Kapitel 3

Werbung
3
Metrische und normierte Räume
R
3.1 Metrische Räume Mit der metrischen Struktur wird der aus dem n bekannte Abstandsbegriff abstrahiert. Wir können uns einen metrischen Raum als eine Punktmenge vorstellen, in
der Entfernungen zwischen den Punkten definiert sind, die den folgenden plausiblen Bedingungen
genügen müssen.
Sei X eine Menge. Eine Abbildung d : X × X :→ [0, ∞) heißt Metrik auf X, wenn die folgenden
Bedingungen erfüllt sind.
(i)
d(x, y) = 0 ⇔ x = y,
(ii) d(x, y) = d(y, x)
(Symmetrie),
(iii) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)
(Dreiecksungleichung).
Das Paar (X, d) heißt dann metrischer Raum.
Aus der Definition der Metrik folgt die Vierecksungleichung
|d(x, y) − d(x′ , y ′ )| ≤ d(x, x′ ) + d(y, y ′ ),
(3.1)
denn die Dreiecksungleichung liefert
d(x, y) ≤ d(x, x′ ) + d(x′ , y ′ ) + d(y, y ′ ),
d(x′ , y ′ ) ≤ d(x, x′ ) + d(x, y) + d(y, y ′ ),
womit (3.1) gezeigt ist.
Beispiele 3.1 (i) Der
Raum.
Kn mit K = R oder K = C mit der Metrik d(x, y) = |x − y| ist metrischer
(ii) Jede Teilmenge eines metrischen Raumes ist mit der gleichen Abstandsfunktion selber ein
metrischer Raum.
(iii) (Erlanger Metrik) Um in Erlangen mit dem Bus
von einem Ortsteil in den benachbarten zu kommen (Fußweg
5’), muss man zuerst zum zentralen Busbahnhof fahren, dort
umsteigen und dann im wesentlichen die gleiche Strecke wieder zurückfahren. Diese Metrik, die nicht nur bei den Mathematikern, sondern auch bei den Benutzern des öffentlichen
Nahverkehrs immer wieder neu auf große Begeisterung stößt,
kann folgendermaßen abstrakt definiert werden: Grundraum
ist der 2 mit dem Ursprung als ausgezeichneten Punkt, die
Metrik ist
(
|x − y| wenn x = λy für ein λ ∈
d(x, y) =
|x| + |y| sonst.
H
B
Hugo
H
A
R
R,
Der Beweis der Dreiecksungleichung macht einige Fallunterscheidungen notwendig, ist ansonsten
trivial. Ich habe übrigens diese Metrik unter dem Namen Französische Eisenbahn Metrik“ ken”
nengelernt (fährt immer über Paris), in einem amerikanischen Buch wird sie Washington D.C.
”
Metrik“ genannt. Die Probleme sind also überall die gleichen.
Eine Folge (xk ) heißt konvergent, wenn es zu jedem ε > 0 ein K ∈
d(xk , x) < ε
Im Falle X =
N gibt mit
für alle k ≥ K.
Rn bekommen wir unseren wohlbekannten Konvergenzbegriff zurück.
Eine Folge (xk ) im metrischen Raum X heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem ε > 0 ein K ∈
gibt mit
d(xk , xl ) < ε für alle k, l ≥ K.
22
N
X heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge gegen ein x ∈ X konvergiert.
Jede konvergente Folge ist Cauchy-Folge, denn aus d(xk , x) < ε, d(xl , x) < ε für alle k, l ≥ K
folgt mit der Dreiecksungleichung d(xk , xl ) < 2ε.
Q
Beispiele 3.2 (i) Der metrische Raum mit der Standardmetrik d(x, y) = |x−y| ist unvollständig.
Als (xk ) wählen wir eine beliebige Folge in , die gegen ein Element x ∈ \ konvergiert. Diese
Folge ist Cauchy-Folge in , weil sie dort konvergiert, somit auch eine Cauchy-Folge in , die aber
in
keinen Grenzwert besitzt.
Q
R
R
Q
R Q
Q
(ii)
mit der Standardmetrik d(x, y) = |x − y| ist ein vollständiger metrischer Raum. Denn
wenn (xk ) eine Cauchy-Folge in ist, so ist diese beschränkt und enthält eine konvergente Teilfolge
xkm → x. Da der Betrag stetig ist, können wir in |xkm − xl | < ε zum Grenzwert übergehen und
erhalten |x − xl | ≤ ε für alle l ≥ K. Damit ist die ganze Folge gegen x konvergent.
R
R
(iii) Der n ist ebenfalls vollständig unter der Standardmetrik. Denn die Komponenten einer
Cauchy-Folge des n bilden selber eine Cauchy-Folge in . Mit ist daher auch der n vollständig.
R
R
R
R
3.2 Der Banachsche Fixpunktsatz Für eine Abbildung T : X → X in einem metrischen
Raum X möchten wir die Fixpunktgleichung
(3.2)
T x̄ = x̄
mit Hilfe des einfachsten Verfahrens, der sukzessiven Approximation
(3.3)
xk+1 = T xk ,
x0 ∈ X vorgegeben,
R
1
zeigen, dass dieses Verfahren auch bei Existenz eines Fixlösen. Da schon einfachste Beispiele im
punktes nicht konvergieren muss, benötigen wir einschränkende Voraussetzungen an die Abbildung
T.
Seien (X, dx ) und (Y, dy ) metrische Räume. T : X → Y heißt lipschitzstetig, wenn es ein L ∈
gibt mit
dy (T x1 , T x2 ) ≤ Ldx (x1 , x2 ) für alle x1 , x2 ∈ X.
R+
L heißt dann Lipschitzkonstante. Wenn X = Y und L < 1 in dieser Abschätzung gewählt werden
kann, so heißt T Kontraktion.
Satz 3.3 (Banachscher Fixpunktsatz) Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und T :
X → X eine Kontraktion. Dann besitzt T genau einen Fixpunkt x̄ und die Folge der sukzessiven Approximation (3.3) konvergiert für alle Startwerte x0 ∈ X gegen x̄. Weiter gilt die Fehlerabschätzung
Lk
d(x0 , T x0 ).
1−L
Beweis: Es gibt höchstens einen Fixpunkt, denn für Fixpunkte x̄, ȳ ∈ X folgt
d(xk , x̄) ≤
d(x̄, ȳ) = d(T x̄, T ȳ) ≤ Ld(x̄, ȳ)
und damit d(x̄, ȳ) = 0 und x̄ = ȳ.
Aus (3.3) erhalten wir
d(xk , xk+1 ) = d(T xk−1 , T xk ) ≤ Ld(xk−1 , xk ) ≤ Lk d(x0 , T x0 )
und aus der Dreiecksungleichung
d(xk , xk+l ) ≤
l−1
X
i=0
d(xk+i , xk+i+1 ) ≤
l−1
X
Lk+i d(x0 , T x0 ) =
i=0
Lk − Lk+l
d(x0 , T x0 ).
1−L
Damit ist (xk ) Cauchy-Folge und konvergiert wegen der Vollständigkeit von X gegen ein x ∈ X.
Aufgrund der Stetigkeit von T kann man in der Gleichung (3.3) zum Grenzwert k → ∞ gehen und
erhält x = T x. Die Fehlerabschätzung ergibt sich aus der letzten Ungleichung für l → ∞.
23
R
R
3.3 Der Banachsche Fixpunktsatz im n In diesem Abschnitt betrachten wir X = D ⊂ n
versehen mit der Standardmetrik d(x, y) = |x − y|. Damit ist (X, d) ein metrischer Raum, die Frage
ist aber, ob ( n , d) seine Vollständigkeit auf (D, d) vererbt.
R
Satz 3.4 (D, d) ist genau dann vollständig, wenn D abgeschlossen ist.
R
Beweis: Sei (xk ) eine Cauchy-Folge in D. Diese ist auch eine Cauchy-Folge im n und hat daher
einen Grenzwert x ∈ n . Ist D abgeschlossen, so gilt x ∈ D, denn andernfalls wäre x innerer Punkt
von Dc und xk → x nicht möglich. Für die andere Richtung nimmt man eine Cauchy-Folge, die
gegen einen Berührpunkt x ∈
/ D konvergiert.
R
R
Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, wann im Falle X = D ⊂ n eine Funktion einer
Lipschitzbedingung genügt. Ein Gebiet D des n heißt konvex, wenn zu je zwei Punkten x, y ∈ D
auch die Verbindungsstrecke xy zu D gehört.
R
Wir erinnern daran, dass die Funktionalmatrix einer differenzierbaren Abbildung f :
von der Form f ′ (x) ∈ m×n ist mit (f ′ (x))ij = ∂xj f i (x).
Rn → Rm
R
Sei D ⊂ Rn ein konvexes Gebiet. Dann ist jede in D stetig differenzierbare Funktion
Lemma 3.5
f : D → m mit beschränkter Funktionalmatrix supx∈D |f ′ (x)| = M lipschitzstetig in D mit
Lipschitzkonstante M,
R
(3.4)
|f (x) − f (y)| ≤ M |x − y|
für alle x, y ∈ D.
Beweis: Wir leiten den Mittelwertsatz in Integralform her. Für x, y ∈ D gilt
d
f (tx + (1 − t)y) = f ′ (tx + (1 − t)y)(x − y).
dt
Dies wird bezüglich t integriert und links der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
verwendet,
Z 1
f (x) − f (y) =
f ′ (tx + (1 − t)y))(x − y) dt.
0
In dieser Gleichung setzen wir Beträge und erhalten mit |Ax| ≤ |A| |x|
|f (x) − f (y)| ≤
Z
1
|f ′ (tx + (1 − t)y))(x − y)| dt ≤ sup |f ′ (x)| |x − y| = M |x − y|.
x∈Ω
0
Der Beweis zeigt, dass für M auch supx∈D kf ′ (x)k gewählt werden kann.
Eine differenzierbare Funktion mit unbeschränkter Ableitung ist nicht lipschitzstetig, wie
z.B. die eindimensionale Funktion f (x) = x2 mit f (x) − f (y) = (x + y)(x − y) zeigt.
Beispiel 3.6 Sei
1
1
1
f (x) = x + (x − 1)2 + .
2
8
2
Wir zeigen, dass f den vollständigen metrischen Raum [0, 2] auf sich abbildet und dort eine Kontraktion ist. Es gilt f (0) = 85 und f (2) = 1 + 18 + 12 < 2. Ferner ist f ′ (x) = 21 + 14 (x − 1) mit
Nullstelle x = 3. Damit besitzt f im Intervall [0, 2] keine Extremwerte und bildet das Intervall [0, 2]
auf sich ab. Für die Ableitung gilt f ′ (0) = 12 , f ′ (2) = 43 . Ferner ist f ′′ = 14 . Damit besitzt auch
f ′ keine Extremwerte im Intervall [0, 2] und es gilt |f ′ (x)| ≤ 43 . Damit ist f eine Kontraktion. Der
vom Banachschen Fixpunktsatz garantierte Fixpunkt ist x = 1.
24
3.4 Banach Räume Sei X ein nicht notwendig endlich dimensionaler linearer Vektorraum
=
oder
= . Eine Abbildung k · k : X →
heißt Norm, wenn sie den folgenden
über
Bedingungen genügt:
(i) kxk ≥ 0 und kxk = 0 ⇔ x = 0
(ii) kαxk = |α| kxk für alle α ∈ und x ∈ X.
(iii) kx + yk ≤ kxk + kyk.
Da wir diese Axiome für den n mit k·k = |·| nachgewiesen haben, ist er ein normierter Raum. Auch
die Schlußfolgerungen, die wir aus diesen Axiomen gezogen haben, bleiben mit gleichem Beweis für
allgemeine normierte Räume gültig, nämlich die umgekehrte Dreiecksgleichung
kxk − kyk ≤ kx − yk.
K R
K C
R
K
R
sowie die eigentliche Dreiecksungleichung
kx − zk ≤ kx − yk + ky − zk.
Aus den Normaxiomen folgt sofort, dass
d(x, y) = kx − ykX
eine Metrik auf X ist. Jeder normierte Raum ist damit auch ein metrischer Raum, sodass alle
Begriffsbildungen aus den letzten Abschnitten verwendet werden können. Insbesondere heißt eine
Folge (xk ) in X Cauchy-Folge, wenn es zu jedem ε > 0 ein K ∈ gibt mit
N
kxk − xl k < ε
für alle k, l ≥ K.
Der normierte Raum heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge einen Grenzwert besitzt, wenn
also ein x ∈ X existiert mit kxk − xk < ε für alle k ≥ K(ε). Ein vollständiger normierter Raum
heißt Banach Raum. Die Räume n und n mit der Norm kxkX = |x| sind demnach nicht nur
vollständige metrische Räume, sondern auch Banach Räume.
R
C
Interessanter als die genannten endlich dimensionalen Räume sind die Funktionenräume, von
denen einer vorgestellt werden soll.
Satz 3.7 Sei D ⊂
Rn eine kompakte Menge. Dann ist der Raum
C(D)m = {f : D → Rm : f stetig auf D}
mit der Norm
kf k∞ = max |f (x)|
x∈D
ein Banach Raum.
Beweis: Ist f stetig, so ist auch die reellwertige Funktion |f | stetig und nimmt nach einem
bekannten Satz das Maximum an. Die Norm ist daher auf C(D)m wohldefiniert. Die Normaxiome
lassen sich leicht überprüfen, die Dreiecksungleichung folgt aus
kf + gk∞ = max |f (x) + g(x)| ≤ max |f (x)| + |g(x)|
x∈D
x∈D
≤ max |f (x)| + max |g(x)| = kf k∞ + kgk∞ .
x∈D
x∈D
Nun zeigen wir die Vollständigkeit des Raumes. Sei (fk ) eine Cauchy-Folge in C(D)m , also
(3.5)
|fk (x) − fl (x)| < ε
für alle k, l ≥ K und für alle x ∈ D.
25
Insbesondere gilt |fk (x) − fl (x)| < ε für jedes x ∈ D. Damit sind auch die Folgen (fk (x)) CauchyFolgen des m und besitzen einen Grenzwert, den wir f (x) nennen. Da der Absolutbetrag stetig
ist, können wir in (3.5) zum Grenzwert l → ∞ übergehen und erhalten
R
|fk (x) − f (x)| ≤ ε
für alle k ≥ K und für alle x ∈ D.
Damit konvergiert (fk ) gegen f in der Norm von C(D)m , insbesondere ist f als gleichmäßiger
Grenzwert der Folge (fk ) stetig. Damit ist f ∈ C(D)m gezeigt.
26
Herunterladen