntumore
 Fehlernährung (Nikotinsäuremangel)
Sym:  Zu Beginn Konzentrationsschwäche und Störung der Merkfähigkeit (typischerweise
ist das Neugedächtnis gestört, während das Altgedächtnis noch lange erhalten bleibt)
 Orientierungsstörungen
 Schlafstörungen (typisch für Alzheimer-Demenz)
 Psychische Auffälligkeiten (hirnorganisches Psychosyndrom = HOPS) kann den
motorischen Störungen vorausgehen, insbesondere kann es zu Ängsten und
emotionaler Instabilität kommen.
 Apraxie, die Unfähigkeit erlernte, willkürliche und zielgerichtete Bewegungen
durchzuführen
 Im fortgeschrittenen Stadium allmählicher Verlust der intellektuellen Fähigkeiten
 Im Endstadium pflegebedürftig, kommunikationsunfähig, geschäftsunfähig
Keine quantitativen Bewusstseinsstörungen
Alzheimer-Krankheit
Def:
Eine kortikale Demenz mit typischen Eiweißablagerungen, die 1901 das erste Mal von
Alois Alzheimer beschrieben wurde. Die Krankheit beginnt schleichend, sie ist
chronisch progredient und führt zurzeit unweigerlich zum Tod. Es kommt zu einer
Hirnatrophie mit zunehmendem Verlust von Neuronen, zuerst im oberen Bereich des
Gehirns und später auch in den unteren Regionen. Dabei schrumpft die Großhirnrinde
und die Hirnventrikel vergrößern sich.
Pat:
Typisch sind Ablagerungen von faserförmigen (pathologischen) Eiweiß-Plaques, welche
die Neurone verdrängen und so unaufhaltsam zerstören. Die neuropathologischen
Veränderungen gehen von der Kortex aus und befallen allmählich das gesamte Hirn. Die
Hirnmasse schrumpft. Es finden sich Amyloid-Ablagerungen an den Nervenzellen und
neurofibrilläre Verklumpungen im Inneren der Neurone.
Entzündliche Erkrankungen des ZNS
Multiple Sklerose (Encephalomyelitis disseminata) 
Def:
Primär entzündliche Erkrankung des ZNS, die zu einer Entmarkung der Nerven führt
(Entmarkungskrankheit).
Urs:
Idiopathisch; angenommen werden genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und eine
immunologische Fehlreaktion (wird als Autoimmunkrankheit angesehen).
Frauen sind doppelt so häufig betroffen.
Pat:
 Die Myelinscheiden der Nervenfasern werden allmählich aufgelöst und durch
Bindegewebe ersetzt. Dadurch kommt es zu einer Verkalkung und Verhärtung
(Sklerose).
 m häufigsten sind folgenden Nerven und Bahnen betroffen:
 Pyramidenbahn (Gangstörungen)
 Augenbewegungsnerven (Doppelbilder-Sehen)
 Kleinhirnbahnen (Kleinhirnzeichen)
 Typisch sind zwei Krankheitsgipfel:
 15-30 Jahre, der Verlauf ist häufig schubweise (80%) mit oder ohne
vollständige Remission (Rückbildung). Chronische Verläufe kommen bei
Kindern vor.
 50-60 Jahr, der Verlauf ist häufig chronisch progredient.
Neurologie Pathologie
Sym:
331
„Krankheit der tausend Gesichter“

Leitsymptom Lhermitte-Zeichen (Nackenbeugezeichen): Ein Gefühl des
„Elektrisiert-werdens“ an Armen, Beinen und am Rücken beim Beugen des Kopfes
nach vorn.
 vorübergehende einseitige Augenmuskellähmungen, Doppelbilder-Sehen

Kopfschmerzen, Augenschmerzen, Schwindel
 Parästhesien und Sensibilitätsstörungen
 Erschöpfung und Müdigkeit
 Trigeminusneuralgie
 Gangunsicherheit („fühlt sich an wie auf einem Schiff“), breitbeiniger (ataktischer)
Gang, Gangunsicherheit in der Nacht
 Zielbewegungen werden unsicher ausgeführt
 Kleinhirnzeichen, z.B. Intentionstremor, Nystagmus
 Sprechstörungen (ungenaue Artikulation)
 Blasenfunktionsstörungen, Harnwegsinfektionen
 Impotenz
 Dysphagie (Schluckstörungen)
 zentrale spastische Paresen (kein Frühsymptom)
 Pyramidenbahnzeichen (Babinski-Zeichen)
 evtl. schlaffe Lähmungen (seltener)
 evtl. Schädigung des Nervus opticus (Optikusneuritis) mit vorrübergehender
Blindheit
 Eigenreflexe gesteigert, Fremdreflexe abgeschwächt, Frühsymptom Bauchhautreflex fehlend
 Im chronischen Verlauf der Krankheit oft psychische Veränderungen
 Depressionen mit Suizidgefahr
 Psychosen
 auch Euphorie möglich
 Charcot-Trias galt früher als Leitsymptom
 Nystagmus (unwillkürliches Augenzittern)
 Intentionstremor
 Skandierende Sprache: verwaschene, langsame und abgehackte Sprache
 Labor
 Lumbalpunktion ergibt pathologische Liquorwerte (Leukozyten und IgG
erhöht
 MRT mit typischen Entmarkungszeichen
 Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
The:
 Gilt schulmedizinisch als unheilbar
 Wichtig: krankengymnastische Behandlung
Migräne
Def:
Attacken weise und rezidivierend auftretende, heftigste Kopfschmerzen, welche in der
Regel auf eine Kopfseite beschränkt sind.
Urs:
Unbekannt, familiäre Häufung, Frauen sind häufiger betroffen.
Möglicher Auslösefaktoren:
 Anwendung oraler Kontrazeptiva („Pille“), Menstruation
 Psychische Faktoren: Angst, Stress mit plötzlicher Entspannung
 Nahrungsmittel, z.B. Rotwein, Schokolade, Käse, Nüsse
 Fasten
© Arpana Tjard Holler (Autor)
332
Neurologie Pathologie
Neurologie Pathologie
Pat:
333
Pathophysiologisch findet sich eine aseptische Entzündung der Arterien der Dura mater
mit zuerst wenigen Minuten andauernde Vasokonstriktion und dann über Stunden bis
Tage andauernde Vasodilatation mit perivasalen Ödemen. Außerdem kommt es zu
Veränderungen der neuronalen Aktivität der Großhirnrinde.
Unterschieden werden folgende wichtige Formen:
 Klassische Migräne (Migräne mit Aura) in 10% der Fälle, v.a. Flimmerskotom
(periphere Gesichtsfeldausfall mit Flimmern).
 Einfache Migräne (Migräne ohne Aura) in 90% der Fälle.
 Basilarismigräne mit Durchblutungsstörungen im Bereich der Arteria basilaris.
Sym:  Migräne ohne Aura
 Halbseitig pulsierende, hämmernde Kopfschmerzen über eine Dauer von
mehreren Stunden
 Häufig wechselt die Seite der Kopfschmerzen von einem Migräneanfall zum
anderen (kann auch während eines Anfalls geschehen)
 Geräusch-, Licht- und Geruchsempfindlichkeit
 Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
 Psychische Symptome, z.B. Depressivität, Ängstlichkeit
 Zusätzlich zum Kopfschmerz heftigste vegetative Symptome, z.B. akuter
Schwindel, Ataxie, Lähmungen, Augenzittern, Ohrgeräusche, Blässe,
Kältegefühl, Bewusstseinsstörungen
 Migräne mit Aura
 Zusätzlich neurologische Symptome, die vor der Migräneattacke auftreten,
z.B. Sensibilitätsstörungen, Sprach- und Sehstörungen (Flimmerskotom,
Gesichtsfeldausfälle), Doppelbilder-Sehen, evtl. vorrübergehende Blindheit
Kom:  Status migraenosus: Migräneattacken länger als drei Tage.
 Migranöser Infarkt: Während des Migräneanfalls tritt ein ischämischer Insult auf
(Hirnschlag).
Hirntumore
Einteilung:
 Primäre Hirntumoren, welche direkt vom Nervengewebe ausgehen und in gutartige (am
häufigsten) und bösartige Tumore unterschieden werden.
 Sekundäre Hirntumoren (Metastasen)
Unterscheidung wichtiger Hirntumore nach ihrer Herkunft:
 Gliome (50% aller Hirntumore) gehen von den Gliazellen aus. Wichtige Gliome sind
Astrozytome (eher günstige Prognose), Glioblastome (eher ungünstige Prognose) und
Akustikusneurinome
(einseitige
Schwerhörigkeit,
Schwindel,
Ohrgeräusche,
Hyperakusis; bei OP besteht die Gefahr einer Fazialisparese).
 Hypophysenadenome sind gutartige Tumore, welche vom endokrinen Gewebe der
Hypophyse ausgehen und häufig mit einer unkontrollierten Produktion von bestimmten
Hormonen einhergehen (z.B. Prolaktinom). Durch Wachstum auf die Sehnervenkreuzung
(Chiasma opticum) können diese Tumore zu Sehstörungen führen.
 Medulloblastom ist ein bösartiger Tumor des Kleinhirns mit ungünstiger Prognose, von
dem v.a. Kinder betroffen sind.
 Meningeome (25% aller Hirntumore) sind gutartige, langsam wachsende Tumore der
Hirnhäute. Frauen sind häufiger betroffen. An Erstsymptomen fallen meist Kopfschmerzen,
psychische Veränderung oder Krampfanfälle auf.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
334
Neurologie Pathologie
Pat:
Infolge der Volumenzunahme kommt es zu einer Hirndrucksteigerung (intrakraniale
Druckerhöhung) und zu neurologischen Herdsymptomen, welche von der
Tumorlokalisation abhängig sind. Häufig gehen Hirntumore mit einem perifokalen
Ödem (Begleitödem = Hirnödem) einher.
Sym: Die am häufigsten auftretenden Zeichen einer intrakranialen Druckerhöhung:

Heftigste Kopfschmerzen, v.a. nachts oder in den frühen Morgenstunden, lassen sich
nicht durch Analgetika beeinflussen

Stauungspapille (im Ophthalmoskop sichtbare Vorwölbung des blinden Flecks)

schwallartiges (morgendliches) Erbrechen ohne vorher bestehende Übelkeit
(Tumor drückt direkt auf das Brechzentrum im Stammhirn)

epileptische Anfälle

Persönlichkeitsveränderungen
Huntington (Chorea major)
Syn:
Morbus Huntington, Huntington´sche Erkrankung, Huntington`s desease (HD)
Def:
Eine erbliche Erkrankung, welche unaufhörlich das extrapyramidale System
(Basalganglien) im Gehirn zerstört und vom Frontalhirn ausgeht. Sie geht mit einer
unaufhaltsamen, meist langsamen Degeneration des Corpus Striatums (Teil der
Basalganglien) einher, welcher für die Muskelsteuerung, aber auch für mentale
Funktionen wichtig ist. Dadurch zeigen sich Störungen des Gefühlslebens, Störungen
im Bewegungsablauf (einschließlich der Mimik) und Störungen der kognitiven
Fähigkeiten. Die ersten Symptome der Krankheit zeigen sich meist zwischen dem 20.
und 50. Lebensjahr.
Urs:
Autosomal-dominat erbliche Erkrankung
Sym:  Psychische Beschwerden gehen den Bewegungsstörungen oft mehrere Jahre voraus
 Affektstörungen, Antriebsstörungen, depressive Störung
 im späteren Verlauf: Impulsivität, Enthemmung, evtl. Wahn,
Persönlichkeitsveränderungen
 Bewegungsstörungen (beginnen zuerst an den rumpffernen Extremitäten)
 Bewegungsunruhe der Arme und Beine
 Hyperkinesen bei verringertem Muskeltonus: unwillkürliche schnelle und
nicht vorhersehbare Extremitätenbewegungen, schießen übers Ziel hinaus,
Athetose
(wurmartige
Bewegungen),
Grimassieren,
Ballismus
(schleudernde Bewegungen), torkelnder Gang, Dysphagie
 Im weiteren Verlauf zeigen sich Hypokinesen mit Erhöhung des
Muskeltonus
 Verlust der kognitiven Fähigkeiten: Demenz
Endokrinologie Anatomie
J.
335
Endokrinologie Anatomie und Physiologie
Endokrinologie Anatomie
Allgemeines ........................................................................................................................................... 336
Hypothalamus ....................................................................................................................................... 336
Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) ........................................................................................................... 337
Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ....................................................................................................... 338
Nebenschilddrüse (Glandula parathyroidea) ....................................................................................... 339
Inselapparat der Bauchspeicheldrüse .................................................................................................. 342
Weitere wichtige endokrine Drüsen und deren Hormone ................................................................... 342
© Arpana Tjard Holler (Autor)
336
Endokrinologie Anatomie
Allgemeines



Um die Stoffwechselvorgänge im Körper zu steuern, stehen zwei Steuerungssysteme zur
Verfügung:
 Nervensystem: Kommunikationsübermittlung durch elektrische Impulse,
schnelle Weiterleitung und Reaktion.
 Hormonelles System: Übermittlung durch Hormone über den Blutweg,
langsame Weiterleitung, dafür kontinuierlich, kann sämtliche Körperzellen
erreichen.
Aufgaben: Informationsübermittlung
 Regulation von Körperfunktionen wie Wachstum, Wasserhaushalt,
Fortpflanzung.
 Anpassung an ständig wechselnde Leistungsanforderungen.
 Beeinflussung der physischen und psychischen Entwicklung.
Übersicht der Hormone produzierenden Drüsen:
 Hypothalamus
 Hypophyse
 Schilddrüse
 Nebenschilddrüse
 Nebennieren
 Inselapparat der Pankreas
 Gonaden (Geschlechtsdrüsen): Eierstöcke und Hoden
Hypothalamus

Der Hypothalamus als unterster Teil des Zwischenhirns ist im hormonellen Regelkreis das
übergeordnete Steuerorgan. Es misst die Konzentration bestimmter Hormone im Blut (beim
ADH die Osmolarität), vergleicht das mit dem Soll und reagiert dementsprechend mit der
Ausschüttung von Releasing- oder Inhibiting-Hormonen (Hypothalamus-HypophysenRegelkreis). Abbildung am Beispiel von Schilddrüsenhormonen.
Hypothalamus
TSH-RH
T3 und T4
TSH-IH
Hypophysen-
Schilddrüse
vorderlappen
TSH
Endokrinologie Anatomie



337
Endokrine Produktion
 Releasing-Hormone stimulieren die Hormonausschüttung im HVL
 TRH
(Thyreotropin-Releasinghormon):
stimuliert
die
Ausschüttung von TSH im Hypophysenvorderlappen
 CRH (Corticotropin-Releasing-Hormone): stimulieren die
Ausschüttung von ACTH im Hypophysenvorderlappen
 GnRH
(Gonadotropin-Releasing-Hormon):
stimuliert
die
Ausschüttung von FSH und LH im Hypophysenvorderlappen
 Inhibiting-Hormone hemmen die Sekretion der Hormone im HVL
 Somatostatin (GHIH = Growth Hormone-Inhibiting-Hormone):
hemmt die Ausschüttung von STH im Hypophysenvorderlappen
 Effektorische Hormone (wirken direkt auf die Zielzellen:
 Oxytocin wirkt auf die glatte Muskulatur der Gebärmutter und der
Brustdrüsen
 Antidiuretisches Hormon (ADH) wirkt auf die distalen Tubuli
und die Sammelrohre in der Niere und führt zu einer vermehrten
Rückresorption von Wasser aus dem Primärharn in die
peritubulären Kapillaren.
Releasing- und Inhibiting-Hormone werden in den Kernen spezialisierter Nervenzellen
produziert und über Axone an Blutgefäße abgegeben, die direkt zum HVL führen.
Oxytocin und ADH werden von spezialisierten Nervenzellen im Hypothalamus produziert,
aber über Axone direkt an den HHL weitergeleitet und dort gespeichert. Die Ausschüttung
ins Blut erfolgt über nervale Reize.
Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)

Die Hypophyse liegt im Türkensattel, einer knöchernen Grube des Keilbeinknochens, im
Zentrum der Schädelbasis. Sie ist etwa Kirschkern groß und wiegt ca. ½ Gramm.
Hypophysenhinterlappen (HHL, Neurohypophyse)

Hier enden die Axone der Oxytocin- und ADH-produzierenden Zellen des Hypothalamus.
ADH und Oxytocin werden in den Axonen gespeichert und bei Bedarf ins Blut abgegeben.
 Oxytocin löst die Wehen während der Geburt aus, indem es zur Kontraktion der
glatten Muskulatur der Gebärmutter führt und regt den Milchfluss an. Weitere
Wirkung: sog. Kuschelhormon, fördert emotionale Bindung, hemmt
Angstgefühle.
 ADH wirkt an den Sammelrohren der Niere und führt zur vermehrten
Wasserrückresorption.
Hypophysenvorderlappen (HVL, Adenohypophyse)

Glandotrope Hormone
 TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon) stimuliert die Produktion und
Freisetzung von Schilddrüsenhormonen und das Follikelwachstum in der
Schilddrüse.
 ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) führt zur Produktion und Freisetzung
von Hormonen in der Nebennierenrinde, im Wesentlichen die Glukokortikoide
(Kortisol, Kortison).

Gonadotrope Hormone
© Arpana Tjard Holler (Autor)
338
Endokrinologie Anatomie
 FSH (Follikel stimulierendes Hormon) bewirkt in den Eierstöcken v.a. die
Follikelreifung und in den Hoden v.a. die Spermatogenese.
 LH (Luteinisierendes Hormon) bewirkt v.a. den Eisprung und in den Hoden eine
Stimulierung der Androgenproduktion (Leydig-Zwischenzellen).

Effektorische Hormone
 STH (Somatotropes Hormon = Wachstumshormon) bewirkt das körperliche
Wachstum.
 MSH (Melanozyten stimulierendes Hormon) führt zur Produktion von Melanin
und so zur verstärkten Pigmentierung der Haut.
 Prolaktin wirkt auf das Brustdrüsenwachstum und die Milchproduktion.
Schilddrüse (Glandula thyreoidea)




Lage: Vorne am Hals vor der Luftröhre auf Höhe des Ringknorpels, umgibt mit dem linken
und rechten Lappen beiderseits den Schildknorpel des Kehlkopfes.
Gewicht ca. 30 - 40 g
Aufbau: Sie besteht aus zwei ovalen Lappen, die um die Luftröhre herumliegen und einem
verbindenden Mittelteil (Isthmus). Mit einer Organkapsel umgeben wird sie durch
bindegewebige Septen in einzelne Läppchen unterteilt. Jedes Läppchen besteht aus vielen
kleinsten Follikeln. Das Follikelepithel bildet die Schilddrüsenhormone und gibt sie in den
Follikelhohlraum ab. Dort werden sie gespeichert und unter TSH an das Blut abgegeben.
Endokrine Produktion:
 T3 Trijodthyronin (besitzt 3 Jodatome)
 T4 Thyroxin (besitzt 4 Jodatome)
 Calcitonin wird in den C-Zellen der Schilddrüsen gebildet
 Um Schilddrüsenhormone herzustellen benötigt der Körper Jod (täglicher Jodbedarf: 150200 µg/Tag). Deshalb werden 98% hiervon in der Schilddrüse gespeichert. Unter
Schilddrüsenhormone versteht man T3 und T4. Sie werden auch als „Peitsche des
Organismus“ bezeichnet.
 Aufgaben von T3 und T4
 Steigerung des Stoffwechsels und des Grundumsatzes durch Einschleusung von
mehr Sauerstoffmolekülen in die Zellen und dadurch Produktion von mehr ATP.
Folgen:
 Steigerung der Verbrennungsvorgänge von Kohlenhydraten, Eiweißen und
Fetten und dadurch Verbrauch von Glykogen- und Fettdepots
 Erhöhte Wärmeproduktion
 Beschleunigung der Herztätigkeit, Erhöhung der Herzmuskelkraft (nur der
systolische Blutdruck steigt)
 Erhöhte Erregbarkeit von Nerven und Muskeln
 Wachstumsfördernde Wirkung (körperliche und geistige Reifung), Förderung
des Längenwachstums bei Kindern
 Erhöhung des Blutzuckers
 Aufgaben von Calcitonin: Calcitonin ist der Gegenspieler des Parathormons und führt zu
einer Senkung des Kalziumspiegels im Blut:
 Hemmung des Knochenabbaus durch Hemmung der Osteoklasten
 Förderung des Kalziumeinbaus in den Knochen
 Verstärkte Kalziumionen-Ausscheidung in der Niere
 Hemmung der Kalziumaufnahme aus dem Darm
 Reiz für die Ausschüttung von Calcitonin ist ein Anstieg des Kalziumspiegels.
Endokrinologie Anatomie
339
Nebenschilddrüse (Glandula parathyroidea)





Lage und Aufbau: Die Nebenschilddrüsen sind vier kleine Körper (Epithelkörperchen) und
liegen an der Rückseite der Schilddrüse.
Endokrine Produktion: In den Epithelkörperch: wird das Hormon Parathormon gebildet.
Aufgaben von Parathormon: Parathormon ist der Gegenspieler von Calcitonin und führt
zu einer Erhöhung des Blutkalziumspiegels:
 Förderung des Knochenabbaus durch Aktivierung der Osteoklasten.
 Verstärkte Rückresorption von Ca-Ionen aus dem Primärharn in das Blut.
 Vermehrte Calcium-Aufnahme aus dem Darm durch Aktivierung von Vitamin
D in der Niere (ca.800 mg/Tag werden benötigt)
Reiz für die Ausschüttung von Parathormon ist ein Abfall des Kalziumspiegels.
Parathormon und Calcitonin regulieren den Kalziumspiegel im Blut.
 Nebenniere (Glandula suprarenalis)
Anatomie der Nebenniere



Lage: Die Nebennieren sitzen den oberen Polen der Nieren kappenartig auf und liegen im
Retroperitonealraum.
Gewicht ca. 5 - 7 g
Aufbau: Es wird zwischen Nebennierenrinde (NNR) und Nebennierenmark (NNM)
unterschieden.
Nebennierenrinde


Sie lässt sich von außen nach innen in drei Schichten unterteilen:
Äußerste Zone (Zona glomerulosa), endokrine Produktion:
 Mineralokortikoide. Hauptvertreter ist das Aldosteron.
 Wirkung: Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes durch Aktivierung
einer Ionenpumpe in der Niere: Na-Ionen werden aus dem Primärharn vermehrt
rückresorbiert und K-Ionen vermehrt ausgeschieden. Na-Ionen lagern sich
aufgrund der elektrostatischen Anziehung an Cl-Ionen (NaCl). Diese ziehen in
einer wässrigen Lösung 8 Wassermoleküle an sich („Wassermantel“).
H2O
H2O
H2O
H2O
H2O
Na+Cl-
H2O
H2O
H2O
(Primär)Harn
Blut
3 Na+
2 K+
1 H+
© Arpana Tjard Holler (Autor)
340
Endokrinologie Anatomie
Endokrinologie Anatomie


341
 Ein Aldosteron-Molekül wirkt wie folgt:
 Ins Blut: 3 Na+ rein
 In den Harn: 2 K+ und 1 H+ raus
 Aktivierung: Durch den Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus (RAASystem). Er reagiert bei Hyponatriämie und Hypovolämie.
Mittlere Zone (Zona fasciculata), Endokrine Produktion:
 Glukokortikoide. Hauptvertreter ist das Kortisol und Kortison.
 Wirkung:
 Führen zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels durch
Umwandlung von Glykogen zu Glukose und durch
Glukoneogenese: Glukosebildung aus Fetten (Lipolyse) und
Eiweißen (Eiweißabbau in der Muskulatur und Knochen).
 Haben
einen
anti-entzündlichen,
anti-allergischen
und
immunsuppressiven Effekt (Verminderung von eosinophilen und
basophilen Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten).
 Vasokonstriktive Auswirkung (RR)
 Aldosteron-ähnliche Wirkung (Einfluss auf den Wasserhaushalt)
 Führen auf Dauer zur verminderten Knochendichte
(Glukoneogenese)
 Fördern die Blutbildung (Erythrozyten, Thrombozyten und
neutrophile Granulozyten)
 Werden als Stresshormone bezeichnet, da bei Stressfaktoren der
ACTH-Spiegel ansteigt.
 Aktivierung: Sinkt der Kortisonspiegel ab, so werden im Hypothalamus
Releasing-Hormone abgegeben, welches zur Sekretion von ACTH in der
Hypophyse führt.
Innerste Zone (Zona reticularis), endokrine Produktion:
 Hauptsächlich männliche Geschlechtshormone (Androgene) und in geringen
Mengen weibliche Geschlechtshormone (Östrogene).
 Aktivierung: Durch das Hypothalamus-Hypophysen-System.
Nebennierenmark

Das Gewebe des Nebennierenmarks hat eine Sonderstellung. Es ist von ähnlicher Herkunft
wie die Zellen des Sympathikus und wird von sympathischen Nervenfasern versorgt. Es
wird als chromafines Gewebe bezeichnet.
 Endokrine Produktion:
 Die Hormone des Nebennierenmarks sind Adrenalin (Epinephrin) und
Noradrenalin. Sie sind die des sympathischen Nervensystems und haben somit
Sympathikuswirkung (Bereitstellung von Energiereserven).
 Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin
 Steigerung der Herzfrequenz und der Kontraktionskraft und somit
Anstieg des Herzzeitvolumens (Adrenalin).
 Gefäßverengende Wirkung und dadurch blutdrucksteigernd
(Noradrenalin)
 Erweiterung der Skelettmuskelarterien und der Koronargefäße
(Adrenalin).
 Erweiterung der Bronchien.
 Hemmung der Magen-Darm-Peristaltik.
 Pupillenerweiterung (Mydriasis)
 Erhöhung des Glukosespiegels durch Glykogenabbau in Leber und
Muskulatur
© Arpana Tjard Holler (Autor)
342
Endokrinologie Anatomie
 Aktivierung: Hormonausschüttung des Nebennierenmarks erfolgt durch nervale
Steuerung.
Inselapparat der Bauchspeicheldrüse


Im endokrinen Gewebe der Bauchspeicheldrüse befinden sich etwa 1 Mio. Hormonproduzierende Drüsenzellen (Langerhans-Inseln; 2 - 3% des Pankreasvolumens). Sie
liegen verstreut hauptsächlich im Körper- und Schwanzbereich der Bauchspeicheldrüse.
Endokrine Produktion
 A-Zellen produzieren Glukagon.
 Es erhöht den Blutzuckerspiegel, indem es in der Leber die
Umwandlung von Glykogen zu Glukose bewirkt und die
Glukoneogenese fördert.
 B-Zellen produzieren Insulin.
 Senkt den Blutzuckerspiegel, indem es den Aufbau von Glukose zu
Glykogen aktiviert und den Transport von Glukose in die Zellen
fördert.
 Fördert den Transport von Aminosäuren und Kalium in Muskelund Fettzellen.
 Bremst die Glukoneogenese, indem es die Eiweiß- und Fettbildung
steigert.
 Fördert anabole Prozesse im Körper, z.B. Lipogenese.
 Körpereigens Insulin wird im Plasma innerhalb weniger Minuten
abgebaut.
 D-Zellen produzieren Somatostatin.
 Bremst
die
hypophysäre
Ausschüttung
von
STH
(Wachstumshormon).
 Bremst die gastrointestinalen Funktionen.
Insulin
Glukose
Glykogen
Glukagon
Glykogen
Glukose
Weitere wichtige endokrine Drüsen und deren Hormone



Niere: Erythropoetin führt zur Steigerung der Erythropoese.
Magen: Gastrin in den G-Zellen des Antrums führt zu einer vermehrten Bildung der
Salzsäure und steigert die Magenbeweglichkeit, mit zunehmender Konzentration auch die
Sekretion von Pankreassaft.
Dünndarm
 Sekretin hemmt die Magenbeweglichkeit, fördert die Bikarbonatbildung in die
Pankreas und steigert die Gallenbildung in der Leber.
 CCK (Cholecystokinin) bewirkt eine Kontraktion der Gallenblase und fördert
die Produktion von Enzymen im Pankreas.
Endokrinologie Anatomie
343
 Enterogastron (GIP = gastric inhibitory polypeptide) hemmt als Antagonist des
Gastrins die Magensaft- bzw. Salzsäurebildung.

Herz

 ANP (atriales natriuretisches Peptid, Gegenspieler von Aldosteron) wird in den
Herzohren produziert (deutlich sichtbare Ausbuchtungen der beiden Vorhöfe)
Fettgewebe
 Leptin wird v.a. in Adipozten (Fettzellen) produziert und wirkt hemmend auf
das Hungerzentrum im Hypothalamus.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
344
Endokrinologie Pathologie
Endokrinologie Pathologie
Pathologie des Hypophysenvorderlappen ............................................................................................. 345
Pathologie des Hypophysenhinterlappens ............................................................................................ 347
Pathologie der Schilddrüse ................................................................................................................... 347
Pathologie der Nebenschilddrüse ......................................................................................................... 352
Pathologie der Nebenniere.................................................................................................................... 354
Pathologie des Inselapparates  .......................................................................................................... 357
Endokrinologie Pathologie
345
Pathologie des Hypophysenvorderlappen
Hypophysenvorderlappen-Überfunktion
Gigantismus (Hypophysärer Riesenwuchs) 
Def:
Vermehrte Bildung von STH vor oder während der Pubertät.
Urs:
 Idiopathisch
 Hypophysenvorderlappenadenom
Pat:
Krankheitsbeginn vor dem Schluss der Epiphysenfugen.
Sym:  Wohlproportionierter Riesenwuchs (mehr als 2 m)
Akromegalie 
Def:
Vermehrte Bildung von STH im Erwachsenenalter.
Urs:
 Idiopathisch
 Hypophysenvorderlappenadenom
Pat:
Da die Epiphysenfugen schon verknöchert sind, kommt es nicht zum Längenwachstum,
sondern zu einem Wachstum der Akren (die distalen Körperteile). Der Verlauf ist
schleichend.
Sym:  Vergröberung der Gesichtszüge
 Zunge vergrößert, Lippen wulstig
 Nase vergrößert
 Unterkiefer schiebt sich vor
 Auseinanderweichen der Zähne
 Faltige Gesichtshaut
 Vergrößerung von Händen und Füßen (Schuhgröße!)
 Zunahme des Kopfumfangs (Hutgröße!)
 Kopfschmerzen
 Kloßige Sprache durch Vergrößerung des Kehlkopfs
 Vergrößerung der inneren Organe (Viszeromegalie)
 Häufig Kopf- und Gliederschmerzen
 Bei Verdacht: Vergleich mit einer früheren Photographie.
Kom: 




Arthrosen (80%)
Euthyreote Struma (80%)
Diabetes mellitus (25%)
Hypertonie (20%)
Karpaltunnelsyndrom
Prolaktinom
Def:
Adenom des HVL mit Überproduktion an Prolaktin.
Das Prolaktinom ist eines der häufigsten Hypophysenadenome (50%). Frauen sind
fünfmal häufiger betroffen.
Sym:  Bei Frauen Störungen und Ausbleiben der Regelblutungen, Libidoverlust
 Milchfluss außerhalb der Stillzeit.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
346
Endokrinologie Pathologie
 Bei Männern Libido- und Potenzverlust.
 Gesichtsfeldausfälle und Halbseitenblindheit (Druck auf den Sehnerv im Bereich der
Sehnervenkreuzung)
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
Def:
Entweder totaler oder teilweiser Ausfall der Funktion des HVL.
Urs:




Hypophysentumore oder Metastasen
Verletzungen, Entzündungen, Bestrahlungsfolgen
Hypophysennekrosen durch Ischämie oder Embolien
Nach einer Geburt bei Müttern auftretende HVL-Insuffizienz durch Ischämie
infolge Kreislaufversagens während der Geburt (Sheehan-Syndrom)
Sym: Symptomatik erst wenn 80% des HVL untergegangen sind.
„4-mal A“ als Leitsymptome:
 Durch Ausfall der Gonadotropen Hormone Achsel- und Augenbrauenschwund
 sekundärer Hypogonadismus
 sekundäre Amenorrhoe
 Libido- und Potenzverlust
 Durch Ausfall von TSH Apathie (Teilnahmslosigkeit)
 sekundäre Hypothyreose
 Durch Ausfall von ACTH Adynamie (körperliche Schwäche)
 sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz (sog. weißer Addison)
 Durch Ausfall von MSH Alablasterblässe
 wächserne Blässe durch Depigmentation
Hypophysärer Zwergwuchs
Def:
Durch Ausfall vom Wachstumshormon STH bedingte Kleinwüchsigkeit (unter
bei Frauen, unter 1,50m bei Männern).
Sym: 



Proportionierter Körperbau
Vergrößerter Kopf (puppenhaft)
Auffallend kleine Hände und Füße (Akromikrie)
Intelligenz normal
Akuter Ausfall des HVL (Hypophysäres Koma)
Def:
Lebensbedrohlicher Zustand durch plötzlichen Ausfall von TSH und ACTH.
Urs:
Auslösende Faktoren: Infekte, Traumen, OP, Stress.
Sym:  Hypotonie, Bradykardie
 Hypothermie, Hypoglykämie
 Hypoventilation
1,40m
Endokrinologie Pathologie
347
Pathologie des Hypophysenhinterlappens
Hypophysenhinterlappeninsuffizienz
Diabetes insipidus 
Syn:
Wasserharnruhr
Def:
Erkrankung mit Polyurie und Polydipsie, die aus einer verminderten ADH-Wirkung
resultiert. Führt zur verminderten Wasser-Rückresorption aus dem Primärharn in das
Blut.
Urs:
 Zentraler Diabetes insipidus (Ursache liegt in Hypothalamus oder HHL)
 Tumore oder Entzündungen der Hypophyse
 Idiopathisch (30%)
 Nach Traumen oder OP`s
 Renaler Diabetes insipidus (seltener als die zentrale Form)
 Schädigung der Rezeptoren des distalen Tubulus und der Sammelrohre der
Niere bei normaler ADH-Konzentration im Blut.
Sym:  Polyurie (vermehrte Urinausscheidung), zwischen 4 und 30 Litern / Tag
 Polydipsie (sehr starker Durst)
 Wasserheller Harn mit erniedrigtem spezifischem Gewicht
Hypophysenhinterlappen-Überfunktion
Schwartz-Bartter-Syndrom (sehr selten)
Def:
Durch erhöhte ADH-Ausschüttung vermehrte Wasser-Rückresorption aus dem
Primärharn in das Blut (seltene Erkrankung).
Urs:
Meist paraneoplastisches Syndrom, Tumore setzen ADH-ähnliche Substanzen frei
(besonders Bronchialkarzinome).
Sym: 
sog. Wasservergiftung
 Hyponatriämie durch Verdünnung mit neurologischer Symptomatik
 Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
 Bewusstseinsstörungen
 Akute Herzinsuffizienz möglich
 Anurie, Oligurie mit stark konzentriertem Urin
Pathologie der Schilddrüse
Schilddrüsenszintigraphie 
Def:
Untersuchung der Schilddrüse mittels einer Aufzeichnung der Speicherung radioaktiver
Isotope in der Schilddrüse. Damit kann die Stoffwechselaktivität des
Schilddrüsengewebes beurteilt werden. Bei Veränderungen spricht man von
Schilddrüsenknoten.

Kalter Knoten
Bezeichnung für ein bestimmtes Areal im Schilddrüsengewebe, welches im Szintigramm
erscheint und auf eine verminderte Stoffwechselaktivität hinweist:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
348
Endokrinologie Pathologie
 z.B. bei Entzündungsprozessen, Nekrose, Fibrose, Zysten, Verkalkungen,
bösartigen sowie gutartigen Tumoren.

Heißer Knoten
Bezeichnung für ein bestimmtes Areal im Schilddrüsengewebe, welches im Szintigramm
rot erscheint und auf eine vermehrte Stoffwechselaktivität (T 3/T4 ) hinweist:
 v.a. bei Schilddrüsenautonomie, sehr selten bei Schilddrüsenkarzinom
Struma (Kropf) 
Def:
Jegliche Vergrößerung der Schilddrüse. Kann mit einer normalen Hormonproduktion
(euthyreot), einer Überproduktion (hyperthyreot) oder einer verminderten Produktion
(hypothyreot) einhergehen.
Urs:







Jodmangel
Hyperthyreose
Hypothyreose
Schilddrüsenkarzinom
Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto)
Schilddrüsenzysten
Medikamente
Euthyreote Struma (Kropf)
Def:
Eine nicht entzündliche, gutartige Vergrößerung der Schilddrüse mit normaler
Hormonproduktion (euthyreot).
 Häufigste Schilddrüsenerkrankung: 90% der Schilddrüsenerkrankungen sind
euthyreote Strumen.
Urs:
 Endemisch, gehäuft nur in einem bestimmten Gebiet auftretend. Ein genetisch
zellulärer Defekt der Follikelepithelzellen manifestiert sich in Jodmangelgebieten zu
einem Jodmangelkropf (ca. 20% in der BRD).
 Erhöhter Bedarf, z.B. bei Schwangerschaft, Stillzeit und im Wachstum.
Pat:
Jodmangel im Schilddrüsengewebe führt zur erhöhten Ausschüttung von bestimmten
Wachstumsfaktoren, welche zur die Schilddrüse zur Hyperplasie anregt, ohne dabei eine
Überproduktion von Schilddrüsenhormonen zu provozieren.
 Frauen sind 4-mal häufiger betroffen als Männer.
Einteilung der Strumastadien:
 IA: Tastbarer, aber nicht sichtbarer Knoten.
 IB: Tastbarer und nur bei überstrecktem Hals sichtbarer Knoten.
 II: Struma immer sichtbar.
 III: Sehr große Struma mit lokalen Stauungs- und Kompressionszeichen.
Sym:  Tastbare oder sichtbare, schluckbewegliche Masse am Hals, etwas unterhalb
des Ringknorpels
 Diagnostik durch Bestimmung des TSH-Wertes im Blutserum und durch Sonographie
der Schilddrüse
 Jede Struma muss grundsätzlich differenzialdiagnostisch abgeklärt werden.
Kom:
 Verdrängung von Luftröhre, Speiseröhre, Gefäße und Nerven. Mögliche Folgen: z.B.
Stridor,
Dyspnoe,
Dysphagie,
venöse
Einflussstauung,
Horner-Trias,
Rekurrensparese (Kehlkopflähmung mit Heiserkeit)
Endokrinologie Pathologie
349
 Entwicklung einer Schilddrüsenautonomie (nicht dem Regelkreis unterworfener
Bezirk von Drüsenzellen). Hieraus kann sich eine Schilddrüsenüberfunktion
entwickeln.
The:
Meist konservativ mit Jodid-Substitution bzw. Kombinationstherapie mit Jodid und LThyroxin (T4)
Hyperthyreote Struma
Def:
Bezeichnung für eine Schilddrüsenvergrößerung, die mit einer vermehrten Produktion
(hyperthyreot) von Schilddrüsenhormonen einhergeht. Kann im Rahmen einer
Hyperthyreose auftreten.
Hypothyreote Struma
Def:
Bezeichnung für eine Schilddrüsenvergrößerung, die mit einer verminderten Produktion
(hypothyreot) von Schilddrüsenhormonen einhergeht. Kann im Rahmen einer
Hypothyreose auftreten.
Hyperthyreose 
Def:
Schilddrüsenüberfunktion
Schilddrüsenhormonen.
mit
gesteigerter
Produktion
und
Sekretion
von
Urs:
 Immunogene Hyperthyreose (Morbus Basedow)
Antikörper wirken an der Schilddrüse (Autoimmun-hyperthyreose). Gleichzeitig
kann es typischerweise am Auge durch Wucherungen zur sog. endokrinen
Ophthalmopathie kommen.
 Frauen sind häufiger betroffen.
Unterscheidung der Schilddrüsenantikörper:
 MAK (Mikrosomale Antikörper) greifen Strukturen innerhalb der
Schilddrüsenzelle an.
 TAK (Thyreoglobulin-Antikörper) greifen das spezifische Schilddrüseneiweiß
an.
 TRAK (TSH-Rezeptor-Antikörper) wirken an der Schilddrüse wie das Hormon
TSH und führen so zur verstärkten Ausschüttung von T3/T4.
 Nicht-immunogene Hyperthyreose, durch z.B.:
 Schilddrüsenautonomie (autonomes Schilddrüsenadenom)
 Thyreoiditis (meist subakut und vorübergehend verlaufend)
 Schilddrüsenkarzinom (selten)
 Zentrale Hyperthyreose, Störung in der Hypophyse oder Hypothalamus
 Altershyperthyreose (> 60 Jahre) mit auffallend kleiner Symptomatik
Sym:  Bei allen hyperthyreotischen Formen:
 Hyperthyreote Struma (Kropfbildung mit Überfunktion ca. 80%)
 Evtl. Halsschmerzen
 Gewichtsverlust trotz Heißhunger
 Kreislaufsymptome
 Tachykardie
 Hypertonie
 große Blutdruckamplitude
 evtl. Herzrhythmusstörungen
 Gesteigerte nervale Erregbarkeit
© Arpana Tjard Holler (Autor)
350
Endokrinologie Pathologie








 feinschlägiger Fingertremor
 erhöhte Reflexbereitschaft (z.B. häufiger Lidschlag)
 Unruhe und Nervosität, Angstzustände
 Schlaflosigkeit
Wärmeintoleranz, Schweißausbrüche, feuchte und warme Haut
Diarrhö (Obstipation schließt Hyperthyreose nicht aus!)
evtl. auskultatorisches Schwirren über der Schilddrüse hörbar
Weiches, dünnes Haar, Haarausfall
Muskelschwäche (sog. thyreotoxische Myopathie) durch massiven Abbau
von Muskeleiweißen
Glanzauge (feucht glänzendes Auge mit erweiterter Lidspalte)
bei chronischen Formen evtl. Osteoporose und leichte Hyperkalzämie
evtl. Brustdrüsenwachstum bei Frauen und bei Männern (Gynäkomastie)
 Beim Morbus Basedow:
 Merseburger Trias (galt früher als Leitsymptom)
 Struma
 Exophthalmus (hervortreten beider Augäpfel, sog. Glotzaugen)
 Tachykardie schon in Ruhe
 Bei der Altershyperthyreose (bei über 60jährigen). Macht nur wenige Symptome
und wird deshalb oft nicht erkannt.
 Herzrhythmusstörungen
 Herzinsuffizienz
 Depression, Müdigkeit, Antriebsarmut
 Gewichtsverlust, Kräfteverfall
Kom:  Thyreotoxische Krise bzw. Koma beim Morbus Basedow (Koma Basedowicum) oder
durch Gabe von jodhaltigem Röntgenkontrastmittel im Rahmen einer Tumorsuche
und nicht erkannter Hyperthyreose.
 Hyperthermie (ab 42˚ C Ausflockung der Eiweiße) mit Hautrötung und
Schweißausbrüchen)
 Hypovolämischer Schock infolge von Schweißausbrüchen und extremer
Diarrhö (Exsikkose-Zeichen)
 Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern
 Erbrechen
 Angstzustände, Delirium
Sekundärer Diabetes mellitus
Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) 
Erworbene Hypothyreose
Urs:
 Primäre Hypothyreose
 Hashimoto-Thyreoiditis (am häufigsten)
 Exogener Jodmangel
 Iatrogen (durch den Arzt verursacht, z.B. Strahlenbehandlung,
Thyreostatika, Strumektomie)
 Sekundäre (hypophysäre) Hypothyreose
 HVL-Insuffizienz
 Tertiäre (hypothalamische) Hypothyreose, sehr selten
Pat:
Je nach Ursache sind leichte bis schwerste Formen bekannt.
Sym:  Hypothyreote Struma (Kropfbildung mit Unterfunktion) möglich
Endokrinologie Pathologie
351
 Gewichtszunahme trotz Appetitlosigkeit
 Generalisiertes Myxödem (pathologische Ablagerung von Mukopolysacchariden
infolge des verminderten Stoffwechsels): Teigig aufgetriebene Unterhaut , hinterlässt
beim Eindrücken keine Delle, nur bei der schweren Verlaufsform.
 Kreislaufsymptome
 Bradykardie
 Hypotonie
 bei schwerer Hypothyreose Herzinsuffizienz möglich
 Körperlicher und geistiger Leistungsabfall
 Apathie
 Müdigkeit
 verlangsamte Reflexe, Missempfindungen
 Mimische Starre
 Depressiv, Desinteresse, Antriebslosigkeit
 Kälteempfindlichkeit
 Haut ist trocken, kühl, blass, rau und dick
 Obstipation
 Dickes brüchiges Haar, Haarausfall
 Tiefe, raue Stimme; spricht langsam und verwaschen
Kom:  Hypothyreotes Koma (selten)
 Bradykardie, Hypotonie
 Hypoventilation, Hypothermie
 Paralytischer Ileus

Früharteriosklerose durch Hypercholesterinämie
Angeborene Hypothyreose (Kretinismus)
Def:
Entwicklungsstörungen des Kindes durch Schilddrüsenhormonmangel.
 Häufig in Jodmangelgebieten
Urs:
 Jodmangel oder Hypothyreose der Mutter.
 Fehlen oder Fehlbildung der Schilddrüse des Neugeborenen.
Pat:
Nach vier Wochen unbehandelter Hypothyreose des Neugeborenen kommt es zur
irreversiblen Schädigungen des ZNS. Das Vollbild des Kretinismus ist durch
Vorsorgeuntersuchung von Neugeborenen selten geworden.
Sym: Im Säuglingsalter:
 Trinkfaulheit, Bewegungsarmut, Verstopfung
 Verlängerter Neugeborenenikterus
Später:
 Hypothyreoter Zwergwuchs
 Hochgradige geistige Behinderung
 Sprachstörungen, Schwerhörigkeit
Schilddrüsenentzündungen (Thyreoiditis) 
Urs:
Chronische Thyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis), Autoimmunerkrankung (kommt
am häufigsten vor), zu 90% sind Frauen betroffen
Akute Thyreoiditis infolge von Bakterien, Viren, Traumen, Bestrahlung (selten)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
352
Endokrinologie Pathologie
Idiopathische, granulomatöse Thyreoiditis (Frauen ab 40 sind häufiger betroffen),
verläuft subakut
Sym:  Hashimoto-Thyreoiditis 
 Beginn und Verlauf unbemerkt, verläuft jahrelang schmerzlos mit meist
völliger Zerstörung der Schilddrüse
 Unklare Halsschmerzen oder Dysphagie sind oft erste Symptome
 Keine lokalen Entzündungszeichen
 Symptome einer Hyper- und Hypothyreose können sich abwechseln
 Nachweis von TPO-Antikörpern (in 90% der Fälle)
 Zum Schluss Zeichen einer Hypothyreose
 Akute Thyreoiditis
 Akuter Beginn mit Fieber, Entzündungszeichen, Dysphagie
 Euthyreose (normale Schilddrüsenproduktion)
 Subakute Thyreoiditis
 Krankheitsgefühl und Entzündungszeichen können auftreten, aber nicht so
dominant wie bei der akuten Form
 Oft erst hyperthyreot und dann nach Abklingen der Krankheit hypothyreot
Schilddrüsenkarzinom (ca. 1% aller Schilddrüsenneubildungen)
Def:
Bösartiger Tumor des Schilddrüsengewebes. Kann in jedem Alter auftreten, Frauen sind
deutlich häufiger betroffen. Kalte Knoten sind generell verdächtig bösartig zu sein.
Ionisierte Strahlung (z.B. radioaktive Stoffe) kann das Karzinom verursachen.
Sym:

Strumaknoten von harter, höckeriger Konsistenz
 meist rasch wachsend
 nicht schluckverschieblich
Im späteren Stadium:
 Schluckbeschwerden
 Heiserkeit durch Lähmung des Nervus recurrens
 Regionale Lymphknotenschwellung
 Stridor (ohne Stethoskop hörbares pfeifendes Atemgeräusch)
 Einflussstauung (Jugularisstauung)
 Horner-Syndrom
 Miosis (verengte Pupillen)
 Ptosis (herabhängendes Augenlid)
 Enophthalmus (nach innen gesunkener Augapfel)
The:
 Operation
 Radiojodtherapie (radioaktives Jod sammelt sich in den Schilddrüsenkrebszellen und
zerstört diese durch seine Strahlung)
 Lebenslange Substitution mit Schilddrüsenhormonen
Pathologie der Nebenschilddrüse
Überfunktion der Nebenschilddrüsen (Hyperparathyreoidismus)
Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)
Def:
Überfunktion der Nebenschilddrüsen mit gesteigerter Bildung von Parathormon.
Urs:
 Adenom (ca. 80%)
Endokrinologie Pathologie
353
 Hyperplasie der Epithelkörperchen (ca. 18%)
 Selten ein Karzinom
Pat:
Es kommt durch zu viel Parathormon zu einem vermehrten Abbau von Kalzium aus den
Knochen. In der Niere wird vermehrt Kalzium rückresorbiert und im Darm wird
vermehrt Kalzium aufgenommen. Der Kalzium-Blutspiegel steigt und so entsteht eine
Hyperkalzämie.
Sym:  Merksatz: „Stein, -Bein, und –Magenpein“ bei Hyperparathyreoidismus
 Nierenbeteiligung (ca. 60%)
 Nephrolithiasis (Nierensteine), häufigstes Symptom überhaupt
 Nephrokalzinose (Verkalkung von Nierenparenchym)
 evtl. Polyurie und Polydipsie (bei Überschreiten der Nierenschwelle)
 Knochenbeteiligung (ca. 50%)
 Osteodystrophia fibrosa generalisata (Morbus Recklinghausen), Abnahme
von Knochengewebe mit Bildung von Knochenzysten und bindegewebigen
Umbau, Glieder- und Rückenschmerzen.

Magen-Darm-Beteiligung (ca. 50%)
 Appetitlosigkeit, Übelkeit, Obstipation, Blähsucht (Meteorismus)
 Gewichtsabnahme
 Ulkus ventriculi, Ulkus duodeni (10%)
 Pankreatitiden (10%)
 Gallensteinleiden
 Neuromuskuläre Symptome
 Muskelschwäche, Hyporeflexie
 Leistungsminderung, Schwäche, Depression
Kom:  Hyperkalzämische Krise
 Polyurie, Polydipsie, Erbrechen
 Exsikkose, Schläfrigkeit, Koma
Sekundärer Hyperparathyreoidismus
Def:
Kompensatorisch erhöhte Parathormonsekretion durch Absinken des Kalziumspiegels.
Urs:
Abfall des Kalziumspiegels durch:
 Chronische Niereninsuffizienz (durch erhöhten Verlust)
 Vitamin-D-Mangel
 Malassimilationssyndrom
Sym:  Knochenschmerzen und Schwäche der proximalen Muskulatur
 Symptome der Grundkrankheit
Hypoparathyreoidismus 
Def:
Unterfunktion der Epithelkörperchen.
Urs:
 Am häufigsten durch Entfernung bei Operation.
 Idiopathisch
 Angeboren (selten): Hypoplasie (Unterentwicklung der Nebenschilddrüse)
Der niedrige Kalziumspiegel führt zur neuromuskulären Übererregbarkeit
(hypokalzämische Tetanie).
Pat:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
354
Endokrinologie Pathologie
Sym:  Parästhesien
 Muskelkrämpfe (sog. Karpopedalspasmen)
 Pfötchenstellung
 „Tetaniegesicht“ mit gespitzten Lippen
 Stimmritzenkrampf
 Chvostek-Zeichen: Beim Beklopfen des N. facialis auf der Wange treten
Muskelzuckungen auf.
 Trousseau-Zeichen: Eine Blutdruckmanschette wird am Oberarm aufgepumpt und
führt im positiven Fall zur Pfötchenstellung.
 Bei längerem Bestehen:
 Organische Veränderungen: Haar- und Nagelwuchsstörungen, Katarakt
 Reizbarkeit, Depression, Wesensveränderung
Pathologie der Nebenniere
Pathologie der Nebennierenrinde
Überfunktion der Nebennierenrinde
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) 
Def:
Krankheitsbild, das durch die Erhöhung der Glukokortikoide im Blut entsteht.
Urs:
 Exogenes Cushing-Syndrom (ca. 80% d.F.)
Entsteht durch längere Kortikoidtherapie, z.B. bei M. Crohn, Colitis ulcerosa,
Multiple Sklerose, Asthma bronchiale, rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche
Hauterkrankungen.
 Bei mehr als 7,5 mg täglich (Cushing-Schwelle) und länger als 4 Wochen
Gefahr eines Cushing-Syndroms
 Endogenes Cushing-Syndrom
 Zentrales Cushing-Syndrom (klassischer Morbus Cushing), entsteht durch eine
vermehrte ACTH-Abgabe durch ein Adenom im HVL (ca.16%).
 Adrenales Cushing-Syndrom (ca.4%), entsteht durch eine vermehrte Abgabe
von Glukokortikoiden durch ein Adenom in der NNR.
Pat:
Erhöhter Kortisonspiegel führt zu verstärktem Eiweißabbau und erhöhter Gluko-neogenese mit typisch stammbetonter Umverteilung der Depotfette.
 Frauen sind 5-mal häufiger betroffen als Männer.
Sym:  Gewichtszunahme mit Fettverteilungsstörungen
 Fettsucht am Körperstamm mit relativ schlanken Extremitäten
 Vollmondgesicht mit starker Rötung
 Stiernacken
 Hauterscheinungen
 blaurote Striae (typischer Hautdehnungsstreifen)
 Akne und Furunkulose (Furunkel = eitriger Untergang eines Haar-follikels)
 schlecht heilende Wunden (Geschwüre)
 dünne Haut
 Petechien, Hämatome (schlechter Allgemeinzustand der Gefäße)
 Hypertonie
 Muskelschwäche, Muskelatrophie
Leitsymptom: Patient kommt nicht ohne Hilfe aus der Hocke hoch (HollerZeichen)!
Endokrinologie Pathologie
355




Diabetische Stoffwechsellage
Glaukom (Erhöhung des Augeninnendrucks), Katarakt (Trübung der Linse)
Osteoporose (Knochenschmerzen)
Bei Frauen Hirsutismus (verstärkte männliche Körperbehaarung) und Amenorrhö
(Ausbleiben der Menstruation), wenn ACTH 
 Bei Männer Potenzstörungen (wenn ACTH )
 Psychische bzw. psychotische Veränderungen

bei Kindern Wachstumshemmung
 Labor: Verändertes Blutbild (z.B. Erythrozytose), BZ 
Hyperaldosteronismus 
Def:
Stoffwechselstörung infolge gesteigerter Sekretion von Aldosteron.
Urs:
 Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)
 Adenom in der NNR (ca. 70%)
 Beidseitige Hyperplasie der NNR (ca. 30%)
 Sekundärer Hyperaldosteronismus
 Erhöhte Aldosteronabgabe durch das RAA-System, z.B. bei Nierenarterienstenose.
 Infolge eines hohen Konsums von Lakritze (sog. Lakritz-Conn)

Pat:
Führt zu einer Hypernatriämie und Hypokaliämie mit den entsprechenden Symptomen.
Sym:  Hypertonie (1% Ursache der arteriellen Hypertonien)
 Folgen der Hypokaliämie:
 Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Paresen (unvollständige Lähmung
eines Muskels), Parästhesien (Missempfindungen)
 Herzrhythmusstörungen, EKG-Veränderungen
 Verstopfung (Obstipation)
 Hypokalämische Nephropathie (Schädigung der Tubuluszellen durch den
Kaliummangel im Blut) mit Polyurie und Polydipsie
 Metabolische Alkalose
Nebennierenrindeninsuffizienz 
Def:
Stoffwechselstörung durch mangelnde Produktion von NNR-Hormonen.
Urs:
 Primäre NNR-Insuffizienz (Morbus Addison; sog Bronzehautkrankheit)
 Autoimmunprozesse (80% d.F.)
 Tumore
 Infektionen (z.B. Tuberkulose)
 Nach jahrelanger Einnahme von Kortikoiden
Glukokortikoide niemals abrupt absetzen.
 Sekundäre NNR-Insuffizienz (sog. weißer Addison)
 HVL-Insuffizienz mit mangelnder ACTH-Ausschüttung.
 Akute NNR-Insuffizienz
 Meningokokken-Sepsis führt zu Einblutungen in der Nebennierenrinde
(Waterhouse-Friderichsen-Syndrom)
 Absetzen einer Medikamention mit Glukokortikoiden
 Zu einer Symptomatik kommt es erst wenn 9/10 der NNR zerstört sind.
 Seltene Erkrankung (1 : 200.000)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Pat:
356
Endokrinologie Pathologie
 Durch den Hormonmangel kommt es zur Hypovolämie mit Hyponatriämie und
Hyperkaliämie und einem erniedrigten Blutzuckerspiegel (Hypoglykämie).
Endokrinologie Pathologie
357
Sym:  Leitsymptome
 Hypotonie (primärer Addison)
 Gewichtsverlust
 Adynamie - körperliche Schwäche und allgemeine Müdigkeit
 Braune Hautfarbe durch Überpigmentierung (sog. brauner Addison);
vermehrte ACTH-Abgabe führt zur vermehrten MSH-Ausschüttung
 Pigmentfreie weiße Hautflecken, die allmählich größer werden (nur beim
sog. weißen Addison)
 Gastrointestinale Beschwerden
 Übelkeit, Erbrechen
 Verstopfung, Durchfall
 Verlust der Sekundärbehaarung bei Frauen durch Androgenmangel
 Labor
 Hyponatriämie (Salzhunger)
 Hyperkaliämie (Herzrhythmusstörungen, Muskelkrämpfe)
 Hypoglykämie (Heißhunger)
 Normozytäre Anämie, Leukopenie
 ACTH-Spiegel: primäre NNR-Insuffizienz erhöht, sekundäre erniedrigt
 Kortikoide und Testosteron erniedrigt
 Natrium-Kalium-Quotient erhöht
Kom: Addison-Krise
 Kammerflimmern
 Exsikkose (Austrocknung), hypovolämischer Schock
 Hypoglykämie
 Metabolische Azidose (Kussmaulatmung)
 Bewusstseinstrübung bis Koma
Pathologie des Nebennierenmarks
Überfunktion des Nebennierenmarks (Phäochromozytom) 
Def:
Adrenalin produzierender einseitiger Tumor des Nebennierenmarks.
Urs:
 Benigner Tumor (ca. 90% d.F.)
 Maligner Tumor (ca. 10% d.F.)
Sym:  Leitsymptom: Starke Hypertonie, anfallartig oder anhaltend
 Kopfschmerzen, Schwitzen, Herzklopfen, Tremor, innere Unruhe
 Hypertensive Krisen
 Hyperglykämie mit Glukosurie
 Gewichtsabnahme durch den erhöhten Stoffwechsel im Körper
 Blasse Haut (sog. weiße Hypertonie)
 Leukozytose
Pathologie des Inselapparates 
Untersuchungsmethoden beim Diabetes mellitus 




Bestimmung von Glukose im Blut und im Urin.
Nüchternwert: normal unter 100 mg/dl.
Ab ca. 180 mg/dl Glukose im Blut ist mit einer Glukosurie zu rechnen (Nierenschwelle)
Oraler Glukosetoleranztest (OGTT):
© Arpana Tjard Holler (Autor)
358
Endokrinologie Pathologie







Patient erscheint morgens zur Nüchternblutentnahme (10 Stunden keine Nahrungs-und
Flüssigkeitsaufnahme außer Wasser bzw. Mineralwasser).
BZ sollte unter 100 mg/dl sein. Bei einem Nüchternwert ab 120 mg/dl ist ein OGTT nicht
angebracht.
Orale Gabe von 75 g Glukose.
Nach 120 Minuten erneute Blutzuckerbestimmung (Patient soll in der Praxis bleiben).
Eine pathologische Glukosetoleranz (Glukoseintoleranz) besteht, wenn der BZ über 140
mg/dl ist.
Bestimmung von HbA1c („Blutzuckergedächtnis“) als Langzeitkontrolle beim Diabetiker.
In Abhängigkeit von der Höhe des Blutzuckers verändert sich das Hämoglobin. Dieses
glykosilierte Hb (HbA1c) erlaubt einen Rückschluss auf die Blutzuckereinstellung der
letzten 8-12 Wochen. Normwert: 4-6,5%.
Bestimmung des Tagesprofils: Vor und nach der Mahlzeit wird der BZ gemessen und
protokolliert.
Diabetes mellitus („Honigsüßer Durchfluss“) 
Def:
Glukosestoffwechselstörung mit absolutem oder relativem Insulinmangel und
Erhöhung der Blutzuckerkonzentration (Hyperglykämie).
 In der BRD gibt es zurzeit 4% Diabetiker.
Urs:
 Diabetes Typ I (früher insulinabhängiger Diabetes mellitus bzw. juveniler Diabetes
mellitus)
 Macht ca. 10% der Fälle aus.
 Bricht in der Regel vor dem 35. Lebensjahr aus.
 Absoluter Insulinmangel.
 Autoimmunerkrankung; Autoantikörper zerstören B-Zellen des
Langerhansen Inselapparates (in mehr als 50% d.F. nachweisbar).
 Auslösung dieser Autoimmunerkrankung häufig durch einen Infekt.
 Erkrankung manifestiert sich innerhalb kurzer Zeit.
 Diabetes Typ II (früher insulinunabhängiger Diabetes mellitus bzw. Alters-diabetes
(90%)
 Macht ca. 90% der Fälle aus.
 Tritt in der Regel im höheren Lebensalter auf, allerdings können auch Kinder
davon betroffen sein.
 Häufig übergewichtig.
 Relativer Insulinmangel.
 Herabgesetzte Insulinempfindlichkeit der Zielzellen (pathologische
Glukosetoleranz = Glukoseintoleranz). Glukosespiegel steigt nach den
Mahlzeiten über die Normalwerte an und sinkt nur langsam ab.
 Die Insulinresistenz ist genetisch bedingt, wird aber durch Überernährung
(Einfachzucker) in Zusammenhang mit Bewegungsmangel ausgelöst. Hoher
Zuckerzufuhr führt zum hohen Insulinspiegel, welcher die Sensibilität und
Dichte der Insulinrezeptoren (Down-Regulation) und damit die
Insulinwirkung vermindert.
 Erkrankung entwickelt sich langsam.
 Diabetes Typ II gehört zu den Wohlstandskrankheiten (metabolisches Syndrom).
 Diabetes Typ III (früher sekundärer Diabetes mellitus)
Andere spezifische Diabetestypen:
 Pankreaserkrankungen: chronische Pankreatitis, Hämochromatose
(Eisenspeicherkrankheit; sog. Bronzediabetes), nach Pankreasresektion.
Endokrinologie Pathologie
359
 Hormonelle Erkrankungen (Vermehrung der Insulingegenspieler): CushingSyndrom (Glukokortikoide ), Phäochromozytom (Adrenalin ),
Akromegalie und Gigantismus (STH ) Hyperthyreose.
 Medikamentös hervorgerufen, z.B. bei Kortison-Therapie
Tabelle der Blutzucker beeinflussenden Hormone
Blutzucker erniedrigend Blutzucker erhöhend Überfunktion: sekundärer
Diabetes mellitus
Glukagon
Glukagonom
T3/T4
Hyperthyreose
Insulin
Glukokortikoide
Cushing-Syndrom
STH
Gigantismus, Akromegalie
Adrenalin
Phäochromozytom
 Diabetes Typ IV
Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)
Pat:
Diabetesstadien
 Potentieller Diabetes
Keine klinischen Symptome, aber Diabeteshäufung in der Familie.
 Latenter Diabetes
Nüchternblutzucker und/oder OGTT nur unter Stresssituation (z.B. Infekte,
Schwangerschaft) pathologisch.
 Verminderte Glukosetoleranz
Normaler Nüchternblutzucker, aber pathologischer OGTT.
 Manifester Diabetes
Ständige Hyperglykämie.
Sym:  Diabetes Typ I (rascher Beginn)
 Polyurie (vermehrte Harnausscheidung) mit hellem Urin
 Polydipsie (starker Durst)
 Leistungsminderung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit
 Appetitlosigkeit, Übelkeit
 Gewichtsabnahme
 Oft auch Zeichen des diabetischen Komas als Erstmanifestation
 Diabetes Typ II (langsame Entwicklung)
Oft besteht der Diabetes jahrelang unbemerkt und diabetische Spätkomplikationen
sind bereits eingetreten.
 Evtl. Heißhunger mit Schwitzen durch kurzfristige Unterzuckerung
(Hypoglykämie), hervorgerufen durch eine vorübergehende Hyperinsulinämie.
 Leistungsmangel, Müdigkeit
 Kurzfristig Polyurie und Polydipsie möglich (bei Hyperglykämie über 180
mg/dl)
 Vermehre Infektanfälligkeit
 Hautinfektion mit schlechter Heilungstendenz
 Candida-Mykosen
 Furunkel oder Karbunkel
 Rubeosis diabetica: dauernde Rötung des Gesichtes durch Herabsetzung des
Kapillartonus (Polyneuropathie)
 Pruritus (Hautjucken), besonders Genital- und Analgegend
 Rezidivierende Harnwegsinfektionen
 Nachlassen von Libido und Potenz, Menstruationsstörungen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
360
Endokrinologie Pathologie
 Sehstörungen
 Hypertonie
 Hypercholesterinämie (Insulinmangel hat eine Steigerung der
Cholesterinproduktion zur Folge)
Folgen von
Insulinmangel
Zucker fehlt in den
Zellen
Hyperglykämie
Glukosespiegel
ab 180 mg/dl
Diabetische Spätschäden als
Angiopathie
Glukoneogenese in
der Leber
Polyurie
Makroangiopathie
Mikroangiopathie
Abbau von
Fettgewebe
Polydipsie
Bildung von
Ketonkörperchen
ExsikkoseZeichen
Ketoazidose
Azetongeruch
Kussmaul-Atmung
Gewichtsverlust
Ketonurie
Endokrinologie Pathologie
361
Kom: Diabetische Spätschäden
Diabetiker müssen infolge einer lang andauernden Hyperglykämie mit Schädigungen der
kleinen und großen Gefäße (Mikro- und Makroangiopathie) rechnen.
Makroangiopathie (Arteriosklerose der großen Gefäße)
 KHK (Koronare Herzkrankheit), Herzinfarkt (50% Sterblichkeit)
 Oft stummer Verlauf, keine Angina pectoris.

Apoplexie (30% der Diabetiker versterben daran)

pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit)
 Ulcus cruris, Gangrän
Oft kein Schmerz bei Claudicatio intermittens infolge der begleitenden
Neuropathie

Arteriosklerotische Nierenschädigung
 Führt zur Hypertonie und Schrumpfniere
Mikroangiopathie
Betroffen sind die kleinsten Gefäße und die Kapillaren. Infolge einer andauernden
Hyperglykämie verhärtet sich die Basalmembran und es entstehen punktförmige
ischämische Nekrosen.

Diabetische Retinopathie
Es handelt sich um eine durch Mikroangiopathie verursachte nicht entzündliche
Netzhauterkrankung, teilweise mit retinalen Blutungen. Dabei können auch
Gefäßneubildungen auftreten.
 Gefahr der Erblindung
 Keine Frühsymptome, Verschwommen sehen als erstes Symptom,
häufigste Erblindungsursache
 Am Auge kann es beim Diabetiker zusätzlich zu folgenden Erkrankungen
kommen: Katarakt, Glaukom, Netzhautablösung, Makuladegeneration

Diabetische Nephropathie
Bei der diabetischen Glomerulosklerose (Kimmelstiel-Wilson-Syndrom)
kommt es zu einer Verdickung der glomerulären Basalmembran.
 Frühsymptom: Mikroalbuminurie
 Nephrotisches Syndrom (Eiweißverlustniere)
 Niereninsuffizienz durch ständige Abnahme der glomerulären
Filtrationsrate
 Bei bestehender Hyperglykämie kann infolge der diabetischen Nephropathie
ein Nachweis der Glukose im Harntest negativ sein.

Diabetische Polyneuropathie (diabetische Neuropathie)
Schädigungen des peripheren Nervensystems infolge von Mikroangiopathie.
 Periphere Polyneuropathie mit sensomotorischen Störungen.
 Parästhesien, typisch an den Unterschenkeln und Füßen
 Nächtliche Wadenkrämpfe
 Füße sind heiß und brennen („burning feet“)
 Restless-Legs-Syndrom, Beine sind unruhig und können nicht
stillgehalten werden
 Störung des Vibrationsempfindens (als erstes gestört)
 Herabsetzung der Schmerz-, Berührungs- und Temperaturempfindung
 Hypo- bzw. Areflexie (abgeschwächte bzw. fehlende Reflexe),
z.B. ASR beidseitig nicht auslösbar
 Lähmungen von Nerven, z.B. periphere Fazialisparese
© Arpana Tjard Holler (Autor)
362
Endokrinologie Pathologie
 Autonome Neuropathie (Schädigung der vegetativen Nerven:
Parasympathikus und Sympathikus)
 Herzkreislauf
 Ruhetachykardie, Herzfrequenzstarre, Bradykardie
 Blutdruckregulationsstörungen, orthostatische Hypotonie
 Regionale Gefäßlähmung: Vasodilatation (warmer Fuß) oder
Vasokonstriktion (kalter Fuß)
 Stummer Herzinfarkt
 Magen-Darm-Trakt
 Dysphagie (Schluckstörungen)
 Magenentleerungsstörungen, Völlegefühl
 Diarrhö oder Obstipation
 Stuhlinkontinenz
 Urogenitalsystem
 Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung
 Potenzstörungen, erektile Dysfunktion
Haut
 Trockene Haut
 Hyperhidrosis (übermäßiges Schwitzen)
 Pupille
 Miosis (verengte Pupillen)
 Mydriasis (erweiterte Pupillen)

Diabetisches Fußsyndrom
 Ischämischer Fuß (Makroangiopathie) in 30% der Fälle
 Claudicatio intermittens
 Kühler Fuß
 Livide Haut
 Fehlende Fußpulse
 Normales Vibrationsempfinden
 Ulcus cruris (arterieller Ulcus, v.a. am Außenknöchel)
 Nekrose und Gangrän von den Zehen aus gehend
 Schlechte Wundheilung
 Neuropathischer Fuß (Mikroangiopathie) in 60% der Fälle
 Warmer Fuß
 Rosige Haut
 Vorhandene Fußpulse
 Vermindertes Vibrationsempfinden
 Schmerzlose Geschwürbildung und Nekrosen an druckbelasteten Stellen, oft durch fehlende Fußpflege
 In 10% der Fälle besteht eine Mischung aus neuropathischen und
ischämischen diabetischen Fuß mit ungünstiger Prognose.
The:
 Diätetische Maßnahmen
 Gewichtsnormalisierung beim Typ II, oft dadurch normale Blutzuckerwerte (Body-Mass-Index < 30).
 Nahrungsaufteilung in 3 Haupt- und 3 Zwischenmahlzeiten.
 Allgemein gilt für die Nahrungszusammensetzung:
 15% Eiweiß
 35 % Fett
 50% Kohlenhydrate
 30 g Ballaststoffe
Endokrinologie Pathologie
363
 Körperliches Training:
30 Minuten Sport pro Tag, senkt den Blutzuckerspiegel und damit den Insulin-bedarf
 Patientenschulung (z.B. tägliche Inspektion der Füße, vorsichtige Nagelpflege)
 Medikamentöse Behandlung
 Orale Antidiabetika (Sulfunylharnstoffe) beim Typ II, nur wenn Diät
erfolglos ist.
 Insulingabe beim Typ I (Injektion subkutan).
 Berechnung der Kohlenhydrate nach Broteinheiten (1 BE = 12 g
Kohlenhydrate)
 Wie viel BE pro Tag nötig sind, hängt vom Kalorienbedarf ab
(Körpergröße, Gewicht und Ausmaß der körperlichen Tätigkeit)
 1 Gramm Kohlenhydrate sind 4 Kcal (ein erwachsener Mensch mit
Normalgröße und Normalgewicht benötigt 2000-3000 Kcal/Tag)
 Insulinmenge wird auf die Broteinheiten (BE) abgestimmt und die
Insulineinheiten (I.E) ermittelt. Für die Berechnung der zu
spritzenden I.E. gilt folgende Formel:
Anzahl BE x BE-Faktor = Anzahl I.E. Normalinsulin
 Der Broteinheiten-Faktor (BE-Faktor) wird i.d.R. vom Arzt
individuell festgelegt, da die Wirkung von Insulin von vielen
Faktoren abhängig ist: Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht,
Tageszeit, Essgewohnheiten. Z.B. kann der BE-Faktor morgens 2,
mittags 1 und abends 1,5 sein.
 Insulintherapie durch (im Wesentlichen) drei Therapieformen
 Konventionelle Insulintherapie (CT): Zu festgesetzten Zeiten wird
eine bestimmte Insulinmenge ermittelt. Wird v.a. bei
insulinpflichtigen D. mellitus Typ II angewendet.
 Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT): Wird auch als
Basis-Bolus-Therapie
bezeichnet.
Zwei-Spritzen-Therapie:
Grundversorgung
mit
Verzögerungsinsulin
(Basis)
und
entsprechendes Bolusinsulin zu den Mahlzeiten.
 Insulin-Pumpentherapie
Hyperglykämisches Koma (Coma Diabeticum) 
Def:
Lebensbedrohliche Komplikation eines Diabetikers mit extremer Hyperglykämie.
Urs:
 Erstmanifestation eines bisher unbekannten Diabetes mellitus (25%)
 Fehlende oder ungenügende Insulinzufuhr.
 Erhöhter Insulinbedarf z.B. bei Infektionen (z.B. Harnwegsinfektion), Unfall,
Operation, Herzinfarkt, Schwangerschaft und oder bei Diätfehlern.
 Behandlung mit Glukokortikoiden
Pat:
 Ketoazidotisches Koma (Komaform beim Typ I)
Ein starker Insulinmangel führt zu einer Hyperglykämie ( 300 mg/dl) und einer
verstärkten Lipolyse (Fettabbau) mit nachfolgender metabolischer Azidose durch
die enorme Produktion von Ketonkörper. Eine Komplikation kann die
Pseudoperitonitis diabetica sein (Ursache nicht geklärt): Heftigste
Bauchschmerzen, Übelkeit und brettharte Bauchdecke.
 Hyperosmolares Koma (Komaform beim Typ II)
Meist Diätfehler oder plötzlich erhöhter Insulinbedarf (z.B. Infekte) führen zu extrem
hohen Blutzuckerwerten ( 600 mg/dl). Es kommt zu einer enormen Glukosurie mit
hohen Wasserverlusten und einer nachfolgenden Exsikkose. Es kommt nicht zu
© Arpana Tjard Holler (Autor)
364
Endokrinologie Pathologie
metabolischer Azidose, da der Körper noch Restmengen von Insulin produzieren
kann und so die Lipolyse hemmt. Komplikationen:
 Akutes
Nierenversagen
durch
die
extreme
Polyurie
mit
Volumenmangelschock
 Elektrolytstörungen mit Hyperkaliämie
 Pseudoperitonitis diabetica
Sym: Beide Komaformen ähneln einander sehr.
 Polyurie, Polydipsie
 Müdigkeit, Apathie
 Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche
 Zeichen der Exsikkose
 trockene Haut und Schleimhäute (stehende Bauchhautfalte)
 weiche Augenbulbi
 niedriger Blutdruck und erhöhte Herzfrequenz
 Bewusstseinstrübung bis Koma
Bei der Ketoazidose
 Bauchschmerzen (Pseudoperitonitis), Verwechslung mit akutem Abdomen
 Kussmaul-Atmung (Azidoseatmung)
 Azetongeruch
Hypoglykämischer Schock 
Def.:
Symptomatik, die durch das Absinken der Blutzuckerwerte unter 40 mg/dl entsteht.
Urs.:
 Überdosierung von Insulin oder Sulfonylharnstoffen
 Zu viel Insulin gespritzt
 Gleichbleibende Insulindosis bei verminderter Nahrungsaufnahme
 Gleichbleibende Insulindosis bei zu viel körperlicher Arbeit
 Massiver Alkoholgenuss beim Diabetiker (Alkohol bremst die Glukoneogenese in der
Leber)
 Durchfälle, Leberfunktionsstörungen
Pat:
Bei einem Blutzuckerwert unter 40 mg/dl ist eine ausreichende Nährstoffversorgung des
Gehirns nicht mehr gegeben.
Sym: Beginn plötzlich, meist innerhalb von Minuten.
 Starkes Hungergefühl
 Unruhe, Aggressivität, Verhaltensauffälligkeit
 Kaltschweißige Haut
 Zittern, Krämpfe, Reflexe sind gesteigert, Babinski-Zeichen positiv
 Parästhesien, z.B. taube Zunge oder Oberlippe
 Sprachstörungen (lallen), Hemiplegie (vollständige Halbseitenlähmung) und
andere zentralnervöse Störungen (Krampfanfälle möglich)
 Tachykardie, Blutdruck normal
 Weite Pupillen (Mydriasis)
 Bewusstseinsverlust
The:
 25 ml 5%ige Glukoselösung intravenös
 Niemals Zucker oral beim Bewusstlosen. Niemals Insulin beim bewusstlosen
Diabetiker
Endokrinologie Pathologie
365
Hyperglykämisches Koma
(ab 400 mg/dl)
Hypoglykämischer Schock
(unter 40 mg/dl)
Langsam
Ketoazidotisches: innerhalb von Std.
Hyperosmolares (um 1000 mg/dl): Tage
bis Wochen. Frauen häufig als erstes
vaginale Candidiasis mit Juckreiz
Kein Hunger, Appetitlosigkeit
Starker Durst (Polydipsie) wegen
Polyurie und Exsikkose
Schnell
Tonus der Muskulatur
Schwach, Hyporeflexie, nie Krämpfe
Haut
Atmung
Augenbulbus
Atemgeruch
Trockene Haut (Exsikkose)
Typische Kussmaul-Atmung (Typ 1)
Weich (Exsikkose)
Beim ketoazidotischen Koma: obstartig
beim hyperosmolarem Koma: normal
Patient fühlt sich schwach, ist aber erregt
Krämpfe und Tremor möglich
Halbseitenlähmung möglich
Babinski positiv
Feucht, schweißig
Normal
Normal
Normal
Blutdruck / Frequenz
Urinstatus
Therapie
RR hypoton, Frequenz schwach fühlbar
Polyurie, Glukosurie, Ketonkörperchen
Zufuhr von Flüssigkeit
Insulingabe subkutan (nur vom Arzt)
Entwicklung
Hunger
Durst
© Arpana Tjard Holler (Autor)
Typischer Heißhunger
Kein Durst
RR Normal, Puls tachykard
Normal
Glukose oral, wenn ansprechbar
Glukose i. v. wenn bewusstlos
366
K.
Geschlechtsorgane
Geschlechtsorgane Anatomie und Physiologie
Geschlechtsorgane
Unterscheidung und Aufteilung ........................................................................................................... 367
Die männlichen Geschlechtsorgane ..................................................................................................... 367
Die weiblichen Geschlechtsorgane ....................................................................................................... 369
Geschlechtsorgane
367
Unterscheidung und Aufteilung




Es lassen sich drei Gruppen von Geschlechtsmerkmalen unterscheiden:
Primäre Geschlechtsmerkmale sind die Geschlechtsorgane, die direkt der Fortpflanzung
dienen. Sie sind schon bei der Geburt vorhanden.
 Beim Mann:
 Innere Geschlechtsorgane
 Hoden (Testis, Orchis), Nebenhoden (Epididymis)
 Ableitende Samenwege (Samenleiter, Spritzgänge,
Harn-Samenröhre)
 Bläschendrüse, Prostata, Cowper-Drüse
 Äußere Geschlechtsorgane
 Penis
 Hodensack (Skrotum)
 Bei der Frau:
 Innere Geschlechtsorgane
 Eierstöcke (Ovarien)
 Eileiter (Tuben)
 Gebärmutter (Uterus)
 Scheide (Vagina)
 Äußere Geschlechtsorgane
 Vulva (große und kleine Schamlippen, Scheidenvorhof
und Kitzler)
 Bartholin-Drüsen
Sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickeln sich in der Pubertät und dienen nicht direkt
der Fortpflanzung. Sie prägen das männliche bzw. weibliche Erscheinungsbild eines
Menschen.
 Beim Mann: Körperbau, Körperbehaarung, tiefe Stimme, Bartwuchs
 Bei der Frau: Körperbau, Brüste, hohe Stimme, Körperfettverteilung
Tertiäre Geschlechtsmerkmale sind angeborene und anerzogene geschlechtsspezifische
Verhaltensweisen.
Die männlichen Geschlechtsorgane
Hoden (Testes, Orchis)





Lage: Die Hoden entwickeln sich in der Fetalzeit intraperitoneal und wandern erst kurz vor
der Geburt aus dem Bauchraum durch den Leistenkanal nach außen. Für die Samenreifung
wird eine niedrigere Temperatur (32 - 35 C) als im Körperinneren benötigt.
Größe: ca. 5 x 3 x 2 cm
Gewicht: ca. 25 g
Aufbau: Der Hoden wird von einer straffen Bindegewebskapsel umgeben. Scheidewände
unterteilen den Hoden in 200 bis 300 keilförmige Hodenläppchen, in denen die verknäulten
Hodenkanälchen liegen.
Aufgabe:
 Exokrine Funktion: Spermatogenese (Bildung und Reifung der Spermien in den
Hodenkanälchen), ca. 60 Tage.
 Endokrine Funktion: In den Leydig-Zwischenzellen wird das männliche
Geschlechtshormon Testosteron produziert. Die Leydigzellen befinden sich im
Bindegewebe zwischen den Samenkanälchen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
368
Geschlechtsorgane
Nebenhoden (Epididymis)



Lage: Der Nebenhoden liegt über und hinter dem Hoden.
Aufbau: Die Hodenkanälchen aller Hodenläppchen münden am oberen Pol des Hodens
über mehrere Ausführungsgänge in den eigentlichen Nebenhodengang (Ductus
epididymidis). Dieser ist ein sehr stark gewundener Samenkanal, der den Hauptteil des
Nebenhodens ausmacht (ca. 5 m).
Aufgabe:
 Speicherung der fertiggestellten Samenfäden (Spermien).
 Abgabe eines säurehaltigen Sekrets, das bewegungshemmend auf die Spermien
wirkt.
 Phagozytose abnormer und überalterter Spermien.
 Beförderung der Spermien bei der Ejakulation durch Zusammenziehung der
glatten Muskulatur des Nebenhodenganges.
Ableitende Samenwege und Drüsen





Samenleiter (Ductus deferens)
 Er ist die Fortsetzung des Nebenhodens und ca. 50 - 60 cm lang. Seine Aufgabe
ist die Weiterbeförderung der Spermien bei der Ejakulation. Dementsprechend
stark ist die glatte Wandmuskulatur.
 Zusammen mit Blut- und Lymphgefäßen und Nerven zieht er im Samenstrang
durch den Leistenkanal in den Bauchraum.
 Der Samenstrang verläuft vom Hoden ventral über das Schambein zur Leiste
und tritt mittig des Leistenbandes in den Bauchraum ein; zieht zum oberen
Harnpol und dann seitlich hinter der Blase den Harnleiter überkreuzend bis zum
Blasengrund. Am Ende erweitert er sich zur Ampulle.
Spritzgang (Ductus ejaculatorius): Er liegt als Fortsetzung des Samenleiters zwischen der
Einmündung der Bläschendrüse in den Samenleiter und der Harnröhre. Den größten Teil
verläuft er durch die Prostata.
Bläschendrüse (Glandula vesicula) oder Samenbläschen: Die Bläschendrüsen liegen
beiderseits am Blasengrund und produzieren ca. 2/3 des Volumens der Ejakulation. Das
Sekret ist alkalisch, um die Bewegung im sauren Harnröhren- und Scheidenmilieu zu
ermöglichen, und fruktosehaltig, um die Ernährung der Spermien auf ihrem langen Weg zu
gewährleisten.
Prostata (Vorsteherdrüse): Die Prostata ist ein kastaniengroßes Organ, welches unterhalb
der Blase liegt und die Harnröhre ringförmig umgibt. Ihr trübes, dünnflüssiges Sekret dient
zur Ernährung und Beweglichkeit der Samenfäden und trägt zum charakteristischen
Spermageruch bei.
Cowper Drüse: Die erbsengroßen schleimproduzierenden Cowper Drüsen sind paarig im
muskulären Beckenboden eingebettet und münden unterhalb der Prostata in die HarnSamenröhre. Das Sekret dient der Gleitfähigkeit während des Geschlechtsverkehrs und ist
alkalisch.
Äußere Geschlechtsorgane
Hodensack (Skrotum)
Der Hodensack ist eine Ausstülpung der Bauchwand. In der Haut befindet sich der Hodenheber
(Musculus cremaster), der bei Wärme erschlafft ist und sich bei Kälte zusammenzieht, um so
ein optimales Temperaturniveau zu schaffen.
Geschlechtsorgane
369
Das männliche Glied (Penis)


Aufbau:
 Der Penis besteht aus drei länglichen Schwellkörpern, zwei Penisschwellkörper
und dem Harnröhrenschwellkörper, in dem sich die Harnröhre befindet. Die
Schwellkörper bestehen aus venösen Blutkavernen und einer Zentralarterie.
 Vorne geht das Glied in die Eichel (Glans) über, die von der Vorhaut
(Präputium) geschützt wird. Vorhautdrüsen produzieren ein talghaltiges Sekret
(Smegma).
Funktion: Bei sexueller Erregung erschlafft die Gefäßmuskulatur (parasympatischer
Einfluss) und das Blut fließt in die Hohlräume der Schwellkörper und führt zur Erektion des
Penis. Durch den hohen Druck werden die Venen komprimiert und das Blut kann nicht
abfließen.
Die weiblichen Geschlechtsorgane
Eierstöcke (Ovarien)





Lage: Sie liegen intraperitoneal (im Bauchfell gelegen) beidseitig der Gebärmutter im
kleinen Becken unterhalb und hinter den Eileitern. Aufgehängt sind sie durch elastische
Bänder zur Gebärmutter und zur seitlichen Beckenwand.
Größe und Gewicht: Stark variabel, im geschlechtsreifen Stadium ca. pflaumengroß und ca.
10g schwer.
Aufgabe:
 Exokrine Funktion: Oogenese (Produktion und Abgabe von befruchtungsfähigen Eiern)
 Endokrine Funktion: Abgabe von Östrogen, Progesteron und kleine Mengen von
Testosteron.
 Progesteron wird zusätzlich während der Schwangerschaft von der Plazenta
produziert und in kleinen Mengen auch von der NNR.
Wirkung von Östrogenen:
 Wachstum der Geschlechtsorgane,
 Ausbildung der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale, steuert
Ausschüttung von LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (Follikel
stimulierendes Hormon), Beteiligung an der Oogenese (Eireifung), Eitransport,
bewirkt Wiederaufbau des Endometriums nach der Menstruation, Beteiligung
am Knochenaufbau, beendet das Längenwachstum der Röhrenknochen während
der Pubertät, fördert die Proteinsynthese und die Lipolyse (Abbau von Fetten,
Erhöhung von Triglyzeriden im Blut, auch LDL und HDL), fördert den Anstieg
von Blutgerinnungsfaktoren und Angiotensinogen, senkt die Körpertemperatur.
 Fördert beim Mann das Wachstum von Prostata und Samenleitern.
Aufbau und Physiologie:
 In jedem Eierstock sind ab dem 6. Lebensjahr ca. 200 000 Primärfollikel
angelegt.
 Ab der Pubertät kommt es unter der hormonellen Steuerung von FSH zum
monatlichen Heranreifen mehrerer Primärfollikel zu einer reifen Eizelle in
einem Eierstock: Follikelreifung:
 Primärfollikel  Sekundärfollikel  Tertiärfollikel  GraafFollikel
 Follikel im Eierstock bestehen aus der Eizelle und den die Eizelle umgebenen
Follikelzellen (Thekazellen). Die Follikelzellen produzieren Östrogen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
370
Geschlechtsorgane
 Unter Einfluss des Hormons LH kommt es regelmäßig zum Eisprung
(Ovulation). Der Graaf`sche Follikel platzt und die befruchtungsfähige Eizelle
wird aus dem Ovar ausgestoßen. Nach dem Eisprung steigt die Basaltemperatur
bis zu 0,5 Grad an.
 Der „leere“ Graaf`sche Follikel bildet sich zum Gelbkörper um und produziert
Progesteron. Progesteron unterhält die Gebärmutterschleimhaut und bereitet
diese auf die Einnistung eines befruchteten Ei`s vor.
 Nach ca. zwei Wochen führt der abfallende Progesteronspiegel im Blut zur
Abstoßung der oberflächlichen Schicht der Gebärmutter.
 Nach Befruchtung des Eies, wird nach vier Tagen von der Blastozyste das
Hormon HCG (humanes Choriongonadotropin) produziert. HCG regt die
weitere Produktion von Progesteron an und verhindert ein Absterben des
Gelbköpers. Dieser produziert dann weiter Progesteron. Nach drei Monaten
übernimmt die Plazenta die hormonelle Steuerung des ungeborenen Kindes und
der Gelbkörper stirbt ab.
Eileiter (Tuba uterina, Tuben)




Die beiden intraperitoneal gelegenen Eileiter stellen die Verbindung vom Eierstock zu der
Gebärmutter dar. Allerdings besteht keine direkte Verbindung zwischen Eierstock und
Eileiter. Das Ei springt in die Bauchhöhle und wird dann von dem Fransentrichter
(Fimbrien) des Eileiters aufgenommen.
Aufbau:
 Ampulle, Eileitertrichter; macht 2/3 des Eileiters aus und dient der Befruchtung
des Samenfädens.
 Isthmus; schmaler Teil des Eileiters, der in die Gebärmutter mündet.
 Schleimhaut des Eileiters ist stark gefältelt und besitzt Flimmerepithel und das
Ei fortzubewegen.
Größe: bleistiftdick, ca. 10 - 17 cm lang
Aufgabe:
 Aufnahme der befruchtungsfähigen Eizelle aus dem Ovar über die
fingerförmigen Fortsätze des Eileiters.
 Weitertransport der Eizelle vom Eierstock zur Gebärmutter (ca. 4 Tage) durch
in Richtung Uterus schlagendes Flimmerepithel und peristaltische Bewegungen
der Muskelschicht.
 Befruchtung der Eizelle durch eine Samenzelle innerhalb von wenigen Stunden
(maximal 24 Stunden), andernfalls stirbt das Ei ab.
Gebärmutter (Uterus)

Lage:

 Zwischen Blase und Rektum. Dadurch Entstehung von Excavatio rectouterina
(Douglas-Raum = tiefster Punkt der Bauchhöhle zwischen Gebärmutter und
Rektum) und Excavatio vesicouterina (tiefster Raum zwischen Gebärmutter und
Blase).
 Die Gebärmutter befindet sich extraperitoneal, obwohl es von drei Seiten mit
Bauchfell umgeben ist
 Wird durch das breite und runde Mutterband in der Lage gehalten.
 Zwei physiologische Biegungen:
 Neigung der Gebärmutter gegenüber der Längsachse der Scheide
nach vorne = Anteversion (Vorwärtsneigung).
 Abknickung der Gebärmutterachse nach vorne = Anteflexion
Größe: ungefähr birnenförmig und ca. 5-7 cm lang
Geschlechtsorgane


371
Gewicht:
 Jungfräulich: 50-70 g
 Erwachsen: 80-120 g
Aufbau:
 Makroanatomie:
 Gebärmuttergrund, oberer Anteil mit Einmündungsstellen der
Tuben
 Gebärmutterkörper, Hauptanteil, im Inneren die Gebärmutterhöhle
 Gebärmutterhals (Zervix), sichtbarer Anteil in der Vagina (Portio)
 Mikroanatomie:
 Schleimhautschicht (Endometrium)
 Funktionalis (oberflächliche Schleimhautschicht):
Stößt sich regelmäßig durch Sinken des
Progesteronspiegels ab (Menstruationsblutung).
 Basalis (tiefe Schicht): Von hier aus erfolgt die
Regeneration der Schleimhaut.
 Glatte Muskelschicht (Myometrium), vergrößert sich während der
Schwangerschaft und ist verantwortlich für die Geburtswehen.
 Bauchfellüberzug (Perimetrium) von drei Seiten
Menstruationszyklus




Weist einen Rhythmus von durchschnittlich 28 Tage ± 3 auf.
Regenerationsphase (Desquamationsphase, Regelblutung)
 1. – 4. Tag: Abstoßung der Funktionalis, Abfall des Progesteronspiegels im Blut.
Proliferationsphase (Wiederaufbauphase)
 5. – 14. Tag: Von der Basalis ausgehender Aufbau der Funktionalis unter
Einfluss von Östrogen aus den Follikeln des Eierstocks.
Sekretionsphase
 15. – 28. Tag: Einrichtung von Drüsenschläuchen in die Funktionalis unter
Einfluss von Progesteron aus dem Gelbkörper, Vorbereitung der Schleimhaut
für die Einnistung der befruchteten Eizelle.
Scheide (Vagina)


Die Scheide ist ca. 10 cm lang und reicht vom Scheidenvorhof bis zum Gebärmutterhals.
Die Scheidenwand (3-5 mm) besteht aus glatter Muskulatur und elastischem Bindegewebe
In der Scheide herrscht ein pH-Wert von 4-5, der vor einer aufsteigenden Infektion schützen
soll.
Äußere Geschlechtsorgane (Vulva)

Große und kleine Schamlippen
 Kleine Schamlippen verschließen den Eingang zum Scheidenvorhof.
 Zwischen den kleinen Schamlippen mündet die paarige Bartholin-Drüse die den
Cowper-Drüsen beim Mann entsprechen und bei sexueller Erreger Schleim
absondern.
 Ein Bartholin-Abszess (auch: Bartholinitis, Bartholin-Empyem) entsteht durch
einen Stau im Ausführungsgang und kann zu einer sehr schmerzhaften
Schwellung im Bereich der Schamlippen führen.
 Raum zwischen großen und kleinen Schamlippen nennt sich Schamspalte.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
372
Geschlechtsorgane


 Kitzler (Klitoris) liegt am vorderen Ende der kleinen Schamlippen und ist ein
kleiner Schwellkörper, der sehr stark nerval innerviert ist.
Scheidenvorhof
 Umfasst den Raum zwischen den kleinen Schamlippen, in dem sich neben der
Scheide auch der Ausgang der Harnröhre befindet.
Schamberg (Venusberg)
Geschlechtsorgane Pathologie
373
Geschlechtsorgane Pathologie
Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane ............................................................................ 374
Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane .............................................................................. 380
Wichtige Infektionskrankheiten der Geschlechtsorgane ..................................................................... 384

© Arpana Tjard Holler (Autor)

374
Geschlechtsorgane Pathologie
Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane

Die Behandlung von Personen, die an einer sexuell übertragbaren Krankheit leiden, ist
nur Ärzten gestattet (IFSG § 24).
Entzündung der Prostata (Prostatitis)
Urs:
Meist Bakterien (Kolibakterien, Streptokokken), die über den urogenen (seltener über
den hämatogenen) Weg einwandern.
Sym: 





Beim akuten Verlauf: Fieber, Schüttelfrost
Dysurie, Pollakisurie, abgeschwächter Strahl, Nykturie
evtl. Schmerzen beim Stuhlgang
Druckschmerzhafte Prostata (rektal)
evtl. Beschwerden im rechten oder linken Unterbauch
Chronischer Verlauf ist meist symptomenfrei, führt aber allmählich zu Blasenentleerungsstörungen
Kom:  Totaler Harnverhalt mit Rückstau des Harns in die Niere.
Prostataabszess kann sich aus einer akuten Prostatitis entwickeln.
Potenzprobleme und Störungen der Fruchtbarkeit beim chronischen Verlauf.
Benigne Prostatahyperplasie 
Def:
Gutartige Vergrößerung der Prostata durch numerische Zunahme der Zellen der
Prostata.
 50% der Männer über 50 Jahre leiden unter einer Prostatavergrößerung
Urs:
Unbekannt, diskutiert wird die Verschiebung des Androgen-Östrogen-Quotienten
während der Wechseljahre der Männer (Produktion von Androgenen geht zurück).
Pat:
Durch die vergrößerte Prostata kann es zur Einengung der Harnröhre und den
daraus folgenden Symptomen kommen. Die vergrößerte Prostata kann mit dem Finger
rektal vergrößert ertastet werden. Der Krankheitsverlauf kann bis zur
Überlaufinkontinenz (Stadium II) auch symptomlos verlaufen. Die Diagnose erfolgt
durch die Sonographie.
 Häufigste Ursache einer Blasenentleerungsstörung beim Mann.
Sym: Stadium I (Miktionsbeschwerden):
 Abgeschwächter und verdünnter Strahl (geht nur bis zur Schuhspitze
 Harnentleerung erfolgt erst nach längerem Warten
 Vollständige Harnentleerung nur durch Einsetzen der Bauchmuskulatur
 Nykturie (nächtliches Wasserlassen)
 Unterbrechung des Harnstrahls
Stadium II:
 Restharnbildung durch Hypertrophie der Blasenmuskulatur, die nicht mehr
vollständig kontraktionsfähig ist
 Evtl. Bildung von Blasensteinen oder Zystitis durch Restharn
 Pollakisurie
Stadium III:
 Totaler Harnverhalt (Anurie)
 Schmerzen
 fortschreitende Niereninsuffizienz, Entwicklung einer Hydronephrose
(Harnstauungsniere)
Geschlechtsorgane Pathologie
375
Prostatakarzinom 
Def:
Bösartige Entartung der Drüsenzellen der Prostata.
Pat:
Dritthäufigste Krebsart des Mannes, meist nach dem 60. Lebensjahr.
Eine Früherkennung ist nur durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen möglich:
Palpation der Prostata ab dem 45. Lebensjahr und Bestimmung von PSA
(prostataspezifisches Antigen, Tumormarker).
Sym: Symptomatik erst im fortgeschrittenen Stadium.
 Blasenentleerungsstörungen
 evtl. Blut im Urin
 evtl. Schmerzen beim Stuhlgang (Blutungen möglich)
 B-Symptome: Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, Fieber
 evtl. Kreuzschmerzen bei Metastasierung in die unteren Lendenwirbel
 Kreuzschmerzen bzw. Ischialgien älterer Männer ist abzuklären.
Kom: Metastasierung erfolgt gerne in das Skelett, Leber und Lunge.
Nebenhodenentzündung (Epididymitis) 
Def:
Entzündung des Nebenhodens.
Urs:
Entsteht in der Regel durch aufsteigende Infektion (z.B. Chlamydien, Gonokokken) aus
Prostata oder Harnröhre.
Sym: sind nicht immer deutlich von denen einer Hodenentzündung zu unterscheiden
 Schmerzen und Ziehen im Bereich der Hoden
 Nebenhoden sind bei der Palpation deutlich geschwollen und hart
 Evtl. Rötung des Hodensacks
 Hochlagerung des Hodens führt zur Schmerzlinderung (positives PrehnZeichen)
 Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl
Kom: Übergreifen der Entzündung auf den Hoden (Orchitis) mit Entstehung einer Sterilität.
Hodenentzündung (Orchitis)
Def:
Entzündung eines oder beider Hoden.
Urs:
Meist durch Viren durch hämatogene Erregerausbreitung (Mumpsorchitis) oder als
Folge von anderen Infektionskrankheiten (z.B. Gonorrhoe, Tbc)
Durch Übergreifen einer Nebenhodenentzündung (Epididymitis).
Sym:  Schmerzhafte Schwellung des Hodens mit Ausstrahlung in Leisten und Rücken
 Stark gerötete Hodenhaut
 Hohes Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl
Kom: Zeugungsunfähigkeit (wenn beide Hoden betroffen sind)
Hodentorsion 
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376
Geschlechtsorgane Pathologie
Def:
Urs:
Sym:
Drehung von Hoden und Samenstrang um die eigene Achse mit der Gefahr auf
Abschnürung der Hodengefäße und infolge dessen Nekrose- und Gangränbildung. Ist
auch beidseitig möglich.
idiopathisch, Auftreten v.a. bei Kindern und Jugendlichen
 plötzliche Hodenschmerzen mit Ausstrahlung in Leist und Unterbauch


Schwellung und Rötung des Hodensacks, druckdolent


evtl. einseitiger Hodenhochstand

Bei Hochlagerung der Hoden Zunahme der Beschwerden (negatives PrehnZeichen)


evtl. vegetative Symptome, z.B. Tachykardie, Übelkeit, Erbrechen


kann auch nur leicht schmerzhaft oder schmerzlos verlaufen


Kremasterreflex kann fehlen
Varikozele / Hydrozele / Spermatozele 
Varikozele (Krampfaderbruch)
Def:
Krampfadergeflecht im Bereich des Hodensacks. Venöse Stauung der Venen im Bereich
des Rankengeflechts (Plexus pampiniformis).
Urs:
Idiopathisch, tritt v.a. bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf (15-25 J.), häufig
links (80% der Fälle). Venen (Rankengeflecht) und Arterien (Rankenkonvolut) sind
im Samenstrang stark aufgeknäult und können in einigen Fällen zu Abflussstörungen
des Blutes führen.
Infolge eines linken Nierentumors (Kompression der V. testicularis sinister).
Sym: 
Meist keine Beschwerden; erst bei ausgeprägte Varizen Schmerzen, Ziehen,
Spannungsgefühl v.a. beim Stehen und Gehen

Kann wegen Überwärmung des Hodens zur Sterilität führen

Hinlegen führt zur Abnahme der Venenfüllung

Beim Nierenkarzinom führt Hinlegen nicht zur Abnahme der Venenfüllung
Hydrozele /Wasserbruch)
Def:
Flüssigkeitsansammlung im Hodensack.
Urs:
Idiopathisch (angeboren und erworben)
Infolge von Hodenerkrankungen, z.B. Orchitis, Epididymitis, Hodentumoren,
Hodentraumen
Sym: 
einseitig geschwollener Hoden (wird häufig verwechselt mit einem bösartigen
Hodentumor)

meist keine Beschwerden; erst bei zunehmender Flüssigkeitsansammlung Druck- und
Spannungsgefühl
 Differenzialdiagnose zum bösartigen Hodentumor: Durchleuchtung des Hodens von
hinten bei abgedunkeltem Zimmer (Diaphanoskopie), bei klarer Flüssigkeit
schimmert das Licht rötlich hindurch
Spermatozele
Def:
Zyste im Bereich des Nebenhodens, die mit Spermien oder einer spermienartigen
Substanz gefüllt sind. Von außen gut palpierbar. Können beträchtliche Größe annehmen
(„dritter Hoden“). Tritt im Alter häufiger auf. Ist in der Regel schmerzlos.
Urs:
Angeboren, idiopathisch, Epididymitis, Hodentrauma
Geschlechtsorgane Pathologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
377
378
Geschlechtsorgane Pathologie
Hodenretention (Hodenhochstand)
Syn:
Maldescensus, Kryptorchismus
Def:
Ausbleiben bzw. Verspätung der Hodenwanderung durch den Leistenkanal.
Unterscheidung:
 Physiologischer Hodenhochstand.
Findet sich bei ca. 3-5% aller Neugeborenen und verschwindet nach einigen Monaten.

Pendelhoden (Wanderhoden)
Bezeichnung für einen Zustand, bei dem der Hoden durch die Kontraktion des Musculus
cremaster (Hodenheber) in den Leistenkanal gedrückt wird. Nach Entspannung des
Muskels gleitet der Hoden von selbst in den Hodensack zurück. Gilt nicht als
behandlungsbedürftig.

Gleithoden
Ein Hodenhochstand, bei dem der Hoden aus dem Leistenkanal herausgezogen werden
kann, sich jedoch beim Loslassen sofort wieder zurückzieht.

Leistenhoden (Inguinalhoden)
Ein Hodenhochstand nach dem 2. Lebensjahr, bei dem sich der Hoden im Leisten-kanal
befindet, von außen zu erfühlen ist, sich jedoch durch Manipulation nicht in den
Hodensack schieben lässt.

Bauchhoden (Abdominalhoden)
Der Hoden bleibt im Bauchraum, die Hodenwanderung bleibt aus. Bei Nichtbehandlung
besteht die Gefahr auf Atrophie des Hodens.

Ektoper Hoden (Hodenektopie)
Der Hoden wandert an eine andere Stelle als ursprünglich vorgesehen, z.B. in den
Oberschenkel oder in den Penis.
Kom: Maligne Entartung, Zeugungsunfähigkeit
The:
Hormonelle Behandlung erst nach 6 Monaten, operative Behandlung nach 1 Jahr.
Phimose
Def:
Angeborene oder erworbene Verengung der Vorhaut der Eichel. Bis zum dritten
Lebensjahr ist die Phimose physiologisch und muss nicht behandelt werden.
Kom:  Phimose gilt als begünstigend für die Entstehung eines Peniskarzinoms.
 Entstehung einer Paraphimose (sog. spanischer Kragen): Strangulierende
Schwellung der hinter die Glans penis (Eichel) zurückgezogenen Vorhaut, die nicht
mehr über die Glans nach vorne geschoben werden kann mit Gefahr auf Entzündung,
Ulzeration und Nekrose.
Geschlechtsorgane Pathologie
379
Differentialdiagnose
Erektionsstörung (erektile Dysfunktion)
Def:
Fehlende Versteifung des Gliedes obwohl der Wunsch zum Geschlechtsverkehr besteht.
Urs:
 Psychisch
 Durch Medikamenteneinnahme (z.B. Psychopharmaka, Antiepileptika, Lipidsenker,
NSAR, Diuretika)
 Im Rahmen von organischen Erkrankungen (15-20% d.F.):
 Alkoholkrankheit und Drogenkonsum, Nikotinabusus
 Hypertonie, Arteriosklerose
 Diabetes mellitus
 Hyperthyreose, Hypothyreose
 Morbus Parkinson, Multiple Sklerose
 medialer Bandscheibenvorfall
 Polyneuropathie
 Schlafapnoesyndrom
 schweres Organversagen (z.B. Herz- oder Niereninsuffizienz)
 endogene Depression
Gynäkomastie
Def:
Weibliche Brustentwicklung beim Mann. Unterschieden wird die echte Gynäkomastie,
die durch hormonelle Störungen entsteht von der unechten Gynäkomastie, die durch
vermehrte Fettablagerungen in der männlichen Brust entsteht (Lipomastie).
Urs:
 Primär
 Neugeborenengynäkomastie (Östrogene der Mutter)
 Pubertätsgynäkomastie, v.a. adipöse Jungen sind betroffen (Ungleichgewicht
zwischen Östrogenen und Androgenen)
 Altersgynäkomastie (Umwandlung von Androgenen in Östrogene)
 Sekundär
 Leberzirrhose
 Folge von medikamentöser Therapie (z.B. Herzglykoside, Nifedipin,
Psychopharmaka, Antiandrogene)
 Morbus Basedow
 Hodentumore
 Hypophysenadenom
Hodenschwellung
Urs:









Orchitis (Hodenentzündung)
Epididymitis (Nebenhodenentzündung)
Orchitis (Hodenentzündung)
Hodentorsion
Hodentumor
Varikozele
Spermatozele
Hydrozele
Leistenhernie
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380
Geschlechtsorgane Pathologie
Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane
Störungen im Geschlechtszyklus (Begriffserklärung)
Amenorrhoe
Hypomenorrhoe
Dysmenorrhoe
Menorrhagie
Hypermenorrhoe
Metrorrhagie
=
=
=
=
=
=
Ausbleiben der Menstruation 
geringe Menstruationsblutung
schmerzhafte Menstruation
verlängerte Menstruation
verstärkte Regelblutung bei normaler Dauer
Zwischenblutungen (muss immer untersucht werden!)
Entzündung von Eileiter und Eierstock (Adnexitis) 
Def:
Gleichzeitige Entzündung von Eileiter und Eierstock.
Urs:
 Meist durch aufsteigende Infektionen aus der Scheide oder Gebärmutter.
Häufige Erreger: Chlamydien, Gonokokken, Mykoplasmen, Escherichia coli,
Streptokokken, Staphylococcus aureus.
 Seltener durch hämatogene oder lymphatogene Verbreitung.
Pat:




In der Regel entzünden sich die Eileiter und Eierstöcke gleichzeitig.
Ist nur der Eileiter entzündet: Salpingitis.
Ist nur der Eierstock entzündet: Oophoritis.
Es werden akute und chronische Entzündungszustände unterschieden. Die
Erkrankung beginnt meist während der Menstruation.
Sym:  Einseitige Schmerzen im Unterbauch, die bis in die Leistengegend oder den Rücken
ausstrahlen.
 evtl. ziehende Schmerzen bis in die Oberschenkel und Knie
 Fieber, Entzündungszeichen (Leukozytose, BSG )
 verstärkte Regelblutung (Hypermenorrhoe)
 Ausfluss (Fluor)
 schmerzhafte Palpation im rechten bzw. linken Unterbauch
 evtl. umschriebene Abwehrspannung
Kom: 



Sterilität durch fibrinöse Verklebungen im Eierstock.
Akutes Abdomen durch Perforation.
Gefahr der Eileiterschwangerschaft bei Narbenbildung in den Tuben.
Bildung von Zysten in den Eierstöcken
 einseitige, ziehende, diffuse Unterbauchschmerzen
Extrauteringravidität 
Def:
Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter.
Urs:
Verklebungen bzw. Vernarbungen von abgelaufenen Entzündungen, ansonsten
Unbekannt.
Pat:
 Eileiterschwangerschaft (Tubargravidität), ca. 95% d.F.
 Bauchhöhlenschwangerschaft
Sym: 



Ausbleiben der Menstruation mit positivem Schwangerschaftstest
Blutungen können auftreten
Symptomatik bzw. Schmerzen nach ca. 6 Wochen nach Ausbleiben der Regel
einseitiger wehenartiger Schmerz im Unterleib
Geschlechtsorgane Pathologie
381
 Akutes Abdomen durch Platzen des Eileiters mit Ausstrahlung der Schmerzen
in den Oberbauch und in die linke Schulter (sog. Kehrzeichen)
Endometritis
Def:
Akute bzw. chronische Entzündung der Gebärmutterschleimhaut.
Urs:
Meist aufsteigende Infektion aus der Scheide. Begünstigende Faktoren können sein:
Menstruationsblutung, Geburt, Fehlgeburt, operativer Eingriff, Spirale.
Sym:  Akute Entzündung
 Schmerzen und Blutungen außerhalb der Regel
 verlängerte Regelblutung
 Entzündungszeichen (Fieber, BSG und CRP erhöht, Leukozytose)
 Chronische Entzündung
 Wenig Symptome, keine Entzündungszeichen
 Hypomenorrhö bzw. Amenorrhö
Kom: Adnexitis (Entzündung von Eileiter und Eierstock)
Endometriose 
Def:
Gebärmutterschleimhautinseln, die sich außerhalb der Schleimhautschicht der
Gebärmutter angesiedelt haben.
Urs:
Idiopathisch, ca. 10% der Frauen im gebärfähigen Alter sind betroffen.
Pat:
 Endometriosis genitalis interna (45%)
Lokalisation in der Gebärmuttermuskulatur oder in den Eileitern mit direkter
Verbindung zum Endometrium.
 Endometriosis genitalis externa (5%)
Lokalisation in den Eierstöcken, Eileitern und der Vagina ohne direkte Verbindung.
 Endometriosis extragenitalis (55%)
Lokalisation außerhalb der Genitale, z.B. in Bauchhöhle, Bauchdecke, Blase, Darm
oder sogar Lunge
 Versprengte Schleimhautinseln unterliegen dem gleichen Zyklus wie die normale
Gebärmutterschleimhaut.
Die Erkrankung kommt in den Wechseljahren zur Ruhe.
Sym: 





Krampfartige Schmerzen meist 1-2 Tage vor der eigentlichen Regel beginnend
evtl. auch Dauerschmerzen
evtl. Blutung verstärkt oder verlängert
evtl. Sterilität durch Verlegung in den Eileiter (mitunter das einzige Symptom)
evtl. asymptomatisch
evtl. ungewöhnliche Beschwerden: blutiger Schnupfen, blutiger Husten, blutige
Stühle, blutiger Urin
Kom:  Zystenbildung (z.B. zystische Auftreibung des Eierstocks), Schokoladenzyste
 Eileiterschwangerschaft infolge von Verwachsungen im Eileiter
© Arpana Tjard Holler (Autor)
382
Geschlechtsorgane Pathologie
Gebärmutterkarzinom (Uteruskarzinom) 
Def:
Entartung der Gebärmutterschleimhaut im Gebärmutterkörper (Korpuskarzinom) und
im Gebärmutterhals (Zervixkarzinom).
 Zweithäufigster bösartiger Tumor bei Frauen.
Urs:
 Korpuskarzinom (Endometriumkarzinom): Diskutiert wird ein Mangel an Gestagen
(Progesteron), da oft Frauen nach der Menopause betroffen sind. Langjährige erhöhte
Östrogenkonzentration erhöht das Risiko. Die Erkrankungen des metabolischen
Syndroms (Adipositas, Hypertonie und Glukoseintoleranz) erhöhen ebenfalls das
Tumorrisiko.
 Zervixkarzinom (junge Frauen): Als begünstigende Faktoren gelten humane
Papillomviren, Smegma (talghaltigen Absonderungen der männlichen
Vorhautdrüsen), Rauchen. Früherkennung erfolgt durch den PAP-Test.
Sym: 






Blutungen außerhalb der Menstruation, oder nach der Menopause
verlängerte Menstruation (Menorrhagie)
evtl. wehenartige Schmerzen
Kontaktblutungen
fleischwasserfarbener Ausfluss
bei Einbruch in die Blase: Hämaturie
bei Einbruch in den Mastdarm: okkultes Blut im Stuhl
Kom:  Urämie (chronische Niereninsuffizienz) durch Metastasenbildung; häufigste
Todesursache
The:
 Abrasio (Ausschabung)
 Hysterektomie (operative Entfernung der Gebärmutter)
Gebärmuttermyom (Uterusmyom)
Def:
Gutartiger Tumor, welcher von der glatten Muskulatur der Gebärmutter ausgeht und am
häufigsten im Corpus uteri (Korpusmyom) lokalisiert ist.

Path:  Myome ohne Beschwerden bedürfen keiner Behandlung.
 Eine maligne Entartung ist selten (in 0,1 % d. Fälle).
 In der Regel entstehen nach der Menopause keine neuen Myome.
 Myome können einzeln erscheinen, aber oft treten mehrere Myome gleichzeitig auf
(Uterus myomatosus).
Urs:
Idiopathisch. Östrogene beeinflussen das Wachstum der Gebärmuttermyome.
Pat:
Unterschieden werden drei Arten:
 Submuköse Myome, welche von der Muskelschicht direkt unter der
Gebärmutterschleimhaut ausgehen und meist für verstärkte Regelblutung,
Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit verantwortlich sind.
 Intramurale Myome, welche am häufigsten vorkommen und sich innerhalb der
Gebärmutterwand entwickeln.
 Subseröse Myome, welche sich von den äußeren Muskelschichten direkt unter
dem Perimetrium aus entwickeln.
Sym:  75% der Frauen haben keine Beschwerden und müssen nicht behandelt werden
 Regelblutungen können verstärkt, verlängert, schmerzhaft und azyklisch sein
 Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten
Geschlechtsorgane Pathologie




383
Druckgefühl bzw. Schmerzen im Unterbauch
Verstopfungen bzw. Blähungen bei Druck auf den Darm
Pollakisurie bzw. Harninkontinenz bei Druck auf die Blase
Vergrößerter Bauchumfang
Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) 
Def:
Bösartiger Tumor des Eierstockes.
 Jährlich erkranken in Deutschland ca. 10000 Frauen. Bevorzugt sind ältere Frauen
betroffen, jedoch erkranken auch jüngere Frauen.
Urs:
Begünstigende Faktoren:
 Familiäre Häufung
 Frauen, die keine Kinder oder erst spät bekommen haben (Nullipari)
Protektive (schützende) Faktoren:
 Einnahme oraler Kontrazeptiva („Pille“)
 Häufige Schwangerschaften
Sym:
sind sehr unspezifisch
 genitale Blutungen
 gastrointestinale Beschwerden
 Harnabflussstörungen
 als harter Tumor im rechten bzw. linken Oberbauch zu fühlen (Hose bzw. Rock passt
nicht mehr)
 „B-Symptome“ (Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Nachtschweiß, Fieber,
Leistungsmangel)
 Aszites (häufig als erstes Symptom)
 Metastasenbildung ins Bauchfell (Peritonealkarzinose)
Gebärmuttersenkung (Uterusprolaps, Descensus uteri)
Def:
Absenken der Gebärmutter aus der normalen Lage.
Urs:
Erschlaffung des muskulösen Beckenbodens und des Bänderapparates der Gebärmutter
(breites und rundes Mutterband).
Begünstigende Faktoren:
 Mehrere (schwere) Geburten
 Körperlich anstrengende (stehende) Tätigkeiten
 andauernde intraabdominale Druckerhöhung, wie z.B. Obstipation, chronischer
Husten, Adipositas
Sym:  Druck- und Zuggefühl, v.a. im Stehen und beim Pressen
 evtl. ausstrahlende Schmerzen in den Rücken
 Beschwerden beim Wasserlassen, z.B. Pollakisurie, Harninkontinenz, Harnverhalt,
Harnwegsinfektionen
 Beschwerden bei der Stuhlentleerung, z.B. Obstipation
 Symptome verschlimmern sich beim Husten, Lachen oder körperlicher Anstrengung
© Arpana Tjard Holler (Autor)
384
Geschlechtsorgane Pathologie
Mammakarzinom (Brustkrebs) 
Def:
Bösartiger Tumor der weiblichen, in seltenen Fällen auch der männlichen Brustdrüsen
(sehr bösartig).
 Häufigster bösartiger Tumor der Frau.
Urs:
Begünstigende Faktoren:
 Familiäre Häufung (genetische Disposition)
 Einnahme oraler Kontrazeptiva („Pille“)
 Frauen, die keine Kinder bekommen haben (Nullipara) oder nur kurz gestillt haben
 Frauen mit früher Menarche (erste Regelblutung) und später Menopause
 Nikotin, Schmerzmitteleinnahme, fettreiches Essen, Alkoholgenuss
 Frauen, die früh Kinder bekommen und lange stillen, haben ein niedrigeres Risiko.
Pat:
Eine Metastasierung erfolgt häufig in die regionalen Lymphknoten, Wirbelsäule,
Becken, Leber und Lunge.
Sym:  Leitsymptom: meist schmerzloser, derber, nicht verschieblicher, mit der Haut
verwachsener Knoten.
 In 50-60 % der Krebserkrankungen entsteht der Tumor im oberen äußeren
Quadranten.








The:
Nässende Brustwarze, evtl. schmerzend oder juckend
Einziehung der Brustwarze
Einziehungen der Haut
Lokales Lymphödem
Orangenhautphänomen (Grobporigkeit der Haut infolge eines Ödems)
Offene Ulzerationen
Axillare nicht verschiebliche Lymphknotenvergrößerung
Jackson-Test positiv: Eine knotige Verdickung der Mamma wird vorsichtig mit
zwei Fingern zusammengedrückt. Handelt es sich um einen bösartigen Tumor, der
im Gegensatz zum gutartigen Tumor in die Umgebung hineinwächst, dann wölbt
sich die Brust bei dieser Palpation nicht nach außen, sondern es kommt entweder zur
Einziehung oder der Tumor verhält sich eben.
Zur Verlaufskontrolle wird der Tumormarker CA 15-3 benutzt!
Wichtige Infektionskrankheiten der Geschlechtsorgane
Gonorrhoe (Tripper) 
Definition:
Eine häufige, durch Geschlechtsverkehr übertragbare Geschlechtskrankheit, die
eine Schleimhautentzündung der Harnröhre verursacht.
 Behandlungsverbot gemäß IFSG §24
Erreger:
Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken)
Infekt.quelle: Meist Geschlechtsverkehr, seltener infektiöses Material
Inkubat.zeit: Wenige Tage
Geschlechtsorgane Pathologie
Verlauf:
385
Beim Mann:
 Symptome einer Urethritis
 Schmerzhaftes Wasserlassen
 Jucken und Brennen in der Harnröhre
 Eitriger Ausfluss, besonders morgens ( „Bonjour-Tröpfchen“)
 evtl. Schwellung und Rötung der Harnröhrenmündung
 Balanitis (Entzündung der Eichel)
 Nach ca. 2 Wochen kann die Entzündung auf die Prostata und evtl.
die Nebenhoden übergreifen (Gefahr der Sterilität).
Bei der Frau:
Häufig symptomarmer Verlauf, mit der Gefahr, dass die Gonorrhoe
lange Zeit unbemerkt verläuft und Komplikationen verursacht.
 Geringer schleimig-eitriger Ausfluss (am Anfang meist nur
Urethritis und keine Vulvovaginitis)
 Brennen in der Harnröhre
 Übergreifen der Entzündung auf die Blasenschleimhaut, das Endometrium,
die Eileiter oder die Eierstöcke (Gefahr der Sterilität).
 Entzündung der Bartholini-Drüse
Immunität:
Keine
Kom:
 Arthritis eines einzigen Gelenks (Monarthritis gonorrhoica), meist
das Kniegelenk (seltener Polyarthritis)
 Augenentzündungen
 Myokarditis, Endokarditis
Gonokokkensepsis
Ausbildung der Reiter-Krankheit (Morbus Reiter mit Trias: KAU)
 Konjunktivitis (can`t see)
 Urethritis (can`t pee)
 Arthritis, meist Monarthritis (can`t climb a tree)
 Durch die Geburt übertragen: Gonoblennorrhoe (eitrige Bindehauthautentzündung beim Säugling)
Syphilis (Lues)
(siehe unter Infektionslehre Kapitel N.5.2.49)
Genitale Chlamydieninfektion 
Definition:
Eine weltweit häufig durch Chlamydien verursachte Infektion des Genitaltraktes.
 Behandlungsverbot gemäß IFSG §24
Erreger:
Chlamydia trachomatis
Infekt.quelle: Meist Geschlechtsverkehr, seltener durch z.B. Whirlpools.
Inkubat.zeit: Wenige Tage
Symptome:
 Bei der Frau
 In den meisten Fällen asymptomatisch (80%)
 Urethritis, Endometritis, Adnexitis, Entzündung der BartholiniDrüse
 Vaginaler (nicht riechender) Ausfluss
© Arpana Tjard Holler (Autor)
386
Geschlechtsorgane Pathologie
 Komplikation: Sterilität, Eileiterschwangerschaft, Frühgeburten bei
Schwangeren, Reiter-Krankheit
 Beim Mann
 Urethritis, Prostatitis, Epididymitis (Nebenhodenentzündung)
 Komplikation: Sterilität, Reiter-Krankheit
Komplik.:
 Unfruchtbarkeit durch Verklebungen im Eileiter
 Extrauteringravidität
 Infektion von Neugeborenen mit Konjunktivitis und Pneumonie
Therapie:
Antibiotika
Sinnesorgane
L.
387
Sinnesorgane Anatomie und Physiologie
Sinnesorgane
Sehapparat............................................................................................................................................. 388
Hörapparat / Ohr mit Hör- und Gleichgewichtssinn ........................................................................... 392
© Arpana Tjard Holler (Autor)
388
Sinnesorgane
Sehapparat
Der Schutzapparat

Besteht aus Ober- und Unterlid, Augenbrauen, Wimpern und Augenbindehaut.
Ober- und Unterlid (Palpebrae)

An der oberen und unteren Begrenzung der knöchernen Augenhöhle befindliche,
schalenförmige, sehnige Bindegewebsplatten.
 Sind von innen mit der Augenbindehaut (Konjunktiva) ausgekleidet und so mit dem
Augapfel verbunden.
 Talgdrüsen
 Meibom-Drüsen befinden sich auf der Innenseite der Lider mit Mündung auf
dem Lidrand. Sie produzieren ein fettiges Sekret, welches sich der
Tränenflüssigkeit wie ein Ölfilm auflegt. Verstopfung führt zum Hagelkorn
(Chalazion), in der Regel schmerzlos.
 Merkspruch: Im Mai der Hagel.
 Zeiss-Drüsen sind Haartalgdrüsen der Wimpern. Entzündung führt zum
schmerzhaften Gerstenkorn (Hordeolum). Ursache: Bakterielle Infektion.
 Lidmuskeln:
 Der Augenringmuskel (Musculus orbicularis oculi) schließt das Auge.
 Der obere Augenlidheber (Musculus levator palpebrae) hält das Augenlid beim
Sehen nach oben.
 Der Müller-Muskel besteht aus glatter Muskulatur (sympathisch innerviert),
befindet sich am Rand der Lidknorpelplatten und hält die Lidspalte unwillkürlich
auf.
 Ptosis ist ein Herabhängen des oberen Augenlides mit Beeinträchtigung des Blickwinkels.
Im Alter entsteht dies häufig durch Bindegewebsschwäche. Es kann jedoch auch durch
Verletzungen verursacht werden. Lagophthalmus ist das Gegenteil, ein fehlender
Lidschluss. Er entsteht i.d.R. bei Fazialisparese im Rahmen eines Gehirnschlags.
 Die Augenlider dienen zum einen als Schutz vor Schmutz, Verletzungen und Licht, zum
anderen als Verteiler der Tränenflüssigkeit mit jedem Lidschlag. Die Hornhaut muss
ständig gleichmäßig feucht gehalten werden, um optimal durchsichtig zu sein.
Augenbindehaut (Tunica conjunctiva)

Eine durchsichtige Schleimhaut, welche am Augapfel die Lederhaut bis zum Übergang der
Hornhaut bedeckt und dann oben und unten auf die Innenseite der Augenlider umschlägt.
 Sie dient als Gleitschicht für die Bewegungen des Augapfels verhindert das Eindringen von
Substanzen in den retrobulbären Raum.
 Eine Bindehautwucherung unklarer Ursache wird als Pterygium (Flügelfell) bezeichnet.
Bewegungsapparat (Augenmuskeln)

Unterschieden werden 4 gerade und 2 schräge Augenmuskeln, die durch den III., IV. und
VI. Hirnnerv innerviert werden.
 Oberer gerader Augenmuskel (Musculus rectus superior)
 Auge bewegt sich nach oben
 Unterer gerader Augenmuskel (Musculus rectus inferior)
 Auge bewegt sich nach unten
 Äußerer gerader Augenmuskel (Musculus rectus lateralis)
 Auge bewegt sich Richtung Schläfe
Sinnesorgane

389
 Innerer gerader Augenmuskel (Musculus rectus medialis)
 Auge bewegt sich Richtung Nase
 Oberer schräger Augenmuskel (Musculus obliquus superior)
 Auge bewegt sich in Außenrotation
 Unterer schräger Augenmuskel (Musculus obliquus inferior)
 Auge bewegt sich in Innenrotation
Als Ursprung aller Augenmuskeln dient eine ringförmige Sehnenplatte am hintersten Punkt
der Augenhöhle, Ansatz ist der Augapfel.
Tränenapparat



Die Tränendrüse (Glandula lacrimalis) ist etwa mandelgross und an der seitlichen und
oberen Augenhöhlenwand lokalisiert.
Die Tränenflüssigkeit ist ein dünnflüssiges, eiweißarmes Sekret. Sie wird beim Blinzeln zur
Reinigung und Benetzung gleichmäßig über die Bindehaut und Hornhaut verteilt und
enthält u.a. Lysozyme, Vitamin C und Immunglobuline der Klasse A (IgA).
Vom Tränensee im inneren Augenwinkel wird die Flüssigkeit von den Tränenpünktchen
am Lidrand angesaugt und über die Tränenkanälchen zum Tränensack und von dort über
den Tränen-Nasengang (Ductus nasolacrimalis) in den unteren Nasengang der Nasenhöhle
abgeleitet.
Augapfel (Bulbus oculi)
Lage des Augapfels




Der Augapfel befindet sich in der Augenhöhle (Orbita), diese wird von folgenden Knochen
gebildet: Os frontale (Stirnbein), Os zygomaticum (Jochbein), Maxilla (Oberkiefer), Os
lacrimale (Tränenbein), Os sphenoidale (Keilbein) und Os ethmoidale (Siebbein).
Die Augenhöhle ist mit Baufett ausgelegt, um dem Augapfel Schutz vor Stößen zu
ermöglichen und ihm eine gute Beweglichkeit zu geben.
Der Augapfel hat nahezu eine Kugelform mit einem Durchmesser von ca. 2,5 cm.
Im Rahmen einer Magersucht (Anorexia nervosa) oder im Endzustand chronischer
Erkrankungen wird das Baufett abgebaut und führt zu tiefliegenden Augen.
Augenhäute

Um den Augapfel herum befinden sich drei Augenhäute. Von außen nach innen:
 Netzhaut
 Aderhaut
 Lederhaut
Lederhaut


Die äußere Augenhaut besteht aus der weißen Lederhaut (Sklera) und dient der äußeren
Abgrenzung des Augapfels. Sie besteht aus derbem, kollagenem Bindegewebe und übt
daher eine Zugkraft am Ziliarkörper aus. Sie ist schmerzhaft innerviert.
Auf der Vorderseite des Augapfels, dort wo die Lichtstrahlen in das Auge eindringen, geht
sie in die durchsichtige Hornhaut (Kornea) über. Sie enthält keine Gefäße und wird durch
Diffusion im Wesentlichen durch die Kammerflüssigkeit ernährt. Sie hat Schutzfunktion
und dient der Transparenz und der Lichtbrechung. Sie besteht aus 3 Schichten, außen
mehrschichtiges unverhorntes Plattenepithel, in der Mitte Bindegewebszellen mit
kollagenen Fasern und innen Endothelzellen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
390
Sinnesorgane

Nach hinten, dort wo der Sehnerv die Augenhöhle verlässt, geht sie in die Dura mater (harte
Hirnhaut) über.
Aderhaut

Die mittlere Augenhaut besteht aus Aderhaut, Ziliarkörper und Regenbogenhaut.
 Aderhaut (Choroidea): Sie entsteht am Sehnervenaustritt aus der Arachnoidea
und der Pia mater (weiche Hirnhaut) und liegt als gefäß- und pigmentreiche
Schicht der Lederhaut innen an. Ihre Aufgabe liegt in der Blutversorgung v.a.
der Netzhaut und in der Absorption der Lichtstrahlen.
 Ziliarkörper (Corpus ciliare): Der Ziliarkörper ist eine Verdickung der
Aderhaut im vorderen Teil. Er wölbt sich in die hintere Augenkammer hinein
und besteht aus Ziliarmuskel und Ziliardrüse.
 Die Ziliardrüse produziert das Kammerwasser. Es wird in die
hintere Augenkammer abgegeben und dient der Ernährung von
Linse und Hornhaut. Es fließt über die Pupille in die vordere
Augenkammer und im Kammerwinkel über den Schlemm-Kanal
in das venöse System ab. Durch das Gleichgewicht von Bildung
und Abfluss des Kammerwassers wird der Augeninnendruck
bestimmt.
 Der normale Augeninnendruck beträgt 14-20 mmHg.
 Der Ziliarmuskel ist ein im Ziliarkörper befindlicher Ringmuskel,
welcher über Zonulafasern (Aufhängefasern) auf die Linse
einwirkt. Durch Veränderung des Krümmungszustandes der Linse
wird die optische Brechkraft (Scharfeinstellung des Auges)
ermöglicht.
 Regenbogenhaut (Iris): Als vorderster Teil der Aderhaut trennt die Iris die
hintere und vordere Augenkammer voneinander. Sie liegt vorne der Linse auf
und besitzt neben der starken Pigmentierung zwei vegetativ gesteuerte Muskeln,
die den Lichteinfall des Auges steuern:
 Musculus sphincter pupillae: Als Ringmuskel bewirkt er die
Pupillenverengung (Miosis) und wird daher vom Parasympathikus
innerviert (III. Hirnnerv).
 Musculus dilatator (auch: dilator) pupillae: Dieser vom
Sympathikus innervierte Muskel mit strahlenförmig angeordneten
Muskelfasern bewirkt die Pupillenerweiterung (Mydriasis)
Netzhaut

Die innere Augenhaut ist die Netzhaut (Retina). Sie besteht aus Sinnes-, Nerven- und
Stützzellen. Bei den Sinneszellen unterscheidet man Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen
sind für das Dämmerungssehen (Schwarzweiß-Sehen) zuständig, während die Zapfen das
Farbensehen vermitteln.
 Die Stäbchen benötigen Vitamin A, ein Mangel führt zu Nachtblindheit.
 Die lichtaufnehmenden Sinneszellen in der Netzhaut enthalten Sehfarbstoffe (Rhodopsin),
die sich bei Lichteinfall chemisch verändern und damit ein Aktionspotential, sprich: einen
Nervenimpuls, auslösen. Dieser wird über den Sehnerv zum Gehirn geleitet.
 Augenhintergrund (Augenfundus): Der Augenfundus ist der hintere Pol des Auges an der
Netzhaut. Dieser lässt sich mittels eines Ophthalmoskops (Augenspiegel) untersuchen.
 Der blinde Fleck. Lateinisch Papilla nervi optici (Kurzname Papille bzw.
Sehnervenpapille) oder Discus nervi optici (verdeutscht: Sehnervenscheibe).
Hier tritt der Sehnerv aus der Netzhaut aus und hier befinden sich auch die einund austretenden Blutgefäße.
Sinnesorgane
391
 Der gelbe Fleck (Macula lutea). Befindet sich 3-4 mm vom blinden Fleck in
Richtung der Schläfen. Er besteht aus einer leichten Vertiefung (Fovea centralis)
in der Netzhaut, an der sich ausschließlich Zapfen befinden. Stellt den Ort des
schärfsten Sehens dar.

Die Untersuchung des Augenhintergrunds ist wichtig bei Patienten mit Diabetes
mellitus, Hypertonie, Arteriosklerose und intrakranialer (innerhalb der Schädels)
Druckerhöhung (Stauungspapille).
Linse (Lens)


Ein von einer elastischen Kapsel umgebener, durchsichtiger Körper. Befindet sich im
Augeninneren vor dem Glaskörper und zwischen der Iris.
Die Augenlinse ist durch den Aufhängeapparat (Zonulafasern) mit dem Ziliarkörper
verbunden. Sie dient der Nah- und Ferneinstellung des Auges (Akkommodation).
Glaskörper (Corpus vitreum)

Ein im Augeninneren liegender, durchsichtiger Körper, welcher zwischen Linse Netzhaut
liegt und den größten Teil des Augapfels ausfüllt.
 Er besteht aus einem gallertigen Material, welcher aus 98% Wasser mit eingelagerten
Fibrillen besteht und sich bei Druck extrem verformen kann.
 Der Glaskörper hat die Aufgabe Druck von außen standzuhalten, außerdem drückt er die
Netzhaut gegen die Aderhaut.
 Bei Erkrankung des Glaskörpers (z.B. Schwund) kann eine Netzhautablösung (Ablatio
retinae) entstehen.
Akkommodation des Auges

Darunter wird die Anpassungsfähigkeit des Auges zur Scharfeinstellung eines Bildes
verstanden. Um einen nahen oder weit entfernten Gegenstand scharf wahrzunehmen, muss
sich die Brechkraft der Linse verändern, das heißt, der Linsendurchmesser verändert sich.
 Fernakkommodation
 Ringförmiger Ziliarmuskel entspannt sich.
 Dadurch kann der Zug der Lederhaut die Zonulafasern anspannen.
 Linse wird flacher gezogen, dadurch wird die Brechkraft geringer.
 Weit gelegene Objekte werden scharf, Blick in die Ferne.
 Pupille erweitert sich.

 Lernspruch: „Beim Fernsehen vor dem Flachbildschirm entspannen die
Muskeln“.
 Nahakkommodation
 Ringförmiger Ziliarmuskel ist angespannt.
 Dadurch wird der Zug der Lederhaut zu den Zonulafasern
aufgehoben und die Zonulafasern entspannen sich.
 Linse wird aufgrund ihrer eigenen Elastizität mehr kugelförmig,
dadurch wird die Brechkraft gesteigert.
 In der Nähe gelegene Objekte werden scharf, Blick in die Nähe.
 Pupille verengt sich.
Konvergenzreaktion: Konvergenz ist die beidseitige und synchrone Augenbewegung nach
innen zur Erkennung eines Gegenstandes nahe vor dem Auge mit schneller Verengung
beider Pupillen (Miosis).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
392
Sinnesorgane
Hörapparat / Ohr mit Hör- und Gleichgewichtssinn


Das Ohr wird unterschieden in drei Abschnitte: Äußeres Ohr, Mittelohr und Innenohr.
Gehörgang, Mittelohr und Innenohr befinden sich gut geschützt im Felsenbein (os petrosa),
einem Teil des Schläfenbeins.
Äußeres Ohr (Auris externa)





Ohrmuschel (Concha auriculae): Trichterförmiger Teil, welcher aus elastischem Knorpel
und gefäßreicher Haut besteht. Hat die Aufgabe, die ankommenden Schallwellen
aufzufangen.
 Das knorpelfreie, aber sehr gefäßreiche Ohrläppchen wird häufig zur Entnahme von
Kapillarblut benutzt.
Gehörgang (Meatus acusticus): Er ist ca. 3-4 cm lang und besteht aus einem äußeren
knorpeligen und einem inneren knöchernen Abschnitt. Seine Schleimhaut enthält Haare,
Schweiß- und Talgdrüsen. Letztere produzieren das Ohrenschmalz (Cerumen), welches die
Aufgabe hat, abgeschilferte Hautzellen, Haare und Fremdkörper einzuhüllen und nach
außen zu transportieren.
Aufgabe: Schallleitung, Schutz des empfindlichen Trommelfells.
Das Trommelfell (Membrana tympani) trennt den äußeren Gehörgang vom Mittelohr. Es
ist nach außen mit Haut, nach innen mit Schleimhaut überzogen, und überträgt die
ankommenden Schallwellen auf die im Mittelohr befindlichen Gehörknöchelchen.
Die Inspektion des Trommelfells durch die Otoskopie (Ohrenspiegelung) ergibt eine
wichtige Beurteilung des Zustands im Mittelohr:
 Die normale Farbe ist weißlich grau, auch als perlmuttgrau beschrieben.
 Da der Hammer mit dem Trommelfell verwachsen ist, wird dieser von außen
durchscheinend wahrgenommen.
 Bei Beleuchtung zeigt das gesunde Trommelfell einen dreieckigen Lichtreflex
im vorderen unteren Quadranten (sog. Trommelfellreflex).
 Im gesunden Zustand ist das Trommelfell vollständig geschlossen.
 Normalerweise ist eine leichte Wölbung nach innen feststellbar.
 Das Trommelfell ist gut beweglich.
Mittelohr (Auris media)


Das Mittelohr besteht aus der mit Schleimhaut ausgekleideten Paukenhöhle und den darin
befindlichen Gehörknöchelchen.
 Gehörknöchelchen in der Gelenkreihenfolge: Hammer (Malleus), Amboss
(Incus) und Steigbügel (Stapes). Sie sind durch echte Gelenke miteinander
verbunden und übertragen den Schall vom Mittelohr auf das Innenohr. Der
Steigbügel ist an der Membran des ovalen Fensters befestigt.
 Ohrtrompete (Eustachische Röhre, Tuba auditiva): Sie ist eine für den
Druckausgleich wichtige Verbindung zwischen Paukenhöhle und
Nasenrachenraum und bietet so Schutz vor Zerreißen.
 Vor allem bei Kindern besteht die Gefahr auf Verschleppung von Keimen
über die Ohrtrompete in das Mittelohr.
Warzenfortsatzzellen (Cellulae mastoidae): Der knöcherne Warzenfortsatz (Processus
mastoideus) beinhaltet ein mit Luft gefülltes Hohlraumsystem, welches Zugang zur
Paukenhöhle hat.
 Entzündungen aus dem Mittelohr (Otitis media) können auf den Warzenfortsatz übergreifen.
Von dort kann die Entzündung über den Knochen in das Gehirn einbrechen (Hirnabszess).
 Aufgabe: Schallleitung.
Sinnesorgane
393
Innenohr (Auris interna)


Das Innenohr, welches die Schnecke (Hörorgan) und die drei Bogengänge mit dem Vorhof
(Gleichgewichtsorgan) beinhaltet, wird als Labyrinth bezeichnet. Es handelt sich um ein
kompliziertes Hohlraumsystem im knöchernen Felsenbein.
 Knöchernes Labyrinth: Besteht aus den kleinen Knochenkanälen im
Felsenbein, welche die Schnecke, Bogengänge und Vorhof bilden. Zwischen
knöchernem und häutigem Labyrinth befindet sich die Perilymphe.
 Häutiges Labyrinth: Ein mit Endolymphe gefülltes Schlauchsystem innerhalb
der Knochenkanäle, welches die eigentlichen Sinneszellen des Innenohrs
enthält.
Aufgabe: Schallempfindung und Gleichgewichtswahrnehmung.
Schnecke (Cochlea)



Ein mit 2 ½fachen Windungen geführter, mit Perilymphe gefüllter Knochenkanal, der durch
eine Zwischenwand (Basilarmembran) in zwei Gänge unterteilt wird. Diese stehen an der
Spitze der Schnecke miteinander in Verbindung.
Die Vorhoftreppe (Scala vestibuli) beginnt an der Innenseite des ovalen Fensters und kehrt
an der Schneckenspitze in die Paukentreppe (Scala tympani) um. Diese führt die Schnecke
wieder hinunter bis zum runden Fenster.
Der häutige Anteil der Schnecke liegt zwischen Vorhof- und Paukentreppe und wird durch
die Reissner-Membran und die Basilarmembran gebildet. Dieser mit Endolymphe gefüllte,
häutiger Schneckengang (Ductus cochlearis) enthält das eigentliche Hörorgan, das CortiOrgan. Es sitzt der Basilarmembran auf und besitzt Haarzellen (Hörsinneszellen), die den
durch Schallschwingungen erzeugten elektrischen Impuls über den Hörnerv (Nervus
cochlearis) zur Hörrinde weiterleiten.
Der Hörvorgang





Schallwellen werden über die Ohrmuschel aufgefangen und über den Gehörgang zum
Trommelfell weitergeleitet.
Das Trommelfell wird in Schwingungen versetzt. Dabei kann die Schallübertragung durch
zwei Muskeln, den Trommelfellspanner (Musculus tensor tympani) und den
Steigbügelmuskel (Musculus stapedius) beeinflusst werden.
Vom Trommelfell zur Membran des ovalen Fensters wird der Schall über die
Gehörknöchelchenkette Hammer, Amboss und Steigbügel übertragen. Durch die
zunehmende Verkleinerung der Knöchelchen verstärken sich die Schwingungen bis auf das
20fache.
Über das ovale Fenster wird die Perilymphe in Schwingungen versetzt. Sie verlaufen über
die Vorhoftreppe bis zur Spitze der Schnecke und von dort über die Paukentreppe bis zum
runden Fenster, wo die Schwingungen verebben.
Die in der Schnecke befindlichen Schwingungen werden über die Reissner-Membran auf
die Endolymphe des häutigen Schneckengangs übertragen. Dort werden die Sinneszellen
des Corti-Organs erregt, welche die Erregung als Nervenimpuls über den Hörnerv
weiterleiten.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
394
Sinnesorgane
Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat)



Das Gleichgewichtsorgan ermöglicht in Zusammenarbeit mit dem Auge und der
Oberflächen- und Tiefensensibilität die Orientierung im Raum sowie die Wahrnehmung
von Geschwindigkeitsänderungen. Es ist ausschlaggebend zur Aufrechterhaltung von Kopf
und Körperhaltung.
Drehsinnesorgan (Bogengänge): Drei Bogengänge stehen in drei Ebenen des Raumes im
rechten Winkel zueinander. An einer erweiterten Stelle der Bogengänge befinden sich
jeweils Sinneszellen, deren Härchen, eingehüllt in eine Gallertkuppel, in die Endolymphe
der Bogengänge hineinragen. Bei Drehbewegungen des Kopfes kommt es zu Bewegungen
der Sinneshärchen. Diese Scherbewegungen werden als Nervenimpuls über den Nervus
vestibularis weitergeleitet. Aus insgesamt 6 Bogengängen kann das Gehirn die Richtung der
Bewegung erkennen.
Lagesinnesorgan (Statolithenapparat, Otolithenapparat): Wird gebildet aus Vorhof mit den
darin befindlichen großen und kleinen Vorhofsäckchen und reagiert auf lineare
Beschleunigung und Schwerkraft. Die Sinneszellen des großen Vorhofsäckchens (Macula
utriculi) befinden sich in einer horizontalen Linie, die des kleinen Vorhofsäckchens (Macula
sacculi) in einer senkrechten. Die Härchen der Sinneszellen ragen in eine gallertige, mit
eingelagerten Kalziumkristallen (Statolithen, Otolithen) versehene Membran, welche je
nach Lage des Kopfes der Schwerkraft folgt. Wieder kommt es zu Scherbewegungen der
Sinneshärchen. Dieser mechanische Reiz wird in einen Nervenimpuls umgewandelt und
über den Nervus vestibularis dem ZNS zugeführt. So kann das Gehirn die jeweilige Position
des Körpers ermitteln.
Hörprüfungen


Hörweitenprüfung: In ca. 6 m Entfernung soll der Patient Wortbegriffe erst in normaler
Lautstärke, dann im Flüsterton erhören und nachsprechen, dabei ist je ein Ohr zu
verschließen (Facharzt)
Stimmgabelprüfungen
zur
Unterscheidung
zwischen
Schallleitungsund
Schallempfindungsstörungen
 Beim Weber-Versuch wird die angeschlagene Stimmgabel auf die Mitte des
Kopfes gesetzt.
 Beim Rinne-Versuch wird die angeschlagene Stimmgabel mit dem Griffknopf
auf den Warzenfortsatz hinter dem Ohr gesetzt; sobald der Patient den Ton nicht
mehr hört wird die Stimmgabel direkt vor das Ohr gehalten, ohne dabei neu
angeschlagen zu werden.
Weber-Versuch
Normalhörige
hört den Ton auf beiden Seiten gleich
Rinne-Versuch
hört den Ton für eine kurze Zeit wieder
 positiver Rinne-Versuch (Luftleitung
besser als Knochenleitung)
Schallleitungshört den Ton auf der erkrankten Seite kann den Ton nicht mehr hören 
schwerhörige
besser
negativer Rinne-Versuch (Luftleitung
schlechter als Knochenleitung)
Schallempfindungs- hört den Ton auf der erkrankten Seite Ton wird über die Knochenleitung, als
schwerhörige
schlechter bzw. nur im gesunden Ohr auch über die Luftleitung weniger gehört
hörbar
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
395
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Sehapparat Pathologie .......................................................................................................................... 396
Pathologie Ohr und Gleichgewichtsorgan ........................................................................................... 403
© Arpana Tjard Holler (Autor)
396
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Sehapparat Pathologie
Refraktionsfehler (Brechungsfehler, sog. Fehlsichtigkeit)
Kurzsichtigkeit (Myopie)
Def:
Brennpunkt der einfallenden Strahlen liegt vor der Netzhaut.
Urs:
 Am häufigsten ein zu langer Augapfel (Dehnungsmyopie).
 Zu starke Brechkraft der Linse oder Hornhaut (Brechungsmyopie).
Sym:

Entfernte Objekte werden nur unscharf wahrgenommen.
Kom: Bei einer sehr starken Kurzsichtigkeit (sog. maligne Myopie) kann es zu
Dehnungsschäden an der Ader- und Netzhaut kommen.
The:
Brille oder Kontaktlinsen mit Streulinse (konkave Gläser).
Weitsichtigkeit (Hyperopie)
Def:
Brennpunkt der einfallenden Strahlen liegt hinter der Netzhaut.
Urs:
 Am häufigsten ein zu kurzer Augapfel.
 Zu geringe Brechkraft der Linse oder Hornhaut.
Sym:
Nahe gelegene Objekte werden nur unscharf wahrgenommen.
The:
Brille oder Kontaktlinsen mit Sammellinse (bikonvexe Gläser).
Alterssichtigkeit (Presbyopie) 
Def:
Eine Weitsichtigkeit (Altersweitsichtigkeit), die durch einen Elastizitätsverlust der
Linse im Alter entsteht. Brechkraft der Linse nimmt ab.
Urs:
Im Alter entstehende Abnahme der Eigenelastizität der Augenlinse.
Sym:

Nahe gelegene Objekte werden nur unscharf wahrgenommen.

Das zu lesende Buch wird immer weiter weggehalten.
The:
Sammellinse.
Hornhautverkrümmung (Astigmatismus, Stabsichtigkeit)
Def:
Eine unregelmäßige Krümmung der Hornhaut führt dazu, dass die einfallenden Strahlen
nicht zu einem Brennpunkt vereint werden können.
Urs:
 Angeboren.
 Erworben z.B. durch entzündliche Prozesse.
Sym:

Verschwommene Sicht, ein Objekt wird unscharf wahrgenommen.
The:
Zylindergläser oder Kontaktlinsen (in schweren Fällen).
Schielen (Strabismus)
Def:
Abweichung der Sehachse eines Auges von der Sollrichtung. Ein Auge fixiert das
Objekt, während das andere Auge abschweift.
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
397
Urs:
 Angeboren
 Erworben ohne erkennbaren Grund oder infolge anderer Erkrankungen
(Augenerkrankungen, Augenmuskellähmungen, Intoxikationen).
Sym:

Sichtbare Fehlstellung eines Auges
Sehen von Doppelbildern nur am Anfang
Später
Ausschaltung
der
Wahrnehmung
(sog. Schielschwachsichtigkeit)
eines
Auges
Zur Diagnose eignet sich der Abdecktest: Patient fixiert ein Objekt, während das
gesunde Auge abgedeckt wird. Dabei wird das schielende Auge beobachtet, ob eine
sog. Einstellbewegung erfolgt (korrigierende Einzelbewegung des Auges)
Entzündungen am Auge
Bindehautentzündung (Konjunktivitis) 
Def:
Eine äußerliche Entzündung des Auges unter den Augenlidern und am Augapfel bis zur
Hornhautgrenze ziehend. Ist die Hornhaut mit betroffen, wird von einer
Keratokonjunktivitis gesprochen.
Als Hyposphagma wird eine Unterblutung der Bindehaut durch Ruptur von
konjunktivalen Gefäßen bezeichnet. Ursachen können z.B. sein Traumen, Husten,
arterielle Hypertonie.
Urs:
 Infektiöse Konjunktivitis
 infolge von Viren (am häufigsten): z.B. Adenoviren, Herpes-Viren, MasernViren, Röteln-Viren
 infolge von Bakterien: z.B. Streptokokken, Staphylokokken, Gonokokken,
Chlamydien
 Die Adenovirus-Konjunktivitis ist im IFSG §7 erwähnt.
 Nicht-infektiöse Konjunktivitis
 Chemisch-physikalischen Reizen: z.B. Verletzungen, Verätzungen,
Fremdkörper, Strahlen)
 Allergien: z.B. als Folge von Heuschnupfen
 Verminderte Tränenproduktion, Überanstrengung der Augen
 Infolge von anderen Augenerkrankungen, z.B. Hornhautentzündung,
grünem Star.
 Autoimmun, z.B. Reiter-Krankheit
 Eine Sonderform stellt die Pseudokonjunktivitis bei Polyzythämie dar.
Sym:

Rötung, Schwellung
Tränenfluss, evtl. eitriges Sekret (Bakterien)
Lichtempfindlichkeit, evtl. Lidkrampf
Jucken und Brennen
Fremdkörpergefühl (gibt den Verdacht auf Übergreifen der Entzündung auf die
Hornhaut)
Bei der chronischen Form: keine Schwellung, keine Sekretion, Wucherung der
Papillarkörper der Lederhaut.
 Eine exakte Diagnose erfolgt über eine mikroskopische Untersuchung.
Kom: Keratokonjunktivitis
© Arpana Tjard Holler (Autor)
398
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Hornhautentzündung (Keratitis)
Def:
Entzündung der Hornhaut des Auges, häufig mit Beteiligung der Augenbindehaut
(Keratokonjunktivitis). Die Keratitis ist eine wesentlich schwerwiegendere Erkrankung
als die Konjunktivitis. Sie birgt die Gefahr einer Geschwürs- und Narbenbildung mit
Beeinträchtigung des Sehvermögens.
Urs:
Infektionen mit Bakterien (Staphylokokken, Pneumokokken), Viren (Herpes-Viren,
Adenoviren) und Pilzen (Candida albicans).
Austrocknung des Auges.
Verätzung, Verbrennung und andere Verletzungen.
Sym:

Rötung, Schwellung, Jucken und Brennen

Fremdkörpergefühl

Tränenfluss, Lichtscheu

Lidkrampf

weißliche Trübung der Hornhaut, Blasenbildung

Geschwürbildung, Nekrose (Ulcus corneae)

Eiteransammlung am Grund der vorderen Augenkammer

Sehstörungen
Kom: Iritis, Iridozyklitis
The:
Bei Verätzungen Auge sofort gründlich mit Wasser ausspülen, dann Augenarzt.
Regenbogenhautentzündung (Iritis bzw. Iridozyklitis) 
Def.:
Entzündung der Iris, häufig mit Beteiligung des Ziliarkörpers.
Urs.:
Am häufigsten immunologisch bedingt, im Rahmen rheumatischer Erkrankungen
auftretend, z.B. als Begleiterscheinung beim Morbus Bechterew, Morbus Crohn und
bei rheumatoider Arthritis, idiopathisch.
Infektionen, im Rahmen von anderen Augenerkrankungen (z.B. Keratitis).
Sym.: 
Lichtscheu
Hyperämie (vermehrt Blutansammlung) der Iris
Trübung des Kammerwassers
Schmerzen, Fremdkörpergefühl
reaktive Konjunktivitis

Kom.: Sekundärglaukom, Katarakt, Verklebungen zwischen Linse und Iris.
Greisenbogen (Arcus senilis) 
Syn:
Kornealring, Arcus senilis, Arcus lipoides corneae
Def:
Der Greisenbogen stellt eine altersbedingte Ausbildung eines grauen, schmalen Rings
am Rand der Hornhaut dar. Kann Ausdruck einer Fettstoffwechselstörung sein. In der
Regel unbedenklich.
Urs:
Einlagerung von Fetten und Kalk.
Sym:

Nicht schmerzhafte ringförmige, weißliche Trübung der Hornhautperipherie
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
399
Grauer Star (Katarakt) 
Def:
Trübung der Augenlinse.
Urs:
Primärer Star (Altersstar), am häufigsten. Stoffwechseleinlagerungen in die Linse im
Alter ohne erkennbaren Grund.
Angeborener Star, z.B. bei Rötelnembryopathie.
Sekundärer Star, durch andere Erkrankungen
 Stoffwechselerkrankungen, z.B. Diabetes mellitus, Hypothyreose
 Erkrankungen des Auges, z.B. Glaukom, Iridozyklitis
 Verletzungen des Auges (v.a. Augenprellung)
 Im Rahmen einer Kortisonbehandlung
 Nach Strahlenbehandlung (z.B. intensive Einwirkung von InfrarotStrahlung)
Sym:

Lichtempfindlichkeit (meist als erstes Symptom), Patient bevorzugt lichtabgedunkelte Räume, trägt evtl. einen Hut

Abnahme der Sehschärfe
Im fortgeschrittenen Stadium nur noch Dunkel-Hell-Sehen möglich
The.: Operative Entfernung der Linse, Ersatz durch Kunststofflinse.
Grüner Star (Glaukom) 
Def:
Es handelt sich um eine Augeninnendruckerhöhung. Der normale Druck beträgt 14-20
mmHg. Unterschieden wird ein akutes (ca. 10% der Fälle) und ein chronisches Glaukom
(ca. 90% der Fälle). Eine Erhöhung des Kammerwasserdrucks führt zu irreversiblen
Schädigungen der Netzhaut!
Akutes Glaukom (Winkelblockglaukom)
Def:
Erhöhter Augeninnendruck mit Werten um 50 – 80 mmHg und akuter
Erblindungsgefahr!
Urs:
In der Regel besteht von vornherein ein enger Kammerwinkel (wird daher auch
Engwinkelglaukom genannt), welcher dann bei einer Pupillenerweiterung (Mydriasis)
durch die Regenbogenhaut verlegt werden kann. Dadurch kann das Kammerwasser im
Kammerwinkel nicht abfließen.
Sym:

Plötzliche
Kopfschmerzen
(evtl.
halbseitig),
Augenschmerzen,
evtl.
Trigeminusneuralgie
Übelkeit, Erbrechen
Sehen von Nebeln und Regenbogenfarben als Folge eines Hornhautödems
Nachlassen des Sehvermögens
evtl. lichtstarre Pupille (Anisokorie = seitendifferente Pupillenweite), entrundete und
weite Pupille (Mydriasis)
Rötung der Augenbindehaut möglich

Augapfel steinhart
The:
Es handelt sich um einen Notfall, da durch die Druckatrophie der Zapfen und Stäbchen
eine rasche Erblindung möglich ist.
Achtung: Nasenspray kontraindiziert (aktiviert die Sympathikusreaktion).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
400
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Chronisches Glaukom
Def:
Chronische Augeninnendruckerhöhung mit Werten um 25-35 mmHg. Eine der
häufigsten Erblindungsursachen in den Industrieländern.
Urs:
Im Wesentlichen ist eine Abflussbehinderung des Kammerwassers im Trabekelsystem
des Schlemm-Kanals dafür verantwortlich.
 Primär. Tritt vor allem im höheren Lebensalter auf (idiopathisch).
Sekundär, z.B. aufgrund von Diabetes mellitus (pathologische Neubildung von
Gefäßen behindern den Abfluss des Kammerwassers), Augenerkrankungen,
Einnahme von Kortison.
Sym:

Am Anfang so gut wie keine Beschwerden
Chronische Kopfschmerzen (häufig fehlend!)
Später irreversible (nasale) Gesichtsfeldausfälle
Entstehung eines Tunnelblicks
 Bei Verdacht auf chronisches Glaukom Prüfung des Gesichtsfelds durch die
Fingerperimetrie. Gesichtsfeld oben 60°, unten 70°, temporal 90°, nasal 60°.
Kom: Erblindung.
The:
Medikamentös, operativ.
Erkrankungen der Netzhaut
Netzhautablösung (Ablatio retinae) 
Def:
Abhebung der Netzhaut von der dahinterliegenden Pigmentschicht. Die Abhebung
erfolgt in der Regel von einem Ort aus und schreitet dann komplett fort.
Urs:
Riss bedingte Netzhautablösung (Löcher in der Netzhaut). Kann infolge
Kurzsichtigkeit (langer Augapfel!) und nach Verletzungen entstehen.
Nicht-riss bedingte Netzhautablösung infolge Diabetes mellitus, Glaskörpererkrankungen.
Begünstigende Faktoren:
 Familiäre Häufung
 Kurzsichtigkeit
 Alter (tritt jedoch auch in jungen Jahren auf)
 Entzündliche Prozesse, Traumen, Tumore
 Diabetes mellitus
 Medikamente
Sym: 
Akute einsetzende schmerzlose Sehstörungen, Schatten-, Schleier- und LichtblitzeSehen
Gesichtsfeldausfall (Skotom)

Patient bemerkt beim Sehen einen Vorhang bzw. eine Mauer im Gesichtsfeld

Mouches volantes (sog. Mücken-Sehen)
The:
Notfall, da schnelle Erblindung möglich ist.
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
401
Makuladegeneration 
Def:
Altersabhängige Degeneration des gelben Flecks (Macula lutea), dem Ort des schärfsten
Sehens. Unterschieden wird die trockene Makuladegeneration mit Atrophie der
Sinneszellen und die feuchte Makuladegeneration mit Bildung eines Exsudats und
Einsprossung von neuen Gefäßen (Laservödung möglich).
Urs:
Idiopathisch auftretendes Absterben der Zapfen im Bereich der Macula lutea bei
Menschen über 50 Jahren. Frauen sind doppelt so häufig betroffen.
Sym: 
langsam oder plötzlich auftretendes unscharfes Sehen, verzerrt sehen

keine Schmerzen

Peripheres Sehvermögen i.d.R. erhalten
Nacht-/Tagblindheit (Nyktalopie, Hemeralopie)
Def:
Verminderte Sehleistung nach Einbruch der Dunkelnacht bzw. Einschränkung des
Sehvermögens im Hellen.
Urs:
 Angeboren.
 Erworben infolge Mangel an Vitamin A.
Sym:

Bei Vitamin-A-Hypovitaminose neben der Nachtblindheit Austrocknung der Bindeund Hornhaut des Auges (Xerophthalmie)
Farbenblindheit und Farbenfehlsichtigkeit
Def:
Farbenblindheit.
 Angeborene oder erworbene Unfähigkeit der Farbwahrnehmung, nur
Unterscheidung von Schwarzweiß möglich. Die Ursache kann in Schädigungen der
Netzhaut oder der dazugehörigen Nervenbahnen bzw. Sehrinde liegen.
 Farbenfehlsichtigkeit, Beeinträchtigung des normalen Farbensehens. Bestimmte
Farben können nicht erkannt bzw. unterschieden werden. Am häufigsten ist die RotGrün-Blindheit. Männer sind häufiger betroffen.
Stauungspapille
Def:
Wallartige Vorwölbung des blinden Flecks (Papilla nervi optici), die während einer
Ophthalmoskopie (Untersuchung des Augenhintergrundes) beobachtet werden kann.
Keine eigenständige Erkrankung des Auges, sondern ein Syndrom infolge einer
intrakranialen Druckerhöhung.
Urs:
Intrakraniale Druckerhöhung (z.B. Hirntumor, Hirnödem, Hämatom, Entzündung).
Erkrankungen der Augenhöhle
Enophthalmus
Def:
Zurücksinken des Augapfels in die Augenhöhle.
Urs:
Schwund des in der Augenhöhle befindlichen Fettkörpers, in der Regel infolge von
extremer Abmagerung, oder im Alter.
Blow-out-Fraktur: Extreme Gewalteinwirkung auf den Augapfel (Squash-Ball,
Faustschlag) kann zur Orbitafraktur mit deutlichem Zurücksinken des Augapfels
führen.
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402
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Im Rahmen eines Horner-Syndroms infolge Schädigung des Halssympathikus.
Exophthalmus
Def:
Ein- oder beidseitiges Hervortreten des Augapfels aus der Augenhöhle.
Urs:
Im Rahmen der endokrinen Ophthalmopathie z.B. beim Morbus Basedow
(Autoimmunerkrankung).
Lähmung der äußeren Augenmuskeln.
Tumore oder entzündliche Prozesse hinter dem Augapfel.
Arterielle (evtl. pulsierend) oder venöse Gefäßerweiterung hinter dem Augapfel
Sehr starke Myopie (Kurzsichtigkeit).
Hämatombildung nach Trauma
Sym:

Glotzauge

Bewegungseinschränkungen

Patient kann das Auge nicht richtig schließen

Kann durch Austrocknen der Hornhaut zu einem Hornhautgeschwür führen
Mouches volantes
Def:
Sogenanntes Mückensehen. Eine bei älteren Menschen recht häufig auftretende
Wahrnehmung von schwarzen Punkten, die sich beim Sehen im Blickfeld mit hin und
her bewegen. In der Regel harmlos, unter Umständen kann jedoch auch eine ernste
Augenerkrankung dahinterstecken.
Urs:
Im Glaskörper auftretende Partikel, die auf die Netzhaut einen Schatten werfen.
Netzhautablösung mit Netzhauteinriss, wobei Lichtblitze und Funken darauf
hinweisen, dass es sich nicht um eine harmlose Erkrankung handelt.
Sym: 
Werden als Punkte oder Flecken wahrgenommen und scheinen sich langsam zu
bewegen.
Differenzialdiagnose
Tunnelblick
Def:
Einschränkung des Gesichtsfeldes, bei der die peripheren Seheindrücke nicht
wahrgenommen werden, sondern nur die mittigen Objekte.
Urs:
Physisch, bei sehr schneller Fortbewegung
Organisch: Netzhautablösung, Chronisches Glaukom, Hypophysenadenom, Retinitis
pigmentosa (erbliche Netzhauterkrankung), TIA, PRIND, Apoplex
Doppelbilder-Sehen
Urs:
Strabismus (Schielen): Diskoordination beider Augäpfel ohne bekannte Ursache
Infolge von anderen Erkrankungen: Multiple Sklerose, Botulismus, Hirntumore,
Hypoglykämie,
Alkoholintoxikation,
Medikamente,
Migräne,
Trauma
(Orbitabodenfraktur).
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
403
Nystagmus
Def:
Unwillkürliche rasche Augenbewegungen
Urs:
Physiologisch
 Vestibulookulärer Reflex: durch rasche Drehbeschleunigung des Kopfes
hervorgerufener Nystagmus.
 Durch Spülen des äußeren Gehörgangs kommt es zu einem kurzfristigen
Nystagmus (kalorischer Nystagmus).
Pathologisch
 Erkrankungen des Kleinhirns, z.B. Multiple Sklerose, Tumore
 Erkrankungen des Zentralnervensystems (z.B. SHT, Apoplex, Tumore)
 Erkrankungen des Vestibularapparat, z.B. Morbus Menière, paroxysmaler
benigner Lagerungsschwindel
 Erkrankungen des Auges, z.B. Trübung der Augenlinse, Schielen
 Nystagmus infolge von Medikamenten- oder Drogeneinnahme (z.B.
Antidepressiva, Antikonvulsiva, Alkohol, Nikotin, Haschisch, Opium,
Kokain)
 Kongenitaler Nystagmus als Erberkrankung (idiopathischer Nystagmus) oder
infolge einer Netzhauterkrankung
Pathologie Ohr und Gleichgewichtsorgan
Erkrankungen des äußeren Ohrs
Ohrenschmalzpfropf (Cerumen obturans) 
Def:
Verlegung des äußeren Gehörgangs infolge eines Pfropfens aus Ohrenschmalz mit
eingeschränktem Hörvermögen.
Urs:
 Übermäßige Produktion von Zerumen.
 Exzessive Ohrhygiene mit Wattestäbchen.
Sym: Dumpfes Gefühl im Ohr, Schallleitungsschwerhörigkeit.
The:
Mehrmalige Spülung des Gehörgangs mit 37ºC warmem Wasser.
Ohrfurunkel (Otitis externa circumscripta)
Def:
Gehörgangsfurunkel. Eitrige Entzündung eines Haarfollikels im Bereich des äußeren
Gehörgangs.
Urs:
Immungeschwächte Patienten und Diabetiker sind häufig von einer Furunkelbildung
betroffen.
Sym: 
Schmerzen beim Kauen und Sprechen.

Tragus ist i.d.R. schmerzhaft (Tragus = knorpeliger Vorsprung im Bereich der
Mündung des äußeren Gehörgangs).

Evtl. Schwellung der regionalen Lymphknoten.
Gehörgangsentzündung (Otitis externa)
Def:
Entzündung des Gehörgangs
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404
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Urs:
Infektionen, z.B. durch Bakterien (v.a. Staphylokokken, Streptococcus pyogenes),
Viren (v.a. Herpes zoster oticus), Pilze (v.a. bei immungeschwächten Patienten)
Allergisch, als Ekzem.
Sym:

Schwellung und Rötung, Juckreiz

Schmerz bei Druck auf den Tragus (Knorpel ventral der Ohreinmündung)

Schmerzen beim Kauen und Sprechen

Schuppen- und Krustenbildung.

Lymphknotenschwellung, evtl. Fieber

Evtl. hinter dem Ohr befindliche Schwellung
Erkrankungen des Mittelohrs
Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta) 
Def:
Entzündung der Schleimhaut der Paukenhöhle.
Findet sich am häufigsten im Kindesalter, wegen der kurzen Eustachischen Röhre
und dem waagerechten Verlauf (hat sich mit 7 Jahren aufgerichtet).
Urs:
In der Regel durch aufsteigende Infektionen aus dem Nasenrachenraum.
Als Begleiterkrankung bzw. Komplikation von Grippe, Sinusitis, Scharlach, Masern.
Selten hämatogen (z.B. im Rahmen einer Sepsis).
Sym:

Häufig geht ein grippaler Infekt voraus

Paukenerguss (Ansammlung von Exsudat in der Paukenhöhle)

Ohrenschmerzen, Fieber

Schallleitungsschwerhörigkeit

Evtl. Ohrgeräusche

Spontaner Rückgang der Ohrenschmerzen nach Platzen des Trommelfells

Bei Säuglingen und Kleinkindern sehr unspezifische Symptome, andauerndes
Schreien, Erbrechen, Bauchschmerzen, Säugling hebt die Arme hoch bzw. fasst sich
ans Ohr
 Befund des Trommelfells: rötliche Verfärbung, verdicktes Trommelfell,
Vorwölbung nach außen, Fibrinauflagerung, kein Trommelfellreflex
(Lichtreflex nicht sichtbar), evtl. Blasenbildung.
Kom:  Mastoiditis (Entzündung des Warzenfortsatzes = Processus mastoideus) mit Gefahr
auf Hirnabszess, Meningitis; meist besteht ein Druckschmerz über dem
Warzenfortsatz sowie Schwellung hinter dem Ohr mit abstehenden Ohr
 Trommelfellriss
 Paukenerguss
 Beteiligung des Innenohrs (v.a. bei chronischen oder rezidivierenden Formen)
 Fazialisparese
Paukenerguss 
Def:
Seröse bis schleimige Flüssigkeitsansammlung in der Paukenhöhle.
Urs:
Eine Insuffizienz der Ohrtrompete (v.a. im Rahmen von Infektionen der oberen
Atemwege) führt zum Unterdruck im Mittelohr. Dies hat eine vermehrte Produktion
von Becherzellen der Schleimhaut der Paukenhöhle zur Folge, mit einer erhöhten
Sekretabgabe.
 Tritt v.a. bei Kindern auf.
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
405
Sym.: 
Schallleitungsschwerhörigkeit

Druckgefühl und Schmerzen
Otosklerose
Def:
Autosomal dominant erbliche Erkrankung, die v.a. bei Frauen auftritt und mit
Verknöcherungsprozessen im Bereich des ovalen Fensters einhergeht. Die Folge ist eine
knöcherne Fixierung des Steigbügels. Manifestation zwischen dem 20. und 40.
Lebensjahr.
Sym: 
schleichend zunehmende Schalleitungsschwerhörigkeit

Tinnitus (Ohrensausen)
Erkrankungen des Innenohrs
Morbus Menière 
Def:
Erkrankung des Innenohrs mit anfallartigen und rezidivierenden Schwindelanfällen,
Hörstörungen und Ohrensausen (sog. Menière-Trias).
Pat:
Genaue Pathophysiologie noch unklar. Produktion und Resorption der Endolymphe ist
gestört, es kommt zu einer Wasseransammlung mit Druckererhöhung im Labyrinth.
Akuter Anfall wird vermutlich durch Zerreißen der Membran zwischen Endo- und
Perilymphe ausgelöst.
Urs:
Idiopathisch.
Sym:  Menière-Trias („SOS“):
 Schlagartig auftretende Schwindelattacken, die mehrere Stunden dauern und
dann wieder verschwinden, begleitet von Übelkeit, Erbrechen und
Nystagmus.
 Ohrgeräusche (einseitig
 Schallempfindungsstörung (einseitig)
 Sonstige Symptome:
 evtl. Druck- und Vollgefühl im Ohr
 Im Laufe der Erkrankung Verschlechterung des Hörvermögens. Keine
Taubheit.
Tinnitus aurium (Ohrgeräusche) 
Def:
Geräuschwahrnehmung ohne akustischen Reiz von außen. Subjektive Ohrgeräusche
werden nur vom Patienten bemerkt, während objektive Ohrgeräusche vom Behandler
über das Stethoskop bewiesen werden können. Sie sind pulssynchron und sind bei
Kreislauferkrankungen vorhanden
Urs:
Idiopathisch (subjektive Ohrgeräusche)
Als Begleitsymptom von anderen Erkrankungen:
 Ohr: Otitis media, Otosklerose, Ohrenschmalzpfropf, Menière-Erkrankung,
Hörsturz, akustischen Traumen
 Herz-Kreislauf: Hypertonie, Hypotonie, Arteriosklerose, Anämie,
Plasmozytom, Aneurysma
 Anderes: Hirntumore, als Intoxikationserscheinung, bei Einnahme
bestimmter Medikamente
© Arpana Tjard Holler (Autor)
406
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
Sym:

Kann äußerst unterschiedlichen Charakter haben, z.B. summen, klingeln, pfeifen,
brummen, fauchen, rauschen, zischen.

In der Regel gestörtes Hörvermögen.

Kann anfallsweise, zeitweise, dauernd oder zunehmend stärker werdend auftreten.

evtl. pulssynchron (objektive Ohrgeräusche).
Hörsturz 
Def.:
Plötzlich auftretende, in der Regel einseitige Schwerhörigkeit bis Taubheit.
Urs:
Idiopathisch (Stress)
Diskutiert werden Durchblutungsstörungen (z.B. Hypertonie,
Arteriosklerose), Viruserkrankungen und Autoimmunerkrankungen.
Hypotonie,
Sym:

Hörverlust: kann von sehr leicht bis hin zu Taubheit reichen, Hörvermögen wird
häufig nach wenigen Tagen besser

Pfeifen, Klingeln, Rauschen

evtl. Druckgefühl auf dem betroffenen Ohr, evtl. Parästhesien am Ohr

kein
vestibulärer
Schwindel,
keine
Gleichgewichtsstörungen,
keine
Ohrenschmerzen
The:
 Notfall. Bei sofortiger Therapie Prognose günstig.
 Infusionen zur Verbesserung der Durchblutung.
Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis)
Def:
Im Alter auftretende, meist beidseitig auftretende Verschlechterung des Hörvermögens.
Urs:
Degenerative Prozesse in der Schnecke. Männer sind häufiger betroffen. Begünstigende
Faktoren:
 Lärmexposition
 länger andauernde Medikamenteneinnahme
 Diabetes mellitus
Sym:

Allmähliche Hörverschlechterung, erst für hohe, später für mittlere Frequenzen.

Hörverschlechterung v.a. bei zusätzlichen Nebengeräuschen.
Hörgeräte
The:
Lärmbedingte Gehörschäden 
Def:
Akute reversible oder irreversible Schädigung der Sinneszellen der Schnecke (CortiOrgan) infolge Einwirkung eines chronischen oder unmittelbaren hohen Schalldrucks.
Urs:
 Chronische Lärmbelästigung:
 Bei kurzfristiger Einwirkung ab 120 dB (Dezibel)
 Bei langfristiger Einwirkung ab 90 dB.
 Akute Lärmbelästigung (Knalltrauma, akustisches Trauma):
 > 200 dB.
Sym:
 Chronische Lärmbelästigung:
 Schallempfindungsschwerhörigkeit
 Akustisches Trauma:
 plötzliche kurze Ohrenschmerzen
 Tinnitus (Ohrgeräusche), langsam abnehmend
 Empfindungsschwerhörigkeit (Sinneshärchen werden abgeknickt)
 evtl. Trommelfellruptur mit Blutung aus dem Ohr
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
407
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Def:
Kurzzeitig auftretender (gutartiger) Drehschwindel (10 Sekunden bis 1 Minute) infolge
einer Lageveränderung des Kopfes.
Urs:
Ablösung von kleinen Kalziumkristallen (Statolithen, Otolithen) aus den
Lagesinnesorganen (großes und kleines Vorhofsäckchens). Diese geraten in die
Bogengänge und lösen bei Kopfbewegungen dort unphysiologische Sinnesreize bzw.
widersprüchliche Informationen aus, welche einen kurzzeitigen Schwindel zur Folge
haben.
 Idiopathisch (50-70%), v.a. zwischen 50-60 Jahren auftretend (Frauen überwiegen)
 Sekundär durch Neuritis vestibularis, Morbus Menière, Migräne, SHT
(Schädelhirntraumen), Operationen am Innenohr
Sym: 
Attackenschwindel (10-30 Sekunden, maximal 1 Minute), typischerweise
Drehschwindel, ohne Bewegung keine Schwindel

Nicht selten Übelkeit und Erbrechen

Nystagmus (unwillkürliches Augenzittern)

Diagnose erfolgt durch das Hallpike-Lagerungsmanöver: Patient sitzt auf der Liege
mit seitlicher Kopfdrehung um 45°. Dann wird der Patient rasch in die Rückenlage
gebracht, wobei der 45°-Drehung beibehalten wird und der Kopf noch weiter nach
hinten überstreckt wird (ca. 45°). Ein Nystagmus zeigt Störungen im untenliegenden
Innenohr an.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnose Schwerhörigkeit 













Schallleitungsschwerhörigkeit
Schwerhörigkeit infolge einer Störung der Schallübertragung im äußeren sowie im
Mittelohr.
Zeruminalpfropf (Cerumen obturans)
Otitis media (Mittelohrentzündung)
Paukenerguss (seröse Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr z.B. im Rahmen einer
chronischen Otitis media, eines viralen Infektes, durch schnelle Luftdruckveränderungen
oder idiopathisch)
Otosklerose
Druckerhöhung im Mittelohr durch Hämatombildung (z.B. Schädelbasisfraktur
Schallempfindungsschwerhörigkeit
Schwerhörigkeit infolge einer Störung der Schallaufnahme im Innenohr.
Morbus Menière
Knalltrauma
Hörsturz
Akustikusneurinom
Ischämie infolge Arteriosklerose (TIA, PRIND, Apoplex)
Medikamentennebenwirkung (z.B. Antibiotika)
Differenzialdiagnose Schwindel (Vertigo)
Def:
Gefühl der Gleichgewichtsstörung. Die Orientierung des Körpers im Raum erfolgt über
Sinneseindrücke aus dem Gleichgewichtsorgan, den Augen und den Propriozeptoren
(führen zur Wahrnehmung der Stellung und Bewegung des Körpers im Raum).
Schwindelformen:
 Systematischer Schwindel:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
408
Sinnesorgane (Auge / Ohr) Pathologie
 Schwankschwindel, der Boden schwankt.
 Drehschwindel, die Umgebung dreht sich (z.B. vestibulärer Schwindel).
 Liftschwindel, Gefühl des Sinkens oder Gehoben werden.
 Dauerschwindel
 Attackenschwindel (z.B. benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel)
 Unsystematischer Schwindel:
 Benommenheitsschwindel (Dizziness) ohne Bewegungsangabe
 Schwarzwerden vor den Augen
Urs:
 Vestibulärer Schwindel (meist systematischer Schwindel, häufig als
Drehschwindel empfunden)
 Peripherer vestibulärer Schwindel (Erkrankungen im Gleichgewichtsorgan)
 benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
 Morbus Menière
 Labyrinthitis
 Neuritis vestibularis (Entzündung des VIII. Hirnnervs)
 Trauma (Frakturen des Felsenbeins)
 Zentraler vestibulärer Schwindel (Erkrankungen im Gehirn)
 Akustikusneurinom (gutartiger Tumor des VIII. Hirnnervs)
 Multiple Sklerose
 Erkrankungen des Kleinhirns
 TIA (Transitorische ischämische Attacke), Apoplex
 SHT (Schädel-Hirn-Trauma)
 Migräne
 Kinetose (Reise- bzw. Bewegungskrankheit)
 Nicht-vestibulärer Schwindel
 Hypertonie,
Hypotonie
(z.B.
orthostatische
Dysregulation),
Herzrhythmusstörungen
 Anämien
 Plasmozytom (Hyperviskositätssyndrom durch erhöhte Anzahl von
Paraproteinen)
 Augenerkrankungen (z.B. Glaukomanfall)
 Hypoglykämie und andere Stoffwechselerkrankungen
 Hyperventilationssyndrom
 Veränderungen der Halswirbelsäule (vertebragener Schwindel)
 Infektionen
 Medikamente, Drogen
 Psychogener Schwindel, phobischer Schwindel (z.B. bei Panikattacken)
Haut
M.
.
409
Haut Anatomie und Physiologie
Haut
.
Allgemeines der Haut ............................................................................................................................ 410
Aufgaben der Haut ................................................................................................................................ 410
Aufbau der Haut ................................................................................................................................... 410
Anhangsorgane der Haut ..................................................................................................................... 411
Sensorische Rezeptoren ........................................................................................................................ 412
Aufbau der Schleimhaut (Mukosa) ...................................................................................................... 413
© Arpana Tjard Holler (Autor)
410
Haut
.
Allgemeines der Haut

Die Haut ist nach der Skelettmuskulatur das größte Organ im Körper. Sie ist ungefähr 1,5
bis 2 m2 groß.
 Die Haut ist das schwerste Organ. Das Gewicht entspricht einem Sechstel des
Körpergewichts.
 Auf einem cm2 Haut befinden sich 400-450 sensorische Rezeptoren (Schmerzrezeptoren,
Thermorezeptoren und Mechanorezeptoren), die einem erwachsenen Menschen erlauben,
nahezu jedes bekannte Objekt mit geschlossen Augen zu ertasten.
 Bei alten Menschen (im 7. Lebensjahrzehnt) ist die Haut trockener, fettarmer und leichter
verletzlich.
Aufgaben der Haut




Schutzfunktion: Schutz gegen mechanische, chemische und physikalische Reize. Der pHWert liegt durchschnittlich bei 5,5.
Wärmeregulation: Erhaltung der normalen Körpertemperatur durch Abgabe von Strahlen
und Verdunstung von Schweiß.
Stoffwechselfunktion (Vitamin D-Synthese)
Sensorische Funktion: Sinnesorgan für das Tasten, die Schmerzempfindung, die
Temperaturempfindung und das Vibrationsempfinden
Aufbau der Haut
Oberhaut (Epidermis) 0,05 -1,5 mm dick

Die Oberhaut besteht aus mehrschichtigem verhorntem Plattenepithel ohne eigene Gefäßversorgung. Die Ernährung erfolgt aus der darunterliegenden Lederhaut durch Diffusion.
Die Haut ist 0,05 (Augenlider) bis 1,5 (Fußsohle) mm dick. Trotz der geringen Hautdicke
lassen sich von innen nach außen fünf Schichten unterscheiden:
 Basalzellschicht (Stratum basale): Hier sitzen einfache Epithelzellen, die durch
ständige Mitose neue Zellen hervorbringen. Diese schieben sich allmählich in
Richtung Oberfläche und verändern dabei ihr Aussehen. Zwischen den
Epithelzellen der Basalschicht sitzen verstreut die Melanozyten. Sie produzieren
Melanin und führen so zur Hautpigmentierung. (Melanozyten befinden sich auch
in der Iris und in den weichen Gehirnhäuten)
 Stachelzellschicht (Stratum spinosum): Sie haben unter dem Mikroskop ein
stachelartiges Aussehen, welches durch zyto-plasmatische Ausläufer
untereinander zustande kommt. Hier befinden sich auch die Langerhans-Zellen
(Makrophagen), welche Phagozytose und Antigenpräsentation betreiben.
 Körnerzellschicht (Stratum granulosum): Sie wird so genannt durch die im
Zellinneren liegenden sog. Keratohyalinkörperchen. Sie produzieren eine für die
Hornschicht wichtige Substanz (Keratin). In dieser Schicht verlieren die Zellen
allmählich ihren Kern und werden zu den kernlosen Hornzellen.
 Glanzschicht (Stratum lucidum): Besteht aus mehrreihigen, durchsichtigen und
flachen Zellen, welche die Haut vor mechanischer Beanspruchung schützen soll
und sich nur an Handteller und Fußsohlen befindet.
 Hornschicht (Stratum corneum): Diese Schicht besteht vollständig aus
kernlosen Hornzellen, die ganz mit Keratin gefüllt sind. Sie stellt die eigentliche
Schutzschicht des Körpers dar und ist je nach mechanischer Beanspruchung
verschieden stark groß.
 Den Bereich der lebenden Oberhaut bezeichnet man als die Keimschicht.
 Innerhalb der Keimschicht finden sich auch Nervenzellen.
Haut
.
411
Lederhaut (Korium, Dermis)


Die Lederhaut besteht aus Bindegewebe mit sehr viel elastischen und kollagenen Fasern.
Dadurch bekommt die Haut die Qualität der Reißfestigkeit und elastischen Dehnung. Zur
Oberhaut hin ist die Lederhaut durch eine Basalmembran abgegrenzt, nach unten hin zur
Subkutis ist die Grenze fließend.
Die Lederhaut lässt sich in zwei Schichten unterteilen:
 Papillarschicht: Die obere Schicht der Lederhaut ist mit der Oberhaut durch
Papillen verzahnt. Diese zapfenartigen Ausziehungen sind an der
Hautoberfläche als feine Rillen zu einem bestimmten Muster angeordnet (Felder
und Leistenhaut). Diese Schicht hat eine besonders gute Blutversorgung, da von
hier aus auch die nicht durchblutete Oberhaut versorgt werden muss.
 Netzschicht: Diese faserreiche Schicht ist in einem Scherengittermuster
aufgebaut. Sie enthält neben Sensoren, Blut- und Lymphgefäßen auch die
Hautanhangsorgane der Haut.
Unterhautfettgewebe (Subkutis)


Die Subkutis verbindet die Lederhaut mit dem darunterliegenden Gewebe, wie Muskeln,
Knochen oder andere Organe. Sie besitzt je nach Körperstelle und Körperbau viele Fettzellhaufen.
Aufgaben:
 Stoßpuffer
 Wärmeisolierung
 Energiespeicher
Anhangsorgane der Haut
Haare



Haare kommen auf der gesamten Hautoberfläche (Felderhaut) vor, mit Ausnahme der
Handflächen und Fußsohlen (Leistenhaut). Sie haben eine normale Wachstumsgeschwindigkeit von 0,3 mm pro Tag und eine Lebensdauer von 4-5 Jahren.
Bei einer mittleren Anzahl von ca. 100.000 Kopfhaaren gehen täglich ca. 60 aus, ohne dass
die Gesamtzahl abnimmt.
Folgenden anatomischen Strukturen werden unterschieden:
 Haarschaft: Teil des Haares außerhalb der Haut.
 Haarwurzel: Teil des Haares innerhalb der Haut.
 Haarzwiebel: Verdicktes Ende der Haarwurzel.
 Haarfollikel: Eine Einstülpung der epithialen Hautschicht, die die Haarwurzel
umgibt, die gesamte Lederhaut durchdringt und in der Subkutis endet.
 Haartalgdrüse: In den Haarfollikel mündende Talgdrüse, die Haut und Haar mit
einer dünnen Fettschicht überzieht.
 Haarpapille: Befindet sich im unteren Pol der Haarzwiebel und versorgt das
wachsende Haar mit Nahrung.
 Musculus arrector pili: Am Haarfollikel befestigter kleiner Muskel aus glatter
Muskulatur, der bei Kälte oder Furcht die Haare aufrichtet.
Nägel


Nägel werden als Hornplatten von der Oberhaut gebildet.
Aufgaben:
 Schutz vor Verletzungen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
412
Haut




Aufbau:


.
Verwendung als Werkzeug z.B. als Pinzette oder zum Kratzen
Stabilisiert die Fingerkuppe und ermöglicht so eine feinere Tastempfindung
Nagelplatte: Dicht gepackte, verhornte Zelle der Oberhaut.
Nagelbett: Liegt unter der Nagelplatte, gibt auf Grund der guten Durchblutung
dem Nagel das rosarote Aussehen
 Nagelfalz: Ein Hautwulst, der die seitlichen Ränder der Nagelplatte umgibt.
 Nagelwurzel: Hinterer Teil des Nagels in der Haut, von der sich das eigentliche
Wachstum vollzieht (ca. 0,5 - 1 mm pro Woche).
Nagelveränderungen und -erkrankungen
 Uhrglasnägel: Übermäßig in Längsrichtung gewölbte Nägel. Treten oft
zusammen mit Trommelschlägelfinger bei Herz- und Lungeninsuffizienzen
auf (seltener bei Lebererkrankungen)
 Löffelnägel: Sog. Hohlnägel, mit muldenförmiger Eindellung des Nagels und
erhöhter Brüchigkeit. Ursache ist meist chronischer Eisenmangel oder Vitamin
B-Mangel, auch bei Durchblutungsstörungen (z.B. Morbus Raynaud).
 Querfurchen: Noch monatelang nach schweren Allgemeinerkrankungen
abzulesen.
Schweißdrüsen

Aufbau: Schweißdrüsen sind knäuelförmig gewundene Drüsenschläuche, die sich in der
Subkutis befinden. Ihre Ausführungsgänge durchziehen senkrecht alle Schichten der Haut,
bis sie auf der Hornschicht der Oberhaut als Pore münden.
 Vorkommen: Überall am ganzen Körper (pro cm2 ca. 150 - 200 Drüsen beim weißen
Menschen), außer am Lippenrand, Eichel, Klitoris und kleine Schamlippen. Am dichtesten
liegen sie an Handflächen und Fußsohlen:
 Aufgabe:
 Die Schweißsekretion ist der wichtigste physiologische Mechanismus zur
Wärmeabgabe. Nerval werden die Drüsen durch den Sympathikus innerviert.
Pro Tag werden ca. 0,5 Liter abgegeben, allerdings kann je nach körperlicher
Tätigkeit oder bei hohem Fieber bis zu 5 Liter pro Tag ausgeschwitzt werden
 Durch Ausscheidung saurer Stoffwechselprodukte wird der sog.
Säureschutzmantel hergestellt (pH-Wert 4 - 5), der das Keimwachstum auf der
Haut hemmt.
 Bestandteile:
 99% Wasser
 Rest besteht aus Harnstoff, Harnsäure, Salze, Immunglobuline, Glukose,
Aminosäuren und Fettsäuren.
 Der oft unangenehme Schweißgeruch entsteht durch Bakterienzersetzung.
Sensorische Rezeptoren

Aufgaben des Tastsinns:
 Enorm wichtig für die geistige und körperliche Entwicklung eines Kindes.
 Empfang bestimmter Reize zur Gefahrenabwendung und zur Überprüfung bzw.
Abstimmung von motorischen Handlungen.
Unterscheidung:
 Schmerzrezeptoren: Kommen am häufigsten vor (100/cm2) und bestehen aus freien
Nervenendigungen
 Thermorezeptoren
 Ruffini-Körperchen für die Wärmeempfindung
Haut
.

413
 Krause-Endkolben für die Kälteempfindung
Mechanorezeptoren
 Meissner Körperchen (Tastkörperchen) liegen in der Papillarschicht der
Lederhaut und kommen vor allem an unbehaarten Körperstellen vor. Sie
reagieren auf Druckveränderungen und sind für die feine Tastempfindung
zuständig.
 Merkel-Tastscheiben liegen in der Basalschicht der Oberhaut und sind für die
grobe Tastempfindung zuständig. Sie reagieren auf anhaltenden Druck.
 Vater-Pacini-Körper liegen in der Subkutis und in noch tieferen Schichten (z.B.
Muskelfaszien,
Periost,
Bänder,
Sehnen).
Sie
vermitteln
die
Vibrationsempfindung
 Haarfollikelrezeptoren reagieren auf Berührungen.
Aufbau der Schleimhaut (Mukosa)


Die Schleimhaut kleidet innere Räume im Körper aus:
 Atemwege
 Verdauungstrakt
 Urogenitaltrakt
 Mittelohr
 Augenbindehaut
Der Aufbau der Schleimhaut ist ähnlich dem Aufbau der Haut. Allerdings besitzt sie kein
verhorntes Epithel.
 Mehrschichtiges Epithelgewebe mit eingestreuten Becherzellen
 Bindegewebe
 Muskelschicht befindet sich nur zusätzlich im Verdauungstrakt
© Arpana Tjard Holler (Autor)
414
Haut Pathologie
Haut Pathologie
Allgemeine Pathologie der Haut........................................................................................................... 415
Spezielle Pathologie der Haut ............................................................................................................... 417
Haut Pathologie
415
Allgemeine Pathologie der Haut
Effloreszenzenlehre 


Effloreszenzen (sog. Hautblüten) sind sichtbare pathologische Hautveränderungen.
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Effloreszenzen.
Primäreffloreszenzen






Hautveränderungen, die neu auf bis dahin gesunder Haut entstanden sind.
Macula (Hautfleck): Im Hautniveau liegende, umschriebene Verfärbungen mit drei
möglichen Ursachen:
 Veränderte Gefäßfüllung
 Erythem: Rötung der Haut aufgrund von Gefäßerweiterung,
häufig infolge einer Entzündung oder bei venösen Stauungen.
 Roseolen: kleinfleckige Rötung, typisch für das Prodromalstadium
vieler Infektionskrankheiten (z.B. bei Syphilis, Typhus, Masern)
 Rote Hautflecken, die durch eine veränderte Gefäßfüllung bedingt sind
verblassen unter Glasspateldruck.
 Blutaustritt ins Gewebe
 Petechien: Kleinste punktförmige Kapillarblutungen.
 Purpura: Punktförmige Hautblutungen auf größeren Flächen.
 Hämatom: Tiefgehende flächige Blutung.
 Rote Hautflecken, die durch eine Blutung ins Gewebe bedingt sind
verblassen nicht unter Glasspateldruck.
 Pigmentationsveränderungen
 Hyperpigmentation, z.B. alle Melanin-Muttermale (Pigmentnävus,
Nävus = Muttermal), Hautbräune durch Morbus Addison.
 Depigmentierung, z.B. Albinismus (angeborener Mangel der
Melanozyten) oder Vitiligo (Weißfleckkrankheit durch
autoimmun-bedingter Schwund der Melanozyten)
 Bei Vitiligo können sehr kurze intensive Sonnenbestrahlungen
(ca. 10 Minuten) an den weißen Hautstellen Sonnenbrände
auslösen.
Papula (Papel = Knötchen) bzw. Nodulus (Knoten): Über das Hautniveau ragende kleine
bis kleinste Hautverfestigung
Vesicula (Bläschen): Ist ein mit seröser Flüssigkeit gefüllter Hohlraum der Haut, der meist
über das Hautniveau erhaben ist und sich in der Lederhaut oder Oberhaut befindet. Größer
als 5mm wird von Bulla (Blase) gesprochen.
 z.B. Herpes-simplex-Bläschen, Blasenbildung bei Verbrennung 2.Grades,
Windpocken
Urtica (Quaddel): Ist ein umschriebenes, erhabenes und meist flüchtiges Ödem der Haut,
welches durch eine vermehrte Ansammlung von Plasmaflüssigkeit in der Lederhaut entsteht
(siehe Urtikaria unter M.8.2.1).
Zyste: Ist ein durch eine Kapsel abgeschlossene Geschwulst mit dünn- oder dickflüssigem
Inhalt (z.B. Talgzyste)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
416
Haut Pathologie
Sekundäreffloreszenzen









Hauterscheinungen, die sich aus den primären Effloreszenzen entwickeln.
Pustula (Eiterbläschen): Ein mit Eiter gefülltes, in der Oberhaut befindliches Bläschen, z.B
 bei Akne
 Impetigo contagiosa (Borkenflechte)
 Windpocken
 Milzbrand
Squamae (Schuppen): Durch Abstoßung von Hornschichten entstehende Abschuppung, z.B
 bei Psoriasis
 Neurodermitis
 Kontaktekzem
 Scharlach
 Masern
 trockener Haut
Crusta (Kruste, Schorf): Entsteht bei fehlender Oberhaut und besteht aus eingetrocknetem
Blut, z.B bei.
 Neurodermitis
 Borkenflechte
 Windpocken
Erosio (oberflächlicher Epidermisverlust): Substanzverlust der Oberhaut. Heilt im
Gegensatz zur Abschürfung und zum Geschwür narbenlos ab (z.B. geplatzte Blasen).
Excoratio (Abschürfung): Ein traumatisch entstandener Gewebsverlust, der bis in die
Lederhaut reicht.
Ulcus (Geschwür): Tiefergehender Gewebsdefekt, der auf krankhaftem Gewebe entsteht.
 z.B. Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, Ulcus cruris, ulzerierende Tumore
Rhagade (Einriss): Ein spaltförmiger Einschnitt der Haut infolge Überdehnung bei
herabgesetzter Elastizität
 z.B. bei Eisenmangelanämie
Cicatrix (Narbe): Eine Bindegewebsvermehrung als Ersatz der Epidermis. Eine Narbe führt
zum Parenchymverlust: Haare, Hautdrüsen, Melanozyten und elastische Fasern fehlen.
Erkrankung des Narbengewebes siehe unter Keloid M.8.5.2
Weitere Hauterscheinungen 





Exanthem: Ansammlung mehrerer entzündlicher, häufig infektiöser Hautveränderungen
auf einem größeren Hautbezirk (klassische Exantheme bei Masern, Röteln, Scharlach und
Windpocken)
Enanthem: Effloreszenzen der Schleimhaut.
 z.B. Koplik-Flecken (kleine weiße Stippchen der Wangenschleimhaut bei
Masern)
 Aphthen
 Scharlachzunge (Himbeerzunge)
Ekzem: Nicht infektiöse Hautentzündung mit Juckreiz, die meist allergisch bedingt ist (sog.
Juckflechte). Erkrankungen siehe unter M.8.2.3
Abszess: Eiteransammlung in einer durch Gewebseinschmelzung gebildeten Höhle.
 Ein Empyem ist eine Eiteransammlung in einer vorgebildeten Höhle, z.B.
Gallenblasenempyem.
Fistel: Abnormer Gang, der ein tieferliegendes Organ mit der Haut oder einem anderen
Organ verbindet und durch den ein Sekret (meist Eiter) abfließt.
Haut Pathologie
417
Spezielle Pathologie der Haut
Hautinfektionen
Bakterielle Entzündungen der Haut (Pyodermien)

Auf der Haut finden wir eine natürliche Besiedelung mit Mikroorganismen, die als Hautflora für die Abwehr von pathogenen Erregern Grundvoraussetzung ist. Kommt es zu einem
Ungleichgewicht der natürlichen Hautflora, können besonders pathogene Bakterien zur
Infektion und Erkrankung der Haut führen.
Urs.:




Verletzungen der Haut (günstige Eintrittspforte)
Immunschwächende Erkrankungen (z.B. AIDS, maligne Tumore)
Immunschwächende Medikamente (z.B. Immunsuppressiva, Kortison, Zytostatika)
Systemerkrankungen, z.B. Diabetes mellitus, Cushing-Syndrom, hormonelle
Veränderungen
Entzündungen des Haarfollikels 

Follikulitis: Oberflächliche Entzündung eines Haarfollikels, häufig durch Staphylococcus
aureus verursacht.
 gerötetes, schmerzhaftes Knötchen (evtl. Pustelbildung) im Bereich des Haares
 Bevorzugte Stellen: Gesicht (Bartbereich), Oberschenkel und am Rumpf
 Furunkel: Aus einer Follikulitis entstehende, eitrig nekrotisierende Einschmelzung des
gesamten Haarfollikels. Die Haarwurzel sind irreversibel geschädigt. Kann an jeder Stelle
der behaarten Haut auftreten.
 äußerst schmerzhafter Knoten mit zentraler eitriger Einschmelzung
 Bevorzugte Stellen: Gesicht, Genick, Achselhöhlen und Gesäß
 Abheilung führt in der Regel zur Narbenbildung
 Bei Lokalisation im Gesicht besteht als Komplikation Gefahr auf Sinus-thrombose
(Hirnvenenthrombose) mit Meningitis.
 Karbunkel:
Entstehen
durch
mehrere
beieinanderliegende
konfluierende
(ineinanderfließende) Furunkel.
 mehrere nekrotische Knoten, sehr schmerzhaft, oft bläulich verfärbt

Diabetiker, Patienten mit Kortisonbehandlung und immungeschwächte Patienten (z.B.
Leukämie) sind besonders gefährdet (Furunkulose).
Erysipel (Wundrose) 
Def:
Flächige, bakterielle Entzündung der Lederhaut, die auf dem Lymphweg zur
Ausbreitung neigt. Behandlungsverbot gemäß IFSG §24
Urs:
 Am häufigsten: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Strepto-coccus
pyogenes). Die Bakterien gelangen über kleinste Verletzungen, Rhagaden,
Geschwüre oder andere Wunden in den Körper.
Sym:  flammenförmigen Rötung
 scharf begrenzt, teilweise Handteller groß
 sehr schmerzhaft
 leicht ödematös (geschwollen)
 Fieber und Schüttelfrost, Krankheitsgefühl
 Lymphknotenschwellung
 Mögliche Varianten bei schwerem Verlauf:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
418
Haut Pathologie
 Blasenbildung (bullöses Erysipel)
 Blutungen (hämorrhagisches Erysipel)
 Nekrosen (nekrotisches Erysipel)
 Häufigste Lokalisation: Unterschenkel und Gesicht
Kom: 



Rezidivneigung mit Gefahr auf Bildung von Elephantiasis
Sepsis, Bakteriämie mit Ansiedlung der Keime in inneren Organen
Sinusthrombose bei Bildung im Gesicht
Ausbildung eines Lymphödems
Impetigo contagiosa (Borkenflechte) 
Def:
Ansteckende, bakterielle Hautinfektion, die häufig im Kindesalter auftritt und
überwiegend im Gesicht (Mundwinkel) und an den Extremitäten lokalisiert ist.
Behandlungsverbot gemäß IFSG §24.
Urs:
 Am häufigsten: Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
 Staphylokokkus aureus
 Eintrittspforte: Kleinste Hautverletzungen
Sym:  Beginn mit Bläschen und Pusteln auf geröteter Haut, die dann aufplatzen
 Typische gelbbraune (honiggelbe) Krustenbildung
 Häufigste Lokalisation: Gesicht
Phlegmone
Def:
Eitrige diffuse Bindegewebsentzündung, die sich flächenhaft (v.a. subkutan) entlang von
Muskeln, Faszien und Sehnen ausbreitet und mit lokalen und allgemeinen
Entzündungszeichen einhergeht.
Urs:
 Erreger sind meist Staphylokokken, seltener Streptokokken.
 Begünstigung häufig durch kleinste Verletzungen in der Haut, z.B. Insektenstiche.
Sym: 



Offen und großflächige, sehr schmerzhafte Eiterbildung
Örtliche Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung)
Krankheitsgefühl, Fieber, allg. Entzündungszeichen
Betroffen sind v.a. Arme und Beine
Systemische bakterielle Infektionen mit Beteiligung der Haut


Im Grunde kann fast jede Infektionskrankheit zu einer entsprechenden Hauterscheinung
führen.
Bei vielen bakteriellen Infektionskrankheiten kommt es zu einer charakteristischen
Reaktion der Haut, z.B. bei Lepra, Tuberkulose, Scharlach, Lyme-Borreliose (Erythema
migrans), Typhus (Bauchroseolen).
Virale Infektionen der Haut
Herpesinfektionen 

Herpes simplex Typ 1 (Herpes labialis, humanes Herpes Virus 1) befällt vor allem Haut
und Schleimhaut, bevorzugt sind die Lippen und die Mundschleimhaut
 kleine, schmerzhafte, meist seröse Bläschen auf geröteter Haut, häufig in
Gruppen, später Eintrocknung mit gelber Krustenbildung
 Erstinfektion im Kindesalter
 häufig Rezidive mit meist bekannten Auslösungsfaktoren
Haut Pathologie




419
 UV-Strahlung (Herpes solaris)
 Infektion, Fieber (Herpes febrilis)
 Menstruation (Herpes menstrualis)
 psychische Belastungen (Stress), Traumata (Herpes traumaticus)
 Mundfäule (Stomatitis herpetica), schwere Verlaufsform bei Säuglingen und
Kleinkindern im Bereich der Mundschleimhaut mit Fieber und starken
Schmerzen
 Lippenherpes kann auch Genitalherpes auslösen.
Herpes simplex Typ 2 (Herpes genitalis, humanes Herpes Virus 2) befällt v. a. die
Schleimhaut des Genitalbereiches (Vulva, Vagina, Urethra) mit gruppierten Bläschen an der
Eintrittspforte
 Für den HP gilt ein Behandlungsverbot gemäß IFSG §24.
Herpes-Zoster-Infektionen (Windpocken und Gürtelrose, humanes Herpes Virus 3). Für
den HP gilt ein Behandlungsverbot gemäß IFSG §7/24.
Mononukleose (Epstein-Barr-Virus, humanes Herpes Virus 4)
Zytomegalie (Zytomegalie-Virus, humanes Herpes Virus 5)
Infektionen mit Papillomviren 

Das Haupterscheinungsbild der Papillomviren sind die verschiedenen Warzenformen:
 Verruca vulgares (gewöhnliche Warze): Erbsengroße, verhornte Knötchen mit
typischer zerklüfteter Oberflächenstruktur und häufiger Lokalisation an den
Händen
 Verruca plantaris (Dornwarze): wachsen dornartig an den Fußsohlen in die Haut
ein und können äußerst schmerzhaft sein
 Dellwarze (Molluscum contagiosum): Stecknadelkopf- bis erbsengroße Papeln
der Oberhaut (= Epidermis), welche häufig eine zentrale Eindellung aufweisen
und auf Druck eine weißlich krümelige Masse entlassen. Besonders im Gesicht,
Hals, Thorax und Genitalien. Befällt vorwiegend Kinder, Jugendliche und
Patienten mit Immundefekten (z.B. HIV-Infektion). Wird von Mensch zu
Mensch übertragen.
 Patienten mit Dellwarzen wird geraten nicht in öffentliche Bäder zu gehen,
separate Handtücher zu benutzen, keinen direkten Körperkontakt zu
unterhalten und sich nicht zu kratzen (steckt sich selbst an).
 Condylomata acuminata (Feig- oder Feuchtwarzen): kleine, weiche,
wucherartige Papeln, die später durch Verhornung hart werden. Genitale
Lokalisation, durch Geschlechtsverkehr übertragbar.
 Für den HP gilt ein Behandlungsverbot gemäß IFSG §24.
Viruserkrankung mit Beteiligung der Haut

Bei einigen viralen Infektionskrankheiten kommt es zu einer charakteristischen Reaktion
der Haut, z.B. bei Masern und Röteln
Pilzerkrankungen der Haut (Mykosen)


Pilze befinden sich auf der gesunden Haut und Schleimhaut. Sie werden zu den
opportunistischen Erregern gezählt. Nur bei geschwächter Abwehrlage verursachen sie
eine systemische Pilzinfektion.
Begünstigende Faktoren:
 Immunschwächende Medikamente (Kortison, Immunsuppressiva, Zytostatika,
 Antibiotika)
 Immunschwächende Erkrankungen (z.B. AIDS, Leukämie, Krebs)
 Diabetes mellitus (hoher Glukosespiegel)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
420
Haut Pathologie

 Alkoholkrankheit
 Schwangerschaft (Glukosereichtum)
 Feuchtes Milieu (Arbeiten in nassen Räumen, feuchte Hautfalten)
Humanpathogene Pilze werden in drei Gruppen unterteilt:
 Schimmelpilze (Aspergillus flavus). Bei starker Abwehrschwäche kann es zum
Befall der Lunge, ZNS und Magen-Darm-Trakt mit Gefahr der Sepsis kommen.
 Dermatophyten (sog. Fadenpilze). Sie siedeln sich in den Hornschichten der
Haut an und führen zu Fußmykosen (Tinea pedis = gewöhnlicher Fußpilz). Sie
treten häufig bei Feuchtigkeitsstau in Hautfalten und bei Diabetikern auf.
 Trychophython
 Microsporum
 Hefen. Sie sind meist Zeichen einer Abwehrschwäche. Häufigster Erreger ist
Candida albicans (Candida-Mykosen). In 70% der Fälle werden sie bei
Gesunden gefunden. Sie werden zu den opportunistischen Erregern gezählt und
verursachen nur bei immungeschwächten Personen eine Infektion, welche dann
mit Antimykotika behandelt wird.
 Soor der Mundschleimhaut, abkratzbare weiße Beläge
 Soor der Ösophagealschleimhaut, Schluckbeschwerden
 Candidose der Haut (am häufigsten; 80% der Fälle)
 Candidose der Genitalschleimhaut
 bei starker Abwehrschwäche Organmykose und Sepsis möglich
(Endokard, Meningen, Leber, Niere)
 Pityriasis versicolor: befällt die Oberhaut und ist nicht ansteckend.
Parasitäre Hauterkrankungen





Heute haben diese Erkrankungen durch die verbesserte Hygiene an Zahl abgenommen.
Parasitäre Hauterkrankungen werden verursacht durch:
Läuse
 Kopfläuse (Pediculus humanus capitis) kommen am häufigsten bei Kindern vor.
Sie sind kein Zeichen für schlechte Hygiene. Übertragung durch engen
Kopfkontakt. Durch heftiges Kratzen kann eine bakterielle Infektion mit
eitrigem Ausschlag und Blasenbildung entstehen, ebenso vergrößerte
Nackenlymphknoten. Gemäß IFSG besteht eine Meldepflicht für Kinder mit
Kopfläusen, die in Einrichtungen wie Schulen oder Kitas betreut werden.
Können das Läuserückfallfieber übertragen. Ausgewachsene Kopfläuse sind mit
dem bloßen Auge erkennbar (3 mm) und nehmen mehrmals täglich Blut als
Nahrung auf.
 Kleiderläuse (Pediculus humanus corporis) können das Fleckfieber (Typhus
exanthematicus) und das Läuserückfallfieber übertragen.
 Filzläuse bzw. Schamläuse (Phthirus pubis) kommen v.a. in der
Schambehaarung vor, seltener in den Achsel- oder Barthaaren. Übertragung
geschieht durch sexuellen Kontakt, aber auch durch Handtücher oder
Kleidungsstücke. Taches bleues („Tasch blö“) sind kleine blaue
hämorrhagische Flecken, die an den Bissstellen der Filzläuse entstehen, die in
der Regel einen starken Juckreiz verursachen.
Zecken sind vor allem wegen der Übertragung von Borreliose und FSME (FrühsommerMeningoenzephalitis) gefürchtet.
Krätzmilbe (Skabies) werden im IFSG §34 erwähnt und sind im Kapitel Infektionslehre
gesondert aufgeführt.
Flöhe (übertragen Yersinia pestis), Wanzen
Haut Pathologie
421
Allergische Hauterkrankungen
Urtikaria (Nesselsucht) 
Def:
Allergisch bedingte, schubweise auftretende Quaddelbildung.
Urs:
 Häufig auslösende Antigene bei der allergischen Urtikaria:
 Pollen, Staub, Haare
 Nahrungsmittel, Farbstoffe, Konservierungsstoffe
 Medikamente (z.B. ASS)
 Insektenstiche
 seelischer Stress
 Physikalische Urtikaria:
 Einwirkung von Kälte und Wärme (cholinergische Urtikaria, z.B. durch ein
warmes Bad)
 Sonneneinstrahlung
 Druck und Reibung (Druckurtikaria)
Pat:
 Freisetzung von Histamin führt durch Kapillarerweiterung zu Hautödemen.
 Allergische Reaktion vom Soforttyp (anaphylaktischer Typ).
Sym:  rot-weiße Quaddelbildung unterschiedlicher Größe
 flach erhaben, scharf begrenzt
 stark juckend
Kom: Anaphylaktischer Schock
Quincke-Ödem (Angioödem) 
Def:
Sonderform der Urtikaria mit plötzlichen, heftigen Hautödemen, die bevorzugt
im Gesicht zwischen Lederhaut und Subkutis auftritt. Ein möglicher Auslöser kann
Acetylsalicylsäure (ASS) sein. Normalerweise bildet sich das Quincke-Ödem innerhalb
von Stunden vollkommen zurück.
Sym:  Durch massives Ödem der Subkutis auftretende starke Schwellungen mit
Spannungsgefühl.
 Häufige Begleiterscheinungen: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
Kom: Larynxödem (Anaphylaxie) mit Erstickungsgefahr.
The:
 In erster Linie muss das auslösende Agens vermieden werden.
 Bei schweren Verlaufsformen, v.a. bei Mitbeteiligung der oberen Atemwege, muss
eine medikamentöse Therapie mit Glukokortikoiden und Antiallergika erfolgen.
Ekzem (sog. Juckflechte) 
Def:
Nicht infektiöse, chronisch-rezidivierende, schubweise auftretende Entzündungsreaktion der Haut, häufig mit starkem Juckreiz.
Sym: Ekzeme treten sehr vielgestaltig auf (polymorph)
 Entzündungszeichen
 Bläschen- und Blasenbildung
 Erosionen
 Juckreiz
 Blutbild: Eosinophilie, IgE 
© Arpana Tjard Holler (Autor)
422
Haut Pathologie
Haut Pathologie
423
Beim chronischen Verlauf
 Krusten- und Schuppenbildung, Nässen
 Rhagaden
Exogenes Ekzem


Allergisches Kontaktekzem: Allergie vom Spättyp (erst Sensibilisierungsphase, dann
Auslösungsphase).
Toxisches (nicht allergisches) Kontaktekzem: Entsteht durch andauernden Kontakt mit
schädigenden Reizen. Das Ekzem heilt ab, sobald der Reiz fortfällt (kann in ein allergisches
Kontaktekzem übergehen). Häufiges Vorkommen bei: Hausfrauen (Spülwasser), Friseure,
Bäcker, Krankenschwestern (Desinfektionsmittel), Mauerer, Handwerker u.a.
Endogenes Ekzem
Syn:
Neurodermitis, atopische Dermatitis, atopisches Ekzem
 Atopie: Genetische Veranlagung für allergische Reaktionen vom Soforttyp.
Für eine Atopie spricht:
 Dermographismus: Nach Bestreichen der Haut mit einem spitzen Gegenstand
treten für eine längere Zeit weiße Hautstreifen auf. Danach führt eine reaktive
Hyperämie zum roten Dermographismus.
 Dennie-Morgan-Falte: Ein oder zwei untere Augenfalten, beidseitig.
Def:
Chronisch rezidivierende, in Schüben auftretende, stark juckende, allergische
Hauterkrankung.
Urs:
 Idiopathisch (familiäre Häufung)
 Auslösende Faktoren
 Jahreszeitenwechsel (Winter, Frühjahr)
 Nahrungsmittel
 Infektionen
 Psychische Belastungen (z. B. Stress)
 Allergenexposition
Pat:
Im ersten Lebensjahr besteht häufig Milchschorf. Im weiteren Verlauf des Lebens neigen
diese Patienten häufig zu allergischen Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma
bronchiale und allergischer Konjunktivitis. Diese Menschen nennt man Atopiker.
Sym:






erosive, nässende, schuppende, krustige und gerötete Ekzeme
meist heftiger Juckreiz
Vergröberung der Hautfelder (Lichenifikation)
trockene, glanzlose Haut durch Unterfunktion der Talg- und Schweißdrüsen
evtl. Hertoghe-Zeichen: seitlicher Ausfall der Augenbrauen
Häufige Lokalisation:
 Bei Erwachsenen v.a. an den Beugeseiten der großen Gelenke und im
Gesicht, Hals, Nacken, Schulter, Brust.
 Bei Kindern v.a. an den Streckseiten.
 Die Intensität der Neurodermitis nimmt mit dem zunehmenden Alter ab.
Erythema nodosum (sog. Knotenrose) 
Def:
Akute Entzündung der Subkutis mit Granulombildung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
424
Haut Pathologie
Urs:
Allergische Reaktion der Haut (Allergie Typ III). Tritt meist in Zusammenhang mit
anderen Erkrankungen auf:
 bei einigen Infektionskrankheiten: Streptokokkeninfektion, Ornithose,
Tuberkulose, u.a.
 Morbus Crohn
 Rheumatisches Fieber
 Sarkoidose (Morbus Boeck)
 Medikamente (z.B. Antibiotika, “Pille“)
Sym: 



schmerzhafte Knotenbildung mit teigig-derber Konsistenz
farbliche Veränderung der Knoten von rötlich nach braun
Meist allgemeines Krankheitsgefühl: Fieber, Gelenkschmerzen, BSG 
Häufige Lokalisation: Meist symmetrisch an den Unterschenkelstreckseiten
Tritt gehäuft im Frühjahr und Herbst auf. Frauen sind häufiger betroffen.
Tumoröse Hauterkrankungen
Gutartige Hauttumore

Gutartige Hauttumore sind sehr häufige, angeborene oder erworbene Hautveränderungen.
 Lentigo simplex (Leberfleck = Nävus), flacher und brauner meist runder Fleck,
welche nur aus Melanozyten entsteht und nicht entarten kann
 Nävuszellnävus, ein aus Nävuszellen (gutartig veränderte Melanozyten)
bestehendes Muttermal, welches die Möglichkeit zur Entartung (malignes
Melanom) besitzt.
 Hautzysten, besonders Talgzysten (Atherome = Grützbeutel)
 Fibrome und Lipome der Haut
 Hämangiom (Blutschwamm), gutartige Neubildung von Blutgefäßen, die sich
meist in den ersten Lebenswochen entwickeln und in der Regel keine weiteren
Maßnahmen nach sich zieht.
Präkanzerosen der Haut 

Präkanzerosen sind Gewebsveränderungen, die erfahrungsgemäß eine maligne Entartung
vermuten lassen.
 Keratose: Eine geschwulstartige übermäßige Hornhautvermehrung mit leicht
schuppigen, gelblich-braunen fest haftenden Erhebungen.
 Am häufigsten bei älteren Menschen an lichtexponierten
Hautstellen (v.a. Gesicht und Handrücken) auftretend (aktinische
Keratose = Lichtkeratose)
 aber auch durch langjährigen Umgang mit bestimmten Giften (z.B.
Arsenkeratose, Röntgenkeratose, Teerkeratose).
 Leukoplakie (Weißschwielenkrankheit): Nicht abstreifbare, scharf begrenzte,
rundliche, weißliche Herde an Zungen, Lippen, Wangenschleimhaut und
Geschlechtsorgane.
 Rauchende Männer sind häufiger betroffen!
 Morbus Bowen: Gilt als Carcinoma in situ, ein Karzinom, das die
Basalmembran noch nicht durchbrochen hat.
 Scharf begrenzte entzündliche Hautveränderung mit braunroter bis
gelblich nässender Schuppenkruste
 Lentigo maligna: Gilt als Vorstufe des malignen Melanoms.
 langsam größer werdender brauner Fleck, der schließlich tastbar
wird, v.a. an lichtexponierten Stellen
Haut Pathologie
© Arpana Tjard Holler (Autor)
425
426
Haut Pathologie
Bösartige Hauttumore 
Basaliom (sog. weißer Hautkrebs)
Def:
Häufigster Tumor der Haut, der von der Basalschicht der Oberhaut ausgehend
zerstörerisch und infiltrativ in die anderen Hautschichten wächst. Das Basaliom
metastasiert meist nicht und wird daher als semimaligner Tumor bezeichnet.
Pat:
Basaliome finden sich meist im Gesicht (90%) und bei älteren Menschen.
Sym: In ihrer Erscheinungsform können Basaliome unterschiedlich sein:
 Knotiges Basaliom mit starker Gefäßzeichnung (Teleangiektasien), Krusten,
Vernarbungen und Abschuppung (hautfarbenes und glasig derbes Knötchen).
 Ulzerierendes Basaliom mit typischen, perlschnurartigen, oft glänzendem
Randsaum.
Spinaliom (Stachelzellkarzinom)
Def:
Bösartiger Tumor, der von der Stachelzellschicht der Oberhaut ausgeht und sich
besonders an Schleimhautübergängen zeigt.
Urs:
Prädisposition:
 hellhäutige Menschen, hohe Sonnenexposition
 chronisch entzündete, veränderte Haut (z.B. Narben, Ekzem)
 krebsauslösende Noxen (z.B. Nikotin, Strahlen)
Pat:
Häufige Lokalisation der Spinaliome an Lippen und Zunge (v.a. Zigarrenraucher), Penis,
Vulva und After.
Sym:  Zu Beginn harter, schmerzloser Knoten, der schnell wächst
 Von der Mitte ausgehende Ulkusbildung, evtl. mit Krusten bedeckt
 Entzündungszeichen
Malignes Melanom (sog. schwarzer Krebs)
Def:
Von den Melanozyten der Oberhaut ausgehender sehr bösartiger Tumor (betrifft seltener
die Aderhaut des Auges und die Gehirnhäute). Entspringt häufig einem Nävuszellnävus
(erworbenes „Muttermal“), kann aber auch aus gesunder Haut entstehen. Bevorzugte
Lokalisation: Stamm (Brust, Rücken) und Extremitäten. Biopsien werden bei Verdacht
auf ein malignes Melanom nicht entnommen.
Völlig pigmentfreie Melanome können auftreten.
Hat in den letzten Jahrzehnten an Häufigkeit zugenommen.
Urs:
Prädisposition:
 lichtempfindliche Haut
 hohe Anzahl von Leberflecken
 hohe Sonneneinstrahlung (Sonnenbrände)
Sym:  knotiges Melanom (noduläres Melanom)
 unscharf begrenzte, blauschwarze bis tiefschwarze, evtl. violette Knoten
 oft mit entzündlichem Hof, kann ulzerieren mit Verkrustungen
 oberflächlich ausbreitendes Melanom
 unregelmäßige, oft unscharf begrenzte, schwarzbraune Flecken, die rasch
wachsen
Haut Pathologie
427
 Verdachtszeichen auf Malignität
 rötlicher entzündeter Hof um einen Nävus (Muttermal)
 Blutungsneigung
 Ulzeration
 Auftreten kleiner Satellitenknötchen durch regionäre Metastasierung
 Regionale Lymphknotenschwellung
 Juckreiz, Schmerzen, „es arbeitet im Tumor“
 schnelles Wachstum eines Pigmentflecks
 Zunahme der Pigmentierung, blauschwarze Verfärbung
 Hautveränderungen, Entstehung einer höckerigen Oberfläche
 schwarzer Fleck unterm Fußnagel
Kaposi-Sarkom
Def:
Vom Bindegewebe der Blutgefäße ausgehender bösartiger, sehr schnell wachsender
Tumor (= Sarkom), der Haut und Schleimhäute und im späteren Verlauf auch inneren
Organen befällt. Häufig bei Aids auftretende Hauterscheinung.
Pat:
 Klassisches Kaposi-Sarkom, tritt selten auf.
 Epidemisches Kaposi-Sarkom im Rahmen einer HIV-Infektion. Generalisierte Form
mit raschem Wachstum und schneller Ausbreitung.
Sym:  bräunliche, flache Knötchen, die ulzerieren können
 bilden sich meist symmetrisch und am Anfang an den unteren Extremitäten
 Befall der Schleimhäute und inneren Organe bei Aids-Patienten möglich
Erkrankungen der Talgdrüsen
Akne (Entzündliche Dermatose des Haarfollikels)
Def:
Durch Talgdrüsenhyperplasie kommt es zu einer vermehrten Talgproduktion mit
Bildung von sog. Mitessern (Komedonen), die sich dann entzünden können. Sekundäre
bakterielle Infektionen sind häufig.
Urs.:
 Endogen bedingt Akne
Akne vulgaris, hormonell bedingt (Beginn in der Pubertät), Talgdrüsensekretion wird durch Androgene stimuliert
 Exogen bedingte Akne
 Akne medikamentosa (Antibiotika, Kortison, Antiepileptika)
 Kontaktakne (Öle, Fette, Kosmetika, Chemikalien)
Sym:  entzündete Papeln und Knoten mit Pustelbildung, meist schmerzhaft
 Schwere Verlaufsform: Akne conglobata mit großen entzündlich-eitrigen Knoten und
der Neigung zur Abszess- und Fistelbildung, heilen narbig ab.
Seborrhoe
Def:
Übermäßige Fettung der Haut durch eine Überfunktion der Talgdrüsen.
Urs:
 Primär, v.a. bei Männern Anfang Pubertät bis Ende 3. Lebensjahrzehnt
 Sekundär, z.B. Parkinson Syndrom, Hyperthyreose, Akromegalie, Medikamente
Pat:
Seborrhoe kann selbständig auftreten oder als Symptom z.B. bei Akne vulgaris
und beim Morbus Parkinson.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
428
Haut Pathologie
Haut Pathologie
Sym:
429

fettige, ölige Haut (Salbengesicht)
 gelblich-rote schuppende Hautstellen am Haaransatz
Rhinophym (sog. Knollennase)
Def:
Fast nur bei Männern auftretende knollige Verdickung der Nase infolge Hyperplasie
der Talgdrüsen und des umliegenden Bindegewebes. Die Nase verfärbt sich dabei
hellrot bis bläulich. Häufig entsteht ein Rhinophym im Rahmen einer Rosazea.
Urs:
Idiopathisch. Tritt selten in Zusammenhang mit der Alkoholkrankheit auf.
Atherom (sog. Grützbeutel)
Syn:
Grützbeutel, Epidermiszyste, epidermale Zyste.
Def:
Eine allmählich wachsende prallelastische Zyste der Epidermis. Bevorzugte Lokalisation
ist die Kopfhaut, Gesicht, Hals und Nacken. Der Inhalt ist eine weißlich-gräuliche,
gekörnte Substanz.
Urs:
Verstopfung des Ausführungsganges von Talgdrüsen, wobei die Talgdrüsen den Talg
nach innen abgeben und so zur enormen Schwellung der Drüse führen können.
Sym: Deutlich tastbarer herber Knoten, in der Regel mit einem zentralen schwarzen Punkt
(verstopfter Talgdrüsenausgang).
Kom: Infektion des Atheroms
The:
Operation
Andere Hauterkrankungen
Psoriasis (Schuppenflechte) 
Def:
Nicht-ansteckende entzündliche Hauterkrankung mit einer überschießenden
Epidermisbildung und der daraus resultierenden extremen Schuppenbildung.
Urs:
 Idiopathisch; unbekannte Entzündungsreaktion der Haut führt zum extremen
Wachstum der Zellen der Oberhaut.
 Häufiges familiäres Auftreten (HLA-B27 häufig positiv)
 2-4% der (weißen) Bevölkerung erkranken an Psoriasis.
 Auslösende Faktoren: Stress, Hautinfektionen, mechanische Irritation, grippale
Infektionen, Toxine, Klimaveränderungen, Medikamente (z.B. Betablocker,
Antibiotika, NSAR), Alkohol
Pat:
Im Normalfall benötigt die Entwicklung der Oberhaut von Basalzellschicht bis zur
Hornhaut ca. 28 Tage. Im Fall der Schuppenflechte beträgt diese Zeit nur noch
4 Tage. Die Erkrankung äußert sich häufig chronisch und schubweise.
Sym:  Scharf abgegrenzte rötlich erhabene Hauterscheinungen (runde Plaques von ca. 2-3
cm Durchmesser) mit silbrig-weißen oder silbrig-glänzenden Schuppen
 Psoriasisphänomene (typische Hauterscheinungen nach Abkratzen)
 Kerzenfleck-Phänomen: Abgekratzte Hautschuppen erinnern an
abgeschabtes Kerzenwachs.
 Psoriasis-Häutchen: Beim Abkratzten der Schuppen stößt man als letzte
Schicht auf ein dünnes, zartes Häutchen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
430
Haut Pathologie






Auspitz-Phänomen: Bei Beschädigung dieser dünnen Epithelschicht kommt
es zur punktförmigen Blutung.
Nagelveränderungen, wie z.B. Tüpfelnägel (kleine runde ausgestanzte
Nageldefekte), Ölfleckphänomen (gelbliche Verfärbungen), Krümelnägel
(krümeliger Zerfall der Nägel)
Prädilektionsstellen (bevorzugte Stellen) sind die Streckseiten der großen Gelenke.
Es können jedoch alle Körperstellen betroffen sein (z.B. Analregion).
In der Regel ist die allgemeine Gesundheit nicht beeinträchtigt (gilt nicht für die
Psoriasisarthritis).
Kann jucken
In vielen Fällen bessern sich die Symptome während der Sommermonate
Kom:  In 5-10% der Fälle tritt gleichzeitig eine Psoriasisarthritis auf, welche nicht selten
zur völligen Funktionsuntüchtigkeit des Gelenkes führt und v.a. die kleinen Gelenke
befällt.
 Iridozyklitis (Entzündung von Iris und Ziliarkörper), Retinitis
The:
 Entfernung der Schuppen
 Lichttherapie mit ultraviolettem Licht (UVA)
 Medikamentöse Behandlung mit Immunsuppressiva
Keloid (Wulstnarbe)
Def:
Eine gutartige, derbe Bindegewebswucherung nach Verletzungen im Bereich der Narbe
und über die Narbe hinaus.
Urs:
Systemische Wundheilungsstörung mit familiärer Häufung.
Sym:  Entweder direkt nach dem Trauma oder erst Wochen oder Monate danach
Entstehung einer derben, wulstartigen Gewebswucherung.
 Entstehung häufig nach Verbrennungen oder anderen großflächigen Hautverletzungen.
Rosacea (Kupferfinne)
Def:
Allmähliche und in Schüben auftretende fleckenhafte Entzündung im Gesicht (Stirn,
Nase, Wangen und Kinn), die in Papeln und Pusteln übergehen können.
Urs:
Idiopathisch. Tritt v.a. im vierten bis fünften Lebensjahrzehnt auf. Es wird eine gestörte
Blutzirkulation der Gesichtshaut vermutet. Es sind mehr Frauen betroffen.
Sym: sehr unterschiedliche Ausprägungserscheinung möglich

rötliche Flecken im Gesicht, teilweise geschwollen

Papeln, Pusteln (ähnlich einer Akne)

Bildung von entzündliche Knoten, die in eine Knollennase (Rhinophym) übergehen
können
Allgemeine Infektionslehre
N.
431
Infektionslehre
Allgemeine Infektionslehre
Infektiologische Begriffe ...................................................................................................................... 432
Epidemiologische Begriffe .................................................................................................................... 438
Mikrobiologie (Krankheitserreger) ....................................................................................................... 439
© Arpana Tjard Holler (Autor)
432
Allgemeine Infektionslehre
Infektiologische Begriffe
Infektion


Definition: Bezeichnet das Eindringen von Mikroorgansimen in den Körper mit
nachfolgender Ansiedlung und Vermehrung. Die Reaktion des Körpers auf einen
Krankheitserreger nennt man Infektionskrankheit.
Unterscheidung:
 Exogene Infektion: Mikroorganismen kommen von außen und dringen in den
Körper ein.
 Endogene Infektion: Mikroorganismen, welche schon im Körper leben (z.B.
Escherichia coli) verursachen in einer anderen Region eine Infektion.
Infektionsquelle (Erregerreservoir)


Definition: Bezeichnet Plätze, an denen sich bestimmte Mikroorganismen wohl fühlen und
optimale Konditionen finden, um sich zu vermehren. Quelle, von der die Infektion ihren
Ausgang nimmt.
Zu den Erregerreservoiren zählen u.a.:
 Mit Fäkalien verunreinigtes Wasser, Abwässer (z.B. Cholerabakterien,
Salmonellen, Shigellen)
 Verunreinigte Nahrungsmittel, z.B. verdorbene Nahrungsmittel, ungenügend
gereinigter Salat, ungenügend gegartes Fleisch, sekundär infizierte
Nahrungsmittel
 Erde
 Kranker Mensch (größter Erregerreservoir), Dauerausscheider
 Tiere, z.B. Hunde (Echinokokken), Katzen, Rinder (Morbus Bang, HUS,
Milzbrand), Schafe und Ziegen (Maltafieber), Vögel (Ornithose)
 Infektionskrankheiten, welche von Tieren auf den Menschen übertragen
werden, bezeichnet man als Zoonose.
 Insekten: Mücken (z.B. Malaria), Zecken (FSME, Lyme-Borreliose), Flöhe
(Pest), Läuse (Läuserückfallfieber, Fleckfieber)
Infektionsmodus (Eintrittspforte)


Definition: Die Eintrittspforte ist der Infektionsweg, welche die Erreger von außen nach
innen in den Körper nehmen. Meist handelt es sich die geschädigte oder gesunde Haut bzw.
Schleimhaut.
Unterscheidung:
 Perkutane Infektion: Eine Erregerausbreitung durch die gesunde Haut.
 Permuköse Infektion: Eine Erregerausbreitung durch die gesunde Schleimhaut.
 Wundinfektion: Eine Erregerausbreitung über die Haut- bzw. Schleimhautverletzungen.
 Inokulationsinfektion: Eine Erregerausbreitung durch penetrierende
Hautverletzungen, wie z.B. bei einem Insektenstich oder einer infizierten
Injektionsnadel
 Respiratorische Infektion (Inhalationsinfektion): Eine Erregerausbreitung durch
die Schleimhäute der Atemwege.
 Urogenitale Infektion: Eine Erregerausbreitung durch Schleimhäute des Harnbzw. Genitalapparates.
 Enterale Infektion: Eine Erregerausbreitung durch die Mukosa des MagenDarm-Apparates.
Allgemeine Infektionslehre
433
Übertragungsweise



Definition: Die Art und Weise, wie die Erreger von außen nach innen übertragen werden.
Generelle Unterscheidung:
 Direkte Infektion (Kontaktinfektion): Eine Erregerausbreitung von einem
Menschen zu einem anderen ohne Zwischenschritte bzw. einem Zwischenwirt.
Beispiele hierfür sind Tröpfcheninfektion oder der direkten Berührung zwischen
zwei
Menschen
(z.B.
Herpes
labialis,
Pfeiffer-Drüsenfieber,
Geschlechtskrankheiten).
 Indirekte Infektion: Die Erreger werden indirekt über die Umwelt
aufgenommen, z.B. über infizierte Nahrungsmittel und Wasser, infizierte
Gegenstände oder Zwischenwirte (Vektoren), wie z.B. blutsaugende Insekten
(v.a. Zecken und Mücken). Dabei ist typisch, dass die Hand den Erreger
aufnimmt und diesen zum Mund bringt.
Weitere Unterscheidungen:
 Tröpfcheninfektion: Sog. fliegende Infektion. Kleine Mikropartikel gelangen
durch Husten und Niesen in die Atemluft und werden inhaliert. Diese
erregerhaltigen Tröpfchen sind größer als 100 µm (entspricht ca. dem
Durchmesser eines menschlichen Haares). Ist der Flüssigkeitstropfen kleiner als
6 µm, spricht man von einer Aerosolbildung, einer aerogenen Übertragung,
wie sie typischerweise bei der Legionellose auftritt.
 Schmierinfektion: Eine indirekte Kontaktinfektion, die auch als fäkal-oral
bezeichnet wird, weil die überwiegende Zahl der Schmierinfektion durch
Erreger entsteht, die mit dem Kot ausgeschieden werden (z.B. Noroviren,
Salmonellen, Yersinien, Shigellen). Möglich wäre jedoch auch eine Infektion
über einen Gegenstand, welcher mit infektiösen Speichel oder Urin oder
Erregern aus eine Wunde behaftet sind.
 Parenterale Übertragung (parenteral = unter Umgehung des Magen-DarmTraktes): Über den Blutweg übertragene Infektionskrankheit, z.B. HIV,
Hepatitis (HBV, HCV, HDV)
 Diaplazentare Übertragung (pränatale Übertragung): Beim Ungeborenen von
der Mutter über die Plazenta übertragene Infektion. In der Regel ist die Infektion
nur dann für das Kind gefährlich, wenn die Mutter diese Infektion zum ersten
Mal durchmacht. Beim ersten Kontakt mit den Erregern bildet der Körper
Immunglobuline der Klasse M (IgM). Diese schützen den Organismus schnell
und effektiv, sind jedoch nicht plazentagängig. In dieser Zeit können die Erreger
das ungeborene Kind schädigen. Folgende Erreger sind relevant:
 Syphilis (Treponema pallidum)
 Toxoplasmose (Toxoplasmen)
 Others (andere): Listerien, Masernvirus, Ringelrötelnvirus, ZikaVirus, Windpocken-Virus (Merkspruch: „liebt mich richtig zackig
wild“)
 Rötelnvirus
 Cytomegalie-Virus, Chlamydien
 Hepatitis-Viren, Herpes-Simplex-Viren, HIV
 Merkspruch: STO5RC2H3 (gesprochen: Storch O5C2H3)
 Perinatale Übertragung: Die Übertragung der Erreger auf das Kind erfolgt
während der Geburt.
 Übertragung durch den Geschlechtsverkehr: Die häufigsten sexuell
übertragbaren Infektionskrankheiten bzw. Erreger sind:
 Gonorrhö (Gonokokken)
 Syphilis (Treponema pallidum)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
434
Allgemeine Infektionslehre
 HI-Virus (AIDS), Hepatitis B-Virus, Herpes-Virus, Papillomviren,
genitale Chlamydien, Trichomonaden.
 Übertragung durch infizierte Wirbeltiere (Zoonosen): Folgende wichtige
Infektionskrankheiten im IFSG gehören zu den Zoonosen:
 Brucellose (Morbus Bang)
 Enteritis-Salmonellosen
 Leptospirose
 Milzbrand, Ornithose, Q-Fieber, Tollwut, Toxoplasmose
Inkubationszeit


Definition: Der Zeitraum zwischen dem Eindringen der Erreger in den Organismus und
dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome.
Eine Anmerkung zum Erlernen der Inkubationszeiten der Infektionskrankheiten: Die
Inkubationszeiten der wichtigen Infektionskrankheiten stur auswendig zu lernen ist nicht
sinnvoll! Trotzdem ist es v.a. in der mündlichen Überprüfung notwendig Inkubationszeiten
v.a. für die in §6 des IFSG genannten Erkrankungen zu nennen. In der Literatur werden
unterschiedliche Zeiten genannt, so dass es möglich ist, die Inkubationszeiten zu
vereinfachen. Mein Vorschlag, die Zeiten in drei Gruppen zu unterteilen:
 Gruppe I: Kurze Inkubationszeiten (wenige Stunden bis wenige Tage) treten
v.a. bei Lokalinfektionskrankheiten auf, z.B. Scharlach, Diphtherie, Milzbrand,
akute infektiöse Gastroenteritis.
 Gruppe II: Inkubationszeiten von 1-3 Wochen treffen fast immer auf allgemein
zyklische Infektionskrankheiten zu, z.B. Masern, Poliomyelitis, Röteln,
Windpocken, FSME
 Gruppe III: Alle Infektionskrankheiten, die nicht in Gruppe I oder II
hineinpassen und die demnach sehr unterschiedlich Inkubationszeiten
aufweisen, z.B. Hepatitis A und E (1-6 Wochen), Hepatitis B, C und D (1-6
Monate), HIV (2-6 Monate), Tuberkulose (4-6 Wochen, Tollwut (3 Wochen bis
3 Monate, abhängig von der Eintrittspforte), Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(Monate bis Jahre), Meningokokken-Meningitis (2-10 Tage)
Inkubationszeit
Bezeichnung
Gruppe I
Wenige
Stunden
bis
wenige Tage
Je mehr Erreger, desto
schneller
die
ersten
Symptome
Lokale Infektionskrankheit
Gruppe II
1 bis 3 Wochen
Inkubationszeit ist genetisch
festgelegt und hängt nicht
von der Erregermeng ab
Gruppe III
Andere Inkubationszeiten, wie z.B. bei
Hepatitis, HIV, Tbc,
Tollwut, HSE
Zyklische
infektion
Zyklische
infektion
Allgemein-
Allgemein-
Infektionsverlauf
Generelle Unterscheidung

Lokalinfektionskrankheit
 Eine auf die Eintrittsstelle beschränkte Infektion. Dort, wo die Erreger in den
Körper eindringen bleiben und vermehren sie sich.
 Die Inkubationszeit ist kurz, wenige Stunden bis wenige Tage. Sie ist abhängig
von der Erregermenge, je mehr Erreger desto kürzer die Inkubationszeit.
 Die Erreger sind v.a. Bakterien.
 Es entsteht keine echte Immunität, aber i.d.R. eine antitoxische Immunität.
Allgemeine Infektionslehre

435
 Die Gefährlichkeit einer Lokalinfektion besteht in ihrer toxischen Fernwirkung.
Dabei entstehen Endotoxine durch den Zellzerfall der Bakterien und Exotoxine
durch die Stoffwechselprodukte der Bakterien.
 Eine weitere Komplikation einer Lokalinfektion ist die Sepsis (sog.
Blutvergiftung). Es handelt sich um ein massives Durchbrechen der
Abwehrschranke von Bakterien. Diese gelangen ins Blut und können eitrige
Metastasen in vielen Organen bewirken. Eine schwere Sepsis kann in einen
septischen Schock mit Multiorganversagen übergehen. Die Letalität einer
schweren Sepsis beträgt 50%. Die häufigsten Erreger, welche eine Sepsis
verursachen,
sind
Streptokokken
(Streptococcus
pyogenes)
und
Meningokokken. Eine Bakteriämie ist ein zeitweiliges Vorhandensein von
Bakterien im Blut, die von einem Herd verschleppt werden, aber keine Sepsis
verursachen. Sie können eine sekundäre Entzündung im Körper verursachen,
z.B. eine bakterielle Endokarditis.
 Beispiele für eine Lokalinfektion sind: Scharlach, Diphtherie, Follikulitis,
Bronchitis, Gastroenteritis.
Allgemein zyklische Infektionskrankheit: Wird auch als zyklische Allgemeininfektion
oder generalisierte Infektion bezeichnet. Im Gegensatz zur Lokalinfektion greift sie auf den
Gesamtorganismus über und folgt einem typischen Krankheitsverlauf. Dadurch werden drei
Zyklen unterschieden:
 Inkubationsstadium: In diesem Stadium vermehren sich die Erreger ohne dabei
Krankheitssymptome zu erzeugen. Dabei ist die Inkubationszeit genetisch
festgelegt (häufig: 1-3 Wochen) und hängt nicht von der Erregermenge ab, die
in den Körper eindringen.
 Generalisationsstadium (Prodromalstadium): In diesem Stadium erfolgt eine
meist plötzliche lymphogene oder hämatogene Streuung mit deutlichen
Krankheitssymptomen, welche i.d.R. unspezifisch sind und kaum einen Hinweis
auf die jeweilige Infektionskrankheit geben: häufig hoher Fieberanstieg, meist
starkes Krankheitsgefühl, Lymphknotenschwellungen, Milzschwellung,
Leukopenie, häufig relative Bradykardie. Diese uncharakteristischen
Allgemeinsymptome werden auch als Prodrome bezeichnet. Sie äußern sich
häufig als grippeähnliche- oder gastrointestinale Beschwerden. Wandern die
Erreger zu ihren eigentlichen Manifestationsorganen, kann das Fieber wieder
sinken.
 Organmanifestationsstadium: Viele Erreger besitzen eine bestimmte
(genetische festgelegte) Affinität zu bestimmten Organen, wie z.B. Leber, Milz,
lymphatische Organe, Gefäße, Haut, Nervensystem. Das Fieber steigt wieder, so
dass von einem biphasischen (zweigipfligen) Fieber (sog. Dromedarfieber)
gesprochen wird. Dabei entspricht der 1. Fiebergipfel dem
Generalisationsstadium
und
der
2.
Fiebergipfel
dem
Organmanifestationsstadium. Die Symptome der Organmanifestation sind
häufig richtungsweisend, z.B. Ikterus bei Hepatitis, typisches Exanthem bei
Masern oder Röteln, Parotitis bei Mumps, Meningismus bei
Meningokokkenmeningitis, erbsenbreiartiger Stuhl bei Typhus, Nervenlähmung
bei Poliomyelitis. Es existieren allerdings auch Infektionskrankheiten, die kein
biphasisches Fieber zeigen und deren Zyklen ineinander übergehen, wie z.B. bei
virus-bedingtes hämorrhagisches Fieber, Leptospirose, Tularämie.
Weitere Unterscheidungen


Sekundärinfektion: Eine Infektion mit einem zweiten Erreger, die sich auf eine noch
bestehende Infektion aufpfropft.
Reinfektion: Eine erneute Infektion mit demselben Erreger nach bereits erfolgter
Ausheilung.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
436
Allgemeine Infektionslehre

Superinfektion: Eine erneute Infektion mit dem gleichen Erreger bei noch bestehenden
Krankheitserscheinungen und noch nicht voll ausgebildeter spezifischer Immunität.
 Im medizinischen Sprachgebrauch wird manchmal der Begriff Superinfektion für den
Begriff Sekundärinfektion benutzt!
Ausmaß (Schwere) einer Infektion



Inapparent Verlauf: Eine Infektion, welche klinisch nicht in Erscheinung tritt, also keine
Symptome hervorbringt, obwohl eine Auseinandersetzung des Immunsystems mit den
Keimen vorliegt.
Subklinischer Verlauf: Bezeichnung für eine Infektion, welche einen leichten Verlauf
(subakut) zeigt und mit relativ wenigen oder milden Symptomen einhergeht.
Apparenter Verlauf: Eine Infektion mit einem deutlichen (manifesten) Verlauf.
Zeitlicher Ablauf einer Infektion




Asymptomatischer Verlauf: Die Infektion zeigt keinerlei Symptome. Gleichzusetzen mit
inapparent.
Akuter Verlauf: Die Infektion zeigt deutliche (allgemeine) Entzündungszeichen. Der Patient
ist krank.
Fulminanter Verlauf: Die Infektion verläuft sehr heftig mit sehr starken Symptomen. Ein
fulminanter Verlauf ist häufig letal.
Chronischer Verlauf: Die Infektion verläuft schleichend und ist von längerer Dauer. Die
Entzündungsursache kann vom Körper nicht adäquat beseitig werden.
 Chronisch-rezidivierender Verlauf: Die klinischen Erscheinungen kommen und
gehen.
 Chronisch-kontinuierlicher Verlauf: Die Infektion verharrt auf einer
Krankheitsstufe.
 Chronisch-progredienter Verlauf: Die Infektion schreitet allmählich fort und die
Symptome werden zunehmend schlimmer.
Beschwerdestärke
fulminanter Verlauf
chronisch-progredienter Verlauf
akuter Verlauf
chronisch-kontinuierlicher Verlauf
chronisch-rezidivierender Verlauf
asymptomat. Verlauf
Pathogenitäts- und Virulenzfaktoren


Definition: Mechanismen, die eine Vermehrung von Erregern in einem Wirt ermöglichen
bzw. verbessern.
Pathogenität: Die grundsätzliche Fähigkeit eines Erregers einen Organismus zu infizieren
oder zu schädigen bzw. eine Krankheit beim Menschen oder beim Tier auszulösen. Z.B.
sind Escherichia coli-Bakterien außerhalb des Darms pathogen. Es gibt Erreger, die nur
beim Menschen pathogen wirken und beim Tier nichts ausrichten können, z.B. Salmonella
Typhi, Vibrio cholerae, Treponema pallidum. Umgekehrt gibt es Erreger, welche nur beim
Tier pathogen wirken und beim Menschen nicht, z.B. klassische Schweinpest, Hundestaupe.
Allgemeine Infektionslehre
437
Bei der Pathogenität handelt es sich um einen qualitativen Begriff; entweder krankmachend
oder nicht-krankmachend.
 Obligat pathogen sind Erreger, die bei einem gesunden Menschen mit einem
kompetenten Immunsystem Krankheiten verursachen können.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
438
Allgemeine Infektionslehre


 Fakultativ pathogen sind Erreger, die nur bei einem geschwächten Immunsystem
Krankheiten erzeugen können. Diese Erreger werden auch als opportunistische
Erreger bezeichnet. Beispiele: Legionellen, Toxoplasmen, Mykobakterien,
Cytomegalie-Virus, Candida albicans
Virulenz: Virulenz ist das Ausmaß der Pathogenität, beschreibt sozusagen die „Giftigkeit“
der Erreger und setzt sich aus verschiedenen Pathogenitätsfaktoren zusammen.
Toxizität: Erreger besitzen die Fähigkeit Giftstoffe zu bilden. Typische Infektionen, welche
mit einer toxischen Fernwirkung einhergehen sind: Botulismus, Cholera, Diphtherie,
Gasbrand, Tetanus.
 Endotoxine entstehen durch den Zellzerfall der Bakterienzellwand
(Lipopolysaccharide). Sie gehören zu den Pyrogenen, das heißt, sie erzeugen
Fieber und entfachen die Entzündung (sog. Herxheimer-Reaktion). Sie können
zum septischen Schock führen mit massiver Freisetzung von Histamin. Sie sind
thermostabil.
 Exotoxine entstehen durch Stoffwechselprodukte der Bakterien. Die
bekanntesten Exotoxine sind Neurotoxine, die von Clostridien (Botulismus,
Tetanus, Gasbrand) produziert werden. Einige davon sind außerordentlich
toxisch. Sie sind thermolabil, das heißt bei Erhitzung leicht zu zerstören. Sie
rufen i.d.R. kein Fieber hervor.
Epidemiologische Begriffe


Definition: Epidemiologie ist eine medizinische Wissenschaft, die sich mit der Verbreitung
und dem Verlauf von Krankheiten und deren Präventionsmöglichkeiten beschäftigt.
 Epidemie: Es handelt sich um eine zeitlich und örtlich begrenzte Infektion,
welche stark gehäuft auftritt.
 Endemie: Eine ständig vorkommende Infektion, welche in einem begrenzten
Gebiet auftritt, z.B. FSME in Bayern und Baden-Württemberg, Malaria.
 Pandemie: Ausbreitung einer Infektionskrankheit über Länder und Kontinente,
z.B. HIV-Erkrankung, Influenza.
Kontagionsindex (KI): Zahl der manifesten Erkrankung in Relation zur Zahl der
Infizierten. Der Kontagionsindex gibt an, der wievielte Teil einer Bevölkerungsgruppe, die
einem Erreger ausgesetzt war, dann auch daran erkrankt ist. Das heißt, KI gibt die
Ansteckungsfähigkeit eines Erregers an. Beispiel: Von 100 Personen, die dem
Keuchhustenvirus ausgesetzt waren, erkranken im Durchschnitt 95 Personen, das bedeutet,
der KI beträgt 0,95.
Kranke
𝐊𝐨𝐧𝐭𝐚𝐠𝐢𝐨𝐬𝐢𝐭ä𝐭𝐬𝐢𝐧𝐝𝐞𝐱 =
Infizierte (immer 100%)
Infektionskrankheit
Diphtherie
Masern
Mumps
Pertussis
Poliomyelitis
Röteln
Typhus abdominalis
Scharlach

Kontagionsindex
0,1
0,95
0,8
0,95
0,001
0,2
0,5
0,2
Letalität: Das Verhältnis der an einer Krankheit verstorbenen Personen zur Anzahl der
Infizierten. Beispiel: Von 100 an Ebola erkrankten Personen, sterben im Durchschnitt ca.
80 Personen, das bedeutet, die Letalität beträgt 80%.
Allgemeine Infektionslehre




439
Morbidität: Die Morbiditätszahl gibt an, wie viele Menschen von 100.000 Personen in
einem Jahr an der betreffenden Krankheit leiden. Das heißt, diese Zahl sagt etwas über die
Krankheitshäufigkeit einer bestimmten Krankheit innerhalb einer bestimmten Bevölkerung
aus. Somit kann die Erkrankungswahrscheinlichkeit abgeschätzt werden.
Mortalität: Die Mortalitätszahl gibt an, wie viele Menschen von 100.000 Personen in
einem Jahr an einer bestimmten Erkrankung verstorben sind.
Inzidenz: Die Inzidenzzahl gibt an, wie viele Menschen von 100.000 Personen im Laufe
eines Jahres an der betreffenden Krankheit neu erkranken.
Prävention: Die Präventionsmedizin versucht Risikofaktoren von Krankheiten zu
analysieren und sie durch bestimmte Maßnahmen zu reduzieren. Folgende Arten der
Prävention werden unterschieden:
 Primärprävention: Beinhaltet den Erhalt der Gesundheit und die Vorbeugung
von Krankheiten. Sie richtet sich an jeden gesunden Menschen mit dem Ziel
bestimmte Krankheiten nicht entstehen zu lassen. Beispiele: Impfung,
Kontrazeption, Aufklärung von Risikofaktoren und gesundheitsbeeinträchtigende Lebensweisen, regelmäßige Bewegung, Ernährungs-medizin,
Gesundheits-Check, Bewältigung von Stress, Unfallverhütung.
 Sekundärprävention: Alle Maßnahmen, zur Früherkennung bzw. zur
Verhinderung einer Chronifizierung einer Krankheit. Diese sollen dafür sorgen,
dass eine Krankheit schon früh erkannt werden kann und diese sich nicht
verschlimmern kann. Beispiele: Krankheitsfrüherkennung mit Screening- und
Vorsorgeuntersuchungen
(z.B.
Krebsvorsorge),
Eliminierung
von
Risikofaktoren wie z.B. Übergewicht, Hyperlipidämie oder Rauchen.
 Tertiärprävention: Maßnahmen, die eine Verschlimmerung einer bereits
bestehenden manifesten Erkrankung zu verhindern. Ziel ist es, das Fortschreiten
und das Auftreten von Komplikationen einer Krankheit abwenden zu können.
Beispiele: Rehabilitationsmaßnahmen, Rezidivprophylaxe (z.B. Raucherentwöhnung und Lipidsenkung beim abgelaufenen Herzinfarkt).
Mikrobiologie (Krankheitserreger)
Bakterien


Definition: Mikroorganismen, welche keinen Zellkern aufweisen. Werden als Prokaryonten
bezeichnet.
Charakteristische Merkmale:
 Erbinformation befindet sich in Form von DNS im Zellleib (sog. nacktes DNSMolekül). Kein Zellkern. Bakterien besitzen wenig Zellorganellen und keine
Mitochondrien
 Zellwand besteht aus Murein, ein Polysaccharid, welches netzartig in mehreren
Lagen aufgebaut ist. Das Besondere an dem Mureingerüst: Es ist antibiotikaempfindlich.
 Bakterienklassifizierung nach der Gram-Färbung (Anfärbbarkeit) der Bakterien.
Grammpositive Bakterien besitzen ein dickeres Mureingerüst als
Grammnegative.
 Einige Bakterien besitzen Geißeln oder Flagellen. Das sind fadenförmige
Fortsätze, die das Bewegen der Bakterien ermöglichen.
 Einige Bakterien besitzen Fimbrien. Das sind wesentlich kleinere Fortsätze als
die Geißeln. Sie ermöglichen ein Anheften der Bakterien an eine Wirtszelle.
 Anaerobier sind Bakterien, die ohne Sauerstoff leben und sich fortpflanzen.
Durch O2 würden diese Bakterien gehemmt bzw. abgetötet werden. Wichtige
Anaerobier im IFSG sind Clostridien.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
440
Allgemeine Infektionslehre


 Bakterien, welche zum Fortpflanzen O2 benötigen werden als Aerobier
bezeichnet.
 Einige Bakterien sind in der Lage bei feindlichen Umweltbedingungen sog.
Sporen zu bilden (Clostridien, Bacillus anthracis). Diese Sporen sind
außerordentlich widerstandsfähig. Sie können ihren kompletten Stoffwechsel so
reduzieren, dass sie sehr lange unter Widrigkeiten überdauern können.
Bakteriensonderstellung haben Chlamydien (Chlamydia psittaci = Ornithose) und
Rickettsien (Rickettsia prowazeki = Typhus exanthematicus, Coxiella burnetii = Q-Fieber).
Sie können sich nur intrazellulär obligat fortpflanzen, das bedeutet, sie benötigen
Zellorganellen der Wirtszelle. Sie sind sehr klein und wurden früher als „große Viren“
bezeichnet.
Typische Formen von Bakterien:
 Kugelförmige Bakterien werden Kokken genannt. Unterscheidung in:
 Staphylokokken (haufenförmige Kokken), z.B. Staphylococcus
aureus
 Streptokokken (kettenförmige Kokken), z.B. Streptococcus
pyogenes (beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A)
 Diplokokken (paarweise gelagerte Kokken), z.B. Neisseria
gonorrhoeae, Neisseria meningitidis, Neisseria pneumonia
 Stäbchenförmige Bakterien:
 Enterobakterien (z.B. Salmonellen, Shigellen, Escherichia coli),
Brucellen (Morbus Bang), Yersinien (Pest), Vibrionen
(kommaförmige Bakterien = Cholera), Corynebakterien
(Diphtherie), Legionellen (Legionellose), Listerien (Listeriose),
Mykobakterien (Tuberkulose)
 Schraubenförmige Bakterien (sog. Spirochäten), welche korkenzieherartig
gekrümmt sind:
 Leptospiren (Leptospirose), Treponema pallidum (Syphilis),
Borrelien (Rückfallfieber, Lyme-Borreliose)
Viren


Definition: Ein Virus besteht im Wesentlichen aus einer Nukleinsäure (DNS oder RNS),
die von einer Eiweißhülle umgeben ist, manchmal zusätzlich auch noch von einer
schützenden Membran. Viren besitzen keinen eigenen Stoffwechsel, da sie kein Zytoplasma
besitzen. Sie können also im Gegensatz zu Bakterien keine Proteine herstellen, keine
Energie umwandeln und sich auch selbst nicht reproduzieren.
Charakteristische Merkmale:
 Viren messen zwischen 10 und 420 Nanometern.
 Viren sind auf bestimmte Zellen spezialisiert und können sich dort an der
Zellmembran andocken wie ein Schlüssel am Schloss.
 Nach Andocken der Viren an eine bestimmte Zelloberfläche gelangen die Viren
bzw. das Erbgut in das Zytoplasma.
 Nun beginnt die Zelle mit der Virusvermehrung und stellt Virusbestandteile her,
die sich dann von selbst zu einem kompletten Virus zusammensetzen.
 Die Viren gelangen dann über Vesikel oder durch den Zelltod in den
extrazellulären Raum nach außen.
 Infolge eines sehr starken Verbrauchs von Leukozyten zeigt sich typischerweise
eine Leukopenie.
Protozoen
Allgemeine Infektionslehre

441
Definition: Protozoen sind Mikroorganismen, welche einen Zellkern aufweisen. Sie werden
als Eukaryonten bezeichnet und zu den tierischen Einzellern gezählt.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
442
Allgemeine Infektionslehre

Folgende Protozoen werden im IFSG erwähnt:
 Cryptosporidium parvum verursachen eine akute infektiöse Gastroenteritis
(Cryptosporidiose).
 Giardia lamblia verursachen eine akute infektiöse Gastroenteritis (Giardiasis,
Lambliasis).
 Plasmodien verursachen Malaria.
 Toxoplasmen verursachen die Toxoplasmose.
Pilze



Definition: Pilze sind eukaryontische (mit einem Zellkern einhergehende) Lebewesen, die
einzellige und vielzellig auftreten können. In der Biologie bilden sie neben den Tieren und
Pflanzen ein eigenständiges Reich.
Humanpathogene Pilze werden in drei Gruppen unterteilt:
 Dermatophyten (sog. Fadenpilze): Sie siedeln sich in den Hornschichten der
Haut an und führen zu Fußmykosen (Tinea pedis = gewöhnlicher Fußpilz). Sie
treten häufig bei Feuchtigkeitsstau in Hautfalten und bei Diabetikern auf.
 Hefen: Häufigster Erreger ist Candida albicans (Candida-Mykosen). In 70%
der Fälle werden sie bei Gesunden gefunden. Sie werden zu den
opportunistischen
Erregern
gezählt
und
verursachen
nur
bei
immungeschwächten Personen eine Infektion, welche dann mit Antimykotika
behandelt wird. Typische Erkrankungen sind Mundsoor, Ösophagus-Soor,
Darm-Soor, Vaginalsoor und Dermatomykosen.
 Schimmelpilze (Aspergillus flavus = Aspergillose): Bei starker
Abwehrschwäche kann es zum Befall der Lunge, ZNS und Magen-Darm-Trakt
mit Gefahr der Sepsis kommen.
Die humanpathogenen Pilze gehören (von Ausnahmen abgesehen) zu den
opportunistischen Erregern, welche eine lokale oder allgemeine Abwehrschwäche des
Organismus benötigen um sich zu vermehren. Voraussetzung zur Entstehung von Mykosen
beim Menschen:
 Geschwächtes Immunsystem durch Immunsuppressiva, Zytostatika oder
Glukokortikoide.
 Geschwächtes Immunsystem durch Grunderkrankungen wie z.B. Tumorleiden,
chronische Infektionen (z.B. AIDS, Diabetes mellitus, Cushing-Syndrom).
 Andauernde Mangel- oder Fehlernährung.
 Pilzbesiedlung im Darm kann durch langanhaltende oder immer wiederkehrende
Antibiotikabehandlung provoziert werden.
Spezielle Infektionslehre
443
Spezielle Infektionslehre
Vorstellung des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) ................................................................................ 445
Spezielle Infektionskrankheiten ........................................................................................................... 451
© Arpana Tjard Holler (Autor)
444
Spezielle Infektionslehre
Übersicht Impfkalender nach STIKO .................................................................................................. 498
445
Vorstellung des Infektionsschutzgesetzes (IFSG)

Das IFSG ist am 01.01.2001 in Kraft getreten. Im Nachfolgenden sind die für den
Heilpraktiker
wichtigen
Paragraphen
dargestellt
um
die
anschließenden
Infektionskrankheiten besser verstehen zu können. Anmerkungen vom Autor sind
schraffiert dargestellt.
§1
Zweck des Gesetzes
(1)
Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen,
Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.
§2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne des Gesetzes ist
1.
Krankheitserreger
ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges
biologische transmissibles (=durchlässiges) Agens, dass bei Menschen eine Infektion oder
übertragbare Krankheit verursachen kann,
2. Infektion
die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder
Vermehrung im menschlichen Organismus,
3. übertragbare Krankheit,
eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar
auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit,
4. Kranker
eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist,
5. Krankheitsverdächtiger,
eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten
übertragbaren Krankheit vermuten lassen,
6. Ausscheider
eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die
Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein,
7. Ansteckungsverdächtiger
eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne
krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein,
8. nosokomiale Infektion
eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das
Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer
stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion
nicht bereits vorher bestand (v.a. MRSA, CDAD),
9. Schutzimpfung
die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen
(sog. aktive Impfung),
10. andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe
die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten
(Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer
Krankheiten,
© Arpana Tjard Holler (Autor)
446
11. Impfschaden
die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer
Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung
(aktive Impfung); ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern
geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde,
12. Gesundheitsschädling (Vektor),
ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können,
13. Sentinel-Erhebung
eine epidemiologische Methode zur stichprobenartigen Erfassung der Verbreitung
bestimmter übertragbarer Krankheiten und der Immunität gegen bestimmte übertragbare
Krankheiten im ausgewählten Bevölkerungsgruppen,
14. Gesundheitsamt
die nach Landesrecht für die Durchführung dieses Gesetzes bestimmte und mit einem
Amtsarzt besetzte Behörde.
§ 6 
Meldepflichtige Krankheiten
(gilt auch für den HP!)
(1) Namentlich ist zu melden:
1. der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an
a) Botulismus
b) Cholera
c) Diphtherie
d) humaner spongiformer Enzephalopathie (außer familiär-hereditärer [erblicher]
Formen)
e) akuter Virushepatitis
f) enteropathischem hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS)
g) virusbedingtem hämorrhagischen Fieber
h) Masern
i) Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis
j) Milzbrand
k) Mumps
l) Pertussis
m) Poliomyelitis (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung, außer wenn
traumatisch bedingt)
n) Pest
o) Röteln einschließlich Rötelnembryopathie
p) Tollwut
q) Typhus abdominalis/Paratyphus
r) Varizellen
sowie die Erkrankung und der Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose, auch
wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,
2. der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten
Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a) eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt
(Personen, die Lebensmittel herstellen, behandeln oder Inverkehrbringen)
b) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer
Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird
3. der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung
4. die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, –verdächtiges oder
ansteckungs-verdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder
Tierkörpers,
447
5. soweit nicht nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig, das Auftreten
a) einer bedrohlichen Krankheit oder
b) von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer
Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird
wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und
Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 genannt sind.
(bis hier hin muss der HP melden)
(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Nr. 1 hinaus mitzuteilen, wenn
Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose leiden, eine
Behandlung verweigern oder abbrechen. (muss der Arzt melden, nicht der HP)
(3) Dem Gesundheitsamt ist unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer (=im
Krankenhaus erworbener) Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden. (muss der
Arzt melden, z.B. MRSA, Pseudomonas, Clostridien, Escherichia coli, Enterobakterien)
§7
Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern
(gilt nicht für den HP)
(1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte
oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion
hinweisen:
1. Adenoviren
2. Bacillus anthracis
3. Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis
4. Borrelia recurrentis
5. Brucella species
6. Campylobacter species, darmpathogene
7. Chlamydia psittaci
8. Clostridium botulinum oder Toxinnachweis
9. Corynebacterium diphtheriae, Toxin bildend
10. Coxiella burnetii
11. Cryptosporidium species, humanpathogene
12. Ebolavirus
13. a) Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC)
b) Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme
14. Francisella tularensis
15. FSME-Virus
16. Gelbfiebervirus
17. Giardia lamblia
18. Haemophilus influenzae
19. Hantaviren
20. Hepatitis-A-Virus
21. Hepatitis-B-Virus
22. Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise, soweit nicht bekannt ist, dass eine
chronische Infektion vorliegt
23. Hepatitis-D-Virus
24. Hepatitis-E-Virus
25. Influenzaviren
26. Lassavirus
27. Legionella species
28. Leptospira species, humanpathogene
29. Listeria monocytogenes
30. Marburgvirus
31. Masernvirus
© Arpana Tjard Holler (Autor)
448
32. Mumpsvirus
33. Mycobacterium leprae
34. Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis
35. Neisseria meningitidis
36. Norovirus (Norwalk-ähnliches Virus)
37. Poliovirus
38. Rabiesvirus
39. Rickettsia prowazekii
40. Rotavirus
41. Rubellavirus
42. Salmonella Paratyphi
43. Salmonella Typhi
44. Salmonella, sonstige
45. Shigella species
46. Trichinella spiralis
47. Varizella-Zoster-Virus
48. Vibrio cholerae O 1 und O 139
49. Yersinia enterocolitica, darmpathogene
50. Yersinia pestis
51. andere Erreger hämorrhagischer Fieber
(2) Namentlich sind in dieser Vorschrift nicht genannte Krankheitserreger zu melden, soweit
deren örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die
Allgemeinheit hinweist.
(3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis
zu melden:
1. Treponema pallidum
2. HIV
3. Echinococcus species
4. Plasmodium species
5. Toxoplasma gondii (Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen)
 Folgende Erreger (bzw. Krankheiten) sind relevant für eine diaplazentare Infektion:
Merkspruch: STO5RC2H3 (gesprochen: Storch O5C2H3)
Syphilis (Treponema pallidum)
Toxoplasmose (Toxoplasmen)
Others (andere): Listerien, Masernvirus, Ringelrötelnvirus, Zika-Virus, Windpocken-Virus
(Merkspruch: „liebt mich richtig zackig wild“)
Rötelnvirus
Cytomegalie-Virus, Chlamydien
Hepatitis-Viren, Herpes-Simplex-Viren, HIV
Die in §7 genannten Krankheitserreger müssen vom HP nicht gemeldet werden; Personen, die
mit einem in §7 genannten Krankheitserreger infiziert sind, dürfen vom HP gemäß §24 nicht
behandelt werden.
§8
Zur Meldung verpflichtete Personen
(1) Zur Meldung oder Mitteilung sind verpflichtet:
1. .der feststellende Arzt...
2. .die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder öffentlichen
Untersuchungsstellen einschließlich der Krankenhauslaboratorien,
3. .die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik ...
4. .der Tierarzt,
5. .Angehörige eines anderen Heil- oder Pflegeberufs ...
6. .der verantwortliche Luftfahrzeugführer oder Kapitän eines Seeschiffes,
7. .die Leiter von Pflegeeinrichtungen, Justizvollzugsanstalten, Heimen, Lagern oder
ähnlichen Einrichtungen,
449
8. im Falle des § 6 Abs. 1 der Heilpraktiker.
§9
Namentliche Meldung
(3) Die namentliche Meldung muss unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nach
erlangter Kenntnis gegenüber dem für den Aufenthalt des Betroffenen zuständigen
Gesundheitsamt erfolgen.
Beim Heilpraktiker beschränkt sich die Meldepflicht auf die ihm vorliegenden Angaben:
z.B. Name und Vorname des Patienten, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der
Hauptwohnung und falls abweichend auch die Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes,
Verdachtsdiagnose, Infektionsquelle, Name und Anschrift des Meldenden
§ 15
Anpassung der Meldepflicht an die epidemische Lage
(1) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates die Meldepflicht für die in § 6 aufgeführten Krankheiten oder
die in § 7aufgefürhten Krankheitserreger aufzuheben, einzuschränken oder zu erweitern
oder die Meldepflicht auf andere übertragbare Krankheiten oder Krankheitserreger
auszudehnen, soweit die epidemische Lage dies zulässt oder erfordert.
Zurzeit gib es folgende Anpassungsverordnungen:
09.11.07 Clostridium difficile-Infektion mit schweren Verlauf (CDAD = Clostridium
difficile assoziierte Diarrhö): Pflicht der namentlichen Meldung
 26.05.09 MRSA (methicillinresistente Staphylococcus aureus): Labormeldepflicht
 01.05.16 Meldepflicht für Antibiotika-resistente Keime
 01.05.16 Meldepflicht für Arboviren, z.B. das Zika- und das Dengue-Virus
§ 24
Behandlung übertragbarer Krankheiten
Die Behandlung von Personen, die an einer der in § 6 oder § 34 (sog. Lehrerparagraph)
genannten übertragbaren Krankheiten erkrankt oder dessen verdächtigt sind oder die mit einem
Krankheitserreger nach § 7 infiziert sind, ist insoweit im Rahmen der berufsmäßigen Ausübung
der Heilkunde nur Ärzten gestattet. Satz 1 gilt entsprechend bei sexuell übertragbaren
Krankheiten und für Krankheiten oder Krankheitserreger, die durch eine Rechtsverordnung auf
Grund des § 15 Abs. 1 in die Meldepflicht einbezogen sind.
Unter sexuell übertragbare Krankheiten versteht man laut Bundesgesundheitsministerium:
 Syphilis, Gonorrhö, Ulcus molle und Lymphogranuloma inguinale.
Genitale Infektionen werden häufig durch folgende Erreger verursacht:
 Chlamydien, Trichomonas vaginale, Herpes-Viren, Papillomviren.
§ 30
Quarantäne
(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von
Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen
verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheit
geeigneten Einrichtung abgesondert werden.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
450
§ 34
Gesundheitliche Anforderungen, Mitwirkungspflichten,
Aufgaben des Gesundheitsamtes
(1) Personen, die an Cholera, Diphtherie, Enteritis durch enterohämorrhagische E. coli
(EHEC), virusbedingtem hämorrhagischen Fieber, Haemophilus influenzae Typ bMeningitis, Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte), Keuchhusten,
ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, Masern, Meningokokken-Infektion, Mumps,
Paratyphus, Pest, Poliomyelitis, Scabies (Krätze), Scharlach oder sonstige Streptococcus
pyogenes-Infektionen, Shigellose, Typhus abdominalis, Virushepatitis A oder E,
Windpocken erkrankt oder dessen verdächtigt oder die verlaust sind, dürfen in den in § 33
genannten Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder
sonstige Tätigkeiten ausüben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der
Krankheit oder der Verlausung durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Satz 1 gilt
entsprechend für die in der Gemeinschaftseinrichtung Betreuten mit der Maßgabe, dass sie
die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung nicht betreten, Einrichtungen der
Gemeinschaftseinrichtung
nicht
benutzen
und
an
Veranstaltungen
der
Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Satz 2 gilt auch für Kinder, die das 6.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben und an infektiöser Gastroenteritis erkrankt oder
dessen verdächtigt sind.
Der Heilpraktiker muss nur die zusätzlich genannten Erkrankungen wissen:
 Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte), Scabies (Krätze), Scharlach oder
sonstige Streptococcus pyogenes-Infektionen.
(2) Ausscheider von Vibrio cholerae O 1 und O 139, Corynebacterium diphtheriae (Toxine
bildende), Salmonella Typhi, Salmonella Paratyphi, Shigellen, EHEC
(enterohämorrhagische Escherichia coli) dürfen nur mit Zustimmung des
Gesundheitsamtes und unter Beachtung der gegenüber dem Ausscheider und der Gemeinschaftseinrichtung verfügten Schutzmaßnahmen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtungen benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtungen
teilnehmen.
§ 36
Einhaltung der Infektionshygiene
(1) Die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen sowie Krankenhäuser, Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtungen,
Einrichtungen
für
ambulantes
Operieren,
Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach § 1
Abs. 1 bis 5 des Heimgesetzes, vergleichbare Behandlungs-, Betreuungs- oder
Versorgungseinrichtungen sowie Obdachlosenunterkünfte, Gemeinschaftsunterkünfte für
Asylbewerber, Spätaussiedler und Flüchtlinge sowie sonstige Massenunterkünfte und
Justizvollzugsanstalten legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur
Infektionshygiene
fest.
Die
genannten
Einrichtungen
unterliegen
der
infektionshygienischen
Überwachung
durch
das
Gesundheitsamt.
(2) Zahnarztpraxen sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive
Eingriffe vorgenommen werden sowie sonstige Einrichtungen und Gewerbe, bei denen
durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können,
können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.
In Hygieneplänen wird folgendes geregelt:
 Was wird gemacht?
 Wann ist es zu tun?
 Womit sollte es getan werden?
451
 Wie wird es gemacht?
 Wer macht es? (hier ist der persönliche Name einzutragen)
§ 42
Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote
(1) Personen, die
1. an Typhus abdominalis, Paratyphus, Cholera, Shigellenruhr, Salmonellose oder einer
anderen infektiösen Gastroenteritis oder Virushepatitis A oder E erkrankt oder dessen
verdächtigt sind,
2. an infizierten Wunden oder an Hautkrankheiten erkrankt sind, bei der die Möglichkeit
besteht, dass deren Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können,
3. die Krankheitserreger Shigellen, Salmonellen, enterohämorrhagische Escherichia coli
oder Choleravibrionen ausscheiden
dürfen nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie beim Herstellen, Behandeln oder
Inverkehrbringen mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
§ 44
Erlaubnispflicht für Tätigkeiten mit Krankheitserregern
Wer Krankheitserreger in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringen, sie ausführen,
aufbewahren, abgeben oder mit ihnen arbeiten will, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen
Behörde.
Spezielle Infektionskrankheiten
Infektionskrankheiten gemäß IFSG § 6.

Achtung: Die Infektionskrankheiten im § 6 des IFSG sind für Heilpraktiker am
wichtigsten, weil sie für ihn eine Meldepflicht bei Verdacht besitzen.
Botulismus 
Erreger:
Clostridium botulinum (Anaerobier), Botulismus-Toxin.
Übertragung: Durch Genuss von verdorbenen Nahrungsmitteln (hauptsächlich verseuchte
Konserven).
Selten: Säuglingsbotulismus durch Aufnahme von Bienenhonig (pro Jahr ein
Sterbefall)
Inkubat.zeit: wenige Stunden bis wenige Tage (12-36 Stunden).
Entstehung:
Das hochgiftige Botulismus-Toxin (Neurotoxin) blockiert die Reizübertragung
in den Synapsen (Nervenschaltstellen) des Parasympathikus und in den
motorischen Endplatten.
Klinik:
 gastrointestinale Symptome (können auch fehlen): Bauchschmerzen,
Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation (= Verstopfung),
 Bewusstsein erhalten, kein Fieber, normaler Puls,
 Kopfschmerzen, Schwindel,
 plötzliche Nervenlähmungen, die vom Kopf aus in Richtung Extremitäten
fortschreiten (von kranial nach kaudal): Sehstörungen (Doppelbilder),
Sprach- und Schluckstörungen, trockener Mund, Heiserkeit, Versiegen der
Tränenflüssigkeit, Herabhängen des Oberlids (Ptosis), allgemeine
© Arpana Tjard Holler (Autor)
452
Muskelschwäche, Lähmung der Muskulatur im Bereich der oberen
Extremitäten, Atemlähmung nach 4- 6 Tagen.
Komplikation: Aspirationspneumonie.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Cholera 
Erreger:
Vibrio cholerae.
Übertragung: meist durch verseuchtes Trinkwasser und rohen Fisch (fäkal-oral), Ausscheider.
Inkubat.zeit: wenige Stunden bis wenige Tage.
Entstehung:
im Darm bilden sich Toxine der Choleravibrionen, die zu vermehrter
Wassersekretion in das Darmlumen führen und auf das Brechzentrum wirken.
Klinik:
 plötzlich einsetzende, nicht schmerzhafte, reiswasserartige Durchfälle,
 Erbrechen,
 Exsikkose (Austrocknung): Durstgefühl, Hypothermie (Untertemperatur),
Oligurie bzw. Anurie (verminderte Harnausscheidung unter 500 bzw. 100
ml), stehenbleibende Hautfalten, Choleragesicht (eingefallene Wangen und
Augen), sog. Waschfrauenhände, Heiserkeit, Hypotonie, Tachykardie,
 Elektrolytmangel: Wadenkrämpfe, Herzrhythmusstörungen, paralytischer
Ileus (Darmlähmung).
Komplikation: Gefahr des hypovolämischen Schocks, Azidose, akutes Nierenversagen, Koma,
Herzstillstand.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Diphtherie 
Erreger:
Corynebacterium diphtheriae (nur die toxinbildenden Stämmen).
Übertragung: meist Tröpfcheninfektion (aerogen), seltener Schmierinfektion, Kleinkinder
sind häufiger betroffen
Inkubat.zeit: wenige Tage (kurze Inkubationszeit).
Entstehung:
Die Erreger verursachen eine Lokalinfektion mit Bildung von typischen
Pseudomembranen. Die Exotoxine (Ausscheidungsgifte der Erreger) führen
teils zu erheblichen Schädigungen an Herz, Gefäße und Nervensystem.
Klinik:
 Nasendiphtherie: blutig-seröser Schnupfen, krustige Beläge, leichtes Fieber,
Appetitlosigkeit, Müdigkeit, befällt v.a. Säuglinge und Kleinkinder und hat
i.d.R. eine gute Prognose.
 Rachendiphtherie (häufigste Verlaufsform): Rötung und Schwellung der
Rachenmandeln mit Bildung von grau-weißlich-gelben Pseudomembranen,
die auf die Umgebung der Tonsillen übergreifen können und beim
gewaltsamen Ablösen geschwürig bluten. Ferner: mäßiges Fieber, süßlicher
Mundgeruch, Halsschmerzen, druckschmerzhafte Schwellung der
regionären Lymphknoten am Kieferwinkel.
 Kehlkopfdiphtherie (echter Krupp): Heiserkeit, bellender und trockener
Husten, Dyspnoe (Atemnot), inspiratorischer Stridor (lautes Atemgeräusch
während der Einatmung), Erstickungsgefahr.
453
 Progrediente (fortschreitende) Diphtherie: Ausbreitung der Pseudomembranen auf Luftröhre und Bronchien.
 Toxische (maligne) Diphtherie: hohes Fieber, starkes Krankheitsgefühl,
ödematöse Schwellung im Rachen und Halsbereich (sog. Cäsarenhals),
Erbrechen und Durchfall, Blutungsneigung, Kreislaufversagen,
Herzversagen, ungünstige Prognose.
Komplikation: progrediente und toxische Verlaufsform der Diphtherie
Polyneuritis mit Lähmung von Hirnnerven (v.a. Nervus facialis)
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Humane spongiforme Enzephalopathie
Synonym:
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (Abk. CJK).
Erreger:
Prionen (aus Proteinen bestehende infektiöse Partikel).
Übertragung: durch Verzehr von infizierten Rindfleisch oder risikobehafteten Produkten (z.B.
Gelatine), selten von Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 6 Monate bis 30 Jahre.
Entstehung:
es kommt zu einer nicht-entzündlichen, schwammartigen (= spongiformen)
Veränderung der grauen und weißen Substanz des Gehirns mit einem ständig
fortschreitenden Verlauf.
Formen:
 „klassische“ CJK: Häufigkeitsgipfel im 5. Jahrzehnt, sehr schneller Verlauf
 neue Variante CJK (nvCJK): Verlauf ist etwas langsamer, betroffen sind
jüngere Menschen, 1996 das erste Mal in England aufgetreten.
Klinik:
 „klassische“ CJK: Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Schwindelgefühl,
Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, anfallsweise auftretende
Muskelzuckungen
(Myoklonie),
Sprachund
Sehstörungen,
Kleinhirnzeichen, Pyramidenbahnzeichen, extrapyramidale Symptome
(Störungen der Bewegungsabläufe und des Muskeltonus), Krampfanfälle,
zunehmende Demenz, typisches EEG, Tod nach wenigen Wochen bis 12
Monaten,
 neue Variante CJK: frühe psychiatrische Symptome (Angst, Depression,
Wahnvorstellungen,
Zurückgezogenheit,
Teilnahmslosigkeit),
Muskelzuckungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen, schmerzhafte
sensorische Symptome, Demenz, kein typisches EEG.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Akute Virushepatitis 
Erreger:
Hepatitis A-Virus (HAV), Hepatitis B-Virus (HBV), Hepatitis C-Virus (HCV),
Hepatitis D-Virus (HDV), Hepatitis E-Virus (HEV).
Übertragung: 



HAV + HEV: fäkal-oral (v.a. Muscheln)
HBV + HCV: parenteral, sexuell, perinatal (HBV)
HDV: parenteral, benötigt eine Infektion mit HBV
HEV: u.a. durch Verzehr von unzureichend gegartem Fleisch
Inkubat.zeit:  HAV: ca. 1-6 Wochen
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454
Pathologie:









Klinik:
HBV: ca. 1-6 Monate
HCV: ca. 1-6 Monate
HDV: ca. 1-6 Monate
HEV: ca. 2-6 Wochen
HAV
Besonders betroffen sind Reisende in Endemiegebiete und Homosexuelle.
HAV sind im Stuhl 1-2 Wochen vor und etwa 1 Woche nach Beginn der
Erkrankung nachweisbar (in dieser Zeit infektiös). Hepatitis A führt zu
einer lebenslangen Immunität. Sie heilt fast regelmäßig vollständig aus.
Chronische Verläufe sind nicht bekannt. Impfstoff vorhanden (aktiv und
passiv).
HBV
Besonders betroffen sind Personen mit wechselnden Sexualpartnern,
Homosexuelle, Drogensüchtige, Transfusionspatienten und med. Personal.
Impfstoff vorhanden (aktiv und passiv). 10% der Fälle chronifizieren.
HCV
Verläuft in 80-90% der Fälle symptomlos oder symptomarm, wird aber in
mehr als der Hälfte der Fälle chronisch. Besonders betroffen sind
Transfusionsbedürftige und Drogenabhängige.
HDV
Benötigt zur Vermehrung HBV. In Europa zunehmend unter
Drogensüchtigen verbreitet. Simultane Infektion mit HBV und HDV führt
meist zu schweren Krankheitsbildern. Geht in 90% der Fälle in eine
Chronizität über.
HEV
Ähnelt sehr der Hepatitis A mit Ausnahme der schweren Verläufe. Tritt
überdurchschnittlich bei Schwangeren auf. Impfstoff vorhanden
Das klinische Bild erlaubt keine Differenzierung der verschiedenen
Hepatitiden. Über die Hälfte der Infektionen verlaufen asymptomatisch.
 Präikterisches Prodromalstadium (Vorläuferstadium)
 Grippeähnliche Symptome
 leichtes Fieber, katarrhalische Symptome
 Kopfschmerzen, Schwindel, Mattigkeit
 Gastrointestinale Beschwerden
 Appetitlosigkeit, Übelkeit
 Diarrhö, Verstopfung
 evtl. Widerwillen gegen Fett, Alkohol und Nikotin
 Ikterisches Stadium (Organmanifestationsstadium)
 Beginn des Ikterus (fehlt allerdings in der Hälfte der Fälle)
 Meist bessern sich die subjektiven Beschwerden
 Oft Pruritus (Hautjucken), durch Anstieg der Gallensäuren im Blut
 Heller Stuhl (Fehlen des Sterkobilin)
 Bierbrauner Urin
 Leber druckempfindlich, Hepatomegalie
 Labor:
 Transaminasen erhöht: z.B. GOT (nicht leberspezifisch),
GPT, GLDH, Gamma-GT
 Bilirubin im Serum erhöht
 Bilirubin im Urin erhöht (dunkler Urin)
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
455
HUS 
Synonym:
Enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom
Erreger:
enterohämorrhagische Escherichia-coli-Stämme (EHEC).
Übertragung: fäkal-oral, kontaminiertes Wasser und kontaminierte Lebensmittel
(Rindfleisch, Rohmilch, rohes Gemüse), infizierte Tiere, Schmierinfektion
Mensch zu Mensch (z.B. beim Wickeln von Säuglingen bzw. Kleinkindern).
Inkubat.zeit: 1-2 Wochen (10 Tage) nach Beginn des Durchfalls.
Entstehung:
Durch Shiga-Toxine verursacht. Betroffen sind v.a. Säuglinge, Kleinkinder, alte
Menschen und Abwehrgeschwächte. HUS kann auch im Rahmen von anderen
Infektionskrankheiten auftreten.
Klinik:
Charakteristische HUS-Trias:
 hämolytische Anämie,
 Thrombopenie mit hämorrhagischer Diathese,
 akutes Nierenversagen.
Komplikation: Niereninsuffizienz mit notwendiger Hämodialyse (Blutwäsche), Letalität ca. 10% .
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Virusbedingtes hämorrhagisches Fieber 
Erreger:
z.B. Ebola-Viren, Hantaviren, Lassa-Viren, Marburg-Viren, Gelbfiebervirus,
Dengue-Virus.
Übertragung: je nach Erreger verschieden. Meist Tier zu Mensch oder Mensch zu Mensch
(Schmierinfektion).
Inkubat.zeit: verschieden, in der Regel zwischen 2 und 21 Tagen.
Klinik:
 plötzlicher Krankheitsbeginn mit hohem Fieber (Continua), Schüttelfrost,
 schweres Krankheitsbild (Kopfschmerzen, Erbrechen, Benommenheit,
Lymphknotenschwellungen, Leber- und Milzvergrößerung),
 hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung) unterschiedlichen
Ausmaßes.
Komplikation: hypovolämischer Schock infolge der Blutungen, Multiorganversagen.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Die Krankheit fällt unter dem Quarantäne-Paragraphen.
Masern (Morbilli) 
Erreger:
Masernvirus (Morbillivirus)
Übertragung: Tröpfcheninfektion (sog. fliegende Infektion)
Inkubat.zeit: 10-14 Tage (1-3 Wochen)
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456
Entstehung:
Zyklische Infektionskrankheit. Eintrittspforte sind die Schleimhäute der oberen
Atemwege und die Augenbindehaut. Ansteckungsfähigkeit 1-2 Tage vor
Beginn des katarrhalischen Stadiums, dauert an, bis das Exanthem die Füße
erreicht hat. Das Masernvirus löst bei über 95% der ungeschützten infizierten
klinischen Erscheinungen aus
Klinik:
 Prodromalstadium: Dauer 3-5 Tage, Fieber, Rhinitis, Pharyngitis,
Konjunktivitis (Augenbindehautentzündung), Lichtscheu, Koplik-Flecke
(pathognomonisch = kennzeichnend), Enanthem der Mundschleimhaut,
 Typisches Maserngesicht: verheult, verrotzt, verquollen
 Fieberfreies Intervall: Dauer 1-2 Tage
 Exanthemstadium: Dauer ca. 3 Tage, erneuter Fieberanstieg auf 39-40C
(zweigipfliger Fieberverlauf), allgemeine Lymphknoten-schwellung.
Ausschlag beginnt hinter den Ohren und breitet sich über den ganzen Körper
aus.
 Exanthemaussehen: Makulopapulös (mit Flecken und Knötchen
einhergehend), großfleckig, konfluierend (in einander überfließend)
 Rekonvaleszenzstadium mit Ablassen des Exanthems, feiner Schuppung
(nicht Hände und Füße wie bei Scharlach) und langsamer Genesung.
 Abgeschwächte Form der Masern: mitigierte Masern.
 Zum Lernen der Exantheme: M-R-S (im Alphabet: Masern-RötelnScharlach = großfleckig-mittelfleckig-kleinsfleckig)
Komplikation: 




Sinusitis, Otitis media,
Pseudokrupp (Masernkrupp),
Bronchopneumonie,
Enzephalitis,
subakut sklerosierende Panenzephalitis (Masernspätenzephalitis; tritt 7-10
Jahre nach einer Maserninfektion auf).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Meningokokken-Meningitis 
Erreger:
Neisseria meningitidis (Meningokokken).
Die Diagnosesicherung erfolgt meist über eine Liquorpunktion.
Übertragung: Tröpfcheninfektion (besonders gefährdet sind Säuglinge und Kinder).
Inkubat.zeit: 2-10 Tage.
Klinik:
 meningeale Zeichen:
z.B. sehr starker Kopfschmerz,
Nackensteifigkeit bis hin zum Opisthotonus (bogenförmig nach hinten
überstreckter Rumpf), Lichtempfindlichkeit, Kniekuss-Phänomen, DreifußPhänomen,
 hohes Fieber, Krämpfe, Lähmungen,
 bei Kleinkindern zunächst nur Erbrechen und Fieber,
 bei Säuglingen vorgewölbte Fontanelle,
 Hautveränderungen: makulopapulöser (mit Flecken und Knötchen
einhergehender) Ausschlag,
 Blutungsneigung: Petechien (punktförmige Blutungen), Ekchymose
(flächenhafte Hautblutung),
 Kreislaufversagen (Sepsis).
Komplikation: Meningokokkensepsis,
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
Nebennierenrindeninsuffizienz).
(akute
457
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Milzbrand (Anthrax) 
Erreger:
Bacillus anthracis.
Übertragung: durch engen Kontakt mit infizierten Tieren (Pferde, Rinder, Schafe, Schweine)
bzw. deren Produkte (Häute, Felle, Borsten, Wolle, rohes Fleisch, Milch).
Berufskrankheit.
Inkubat.zeit: 1-3 Tage (wenige Tage).
Entstehung:
je nach Eintrittspforte entwickeln sich drei verschiedene Krankheitsbilder: über
die Haut  Hautmilzbrand,
über den Atemtrakt durch Einatmen  Lungenmilzbrand,
über den Magen-Darm-Trakt durch Verzehr von rohem Fleisch oder
ungenügend gekochter Milch  Darmmilzbrand.
Klinik:
 Hautmilzbrand (95%): an der Infektionsstelle Bildung von Knötchen oder
Bläschen, dann Pustel (Eiter), dann Milzbrandkarbunkel (schmerzloser
geschwüriger Zerfall mit Entstehung von schwarzem Schorf in der Mitte
und rotem geschwollenem Rand), regionale Lymphknotenschwellung,
evtl. Fieber.
 Lungenmilzbrand: Entstehung einer atypischen Bronchopneumonie mit
Dyspnoe (Atemnot), schaumig-blutigem Auswurf und hohem Fieber
(schlechte Prognose).
 Darmmilzbrand: hämorrhagische (blutige) Entzündung des Darms mit
blutig-wässrigen Durchfällen, Bauchschmerzen, blutigem Erbrechen und
hohem Fieber (schlechte Prognose).
Komplikation: Milzbrandsepsis (Erreger gelangen vom lokalen Entzündungsprozess aus ins
Blut) mit Schwellung und brandige Verfärbung der Milz, hohem Fieber,
starkem Krankheitsgefühl, Schocksymptome (fast immer tödlich).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Mumps (Parotitis epidemica) 
Erreger:
Mumps-Virus
Synonym:
Ziegenpeter
Krankh.bild: Entzündung der Ohrspeicheldrüse mit hohem Kontagionsindex,
Durchseuchung zwischen dem 4. - 15 Lebensjahr, danach lebenslange
Immunität bei 90% der Bevölkerung. Jungen erkranken häufiger als Mädchen.
Übertragung: Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion
Inkubat.zeit: 1 – 3 Wochen
Klinik:
 Prodromalstadium mit allgemeinem Krankheitsgefühl und Fieber (bei 30%
symptomlos bzw. asymptomatisch)
 Organmanifestation mit schmerzhafter Schwellung der Parotis, in 70-80%
beidseits mit hohem Fieber (40 Grad), mit abstehenden Ohrläppchen und
Ohrenschmerzen
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458




sichtbare gerötete Mündungsstelle des Ausführungsganges der Parotis
häufig Befall von Unterzungen- und Kieferspeicheldrüse
regionale Lymphknotenschwellung
Dauer ca. 1 Woche
Komplikation:  Häufig: Mumpsorchitis (Hodenentzündung)
 Bei Jungen nach der Pubertät liegt häufiger eine Mumpsorchitis vor.
 Pankreatitis
 Entzündung von Hirnhäuten und Gehirn (Mumpsenzephalomeningitis)
 Neuritis des VIII. Hirnnerven (Nervus vestibulocochlearis) mit
Schwerhörigkeit und Gleichgewichtsstörungen
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Pertussis (Keuchhusten) 
Erreger:
Bordetella pertussis
Entstehung:
Erreger führt zu katarrhalischer Entzündung der Atemwege mit Sekretion eines
zähen Schleims und einer toxischen Reizung des Hustenzentrums. Die
Erkrankung zeigt häufig eine lebenslange Immunität.
Übertragung: Tröpfcheninfektion (sehr infektiös)
Inkubat.zeit: 1 – 3 Wochen
Klinik:
besonders betroffen sind Vorschulkinder und Säuglinge
 Stadium catharrale (höchste Ansteckungsgefahr):
 Dauer 1 – 2 Wochen
 Schnupfen, Halsschmerzen, Husten, subfebrile Temperaturen
 Stadium convulsivum:
 Dauer 2 – 6 Wochen
 stakkatoartiger (charakteristischer) Husten mit vorgestreckter
Zunge
 inspiratorischer Stridor, Dyspnoe, zäh-glasiger Auswurf, Erbrechen
 Sklerenhämatom, rot-bläuliche Gesichtsfarbe, geschwollenes
Gesicht
 prallgefüllte Schädel- und Halsvenen
Säuglinge zeigen nicht den typischen Husten, sondern anfallsweise Niesen
und auftretende Dyspnoe bis Apnoe.
 Stadium decrementi:
 Dauer 2 – 6 Wochen
 Anfälle werden kürzer und seltener, Symptome klingen ab
 Bei manchen Kindern kann der Husten als Erinnerungshusten
bestehen bleiben
Komplikation:  Bronchopneumonie (für Säuglinge lebensgefährlich), Bronchiektasen
 Gehirnbeteiligung durch Sauerstoffmangel (Enzephalopathie), Krämpfe und
Lähmungen
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
459
Poliomyelitis 
Synonym:
Kinderlähmung
Erreger:
Poliovirus.
Übertragung: fäkal-oral (Schmierinfektion), verseuchtes Wasser, seltener Tröpfcheninfektion.
Inkubat.zeit: 1-3 Wochen (die meisten Polioinfektionen verlaufen symptomlos).
Entstehung:
Eintrittspforte ist der Verdauungskanal. Bei normaler Abwehrlage verlaufen die
meisten Erkrankungen latent (verborgen) oder subklinisch (leichter Verlauf). In
einigen Fällen entsteht eine Meningitis ohne wesentliche Beteiligung von
Gehirn und Rückenmark, die i.d.R. folgenlos ausheilt. Nur bei einem
verhältnismäßig geringen Prozentsatz kommt es zur Beteiligung des Gehirns
und v.a. des Rückenmarks (motorische Vorderhornzellen) mit den typischen
Lähmungserscheinungen.
Klinik:
Die meisten Infektionen mit Polioviren verlaufen klinisch inapparent.
 ProdromDie meisten alstadium: Dauer 1-3 Tage, leichtes Fieber (38° bis
38,5°), allgemeines Krankheitsgefühl (Kopf- und Gliederschmerzen), evtl.
katarrhalische Erscheinungen (Schnupfen, Pharyngitis), Erbrechen,
Durchfall, Bauchschmerzen. In über 90% d. F. ist die Krankheit damit
überwunden.
 Latenzstadium: Dauer 3-4 Tage, Patienten fühlen sich gesund und sind
fieberfrei.
 Meningitisches (präparalytisches) Stadium: erneuter Fieberanstieg (sog.
Dromedarkurve, biphasischer Fieberverlauf) mit meningitischen Zeichen
(z.B. Nackensteifigkeit, Licht- und Berührungsempfindlichkeit, gesteigerte
Reflexe, positives Brudzinski- bzw. Kernig-Zeichen). Fließender Übergang
in das
 Lähmungsstadium (paralytisches Stadium) mit asymmetrisch verteilten
schlaffen Lähmungen und starken Muskelschmerzen, am häufigsten an den
proximalen Muskelgruppen der unteren Extremitäten.
 Reparationsstadium: Rückbildungen der Lähmungen, Dauer bis über 12
Monate und länger (im Durchschnitt bleiben 50% der anfänglichen
Lähmungen zurück).
Komplikation: Beteiligung von Medulla oblongata (Atemlähmung), der Hirnnerven (Seh- und
Schluckstörungen)
und
des
Großhirns
(Halbseitenlähmung,
Bewusstseinstrübung).
Postpolio-Syndrom (Muskelschmerzen, Muskelschwäche, chronische
Müdigkeit)
Meldepflicht:
Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Pest
Erreger:
Yersinia pestis.
Übertragung: Mensch zu Mensch (Tröpfcheninfektion), infizierte Flöhe (vom Nager auf den
Menschen), infizierte Tiere (v.a. Hausratten), Einatmen von erregerhaltigen
Kot.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
460
Inkubat.zeit: 2-5 Tage (2-10 Tage).
Entstehung:
Lokalinfektionskrankheit der Haut mit schmerzhafter Entzündung,
Anschwellung und Einschmelzung der regionären Lymphknoten
(Bubonenpest) und anschließendem Eindringen der Erreger in die Blutbahn
(Pestsepsis). Die Lungenpest entsteht entweder durch Tröpfcheninfektion oder
über den Blutweg infolge einer Pestsepsis.
Klinik:
 Beulenpest oder Bubonenpest: (häufigste Verlaufsform)
 plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Schüttelfrost,
 schweres Krankheitsgefühl, Erbrechen, Durchfall, Tachykardie,
 schmerzhafte Anschwellung der regionalen Lymphknoten mit
blutig-eitrig und nekrotisierender Entzündung.
 Lungenpest
 schwere Lungenentzündung mit Atemnot, Zyanose, Husten und
blutigem Sputum (unbehandelt immer tödlich).
 Pestsepsis
 als Komplikation der Bubonen- oder Lungenpest oder primär. Führt
i.d.R. rasch zum Tod.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Röteln einschließlich Rötelnembryopathie 
Synonym:
Rubeola, Rubella.
Erreger:
Rubella-Virus (Röteln-Virus).
Übertragung: Tröpfcheninfektion,
diaplazentar bei Rötelninfektion der Mutter.
Inkubat.zeit: 2-3 Wochen.
Klinik:
meist milder Verlauf:
 evtl. leichte katarrhalische Erscheinungen, Fieber um 38 °C,
 mittelfleckiger, nicht konfluierender Ausschlag mit Beginn hinter
den Ohren und im Gesicht, Ausbreitung über den ganzen Körper,
 schmerzhafte Lymphknotenschwellung am Hinterkopf und Hals.
Ansteckungsfähigkeit eine Woche vor und eine Woche nach dem
Auftreten des Ausschlages. Passivimpfung möglich.
Komplikation: Rötelnembryopathie
Herzfehler).
(Gregg-Trias:
Katarakt,
Innenohrschwerhörigkeit,
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Tollwut 
Synonym:
Rabies, Lyssa.
Erreger:
Rabies-Virus (Tollwut-Virus).
Übertragung: durch den Biss eines tollwütigen Tieres oder seltener durch die Berührung eines
tollwütigen Tieres, wobei der Speichel die Infektionsquelle darstellt.
Inkubat.zeit: 3 Wochen bis 3 Monate (wenige Tage bis über ein Jahr). Je näher die
Eintrittspforte zum ZNS, desto kürzer die Inkubationszeit.
461
Entstehung:
von der Eintrittspforte gelangt das Tollwut-Virus entlang von Nervenbahnen
zur grauen Substanz des ZNS.
Klinik:
Prodromalerscheinungen wie Rötung der Bissnarbe, Kopfschmerz,
Depression und Unruhe.
Erregungsstadium mit hochgradiger motorischer Unruhe, tonischen
Krämpfe der Rachen- und Atemmuskulatur (Hydrophobie, Atemnot),
Fieber, starkem Speichelfluss, quälendem Durst und emotionalen
Ausbrüchen (Wut, um sich schlagen, beißen).
 Lähmungsstadium mit zunehmender Bewusstseinstrübung, Tod durch
Atemlähmung oder Herzstillstand, Dauer 4-7 Tage.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Meldepflichtig ist außerdem die Verletzung eines Menschen durch ein
tollwutkrankes, –verdächtiges oder ansteckungsverdächtiges Tier sowie die
Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers.
Aktive und passive Impfung möglich (Simultanimpfung)
Typhus abdominalis 
Erreger:
Salmonella typhi (Erkrankung fällt nicht unter Salmonellose).
Übertragung: Ausscheider (am häufigsten), verseuchte Nahrungsmittel, infiziertes Wasser,
Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 1-3 Wochen (3-30 Tage).
Entstehung:
Zyklische Infektionskrankheit mit typischen Stadien. Die Erreger gelangen über
den Dünndarm in die Lymphe und von dort ins Blut. Nach Vermehrung kehren
die Erreger zurück in den Darm (Organmanifestationsstadium) und führen dort
zu einer nekrotisierenden Entzündung des lymphatischen Gewebes (PeyerPlaques).
Klinik:
 Stadium I (Stadium incrementi, Zunahme), 1. Woche: treppenförmiger
Fieberanstieg auf 40 °, zunehmendes Krankheitsgefühl, Schwellung der
Peyer-Plaques, Verstopfung,
 Stadium II (Stadium fastigii, Höhepunkt), 2. Woche: anhaltend hohes Fieber
(40-41C), relative Bradykardie, Apathie (= Teilnahmslosigkeit) und
Benommenheit (Typhus = Nebel), Typhuszunge mit grau-gelblichen Belag
(Zungenränder sind frei von Belag und gerötet), Splenomegalie
(Milzschwellung), wenige Roseolen auf der Bauchhaut, anfangs
Verstopfung dann erbsenbreiartige Durchfälle, Leukopenie,
 Stadium III (Stadium amphibolicum, schwankend), 3. Woche:
morgendlicher
Fieberabfall
und
abendlicher
Fieberanstieg,
Geschwürbildung im Darm,
 Stadium IV (Stadium decrementi, Abnahme), 4. Woche: Rückgang der
Krankheitserscheinungen, lytische (allmähliche) Entfieberung.
Komplikation: 



akutes Nierenversagen, Kreislaufversagen
Perforation (Durchbruch) des Darms, Peritonitis (Bauchfellentzündung)
Myokarditis, Pneumonie
Milzruptur
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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




Thrombosen,
Meningitis (Hirnhautentzündung)
Cholezystitis (Gallenblasenentzündung)
Dauerausscheidertum (2-5% der Erkrankten)
Letalität ca. 1%
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot
Paratyphus 
Erreger:
Salmonella paratyphi A, B und C (Erkrankung fällt nicht unter Salmonellose).
Übertragung: verseuchte Nahrungsmittel, infiziertes Wasser, Ausscheider, Mensch zu
Mensch.
Inkubat.zeit: 8-12 Tage (1-10 Tage).
Entstehung:
gleicher Verlauf wie bei Typhus abdominalis, nur milder.
Klinik:
klinische Zeichen einer Gastroenteritis,

typhöser Verlauf mit Symptome ähnlich wie Typhus abdominalis, verläuft
jedoch milder (geringeres Krankheitsgefühl, zahlreichere Durchfälle, mehr
Roseolen (am ganzen Körper), häufig Herpes labialis, statt Leukopenie
Leukozytose
Komplikation: Exsikkose (Austrocknung des Körpers), Ausscheidertum.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Windpocken (Varizellen) 
Erreger:
Varizella-Zoster-Virus (Herpes Viren Typ 3); der Mensch ist das einzige
bekannte Reservoir für Varizella-Zoster-Viren.
Krankh.bild: Kinderkrankheit, durch schubweises Auftreten manifestiert sich der
Hautausschlag in allen Entwicklungsstadien (polymorphes Bild, sog.
Sternhimmel)
Übertragung: Tröpfcheninfektion
(„fliegende“
Kontagiosität, häufig kalte Jahreszeit
Infektion,
„Wind“pocken),
hohe
Inkubat.zeit: 1 – 3 Wochen
Klinik:
 Leichte Prodromalerscheinungen (können auch ganz fehlen)
 Exanthem mit schubweisen Verlauf:
 rote Flecken (Roseolen), Papeln
 Bläschen (ab Bläschenstadium starker Juckreiz), evtl. mit Blut
gefüllt
 Pusteln mit rotem Saum und zentraler Eindellung
 Krusten
 Alle Stadien des Exanthems sind gleichzeitig vorhanden (polymorphes Bild
= sog. Sternenhimmel)
 Mundschleimhaut kann auch befallen sein, keine Narbenbildung (außer
durch Sekundärinfektion bei Aufkratzen)
 Kopfhaarbereich kann betroffen sein
 Hände und Füße sind nicht betroffen
463
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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Komplikation: 



Otitis media, Varizellenpneumonie (atypische Pneumonie)
Meningitis, Enzephalitis
Embryopathien
Herpes Zoster (Gürtelrose); v.a. bei älteren Menschen und bei Menschen
mit Abwehrschwäche infolge Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus
(Behandlungsverbot!).
 Krankheitsgefühl, evtl. Lymphknotenschwellungen
 halbgürtelförmiger sehr schmerzender Hautausschlag (Flecken,
Papeln, Bläschen, Pusteln), stark juckend, Thoraxschmerzen
 Bläscheninhalt ist infektiös
 Kann auch Dermatome im Gesicht befallen (Zoster oticus, Zoster
ophthalmicus – kann zu bleibenden Sehstörungen führen)
 Können Monate bis Jahre nach der Infektion persistieren
 Komplikation: Herpes Zoster generalisatus bei z.B. AIDS oder
Leukämie
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Tuberkulose 
Erreger:
Mycobacterium tuberculosis (Mykobakterien).
Übertragung: Tröpfcheninfektion (aerogen) Mensch zu Mensch (offene Tuberkulose),
seltener durch infizierte Nahrungsmittel (z.B. Milch), Geschlechtsverkehr oder
durch Einatmen von getrockneten, erregerhaltigen Ausscheidungen.
Inkubat.zeit: 4-6 Wochen.
Entstehung:
Zyklische Infektionskrankheit mit unterschiedlichen Organstadien, am
häufigsten wird jedoch die Lunge befallen. Erkrankung hängt ab von der Zahl
und Virulenz (Grad der Aggressivität) der Mykobakterien, der Dauer der
Exposition und der Abwehrlage des betroffenen Menschen. Bei Erstinfektion
mit den Erregern (Primärtuberkulose) bildet sich der Primärherd, ein oder
mehrere abgekapselten Herde (Tuberkel, granulomatöses Geschwulst) in der
Lunge, welche sich verflüssigen, verkäsen oder später auch verkalken können.
Bei Überdauern von infektiösen Erregern in den Tuberkeln kann sich bei
Minderung der Abwehrlage eine postprimäre Tuberkulose entwickeln. Eine
Ausbreitung der Erreger über den Blutweg führt zur Miliartuberkulose oder
Organtuberkulose. Risikofaktoren für eine Tuberkuloseerkrankung sind hohes
Lebensalter, geschwächtes Immunsystem, bestehende Erkrankungen (z.B.
Diabetes mellitus, AIDS-Erkrankung, Alkoholkrankheit, Lungenfibrosen)
Unterscheidung der Lungentuberkulosen:
 Produktive Form (geschlossene Lungentuberkulose) mit Abwehrreaktion
(Tuberkel) und uncharakteristischen Zeichen (subfebrile Temperaturen,
Nachtschweiß, Gewichtsverlust)
 Exsudative Form (offene Lungentuberkulose) mit Verflüssigung des in den
Tuberkeln verkästen Gewebes und Symptomen einer Lungenentzündung
(hohes Fieber, Husten mit Auswurf). Der Nachweis von Tbc-Bakterien im
Sputum des Patienten spricht für eine offene Tuberkulose.

 Kavernöse Form mit Bildung von abnormen Höhlen (tuberkulöse Kavernen)
im Lungengewebe. Symptome: Aushusten von verflüssigten Gewebes,
Pneumothorax, Lungenblutungen, respiratorische Insuffizienz, Gefahr auf
Miliartuberkulose
Die Tuberkulose ist weltweit immer noch eine der häufigsten bakteriellen
Infektionskrankheiten.
465
Klinik:
 Primärtuberkulose (Erstinfekt) verläuft häufig symptomlos (positiver
Tuberkulintest) oder führt zu uncharakteristischen Beschwerden:
 subfebrile Temperaturen,
 Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust,
 Schwäche, Müdigkeit, Nachtschweiß,
 Husten, Atemnot, Sputum (Auswurf), Brustschmerzen,
 Erythema nodosum,
 Pleuritis exsudativa (feuchte Brustfellentzündung) mit hohem
Fieber und Stichen bei der Atmung (v.a. bei Jugendlichen und
jüngeren Erwachsenen)
 BSG erhöht.
 Postprimäre Tuberkulose als Organtuberkulose (Lungen-, Darm, Nieren-,
Leber-, Milz-, Lymphknoten-, Knochen- und Gelenktuberkulose, Augen
u.a.) oder Miliartuberkulose.
 Miliartuberkulose als generalisierte Tuberkulose mit hohem Fieber und
Befall verschiedener Organe (generell können alle Organe betroffen sein):
 pulmonaler Verlauf,
 typhoider Verlauf,
 Meningitis tuberculosa.
Meldepflicht: Ja, bei Erkrankung (auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt);
Behandlungsverbot.
Therapie:
6-12 Monate Behandlung mit einer Kombination von unterschiedlich
antibiotisch wirksamen Medikamenten.
Akute infektiöse Gastroenteritis 
Erreger:
 Bakterien
 Salmonellen (Salmonella enteritides, Salmonella typhimurium u.a.)
 Shigellen (Shigellose),
 Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC) und
sonstige darmpathogene Stämme,
 Campylobacter species (darmpathogene),
 Vibrionen
 darmpathogene Yersinia
 Staphylokokkentoxine
 Viren
 Norovirus
 Rotaviren
 Protozoen
 Giardia lamblia
 Cryptosporidium parvum
Übertragung: durch infizierte Nahrungsmittel oder kontaminiertes Wasser, Mensch zu
Mensch (Schmierinfektion).
Inkubat.zeit: wenige Stunden bis wenige Tage.
Klinik:
 plötzlicher Durchfall, erst breiig dann wässrig,
 plötzlicher Beginn mit hohem Fieber
 evtl. Übelkeit, Erbrechen,
 krampfartige Bauchschmerzen,
 Kopf- und Gliederschmerzen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
466
467
Komplikation:  Gefahr der Exsikkose (Austrocknung) mit hypovolämischen Schock (v.a.
bei Säuglingen, Kindern und ältere Menschen),
 Sepsis,
 Thrombosen,
 akutes Nierenversagen.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Anpassung der Meldepflicht an die epidemische Lage
Gemäß §15 des IFSG (Anpassung der Meldepflicht an die epidemische Lage) sind folgende
Infektionskrankheiten bei Verdacht theoretisch vom Heilpraktiker zu melden:
 Eine schwer verlaufende CDAD (Clostridium-difficile-assoziierte
Diarrhoe), Erreger: Clostridium difficile (nosokomiale Infektion); v.a. nach
Antibiotika-Therapie auftretend und mit übelriechenden, wässrigen Stühlen,
Schmerzen im Unterbauch und leichtem Fieber einhergehend. Eine
alkoholische Händedesinfektion alleine reicht nicht aus, empfohlen wird
danach das Waschen der Hände mit Wasser.
Gemäß §15 des IFSG (Anpassung der Meldepflicht an die epidemische Lage) fallen folgende
Infektionskrankheiten für den Heilpraktiker unter das Behandlungsverbot:
 Infektionen mit MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)
 MRSA können durch Desinfektionsmittel abgetötet werden.
 Bei MRSA-Infektionen sind besondere Hygienemaßnahmen notwendig
 Eine Übertragung von Tier auf den Menschen ist möglich.
 Gesund Menschen können MRSA-Träger sein
 Infektionen mit Antibiotika-resistenten Keimen
 Infektionen mit Arboviren, z.B. das Zika-Virus
Infektionskrankheiten gemäß IFSG § 7 (nach Reihenfolge der Erreger).
Achtung:
Die Erreger, welche im § 7 des IFSG genannt werden müssen (nicht alle) bei
Nachweis vom Arzt gemeldet werden. Die Erkrankungen, welche von diesen
Erregern verursacht werden können, dürfen vom HP nicht behandelt werden
(Behandlungsverbot § 24). Der HP selber darf keinen Erregernachweise
durchführen.
Adenoviren
Krankh.bild: Adenovirus-Konjunktivitis,
Keratokonjunktivitis
epidemica.
Durch
Adenoviren verursachte Bindehautentzündung des Auges mit Beteiligung der
Hornhaut (seltener Gastroenteritis, atypische Pneumonie).
Übertragung: durch den Arzt bzw. Behandler z.B. über Tropfpipetten verursacht (iatrogen),
gemeinsame Verwendung von Handtüchern, seltener über Stäube.
Inkubat.zeit: 5-10 Tage.
Klinik:
 starker Tränenfluss,
 Fremdkörpergefühl,
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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



starke Rötung der Bindehaut,
Schwellung der Bindehaut, evtl. wallartig um die Hornhaut erhoben,
Schwellung der vor dem Ohr gelegenen Lymphknoten,
Lidödeme.
Komplikation:  Sehstörungen infolge von Infiltraten (die im Gewebe eingedrungene
krankheitserregende Substanz) der Hornhaut,
 Übergreifen der Entzündung auf die Iris (Regenbogenhaut).
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot (gilt für alle durch Adenoviren verursachte
Erkrankungen).
Bacillus anthracis
Krankh.bild: Milzbrand (Anthrax). Eine von Rind, Schwein, Schaf und Pferd auf den
Menschen übertragende Infektionskrankheit (Zoonose). Siehe unter 2.1.10.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis
Krankh.bild: Keuchhusten, starker Husten verursacht durch das Toxin der Bakterien. Siehe
unter 2.1.12.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Borrelia recurrentis
Krankh.bild: Rückfallfieber, Läuserückfallfieber. Akute fieberhafte Infektionskrankheit
mit charakteristischen mehrtägigen Fieberschüben.
Übertragung: durch Läuse. Erreger werden nur dann übertragen, wenn die Laus zerquetscht
oder verletzt wird („die Rache der Laus“).
Inkubat.zeit: 4-8 Tage.
Klinik:
 plötzlich hohes Fieber, Schüttelfrost, schweres Krankheitsbild mit Kopf-,
Glieder- und Rückenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit,
 Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzschwellung), Ikterus (Gelbsucht),
 Dauer der Fieberperiode ca. 4-7 Tage, dann plötzlicher Fieberabfall mit
mehrtägigen fieberfreien Intervall, erneuter Fieberanstieg (i.d.R. nur 1-2
Rückfälle).
Komplikation:  akutes Nierenversagen,
 hämorrhagische Diathese (Blutungsneigung),
 Kreislaufversagen, Herzinsuffizienz, Myokarditis.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Brucellen
Krankh.bild: Brucellose, Morbus Bang (Brucella abortus), Maltafieber (Brucella
melitensis), Schweinebrucellose (Brucella suis). Von Nutztieren auf den
Menschen
übertragene
Infektionskrankheit
mit
rezidivierendem
(wiederkehrendem) und ondulierendem (wellenförmig verlaufendem) Fieber
(Zoonose).
Übertragung: direkter oder indirekter Kontakt mit infizierten Tieren bzw. deren Produkte
(Milch, Milchprodukte, Fleisch) als Lebensmittelinfektion. Berufskrankheit.
 Rinder  Morbus Bang (Rinderbrucellose),
469
 Schafe und Ziegen  Maltafieber (Ziegenbrucellose),
 Schweine  Schweinebrucellose (selten).
Inkubat.zeit: 1-4 Wochen.
Klinik:
 Prodromalstadium (Anfangsstadium): schleichender Beginn, langsamer
Fieberanstieg, Kopf- und Gliederschmerzen, Krankheitsgefühl.
 Generalisationsstadium: charakteristischer wellenförmiger Fieber-verlauf
über Wochen (undulierendes Fieber), Leber- und Milzschwellung, relative
Bradykardie, Bildung von Granulomen (v.a. in Leber und Milz),
wiederkehrende Fieberschübe über Monate (akuter Verlauf) und Jahre
(chronischer Verlauf), Lymphknotenschwellung.
Komplikation: Hohe Komplikationsrate. Alle Organe, in denen sich Granulome gebildet haben
können betroffen sein (z.B. Herz, Lunge, Gehirn, Nerven, Blut, Milz,
Geschlechtsorgane).
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Campylobacter (darmpathogene)
Krankh.bild: Campylobacter-Enteritis, akute infektiöse bakterielle Gastroenteritis.
Übertragung: infizierte Lebensmittel und infiziertes Wasser, Tierkontakte, Mensch zu
Mensch (z.B. das Wickeln von Säuglingen).
Inkubat.zeit: 3-5 Tage (1-10 Tage).
Klinik:
Bild einer akuten infektiösen Gastroenteritis:
 wässriger Durchfall unterschiedlichen Schweregrads,
 Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber,
 normale Dauer 3-5 Tage.
Komplikation: Sepsis (v.a. bei Säuglingen), Meningitis, Arthritis, Reiter-Trias (Urethritis,
Konjunktivitis und Arthritis), Erythema nodosum (rötlich-braune
Knötchenbildung v.a. am Schienbein).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
c) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
d) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Chlamydia psittaci
Krankh.bild: Ornithose, Psittakose, Papageienkrankheit. Eine von verschiedenen
Vogelarten auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheit mit
vorwiegendem Befall der Atemwege und in der Intensität recht
unterschiedlichen Verläufen. Hinterlässt nach Abheilung für viele Jahre
Immunität.
Übertragung: durch Kontakt mit Papageien (Psittakose), Tauben, Zier- und Nutzvögel und
andere Vogelarten. Einatmung von kontaminiertem Staub (Vogelkot).
Kontaktinfektion von Mensch zu Mensch möglich. Berufskrankheit.
Inkubat.zeit: 7-14 Tage.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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Entstehung:
Erreger dringen über die Schleimhäute des Atemtrakts in die Blutbahn ein und
vermehren sich v.a. in Leber und Milz. Danach gelangen sie über den Blutweg
erneut zur Lunge (seltener Herz, Milz, Leber, Gehirn, Nieren) und führen dort
zum Organmanifestationsstadium.
Klinik:
 grippale Ornithose: leichtes Krankheitsgefühl, leichtes Fieber, Ausheilung
meist innerhalb einer Woche,
 pulmonale Ornithose: Fieberanstieg auf 39°-40°C, anhaltendes Fieber
(Continua) über 2 Wochen, atypische Pneumonie, relative Bradykardie,
Übelkeit und Erbrechen, BSG meist nur mäßig beschleunigt
 tyhpöse Ornithose: zusätzlich Benommenheit, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit,
Schwächeanfälle, Teilnahmslosigkeit, Wahnvorstellungen.
Komplikation: Meningitis, Enzephalitis, Myokarditis, Herzinsuffizienz, Thrombophlebitis
(häufig), Lungenembolie.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Clostridium botulinum
Krankh.bild: Botulismus. Bakterielle Lebensmittelvergiftung durch das Botulismus-Toxin.
Siehe unter 2.2.1.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Corynebacterium diphtheriae (nur die Toxinbildenden)
Krankh.bild: Diphtherie. Akute Lokalinfektionskrankheit der Schleimhäute der oberen
Atemwege (Nase, Rachen, Kehlkopf) mit Toxinfernwirkung. Siehe unter 2.1.3.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Coxiella burnetii (Rickettsien)
Krankh.bild: Q-Fieber, Balkangrippe, Queensland-Fieber. Von infizierten Tieren auf den
Menschen übertragbare Allgemeininfektion (Zoonose) mit Entwicklung einer
atypischen Pneumonie.
Übertragung: meist Einatmung kontaminierter Staubpartikel, die von den Ausscheidungen
infizierter Tiere (Kühe, Schafe, Pferde, Schweine, Ziegen, Hunde u.a.)
stammen. Berufskrankheit.
Inkubat.zeit: 2-4 Wochen (3-30 Tage).
Klinik:
 Prodromalstadium: akuter Beginn mit hohem Fieber, starken
Kopfschmerzen und schwerem Krankheitsgefühl (evtl. Übelkeit, Erbrechen,
Durchfälle, Benommenheit),
 Organstadium: atypische Pneumonie mit trockenem Husten und Schmerzen
hinter dem Brustbein, relativer Bradykardie, Milzschwellung.
Komplikation: meist gutartiger Verlauf ; Hypotonie, Meningitis, Myokarditis, Orchitis
(Hodenentzündung), Thrombophlebitis, Pankreatitis, Hepatitis, Nephritis.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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Cryptosporidium parvum (Protozoen)
Krankh.bild: Cryptosporidiose, eine akute infektiöse Gastroenteritis.
Übertragung: infizierte Lebensmittel und infiziertes Wasser, Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 1-12 Tage.
Klinik:
Bild einer akuten infektiösen Gastroenteritis:
 wässriger Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, evtl.
Fieber,
 Durchfälle halten lange an (1-3 Wochen),
 langanhaltendes Krankheitsgefühl.
Komplikation: Exsikkose (Austrocknung aufgrund von Flüssigkeitsverlust) mit Gefahr des
hypovolämischen Schocks (v.a. bei AIDS-Patienten beobachtet).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des § 42
des IFSG); Behandlungsverbot.
Ebola-Virus
Krankh.bild: Ebola-Virus-Erkrankung (virusbedingtes hämorrhagisches Fieber).
Übertragung: Mensch zu Mensch, infizierte Affen.
Inkubat.zeit: 2-21 Tage.
Klinik:







akut auftretendes hohes Fieber (Continua),
starke Kopfschmerzen,
Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, (blutiger) Durchfall,
Pharyngitis mit weißlichen Belägen und Geschwürbildung,
gerötete Augenbindehaut,
häufig makulopapulöser (mit Flecken und Knötchen) Ausschlag,
hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung).
Komplikation: Pleuraerguss, Aszites (Bauchwasser), hypovolämischer Schock infolge der
Blutungen, Multiorganversagen (Letalität 50-90%).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Enterohämorrhagische Escherichia coli-Stämme (EHEC)
Krankh.bild: EHEC-Infektion als reines gastroenteritisches Bild (ohne HUS),
enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) als Komplikation.
Übertragung: kontaminiertes Wasser und infizierte Lebensmittel (rohes Fleisch, pflanzliche
Lebensmittel, rohe nicht erhitzte Milch), infizierte Tiere, Schmierinfektion
Mensch zu Mensch (z.B. beim Wickeln von Säuglingen bzw. Kleinkindern).
Inkubat.zeit: 2-8 Tage für Gastroenteritis,
bis zu 2 Wochen nach Beginn des Durchfalls für HUS.
473
Entstehung:
HUS noch ungeklärt, betroffen sind v.a. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen
und Abwehrgeschwächte. HUS kann auch im Rahmen von anderen
Infektionskrankheiten auftreten.
Klinik:
 klinisches Bild einer akuten infektiösen Gastroenteritis: Bauchschmerzen,
(blutiger) Durchfall,
 hämolytisches urämisches Syndrom (Trias): hämolytische Anämie,
Thrombopenie (verminderte Thrombozytenzahl im Blut) mit
hämorrhagischer Diathese (erhöhte Blutungsneigung) und akutem
Nierenversagen.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserreger auf die Lebensmittel zu befürchten sind (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Sonstige darmpathogene Escherichia coli
Krankh.bild: akute infektiöse Gastroenteritis.
Übertragung: kontaminiertes Wasser und Lebensmittel, infizierte Tiere, Mensch zu Mensch
(z.B. beim Wickeln von Säuglingen bzw. Kleinkindern).
Inkubat.zeit: 8-72 Stunden.
Klinik:
 Cholera ähnlicher Durchfall, Fieber, Bauchkrämpfe.
Komplikation: hypovolämischer Schock durch starken Flüssigkeitsverlust.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserreger auf die Lebensmittel zu befürchten sind (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Francisella tularensis
Krankh.bild: Tularämie (Hasenpest).
Übertragung: Zoonose; durch Kontakt mit infizierten Tieren (Nagetiere v.a. Kaninchen und
Hasen, aber auch Ratten, Mäuse und Biber),
durch Verzehr infizierter Tierprodukte (ungenügend gekochtes Fleisch),
infiziertes Wasser,
Einatmung von infiziertem Staub,
Stiche infizierter Insekten oder Zeckenbisse,
keine Übertragung Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 2-8 Tage (1-14 Tage).
Klinik:
 plötzlicher Beginn mit Fieber und Schüttelfrost, Kopf- und
Gliederschmerzen,
 Papel, Pustel, Geschwür an der Eintrittspforte (Primäraffekt, meist Haut),
© Arpana Tjard Holler (Autor)
474
 Befall regionaler Lymphknoten mit Schwellung und eitriger bzw.
nekrotisierender Entzündung,
 langer Krankheitsverlauf mit intermittierendem (wechselndem) Fieber,
 evtl. Konjunktivitis (Augenbindehautentzündung).
Komplikation:  chronischer Verlauf,
 pulmonaler Verlauf (Lungenentzündung),
 typhöser Verlauf (Sepsis, Meningitis, Enzephalitis).
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
FSME-Virus
Krankh.bild: FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis).
Übertragung: Zeckenstich (Zecke muss mindestens 12 Stunden gesaugt haben).
Impfempfehlung (nach STIKO) besteht bei Personen, die in FSMERisikogebieten (v.a. Bayern und Baden-Württemberg) Zecken exponiert sind,
z.B. Forst- und Waldarbeiter, Wanderer und Radfahrer in bewaldeten Gebieten.
 Nur 1-5% der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert sind.
Inkubat.zeit: 7-14 Tage.
Klinik:
 Grippale Initialphase mit plötzlichem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen
und katarrhalischen Erscheinungen,
 Fieberfreies Intervall: 4-10 Tage,
Erneuter Fieberanstieg mit neurologischen Zeichen einer Meningitis
(Entzündung der Gehirnhäute), Enzephalitis (Entzündung des Gehirns)
und/oder Myelitis (Entzündung des Rückenmarks).
 Der überwiegende Anteil der Infektionen verläuft ohne Symptome
Komplikation: Letalität ca. 1%.
Meldepflicht: Nur in Bayern und Baden-Württemberg; Behandlungsverbot.
Gelbfieber-Virus
Krankh.bild: Gelbfieber (virales hämorrhagisches Fieber), sog. schwarzes Erbrechen.
Übertragung: durch die Stechmücke Acedes aegypti (ein Vektor) bei Reisen in
Endemiegebieten (Afrika, Mittel- und Südamerika). Infektionsquelle:
Menschen und Affen.
Inkubat.zeit: 3-6 Tage.
Klinik:
 akuter Krankheitsbeginn mit plötzlich Fieberanstieg auf 39-40C, Glieder-,
Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, relativer Bradykardie,
 kurzes fieberfreies Stadium: 1-2 Tage (biphasischer Fieberverlauf),

 erneuter Fieberanstieg (Dromedarkurve) mit Hepatitis (Ikterus), Erbrechen,
Nierenbeteiligung (Albuminurie, Hämaturie) und hämorrhagischer Diathese
unterschiedlichen Ausmaßes (Haut- und Schleimhautblutungen,
Bluterbrechen).
Komplikation: 



akute Niereninsuffizienz
Leberkoma
Kreislaufversagen
Meningoenzephalitis
475
 Letalität um 10%
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung (virusbedingtes hämorrhagisches Fieber);
Behandlungsverbot.
Giardia lamblia (Protozoen)
Krankh.bild: Giardiasis, Lambliasis (akute infektiöse Gastroenteritis).
Übertragung: Aufnahme der Zysten von Giardia lamblia über infizierte Nahrungsmittel oder
verunreinigtes Wasser.
Inkubat.zeit: 3-25 Tage.
Entstehung:
Erreger (Protozoen) saugen sich an den Epithelzellen des Dünndarms und der
Gallenwege fest und können bei entsprechender Vermehrung zu einer akuten
infektiösen Gastroenteritis führen.
Klinik:
 Blähungen, Durchfall, Obstipation (Verstopfung), Bauchkrämpfe.
Komplikation:  Cholezystitis (Entzündung der Gallenblase),
 Cholangitis (Entzündung der Gallenwege),
 Malabsorption (mangelhafte Aufnahme der Nahrungsprodukte) mit
Gewichtsverlust.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des § 42
des IFSG); Behandlungsverbot.
Haemophilus influenzae
Krankh.bild: Haemophilus influenzae-Infektionen.
Inkubat.zeit: nicht bekannt.
Entstehung:
Erreger kommen in der normalen Mundflora vor, gelten als opportunistisch.
Klinik:
keine spezifischen Symptome,
verursacht Sekundärinfektionen bei Virusgrippe,
Typ B kann folgende Krankheitsbilder verursachen:
 eitrige Laryngitis, Epiglottitis (Kleinkinder)
 kloßige Sprache (gedampft und gedrückte Aussprache)
 Dysphagie (Schluckstörungen)
 vermehrter Speichelfluss
 inspiratorischer Stridor, Dyspnoe

Bei Verdacht auf Epiglottitis bei Säuglingen niemals Untersuchung des
Rachenraumes, da die Möglichkeit eines Stimmritzenkrampfes besteht.
 Meningitis (hauptsächlich bei Kleinkindern)
 atypische Pneumonie
 septische Arthritis
 Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung)
 Phlegmone (flächenhafte Entzündung unter der Haut)
 Sepsis
 Endokarditis
© Arpana Tjard Holler (Autor)
476
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Hantaviren
Krankh.bild: Hantavirus-Erkrankung
Syndrom).
(virales
hämorrhagisches
Fieber
mit
renalem
Übertragung: Infektionsquelle: Speichel, Urin und Fäzes (Kot) von Nagetieren, keine
Übertragung Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 2 Tage - 2 Monate.
Klinik:
 akuter heftiger Krankheitsbeginn mit hohem Fieber und Schmerzen am
ganzen Körper, Übelkeit und Erbrechen,
 Hypotonie,
 verstärkte Blutungsneigung,
 akutes Nierenversagen.
Komplikation: Letalität ca. 25 %.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Hepatitisviren
Krankh.bild: akute Virushepatitis. Siehe unter 2.1.5 und unter Kapitel Verdauung im HPSkript Band 1.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Influenzaviren
Krankh.bild: Influenza A, B und C (epidemische Grippe).
Übertragung: Tröpfcheninfektion.
Inkubat.zeit: Nicht bekannt.
Entstehung:
Epidemien alle 1-3 Jahre, Pandemien alle paar Jahrzehnte.
Eintrittspforte: Schleimhäute der Atemwege.
Entzündungsreaktion, bakterielle Superinfektion, Virämie mit Gefahr der
toxischen Schädigung aller Organe.
Klinik:








plötzlicher Krankheitsbeginn mit hohem Fieber und Schüttelfrost,
Kopf- und Gliederschmerzen, Muskelschmerzen,
Halsschmerzen, Heiserkeit, trockener Husten, retrosternale Schmerzen,
evtl. Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfälle,
evtl. relative Bradykardie,
evtl. Hepatosplenomegalie,
evtl. Exanthem (Hautausschlag).
Typisch ist ein oft mehrwöchiger Krankheitsverlauf mit anhaltender
Schwäche und Müdigkeit.
 Aspirin ist kontraindiziert bei Kindern!
Komplikation: 





toxische Schädigung verschiedener Organe (z.B. Myokarditis, Meningitis),
atypische Pneumonie (häufigste Todesursache),
hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung),
Kreislaufinsuffizienz,
Otitis, Sinusitis,
besonders gefährdet sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen.
477
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Lassa-Virus
Krankh.bild: Lassa-Fieber (virales hämorrhagisches Fieber).
Übertragung: infizierte Nagetiere (Inhalation von eingetrocknetem Kot),
Mensch zu Mensch (Kontaktinfektion).
Inkubat.zeit: 6-21 Tage.
Klinik:
 allmählicher Krankheitsbeginn, hohes Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen,
Halsschmerzen, Brustschmerzen, Übelkeit und Erbrechen,
 hämorrhagische Diathese (erhöhte Blutungsneigung) unterschiedlichen
Ausmaßes.
Komplikation: Multiorganversagen, hypovolämischer Schock infolge der Blutungen,
Letalität 50-90%.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Legionellen
Krankh.bild: Legionellose (Legionärskrankheit), Pontiac-Fieber.
Übertragung:  durch Aerosolbildung (kleinste Schwebeteilchen, kleiner als 6 µm) aus
Wasseranlagen (Duschen in Hotels oder Krankenhausanlagen,
Klimaanlagen, Whirlpools u.a.),
 tritt innerhalb größerer Menschenmengen auf (Ansteckung von Mensch zu
Mensch nicht möglich).
Inkubat.zeit: 2-10 Tage.
Klinik:
 allgemeines Krankheitsgefühl mit Kopf- und Muskelschmerzen,
 danach folgt hohes Fieber (relative Bradykardie) mit Schüttelfrost und
Husten (Pneumonie),
 evtl. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen,
 Pontiac-Fieber: grippeähnliche Symptome ohne Pneumonie.
Komplikation: bei epidemischem Ausbruch Letalität bis zu 30%.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Leptospiren
Krankh.bild: Leptospirose.
Morbus Weil:
Leptospira icterohaemorrhagiae,
Feldfieber:
Leptospira grippotyphosa,
Kanikolafieber:
Leptospira canicola,
Schweinehüterkrankheit: Leptospira pomana.
Übertragung: Zoonose,
direkter Kontakt mit Tieren (Ratten, Mäuse, Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine,
Pferde, Hunde, Katzen u.a.) oder
indirekter Kontakt z.B. über urinverseuchtes Wasser (stehende Gewässer),
keine Übertragung von Mensch zu Mensch.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
478
Inkubat.zeit: 7-14 Tage.
479
Entstehung:
zyklische Infektionskrankheit mit zweiphasigem Fieberverlauf. Im
Organstadium werden v.a. Leber, Niere und ZNS befallen. Verlauf bei allen
Formen ähnlich, nur der Schweregrad variiert. Schwerste Form Morbus Weil,
Letalität 15-30%.
Klinik:
 Prodromalstadium
mit
Fieber,
Schüttelfrost,
Gliederund
Muskelschmerzen, evtl. Erbrechen, Durchfall, Hypotonie und relativer
Bradykardie, Konjunktivitis, Hautausschlag,
 kurzes fieberfreies Stadium: 1-2 Tage (biphasischer Fieberverlauf),
 Organstadium: ja nach Befall Hepatitis (Ikterus), Nephritis, Meningitis,
Enzephalitis, hämorrhagische Diathese (Hauteinblutungen).
Komplikation:  Leberkoma,
 Urämie (Nierenversagen),
 Kreislaufversagen.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Listeria monocytogenes
Krankh.bild: Listeriose.
Übertragung: v.a. durch Rohmilch, Butter und Käse
diaplazentar (von der infizierten Mutter auf das ungeborene Kind).
Inkubat.zeit: wenige Tage bis mehrere Wochen.
Entstehung:
Eintrittspforte: Verdauungstrakt, Atemwege, Haut, Augenbindehaut.
Listerien sind weltweit verbreitet und kommen insbesondere in der Erde vor.
Die Erreger können sich über das Blut (Listeriensepsis) in verschiedenen
Organen ansiedeln und Granulome bilden.
Betroffen sind v.a. abwehrgeschwächte und ältere Menschen.
Die angeborene Listeriose entsteht durch Übertragung auf den Feten über die
Plazenta, meist ab dem 5. Schwangerschaftsmonat.
Klinik:
 beim Erwachsenen:
 Grippe ähnliche Beschwerden (Angina, Lymphknoten-schwellung),
 Konjunktivitis,
 Meningoenzephalitis, Endokarditis und Befall anderer Organe.
 bei der angeborenen Listeriose:
 Früh- und Totgeburt, Hydrozephalus (Wasserkopf),
 Meningoenzephalitis,
 Milz- und Leberschwellung, Pneumonie, Hautausschlag,
 geistige Entwicklungsstörung.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Marburg-Virus
Krankh.bild: Marburg-Virus-Erkrankung (virales hämorrhagisches Fieber).
Übertragung: durch infizierte Affen (grüne Meerkatze),
Mensch zu Mensch (Kontaktinfektion).
Inkubat.zeit: 3-9 Tage.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
480
Klinik:






plötzlich auftretendes hohes Fieber, Muskel- und Gliederschmerzen,
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,
Pharyngitis (Entzündung der Schleimhaut des Rachens),
Konjunktivitis (Lichtscheu),
Hautausschlag,
hämorrhagische Diathese unterschiedlichen Ausmaßes.
Komplikation: Multiorganversagen, Letalität 20-80%.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Masern-Virus
Krankh.bild: Masern (Morbilli). Siehe unter 2.1.8.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Mumpsvirus
Krankh.bild: Mumps, epidemische Infektion der Speicheldrüsen, v.a. der Ohrspeicheldrüse
(Parotitis). Siehe unter 2.1.11.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Mycobacterium leprae
Krankh.bild: Lepra (Aussatz).
Übertragung: durch direkten engen Kontakt, meist nach jahrelanger Exposition.
Inkubat.zeit: 9 Monate bis 20 Jahre.
Vorkommen: Süd- und Südostasien, Afrika, Lateinamerika.
Klinik:
 Indeterminierte (unbestimmte) Lepra: nur einzelne hypopigmentierte
Hauterscheinungen, in deren Bereich eine Unempfindlichkeit besteht. Kann
in die tuberkuloide oder lepromatöse Form übergehen oder auch ohne
Verschlimmerung bestehen bleiben.
 Tuberkuloide Lepra: gutartige Lepraform mit vereinzelten, gut
abzugrenzenden, sensibel gestörten Hauterscheinungen und verdickten
Hautnerven an der Peripherie (meist einseitig).
 Lepromatöse Lepra: bösartige Lepraform mit symmetrischen
Hauterscheinungen und Bildung von Lepraknoten. Im späteren Verlauf
geschwüriges Aufbrechen der Knoten, Befall von inneren Organen,
Lähmungen, Verstümmlungen.
 Borderline Lepra: Lepraform, bei der sich die tuberkuloide in die
lepromatöse Form umwandelt oder umgekehrt.
Komplikation:  Erblindung,
 toxischer Schock (durch Zerfallsprodukte der Mykobakterien),
 Erkrankung der Niere mit schlechter Prognose.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Mycobacterium tuberculosis / africum
Krankh.bild: Tuberkulose. Siehe unter 2.1.20.
481
Meldepflicht: Ja, bei Erkrankung (auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt);
Behandlungsverbot.
Neisseria meningitidis
Krankh.bild: Meningokokken-Meningitis, Meningokokkensepsis. Siehe unter 2.1.9.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Norovirus (Norwalk-ähnliches Virus)
Krankh.bild: Erkrankung durch Noroviren (akute infektiöse Gastroenteritis).
Übertragung: durch infizierte Nahrungsmittel oder kontaminiertes Wasser, Mensch zu
Mensch (Schmierinfektion), in einigen Fällen durch Tröpfcheninfektion
Inkubat.zeit: 10-50 Stunden (1-4 Tage).
Klinik:
 Übelkeit, schwallartiges Erbrechen, Bauchkoliken, Kopf- und
Muskelschmerzen, Fieber, ausgeprägtes Krankheitsgefühl
 reichlich wässriger Durchfall
 Erkrankungsdauer 1-3 Tage
 betroffen sind v.a. Kinder unter 5 und Personen über 70 Jahren
jahreszeitliche Häufungen in den Winter- und Frühjahrsmonaten
 Patienten können noch nach Abklingen der Symptome ansteckungsfähig
sein
Komplikation: Gefahr der Exsikkose (Austrocknung) mit hypovolämischen Schock (v.a. bei
Säuglingen, abwehrgeschwächten und älteren Menschen).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Polio-Virus
Krankh.bild: Poliomyelitis. Siehe unter 2.1.13.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Rabies-Virus
Krankh.bild: Tollwut Siehe unter 2.1.16.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Rickettsia prowazeki
Krankh.bild: Fleckfieber, Typhus exanthematicus.
Übertragung: infizierter Kot von Kleiderläusen durch Einatmung und Einkratzen in die Haut,
keine Übertragung Mensch zu Mensch.
Inkubat.zeit: 1-2 Wochen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
482
Entstehung:
kann sich nur bei mangelhafter Hygiene ausbreiten. Rickettsien siedeln sich in
den Endothelzellen der kleinen Blutgefäße an und führen zur
Entzündungsreaktion mit typischen Fleckfieberknötchen.
Klinik:




schweres Krankheitsbild mit plötzlichen Fieberausbruch, Kontinua,
Kopfschmerzen und Schmerzen am ganzen Körper,
makulopapulöser Ausschlag (mit Flecken und Knötchen), Konjunktivitis,
zerebrale Symptome z.B. schlafähnlicher Zustand, Apathie, Tremor,
Schädigungen der Hirnnerven.
Komplikation: Kreislauf- und Nierenversagen,
Letalität 10-20%.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Rotavirus
Krankh.bild: Rotaviruserkrankung, Rotavirusenteritis, akute infektiöse Gastroenteritis.
Übertragung: Mensch zu Mensch, infizierte Nahrungsmittel oder kontaminiertes Wasser;
betrifft v.a. Säuglinge, aerogene Übertragung ist möglich (z.B. bei Erbrechen)
Inkubat.zeit: 24-72 Stunden (1-4 Tage); Infektiosität bis zu 30 Tage
Klinik:
Bild einer akuten infektiösen Gastroenteritis:
 wässriger Durchfall, Erbrechen, Bauchschmerzen, evtl. Fieber,
 hoher Flüssigkeitsverlust.
Komplikation: Gefahr der Exsikkose (Austrocknung), v.a. bei Säuglingen, Kleinkindern und
älteren Menschen.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Rubellavirus
Krankh.bild: Röteln, Kinderkrankheit mit typischem Exanthem. Siehe unter 2.1.15.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Salmonella paratyphi
Krankh.bild: Paratyphus A, B und C. Siehe unter 2.1.18
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Fällt nicht unter Salmonellose.
Salmonella typhi
Krankh.bild: Typhus abdominalis. Siehe unter 2.1. 17.

Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.

483

Obwohl die Erreger von Typhus und Paratyphus den gleichen Namen wie die
darmpathogenen Salmonellen tragen, werden sie nicht zu den Salmonellosen gezählt, da
sie eine sehr unterschiedliche Pathophysiologie aufzeigen. Die Salmonellen-Enteritis
gehört zu den Lokalinfektionskrankheiten, während Typhus und Paratyphus zu den
zyklischen Allgemeininfektionen zählen.
Sonstige Salmonellen
Krankh.bild: Salmonellen-Enteritis, Salmonellose. Der Erkrankungsgipfel liegt in den
Sommermonaten. Es besteht keine lebenslange Immunität. Siehe akute
infektiöse Gastroenteritis unter 2.1.21.
Übertragung: Kontaminierte Nahrungsmittel, hervorgerufen durch zu lange bzw. warme
Lagerung z.B. rohe Eier, Geflügelfleisch, Rindfleisch, Schweinefleisch,
Speiseeis, Dessertcremes, Mayonnaise. Übertragung durch Menschen, Tiere
oder Wasser ist relativ selten
Komplikation:  Exsikkose
 Salmonellen-Dauerausscheider
 Reaktive Arthritis bzw. Reiter-Syndrom
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Shigellen
Krankh.bild: Shigellose, Shigellenruhr, Bakterienruhr, bakterielle Dysenterie.
Übertragung: kontaminiertes Wasser und infizierte Lebensmittel, Mensch zu Mensch
(Schmierinfektion z.B. beim Wickeln von Säuglingen).
Inkubat.zeit: 12-96 Stunden (1-7 Tage).
Entstehung:
Lokalinfektionskrankheit
Verlaufsform.
Klinik:





des
Dickdarms
mit
möglicher
toxischer
plötzlicher Krankheitsbeginn mit Fieber, Erbrechen, Bauchschmerzen,
blutig-schleimige Durchfälle (bis zu 50 pro Tag),
andauernde Tenesmen (schmerzhafter Stuhlgang),
Flüssigkeitsverlust mit Gefahr auf Exsikkose,
beim toxischen Verlauf: Meningismus, Bewusstseinsstörungen, Krämpfe.
Komplikation:  chronischer Verlauf,
 Perforation (Durchbruch) mit Peritonitis (Bauchfellentzündung),
 Reiter-Trias (Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis).
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
a) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
b) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Trichinella spiralis
Krankh.bild: Trichinose, Trichinellose.
Übertragung: Aufnahme der Trichinella-Larven über nicht ausreichend erhitztes (Schweine-)
Fleisch.
Inkubat.zeit: 5-45 Tage.
Entstehung:
aufgenommene Larven entwickeln sich in der Dünndarmschleimhaut zu
geschlechtsreifen Würmern (Darmtrichinose). Deren Larven wandern über
Lymph- und Blutweg in v.a. sauerstoffreiches Muskelgewebe
(Muskeltrichinose).
Klinik:
 Darmtrichinose
 Symptome einer Enteritis: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und Durchfälle.
 Muskeltrichinose:
 Fieber (Continua),
 Gesichtsödeme und Hautausschläge als allergische Reaktion,
 starke Muskelschmerzen, Muskelschwellung und –verhärtung,
 Eosinophilie (Vermehrung der eosinophilen Granulozyten im
Blut).
Komplikation:  hohe Letalität bei Befall der Atemmuskulatur,
 Myokarditis,
 Kreislaufversagen bei starker allergischer Reaktion.
Meldepflicht: Nein; Behandlungsverbot.
Varizella-Zoster-Virus
Krankh.bild: Windpocken, Kinderkrankheit mit polymorphem Exanthem.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Vibrio cholerae
Krankh.bild: Cholera. Siehe unter 2.1.2.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung.
Darmpathogene Yersinien
Krankh.bild: enterale Yersiniose (akute infektiöse Gastroenteritis).
Übertragung: über kontaminierte Nahrungsmittel, Mensch zu Mensch (Schmier-infektion).
Inkubat.zeit: 2-5 Tage (3-10 Tage).
Klinik:
 gastroenteritische Verlaufsform:
 Bauchkrämpfe, Fieber, Durchfall, Übelkeit,
 schwere Form mit Pseudoappendizitis (hohes Fieber, akute
Schmerzen und Druckempfindlichkeit in rechten Unterbauch)
infolge eines Befalls der Lymphknoten im Bereich des Krummund Blinddarms.
485

© Arpana Tjard Holler (Autor)

486
 septische Verlaufsform mit Bildung von knötchenförmigen Herden in
verschiedenen Organen (v.a. Leber, Milz), die eitrig zerschmelzen können:
 hohes
Fieber,
Schüttelfrost,
Erbrechen,
Kopfund
Gliederschmerzen, Leber- und Milzschwellung, typhöses Bild
(Benommenheit, Apathie).
Komplikation: extraintestinale (außerhalb des Magen-Darm-Traktes) Symptome, die nach
Abklingen der Erkrankung auftreten: z.B. Arthritis, Polyarthritis, Erythema
nodosum.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung, wenn
c) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
d) oder eine Person betroffen ist, die Lebensmittel herstellt, behandelt oder
anders damit in Berührung kommt, so dass eine Übertragung von
Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist (im Sinne des §
42 des IFSG); Behandlungsverbot.
Yersinia pestis
Krankh.bild: Pest.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Andere Erreger des hämorrhagischen Fiebers
Erreger:
Dengue-Virus (Denguefieber, wird übertragen durch Aedes-Stechmücken),
Guanarito-Virus (Venezolanisches hämorrhagisches Fieber),
Junín-Virus (Argentinisches hämorrhagisches Fieber),
Kyasanur-Forest-Virus (Kyasanur-Forest-Krankheit),
Krim-Kongo-Fieber-Virus (Krim-Kongo-Fieber),
Machupo-Virus (Bolivianisches hämorrhagisches Fieber),
OHF-Virus (Omsk hämorrhagisches Fieber),
Rifttal-Fieber-Virus (Riftttal-Fieber, südafrikanisches hämorrh. Fieber),
Sabiá-Virus (Brasilianisches hämorrhagisches Fieber).
Krankh.bild: Für alle Infektionskrankheiten des hämorrhagischen Fiebers ist ein plötzlicher
Krankheitsbeginn mit hohem Fieber und starken Gliederschmerzen typisch.
Siehe virusbedingtes hämorrhagisches Fieber unter 2.1.7.
Meldepflicht: Ja, bei Verdacht und Erkrankung; Behandlungsverbot.
Treponema pallidum
Krankh.bild: Syphilis, Lues. Syphilis ist eine chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die
in über 90% der Fälle durch Geschlechtsverkehr übertragen wird. Der Verlauf
in vier charakteristischen Stadien kann sich über Jahre hinziehen.
Übertragung: Geschlechtsverkehr, sexueller Kontakt,
Infektiöses Material: Toilette oder Waschlappen, offener Hautausschlag bei
Lues II.
Inkubat.zeit: 1-3 Wochen
487
Klinik:
 Syphilis I
An der Eintrittsstelle (meist Genitalbereich, aber auch Anus und
Mundbereich) reagiert das Gewebe mit der Bildung eines sog. harten
Schanker
(Primäraffekt).
In
der
Regel
besehen regionale
Lymphknotenschwellungen (Primärkomplex). Die Erkrankung ist
hochinfektiös und heilt innerhalb weniger Wochen auch ohne Behandlung ab.
Es besteht ein AK-Nachweis.
 Ungefähr Cent groß und evtl. erhaben
 braun-rot und knorpelig hart
 in der Hälfte der Fälle geschwürig (Ulkus durum)
 schmerzlos
 Anschwellung der regionalen Lymphknoten, die derb, schmerzlos
und gut verschieblich sind (können über Monate bestehen bleiben)
 Syphilis II
Erfolgt keine Behandlung, gehen ¼ der Fälle nach einer Latenzphase
von ca. 7 - 10 Wochen in die sekundäre Syphilis über. Die Erkrankung ist
infektiös. Es besteht ein AK-Nachweis.
 Allgemeinsymptomatik:
 Fieber, BSG
 Kopf- und Gelenkschmerzen
 Milz- und Leberschwellung
 allgemeine Lymphknotenschwellung
 Typische Hauterscheinungen vielgestaltiger Art (Syphilid)
 Anfangs meist makulös: oft roseolenartig, gelbbraun, häufig
am Rumpf
 später makulopapulös oder pustulös: nässend, hochinfektiös,
bevorzugt an Hohlhand und Fußsohle, aber auch Genitalund Analbereich (Condylomata lata).
 Hauterscheinungen sind oft symmetrisch, jucken nicht und
sind nur schmerzhaft bei Druck; treten typischerweise in sich
abschwächenden Schüben auf
 auch Schleimhautveränderungen im Genitalbereich und
Mundbereich (z.B. Angina syphilitica, schmerzlos)
 mottenfraßähnlicher Haarausfall möglich (Alopezie)
 „Syphilis ist der Affe unter den Hauterkrankungen“
 Beteiligung anderer Organe (seltener)
 Augenentzündungen
 Rheumatische Beteiligung
 Meningoenzephalitis
 Hepatitis, Myokarditis u.a.
 Syphilis III
Bei der Hälfte der an Lues II Erkrankten bildet sich nach einer mehrjährigen
Latenzphase das Tertiärstadium. Es ist keine Heilung mehr möglich, die
Erkrankten sind nicht mehr infektiös, es besteht kein AK-Nachweis. Es
treten typische nicht schmerzhafte Granulations-geschwulste (Gummen) in
den verschiedensten Organen auf. Sie neigen zu rascher Ausbreitung mit
zentraler Verkäsung und Ausscheidung eines gummiartigen Sekrets.
Ist das Zentralnervensystem befallen, spricht man von der Neurosyphilis
(manchmal auch als Lues IV bezeichnet) mit progressiver Paralyse
(Gehirnzerfall) und Tabes dorsalis (Rückenmarkschwindsucht).
fortschreitende Verblödung mit körperlichem Verfall
© Arpana Tjard Holler (Autor)
488
 epileptische Anfälle
 vegetative Störungen und Reflexausfälle
 motorische und sensorische Ausfallerscheinungen
Immunität:
Keine
Komplikation: Angeborene Syphilis
Meldepflicht: Nein (für den Arzt nicht-namentlich); Behandlungsverbot.
HI-Virus
Krankh.bild: HIV-Krankheit, AIDS.
Übertragung:  Geschlechtsverkehr, besonderes Risiko bei häufigem Partnerwechsel, Zahl
der Partnerwechsel, Analverkehr, „unsafe“ Sex
 Kontakt mit infiziertem Blut, z.B. unsauberes Injektionsbesteck,
kontaminierte Blutkonserven
 Fetale Übertragung (von der Mutter auf das Ungeborene)
Nachgewiesen werden Antikörper in fast allen Körperflüssigkeiten (z.B.
Blut, Samenflüssigkeit und Vaginalsekret, Speichel und Tränenflüssigkeit,
Liquor, Muttermilch)
Inkub.zeit:
In der Regel finden sich nach 2 - 6 Monaten bei allen Infizierten HIVAntikörper. Die Entwicklung eines Immundefekts im Sinne einer AidsErkrankung kann aber sehr unterschiedlich sein: 6 Monate bis 10 Jahre oder
mehr.
 Es ist davon auszugehen, dass nicht jeder HIV-Infizierte auch an der
Immunschwäche erkranken muss.
Pathologie:
HIV befällt im Wesentlichen die Helfer-Zellen (CD4-Lymphozyten) der TLymphozyten sowie Monozyten und Zellen des Zentralnervensystems. Die
Viren können sich lange inaktiv in den befallenen Zellen aufhalten und sind der
eigenen Immunabwehr und einer Therapie nicht zugänglich. Irgendwann
können sie aktiviert werden und im Laufe der Zeit zu einem Immundefekt mit
Verminderung der zellulären Immunität und zu Erkrankungen und
Schädigungen des ZNS führen.
Klinik:
Unterteilung in 3 Kategorien:
Kategorie A
Akute HIV-Infektion (50% d.F.): mononukleoseähnliches Krankheitsbild
mit Fieber, Glieder- und Muskelschmerzen, Tonsillitis, Pharyngitis,
generalisierte Lymphknotenschwellungen, evtl. Hautausschlag
Asymptomatische HIV-Infektion
Lymphadenopathie-Syndrom
(Abk.
LAS):
länger
bestehende
Lymphknotenschwellungen
Kategorie B (AIDS-assoziierte Erkrankungen)
Alle Erkrankungen, die auf einen erworbenen Immundefekt hinweisen, aber
noch nicht als AIDS-definiert gelten.
Konstitutionelle Kennzeichen: Nachtschweiß, Fieber (über 38,5°C),
Durchfall (alle länger als 1 Monat)
Oropharyngeale Candidose
Vulvovaginale Candidose
Herpes-Simplex-Infektionen
Infektionen mit Papillomviren
489
Haarleukoplakie (kleine weiße, nicht abwaschbare Streifen seitlich an der
Zunge)
Herpes zoster (meist mehrere Dermatome)
Lungentuberkulose
STD (sexuell transmitted desease)
Pyodermien (eitrige Hauterkrankungen)
bazilläre Angiomatose (bakteriell bedingte Gefäßerkrankung, die mit
Bildung von knotigen Blutschwämmen einhergehen)
Polyneuropathie
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (Verminderung der
Thrombozyten mit Blutungsneigung)
Kategorie C (AIDS-definierte Erkrankungen)
AIDS = acquired immune deficiency syndrome (Erworbenes Immunschwäche
Syndrom), gilt als Vollbild einer HIV-Infektion.
Opportunistische Erkrankungen (opportunistisch = günstige Gelegenheit;
Erreger verursachen nur bei Abwehrschwäche eine Infektion) wie zum Beispiel:
Candidiasis von Trachea, Bronchien, Lunge
Herpes-Simplex-Infektionen
Kryptokokkose (Infektion mit Hefepilz, z.B. Pneumonie, Enzephalitis)
Pneumocystispneumonie (PCP)
Toxoplasmen-Enzephalitis
Zytomegalie
Tuberkulose
Salmonellensepsis
Gehäuftes Auftreten von bestimmten bösartigen Tumoren, z.B.:
Kaposi-Sarkom, Analkarzinom
epidemisches Lymphom (Burkitt-Lymphom) und Non-Hodgkin-Lymphome
 malignes Melanom, Analkarzinom, Zervixkarzinom
Zusätzlich:
Wasting-Syndrom (HIV-Kachexiesyndrom, Auszehrungssyndrom)
HIV-Enzephalopathie mit Entwicklung eines dementiellen Syndroms
Meldepflicht: Nein (für den Arzt nicht-namentlich); Behandlungsverbot.
Echinokokken
Krankh.bild: Echinokokkose, Echinokokkeninfektion. Hunde bzw. Fuchsbandwurmerkrankung, die auf den Menschen übertragbar ist.
Übertragung: Aufnahme der Eier über direkten (engen) Kontakt mit den infizierten Tieren
oder indirekt über infizierte Nahrungsmittel (z.B. Waldbeeren, Pilze, Gemüse).
Inkubat.zeit: nicht bekannt.
Entstehung:
Die Eier der Echinokokken gelangen über orale Aufnahme vom Darm zunächst
in die Leber und können von dort in andere Organe verschleppt werden (Lunge,
Niere, Gehirn, Milz, Haut). Echinococcus multilocularis führt zur alveolären
Echinokokkose, Echinococcus granulosus zur zystischen Echinokokkose.
Klinik:
 zystische Echinokokkose:
 Befall von Leber (75%) mit Bildung einer oder mehrerer Zysten
und den daraus resultierenden, sich langsam entwickelnden
Symptomen:
Druckgefühl,
Appetitlosigkeit,
Ikterus,
Gallenbeschwerden, Pfortaderhochdruck.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
490
 Befall der Lunge (20%) mit entsprechenden Symptomen: Husten,
Atemnot,
Pneumonie,
Pleuritis,
Atelektase
(luftleerer
Lungenabschnitt).
 Befall von Milz, Knochen, Gehirn, Nieren (5%) mit entsprechender
Symptomatik.
 alveoläre Echinokokkose:
 meist Befall der Leber mit ungünstiger Prognose.
Meldepflicht: Nein (für den Arzt nicht-namentlich); Behandlungsverbot.
Plasmodien (Protozoen)
Krankh.bild: Malaria
Malaria tertiana (Plasmodium vivax, ovale)
Malaria quartana (Plasmodium malariae)
Malaria tropica (Plasmodium falciparum)
Übertragung: Stich der weiblichen Anopheles-Mücke
Inkubat.zeit: 7-30 Tage
Entstehung:
Die Erreger befallen zuerst die Leberzellen, wo sie heranreifen. Nach
Beendigung des Entwicklungsstadiums zerfällt die Leberzelle und die Erreger
gelangen über das Blut (Fieberschub) in die roten Blutkörperchen. Dort erfolgt
eine ungeschlechtliche Vermehrung, die je nach Plasmodienart unterschiedlich
lange dauert.
Klinik:
 Prodromalstadium mit Krankheitsgefühl, Kopf- und Gliederschmerzen
 Fieberanfall bei Malaria tertiana jeden 3. Tag, bei Malaria quartana jeden 4.
Tag, bei Malaria tropica unregelmäßige Fieberschübe
 langsamer Fieberabfall unter Schweißausbruch und äußerster Schwäche
 Recurrierendes bzw. intermittierendes Fieber
 Hepatosplenomegalie (Leber- und Milzschwellung), Anämie, Ikterus
Komplikation: 




zerebrale Malaria
Milzruptur
Niereninsuffizienz
Leberversagen
Kreislaufversagen
Meldepflicht: Nein (für den Arzt nicht-namentlich); Behandlungsverbot.
Toxoplasma gondii (Protozoen)
Krankh.bild: Toxoplasmose.
Übertragung: orale Aufnahme von Fleisch von infizierten Tieren, Rohmilchkäse oder über
Katzenkot, diaplazentar bei Erstinfektion der Mutter während der
Schwangerschaft.
Inkubat.zeit: nicht genau bekannt (Tage bis Wochen).
Entstehung:
Die bei Säugetieren und Vögeln weltweit vorkommenden Protozoen
verursachen beim Menschen i.d.R. symptomlose Infektionen. Jedoch sind bei
Abwehrgeschwächten akute und subakute Verläufe bekannt.
Gefürchtet ist die angeborene Toxoplasmose, die bei Erstinfektion während der
Schwangerschaft zu Schädigungen des Ungeborenen führen kann.
491
Klinik:
 Lymphknotenschwellung,
 Enzephalitis, Meningitis, Myokarditis, Pneumonie,
 Ader- und Netzhautentzündung des Auges u.a.
Komplikation: angeborene Toxoplasmose mit Früh- und Totgeburten, Hydrozephalus
(Wasserkopf), Ader- und Netzhautentzündung des Auges, Leber- und
Milzvergrößerung, Ikterus.
Meldepflicht: Nein (für den Arzt nicht-namentlich nur bei angeborener Toxoplasmose).
Infektionskrankheiten gemäß IFSG § 34
Achtung:
Im § 34 des IFSG werden eine ganze Reihe von Infektionskrankheiten genannt,
die bei Erkrankung von Personen in Gemeinschaftseinrichtungen dazu führen,
dass diese dort nicht mehr arbeiten bzw. sich dort nicht mehr aufhalten dürfen
um weitere Ansteckungen zu unterbinden. Es werden vier
Infektionskrankheiten genannt, die nicht in den §§ 6 und 7 aufgeführt sind, die
aber unter das Behandlungsverbot für Heilpraktiker fallen.
Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte) 
Erreger:
Streptococcus pyogenes, Staphylokokken
Übertragung: Schmierinfektion
Inkubat.zeit: 1 – 5 Tage
Klinik:
Komplikation:
 anfangs Bläschen
 dann Pusteln, die später aufplatzen und honiggelbe bzw. gelbbraune Krusten
entstehen lassen
 sehr schmerzhaft, sehr infektiös
 tritt v.a. im Gesicht (Mundwinkel) und an den Händen auf
 regionale Lymphknotenschwellung
 heilt in der Regel ohne Narbenbildung ab
 in der Regel kein Fieber und Krankheitsgefühl
Glomerulonephritis (bei Streptokokken),
Lyell-Syndrom (bei Staphylokokken), Nagelbettentzündung
Krätze (Scabies) 
Erreger:
Krätzmilben (Spinnentiere); sind ständig auf einen Wirt angewiesen und ca. 0,3
– 0,5 mm groß.
Entstehung:
Milben bohren kleine längliche Gänge in die Hautoberfläche, an deren Ende die
weibliche Milbe ihre Eier ablegt (sichtbare, gelbliche Erhebung =
Milbenhügel). Die Diagnose wird durch den Hautarzt mittels eines
Dermatoskop (lupenähnliches Gerät) gestellt.
Übertragung: Direkter enger Kontakt (z.B. Geschlechtsverkehr) oder indirekter Kontakt (z.B.
Wäsche- oder Kleidungsstücke), kann nur bei Wärme erfolgen
Klinik:
 Juckreiz (v.a. nachts durch die Bettwärme)
 Entzündung, oft Ekzem ähnliche Hauterscheinungen mit Papeln, Pusteln,
Bläschen und Kratzspuren
© Arpana Tjard Holler (Autor)
492
 Lokalisation: besonders zwischen den Fingern (Interdigitalfalte), an den
Beugeseiten der Handgelenke, Ellenbogen, Achselhöhlen, Vorderseite des
Rumpfes, Genitalbereiche (Papeln am Penisschaft, Brustwarzenhof)
 Rücken und Kopf bleiben meist frei.
Komplikation: bakterielle Sekundär- bzw. Superinfektion
Scharlach (Scarlatina) 
Erreger:
Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
Übertragung: Meist Tröpfcheninfektion, seltener durch Kontaktinfektion (z.B. kontaminiertes
Spielzeug)
Inkubat.zeit: 2 – 4 Tage
Entstehung:
Oft epidemisch in Gemeinschaftseinrichtungen
Erkrankungsgipfel 3. - 10. Lebensjahr (Säuglinge erkranken i.d.R. nicht)
Klinik:
 plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Halsschmerzen, Husten,
Bauchschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen
 Angina tonsillaris (rot geschwollen) mit Enanthem
 erst weißliche Zunge dann Himbeerzunge (ab dem 4. Tag)
 rotes Gesicht mit perioraler Blässe (sog. Milchbart)
 Exanthem: Am 2.-3. Tag stecknadelkopfgroß (feinstfleckig) und
dichtstehend, beginnend in den Achseln und Leisten, Ausbreitung über
Rumpf und Extremitäten
 nach 2-4 Wochen kleieförmige Hautschuppung und lamellöse Hautablösung
an Handinnenflächen und Fußsohlen
Komplikation:  Streptokkenallergische Zweiterkrankungen
 rheumatisches Fieber
 rheumatische Karditis
 Glomerulonephritis
 Während der Erkrankung
 Otitis media, Sinusitis
 Bronchitis, Pneumonie
 Sepsis
Fleckengröße bei den Kinderkrankheiten:
Masern (großfleckig)  Röteln (mittelfleckig)  Scharlach (kleinfleckig)
Sonstige Streptokokkus pyogenes-Infektionen 
Erreger:
Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes)
Krankh.bild: Akute katarrhalische Infektionen des oberen Atemtraktes (z.B. Scharlach,
Tonsillitis, Pharyngitis, Otitis media), Infektionen der Haut (z.B. Erysipel,
Impetigo contagiosa, Phlegmone, Hautabszesse)
Komplikation: Zweiterkrankung 1-3 Wochen nach der Infektion:
 Rheumatisches Fieber
 Rheumatische Karditis (rheumatische Endokarditis)
 Glomerulonephritis
493
Wichtige Infektionskrankheiten für den HP, die nicht im IFSG erwähnt werden
Achtung:
Es werden sechs Infektionskrankheiten vorgestellt, welche nicht in IFSG
erwähnt werden, aber trotzdem von den Gesundheitsämtern zum
Prüfungswissen gezählt werden. Für diese Gruppe von Infektionskrankheiten
gilt kein generelles Behandlungsverbot.
Gasbrand (Gasödemerkrankung)
Erreger:
Clostridium perfringens
Krankh.bild: anaerobe Wundinfektion mit charakteristischer Gasbildung und möglicher
Schocksymptomatik.
Übertragung: starke Verschmutzung einer offenen Wunde.
Inkubat.zeit: Stunden bis wenige Tage.
Klinik:






plötzliche Wundschmerzen
Anschwellung der Wunde mit gelbbrauner bis blauschwarzer Verfärbung
Blasenbildung mit trüben hämorrhagischem Inhalt
hörbares Knistern v.a. bei Berührung
kaum Entzündungszeichen, selten Fieber
süßlich-faulig stinkender Wundgeruch
Komplikation: bei Einschwemmung der Toxine in das Blut:
 hohes Fieber mit rascher Verschlechterung des Allgemeinbefindens
 Hämolyse mit Ikterus
 Schocksymptomatik
 Herzkreislaufversagen
Lyme-Borreliose 
Erreger:
Borrelia burgdorferi
Krankh.bild: Zecken-Borreliose, die mit einer typischen Hauterscheinung an der Bissstelle
und mit Erkrankungen des Nervensystems, Haut, Herz und Gelenke einhergeht.
Häufigste durch Zecken übertragene Krankheit
Übertragung: durch Zeckenbiss der Gattung Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock). In 50 % der
Fälle bleibt der Biss unbemerkt. Die Zecke muss jedoch mindestens 12 Stunden
saugen, sonst kann eine Übertragung der Bakterien nicht erfolgen. Das Risiko
einer Infektion steigt mit der Saugdauer der Zecke.
Inkubat.zeit: Tage bis 10 Wochen, evtl. auch wesentlich länger
Verlauf:
Der Verlauf ist sehr uneinheitlich, ein zweiphasiger Verlauf ist möglich, aber
nicht zwingend. Typisch sind chronisch rezidivierende Krankheitsbilder, die
gelegentlich Wochen bis Monate nach der Infektion auftreten, auch ohne
vorausgehende Symptome, isoliert oder in variabler Reihenfolge. Die
Erkrankungen des Nervensystems und am Herzen sind wahrscheinlich
immunologisch bedingt.
Klinik:
 Frühsymptomatik (Stadium I, akutes Stadium)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
494
 Erythema chronicum migrans: an der Zeckenbissstelle sich
ausdehnender rötlicher oder livider Fleck mit möglicher zentraler
Aufhellung, nicht juckend; tritt Tage bis Wochen nach dem
Zeckenbiss auf. Fehlt jedoch in der Hälfte der Fälle!
 evtl. Pustelbildung an der Einstichstelle
 unspezifische Allgemeinsymptome (Kopf-, Glieder-, Rücken- und
Muskelschmerzen, evtl. leichtes Fieber)
 regionale
oder
generalisierte
Lymphknotenschwellung,
Splenomegalie
 Meningitis mit Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit
 Spätsymptomatik (Stadium II; Wochen bis Monate, evtl. Jahre nach der
Infektion, Antibiotika nicht mehr wirksam)
 Meningoenzephalitis,
Bannwarth-Syndrom
(lymphozytäre
Meningoradikulitis): Leitsymptom sind quälende, starke
radikuläre Schmerzen; (isolierte) Fazialislähmung und andere
Hirnnervenlähmungen
 Lyme-Arthritis mit akuter Entzündung von einem oder mehreren
Gelenken (meist asymmetrischer Befall), auch als Frühsymptom
möglich
 Myokarditis mit Herzrhythmusstörungen
 Lymphadenosis cutis benigna: rötlich-livide, gutartige Infiltrate der
Haut (Lymphknotenschwellungen)
 Akrodermatitis chronica atrophicans: Atrophie des subkutanen
Fettgewebes mit blau-rötlicher Fältelung und ausgeprägter
Venenzeichnung
Mononukleose 
Synonym:
Pfeiffer-Drüsenfieber, Mononucleosis infectiosa, Epstein-Barr-VirusInfektion, Monozytenangina, „Kissing disease“, Studentenfieber.
Erreger:
Epstein-Barr-Virus (ein Herpes-Virus).
Krankh.bild: Allgemein zyklische Infektionskrankheit mit Befall des lymphatischen
Gewebes und charakteristischen Blutbildveränderungen. Obwohl lange und
schwere Krankheitsverläufe bekannt sind, besteht i.d.R. eine gute Prognose.
Übertragung:  Kontaktinfektion durch infizierten Speichel (z.B. beim Küssen), v.a. Kinder
und Jugendliche sind betroffen.
 Tröpfcheninfektion
 Schmierinfektion
Inkubat.zeit: 1-3 Wochen.
Klinik:
 Angina tonsillaris: geschwollene Tonsilla palatina mit weiß-gelblichen
(schmutziggrauen) Belägen, die abwischbar sind und keine Blutung
hinterlassen und nicht auf die Umgebung der Mandeln übergreifen
 generalisiert Lymphknotenschwellung (in 50% d.F.), i.d.R. nicht
schmerzhaft
 Splenomegalie (Spontanruptur möglich!)
 Fieber und Krankheitsgefühl (Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen)
 evtl. Hepatitis mit Ikterus (5-8% d.F.)
 fauliger Mundgeruch
 charakteristisch ist das fehlende Ansprechen auf Antibiotika
 typisches
Blutbild:
mononukleäre
Lymhpoidzellen
(atypische
Lymphozyten)
495
Komplikation: Milzruptur, periphere Fazialisparese.
Tetanus (Wundstarrkrampf)
Erreger:
Clostridium tetani
Krankh.bild: Lokalinfektion mit Bildung von Toxinen, die im Zentralnervensystem zur
krampfartigen Kontraktion der quergestreiften Muskulatur führen.
Übertragung: Tiefe, nicht durchblutete, verunreinigte Wunden; eine direkte Ansteckung von
Mensch zu Mensch kann nicht erfolgen.
Inkubat.zeit: 3 Tage bis 4 Wochen.
Klinik:






Komplikation: 



Abgeschlagenheit, Schwächegefühl, Muskelsteifheit, Hyperreflexie
Trismus (Kieferklemme durch Starrheit der Kaumuskulatur)
Risus sardonicus (teuflisches Lächeln)
Opisthotonus
schmerzhafte Muskelkrämpfe (Extremitäten bleiben meist unbeteiligt)
Patient ist bei vollem Bewusstsein, Fieber tritt erst gegen Ende auf
Atemlähmung
Kreislaufversagen
Gehirnblutung
Frakturen und Luxationen
Ringelröteln
Synonym:
„fünfte Krankheit“
Erreger:
Ringelrötelnvirus
Krankh.bild: Allgemein zyklische Infektionskrankheit, die in der Mehrzahl der Fälle
symptomlos verläuft, vorwiegend bei Kindern auftritt und als wenig ansteckend
gilt.
Übertragung: Tröpfcheninfektion.
Inkubat.zeit: 1-2 Wochen.
Klinik:
 häufig kein Fieber, sonst bis 38°C
 evtl. grippeähnliche Symptome, meist aber Allgemeinbefinden wenig
beeinträchtigt
 Exanthem
 Beginn im Gesicht an den Wangen mit großen rötlichen Flecken und
Aussparung der Mundregion, sog. Backpfeifengesicht (slappedcheeks)
 Breitet sich über den Stamm und Extremitäten aus, ringförmig
konfluierend, teilweise ödematös erhaben
Komplikation: diaplazentare Infektion, selten Arthritis
Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Erreger:
Enteroviren
© Arpana Tjard Holler (Autor)
496
Krankh.bild: Viral bedingte, harmlose aber hochansteckende Infektionskrankheit, welche
v.a. Kindern unter 10 Jahren befällt, aber auch schon mal Erwachsene oder
Säuglinge befallen kann.
Übertragung: Tröpfcheninfektion.
Inkubat.zeit: 1-2 Wochen.
497
Klinik:
 hohes Fieber mit Allgemeinsymptomen
 einige Tage später bilden sich schmerzhafte Enantheme in der
Mundschleimhaut: rote Bläschen, die ulzerieren können und sich in Aphthen
umbilden
 gleichzeitig bilden sich symmetrisch kleine Hautbläschen um den Mund
herum und an den Händen und Füßen, die i.d.R. innerhalb einer Woche
narbenlos abheilen
Komplikation: selten Meningitis, Enzephalitis
© Arpana Tjard Holler (Autor)
498
Übersicht Impfkalender nach STIKO
Achtung:
Der Impfkalender wird jährlich im Herbst von der STIKO im Robert-KochInstitut erneuert. Bitte auf Aktualisierung überprüfen!
Übersicht Impfkalender I
6 Wochen
2 Monate
3 Monate
1 von 4
4 Monate
2 von 4
Diphtherie
Hepatitis B1 von 4
Hib*1 von 4
Diphtherie
Hepatitis B2 von 4
Hib*2 von 4
3 von 4
Diphtherie
Hepatitis B3 von 4
Hib*3 von 4
11-14 Monate
Diphtherie4 von 4
Hepatitis B4 von 4
Hib*4 von 4
Masern1 von 2
Meningokokken
1 von 1
Rotaviren
1
Pertussis1 von 3
Pneumokokken1 von 4
Poliomyelitis1 von 4
Rotaviren 2 von 3
2 von 4
Pneumok.
Poliomyelitis2 von 4
Rotaviren 3 von 3
Pertussis2 von 3
Pneumok.3 von 4
Polio3 von 4
Mumps1 von 2
Pertussis3 von 3
Pneumok.4 von 4
Polio4 von 4
von 3
Tetanus1 von 4
Tetanus2 von 4
Tetanus3 von 4
Röteln1 von 2
Tetanus4von 4
Windpocken 1von 2
* Haemophilus influenzae Typ B
Übersicht Impfkalender II
15-23 Monate
5-6 Jahre
1 von 3
9-11 Jahre
12-17 Jahre
2 von 3
Diphtherie
Auffrischung
Diphtherie
Auffrischung
Pertussis1 von 3
Auffrischung
Humane 1 von 2
Papillomviren
Pertussis2 von 3
Auffrischung
Tetanus1 von 3
Auffrischung
Tetanus2 von 3
Auffrischung
Ab 18 Jahre
Diphtherie3 von 3
Auffrischung
Masern2 von 2
Mumps2 von 2
Humane 2 von 2
Papillomviren
Pertussis3 von 3
Auffrischung
Röteln2 von 2
Windpocken2 von 2
Ab 60 Jahre
Diphtherie Auffrischung1 von 1
Influenza1 von 1
Pertussis Auffrischung1 von 1
Pneumokokken Auffrischung1 von 1
Tetanus Auffrischung1 von 1
Tetanus1 von 3
Auffrischung
Onkologie und Pathologie
O.
499
Onkologie und Pathologie
Onkologie und Pathologie
Definition Neoplasie.............................................................................................................................. 500
Pathologie der Tumorentwicklung (Onkogenese) ............................................................................... 500
Tumoreinteilung .................................................................................................................................... 501
Häufigkeit der wichtigsten Krebsformen.............................................................................................. 503
Charakteristische Symptomen von bestimmten Malignomen .............................................................. 503
Definition von Krankheit und Gesundheit ........................................................................................... 505
Begriff des Todes ................................................................................................................................... 505
Erkrankungen im menschlichen Organismus ..................................................................................... 506
© Arpana Tjard Holler (Autor)
500
Onkologie
Onkologie
(Lehre der Gewebsneubildung)
Definition Neoplasie

Als Neoplasie bezeichnet man das klinische Ergebnis eines überschießenden und
unkontrollierten Wachstums von Zellen (Neoplasma). Nach dem pathophysiologischen
Verhalten des neuen Zellwachstums werden generell gutartige (benigne) von bösartigen
(maligne) Tumoren unterschieden.
Pathologie der Tumorentwicklung (Onkogenese)


Im Zellkern in der DNS ist das Programm gespeichert, welches die Aufgabe, die Eigenschaft
und das Wachstum einer jeden Zelle bestimmt. Ist dieses Programm „entgleist“, so kommt
es zum autonomen und irreversiblen sog. Überschusswachstum. Dabei verlieren die
Tumorzellen ihre eigentliche Zell- und Gewebefunktion und entgleiten den normalen
Regulationsmechanismen, die das Wachstum steuern und begrenzen sollen. Es kann Jahre
oder Jahrzehnte dauern, bis sich eine Zelle zur Krebszelle entwickelt.
Normalerweise besitzen Zellen die Fähigkeit zu Reparaturvorgängen, außerdem können
bestimmte Abwehrzellen (T-Killer-Zellen) diese sog. Krebszellen erkennen und
unschädlich machen. Diese Fähigkeiten werden von sog. Tumorsuppressor-Genen
überwacht und gesteuert. Man geht heute davon aus, dass eine Mutation in den
Wächtergenen dazu führt, dass es in den nächsten Zellgenerationen zu Defekten in der DNS
kommt und daraus dann ein „Tumor“ entstehen kann.
Eigenschaften der Krebszelle

Ob eine Krebszelle sich zum einem bösartigen Tumor entwickeln kann und in wieweit sich
dieses Wachstum schädigend auf den Zellverband des Körpers auswirkt, hängt von den
Eigenschaften der Krebszelle ab bzw. von den Mutationen der Wächtergene.
 Fähigkeit ohne Sauerstoff zu leben.
 Fähigkeit unsterblich zu werden.
 Fähigkeit eine eigene Blutversorgung aufzubauen.
 Fähigkeit für das Immunsystem unsichtbar zu werden.
 Fähigkeit aus dem Zellverband auswandern zu können.
Tumormarker

Definition: Tumormarker sind charakteristische Proteine, die von dem Tumor produziert
werden und im Blut eines gesunden Patienten kaum vorhanden sind. Sie spielen in der
Diagnostik eine wichtige Rolle und können Aussagen über den Verlauf und die Prognose
von bösartigen Tumoren ermöglichen.
 PSA (prostataspezifisches Antigen): Hinweis auf Prostatakarzinom
 CEA (carcinoembryonales Antigen): Kann bei kolorektalem Karzinom erhöht
sein, aber auch bei Lebermetastasen, Pankreas- und Mammakarzinom
(dauerhaft erhöhte Werte). Fälschlich erhöhte Werte findet man bei Rauchern.
 AFP: Leberzellkarzinom
 HCT: Schilddrüsenkarzinom
 CA 15-3: Wird zur Verlaufskontrolle beim Mammakarzinom benutzt.
 CA 125: Eierstockkarzinom
 SCC: Gebärmutterhalskarzinom
Onkologie
501
Karzinogene

Definition: Karzinogene sind Stoffe oder Faktoren, welche die Entstehung eines Tumors
begünstigen. Es wird vermutet, dass der Krebs ein Produkt genetischer und exogener
Faktoren ist
 Energiereiche Strahlen wie Röntgen- und radioaktive Strahlung, UV-Strahlen
 Chemische Stoffe, wie z.B. Aflatoxin, Nikotin, Asbeststaub, Nickel, Chrom,
Arsen, Quecksilber, Nitrosamine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Acrylamid (z.B. in Pommes Frites, Chips, Knäckebrot, Kekse und
Gebäck enthalten)
 Medikamente, wie z.B. Zytostatika
 Einige Viren stehen im Verdacht karzinogen zu wirken, wie z.B. die PapillomViren beim Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs)
 Bestimmte chronische Infektionen und Erkrankungen neigen zur malignen
Entartung, z.B. bei AIDS-Virus-Infektionen, Hepatitis-B-Virusinfektionen,
Achalasie, chronische Refluxkrankheit, Ulkus ventriculi, Magenpolypen,
Dickdarmpolypen, Colitis ulcerosa, Gallenblasensteine, Leberzirrhose, Lentigo
maligna, Leukoplakie.
Tumoreinteilung
Nach dem biologischen Verhalten


Benigne (gutartige) Tumore
 Wachsen langsam
 Lassen sich von der Umgebung gut abgrenzen, Tumorknoten verschiebbar
 Wachsen nicht zerstörend, sondern expansiv (verdrängend) und bilden eine
Tumorkapsel
 Selten Rezidive (Rückfälle)
 Funktionelle Leistungen bleiben erhalten (außer es kommt zu einer
Kompression)
 Bilden keine Metastasen
 Histologisch ist das Tumorgewebe zellulär reif und differenziert
 Haben meist keine tödlichen Folgen für den Patienten, außer im Gehirn
 Verdrängungsmechanismus kann zu Ischämien und Nekrosen führen
 Ausgehend vom Drüsengewebe kann der Tumor unkontrolliert Hormone
produzieren, die zu erheblichen Krankheitsbildern führen können. (z.B. beim
Hypophysenadenom)
Maligne (bösartige) Tumore
 Wachsen meist schnell
 Sind von der Umgebung unscharf begrenzt, Tumorknoten nicht verschiebbar
 Wachsen in das umliegende Gewebe zerstörend (invasiv) hinein, keine
Tumorkapsel
 Häufig Rezidive (Rückfälle)
 Funktionelle Leistungen werden beeinträchtigt und fallen aus
 Bilden Metastasen durch lymphogene oder hämatogene Verbreitung; hat der
Tumor eine Größenordnung von 1 cm überschritten, so besteht meist schon eine
Metastasierung in andere Organe
 Histologisch ist das Tumorgewebe zellulär unreif und undifferenziert, führt im
fortgeschrittenen Stadium zu Nekrose und Ulzeration (geschwüriger Zerfall)
 Gilt als tödlich wenn keine Behandlung durchgeführt wird (wichtig für HP:
Sorgfaltspflicht)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
502
Onkologie


Die Entscheidung, ob ein Tumor bösartig oder gutartig ist, kann anhand der Biopsie
(Gewebsprobe) getroffen werden.
Semimaligne Tumore
 Besitzen die histologischen Kennzeichen eines bösartigen Tumors
 Wachsen invasiv, bilden aber keine Metastasen (beschränkte Bösartigkeit), z.B.
Basaliom
Tabelle Unterscheidung bösartiger und gutartiger Tumor
Benigne (gutartig)
Maligne (bösartig)
Wachstum
Langsam, verdrängt das Schnell, wächst invasiv in
umliegende Gewebe
das umliegende Gewebe
Abgrenzung zum gesunden Gut abgrenzbar, verschieblich Schlecht abgrenzbar, nicht
Gewebe
verschieblich
Metastasenbildung
Nein
Ja
Verlauf
Meist langsamer Verlauf, Meist schneller Verlauf,
selten, selten Rezidive
häufig Rezidive
Histologische
Homogenes Gewebe (reife Herterogenes
Gewebe
Differenzierung
und gut differenziert)
(unreif und undifferenziert
Nach der Histologie
Gewebe
Epithelgewebe
Bindegewebe
Knochen
Benigne
Adenom
Fibrom
Osteom
Knorpel
Muskel
glatte Muskulatur
quergestreifte Muskulatur
Bindegewebe
Fettgewebe
Gefäße
Leukozyten
Plasmazellen
Lymphknoten
Haut
Chondrom
Myom
Leiomyom
Rhabdomyom
Fibromyom
Lipom
Hämangiom
Schleimhaut
Polypen
Lymphom
Muttermal (Nävuszellnävus)
Maligne
Karzinom
Fibrosarkom
Osteosarkom
Ewing-Sarkom
Chondrosarkom
Myosarkom
Leiomyosarkom
Rhabdomyosarkom
Fibrosarkom
Liposarkom
Hämangiosarkom
Leukämie
Plasmozytom
Lymphogranulomatose
Basaliom,
Melanom,
Spinaliom
Adenokarzinom
Nach der TNM-Klassifikation

Eine internationale Einteilung der klinischen Stadien einer malignen Tumorerkrankung
nach drei Hauptkriterien:
 T (Tumor) steht für die Größe des Tumors bzw. das Eindringen in die
Umgebung.
 T0 = Kein Nachweis eines Primärtumors.
 Tis = Carcinoma in situ (Oberflächenkarzinom, Basalmembran ist
noch nicht durchbrochen
 T1-T4 = Stadieneinteilung (steigende Zahl = fortgeschrittenes
Stadium)
 TX = Primärtumor kann nicht beurteilt werden.
Onkologie
503
 N (Nodulus) beschreibt das Vorhandensein regionärer Lymphknoten.
 N0 = Kein Nachweis auf regionäre Lymphknoten.
 N1-N3 = Stadieneinteilung (steigende Zahl = zunehmender Befall
regionärer Lymphknoten)
 NX =
Regionäre Lymphknoten können klinisch nicht erfasst
werden.
 M (Metastase) steht für den Hinweis auf Fernmetastasen.
 M0 = Kein Nachweis auf Fernmetastasen.
 M1-M3 = Ansteigende Gradeinteilung des Metastasenbefalls
 MX = Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden.
Häufigkeit der wichtigsten Krebsformen

Die Summe der Neuerkrankungen pro Jahr beträgt z.Z. ca. 520.000 mit steigender Tendenz.
Dabei liegen die Männer mit 30.000 vorne.
Pos.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Männer
Organbefall
Hautkrebs
Prostatakrebs
Krebs der Atmungsorgane
Dickdarmkrebs
Blasenkrebs
Lymphome
Magenkrebs
Nierenkrebs
Pankreaskrebs
Leukämien
Frauen
Brustkrebs
Hautkrebs
Dickdarmkrebs
Krebs der Atmungsorgane
Gebärmutterkrebs
Eierstockkrebs
Lymphome
Pankreaskrebs
Nierenkrebs
Leukämien
Neuerkrankungen / Jahr
Ca. 69.000
Ca. 66.000
Ca. 44.000
Ca. 34.000
Ca. 12.000
Ca. 10.000
Ca. 9.000
Ca. 9.000
Ca. 8.000
Ca. 7.000
Ca. 71.000
Ca. 69.000
Ca. 28.000
Ca. 21.000
Ca. 16.000
Ca. 11.000
Ca. 9.000
Ca. 8.000
Ca. 6.000
Ca. 5.000
Charakteristische Symptomen von bestimmten Malignomen

Bei folgenden Symptomen müssen folgende Malignome ausgeschlossen werden:
 Trockener Reizhusten über Monate: Bronchialkarzinom
 Bluthusten: Bronchialkarzinom
 Chronische Heiserkeit: Kehlkoprkarzinom
 Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen ohne Infekthinweise: Magenkarzinom
 Okkultes Blut im Stuhl: Magenkarzinom, Dickdarmkarzinom
 Ikterus ohne Fieber oder Schmerzen: Pankreaskopfkarzinom, Gallengangskarzinom
 Diarrhoe und Obstipation abwechselnd: Dickdarmkarzinom
© Arpana Tjard Holler (Autor)
504
Onkologie









Sichtbares Blut im Stuhl: Kolorektales Karzinom
Hämaturie: Nierenkarzinom, Blasenkarzinom, Prostatakarzinom
Blasenentleerungsstörungen: Prostatakarzinom
Fleischwasser farbener Ausfluss: Gebärmutterhalskarzinom
Ungeklärte Aszites. Ungeklärte Aszites
Generalisierte Lymphknoten-schwellung. Morbus Hodgkin, Leukämie
Alkoholschmerz: Hodgkin- und Non-Hodgkin
Nicht verschieblicher Knoten in der Brust: Nicht verschieblicher Knoten in der
Brust
 Kopfschmerzen mit neurologischen Ausfallserscheinungen: Hirntumor
 Nüchtern erbrechen ohne Übelkeit: Hirntumor
 Rezidivierende Phlebothrombitiden ohne entsprechende Anamnese:
Pankreaskarzinom
 Ungeklärtes Fieber mit Nachtschweiß: Alle bösartigen Tumore
 Ungeklärte Gewichtsabnahme, 10% innerhalb von 3 Monaten: Alle bösartigen
Tumore
Typische Symptome im späten Stadium einer Krebserkrankung.
 Gewichtsabnahme, starke Leistungsminderung, Appetitlosigkeit
 Nachtschweiß, Fieberschübe
 BSG , Kachexie (Auszehrung, allgemeine Atrophie)
 Anämie (Tumoranämie aufgrund einer Eisenfehlverwertung)
 Lokale oder generalisierte Lymphknotenschwellung
 Widerwillen gegen Fleisch
 Lokale Beschwerden in der Ausbreitungsregion des Tumors
Allgemeine Pathologie
505
Allgemeine Pathologie
Definition von Krankheit und Gesundheit


Definition der WHO: Krankheit ist die Abwesenheit von Gesundheit und diese:
"Gesundheit ist der Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“.
Diese Definition ist jedoch im Alltag wenig brauchbar, kann doch fast jeder Mensch
irgendeinen „Mangel“ nachweisen: z.B. Kurz- und Weitsichtigkeit, Erkrankungen der
Zähne, Haltungsschäden, Narben, Operationen, Kopfschmerzen, Nebenwirkungen und
Folgen von Medikamenten.
Definition nach dem Prinzip der Homöostase (nach Ferdinand Hoff): Demnach ist
Gesundheit das harmonische Gleichgewicht des Organismus. Diese Homöostase wird
aufrechterhalten durch ständige Auf- und Abbauvorgänge im Körper und durch eine
Anpassungsfähigkeit auf verschiedenste Störfaktoren von außen. Ist die
Anpassungsfähigkeit
vermindert,
kommt
es
im
akuten
Stadium
zu
Entzündungsreaktionen im Organismus. Im chronischen Stadium kommt es zu
regressiven Erkrankungen, wenn die Abbauvorgänge überwiegen, und zu progressiven
Erkrankungen, wenn die Aufbauvorgänge überwiegen. Somit ist Krankheit ein
physiologisches Ungleichgewicht, welches zu organischen und funktionellen Veränderungen im Körper führt.
Begriff des Todes

Tod ist der unwiderrufliche Stillstand aller Lebensfunktionen. Unterschieden wird zwischen
dem klinischen und biologischen Tod.
Klinischer Tod

Der klinische Tod umschreibt den Herz-Kreislaufstillstand: Dieser kann diagnostiziert
werden, wenn die Vitalfunktionen erloschen sind und keine Herztöne, keine Arterienpuls
und keine Atmung mehr festzustellen ist. Eine Reanimation ist grundsätzlich innerhalb der
nächsten 10 Minuten möglich, wenn der Hirntod noch nicht eingetreten ist.
Biologischer Tod (Hirntod)


Der biologische Tod bedeutet den irreversiblen Verlust aller zentralnervösen Funktionen
(Herzkreislauf-Funktion kann noch aktiv sein). Eine Reanimation ist nicht mehr möglich!
Bei einem Koma sind Zeichen des Hirntodes folgende:
 Pupillenreflex erloschen: Pupille verengt sich durch Lichteinfall nicht mehr
 Hornhautreflex: Kein Lidschluss durch Berührung der Hornhaut.
 Puppenkopfphänomen negativ. Nennt sich auch vestibulookulärer Reflex. Bei
rascher horizontaler Kopfbewegung kommt es zu einer unwillkürlichen
angepassten Augenbewegung. Diese fehlt beim Hirntod.
Voraussetzungen für eine mögliche Organentnahme sind:
 Keine Gehirnströme bei einem 30 minütlichen Elektroenzephalogramm. Muss
bei Kindern nach 24 Stunden wiederholt werden.
 Zirkulationsstillstand im Gehirn muss durch Angiographie nachgewiesen sein.
 Vorausgegebene Einwilligung des Patienten oder naher Angehöriger.
Zeichen des Todes 

Vorliegen von sicheren Zeichen, dass es sich um einen Tod handelt. Sichere Todeszeichen
werden vom Arzt für die Ausstellung des Totenscheins benötigt.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
506
Allgemeine Pathologie

 Die Totenstarre beginnt etwa 4 Stunden nach dem Tod an der Kopf- und
Halsmuskulatur und schreitet allmählich nach unten fort und löst sich in der
gleichen Reihenfolge innerhalb von 24 Stunden wieder auf.
 Totenflecken sind rotblaue Flecken auf der Haut. Sie entstehen nach Stillstand
des Blutstromes, das Blut senkt sich in den Gefäßen aufgrund der Schwerkraft
nach unten. An den am tiefsten gelagerten Körperteile entstehen so diese
Flecken. Höher gelegene Körperteile sind leichenblass.
 Fäulniserscheinung mit Verwesungsgeruch. Entsteht durch den Zerfall der
chemischen Bausteine der Zellen, der ohne Sauerstoff im Körper nicht
aufzuhalten ist.
 Nicht mit dem Leben vereinbare Verletzung, z.B. Schädelverletzung.
Der HP darf keinen Totenschein ausstellen, nur der Arzt.
Erkrankungen im menschlichen Organismus
Unterscheidung:


Funktionell bedingten Erkrankungen im Körper, z.B. bei Morbus Raynaud, Migräne,
Kopfschmerzen, Epilepsie, Fibromyalgie, essentielle Hypertonie etc. Die Diagnose wird
dann gestellt, wenn nachweisbar keine zellulären Schäden zu finden sind
(Ausschlussdiagnose).
Organisch bedingte Erkrankungen, es finden sich nachweisbare Zell- und Gewebsschäden,
z.B. Herzinsuffizienz bei Herzinfarkt, Lähmungen nach Apoplexie, Schmerzen bei
Gelenkentzündung, Morbus Crohn etc.
Formen der Zell- und Gewebsschäden:
Regressive Erkrankungen


Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass Zellverbände an Größe und / oder Zahl abnehmen.
Es kommt zu einem Nachlassen an Volumen und Funktion des Parenchyms, des
eigentlichen Funktionsgewebes. Diesen Vorgang nennt man Atrophie. Atrophie von
Parenchym ist in der Regel irreversibel (Ausnahme Leberparenchym).
 Zelluläre Atrophie, sog. einfache Atrophie: Verringerung der Größe der
Gewebestruktur durch Verkleinerung der Zelle, bei bleibender Zellfunktion.
Z.B. bei längerer Inaktivität (Muskelschwund) oder physiologisch im Alter
(Altersatrophie).
 Degenerative Atrophie: Entartung zellulärer Strukturen oder Funktionen,
wobei die Zellen ihr Charakteristikum des Lebens, nämlich die Fähigkeit zur
Selbsterhaltung, zur Kommunikation und zur Reaktionsfähigkeit verlieren, z.B.
Arthrose, aseptische Knochennekrosen, Parkinson-Syndrom.
 Numerische Atrophie: Schrumpfung eines Organs durch Abnahme der
Zellzahl, z.B. bei Osteoporose, Leber-, Nieren- und Magenschrumpfung.
Ursachen der Atrophie:
 Physiologische Atrophie:
 Muskelatrophie und Altersatrophie
 Pathologische Atrophie
 Inaktivitätsatrophie (z.B. Muskelschwund, Osteoporose).
Entsteht infolge einer längeren Ruhigstellung oder ungenügende
Aktivität.
Allgemeine Pathologie
507
 Druckatrophie: Chronischer Druck führt zum allmählicher
Untergang von Zellen, z.B. Harnstau führt zur Schrumpfniere,
Glaukom zum Untergang der Netzhaut, langes Liegen zum
Dekubitus (Hautdruckgeschwür), verstärkte Ausatmung bei
Bläsern führt zum Lungenemphysem.
 Vaskuläre Atrophie: Entsteht durch eine lokale verminderte
Blutversorgung (Ischämie).
 Hypoxämische Atrophie: Entsteht durch einen zu geringen
Sauerstoffgehalt im Blut, z.B. bei venöser Insuffizienz.
 Hungeratrophie: Entsteht durch mangelnde Nahrungszufuhr.
 Toxische Atrophie: Entsteht durch chronische Vergiftung
Progressive Erkrankungen

Definition: Erkrankungen mit Zunahme des Gewebes.
Strukturzunahme aufgrund eines Reizes


Hypertrophie: Ist eine Vergrößerung von Geweben und Organen durch Zunahme des
Zellvolumens bei gleichbleibender Zellzahl. Die Ursache liegt meist in einer
Überbeanspruchung von Parenchym einzelner Organe. Sie bildet sich zurück sobald die
Anforderung an vermehrter Leistung nachlässt
 z.B. Links- und Rechtsherzhypertrophie.
Hyperplasie, sog. numerische Hypertrophie: Bedeutet die Vergrößerung eines Organs
durch Zunahme der Zellzahl bei unveränderter Zellgröße infolge eines Reizes. Die Ursache
ist auch eine Überbeanspruchung des Organs. Beispiele:
 Schilddrüsenhyperplasie beim Jodmangel.
 Prostatahyperplasie
Autonome irreversible Strukturzunahme

Bezeichnet einen überschießenden Wachstumsprozess, der im Widerspruch zu den übrigen
Wachstumsgesetzen des Organismus steht. Dies wird als Neoplasma (Geschwulst / Tumor)
bezeichnet. Unterschieden werden gutartige (benigne) und bösartige (maligne) Tumore.
Siehe Kapitel Onkologie.
Entzündliche Erkrankungen

Die entzündliche Reaktion wird vom Körper erschaffen, als eine Antwort auf schädliche
Einflüsse (Noxen oder Antigene) mit der Absicht die „Gefahr“ einzugrenzen und den
schädigenden Stoff aus dem Körper zu entfernen bzw. unschädlich zu machen.
Auslösende Faktoren einer Entzündung

Exogene Ursachen
 Mikroorganismen: Bakterien, Viren, Protozoen, Pilze
 Mechanische Reize: Reibung, Druck, Fremdkörper
 Physikalische Reize: Kälte, Hitze, Strahlen
 Chemische Reize: Säure, Basen, Toxine, Nikotin, Alkohol
 Endogene Ursachen
 z.B. bei Gicht durch Hyperurikämie
 bei Urämie (Vergiftung durch harnpflichtige Stoffe)
 durch Autoimmunprozesse (z.B. bei rheumatoider Polyarthritis, Kollagenose,
rheumatisches Fieber, GN, Gastritis Typ A) und Allergien
 Gallen- und Nierensteine
© Arpana Tjard Holler (Autor)
508
Allgemeine Pathologie
 Endogenes Asthma
Ablauf einer Entzündung





Lokale Entzündungsreaktion
 Anfänglich führt die örtliche Reaktion des Gefäßbindegewebes zu einer lokalen
Durchblutungsstörung. Durch Adrenalinausschüttung kommt es für kurze Zeit
zu einer Vasokonstriktion betroffener Arteriolen. Dies hat den Zweck, die
Ausbreitung des Geschehens zu verhindern.
 Nach kurzer Zeit beginnt die zweite Phase mit einer verstärkten Durchblutung
des geschädigten Gewebes, hervorgerufen durch eine Vasodilatation, ausgelöst
durch das vegetative Nervensystem und Mediatoren (z.B. Histamin).
 Durch Botenstoffe (Mediatoren) kommt es zur Verengung der ableitenden
Venolen und dadurch zum Blutstau (Stase) im geschädigten Gebiet.
 Durch
Mediatoren
(Histamin)
wird
die
Gefäßpermeabilität
(Gefäßdurchlässigkeit) im geschädigten Gebiet gesteigert; die Poren der im
Entzündungsgebiet liegenden Kapillaren weiten sich und es tritt mehr
Blutwasser ins Interstitium. Das Gewebe schwillt (sichtbar) an
(Entzündungsödem).
 Die Leukozyten werden durch Chemotaxis angelockt und phagozytieren das
schädliche Antigen.
Fünf Kardinalzeichen der Entzündung
 Rötung (Rubor), entsteht durch die verstärkte Durchblutung (Hyperämie)
 Wärme (Calor), entsteht durch Hyperämie
 Schwellung
(Tumor), entsteht durch vermehrte Flüssigkeits-ansammlung
 Schmerz (Dolor), entsteht durch Druck auf die Nervenendigungen
 Gestörte Funktion (Functio laesa)
Allgemeine Entzündungsreaktion
 Der gesamte Körper wird mit einbezogen, wenn die lokale Reaktion auf den
auslösenden Reiz nicht ausreicht.
 Fieber (Steigerung des Stoffwechsels); wird vom Körper durch Pyrogene
erzeugt, welche auf das Wärmezentrum reagieren
 Leukozytose, Granulozytose mit Linksverschiebung
 Möglich: Lymphknotenschwellung, Milzschwellung
 BSG erhöht, CRP erhöht, Gammaglobuline sind vermehrt
 subjektive Zeichen: Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit
Heilungsphase: Die Entzündungsreaktion führt zum Untergang vieler Zellen im
Entzündungsgebiet. Sind die schädlichen Noxen ausgeschaltet, kommt es zu einer
Vermehrung von Fibroblasten, welche neue Kollagenfasern und eine neue Grundsubstanz
bilden. Zahlreiche Gefäße sprossen in das neu gebildete Bindegewebe ein. Diese Gewebe
wird Granulationsgewebe genannt. Es wird entweder in das ursprüngliche Gewebe
umgebaut oder es wandelt sich zu minderwertigem Narbengewebe um, wie es z.B. bei der
Leberzirrhose geschieht.
Unterscheidung Exsudat / Transsudat
 Exsudat (Entzündungswasser; spezifisches Gewicht > 1016 g/l)
Durch Entzündung bedingter Austritt von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das
Interstitium. Je nach Zusammensetzung kann das Exsudat serös, eitrig,
hämorrhagisch oder fibrinös sein.
 Transsudat (Stauungswasser; spezifisches Gewicht < 1016 g/l)
Austritt von Blutwasser in Körperhöhlen und Interstitium aufgrund von
allgemeinen oder lokalen Stauungen, infolge erhöhter Durchlässigkeit der
Kapillaren oder auch durch verminderte Bluteiweiße.
Allgemeine Pathologie
509
Unterschiedliche Entzündungsformen


Nach zeitlichem Ablauf
 asymptomatischer Verlauf: ohne Symptome
 akute Entzündung: plötzlich und schnell verlaufend
 fulminante (perakute) Entzündung: sehr stark verlaufend, enden meist tödlich
 chronische Entzündung: schleichender Verlauf von langer Dauer, wenn die
Entzündungsursache vom Körper nicht beseitigt werden kann
 chronisch-progredient Entzündung: schreitet allmählich fort und wird
zunehmend schlimmer, z.B. bei der chronischen Polyarthritis, Morbus
Bechterew, Hepatitis (HBV, HCV, HDV)
 chronisch-kontinuierliche Entzündung: verharrt auf einer Krankheitsstufe, z.B.
bei Nagelmykose, Raucherhusten, Hepatitis, Gastritis
 chronisch-rezidivierende Entzündung: kommen immer wieder, z.B. bei Colitis
ulcerosa, Morbus Crohn, Pankreatitis.
Nach der Verlaufsform
 Seröse Entzündung: Das Exsudat besteht ganz aus dem Blutserum und zeichnet
sich meist durch eine große Menge von Flüssigkeit aus. Typisch sind seröse
Ergüsse in Körperhöhlen, z.B. Pleuraerguss.
 Serös-schleimige Entzündung: Tritt nur bei Schleimhautoberflächen auf.
Durch die Entzündung werden die Schleimhäute gereizt und sondern verstärkt
Schleim ab, z.B. bei Rhinitis; Bronchitis und bei Entzündungen der Magen- und
Darmschleimhaut.
 Fibrinöse Entzündung: Entsteht hauptsächlich in serösen Höhlen, in der Lunge
und an den Schleimhäuten. Fibrinogen tritt aus und lässt das Exsudat gerinnen.
 Pyogene (eitrige) Entzündung: Leukozyten gehen nach Vernichtung des
Antigens selbst zugrunde und werden als Eiter ausgestoßen. Eitererregende
Bakterien sind z.B. Streptokokken und Staphylokokken (z.B. Furunkel). Bei den
eitrigen Entzündungen werden wiederum unterschieden:
 Empyem, eine Eiteransammlung in einem vorgebildeten
Hohlraum, wie z.B. in der Gallenblase (Gallenblasenempyem), im
Pleuraspalt, im Herzbeutel oder in der Bauchhöhle.
 Abszess (im Volksmund „Eiterbeule“), eine Eiteransammlung in
einem durch Gewebseinschmelzung entstandenen abgekapselten
Hohlraum. Die häufigsten Erreger sind Staphylokokken.
 Hämorrhagische Entzündung: Erythrozyten gelangen in das Exsudat durch
einen Gefäßdefekt und färben die austretende Flüssigkeit rötlich, z. B. bei
Lobärpneumonie.
 Nekrotisierende Entzündung: Führt zu Zelluntergang, z.B. bei Hautmilzbrand
und Gasbrand.
 Ulzerierende Entzündung: Meist chronische Entzündungen an der Haut oder
Schleimhaut, führen zu einem örtlichen Substanzverlust (Geschwür), z.B. Ulcus
ventriculi, Ulcus duodeni, Ulcus cruris.
 Granulomatöse Entzündung: Bei chronischen Entzündungen kann es zu einer
Bildung von Granulomen (knötchenförmige Neubildungen aus Granulationsgewebe) kommen, die hauptsächlich den Entzündungsherd abgrenzen helfen,
z.B. beim Morbus Crohn.
 Proliferative Entzündung: Bei manchen chronischen Entzündungen kommt er
zu einer überschießenden Narbenbildung, die über Jahre in Schüben fortschreitet
und schließlich zu einem vollständigen Umbau des Gewebes führen kann, z.B.
bei Leberzirrhose.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
510
Allgemeine Pathologie
Beschwerdestärke
fulminanter Verlauf
chronisch-progredienter Verlauf
akuter Verlauf
chronisch-kontinuierlicher Verlauf
chronisch-rezidivierender Verlauf
asymptomatischer Verlauf
Fieber


Fieber ist eine physiologische Reaktion des Körpers auf schädigende Vorgänge im Körper.
Bei einer allgemeinen Abwehrreaktion wird der Sollwert der Körpertemperatur erhöht, mit
dem Ziel, die Stoffwechselvorgänge bzw. Abwehrmechanismen zu beschleunigen.
Ursache sind Pyrogene, welche auf das Wärmezentrum im Hypothalamus wirken.
Unterschieden werden endogene Pyrogene, welche von den Abwehrzellen produziert
werden und exogene Pyrogene, welche durch Bakterien und Viren verursacht werden.
Fiebereinteilung





subfebrile Temperatur:
leichtes Fieber:
mittleres (mäßiges) Fieber:
hohes Fieber
sehr hohes Fieber
37,5°C – 38,0°C
38,1°C – 38,5°C
38,6°C – 39,0°C
39,1°C – 39,9°C
über 40°C
Fiebermessung




Die Fiebermessung erfolgt rektal für 3-5 Minuten. Die durchschnittliche Temperatur beträgt
normal 37,2°C.
Die Fiebermessung im Mund beträgt 5-8 Minuten und hat eine Abweichung zur rektalen
Messung von 0,5 °C nach unten.
Die Fiebermessung in der Achselhöhle beträgt ca. 10 Minuten und hat eine Abweichung zur
rektalen Messung von 0,5 °C nach unten.
Die Fiebermessung im Ohr beträgt ca. 3-5 Sekunden und hat eine Abweichung zur rektalen
Messung von 0,5 °C nach unten.
Fiebertypen bzw. Fieberverläufe

Biphasisches (zweigipfliges) Fieber: Fieber mit einem kurzen fieberfreien Intervall,
typisch bei zyklischen Infektionskrankheiten, z.B. bei
 Masern
 FSME
 Poliomyelitis
 Gelbfieber; Meningokokkensepsis
Allgemeine Pathologie





511
Kontinua (Febris continua): Meist über 39° hohes Fieber, das mindestens einige Tage bei
annähernd gleichbleibender Temperatur (nicht mehr als 1° schwankend) anhält;
Vorkommen z.B. bei
 Ornithose, Typhus abdominalis (2.+3. Woche), Scharlach, Fleckfieber,
bakterielle Pneumonie, Miliartuberkulose, auch bei Virusinfektionen
Undulierendes Fieber (Febris undulans): Charakteristischer, wellenförmiger Fieberverlauf
mit fieberfreien Intervallen bei
 Brucellose (Morbus Bang)
 Lymphogranulomatose (sog. Pel-Ebstein-Fieber)
Remittierendes Fieber (Febris remittens): Stärker schwankendes Fieber mit
Tagesschwankungen von 1 bis 2°C, morgens meist geringer als abends
 insbesondere bei Lokalinfektionskrankheiten (z.B. Pyelonephritis, Pneumonie,
Bronchitis), rheumatischem Fieber und Viruserkrankungen
Intermittierendes Fieber (Febris intermittens): Starke Tagesschwankungen von hohem
Fieber um mehr als 2°C mit Normal- oder sogar Untertemperaturen als Hinweis auf eine
schubweise Einschwemmung von Krankheitserregern in das Blut
 z.B. bei Malaria, Sepsis
Rekurrierendes Fieber (Febris recurrens): Rezidivierendes Fieber: Fieberperioden mit
wechselnd fieberfreier Zwischenzeit, z.B. bei
 Malaria, Rückfallfieber, (Läuse- und Zecken-rückfallfieber, Lyme-Borreliose;
tritt aber auch bei Bronchiektasen und Gallensteinen auf.
Nekrose (Zelltod)


Nekrose bedeutet das Absterben von Gewebezellen. Das untergegangene Gewebe wird von
der gesunden Umgebung abgegrenzt und vom Abwehrsystem (neutrophile Granulozyten,
Makrophagen) phagozytiert. Je nach der Größe des untergegangenen Gewebegebietes
entstehen entsprechende Defekte. Größere Nekrosen können zu einer allgemeinen
Vergiftung des Körpers führen. Nekrosen entstehen im Wesentlichen im Rahmen einer
schweren Entzündung, durch Verbrennungen, Erfrierungen, Verätzungen, Bakterientoxine
und Intoxikationen oder auch als Folge einer Minderdurchblutung (z.B. beim Herzinfarkt,
Hirninfarkt).
Unterscheidung:
 Koagulationsnekrose, sog. Gerinnungsnekrose: Gerinnung von Körpereiweißen,
vorkommend v.a. infolge lokaler Ischämie (z.B. Herzinfarkt)
 Verkäsende Nekrose: Sonderform der Gerinnungsnekrose, klassisches
Vorkommen bei der Tuberkulose. Das nekrotische Gewebe zerfällt bröckelig
und sieht dann parmesanartig aus, weich, trocken und weißlich-gelb (wird
abgehustet).
 Kolliquationsnekrose, sog. Erweichungsnekrose: Das abgestorbene Zellgewebe
verflüssigt sich, vorkommend vor allem im Gehirn und Rückenmark als Folge
einer Apoplexie (Hirnschlag) oder in die Pankreas während einer Pankreatitis.
 Gangrän: Entsteht durch eine Unterbrechung der Blutzufuhr (ischämische
Nekrose). Das betroffene Gewebe zersetzt sich selbst (Autolyse) und verfärbt
sich durch den vermehrten Hämoglobinabbau blaurot bis schwarz. In der Regel
sind distale Körperteile betroffen. Unterscheidung:
 Trockenes Gangrän: Das nekrotisierende Gewebe an der
Körperoberfläche wird hart und trocken und schrumpft bis zur
schwärzlichen, lederartigen Mumifikation (z.B. bei Erfrierungen).
© Arpana Tjard Holler (Autor)
512
Allgemeine Pathologie

 Feuchtes Gangrän: Das nekrotisierende Gewebe wird infiziert mit
Fäulnisbakterien (übler Geruch!) und anaeroben (unter
Sauerstoffverschluss lebende) Bakterien und verflüssigt sich durch
deren Einwirkung.
Vorkommen der Gangräne:
 bei allen arteriosklerotischen Veränderungen an den Extremitäten, z.B.
Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit)
 als sog. diabetisches Gangrän, z.B. der diabetische Fuß
 beim Raucherbein (Thrombangiitis obliterans)
 bei anaeroben Infektionskrankheiten wie z.B. Milzbrand und Gasbrand
 bei Erfrierungen dritten Grades
Notfallerkrankungen
P.
513
Notfallerkrankungen
Notfallerkrankungen
Definition ............................................................................................................................................... 514
Vorgehensweise in einer Notfallsituation ............................................................................................ 514
Ausgewählte Notfallerkrankungen ....................................................................................................... 517
Notfallkoffer .......................................................................................................................................... 530
© Arpana Tjard Holler (Autor)
514
Notfallerkrankungen
Notfallerkrankungen
Definition


Lebensbedrohlicher Zustand mit Störung der Vitalfunktionen aufgrund schwerer
Verletzungen, Vergiftungen oder im Rahmen einer schweren Erkrankung.
Organerkrankungen, die ohne sofortige medizinische Hilfeleistung einen irreversiblen
Schaden nach sich tragen (z.B. akutes Glaukom, Hörsturz, Hodentorsion).
Vorgehensweise in einer Notfallsituation

Ausgangssituation: Ein Patient liegt am Boden und rührt sich nicht. Wie gehen Sie vor?
 Bewusstseinsprüfung: Patient laut ansprechen, schütteln und kneifen.
Atmung kontrollieren, wenn der
Patient nicht ansprechbar ist
Keine Atmung
Atmung vorhanden
Notarzt verständigen
Stabile Seitenlage
Atemwege freimachen
Hypoglykämie?
Herzinfarkt?
Notarzt verständigen
Infusion legen
Atemwege zu
Atemwege frei
EsmarchHandgriff
Kardiopulmonale
Reanimation
Notfallerkrankungen




515
Patient ist ansprechbar:
 Untersuchungen, um den Grund des Notfalls festzustellen.
 Anamnese (was ist passiert), Puls, Blutdruck, Geruch, Bewusstseinszustand
(Benommenheit, Somnolenz, Sopor), Stauungsvenen, Rasselgeräusche über der
Lunge, Blutzucker-Spiegel.
Patient ist nicht ansprechbar:
 Freimachen der Atemwege: Kopf wird überstreckt, Unterkiefer nach vorne
gezogen
 Atmung kontrollieren (hören – fühlen – sehen): Ohr an den Mund des Patienten,
Blickrichtung zum Brustkorb, eine Hand auf dem Brustkorb (10 sec).
 In Notfallsituationen wird heutzutage nicht mehr der Karotispuls kontrolliert,
um Zeit zu sparen. Ist der Behandelnde unsicher ob eine Atmung vorhanden ist,
wird mit der kardiopulmonalen Reanimation begonnen (vorher Notarzt
verständigen).
Patient ist nicht ansprechbar, Atmung ist aber feststellbar:
 Notarzt verständigen
 In die stabile Seitenlage bringen
 Blutdruck und Puls kontrollieren
 BZ-Wert messen, um eine Hypoglykämie auszuschließen
 Geruch? Rasselgeräusche? Venenstauung?
 evtl. venöser Zugang
Patient ist nicht ansprechbar, Atmung ist nicht feststellbar: Kardiopulmonale
Reanimation (CPR)
 Notarzt verständigen.
 Kopf überstrecken und Atemwege kontrollieren (Zunge, Gebiss).
 Sofortiger Beginn mit der thorakalen Herzdruckmassage 30-mal, dann 2-mal
Beatmen (30:2). Bei Säuglingen und Kindern: 15:2.
 Patient muss auf einer harten Unterlage liegen.
 Aufsetzen der übereinandergelegten Handballen mit durchgestreckten Armen
auf die Mitte des Brustkorbes. Oberkörper über dem Druckpunkt.
 Frequenz der Druckmassage ca. 100/ Minute, Drucktiefe 3-5 cm.
 Wichtig: Kontrolle der Atmung nach 5 solcher Zyklen.
 Bei Erwachsenen am besten Mund zu Nase, bei kleinen Kindern Mund des
Beatmers über Nase und Mund des Kindes legen.
 Wenn ein Zweithelfer vorhanden ist, sollte nach einer zweimaligen
kardiopulmonalen Reanimation gewechselt werden.
Esmarch-Griff


Vorschieben des Unterkiefers bei Bewusstlosen zur Offenhaltung der Atemwege. Wird nur
angewandt, wenn eine Überstreckung des Kopfes nicht möglich ist.
Ausübung:
 Vom Kopfende aus umgreifen die Finger beider Hände den Kieferwinkel, wobei
die Daumen am Kinn liegen. Der Unterkiefer wird mit den Fingern nach vorne
geschoben, während der Daumen den Mund öffnet. Dabei wird das Zungenbein
nach vorne geschoben und die evtl. zurückgefallene Zunge gibt die Atemwege
frei. Eine Hand wird in dieser Haltung belassen und die andere ertastet mit dem
Zeige- oder Mittelfinger in der Mundhöhle und Rachen nach Fremdkörper.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
516
Notfallerkrankungen
Prüfung der Vitalzeichen


Prüfung der Atmung: Der Untersucher hält sein Ohr dicht über Nase und Mund des
Patienten um Atemzüge zu erspüren. Der Blick geht zum Brustkorb des Patienten, um
diesen mit einer Hand auf Atembewegungen zu kontrollieren. Wer einen Spiegel zur Hand
hat, kann diesen an Nase und Mund des Patienten halten und prüfen ob er durch die
Ausatemluft beschlägt.
Prüfung des Pulses: Geprüft wird der Karotispuls an der Arterie carotis communis. Am
besten wird er vor dem Musculus sternocleidomastoideus (Kopfwender) auf Höhe des
Ringknorpels ertastet. Der Radialispuls am distalen Ende der Speiche ist für die Aussage
eines Schocks wichtig (hochfrequenter kaum fühlbarer Puls). Im Notfall hat der Puls für
den Laien keine Bedeutung. Ist eine Atmung nicht zu erspüren und die Atemwege sind frei,
so muss augenblicklich die Herzdruckmassage zur Wiederbelebung durchgeführt werden.
Stabile Seitenlagerung (NATO-Lagerung)

Eine Lagerung für Patienten (auch für Kinder), die bewusstlos sind und deren
Vitalfunktionen intakt sind. Sie dient der Freihaltung der Atemwege und verhindert die
Aspiration von Blut, Schleim oder Erbrochenem.
 Säuglinge müssen in die Bauchlage gebracht werden, Arme nach oben anwinkeln,
Gesicht zur Seite
 Ausübung:
 Der Patient wird in die Rückenlage gebracht, der Behandler begibt sich links
neben dem Patienten.
 Der linke Arm angewinkelt neben dem Kopf des Patienten legen, die
Handinnenfläche zeigt nach oben.
 Die rechte Hand am Handgelenk anfassen und den Arm vor der Brust kreuzen
und mit dem Handrücken die linke Wange des Patienten berühren.
 Mit der anderen Hand den rechten Oberschenkel kurz über dem Knie anfassen,
das Bein beugen und den Patienten drehen und zu sich herüberziehen.
 Das rechte, jetzt obenliegende Bein muss im rechten Winkel zur Hüfte liegen.
 Der Kopf wird nach hinten gestreckt und die rechte Hand des Patienten mit der
Handaußenfläche unter dem Kinn gelegt, um eine Überstreckung des Halses zu
fixieren.
Rautek-Handgriff (Rautek-Rettungsgriff)

Bestimmter Handgriff um einen Bewusstlosen oder handlungsunfähigen Menschen aus
einer Gefahrenzone zu bringen:
 Der Patient wird in eine sitzende Position gebracht. Der Behandler greift von
hinten durch beide Achselhöhlen durch und den vor dem Brustkorb
verschränkten Arm, um ihn dann rückwärts aus der Gefahrensituation zu
bringen.
Heimlich-Handgriff


Erste-Hilfe-Maßnahme (bei Erwachsenen und Jugendlichen) bei Erstickungsgefahr durch
Fremdkörper in den Atemwegen. Vor Durchführung wird geraten 5-mal kräftig zwischen
den Schulterblättern zu schlagen.
Durchführung:
 Beim sitzenden oder stehenden Patienten umfasst der Behandelnde den
Patienten von hinten und verschränkt seine Arme in Höhe des Oberhauchs. Es
folgen mehrere kurze aber kräftige Druckstöße.
Notfallerkrankungen
517
 Beim liegenden Patienten kniet der Helfer mit gespreizten Beinen über dem
Betroffenen und drückt mit übereinandergelegten Händen im Epigastrium
mehrmals heftig in Richtung Zwerchfell.
 Anwendung des Heimlich-Handgriffs nur bei akuter Lebensgefahr, da Gefahr der inneren
Verletzung (Milz- und Leberruptur). Eine klinische Nachuntersuchung ist deshalb immer
notwendig. Nicht bei Kindern anwenden!
Andere Notfalllagerungen






Flachlagerung mit Anhebung der Beine, evtl. mit Kopftieflagerung (Schocklage) bei
hypovolämischem Schock, anaphylaktischem Schock.
Oberkörperhochlagerung beim kardiogenen Schock oder bei inspiratorischer Insuffizienz.
Völlige Flachlagerung bei Fraktur des Beckengürtels oder der Wirbelsäule.
Hochlagerung des Kopfes bei intrakranialer Druckerhöhung.
Halbsitzende Lagerung mit Kissen unter den angewinkelten Beinen bei Traumen im
Abdominalbereich bzw. Peritonitis.
Bei akutem pAVK (Embolie am Bein): Sitzende Lagerung, Beine tief, betroffenes Bein in
Watte einpacken, keine Hitze.
Ausgewählte Notfallerkrankungen
Schock
Def:
Lebensbedrohliches Kreislaufversagen mit kritischer Verminderung der
Organdurchblutung und nachfolgender Schädigung der Zellfunktion (v.a. der Niere).
Jeder Schock bedeutet höchste Lebensgefahr!
Pat:
Schock ist ein Notfallprogramm des Körpers. Der Körper ist nicht mehr in der Lage alle
Zellen ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Generell können drei Ursachen dafür
verantwortlich sein.
 Es ist nicht genügend Blutvolumen für die Aufrechterhaltung des Kreislaufs
vorhanden (hypovolämischer Schock).
 Die Herzleistung reicht nicht mehr aus um den gesamten Kreislauf
aufrechtzuerhalten (kardiogener Schock).
 Der periphere Kreislauf versagt infolge einer peripheren Vasodilatation mit
Austritt von Flüssigkeit ins Interstitium und daraus resultierendem relativen
Volumenmangel (distributiver Schock). Zu dieser Form gehören
 Der anaphylaktische Schock
 der septische Schock
 der seltenere neurogene Schock.
Ablauf einer Schockreaktion:
 Infolge von Adrenalin und Noradrenalin kommt es zur Vasokonstriktion v.a.
der peripheren Gefäße.
 Infolge der Vasokonstriktion kommt es zur Minderversorgung des Gewebes mit
Sauerstoff (Hypoxie).
 Infolge des anaeroben Zellstoffwechsels kommt es zur Bildung von Laktat mit
allmählicher Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose) und zum
Austreten von Flüssigkeit von den Kapillaren ins Interstitium.
 Der Verlust der intravasalen Flüssigkeit führt zur Bluteindickung, dem sog.
Sludge-Phänomen mit Entwicklung von zahlreichen Mikrothromben.
 Daraus kann eine Verbrauchskoagulopathie mit hämorrhagischer Diathese
entstehen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
518
Notfallerkrankungen
 Es kommt zu Gewebsnekrosen mit Organversagen.
Der Schockindex wird wie folgt berechnet: Pulsfrequenz geteilt durch systolischen
Blutdruck.
Wert
RR systolisch
Puls
Bewertung
0.,5
120
60
normal
1,0
100
100
Angehender Schock
1,5
80
120
Manifester Schock
Hypovolämischer Schock (Volumenmangelschock)
Def:
Entwicklung eines Schocks infolge eines Volumenmangels.
Urs:
Blut- bzw. Flüssigkeitsverlust
 Nach außen durch z.B. Durchfälle, Erbrechen, Verbrennungen
 Nach innen durch z.B. Milzruptur, Aneurysmaruptur, Peritonitis, Pankreatitis.
Path: Da der Organismus nicht mehr in der Lage ist den Kreislauf durch den
Flüssigkeitsmangel aufrechtzuerhalten, reduziert er die Durchblutung auf drei Orange:
Herz, Lunge und Gehirn. Man nennt das Zentralisation. Dies wird durch
Vasokonstriktion in der Peripherie erreicht. Dadurch muss der arterielle Blutdruck
sinken und der Puls muss infolge des O2-Mangels in der Peripherie steigen.
Sym:
Schocksymptome

Tachykardie (Puls > 100/min)

Arterielle Hypotonie (RR < 100 mmHg)
Vegetative Symptome
 Kaltschweißigkeit, blasse Haut

Brechreiz

Durst, Oligurie
The:
 Lagerung: Patient hinlegen, Beine hochlagern
 Venösen Zugang legen, isotonische Kochsalzlösung zuführen und schnell laufen
lassen (ganz aufdrehen)
Kardiogener Schock
Def:
Entwicklung eines Schocks infolge eines akuten Links- oder Rechtsherzversagens.
 Akute Linksherzinsuffizienz durch z.B. Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen,
Myokarditis, hypertensive Krise.
 Akute Rechtsherzinsuffizienz durch Herzinfarkt, Lungenembolie.
Path: Infolge der Pathologie des Herzens ist die Herzleistung so stark gesunken, dass eine
ausreichende Versorgung des gesamten Körpers nicht mehr möglich ist. Durch
Zentralisation infolge der Vasokonstriktion in der Peripherie passt sich das Herz den
Umständen an.
Urs:
Sym: 



arterielle Hypotonie mit RR syst. < 90 mmHg, Tachykardie
gestaute Halsvenen (bei erhöhtem Oberkörper)
Dyspnoe, Orthopnoe
evtl. feuchte Rasselgeräusche
Notfallerkrankungen
The:




519
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, Beine tief (Herzbettlagerung)
Sauerstoffgabe, Patient beruhigen
Keine i.m.-Injektion bei Verdacht auf Herzinfarkt
Intravenöser Zugang notwendig, aber nur sehr langsam laufen lassen (geringste
Tropfgeschwindigkeit, ca. 6-8 Tropfen pro Minute)
Anaphylaktischer Schock
Def:
Entwicklung eines Schocks infolge generalisierten allergischen Reaktion mit massiver
Ausschüttung von Histamin.
Urs.:
 Allergische Reaktion auf Medikamente (z.B. Antibiotika, ASS, Lokalanästhetika,
Röntgen-Kontrastmittel u.a.)
 Insektenstiche
 Nahrungsmittel
 Staubpartikel, Pflanzenpollen, Tierhaare
Path: Kreislaufversagen durch Vasodilatation (Histaminausschüttung im ganzen Körper)
Sym:
Vier Stadien der anaphylaktischen Reaktion:
 Stadium 0:
 Lokal begrenzte Hauterscheinung
 Stadium I:
 Allgemeinsymptome: Schwindel, Kopfschmerz, Angst, Tachykardie (aber
Blutdruck normal)
 Generalisierter Juckreiz (v.a. an Handflächen, Zunge, Kopfhaut), Urtikaria
(Nesselsucht), Flush (anfallsweise auftretende Rötung), Ödeme (v.a.
Gesichtsschwellung)
 Stadium II:
 Blutdruckabfall (angehender Schock)
 Gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe)
 Leichte Dyspnoe
 Stadium III:
 Manifester Schock: Schockzeichen (Hypotonie, Tachykardie), Schockindex >
1)
 Bronchospasmus mit schwerer Dyspnoe, inspiratorischer Stridor (durch
Verlegung im Kehlkopf)
 Stadium IV:
 Atem- und Kreislaufstillstand
The:
 Stadium O: Die Zufuhr von Allergenen unterbrechen, intravenöser Zugang sichern,
Oberkörper hoch, ½ Stunde beobachten, Puls und RR kontrollieren, kühlen
 Stadium I: Notarzt verständigen, 5ml Tavegil®, 2000ml NaCl 0,9%
 Stadium II-III: zusätzlich Schocklagerung (Patient hinlegen, Beine anheben um
60°)
 Ab Schockindex 1,0 darf der HP Adrenalin (Epinephrin) und Kortison
(Dexamethason) unter Beachtung der Sorgfaltspflicht zur einmaligen
Anwendung bei einer anaphylaktischen Reaktion bis zum Eintreffen des
Rettungsdienstes anwenden.
 Stadium IV: Reanimation
© Arpana Tjard Holler (Autor)
520
Notfallerkrankungen
Notfallerkrankungen
521
Septisch (toxischer) Schock
Def:
Entwicklung eines Schocks infolge einer generalisierten Infektion (Sepsis).
Urs:
Kreislaufzentralisation durch freiwerdende Bakterientoxine.
Path: Im Rahmen einer Sepsis verursachen die Toxine der Mikroorganismen eine
systemische Entzündung im Körper. Infolge der Entzündungsreaktion kommt es zur
generalisierten
Gefäßweitstellung
(Vasodilatation)
mit
nachfolgendem
Kreislaufversagen.
Sym: 
meist Fieber und Schüttelfrost
 Hyperventilation
 Haut anfangs warm, trocken und gut durchblutet (Patient wirkt gesünder, als er ist),
später kalt und zyanotisch
 Hautblutungen bei Infektionskrankheiten (z.B. Meningokokkensepsis)
Bei Schock generell nie i.m.-Injektion (außer anaphylaktischer Schock).
Neurogener Schock
Def:
Entwicklung eines Schocks infolge einer Schädigung des Zentralnervensystems.
Urs:




Schädigung des ZNS durch SHT, Rückenmarksverletzung, Entzündungen.
Überdosierung bestimmter Medikamente (z.B. Beruhigungsmittel, Schlafmittel)
Sehr starke Schmerzen (selten)
Psychogene Ursache: starkes emotionales Ereignis (selten)
Path: Infolge nervaler Schädigung entsteht eine Lähmung der Gefäße mit Vasodilatation.
Eine Sympathikusreaktion kann nicht mehr erfolgen, so dass es zur relativen
Hypovolämie mit generalisiertem Kreislaufversagen kommt.
Sym: 
Schocksymptome
 Anhidrose (aufgehobene Schweißbildung)
 Blasse, warme und trockene Haut
 Neurologische Ausfallserscheinungen, z.B. Stuhl- und Harninkontinenz
 Areflexie
 Meist plötzlicher Bewusstseinsverlust
Koma
Def:
Schwerste Form der quantitativen Bewusstseinsstörung. Störung der Wachheit, bei
welcher der Patient durch äußere Reize nicht mehr zu wecken ist.
Urs:
 ZNS-Erkrankungen (ca. 50%): Schädel-Hirn-Trauma, Meningoenzephalitis,
Hirntumor, Apoplex, epileptischer Anfall
 Vergiftungen (Intoxikationen) in ca. 40% der Fälle (z.B. Drogen, Medikamente)
 Stoffwechselentgleisung (metabolisches Koma): z.B. Hyper- und Hypoglykämie
(diabetisches Koma), Niereninsuffizienz (urämisches Koma), Leberinsuffizienz
(hepatisches Koma), hormonelle Entgleisungen (z.B. hypo- und hyperthyreotes
Koma), Sauerstoffmangel.
 Schock
© Arpana Tjard Holler (Autor)
522
Notfallerkrankungen
Diabetisches Koma




Formen:
 Ketoazidotisches Koma (typisch für Typ I-Diabetes)
 Hyperglykämisches Koma (typisch für Typ II-Diabetes)
Präkoma:
 Appetitlosigkeit, Erbrechen
 Durst, Polydipsie, Polyurie
 Schwäche, Tachypnoe
 Zeichen der Exsikkose mit Kollapsneigung
Koma:
 Starke Exsikkose (Volumenmangelschock)
 Oligurie, Anurie
Bei Ketoazidose
 Kussmaul-Atmung (Azidoseatmung)
 evtl. Pseudoperitonitis (Bauchschmerzen)
 Azetongeruch der Ausatemluft

Niemals bei bewusstlosem Diabetiker auf Verdacht Insulin spritzen!
Hypoglykämisches Koma (auch als hypoglykämischer Schock bezeichnet)
Def:
Bewusstseinsverlust infolge von sinkenden Blutzuckerwerten (< 40 mg/dl).
Sym:
 Heißhunger
 Übelkeit, Erbrechen
 Schwäche
 kaltschweißige Haut
 Unruhe, Zittern
 Herzklopfen, Hypertonie
 erweiterte Pupillen (Mydriasis)
 Kopfschmerzen
 Sehstörungen (Doppelbilder)
 Verstimmung, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit
 Krampfanfälle
 Apoplexie-ähnliche Symptome (z.B. Halbseitenlähmung, Sprachstörungen)
 Bewusstlosigkeit
Urs.:
 Überdosierung von Insulin oder Sulfonylharnstoffen
 Zu viel Insulin gespritzt
 Gleichbleibende Insulindosis bei verminderter Nahrungsaufnahme
 Gleichbleibende Insulindosis bei zu viel körperlicher Arbeit
 Massiver Alkoholgenuss beim Diabetiker (Alkohol bremst die Glukoneogenese in der
Leber)
 Durchfälle, Leberfunktionsstörungen
The:
 Solange der Patient bei Bewusstsein ist Traubenzucker oder andere schnell
resorbierbare Kohlenhydrate oral.
 Bei bewusstlosen Patienten Glukose-Lösung als Infusion, niemals oral wegen
Aspirationsgefahr.
 Niemals Insulin spritzen.
Notfallerkrankungen
523
Thyreotoxisches Koma (Hyperthyreotes Koma, thyreotoxische Krise)
Def:
Bewusstseinsverlust infolge einer Hyperthyreose mit extrem starker Ausschüttung von
Schilddrüsenhormonen (T3, T4).
Urs:
 Morbus Basedow (Coma basedowicum)
 Altershyperthyreose: Patient gibt B-Symptome an, Arzt sucht nach bösartigen
Tumoren mittels jodhaltigen Kontrastmitteln.
Sym:
 Präkoma:
 Tachykardie, Herzrhythmusstörungen (Gefahr auf Kammerflimmern)
 Fieber bis 41, Schwitzen, Exsikkose (Gefahr auf hypovolämischer Schock)
 Erbrechen, Durchfälle (Gefahr auf hypovolämischer Schock)
 Psychomotorische Unruhe, Angst, delirante Zustände
 Muskelschwäche, Adynamie
 Koma:
 Bewusstseinsverlust
Hypothyreotes Koma (Myxödemkoma)
Def:
Bewusstseinsverlust infolge einer Hypothyreose mit sehr geringer Ausschüttung von
Schilddrüsenhormonen (T3, T4).
Urs:
 Primäre Hypothyreose (Hashimoto-Thyreoiditis, Strahlenbehandlung)
 Sekundäre (hypophysäre) Hypothyreose
 Tertiäre (hypothalamische) Hypothyreose
Sym: 



Hypothermie bis <300C
Hypoventilation mit Anstieg des C02 im Blut
Bradykardie und Hypotonie
Zusätzlich Hypothyreosezeichen
Urämisches Koma
Def:
Bewusstseinsverlust im letzten Stadium der Niereninsuffizienz (terminale Niereninsuffizienz)
Urs:
Chronische Niereninsuffizienz durch Glomerulonephritis, Pyelonephritis, diabetische
Nephropathie
Sym:  Anurie
 Hypervolämie, Hypertonie, Ödeme (v.a. Lungenödeme = Fluid lung)
 Hyperkaliämie, Herzrhythmusstörungen
 Hyponatriämie
 Metabolische Azidose, Kussmaul-Atmung (Azidoseatmung)

Schmutzige Haut (Caffee-au-lait-Farbe), renale Anämie

Foetor uraemicus (Atem und Körper riecht nach Urin)
 Schläfrigkeit, Verwirrung, Bewusstseinsstörungen, psychotisches Verhalten
 Krampfneigung
The:
Dialyse
© Arpana Tjard Holler (Autor)
524
Notfallerkrankungen
Hepatisches Koma (Hepatische Enzephalopathie)
Def:
Bewusstseinsverlust infolge des Funktionsverlustes der Leber.
Unterscheidung:
 Leberausfallskoma
Durch eine Leberzirrhose entstehender Ausfall der Leberfunktion. Entsteht
meist durch Alkoholkrankheit oder chronische Virushepatitis.
 Leberzerfallskoma
Ein akuter Untergang des Lebergewebes. Entsteht meist eine fulminant
verlaufende
Virushepatitis
oder
eine
Vergiftung
(Paracetamol,
Knollenblätterpilze)
Pat:
Bei einem Funktionsausfall des Lebergewebes entsteht eine Ammoniakvergiftung, die
letztlich den Tod herbeiführt. Normalerweise hat die Leber die Aufgabe aus
zerfallenden Aminosäuren-Molekülen den Stickstoff (N) in Harnstoff zu überführen. Ist
die Leber dazu nicht mehr in der Lage, entsteht Ammoniak, welches sich an den
Synapsen anlagert und eine Nervenschaltung verhindert.
Sym:
 grobschlägiger Tremor (sog. flapping tremor)
 Foetor hepaticus: erdig, leberartig
 zusätzlich Zeichen der Leberzirrhose: Folgen des Pfortaderhochdrucks
(Medusenhaupt, Aszites), Ikterus, Leberhautzeichen (Palmarerythem, Spider nävi),
Gynäkomastie, Ödeme, Kachexie
Addison-Krise
Def:
Bewusstseinsverlust infolge einer Insuffizienz der Nebennierenrinde.
Sym:  NNR-Insuffizienz:
 Schwäche und rasche Ermüdbarkeit
 Pigmentierung der Haut u. Schleimhäute (sog. brauner Addison)
 Gewichtsverlust, Dehydratation
 Hypotonie
 Zusätzlich bei Addison-Krise:
 Kammerflimmer
 Exsikkose (Austrocknung), hypovolämischer Schock
 Hypoglykämie
 Metabolische Azidose (Kussmaulatmung)
Gynäkologische Notfälle
Vena-cava-Kompressionssyndrom (Vena-cava-inferior-Syndrom)
Def:
Akute Kompression der Vena cava inferior einer Hochschwangeren während der
Rückenlage bzw. auf der rechten Körperseite.
Sym: 
Schwindel und Übelkeit
 erhöhte Puls und rascher Blutdruckabfall (Tachykardie und Hypotonie)
The:
Sofort Lagerung auf der linken Seite.
Notfallerkrankungen
525
Gestose
Def:
Oberbegriff für alle in der Schwangerschaft auftretenden Stoffwechselstörungen, deren
Ursachen nicht bekannt sind.
Urs:
Idiopathisch, es wird eine Überbelastung des vegetativen Nervensystems des
mütterlichen Organismus auf die Schwangerschaft vermutet.
Frühgestose
Def:
Im ersten Schwangerschaftsdrittel (1. Trimenon = 1.-12. Woche) auftretende
Beschwerden wie z. B. Übelkeit (anfallartig) und v.a. morgendliches Erbrechen (mäßig:
Emesis gravidarum, extrem: Hyperemesis gravidarum), Kopfschmerzen, vermehrter
Speichelfluss, generalisierter Pruritus (Juckreiz)
Spätgestose
Def:
Im dritten Schwangerschaftsdrittel (25.-40. Woche) auftretende Beschwerden.
Unterschieden werden:

Präeklampsie
Gleichzeitiges Auftreten von Ödemen (engl. edema), Proteinurie und
Hypertonie (EPH- Gestose). Häufig werden diese Symptome begleitet von:
Schwindel, Ohrensausen, Sehstörungen (Augenflimmern, Doppelsehen),
Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, gesteigerte
Reflexe. Die Erkrankung bedarf einer intensiven klinischen Überwachung
(Notfall).
 Ödembildung bei Schwangeren gilt heute als nicht pathologisch.

Eklampsie
Lebensbedrohliche
zerebrale
Symptome
im
schwangerschaftsinduzierten
Hypertonie
mit
Krampfanfällen mit und ohne Bewusstseinsverlust.

Rahmen
einer
tonisch-klonischen
HELLP-Syndrom (engl. Hemolysis Elevated Liver Enzymes Low Platelets,
auf Deutsch: Hämolyse mit erhöhten Leberenzymen und erniedrigter
Thrombozytenzahl)
Schwere Leberfunktionsstörung im Rahmen einer Präeklampsie:
 Verstärkte Hämolyse
 Erhöhte Leberwerte (Hepatitis)
 Thrombopenie mit hämorrhagischer Diathese
Typische Symptome sind: Hypertonie, Übelkeit und Erbrechen, heftige
Bauchschmerzen (v.a. im Oberbauch), Durchfall, Bewusstseinsstörungen
Vergiftungen
Die meisten Vergiftungen sind Folge eines Suizidversuchs, akzidentelle Vergiftungen machen
10-15%, gewerbliche ca. 5% aus.
Vorgehen:
 Vitalfunktionen sichern
 Alle Giftreste für Untersuchung sicherstellen: Tabletten, Gläser, Flaschen, Speisereste,
Erbrochenes, Stuhl usw.
 Verringerung der Giftresorption: induziertes Erbrechen, Magenspülung usw., sollte vom
Ersthelfer wegen der Aspirationsgefahr nicht gemacht werden.
 Erbrechen auslösen ist absolut verboten bei: Bewusstlosigkeit, Vergiftungen mit Säuren,
Laugen oder fettlöslichen Substanzen (Pflanzenschutzmittel) und Schaumbildner
(Spülmittel, Shampoo u. a.)!
© Arpana Tjard Holler (Autor)
526
Notfallerkrankungen

Beschleunigung der Ausscheidung: Diuretika, Dialyse, usw. (Sache des Notarztes
Zusätzliche Maßnahmen des Ersthelfers bei speziellen Vergiftungen




Laugenverätzung: Wasser trinken lassen (nicht zu viel, da sonst Gefahr des Erbrechens),
evtl. mit verdünntem Essig oder Zitronensaft.
Säuren innerlich: Wasser trinken. Säuren äußerlich: Gut spülen
Schaumbildende Reinigungsmittel: Aspirationsgefahr bei Schaumbildung! Entschäumer
(z.B. sab-Tropfen)
Reizgase: Haut- und Schleimhäute mit Wasser spülen.
Kohlenmonoxidvergiftung
Urs: Einatmung von Kohlenmonoxid (CO) bei Verbrennungsprozessen ohne ausreichende
Sauerstoffzufuhr (Abgasvergiftung, Schwelbrände, defekte Öfen).
Pat: CO hat eine dreihundertfach höhere Bindungsaffinität zum Hämoglobin als im Vergleich
zum Sauerstoff. Es ist geruchs- und farblos. Durch die atomare Bindung des CO an
Hämoglobin (HbCO) ist die Sauerstoffaufnahme in den Körper blockiert. Die
Kohlenmonoxidvergiftung zeigt beim Patienten eine typisch kirschrote bzw. rosa
Blutfarbe (keine zyanotische Hautfarbe). Ein inneres Ersticken mit Atemlähmung tritt ab
einem HbCO-Anteil von 60% ein.
Sym: Dyspnoe, Übelkeit, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen, Cheyne-Stokes-Atmung
The: Beatmung mit reinem Sauerstoff möglichst im Rahmen einer Druckkammertherapie
Verbrennung

Bei der Beurteilung von Verbrennungen ist einerseits der Schweregrad, andererseits aber
vor allem das Ausmaß der verbrannten Haut und das Alter des Betroffenen wichtig.
Grade der Verbrennung



Grad I:
Grad IIa:
Grad IIb:

Grad III:
Rötung, Schwellung, Schmerz (heilt ohne Narbenbildung)
Rötung, Schwellung, Schmerz, Blasen (heilt ohne Narbenbildung)
Anämische Haut (Hautzirkulation nicht mehr erhalten), Schmerz,
Blasen (Narbenbildung)
Schmerzlose Totalzerstörung der Haut und Hautanhangsgebilde,
Schmerzempfindung nur an den Wundrändern erhalten, (Schwere
Narbenbildung)
Ausmaß der Verbrennungen

Wesentlich für die Prognose ist der Anteil der verbrannten Haut an der gesamten
Körperoberfläche. Dies lässt sich mit Hilfe der Neunerregel grob abschätzen. Hierzu wird
die Körperoberfläche des Erwachsenen in 11 Abschnitte zu jeweils 9% eingeteilt:
Kopf
Arme
Oberschenkel
Unterschenkel
Rumpf vorne
Rumpf hinten
Geschlechtsorgane

Erwachsene
9%
2 mal 9%
2 mal 9%
2 mal 9%
2 mal 9% = 18%
2 mal 9% = 18%
1%
Kinder
14%
2 mal 9%
2 mal 8%
2 mal 8%
2 mal 9% = 18%
2 mal 9% = 18%
Säuglinge
18%
2 mal 9%
2 mal 7%
2 mal 7%
2 mal 9 = 18%
2 mal 9 = 18%
Bei Verbrennungen von mehr als 15% kommt es zur Verbrennungskrankheit.
Notfallerkrankungen
© Arpana Tjard Holler (Autor)
527
528
Notfallerkrankungen
Verbrennungskrankheit
Def:
Bezeichnet den lebensgefährlichen Zustand nach Verbrennungen von mehr als 15% der
Hautoberfläche.
Pat:
Infolge der Zerstörung kommt es zu großflächigen Entzündungen mit Austritt von
Wasser in das Interstitium und nachhaltiger Verdunstung. Es besteht die Gefahr eines
Kreislaufschocks.
Sym: 




The:
Verbrennungsschock durch Flüssigkeitsverlust und Toxinfreisetzung
Akutes Nierenversagen
Schocklunge, zusätzlich evtl. Rauchgasvergiftung
Reflektorischer Ileus
Infektionsgefahr




Abdecken offener Flächen mit sterilen Folien (möglichst metalldampf beschichtet).
Vitalfunktionen prüfen.
Wenn möglich venösen Zugang legen und Flüssigkeit zuführen.
Kaltwasserbehandlung (ca. 15- 20 Grad) für maximal zehn Minuten, nicht länger,
sofort und nicht später, kein Eiswasser, nicht bei Verbrennung von mehr als 10% der
Körperoberfläche.
Die Kaltwasserbehandlung soll die in den Körper eingedrungene Hitze
vermindern, damit diese nicht zu mehr Schäden führt. Allerdings führt eine
massive Abkühlung zur reaktiven Vasokonstriktion und schädigt so auch das
Gewebe.
 Wenn möglich Schmerz bekämpfen.
Faustregel:
Lebensalter plus % verbrannter Oberfläche > 80 = schlechte Prognose.
Lebensalter plus % verbrannter Oberfläche >100 = aussichtslos.
Hitzeschäden
Def:
Schädigung des Körpers durch längere Hitzeeinwirkung.
 Sonnenstich
Übermäßig Sonneneinstrahlung direkt auf Kopf und Nacken führt zur
Hirnhautreizung mit
 starken Kopfschmerzen
 Schwindel, Übelkeit, evtl. Erbrechen
 Nackenschmerzen bis hin zur Nackensteifigkeit (Meningismus).
Behandlung:
Direkte Sonneneinstrahlung verhindern, erhöhte Lagerung des Kopfes, kalte und
feuchte Umschläge.
 Hitzschlag (Hyperthermie-Syndrom)
Störung der Wärmeregulationsmechanismen durch Überhitzung und verminderter
Wärmeabgabe. Symptome:
 erhöhte Körpertemperatur (über 40 °C)
 Haut trocken und heiß
 Krämpfe, Bewusstseinseintrübung, gefürchtet wird ein Hirnödem
 Abnehmender Blutdruck
Behandlung: Sofortige Kühlung des Körpers (z.B. kalte Tücher, Kleidung öffnen,
Luft fächeln), Lagerung im Schatten mit erhöhtem Oberkörper.
Notfallerkrankungen
529
Hauptgefahr bei der massiven Abkühlung nach dem Hitzschlag ist die reaktive
Vasokonstriktion in den Hautgefäßen, die einen ausreichenden Wärmeaustausch
verhindern.
 Hitzeerschöpfung (Hitzekollaps)
Versagen des Kreislaufs (Hypovolämie) durch starken Flüssigkeitsverlust bei
unzureichender Flüssigkeitsaufnahme, z.B. nach langer körperlicher Betätigung
(meist sportliche Betätigung) ohne dabei ausreichend zu trinken.
 auffallende Blässe, körperliche Schwäche
 kalter Schweiß
 Gefahr des hypovolämischen Schocks mit Schocksymptomen
Kälteschäden

Bei Kälteschäden unterscheidet man die allgemeinen (Unterkühlung) von den lokalen
Kälteschäden (Erfrierung).
Unterkühlung (allgemeiner Kälteschaden)
Def:
Absinken der Körperkerntemperatur unter 35 0C. Eine akute Lebensgefahr besteht bei
Temperaturen unter 26-30 0C durch drohendes Herzkammerflimmern.
Stadien der Unterkühlung:
1. Grad 37-34 0C Muskelzittern, Schmerzen, Blutdruckanstieg, Tachykardie,
Haut blass und kalt, Bewusstsein ist klar
II. Grad 34-27 0C Kein Muskelzittern, Bewusstseinseintrübung, keine
Schmerzen, Bradykardie, Arrhythmie, RR normal oder
erniedrigt, Reflexe abgeschwächt
III. Grad <27 0C
Koma (Scheintod): Puls nicht tastbar, minimale Atmung,
keine Reflexe, extreme Bradykardie, Pupillenerweiterung
The.:  Bei Kreislaufstillstand Herzdruckmassage und Erwärmen durch aufgewärmte
Infusionen.

 Besteht kein Kammerflimmern wird ein vorsichtige und langsame Wiedererwärmung vorgenommen: 1 °C pro Stunde (wegen Gefahr des Kammerflimmerns),
z.B. durch warmen Raum und Wolldecke.
 Keine Bewegung.
 Keine heißen Bäder oder zu schnelles Erwärmen.
Erfrierung (lokaler Kälteschaden)
Def:
Kälteschaden der Haut v.a. an den entfernten (schlechter durchbluteten) Körperteilen,
wie z.B. Nase, Ohren, Finger und Zehen. Begünstigende Faktoren können sein: Nikotin,
Nässe und Wind.
Einteilung
Grad I:
Grad II:
© Arpana Tjard Holler (Autor)
 Blasse Haut und Gefühllosigkeit
 Nach Aufwärmung Rötung der Haut, leichte Schmerzen und
Juckreiz
 Folgenlose Abheilung
 Blasenbildung, Ödembildung
 Hautschwellungen, Schmerzen
 Folgenlose Abheilung
530
Notfallerkrankungen
Grad III:
 Nekrotische trockene Hautveränderung (= Mumifikation) oder
nasse Nekrosen mit blauroten Blutblasen
 Keine Schmerzempfindung
 Vernarbung
Ertrinken
Def:
Tod infolge Sauerstoffmangels durch Einströmen von Wasser in die Lungen
Sym:  Süßwasser tritt über in den Blutkreislauf
 Hypervolämie (Verdünnung des Blutes)
 Hämolyse
 Kammerflimmern durch Elektrolytverschiebung
 Salzwasser in der Lunge zieht Flüssigkeit aus dem Blut in die Alveolen
 Lungenödem
 Hypovolämie, RR 
 Hämokonzentration (Hk-Wert )
The:
Sichern der Vitalfunktion.
Notfallkoffer


Sicherungsfähiges und geschlossenes Behältnis für den Einsatz bei Notfällen.
Für den Heilpraktiker kommt folgendes Zubehör in Betracht:
 Desinfektionsmittel (Hände- und Hautdesinfektionsmittel z.B. 80%iger
Äthylalkohol oder 70%iger Isopropylalkohol oder andere zugelassene
Desinfektionsmitteln)
 Spritzen- und Infusionsbesteck (Einmalspritzen, Kanülen, Braunüle,
Infusionsgerät, Venenverweilkanülen)
 Material zur Wundversorgung (Kompressen, Mullbinden, Zellstoff,
Mehrzweckschere), Wundschnellverbände (Pflaster), Wunddesinfektions-mittel
(z.B. Betaisadona)
 Untersuchungsgeräte und –material: Plastikhandschuhe, Blutdruckgerät,
Stethoskop, Reflexhammer, Diagnostikleuchte, Otoskop, Mundspatel,
Venenstauer, Blutzuckermessgerät, Thermometer, Harnteststreifen (z.B.
Combur10-Test)
 Beatmungsbeutel mit Masken
 Metaline-Tücher zur Wundabdeckung bei offenen Brandwunden
 Medikamente: z.B. Analgetika (Aspirin, Paracetamol), Antihistaminika
(Tavegil),
Spasmolytika
(Buscopan),
Infusionslösung
(isotone
Kochsalzlösung),
Rescue-Tropfen
(Notfalltropfen),
homöopathische
Hausapotheke, 5%ige Glukoselösung, evtl. Epinephrin und Dexamethason
 Rettungsdecke
Gesetzeskunde
Q.
531
Gesetzeskunde
Gesetzeskunde
Heilpraktikergesetz ................................................................................................................................ 532
Die Durchführungsverordnung ............................................................................................................ 532
Infektionsschutzgesetz (IFSG) vom 01.01.2001 ................................................................................... 533
Arzneimittelgesetz (AMG) vom 24.08.1976 .......................................................................................... 533
Betäubungsmittelgesetz vom 02.03.1974 .............................................................................................. 534
Hebammengesetz vom 04.06.1985 ........................................................................................................ 534
Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31.03.1952 ......................................................... 535
Weitere Tätigkeiten, die dem Heilpraktiker gesetzlich nicht erlaubt sind ........................................... 535
Gesetzlich auferlegte Pflichten des Heilpraktikers .............................................................................. 536
Hygiene-Verordnung (NRW*) .............................................................................................................. 536
Medizinproduktegesetz (MPG) ............................................................................................................. 537
© Arpana Tjard Holler (Autor)
532
Gesetzeskunde
Gesetzeskunde für Heilpraktiker

Wichtige Gesetzte und Verordnungen, welche die Tätigkeit eines Heilpraktikers
einschränken bzw. ihm eine Pflicht vorschreiben.
Heilpraktikergesetz


Das Heilpraktikergesetz ist das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne
Bestallung (Heilpraktikergesetz) wurde am 17.02.1939 erlassen.
Wichtige Paragraphen für den Heilpraktikeranwärter:
 § 1(1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf
dazu der Erlaubnis.
 § 1 (2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder
gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder
Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch
wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.
 § 1 (3) Wer die Heilkunde ausüben will, erhält diese Erlaubnis nach Maßgabe
der Durchführungsbestimmungen, er führt die Berufsbezeichnung
„Heilpraktiker“.
 § 2 Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, bisher berufsmäßig nicht
ausgeübt hat, kann eine Erlaubnis nach § 1 in Zukunft erhalten.
 § 3 Die Erlaubnis nach § 1 berechtigt nicht zur Ausübung der Heilkunde im
Umherziehen.
 Hausbesuche müssen vom Patienten bestellt sein und es darf nur der
behandelt werden, für den der Besuch bestellt wurde. Die Behandlungen von
Patienten im Rahmen von z. B. Messen oder Vorträgen ist verboten.
 § 5 Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt zu sein und ohne
eine Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
 § 5a (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Inhaber einer Erlaubnis nach § 1 die
Heilkunde im Umherziehen ausübt.
 § 5a (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2500 Euro
geahndet werden.
 § 6 Die Ausübung der Zahnheilkunde fällt nicht unter die Bestimmungen dieses
Gesetzes.
 § 7 Der Reichsminister des Innern erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes
erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.
Die Durchführungsverordnung


Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der
Heilkunde ohne Bestallung (HPG). Vom 18. Februar 1939.
Aufgrund des § 7 des Heilpraktikergesetzes vom 17.2.39 wird verordnet:
 §2 Die Erlaubnis wird nicht erteilt,
 a) wenn der Antragsteller das 25. Lebensjahr noch nicht
vollendet hat,
 c) wenn er nicht mindestens abgeschlossene Volksschulbildung
nachweisen kann
 f) wenn sich aus Tatsachen ergibt, dass ihm die sittliche
Zuverlässigkeit
fehlt,
insbesondere,
wenn
schwere
strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen,
Gesetzeskunde
533
 g) wenn ihm infolge eines körperlichen Leidens oder wegen
Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen
einer Sucht die für die Berufsausübung erforderliche Eignung fehlt,
 i) wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten
des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die
Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für
die Volksgesundheit bedeuten würde.
 §3 (1) Über den Antrag entscheidet die untere Verwaltungsbehörde im
Benehmen mit dem Gesundheitsamt.
 §3 (2) Der Bescheid ist dem Antragsteller zuzustellen; das Gesundheitsamt
erhält Abschrift des Bescheides. Der ablehnende Bescheid ist mit Gründen zu
versehen.
 §3 (3) Gegen den Bescheid kann der Antragsteller binnen zwei Wochen
Beschwerde einlegen. Über diese entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde
nach Anhörung eines Gutachterausschusses.
Infektionsschutzgesetz (IFSG) vom 01.01.2001


Den genauen Gesetzestext bitte unter N.4. „Vorstellung des IFSG“ nachschauen.
Wichtige Paragraphen für den Heilpraktikeranwärter:
 § 1 Zweck des Gesetzes
 § 2 Begriffsbestimmungen
 § 6 Für den HP meldepflichtige Infektionskrankheiten
 § 7 Von den Ärzten zu meldende Krankheitserreger, für deren verursachten
Erkrankungen für den HP Behandlungsverbot besteht.
 § 8 Zur Meldung verpflichtete Personen
 § 15 Anpassung der Meldepflicht an die epidemische Lage
 § 24 Behandlungsverbot für Infektionskrankheiten im IFSG und für sexuell
übertragbare Krankheiten
 § 30 Quarantäne (2 Krankheiten))
 § 34 Zusätzlich genannte Erkrankungen, die vom HP nicht behandelt werden
dürfen.
 § 36 Einhaltung der Infektionshygiene
Arzneimittelgesetz (AMG) vom 24.08.1976



Das Verschreiben rezeptpflichtiger Arzneimittel ist nach dem Arzneimittelgesetz nur
Ärzten und Zahnärzten erlaubt. Das heißt, der Heilpraktiker darf nur Medikamente
verschreiben, die entweder freiverkäuflich oder apothekenpflichtig aber nicht
verschreibungspflichtig sind. Der Heilpraktiker darf keine Arzneimittel verkaufen.
Ob ein Medikament verschreibungspflichtig ist, kann in der roten Liste nachgelesen
werden (AP = Apothekenpflichtig, RP = Rezeptpflichtig)
Wichtige Paragraphen für den Heilpraktikeranwärter
 § 1 Zweck des Gesetzes ist es, im Interesse einer ordnungsgemäßen
Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit
Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit der Arzneimittel nach Maßgabe bestimmter Vorschriften zu
sorgen.
 § 16 Herstellungserlaubnis: Wer Arzneimittel im Sinne des AMG gewerbs- oder
berufsmäßig herstellt, bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde.
 § 43 Apothekenpflichtig sind alle Mittel, die dazu bestimmt sind Krankheiten,
Leiden, und Körperschäden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen.
© Arpana Tjard Holler (Autor)
534
Gesetzeskunde
 § 44 Ausnahmen von der Apothekenpflicht sind Mineral-, Heil- und
Meerwässer, Heilerde und Bademoore, Pflanzen (und deren Mischungen,
Destillate und Presssäfte), Pflaster und Brandbinden, ausschließlich zum
äußeren Gebrauch bestimmte Desinfektionsmittel.
 § 48 Verschreibungspflichtig (rezeptpflichtig) sind bestimmte Arzneimittel,
die nachzulesen sind in der Roten Liste (außerdem: Gelbe Liste Pharmaindex
und Scribas-Tabelle) und die nur nach Vorlage einer ärztlichen, zahnärztlichen
oder tierärztlichen Verschreibung an den Verbraucher abgegeben werden
dürfen.
 Verschreibungspflichtige Medikamente dürfen vom Heilpraktiker ab D4 verordnet werden.
Diese Regelung gilt nicht für Stoffe, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.
 Die Verschreibungspflicht für Glukokortikoide (Dexamethason = Kortison) und für
Adrenalin (Epinephrin) ist zur einmaligen Anwendung als Notfallmedikament für
Heilpraktiker aufgehoben. Unter Vorlage der „Erlaubnis der berufsmäßigen Heilkunde
ohne Bestallung“ und des Personalausweises sowie unter Nennung des
Anwendungszweckes (für die Notfallbehandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen
nach Neuraltherapie) kann der HP persönlich diese beiden Arzneimittel erwerben.
Betäubungsmittelgesetz vom 02.03.1974

Das Verordnen von Betäubungsmitteln ist nur Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten erlaubt.
Ein Heilpraktiker macht sich bereits durch die Verordnung eines Betäubungsmittels
strafbar!
 Betäubungsmittel sind alle Stoffe, die im BtMG in der Anlage I, II und III erwähnt werden
(sind in der roten Liste mit „Btm“ gekennzeichnet).
 § 13 (1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von
Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen
einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich
der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verabreicht oder
einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden, wenn ihre
Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die
Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte
Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die in den Anlagen I und II
bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nicht verschrieben, verabreicht oder
einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden.
 § 29
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,
wer ... entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel verschreibt, verabreicht oder zum
unmittelbaren Verbrauch überlässt.
 Nicht unter das BtMG fallen homöopathische Zubereitungen von Opium ab D6 und
Schlafmohn (Papaver somniferum) ab D4.
Hebammengesetz vom 04.06.1985

Wichtige Paragraphen für den Heilpraktikeranwärter
 §4 (1) Zur Geburtshilfe sind abgesehen von Notfällen, außer Ärztinnen und
Ärzten nur Personen befugt, die von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur
Ausübung der Tätigkeit als Hebamme oder als Entbindungspfleger besitzen.
 §4 (2) Geburtshilfe im Sinn des Absatzes 1 umfasst Überwachung des
Geburtsvorganges von Beginn der Wehen an, Hilfe bei der Geburt und
Überwachung des Wochenbettverlaufs.
 Heilpraktiker dürfen keine Geburtshilfe leisten, außer in Notfällen.
Gesetzeskunde
535
Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31.03.1952

Die Ausübung der Zahnheilkunde ist ausschließlich nur Zahnärzten erlaubt.
 §1 (1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd
ausüben will, bedarf einer Bestallung als Zahnarzt nach Maßgabe dieses
Gesetztes oder als Arzt bundesgesetzlicher Bestimmung. Die Bestallung
berechtigt zur Führung der Bezeichnung „Zahnarzt“ oder „Zahnärztin“. Die
vorübergehende Ausübung der Zahnheilkunde bedarf einer jederzeit
widerruflichen Erlaubnis.
 §1 (2) Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige, auf zahnärztliche
wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von
Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm
abweichend Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer
anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von
Zähnen.
Weitere Tätigkeiten, die dem Heilpraktiker gesetzlich nicht erlaubt sind


















Kein Schwangerschaftsabbruch (§218a StGB)
Kein Röntgen (RöntgenVO)
Keine Fortpflanzungsmedizin (EmbryonenschutzG)
Keine Kastration (KastrationsG)
Keine Gentechnik (GentechnikG)
Keine Eröffnung einer Blutbank (Traunsfuionsgesetz)
Kein Arbeiten mit Krankheitserregern (IFSG)
Keine Durchführung der Leichenschau, Ausstellung des Totenscheins sowie Leichenpässe
(Verordnung über das Leichenwesen)
Keine
Untersuchungen
und
Blutentnahmen
bei
strafbaren
Handlungen
(Strafprozessordnung)
Keine Ausführung von Tätigkeiten, denen der HP nicht gewachsen ist (Sorgfaltspflicht)
Keine Behandlung von Pflichtversicherten in Kranken- und Unfallversicherung
(Sozialgesetzbuch). Der Heilpraktiker bekommt seine gebrachten Dienstleistungen und die
von ihm verordneten Arzneimittel von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.
Kein Schweigerecht im Strafprozess des Patienten
Keine Behandlungen von Verletzungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit (muss vom
Durchgangsarzt untersucht werden)
Kein Heilversprechen (Werbegesetz)
Kein Abbruch der Heilbehandlung zu Unzeiten (BGB §611), angenommen Behandlungen
dürfen nicht abgebrochen werden
Keine Unterbringung eines psychisch Kranken in ein psychiatrisches Fachkrankenhaus
(PsychKG = Psychiatriegesetz, Psychiatergesetz): Zuständig ist die örtliche
Ordnungsbehörde, der sozialpsychiatrische Dienst vom Amtsgericht und ein Arzt, der im
Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie weitergebildet oder auf dem Gebiet der
Psychiatrie erfahren ist. Einlieferung bei
 Eigengefährdung
 Fremdgefährung
 und Gefährdung rechtlicher Güter.
Rechtfertigender Notstand §24 StGB
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit,
Ehre, Eigentum eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden,
handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich
der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte
© Arpana Tjard Holler (Autor)
536
Gesetzeskunde
Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein
angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Gesetzlich auferlegte Pflichten des Heilpraktikers











Meldepflicht (IFSG §8) von Infektionskrankheiten im §6 des IFSG
Schweigepflicht in der Praxis
Sorgfaltspflicht (BGB §611)
Aufklärungspflicht
Dokumentationspflicht für10 Jahre (§630f BGB), Pflicht zum Datenschutz
Berufshaftpflicht
Hygienepflicht (Hygieneplan)
Anmeldung bei Gesundheitsamt und Finanzamt
Verkehrssicherungspflicht
Garantenpflicht (gesetzliche Pflicht, die medizinischen Kenntnisse anzuwenden)
Fortbildungspflicht
Hygiene-Verordnung (NRW*)


Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (aufgrund des § 17 Abs. 4 IFSG)
Die Hygiene-Verordnungen der einzelnen Bundesländer weichen teilweise voneinander ab.
 §1 Geltungsbereich: Die Verordnung gilt für berufs- oder gewerbsmäßig
ausgeübte Tätigkeiten außerhalb der Heilkunde, bei denen Krankheitserreger im
Sinne von §2 IFSG, insbesondere Erreger von AIDS, Virushepatitis B und C
oder deren toxischen Produkte auf Menschen übertragen werden können.
 §3 Pflichten
 Wer Handlungen vornimmt, die mit einer Verletzung der Haut oder
Schleimhaut einhergehen, hat vorher seine Hände sorgfältig zu
reinigen und diese sowie die zu behandelnden Haut- oder
Schleimhautflächen zu desinfizieren. Bei der Ausübung der
Tätigkeiten sind neue Einmalhandschuhe zur verwenden.
 Handlungen, die eine Verletzung der Haut- oder Schleimhaut
vorsehen, sind mit sterilen Geräten, Werkzeugen oder
Gegenständen vorzunehmen. Sterile Einmalmaterialien dürfen
nach dem ersten Gebrauch nicht wiederverwendet werden.
Mehrfach verwendbare Geräte, Werkzeuge und Gegenstände, die
für eine Handlung nach Satz 1 bestimmt sind, sind nach jedem
Gebrauch zunächst einer desinfizierenden Reinigung und
anschließend einer Heißluft- oder Dampfsterilisation zu
unterziehen sowie bis zur nächsten Anwendung steril
aufzubewahren
 Mehrfach verwendbare Geräte, Werkzeuge und Gegenstände,
deren Benutzung eine Verletzung der Haut oder Schleimhaut nicht
vorsieht, bei deren Anwendung es aber zu einer Verletzung der haut
oder Schleimhaut kommen kann, sind nach jedem Gebrauch zu
reinigen und mindestens an jedem Arbeitstag zu desinfizieren.
 Der Arbeitsbereich für Tätigkeiten nach §1 muss geeignet und so
beschaffen sein, dass alle Oberflächen leicht zu reinigen und zu
desinfizieren sind.
 Die Arbeitsflächen sind mindestens an jedem Arbeitstag gründlich
zu reinigen und zu desinfizieren
Gesetzeskunde
537
 §4 Desinfektion
 Vor einer Sterilisation ist eine ausreichende Desinfektion und
Reinigung der Instrumente durchzuführen.
 Eine Instrumentensterilisation hat mittels Heißluft- oder
Dampfsterilisatoren zu erfolgen. Die Sterilisatoren sind
halbjährlich und nach Reparaturen mit Bioindikatoren auf ihre
Wirksamkeit zu überprüfen.
 §5 Abfälle: Verletzungsgefährliche (spitze, scharfe oder zerbrechliche) Geräte,
Werkzeuge oder Gegenstände, die bei Tätigkeiten nach §1 verwendet worden
sind, dürfen, auch wenn sie desinfiziert worden sind, nur in einer Verpackung,
die eine Verletzungsgefahr ausschließt, in den Abfall gegeben werden.
Medizinproduktegesetz (MPG)




Vorschriften für die Herstellung und Benutzung von Medizinprodukten (Instrumente,
Apparate, Vorrichtungen und Stoffe [mit Ausnahme von Arzneimitteln], die zur Erkennung,
Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten dienen, z.B.
Akupunkturnadeln, Blutdruckmessgerät, Fieberthermometer, Stethoskop, Spritzen).
Funktionsstörungen, die zur Gefährdung eines Patienten geführt haben müssen gemeldet
werden (Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf
speziellen Formularen).
Für bestimmte Medizinprodukte gelten sicherheits- und messtechnische Kontrollen.
Für bestimmte Medizinprodukte gilt die Pflicht zur Führung eines Bestandsverzeichnisses
(Medizinproduktebuch).
Bestimmte
Medizinprodukte
unterliegen
einer
Verschreibungspflicht (Erlaubnis nur von Ärzten oder Zahnärzten)
© Arpana Tjard Holler (Autor)
538
Gesetzeskunde
Tätigkeitsverbote für den Heilpraktiker
„Zirkus Glibschauge“
Der HP darf nicht ...
Steht in ...
Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde
Zahnheilkunde betreiben
Infektionskrankheiten die im § 24 genannt sind behandeln Infektionsschutzgesetz
Röntgenverordnung
Röntgen
Infektionsschutzgesetz
Kulturen anlegen
Umherziehen (seine Tätigkeit im Umherziehen ausüben) Heilpraktikergesetz
Strafbaren Handlungen (bei) Untersuchen und Blutproben Strafprozessordnung
entnehmen
Geburtshilfe leisten
Leichenschau vornehmen
Hebammengesetz
oder Totenschein/Leichenpass Verordnung über das Leichenwesen
ausstellen
Impfen
Betäubungsmittel verordnen
Schwangerschaftsabbrüche vornehmen
Arzneimittel sind rezeptpflichtig
Unfruchtbar (Kastration vornehmen)
Gentechnik
Embryonen, arbeiten mit
Nirgendwo ausdrücklich verboten, HP dürfen
allerdings keinen Impfpass ausstellen und zudem
sind Impfstoffe verschreibungspflichtig!
Betäubungsmittelgesetz
Strafgesetzbuch § 218a
Arzneimittelgesetz
Kastrationsgesetz
Gentechnikgesetz
Embryonenschutzgesetz
Hygiene
R.
539
Hygiene
Hygiene
Definition Hygiene ................................................................................................................................ 540
Vorgehensweise bei Injektionen in den Körper ................................................................................... 543
Spritze vorbereiten und aufziehen ........................................................................................................ 545
Intravenöse Injektion geben ................................................................................................................. 545
© Arpana Tjard Holler (Autor)
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Hygiene
Definition Hygiene
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Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten und zur Erhaltung der Gesundheit
des Menschen. Darunter versteht man hauptsächlich Desinfektion und Sterilisation. Diese
Maßnahmen werden in Richtlinien in den einzelnen Hygieneverordnungen der Länder
festgehalten (siehe 9.1 unter Gesetzeskunde).
Desinfektion (Entseuchung, Entkeimung)

Maßnahmen zur Keimreduktion und Keimarmut. Ziel ist es, ein Material in einen
nichtinfektiösen Zustand zu versetzen. Allerdings besteht keine völlige Keimfreiheit, weil
sporenbildende Keime und Viren die Desinfektion überleben (im Gegensatz zur
Sterilisation). Die Desinfektion soll die Standortbakterien reduzieren und die sog.
Anflugkeime abtöten.
Formen der Desinfektion
Chemische Desinfektion
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Verminderung von pathogenen Erregern durch Desinfektionsmittel:
 80% Äthylalkohol
 70% Iso-Propylalkohol
 Handelsübliche Lösungen
Alle chemischen Desinfektionsmittel unterliegen der Kontrolle des Robert-Koch-Instituts
und müssen den Richtlinien des DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und
Mikrobiologie) bzw. des VAH (Verbund für angewandte Hygiene) entsprechen und vorher
von dieser Gesellschaft geprüft worden sein.
Drei Methoden der chemischen Desinfektion:
 Sprühen: Zu empfehlen, wenn kleine Flächen desinfiziert werden sollen. Die zu
desinfizierende Fläche muss vollständig benetzt werden. Ein gewisser Abstand
zwischen der zu desinfizierenden Fläche und dem Sprühkopf muss eingehalten
werden.
 Wischen: Bei der Wisch-Methode kann die mechanische Reinigung
Verschmutzungen lösen und entfernen. Häufig wird die Sprüh-Wisch-Methode
eingesetzt.
 Tauchbad / Einlegen: Geeignet für kontaminierte Instrumente wie z.B. Scheren,
Pinzetten, Thermometer und Klemmen. Die Gegenstände müssen vollständig
bedeckt sein. Anwendung nur mit Instrumentendesinfektionsmittel. Dosierung,
Tauchzeit und Standzeit ist im jeweiligen Desinfektionsmittel nachzulesen.
Unterschiedliche Desinfektionsarten:
 Hygienische Händedesinfektion: Die Hände werden mit einem zugelassenen
Desinfektionsmittel für 30-60 Sek. eingerieben, um Keimübertragung von einem
Patienten zum nächsten zu verhindern! Falls erforderlich (Hände sind mit Blut,
Eiter oder andere infizierte Körpersekrete in Kontakt gekommen) danach mit
Wasser und Seife abwaschen (nicht umgekehrt). Indikation:
 Vor und nach jedem Patienten
 Routinemäßig bei Beginn und am Ende der Arbeitszeit
 Routinemäßig nach jedem Toilettengang
 Routinemäßig vor und nach jeder Mahlzeit
Hygiene

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 Durchführung der hygienischen Händedesinfektion nach der 6-Regel. Die
Hände müssen vom Schmuck befreit werden. Mindestens 3 ml in die hohle
Hand geben. Die Schritte jeweils 5-mal durchführen
 Schritt 1: Desinfektionsmittel auf die Handfläche geben und
verreiben, inklusive Handgelenk.
 Schritt 2: Handfläche über Handrücken reiben im Wechsel für
beide Hände, dabei greifen die Finger ineinander.
 Schritt 3: Handfläche auf Handfläche mit verschränkten und
gespreizten Fingern, dabei reiben.
 Schritt 4: Finger ineinander verschränken, so dass die Außenseiten
der Finger in der gegenüberliegenden Handfläche ruht.
 Schritt 5: Daumen der einen Hand wird mit der anderen Hand
vollständig umschlossen und in kreisenden Bewegungen gerieben
und umgekehrt.
 Schritt 6: Finger der Hand beugen und die Fingerkuppen
geschlossen in Handfläche der anderen Hand geben und kreisend
reiben und umgekehrt. Dabei den Daumen nicht vergessen.
 Fotos bitte im Internet unter „hygienische Händedesinfektion“ ansehen!
 Hautdesinfektion: Sie ist notwendig bei invasiven Eingriffen, damit bei einer
venösen Punktion keine Krankheitserreger in den Organismus eindringen.
 Durchführung der Hautdesinfektion: Eine Kombination zwischen Sprüh- und
Einreibeverfahren wird in den Gesundheitsämtern gerne gesehen.
 Zugelassenes Desinfektionsmittel auf die entsprechende Hautstelle
sprühen.
 Einwirkzeit 15-30 Sek.
 Mit einem sterilen Tupfer von proximal nach distal wischen um die
abgetöteten Keime von der Haut zu entfernen.
 Danach noch einmal sprühen und mindestens eine Min warten.
Laufende Desinfektion: Unter einer laufenden Desinfektion versteht man regelmäßig
vorgenommene Maßnahmen zur Verhütung der Ausbreitung von Infektions-erregern. Sie
umfasst folgende Schritte:
 Flächendesinfektion: Wird bei verunreinigten (infizierten) Arbeitsplatten und
Fußböden eingesetzt. Zugelassene Mittel sind in der Roten Liste unter
Desinfizientia aufgeführt. Wichtig: Dosierungs- und Anwendungshinweise
exakt befolgen. Die Fußboden-desinfektion wird mit der Zwei-Bezugs-Methode
durchgeführt:
 Trockener sauberer Wischmopp zum Auftragen der zugelassenen
Desinfektionslösung auf den Boden (max. 25 m2).
 Zweiter trockener sauberer Wischmopp zum Aufnehmen der
überschüssigen Flüssigkeit in einen zweiten Eimer.
 Beide Bezüge in die Schmutzwäsche (Hauptwaschgang mit
Vorwäsche bei mindestens 60°C, Spülung mit Chlor).
 Instrumentendesinfektion: Medizinische Gebrauchsgegenstände werden
entweder in ein Tauchbad gelegt (z.B. Scheren, Fieberthermometer) oder nach
Gebrauch mit der Wisch- oder Sprühmethode desinfiziert (z.B. Stethoskop,
Blutdruckmessgerät)
Physikalische Desinfektion

Wird meist in Kliniken und Labors angewandt. Sie ist geeignet für Wäsche und
thermostabile Materialien aus Metall oder Kunststoff. Er werden 3 physikalische
Desinfektionsmethoden unterschieden:
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Hygiene
 Strahlendesinfektion durch UV-Bestrahlung. Wird zur Desinfektion von
Raumluft angewandt z.B. UV-Bestrahlung von Operationssälen
 Dampfdesinfektion (feuchte Hitze) durchströmenden Wasserdampf von 100°C
für 15-30 Min, z.B. bei Kissen, Decken, Matratzen.
 Heißluftdesinfektion (trockene Hitze) durch Abflammen hitzebeständigen
Materials, z.B. Reagenzgläser.
Sterilisation
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Bei der Sterilisation handelt es sich um die Entfernung aller Keime (Entkeimung).
Maßnahmen, welche eine völlige Keimfreiheit bezwecken und alle lebensfähigen
Mikroorganismen und auch deren Sporen (Dauerformen) abtöten.
Vorgehensweise bei der Sterilisation
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Bei der Sterilisation werden 6 Arbeitsschritte unterschieden:
 Grobdesinfektion: Sofort nach Gebrauch Einlegen in eine in 10%ige
Desinfektionslösung (Tauchbad) für ca. 2 Stunden (empfohlene Konzentration
und Einwirkungszeit beachten), damit pathogene Keime sofort abgetötet werden
und Verschmutzungen nicht antrocknen.
 Feindesinfektion und Reinigung: Waschen und Bürsten der Instrumente unter
fließendem Wasser. Spült Eiter, Blutreste und abgetötete Bakterien sofort weg.
 Abtrocknen und die Materialien in einer Sterilverpackung (mit Indikator) in den
Sterilisator legen.
 Aufwärmzeit je nach Sterilisator ca. 30 Min.
 Sterilisation je nach Gerät (empfohlen wird ein Dampfdrucksterilisator). Die
Zeit ist abhängig von den Sterilisatoren (siehe 1.2.2.1)
 Abkühlzeit ca. 60 Minuten
Sterilisationsverfahren
Thermische Verfahren
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Dampfsterilisation mittels eines Autoklaven (Dampfsterilisator): Arbeitet mit Druckluft
und ist geeignet für Instrumente aus Metall und Glas, Textilien, Papier und Materialien aus
Gummi. Einwirkzeiten:
 Mindestens 20 Minuten bei 120ºC und 2 bar (1 atü)
 Mindestens 5 Minuten bei 134ºC und 3 bar (2 atü)
 Die angegebenen Einwirkungszeiten gelten erst von dem Zeitpunkt an, zu dem das
Sterilisiergut die vorgeschriebene Temperatur angenommen hat.
 Heißluftsterilisation mittels eines Heißluftsterilisators: Arbeitet mit trockener Heißluft
(vergleichbar mit einem Backofen) und ist geeignet v.a. für hitzestabile Substanzen.
Einwirkzeit:
 30 Minuten bei 180 °C mit Luftumwälzung
 60 Minuten bei 180 °C ohne Luftumwälzung
 Die Heißluftsterilisation wird für den medizinischen Bereich nicht mehr empfohlen.
Weitere Verfahren zur Sterilisation
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Physikalische Verfahren mit energiereicher Strahlung (z.B. beta-Strahlung, gammaStrahlung, Röntgenstrahlen) für Einmalartikel, Verbandstoffe und Handschuhe.
Sterilisation mit energiereicher Strahlung: -, - oder -Strahlen werden eingesetzt zur
Sterilisation von Operationsräumen, großen medizinischen Geräten, Medikamenten und
Lebensmittel.
Chemische Sterilisation mit Formaldehyd oder Äthylenoxid (sehr giftiges Gas) für z.B.
großen Mengen sterilen Plastikgeräten.
Hygiene
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Sterilfiltration zur Herbeiführung der Keimfreiheit bei Flüssigkeiten und Gasen. Dabei
werden die zu sterilisierenden Lösungen durch einen Filter gepresst, deren Poren so klein
sind, dass auch Bakterien zurückgehalten werden. Allerdings können Viren den Filter
passieren.
Hygieneplan
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Bei einem Hygieneplan handelt es sich um einen schriftlich niedergelegten Plan mit
detaillierten Maßnahmen zur Verhütung von Infektionen in der Praxis. Dabei müssen auch
die durchgeführten Maßnahmen dokumentiert werden.
Im IFSG § 36 wird festgelegt, dass Einrichtungen des Gesundheitswesens und andere
Gemeinschaftsunterkünfte zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten einen Hygieneplan
erstellen müssen.
Vorgehensweise bei Injektionen in den Körper
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Achtung: Die Vorgehensweisen der einzelnen Injektionen werden in der Mündlichen
Prüfung gerne gefragt und müssen meist am Gummiarm vorgezeigt werden. Ein genaues
Repetieren der verschiedenen Schritte ohne zu zögern ist unbedingt erforderlich.
Intravenöse Punktion zur Blutabnahme oder zur Applikation eines Medikaments

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Die Wirkung des intravenös gegebenen Medikaments erfolgt ohne große Zeitverszögerung
unmittelbar nach seiner Verabreichung, da das Mittel mit dem Blutstrom zum Herzen
geführt wird und von dort über die Arterien und Kapillaren im ganzen Körper verteilt wird.
Vor einer Injektion in den Körper ist die 6-R-Regel zu beachten:
 Richtiger Patient?
 Richtiges Medikament (inklusive Haltbarkeit)?
 Richtige Dosis?
 Richtige Applikationsform?
 Richtiger Zeitpunkt?
 Richtige Dokumentation?
Vorgehensweise für die intravenöse Punktion am Gummi-Arm für die Mündliche
Prüfung:
 1.Hände desinfizieren (hygienische Händedesinfektion nach Anleitung
 2.Einverständnis des Patienten einholen, Patienten aufklären möglicher
Komplikationen
 3.Kontraindikationen
ausschließen:
Besteht
Blutungsneigung
(hämorrhagische Diathese), Allergien, Hautauschläge, Lähmungen am Arm,
Shunt zur Hämodialyse, Lymphödem, Einnahme von Medikamenten (z.B.
Marcumar®, ASS)
 4.Bereitstellung benötigter Materialien
 Desinfiziertes Spritzentablett
 Einmalplastikhandschuhe
 Haut- und Händedesinfektionsmittel
 2er Spritze 2 ml
 Kanülen: Große Kanüle zum Aufziehen (gelb = 1er) / Große
Kanüle zum i.v.-Spritzen (grün = 2er)
 Unterlage bzw. Unterarmpolster (in der Mündlichen HP-Prüfung
meist nicht vorhanden!)
 Staubinde
 Sterile Tupfer (mindestens 3) und Wundpflaster
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Hygiene
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 Zu spritzende Ampullen. Nicht vergessen: Prüfen der Ampullen
(trübe oder ausgeflockte Flüssigkeit?); nur spritzen wenn
apothekenpflichtig (AP), nicht spritzen wenn rezeptpflichtig (RP).
Notfalls in der Roten Liste überprüfen.
 Kanülen-Sammler (Sicherheitsbehälter)
 Nierenschale für den übrigen Müll
 Nicht vergessen: Auf Verfallsdatum achten!
Spritze vorbereiten und aufziehen
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Hände erneut desinfizieren und gründlich reinigen nach der 6er-Methode
Spritze vorbereiten:
 Verpackung der Spritze und gelbe Kanüle vorsichtig öffnen und dann
zusammenstecken.
 Dabei achten, dass Spritzenkonus und Kanüle nicht berührt wird. Kanüle in der
Hülse stecken lassen.
Ampulle aufbrechen:
 Zuerst anklopfen, Flüssigkeit muss aus der Spritze raus.
 Daumen mit einem Tupfer auf den markierten Punkt und dann nach hinten
abbrechen ohne Ampullenrand zu berühren.
 Bei Ampullen mit Plastik: Abdrehen.
Kanüle in die Ampulle einführen.
 WICHTIG: Rand und den Boden dabei nicht berühren!
Spritze aufziehen.
 Spritzenstempel nicht berühren.
Spritze umdrehen, Kanüle nach oben
Gelbe Kanüle entfernen und in den Abwurfbehälter
Luft aus der Spritze vorsichtig rausdrücken
Vorbereitete grüne Kanüle zur i.v.-Injektion mit Schutzkappe aufsetzen.
Spritze ablegen
Intravenöse Injektion geben
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Arm stauen und möglich Punktionsstelle suchen (Pulskontrolle: Puls ist tastbar).
Bevorzugte Punktionsstelle ist die
 Vena cephalica (radiale Seite des Arms)
 oder die Vena mediana cubiti.
 Die ulnare Vene heißt Vena basilica. Sie darf wegen ihrer Nähe zu Arteria brachialis
nicht als Punktionsstelle benutzt werden.
Stauung wieder lösen.
Injektionsstelle desinfizieren:
 Sprühen
 von proximal nach distal wischen
 Sprühen und 1 Minute einwirken lassen
Plastikhandschuhe zum Selbstschutz anziehen
Staubinde anlegen und erneut stauen (Puls ist tastbar)
Injektionskanüle in die Hand nehmen, Schutzkappe abziehen
Mit der linken Hand Vene unterhalb der Punktion straffen, im 30° Winkel punktieren und
dann flacher vorschieben.
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Unbedingt aspirieren: Kolben kleines Stück zurück. Wenn Blut erscheint, Staubinde mit
linker Hand aufmachen.
Stauschlauch lösen außer bei Blutentnahme
Langsame Injektion bzw. Blutaufziehen
Tupfer in die linke Hand und Kanüle aus der Vene herausziehen, Tupfer drauf, Patient bitten
den Tupfer noch eine Weile zu halten (Arm nicht beugen, nicht zu festdrücken)
Kanüle in den Sicherheitsbehälter geben
 Achtung: Kanülen dürfen nicht nach der Benutzung in die Schutzkappen
zurückgesteckt werden ("recapping").
Spritze in die Nierenschale für den Hausmüll
Pflaster auf die Punktionsstelle
Mögliche Komplikationen und Risiken einer intravenösen Punktion sind:
 Spritzenabszeß, wenn die Vene durchgestochen wird und das Medikament in das
umliegende Gewebe gelangt
 Venenreizung
 Bakteriämie, Sepsis
 Statt in die Vene in die Arterie injizieren
 Anaphylaxie
 Hämatome
Intravenöse Punktion zur Infusion und Anlegen der Verweilkanüle
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Bei bewusstlosen Patienten und bei Patienten mit einem Schock ist das Anlegen einer
Verweilkanüle (bevor der Notarzt kommt) notwendig. Vorher muss eine Hypoglykämie
geprüft worden sein.
Vorgehensweise für die intravenöse Punktion zum Anlegen der Verweilkanüle am
Gummi-Arm für die Mündliche Prüfung:
 1.Hände desinfizieren (hygienische Händedesinfektion nach Anleitung
 2.Kontraindikationen ausschließen
 3.Berei
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