Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau Inhaltsverzeichnis 2 Geotechnische Untersuchungen 2.1 Grundlagen 2.1.1 Untersuchungsphasen 2.1.2 Geotechnische Untersuchungen nach DIN 4020 2.2 Entstehung der Gesteine 2.3 Beschreibung und versuchstechnische Ermittlung der Eigenschaften von Lockergestein 2.4 Beschreibung und versuchstechnische Ermittlung der Eigenschaften von Festgestein 2.4.1 Laborversuche 2.4.2 Feldversuche 2.5 Beschreibung und Ermittlung der Gebirgseigenschaften 2.5.1 Beschreibung des Trennflächengefüges 2.5.2 Darstellung von Trennflächen 2.5.3 Beispiel für eine Gebirgsbeschreibung 2.5.4 Ermittlung der Gebirgsfestigkeit aus der Gesteinsfestigkeit nach Hoek-Brown (2002) 2.6 Klassifizierung von Lockergesteinen 2.7 Gebirgsklassifizierung 2.7.1 Grundsysteme der Klassifizierung 2.7.2 Angaben zu Gebirgsklassifizierungen in Normen 2.8 Schrifttum Hö/Fb 16.05.13 2.1 2.1 2.1 2.1 2.3 2.4 2.4 2.5 2.6 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.19 2.21 2.21 2.26 2.27 Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.1 Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau 2 Geotechnische Untersuchungen 2.1 Grundlagen 2.1.1 Untersuchungsphasen Der zeitliche Ablauf geotechnischer Untersuchungen wird in verschiedene Abschnitte unterteilt. Die Untersuchungsart und –dichte richtet sich hierbei nach der jeweiligen Fragestellung. Grundsätzlich sind dabei die projektspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine erste allgemeine Unterteilung der Untersuchungsphasen in Abhängigkeit von den Planungsabschnitten ist in Tabelle 2.1 dargestellt. Planungsabschnitt Erkundungstätigkeit Resultat Machbarkeitsstudie Sichtung von Unterlagen, Luftbilder, Ortsbegehung / Kartierung Trassenvariation, Umweltverträglichkeit Vorplanung -> Planfeststellung Vorerkundung: Detailkarten, Sondierungen, Bohrungen, (Vor-) Versuche Hauptuntersuchungen (I): verdichtete Bohrungen, Labor- und Feldversuche, Erkundungsstollen, … Festlegung von Bauverfahren, Planfeststellung Planfeststellung / Ausschreibung Hauptuntersuchung (II): verdichtete Untersuchungen, Spezialuntersuchungen Baubegleitende Untersuchungen: z.B. Messungen, Ortsbrustkartierungen, ... Beginn der Baudurchführung Entwurf, Berechnungen, Sicherungskonzept Ausführungsplanung Bauphase Tabelle 2.1: Zeitlicher Ablauf geotechnischer Untersuchungen 2.1.2 Geotechnische Untersuchungen nach DIN 4020 In der DIN 4020 sind Art und Umfang von Baugrunderkundungen geregelt. Folgende Aufschlussverfahren werden beschrieben: - Luftaufnahmen: Durchführung bei großflächigen Aufgabenstellungen sowie schlecht zugänglichen Gebieten zur Erfassung der Oberflächenbeschaffenheit und der grundsätzlichen geologischen Strukturen. - Direkte Aufschlussverfahren: Schürfe, Untersuchungsschächte bzw. Stollen: Ausführung nach sorgfältiger Planung und Abstimmung mit der Lage des Bauwerks. Bohrungen: Das Verfahren ist in Abhängigkeit der zu beantwortenden Fragestellung und des zu erwartenden Baugrundes abzustimmen (Rotationskernbohrungen, Rammkernbohrungen, Klein- und Kleinstbohrungen, Greiferund Spülbohrung). Versuche im Bohrloch müssen dabei ebenfalls berücksichtigt werden. - Indirekte Aufschlussverfahren: Sondierungen: Zur quantitativen Auswertung muss der Bodenaufbau aus direktem Aufschlussverfahren bekannt sein. Beurteilung der Lagerungsdichte mittels Rammsondierungen, Drucksondierungen (DIN 4094) oder Bohrlochrammsondierungen (BDP). Geophysikalische Verfahren an der Erdoberfläche oder im Bohrloch: Dürfen nach DIN 4020 in der Hauptuntersuchung prinzipiell nur in Verbindung mit direkten Aufschlussverfahren eingesetzt werden. Aufschlüsse durch z.B. Seismik, Geoelektrik, Elektromagnetik, Bodenradar, … - Laborversuche: an Bodenproben, an Gesteins- und Felsproben, an Wasserproben. Hö/Fb 16.05.13 Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.2 - Feldversuche: Boden: Feldversuche unter anderem zur Bestimmung der Dichte, der Festigkeit und der Verformungseigenschaften sowie der Durchlässigkeit. Fels: Die Festigkeits- und Verformungseigenschaften, der natürliche Spannungszustand, sowie die Wasserdurchlässigkeit können in der Regel nur durch Feldversuche bestimmt werden. - Messtechnische Verfahren: Es werden Verformungen, Kräfte, Spannungen und Erschütterungen gemessen, um zu überprüfen, ob: das tatsächliche Baugrundverhalten mit den Prognosen übereinstimmt, die Sicherheit im Bau- und Endzustand gegeben ist, zusätzliche technische Maßnahmen getroffen werden müssen oder ob auf vorgesehene Maßnahmen verzichtet werden kann. Nach DIN 4020 werden für Erkundungen durch Aufschlussbohrungen folgende Empfehlungen getroffen: - Erkundungshäufigkeit für Tunnelbauwerke: 50 m bis 200 m (siehe auch Empfehlungen des Arbeitsausschusses „Ufereinfassungen“ (EAU), bei Unregelmäßigkeiten bzw. schwierigen Baugrundverhältnissen häufiger. - Aufschlusstiefe za: Muss alle maßgebenden geologischen Schichten erfassen, ist auf die hydrogeologischen Verhältnisse abzustimmen und muss etwa um das 1- bis 2-fache des Tunneldurchmessers unter die Tunnelsohle reichen. Die Untersuchungen werden zusammen mit den Folgerungen in einem Geotechnischen Bericht nach DIN 4020 zusammengefasst. Dieser enthält 3 Abschnitte: - Abschnitt 1, Grundlagen: Aufgabenstellung, Objektangaben, Beschreibung der Untersuchungen, Darstellung der Untersuchungsergebnisse. - Abschnitt 2, Auswertung und Bewertung der geotechnischen Untersuchungsergebnisse: Kritische Beurteilung der Ergebnisse. Auf Unzureichendes hinweisen, Vorschläge für ergänzende Untersuchungen. - Abschnitt 3, Folgerungen, Empfehlungen und Hinweise; Stellungnahme zum Bauwerk: Überschlägige Sicherheitsnachweise, Setzungsberechnungen. Angabe von charakteristischen Größen von Baugrundkenngrößen und Grundwasserständen für maßgebliche Berechnungsmodelle einschließlich Begründung. Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen 2.2 Seite 2.3 Entstehung der Gesteine Die Entstehung der Gesteine kann als Kreislauf (s. Bild 2.1) dargestellt werden. Der Prozess beruht auf dem Energieausgleichsbestreben innerhalb der Erdkruste und wird durch das Wirken endogener und exogener Kräfte hervorgerufen. In der Gesteinskunde werden die Gesteine ihrer Entstehung nach eingeteilt. Diese hängt von den einzelnen Prozessen innerhalb des Kreislaufs ab. In der Natur ist eine klare Trennung häufig nicht möglich. Magmagesteine (Erstarrungsgesteine) Plutonische Gesteine (z. B. Granit, Diorit, Gabbro) Vulkanische Gesteine (z. B. Diabas, Basalt, Porphyr) Sedimentgesteine, fest (Entstehung an der Erdoberfläche) z. B. Tonschiefer, Sandsteine, Konglomerate Sedimente (Lockergesteine) Klastische Sedimente (z. B. Tone, Sand, Kies) Chemische Sedimente ( z. B. Salz) Biogene Sedimente (z. B. Torf, Erdöl) Metamorphe Gesteine (Umwandlung innerhalb der Erdkruste durch Druck und Temperatur) Orthogestein (metamorphe Magmatite, z.B. Gneis) Paragestein (metamorphe Sedimente, z.B. Marmor) Bild 2.1: Kreislauf der Gesteine Das Wissen um die Entstehung der Gesteine ist wichtig, jedoch nicht ausreichend, um die Eigenschaften der Gesteine beschreiben zu können. Weiterhin können Gesteine mit unterschiedlichen Entstehungsgeschichten ähnliche Eigenschaften aufweisen. Für bautechnische Zwecke werden daher in der DIN 1054 Gesteine nach ihren grundsätzlichen Eigenschaften unterteilt. Zunächst werden sie in Festgesteine und Lockergesteine unterschieden. Eine Definition der Begriffe findet sich in Tabelle 2.2 wieder. Als Gebirge versteht man den aus Festgestein, Lockergestein oder beidem aufgebauten und natürlich entstandenen Teil der Erdoberfläche. Gestein natürlich gebildetes Gemenge verschiedener Mineralien oder auch einer Mineralart Festgestein Lockergestein Gemenge von Mineralien und bzw. oder GesteinsGemenge von Mineralien und bzw. oder Gebruchstücken mit mineralischer Bindung. Charaktesteinsbruchstücken und bzw. oder organischen ristisch sind die überwiegende Flächenberührung Bestandteilen ohne mineralische Bindung. Zerleund Flächenverbindung der Bestandteile. gung in Korngrößen ist möglich. Es treten mehrere Phasen auf: • fest - flüssig, • fest - gasförmig, • fest - flüssig - gasförmig. Tabelle 2.2: Unterscheidung der Gesteine Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen 2.3 Seite 2.4 Beschreibung und versuchstechnische Ermittlung der Eigenschaften von Lockergestein Eine allgemeine Unterteilung und Beschreibung von Lockergestein nach den Eigenschaften findet sich in DIN 14688, DIN 4023 und ggf. in DIN 1054:2010 und dem EC7. (s. Tabelle 2.3). Lockergestein Unterscheidungskritierien nicht bindig Korngrößenverteilung, Kornform, Dichte, Wassergehalt, Genese: bindig - Kornanteil < 0,06 mm < 5 % bei Sanden, Kiesen, Steinen und deren Mischungen; - Kornanteil < 0,06 mm > 40 % bei Tonen, Schluffen, tonigen Schluffen und Mischungen mit nichtbindigen Böden; Kornanteil < 0,06 mm von 5 bis 40 % (gemischtkörnige Böden), wenn der Feinkornanteil die Eigenschaften des Bodens nicht bestimmt. Plastizität, Konsistenz, Porenanteil, Aufweichbarkeit, Genese (Entstehung): Kornanteil < 0,06 mm von 5 bis 40 % (gemischtkörnige Böden), wenn der Feinkornanteil die Eigenschaften des Bodens entscheidend prägt Anteil und Zersetzungsgrad der organischen Stoffe, Genese (z. B. Schlamm, Torf): Nichtbindige und bindige Böden werden als organisch bezeichnet, wenn die organischen Beimengungen tierischer oder pflanzlicher Herkunft - organisch Auffüllungen (künstlich) - bei nichtbindigen Böden mehr als 3 Masse-%, - unverdichteten Schüttungen beliebiger Zusammensetzung und bei bindigen mehr als 5 Masse-% beträgt. es wird unterschieden nach: verdichteten Schüttungen aus nichtbindigen oder bindigen Bodenarten oder aus anorganischen Schüttgütern, z.B. Bauschutt, Schlacke oder Erzrückstände, wenn die Schüttungen ausreichend verdichtet worden sind. Tabelle 2.3: Beschreiben von Lockergestein Für die Ermittlung der Eigenschaften von Lockergesteinen im Tunnelbau sind neben den klassifizierenden Laborversuchen (z.B. Korngrößenverteilung, Plastizitätsgrenzen, Wassergehalt, Dichte, Glühverlust, …) insbesondere Versuche zur Bestimmung der Scherfestigkeit, der Durchlässigkeit und der Steifigkeit sowie – bei quellfähigem Gebirge – des Quelldruckverhaltens von Bedeutung. Die Versuchsdurchführungen sind in den bodenmechanischen Versuchsnormen (DIN 18121 – 18137) geregelt. Die Versuche werden eingehend in der Bodenmechanik-Vorlesung behandelt. Feldversuche können von GOK aus oder im Bohrloch durchgeführt werden. Häufig eingesetzte Versuche sind die Bestimmung der Dichte (DIN 18125), Ramm-, Druck- oder Bohrlochrammsondierungen (DIN EN ISO 22476), Bohrlochaufweitungsversuch BAV (DIN 4094) oder Durchlässigkeitsversuche im Bohrloch (DIN 18130-2) (s. BodenmechanikVorlesung). 2.4 Beschreibung und versuchstechnische Ermittlung der Eigenschaften von Festgestein DIN 1054 und 14689 geben einen Einblick in die Beschreibung von Festgesteinen, eine detaillierte Einteilung der Festgesteine wird jedoch nicht vorgenommen, da bautechnisch in der Regel die Gebirgseigenschaften gegenüber den Gesteinseigenschaften im Vordergrund stehen (s. Abschnitt 2.5). Wichtige Eigenschaften von Festgesteinen und deren Unterscheidungskriterien sind in Tabelle 2.4 wiedergegeben. Unterscheidungskriterien von Festgesteinen Gesteinsart Sediment-, Magma- oder Metamorphgestein Gefüge - Struktur: z.B. Kornform, Kornanordnung, Kornbindung Verwitterung Beständigkeit gegen Luft und Wasser Druckfestigkeit Zähigkeit Härte - Textur: z.B. Orientierung der Kristalle Zersetzungsgrad, Entfestigung Verwitterungsbeständigkeit, Quellfähigkeit, Löslichkeit von Salzen und Kalk Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.5 Tabelle 2.4: Beschreiben von Festgestein 2.4.1 Laborversuche Wichtige Versuche zur Ermittlung der Eigenschaften von Gesteinen im Labor sind z.B. der ein- oder dreiaxiale Druckversuch, der Punktlastversuch, der Spaltzugversuch, sowie Versuche zur Bestimmung der Veränderlichkeit im Wasser (Quelldruckversuch, Wasseraufnahme). Diese Versuche werden in der Felsmechanik-Vorlesung behandelt. Beispielhaft ist in Bild 2.2 die Versuchsdurchführung und Auswertung des einaxialen Druckversuchs dargestellt. Es wird die Belastung der zylindrischen oder prismatischen Probe bis zum Bruch (einaxiale Druckfestigkeit qu) gesteigert. Aus der Spannungs-Dehnungslinie kann der E-Modul sowie die Querdehnzahl abgeleitet werden. qu = einaxiale Druckfestigkeit E = Elastizitätsmodul = Querdehnzahl = Dehnung Bild 2.2: Durchführung und Auswertung von einaxialen Druckversuchen Einen Anhaltswert über die einaxiale Druckfestigkeit liefert auch der Punktlastversuch (s. Bild 2.3), der aufgrund seiner sehr einfachen und schnellen Durchführung (es können auch unregelmäßig geformte Probekörper geprüft werden und die Spannungs-Dehnungslinie wird nicht ermittelt) im Tunnelbau häufig zur überschlägigen Klassifizierung des Festgesteins eingesetzt wird. Ermittlung der undränierten Scherfestigkeit cu des Gesteins: qu 24·Is Is = Pu a² Pu = Bruchlast a = Lastpunktabstand Bild 2.3a und b: Durchführung von Punktlastversuchen, mögliche Probenformen Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.6 Da die Bestimmung der Zugfestigkeit von Gesteinen versuchstechnisch schwierig ist, wird meist der Spaltzugversuch (Brasil-Test) an kreiszylindrischen Proben durchgeführt. Die Probe wird dabei durch eine gleichmäßige Linienlast belastet (s. Bild 2.4). Daraus kann anschließend näherungsweise die Zugfestigkeit z,u bestimmt werden. z,u 2 Pu dl z,u = Zugfestigkeit [N/mm²] Pu = Last [N] d = Probendurchmesser [mm] l = Probenlänge [mm] Bild 2.4: Durchführung von Spaltzugversuchen 2.4.2 Feldversuche Die versuchstechnische Ermittlung der Festgesteins- und der Gebirgseigenschaften lässt sich – je nach Durchtrennungsgrad des Gebirges – häufig nicht mehr eindeutig trennen. In der Regel ist es auch das Ziel, die Gebirgseigenschaften zu ermitteln. Häufig eingesetzte Versuche sind der Door-Stopper-Test, Wasserabpress- und Pumpversuche, Bohrlochaufweitungsversuche, Lastplattenversuche oder Druckkissenversuche (s. Felsmechanik-Vorlesung). Beispielhaft ist in Bild 2.5 die Versuchsdurchführung mit der Biaxialzelle (Door-Stopper-Test) dargestellt. Er wird eingesetzt, um den im Fels herrschenden Spannungszustand vor dem bautechnischen Eingriff zu bestimmen. Die Vorgehensweise ist in Bild 2.5 dargestellt. Die Biaxialzelle misst die Dehnung bei der Entlastung des Bohrkerns mittels Dehnmessstreifen. Anschließend wird er im Labor wieder belastet, bis er sich rückverformt hat. Daraus wird der ursprüngliche Spannungszustand abgeleitet. 1. Untersuchungsbohrung mit geglätteter Bohrlochsohle 2. Biaxialzelle auf Bohrlochsohle geklebt und Aufkleben von DMS 3. Bohrung vertieft zur Entspannung des Gesteinkerns und Dehnungsmessung 4. Bohrkern wird abgebrochen und mit Biaxialzelle gezogen Bild 2.5: Door-Stopper-Test Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.7 Der Dilatometerversuch gehört zur Kategorie der Bohrlochaufweitungsversuche. Über eine Sonde, die im Wesentlichen aus einer hydraulischen Zelle besteht, wird in dem gewünschten Bohrlochabschnitt ein Innendruck auf die Bohrlochwandung aufgebracht, die dabei entstehende Radialverformung gemessen und so der Dilatometermodul ED ermittelt. Dieser entspricht nach DIN 4094 – 5 im mittleren Bereich des Entlastungsastes näherungsweise dem Elastizitätsmodul des Bodens. ED = p·d d ·(1+) ED = Dilatometermodul p = Druck auf die Bohrlochwandung d = radiale Änderung des Bohrlochdurchmessers = Querdehnzahl Bild 2.6: Dilatometerversuch Zur Ermittlung der Gebirgsverformbarkeit sind häufig Versuche mit einem größeren Einflussbereich und dementsprechend größeren Abmessungen erforderlich, wobei jedoch die Kosten der Versuchsdurchführung überproportional ansteigen. Dies zeigt der Kostenvergleich der in Bild 2.7 dargestellten Versuche. Bild 2.7: Ermittlung der Gebirgsverformbarkeit - Kostenvergleich der Untersuchungen Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen 2.5 Seite 2.8 Beschreibung und Ermittlung der Gebirgseigenschaften Die Beschreibung des Gebirges umfasst die Beschreibung der Gesteine (s. 2.3 und 2.4), der Grundwasserverhältnisse (hierbei besonders die Verteilung der Wasserdrücke und der Chemismus des Bergwassers) und des Trennflächengefüges. Das Trennflächengefüge kann die für den Tunnelbau wichtigen Eigenschaften des Gebirges ganz wesentlich beeinflussen. Beispielsweise sind Gebirge mit sehr hohem Durchtrennungsgrad tunnnelbautechnisch ganz anders zu bewerten als Gebirge mit geringem Durchtrennungsgrad, auch wenn jeweils die Gesteinsfestigkeit sehr groß ist. Aufgrund dessen sind die Eigenschaften des Gebirges also nicht gleich der Summe der Eigenschaften des Gesteins! Auch die Lage des Trennflächengefüges hat einen entscheidenden Einfluss auf den Tunnelbau, sowohl was die Vortriebsleistung betrifft als auch die Standsicherheit. In Bild 2.8a bis c sind drei idealisierte Beispiele von Trennflächengefügen dargestellt. St re ic he n Günstig für den Ausbruch: Schichten werden senkrecht durchstoßen. Beim Vortrieb werden Scheiben nahezu senkrecht durchörtert, daher gute Gewölbewirkung. Beim Sprengen geringer Wirkungsgrad. Fallen Ungünstig hinsichtlich der Profilhaltigkeit, Schichten brechen treppenförmig aus. Gewölbewirkung abhängig von c und in den Schichtfugen. Treppenbildung Wenig Gewölbewirkung bei relativ kleinen Schichtdicken, daher unsicher in der Firste, insbesondere bei großen Querschnitten (Gefahr von „Sargdeckeln“). Sargdeckel Bild 2.8a bis c: Einfluss des Trennflächengefüges auf den Ausbruch Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.9 2.5.1 Beschreibung des Trennflächengefüges Das Trennflächengefüge kann anhand folgender Eigenschaften beschrieben werden: - Geologische Zuordnung (Schichtung, Schieferung, Klüftung, Störzonen) Raumstellung (Fallen und Streichen) Abstand der Trennflächen Erstreckung (latente Klüfte) Durchtrennungsgrad Öffnungsweite Füllung der einzelnen Trennfugen (z.B. Mylonit, Kluftlehm, Quarz, Calcit) Unebenheit, Rauhigkeit Trennflächen beeinflussen die Verformbarkeit, die Festigkeit und die Durchlässigkeit des Gebirges. Die Spannungsübertragung (und somit auch die Möglichkeit der Spannungsumlagerung beim Ausbruch) wird ebenfalls von den Trennflächen bestimmt. In Bild 2.9a sind Beschreibungen von Trennflächen für eine gestörte Lagerung angegeben, Bild 2.9b zeigt ein Beispiel für ein felsmechanisches Gefügemodell. In der Vertiefervorlesung „Felsmechanik“ wird die Beschreibung des Trennflächengefüges im Detail behandelt. Störungsfläche Schichtung S horizontal Abstand der Klüfte feinbankig Schluffstein Schluff grobbankig schiefrig offen geschlossen (Öffnungsweite) Klüftung K1 vertikal Bild 2.9a und b: Beispiele zur Beschreibung eines Trennflächengefüges Klüftung K2 vertikal Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.10 2.5.2 Darstellung von Trennflächen Zur Bestimmung der Neigung einer Trennfläche im Raum ist die Bestimmung zweier, die Trennfläche beschreibender Winkel erforderlich. Als Streichwinkel wird die Abweichung einer Trennfläche von der Nordrichtung bezeichnet, der Fallwinkel definiert die Lage der Trennfläche gegen die Horizontale. Die Lage einer Trennfläche wird mit dem Kompass bestimmt (s. Bild 2.10). Bild 2.10: Streichen und Fallen einer Trennfläche Um die Lage der Trennflächen grafisch einfach darzustellen, werden diese in der Lagekugel (projiziert auf ein Normalnetz der unteren Kugelhälfte) abgebildet. Die genaue Lage einer Trennfläche kann sowohl über deren Großkreis (Schnittlinie der Lagekugel mit der Trennfläche), als auch über den Lotpunkt (Schnittpunkt des Lots der Trennfläche mit der Lagekugel) bestimmt werden. Bild 2.11a und b: Streichen und Fallen einer Trennfläche, Abbildung in der Lagekugel und im Normalnetz Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.11 Die Lotpunkte werden in ein Lotpunktdiagramm übertragen und mittels quadratischem Netz, Auszählkreis und Auszählhantel ausgewertet. Das Ergebnis sind Besetzungsdichten, die die Häufigkeit von Trennflächenlagen auf sehr einfache und anschauliche Art wiedergeben. Bild 2.12: Statistische Auswertung von Trennflächen 2.5.3 Beispiel für eine Gebirgsbeschreibung In Bild 2.13 ist beispielhaft die Zusammenstellung einer Gebirgsbeschreibung für einen Festgesteinstunnel der Neubaustrecke Köln – Rhein/Main dargestellt. Bild 2.13: Beispiel Gebirgsbeschreibung mit Lotpunktdiagramm Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.12 2.5.4 Ermittlung der Gebirgsfestigkeit aus der Gesteinsfestigkeit nach Hoek-Brown (2002) Wie bereits erläutert, umfasst die Beschreibung des Gebirges die Beschreibung der Gesteinseigenschaften (s. 2.3 und 2.4), der Grundwasserverhältnisse und des Trennflächengefüges, wobei insbesondere das Trennflächengefüge die mechanischen Eigenschaften des Gebirges (Scherfestigkeit, Steifigkeit) beeinflusst. Während beispielsweise im Labor i.d.R. nur die Gesteinsfestigkeit bestimmt werden kann, ist für die Tunnelberechnung - z.B. mit der Methode der Finiten Elemente - die Gebirgsfestigkeit zu berücksichtigen. Diese ist aufgrund des festigkeitsmindernden Trennflächengefüges geringer als die Gesteinsfestigkeit. Nachfolgend wird das Verfahren von Hoek-Brown (2002) vorgestellt, mit dem anhand der Gesteinsfestigkeit, sowie Informationen über das Trennflächengefüge und die Störung des Gebirges durch den Lösevorgang auf die Gebirgsfestigkeit geschlossen werden kann. Vorab sei angemerkt, dass dieses empirische Verfahren auf den Erfahrungen der Autoren in bestimmten Gebirgsverhältnissen basiert, die eventuell nur bedingt übertragbar sind. Aus diesen Gründen ist es daher wichtig, dass das Ergebnis nicht überschätzt wird. In der statischen Berechnung wird man ergänzend durch Variation der Eingangsparameter diejenigen Kenngrößen herausfiltern und mit Bandbreiten belegen, die hinsichtlich des Berechnungsergebnisses von besonderem Einfluss sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Ansatz der Gebirgsfestigkeit für die Tunnelberechnung in intaktem Festgestein (Gebirgsfestigkeit entspricht hier der Gesteinsfestigkeit) oder aber im stärker geklüfteten Gebirge geeignet ist (s. Bild 2.14). Treten nur wenige Kluftflächen im Gebirge auf, ist es für die Tunnelberechnung erforderlich, ergänzend die Sicherung anhand von Gleitkörperbetrachtungen (Sicherheit gegen Abgleiten einzelner Blöcke, deren Lage durch Trennflächen vorgegeben ist) zu dimensionieren. intaktes Festgestein eine Klüftung – Hoek-Brown nicht anwenden! zwei Klüftungen – Hoek-Brown nicht anwenden! mehrere Klüftungen – Hoek-Brown mit Vorsicht anwenden! viele Klüftungen – Hoek-Brown anwenden! Bild 2.14: Bestimmung der Gebirgseigenschaften nach Hoek-Brown Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.13 Zur Beschreibung der Gebirgsfestigkeit verwendet Hoek-Brown nicht die lineare Bruchbedingung nach Mohr-Coulomb, die durch die Scherparameter c’ und ’ definiert wird, sondern eine gekrümmte Bruchbedingung. In Bild 2.15 sind beide Bruchbedingungen im1’ / 3’ – Diagramm dargestellt. Hoek-Brown max. Hauptspannung 1′ 1 3 ci mb 3 s ci a Mohr-Coulomb 2 c cos 1 sin 1 3 1 sin 1 sin ′3max t min. Hauptspannung 3′ Vergleichsbereich zwischen Hoek-Brown und Mohr-Coulomb Bild 2.15: Bruchbedingung nach Mohr-Coulomb und nach Hoek-Brown Es bedeuten: 1′, 3′ … maximale und minimale effektive Hauptspannung … Hoek-Brown Konstante für geklüftetes Gebirge (Index b für die englische Bezeichnung „broken“) mb s, a … Konstanten, abhängig von den Gebirgseigenschaften ci … einaxiale Druckfestigkeit des Gesteins (nachfolgend gem. Literaturangaben als „intakte“ Probe mit Index i bezeichnet) Für intaktes Festgestein gilt s = 1,0 und a = 0,5. Es vereinfacht sich der obige Zusammenhang wie folgt: 1 3 ci m i 3 1 ci 0,5 Der Parameter mi ist die Hoek-Brown Konstante für intaktes Festgestein. Die Werte können Bild 2.16 entnommen werden. Unter Berücksichtigung von Erfahrungen und Vergleichsberechnungen können die Parameter mb, s und a für geklüftetes Festgestein wie folgt bestimmt werden: GSI100 28 14 D mb mi e GSI100 9 3D s e a 1 1 e GSI 15 e 20 3 2 6 Somit lässt sich die Bruchbedingung nach Hoek-Brown mit den Parametern GSI, D und mi ausdrücken. Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Bild 2.16: mi-Werte für verschiedene Festgesteine Seite 2.14 Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.15 Der Parameter GSI (Geological Strength Index) definiert die Gebirgsfestigkeit in Abhängigkeit von der Struktur und der Qualität der Kluftflächen. GSI-Werte für geklüftetes und heterogenes Festgestein können aus nachfolgenden Tabellen entnommen werden (s. Bild 2.17 und Bild 2.18). Für intaktes Festgestein (GSI ~ 100, s. Bild 2.17) ergibt sich s = 1 und a = 0,5. Bild 2.17: GSI für geklüfteten Fels Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Bild 2.18: GSI für heterogenes Festgestein Seite 2.16 Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.17 Mit dem Parameter D („disturbance“) wird das Maß der Störung des Gebirges durch den Lösevorgang (Sprengvortrieb, Tunnelbohrmaschine, usw.) beschrieben. Höhere Werte bedeuten eine größere Störung. Werte für D in Abhängigkeit vom Lösevorgang sind in Bild 2.19 dargestellt. Bild 2.19: Störung des Gebirges durch den Lösevorgang Die einaxiale Gebirgsfestigkeit ergibt sich aus obiger Formel für den Fall, dass ′3 = 0 angesetzt wird. 1 3 ci m b 3 s ci a mit ′3 = 0 folgt: c ci sa Sofern die Tunnelberechnungen mit der Bruchbedingung nach Mohr-Coulomb erfolgen sollen, ist es möglich, sich aus den Festigkeitsparametern nach Hoek-Brown die Scherparameter c’ und ’ zu ermitteln. Dabei muss beachtet werden, dass die Umrechnung jeweils nur für ein bestimmtes Spannungsintervall (t bis ′3max) erfolgen kann (s. Bild 2.15). Das Spannungsintervall ist so zu wählen, dass es das für den zu berechnenden Tunnel maßgebende Spannungsniveau beinhaltet. Die untere Grenze des Spannungsintervalls ist durch die Zugfestigkeit des Gebirges t definiert. In älteren Veröffentlichungen des Autors wurde ′1 = 0 und ′3 = t angesetzt (einaxiale Zugfestigkeit). Anhand empirischer Untersuchungen und beruhend auf Erfahrungswerten wurde später vom Autor die einaxiale mit der biaxialen Zugfestigkeit gleichgesetzt, wodurch sich folgender Zusammenhang ergibt: Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen 1 3 ci m b 3 s ci Seite 2.18 a mit ′1 = ′3 = t folgt: t s ci mb Zur Bestimmung der oberen Grenze ′3max muss zunächst der in der Literatur als globale Gebirgsfestigkeit ′cm bezeichnete Wert bestimmt werden. Dieser ist allerdings wiederum von den Scherparametern c′ und ′ abhängig, was ein iteratives Vorgehen erfordern würde. Um dieses Vorgehen zu vereinfachen, wurde ein Spannungsbereich t < ci / 4 definiert, für welchen die Scherparameter c′ und ′ und damit auch die sogenannte globale Gebirgsfestigkeit ′cm in Abhängigkeit der bereits bekannten Parameter mb, s, a und ci bestimmt werden kann. cm ci m b 4 s a m b 8 s m b 4 s 2 1 a 2 a a 1 Anhand von umfangreichen Berechnungen (s. Bild 2.20), bei welchen die Bruchbedingungen von Hoek-Brown und MohrCoulomb vergleichend betrachtet wurden, schlug Hoek für tiefliegende Tunnel folgenden empirischen Zusammenhang zur Ermittlung von ′3max mittels ′cm vor: 3 max 0,47 cm cm 0 0,94 Bild 2.20: Vergleichsberechnungen zur Bestimmung von ′3max / ′cm 0 entspricht dabei für Seitendruckbeiwerte K ≤ 1 der Vertikalspannung auf Höhe der Tunnelachse ( · H) und für Seitendruckbeiwerte K > 1 der Horizontalspannung x auf Höhe der Tunnelachse (K · · H). Damit ist es möglich, ohne Iteration ′3max zu bestimmen. Die Scherparameter c′ und ′ nach Mohr-Coulomb ergeben sich unter Berücksichtigung der oben angeführten Zusammenhänge wie folgt: c ci 1 2a s 1 a m b 3n s m b 3n 1 a 2 a 1 6 a m b s m b 3n a 1 a 1 1 a 2 a a 1 6 a m b s m b 3n sin 1 a 1 2 1 a 2 a 6 a m b s m b 3n Dabei ergibt sich ′3n aus ′3max und der einaxialen Druckfestigkeit des intakten Festgesteins: 3n 3 max ci Durch die so ermittelten Scherparameter c′ und ′ lässt sich die Scherfestigkeit des Gebirges beschreiben. Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.19 Weiterhin ist für Tunnelberechnungen der E-Modul des Gebirges von Bedeutung. Hoek-Diederichs (2006) setzen in Abhängigkeit der Faktoren GSI und D folgenden Zusammenhang an: Erm 100000 2.6 1 D 2 1 e 75 25DGSI 11 [MN/m²] Klassifizierung von Lockergesteinen Wesentliche Klassifizierungen von Lockergesteinen (Böden) sind in nachfolgenden Normen wiedergegeben: - Bodenarten bisher nach DIN 4022-1 „Benennen und Beschreiben von Boden und Fels“ - Bodengruppen nach DIN 18196 „Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke“ Ersatzweise für DIN 4022 Bodenarten nun nach DIN EN ISO 14688-1 „Benennung und Beschreibung und Klassifizierung von Boden“ Klassifizierung nach DIN 18300 „Erdarbeiten“ Klassifizierung nach DIN 18319 „Rohrvortriebsarbeiten“ Auf die Klassifizierungen nach DIN 4022-1 und 18196 wird in der Bodenmechanik-Vorlesung ausführlich eingegangen, sie werden hier deshalb nicht weiter behandelt. Seit Januar 2007 ist die DIN EN ISO 14688-1 als Ersatz für die DIN 40221 anzuwenden. Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen gegenüber der DIN 4022 dargestellt (s. Tabelle 2.5). Bereich (DIN EN ISO 14688-1) sehr grobkörniger Boden Benennung (DIN EN ISO 14688-1) großer Block Block Stein Kurzzeichen (DIN EN ISO 14688-1) LBo Bo Co Kurzzeichen (DIN 4022-1)(veraltet) Y X Korngrößenbereich [mm] > 630 > 200 - 630 > 63 - 200 grobkörniger Boden Kies Grobkies Mittelkies Feinkies Sand Grobsand Mittelsand Feinsand Schluff Grobschluff Mittelschluff Feinschluff Ton Gr CGr MGr FGr Sa CSa MSa FSa Si CSi MSi FSi Cl G > 2 - 63 > 20 - 63 > 6,3 - 20 > 2,0 - 6,3 > 0,063 - 2,0 > 0,63 - 2,0 > 0,2 - 0,63 > 0,063 - 0,2 > 0,002 - 0,063 > 0,02 - 0,063 > 0,0063 - 0,02 > 0,002 - 0,0063 < 0,002 feinkörniger Boden gG mG fG S gS mS fS U gU mU fU T Tabelle 2.5: Vergleich der Benennung und Beschreibung nach DIN EN ISO 14688-1 und DIN 4022-1 Die Kürzel "Cl", "Si", "Gr", "Co" und "Bo" entsprechend DIN EN ISO 14688-1 stehen für die englischen Begriffe der Bodenarten "Clay", "Silt", "Sand", "Gravel", "Cobbles" und "Boulder". Die Benennung der Böden richtet sich bei der DIN EN ISO 14688-1 analog zur DIN 4022-1 nach der am stärksten vertretenen oder die Eigenschaften bestimmenden Hauptbodenart (Hauptanteil). Sind zwei gleichermaßen vertretene oder bestimmende Hauptanteile vorhanden, so werden beide genannt und durch einen Schrägstrich getrennt. Die Nebenanteile werden entsprechend DIN 4022-1 den Hauptanteilen als Adjektiv beigefügt, allerdings ohne Komma-Trennung vorangestellt (z.B. csiFSa). Die Nebenanteile werden klein geschrieben. Die Verwendung der Beiworte „schwach“ und „stark“ zur zusätzlichen Charakterisierung der Nebenanteile erfolgt analog zu DIN 4022-1. Hinsichtlich der zur Beschreibung bindiger Böden erforderlichen Plastizität wird nach DIN EN ISO 14688-1 beim qualitativ durchgeführten Knetversuch nur noch zwischen „gering“ und „ausgeprägt“ plastischen Böden unterschieden (nicht mehr „mittelplastisch“). Bei der quantitativen Bestimmung der Plastizität mittels Fließ- und Ausrollgrenze (DIN 18196) ergeben sich demgegenüber keine Änderungen. In der DIN 18300 werden Boden und Fels entsprechend ihrem Zustand beim Lösen in Klassen eingestuft. Die DIN 18300 wird in der Regel für die Ausschreibung von Erdarbeiten verwendet. Nachfolgend sind stichpunktartig die Definitionen der 7 Bodenklassen zusammengestellt. Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Bodenklasse 1 Bezeichnung Beispiel Oberboden - 2 fließende Bodenarten 3 leicht lösbare Bodenarten 4 mittelschwer lösbare Bodenarten 5 schwer lösbare Bodenarten 6 7 Seite 2.20 leicht lösbarer Fels und vergleichbare Bodenarten schwer lösbarer Fels durchwurzelter Humus flüssige bis breiige Böden Sande und Kiese mit < 15 % Ton / Schluff und < 30 % Steine (z.B. SU, GU) Sande und Kiese mit Ton- bzw. Schluffanteil > 15 % (z.B. SU*, GU*) TL, TM, UL, UM mit weicher bis halbfester Konsistenz und < 30 % Steine Böden der Klasse 3 und 4, jedoch > 30 % Steine mit Rauminhalt < 0,01 m3 Böden mit < 30 % Steine mit Rauminhalt > 0,01 m³ TA, (UA) mit weicher bis halbfester Konsistenz stark klüftiger, brüchiger, bröckeliger, schiefriger, weich oder verwitterter Fels vergleichbare Bodenarten (z.B. Tone fester Konsistenz) Böden mit > 30 % Steine mit Rauminhalt > 0,01 m3 bis 0,1 m3 Fels mit hoher Gefügefestigkeit, wenig klüftig oder verwittert ( z.B. Nagelfluh) Steine mit Rauminhalt > 0,1 m3 Tabelle 2.6: Zusammenfassung Klassifizierung nach DIN 18300 In der DIN 18319 werden Boden und Fels aufgrund ihrer Eigenschaften für Rohrvortriebsarbeiten eingestuft. Sie ähnelt der Klassifizierung nach DIN 18301 „Bohrarbeiten“. Es wird unterschieden: - Nichtbindige Lockergesteine entsprechend der Korngrößenverteilung und Lagerungsdichte, bindige Lockergesteine entsprechend der Konsistenz, Lockergesteine mit Korngrößen größer 63 mm, Festgesteine entsprechend der einaxialen Druckfestigkeit, organische Böden (Torfe und Schlamme). L: Lockergestein E: enggestuft B: bindig O: organogen N: nicht bindig W: weitgestuft M: mineralisch Zusatzklassen zur Beschreibung der Plastizität Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.21 Zusatzklasse S: Steine und Blöcke Tabelle 2.7a bis e: Zusammenfassung „Klassifizierung nach DIN 18319, Rohrvortriebsarbeiten“ 2.7 Gebirgsklassifizierung Gebirgsklassifizierungen beziehen sich definitionsgemäß auf Festgestein, Lockergestein oder einem Gemenge aus beidem. Sie werden zu folgendem Zweck vorgenommen: - Wahl des Ausbruchverfahrens Festlegung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen Kalkulation des Bauvorhabens Dementsprechend spiegelt die Gebirgsklasse die Kosten für den Ausbruch, Vortrieb und Ausbau wieder. In der Vergangenheit wurden viele Klassifizierungssysteme entwickelt. Dabei hat sich herausgestellt, dass es aufgrund der Vielfältigkeit der Einflussparameter kein universell einsetzbares Klassifizierungssystem geben kann, sondern jeweils lokale Anpassungen erforderlich sind. Nachfolgend werden einige wichtige Klassifizierungssysteme vorgestellt. 2.7.1 Grundsysteme der Klassifizierung 2.7.1.1 Gebirgsklassifizierung nach Terzaghi Der Ausgangspunkt moderner Klassifizierungen für den Tunnelbau ist die von Terzaghi 1946 veröffentlichte Einteilung auf der Basis der von ihm entwickelten Silotheorie über die Beanspruchung des Ausbaus. Es werden 11 Gebirgsklassen unterschieden, die sich durch die Struktur des Gebirges, teilweise aber auch durch das Auftreten von Druck- und Schwellerscheinungen unterscheiden (s. Bild 2.21 und Tabelle 2.8). Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.22 Einteilung des Gebirges infolge Belastung - 11 Gebirgsklassen - angegebene Gebirgsklassen gelten für Überlagerungshöhen größer 1,5·(b+h) - gilt nur für Ausbauarten ohne Verbund zum Gebirge nicht für Spritzbetonbauweise geeignet jeder Klasse wird ein Bergdruck hp in „Meter Gestein“ zugeordnet, in Abhängigkeit von b und h Bild 2.21: Gewölbebildung und Belastung eines Tunnels Gebirge Bergdruck hp [m] Anmerkung 1 fest, gesund null leichte Verkleidung, nur nötig, wenn sich gelegentliche Abschalungen oder Bergschläge ereignen 2 fest, geschichtet oder geschiefert bis 0,5·b 3 massig, mäßig zerklüftet bis 0,25·b leichter Einbau; Bergdruck kann sich regellos von Stelle zu Stelle ändern 4 mäßig zerblockt und lassig 0,25·b bis 0,35·(b+h) Seitendruck fehlt 5 kräftig zerblockt und lassig (0,35 bis 1,1)·(b+h) 6 vollständig zerhackt, aber unzersetzt (chemisch unverändert) 1,1·(b+h) geringer oder fehlender Ulmendruck beträchtlicher Seitendruck; die erweichende Wirkung von Sickerwässern auf die Tunnelsohle erfordert entweder Einbauten auch in der Sohle oder kreisförmigen vorübergehenden bzw. dauernden Ausbau 7 drückend; Stollen seicht liegend (1,1 bis 2,1)·(b+h) 8 drückend; Stollen tief liegend (2,1 bis 4,1)·(b+h) 9 Schwellgebirge 10 dicht gelagerter Sand ohne Rücksicht auf Tunnelgeometrie wird für hp bis zu 80 m angesetzt (0,62 bis 1,38)·(b+h) 11 locker gelagerter Sand (1,08 bis 1,38)·(b+h) Klasse Tabelle 2.8: Gebirgsklassifizierung nach Terzaghi kräftiger Seitendruck; Sohlstreben erforderlich, kreisförmiger Einbau empfohlen kreisförmiger Einbau erforderlich; in besonders ungünstigen Fällen nachgiebiger Einbau Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.23 2.7.1.2 Gebirgsklassifizierung nach Lauffer Bei der Gebirgsklassifizierung nach Lauffer (1960) wird die Standfestigkeit des Gebirges in Abhängigkeit von der Hohlraumgröße in 7 Klassen eingeteilt. Jeder Klasse wird ein Sicherungstyp zugeordnet. Die Standfestigkeit ergibt sich aus der wirksamen Stützweite und der Standzeit des Gebirges ohne Sicherung. Die Klassifizierung nach Lauffer wurde ursprünglich für den Bau eines ca. 12 km langen Stollens in Österreich erstellt, wurde mit Abwandlungen jedoch auch für weitere Projekte eingesetzt. Bild 2.22: Klassifizierungsdiagramm nach Lauffer Der in Bild 2.22 verwendete Begriff der wirksamen Stützweite lx ist entweder als größte Ausbruchsbreite oder größte Abschlagslänge definiert, je nach dem, ob die Gewölbetragwirkung in Tunnellängs- oder querrichtung abträgt. Bild 2.23: Definition der wirksamen Stützweite lx nach Lauffer und Sicherungstyp je nach Gebirgsklasse Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.24 2.7.1.3 Gebirgsklassifizierung nach Rabcewicz – Pacher Die Gebirgsklassifizierung nach Rabcewicz – Pacher (1973) wurde als projektbezogene Klassifizierung für den Tauerntunnel entwickelt, wobei die Gebirgsklassen nach Lauffer leicht modifiziert wurden. Neben Angaben zum Gebirge und zum Bergwasser enthält die Klassifizierung auch Aussagen über die erforderlichen Ausbruchs- und Sicherungsmaßnahmen. Bild 2.24: Klassifizierung nach Rabcewicz – Pacher 2.7.1.4 Gebirgsklassifizierung nach Bieniawski Bieniawski (1974) klassifiziert das Gebirge anhand von folgenden 6 Gebirgsparametern, die im Rahmen von geotechnischen Untersuchungen und Erkundungen ermittelt werden. - Festigkeit des Gesteins (Punktlastversuch, Einaxialer Druckversuch) - Kluftabstand RQD-Index (Rock Quality Designation) (= L10 / L mit L: Bohrprobenlänge gesamt; L10: Summe der Länge der Bohrproben > 10 cm Länge) Zustand der Klüfte Kluftrichtung Zutritt von Grundwasser Jeder dieser Parameter wird bewertet und mit einer Bewertungszahl belegt. Durch Addition der Bewertungszahlen ergibt sich die jeweilige Gebirgsklasse. Die Gebirgsklassen werden in einem Lauffer-Diagramm in Abhängigkeit der Standzeit und der Stützweite dargestellt (s. Bild 2.26). Diese Klassifizierung ist bei schlechten Standfestigkeiten nur sehr bedingt geeignet. Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Bild 2.25: Gebirgsparameter und Bewertungszahlen nach Bieniawski Bild 2.26: Gebirgsklassen nach Bieniawski im Lauffer-Diagramm Seite 2.25 Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen 2.7.2 Seite 2.26 Angaben zu Gebirgsklassifizierungen in Normen 2.7.2.1 DIN 18312 „ Bauleistungen – Untertagebauarbeiten“ In der DIN 18312 werden Boden und Fels aufgrund der notwendigen Maßnahmen für Ausbruch und Sicherung des Hohlraumes eingeteilt. Voraussetzung ist, dass Form und Fläche des Hohlraumquerschnittes vorgegeben sind. Zusätzlich muss die Art des Vortriebs bekannt sein, es werden 3 Klassen unterschieden: - Allgemeine Vortriebsklasse, Vortriebsklasse für Tunnelbohrmaschinen, Vortriebsklasse für Schildmaschinen. Vortriebsklasse Definition der allgemeinen Vortriebsklassen; Ausbruch ... 1 ohne Sicherung 2 mit Sicherung; Lösen und Laden werden nicht unterbrochen 3 mit Sicherung; Lösen und Laden werden unterbrochen 4 mit Sicherung, die unmittelbar folgt 5 mit Sicherung, die unmittelbar folgt; zusätzlich Ortsbrustsicherung erforderlich 6 mit vorauseilender Sicherung 7 mit vorauseilender Sicherung und zusätzlich Ortsbrustsicherung 4 A, 5 A, 6 A, 7 A Ausbruch entsprechend den obigen Ausbruchklassen 4, 5, 6 und 7 mit Unterteilung des Ausbruchsquerschnitts aufgrund der Standsicherheit Tabelle 2.9: Allgemeine Vortriebsklassen Vortriebsklasse Definition der Vortriebsklassen für Tunnelbohrmaschinen (TBM); Ausbruch … TBM 1 ohne Sicherung TBM 2 mit Sicherung, der Einbau behindert das Lösen nicht TBM 3 mit Sicherung unmittelbar hinter der Maschine oder bereits im Maschinenbereich, der Einbau behindert das Lösen TBM 4 TBM 5 mit Sicherung unmittelbar hinter dem Bohrkopf, für den Einbau muss das Lösen unterbrochen werden Maßnahmen besonderer Art, für die das Lösen unterbrochen wird Tabelle 2.10: Vortriebsklassen für Tunnelbohrmaschinen (Festgestein) Vortriebsklasse Definition der Vortriebsklassen für Schildmaschinen (SM); Ausbruch … SM 1 ohne Stützung der Ortsbrust SM 2 mit teilgestützter Ortsbrust SM 3 mit vollgestützter Ortsbrust Tabelle 2.11: Vortriebsklassen für Schildmaschinen (Lockergestein) Tunnelbau Geotechnische Untersuchungen Seite 2.27 2.7.2.2 DS 853 Druckschrift 853: Regelwerk für Tunnel im Bereich der Deutschen Bahn (entspricht im Wesentlichen dem Standardleistungsbuch für Bauwesen – Leistungsbereich 007 – Untertagebau (St LB 007)). Die Basisklassifizierung der DS 853 soll als Grundlage für projektbezogene Ausbruchsklassifizierungen dienen. gebräches Gebirge: Festgestein, mit Neigung zum Nachbrechen in den Hohlraum mildes Gebirge: verfestigtes bindiges Lockergestein, kurzzeitig standfest und relativ leicht lösbar rolliges Gebirge: nicht standfestes, kohäsionsloses Lockergestein fließendes Gebirge: feinkörniges Lockergestein mit hohem Wassergehalt, keine oder nur geringe Scherfestigkeit, Neigung zum Ausfließen in Hohlraum 2.7.2.3 Ausländische Normen SIA 198 (Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein) Beim SIA dienen die Sicherungsmaßnahmen als Kriterium für die Ausbruchsklassen. Maßgebend für die Einstufung sind Art und Umfang der Sicherungsmaßnahmen (Anker, Spritzbeton,..) und des Sicherungsortes. Die Verknüpfung von Art, Umfang und Ausführungsort der Sicherungsmaßnahmen ergibt die Ausbruchklasse. Leitgedanke für die Definition der Ausbruchsklassen soll das Maß der Behinderung sein. ÖNORM B 2203 Die ÖNORM B 2203 Teil 1 „Zyklischer Vortrieb“ und Teil 2 „Kontinuierlicher Vortrieb“ sind als Vertragsbestandteil von Bauverträgen vorgesehen. Da die Kosten stark von der Behinderung durch Sicherungsmaßnahmen abhängen, ist, wie auch bei der DIN 18312, der Grundgedanke, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen und deren Einfluss auf die Vortriebsleistung als Beurteilungsmaßstab für die Klassifizierung einzusetzen. Es werden 3 Typen unterschieden: - Gebirgstyp A (standfestes bis nachbrüchiges Gebirge) Gebirgstyp B (gebräches Gebirge) Gebirgstyp C (druckhaftes Gebirge) Anhand der Gebirgstypen erfolgt eine weitere Unterteilung in Gebirgsgüteklassen, die den Einfluss der Sicherungsmaßnahme auf die Vortriebsleistung widerspiegeln. 2.8 Schrifttum BIENIAWSKI, Z. T. (1974): Geomechanics Classification of Rock Masses and its Application in Tunneling. 3. Kongreß der IGFM Denver. In: Advances in Rock Mechanics, Band II a, S. 27 bis 32. BÖSCH, H.-J.: Vorlesungsskript Tunnelbau. Lehrstuhl für Tunnelbau und Baubetriebslehre. TU München. GIRMSCHEID, G. (2000): Baubetrieb und Bauverfahren im Tunnelbau. Ernst & Sohn, Berlin. HOEK, E. / CARRANZA-TORRES, C. / CORKUM, B. (2002): Hoek-Brown Failure Criterion - 2002 Edition. 5th North American Rock Mechanics Symposium and 17th Tunneling Association of Canada Conference: NARMS-TAC, 2002, S. 267-271, www.rocscience.com. HOEK, E. / DIEDERICHS, M. S. (2006). Empirical estimation of rock mass modulus. International Journal of Rock Mechanics and Mining Sciences, 43, S. 203–215. LAUFFER, H. (1958): Gebirgsklassifizierung für den Stollenbau. In: Geologie und Bauwesen 24, S. 46 bis 51. MAIDL, B. (1994): Handbuch des Tunnel- und Stollenbaus, Band I und II. Verlag Glückauf, Essen. NORMENAUSSCHUSS BAUWESEN IM DIN e.V.: DIN 1054, 4020, 4022, 18300, 18301, 18319. Beuth Verlag, Berlin. ÖSTERREICHISCHES NORMUNGSINSTITUT: ÖNORM B 2203. Eigenverlag. PACHER, F. / V. RABCEWICZ, L. / GOLSER, J. (1973): Zum derzeitigen Stand der Gebirgsklassifizierung im Stollenund Tunnelbau. XXII. Geomechanik-Kolloquium Salzburg. PULSFORT, M. / WALZ, B.: Tunnelbauverfahren. Lehrstuhl für Unterirdisches Bauen, Grundbau, Bodenmechanik. Bergische Universität Gesamthochschule Wuppertal. SCHWEIZERISCHER INGENIEUR- UND ARCHITEKTEN-VEREIN: SIA 198. Eigenverlag. TERZAGHI, K. (1946): Rock Defects and Loads on Tunnel Supports. In: Proctor and White: Rock Tunnelling with Steel Supports. Youngstown, Ohio. WITTKE, W. (1984): Felsmechanik. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg.