Zusammenfassung

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Dossier zu Käfig-Kaninchenfleisch
KAGfreiland; Februar 2009
Zusammenfassung
Kaninchen sind sehr bewegungsfreudige und aktive Tiere, die in grossen
Gruppen leben. Kaninchen werden als Heim-, Nutz-, Pelz- und Labortiere
gehalten. Die Haltung ist oft schlecht, weil die Tiere alleine und auf ganz
wenig Platz leben müssen, ohne Beschäftigungsmöglichkeiten.
Kaninchenfleisch gilt als zart und gesund. Der jährliche Konsum in der
Schweiz beträgt 3500 Tonnen. 80% des Fleisches wird aus dem Ausland importiert. Rund ein Drittel des konsumierten Kaninchenfleisches, also rund
1,2 Millionen Kilogramm, ist Käfigfleisch. Es stammt vor allem aus Ungarn,
Frankreich, Italien.
In der weltweiten Kaninchenfleisch-Produktion ist die Käfighaltung Standard. Die Tiere haben rund eine A4-Seite Platz, stehen immer auf Drahtgitter, haben weder Einstreu noch Beschäftigung und können sich kaum bewegen, nicht ausgestreckt liegen oder sich aufrichten.
In der EU gibt es keine gesetzlichen Vorschriften für die Haltung von Kaninchen. Die Empfehlungen der ’World Rabbit Science Association’
(WRSA) sowie die Richtlinien der ’Qualitätsgemeinschaft Kaninchen’
(GGE) gestehen den Kaninchen in der Mast rund eine A4-Seite Platz zu. Die
Tiere leben in Drahtgitterkäfigen.
In der Schweiz ist eine Haltung nach den Vorgaben der WRSA oder der
GGE verboten. Die CH Tierschutzverordnung verlangt für Kaninchen einen
abgedunkelten Rückzugsbereich sowie Heu und Nageobjekte zur ständigen
Beschäftigung. Aufrechtes Sitzen muss möglich sein. Für Zibben der üblichen Mastrassen sind rund ! m2 und eine Rückzugsmöglichkeit (erhöhte
Liegefläche oder zweites Abteil) vorgeschrieben, für Mast- oder Aufzuchttiere immerhin eine Fläche von rund 2 " A4-Seiten pro Tier.
Käfighaltung ist Tierquälerei. Den Kaninchen werden die elementarsten
Verhalten verunmöglicht. Die Folge sind Apathie, Gitternagen, Wirbelsäulenverkrümmungen und Pfotenschäden.
Etwas besser als Käfighaltung ist die Mast in Gruppenboxen, wie sie vom
CH-Grossimporteur Delimpex betrieben wird. Die Zibben jedoch leben in
konventionellen Gitterkäfigen. Vom Tierwohl her akzeptabel ist die StallGruppenhaltung, wie sie von mehreren bäuerlichen Kaninchenmästern in der
Schweiz praktiziert wird. Die tierfreundlichste Alternative ist die Freilandhaltung. Sie verlangt aber viel Know-How und mehr Betreuungsaufwand
und ist daher im grossen Stil bisher kaum praktikabel. Die Freilandkaninchenhaltung von KAGfreiland befindet sich noch in der Projektphase.
KAGfreiland fordert von den Anbietern einen sofortigen Stopp des Verkaufs
von Käfig-Kaninchenfleisch und die Umstellung der ausländischen Mast auf
Stall-Gruppenhaltung mit Einstreu (BTS) und der Zucht mind. auf das Niveau des CH Tierschutzgesetzes.
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Teil 1
Das Kaninchen
Abstammung
Die Hauskaninchen stammen vom Europäischen Wildkaninchen ab, dessen
ursprüngliche Verbreitung sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Südfrankreich und Nordafrika erstreckte. Die heutige, weltweite Verbreitung ist
auf den Menschen zurückzuführen. Die Römer begannen etwa 300 v. Chr.
mit der Domestikation der Wildkaninchen, indem sie die Tiere als Fleischlieferanten in Freigehegen hielten. Erste Zähmungs- und Zuchtversuche fanden in den französischen Klöstern vom 6. bis 10. Jh. statt. Die heutige Rassenvielfalt ist auf die intensiven Zuchtbemühungen im 20. Jh. zurückzuführen. Neben der Haltung zur Fleischproduktion werden Kaninchen seit
dem letzten Jahrhundert auch als Heimtiere sowie als Pelz- und Labortiere
gehalten.
Biologie
Kaninchen gehören zur gleichen Familie wie die Hasen, zählen aber zu einer
anderen Gattung. Sie lassen sich auch nicht kreuzen und zeigen eine sehr unterschiedliche Lebensweise. So ist der Hase ein Einzelgänger im Unterwuchs. Die Kaninchen hingegen leben in sozialen Gruppen und graben sich
ein weit verzweigtes Höhlensystem. Obwohl sich Kaninchen ähnlich verhalten wie Nagetiere und zeitlebens nachwachsende Zähne besitzen, unterscheiden sie sich von den Nagern deutlich. Sie benutzen die Vorderpfoten
nicht als Greifwerkzeuge und strecken sich nach dem Schlafen wie Hunde
oder Katzen.
Die Kaninchenverbände können bis zu einigen hundert Tieren umfassen und
weisen eine klare Sozialstruktur auf. Diese wird durch aggressive Auseinandersetzungen aufrecht erhalten. Die dominanten Paare bewegen sich innerhalb des ganzen Territoriums und besetzen die zentralen Nisthöhlen, während die rangniederen Tiere sich nur am Rande aufhalten. Die Weibchen
bringen von Januar bis August mehrere Würfe mit je 4-12 Jungtieren zur
Welt. Die nackten, blinden und tauben Nachkommen werden in ein mit ausgezupften Wollhaaren der Mutter ausgepolstertes Nest abgelegt. Nach drei
Wochen verlassen sie erstmals den Bau und mit 3 " Monaten können sie
sich bereits selber fortpflanzen. Dank der sprichwörtlichen Fruchtbarkeit besitzen die Kaninchen ein sehr hohes Vermehrungspotenzial.
Natürliche Bestandesregulierung
Kaninchen sind sehr krankheitsanfällig (Myxomatose, Kokzidiose, Schnupfen, etc.). Zudem erfahren die Verbände laufend grosse Verluste durch
Raubtiere. Neben Fuchs, Marder und Wiesel sind Greifvögel, Dachse sowie
Hunde und Katzen die Hauptfeinde der Kaninchen. Sie besitzen ein ausgeprägtes Fluchtverhalten: Bei Gefahr trommeln sie als Warnsignal mit den
Hinterläufen auf den Erdboden, worauf sich blitzschnell alle in die unterirdischen Bauten zurückziehen. Dabei dienen auch die beim Hoppeln hell
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aufleuchtenden Stummelschwänze als Alarmsignal. Mit ihren langen, starken Hinterbeinen erreichen Kaninchen eine hohe Geschwindigkeit und entfliehen ihren Feinden durch weite Hoppelsprünge und Hakenschlagen.
Die Verhaltensbedürfnisse
Aufgrund der eher kurzen Domestikationsdauer ist davon auszugehen, dass
die Hauskaninchen sich im Verhalten von jenem der Wildkaninchen nicht
unterscheiden. Die Tiere sind bevorzugt dämmerungsaktiv, tagsüber ruhen
sie mehrheitlich und verbringen viel Zeit mit Putzen und Fellpflege. Neben
dem Graben und Sozialverhalten stellt die Nahrungssuche und -aufnahme
die wichtigste Beschäftigung dar. Das Futterspektrum ist sehr vielseitig, es
umfasst neben Gras, Heu, Kräutern und Früchten auch viel trockenes Raufutter sowie Rüben und andere Wurzelgewächse, Äste mit frischem Laub
und Rinde, wobei Gräser, junge Zweige und Blätter klar bevorzugt werden.
Werden Kaninchen als Nutztiere gehalten, so sind die gleichen Verhaltensbedürfnisse zu befriedigen wie bei den Wildkaninchen. Die wichtigsten Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung sind folgende: keine Einzelhaltung, viel Platz für Bewegung und Sozialverhalten, ausreichend Rückzugsorte, vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten wie Raufutter, Nageobjekte und Einstreu zum Wühlen, Scharren und Graben.
Teil 2
Kaninchenfleisch
Für die Fleischproduktion in grösserem Stil werden üblicherweise die sog.
Zika-Hybriden, eine Kreuzung der Firma Zimmermann-Kaninchen (Zuchtfirma in DE) eingesetzt. Das Fleisch von Kaninchen gilt als zart und sehr gesund, weil es wenig Fett und Cholesterin, dafür viel Eiweiss und Eisen enthält. In der Schweiz werden jährlich rund 3500 Tonnen Kaninchenfleisch
gegessen, wovon 80 % aus dem Ausland stammt. Die Grossverteiler Migros
und Coop setzen etwa einen Drittel der Gesamtmenge ab, rund die Hälfte
geht in den Gastrobereich. Das restliche Fleisch wird über Ladenketten, Detailhandelsunternehmen und Metzgereien abgesetzt.
In den letzten zehn Jahren sank der Konsum von Kaninchenfleisch in der
Schweiz stetig. 1996 wurden 0,58 kg Kaninchen pro Kopf konsumiert, 2006
waren es noch 0,38 kg. Dabei hat sich der Anteil der Inlandproduktion von
12 auf über 23 % verdoppelt.
Die Schweizer Produktion
Jährlich werden in der Schweiz fast 700 t Kaninchenfleisch produziert.
Schätzungsweise die Hälfte dürfte aus Hobbyproduktion in den bekannten
«Ministällen» («Kaninchenschubladen») stammen. Der Rest wird von zwei
professionellen Unternehmen produziert: der Kyburz AG sowie der KaniSwiss GmbH, die je rund 30-50 Produzenten unter Vertrag haben und beide
über einen Schlachtbetrieb verfügen. Kyburz AG beliefert die Migros und
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Kani-Swiss den Coop. Die Kyburz AG liefert pro Woche rund 1000 Mastkaninchen an die Migros. Die Jahresproduktion beträgt rund 100 t. Die KaniSwiss hingegen produziert fast das Doppelte, bis 200 t pro Jahr. Diese Firma
zerlegt und verarbeitet auch selber einen Teil des Fleisches und vermarktet
es direkt ab Hof. Ansonsten werden die Schweizer Kaninchen nur ganz verkauft, weil es zu teuer wäre, sie zu zerlegen. Sie kosten am Stück etwa doppelt so viel wie ausländisches Käfigkaninchen-Fleisch.
Die ausländische Produktion
Ganz anders wird das Fleisch aus Import produziert. Es stammt in den meisten Fällen aus konventioneller Käfighaltung. Pro Jahr werden rund 2800 t
Kaninchenfleisch aus dem Ausland in die Schweiz importiert, was einem
Wert von rund 21 Mio Franken entspricht. Gemäss Importstatistik der CHOberzolldirektion stammt der grösste Teil aus Ungarn: Gut 1400 t waren es
im Jahr 2006 und 1200 t im 2007. An zweiter Stelle folgt Deutschland mit
rund 600 t Käfig-Kaninchenfleisch, das zu grossen Teilen für die Tierfutterherstellung in der Schweiz verwendet wird. Danach folgen Frankreich und
Italien, die traditionellerweise einen hohen Kaninchenkonsum aufweisen. In
jüngster Zeit nimmt der Import aus Übersee (Argentinien, China) zu. Bei
Fleisch aus China müsste nach Schweizer Gesetz stets deklariert werden,
dass es hierzulande verbotene antibiotische Leistungsförderer enthalten
kann.
kg
2'837'995
623622
475550
306886
7543
20841
20167
49565
277
1000
1'204'752
44956
78606
4230
Total
Deutschland
Frankreich
Italien
Niederlande
Belgien
Oesterreich
Ver. Königreich
Polen
Tschechische R.
Ungarn
China
Argentinien
Neuseeland
CHF
20'685'101
730611
4'391'122
2'018'966
101892
135301
133670
55867
4100
5626
11'753'181
453163
857401
44201
Import 2007 von Fleisch und geniessbaren Schlachtnebenerzeugnissen von Kaninchen oder Hasen, frisch,
gekühlt oder gefroren (eidg. Oberzolldirektion, 2008)
Teil 3
Das Gesetz
Schweiz
Die Schweizer Tierschutzverordnung (TschV) schreibt vor, dass allen Kaninchen täglich grob strukturiertes Futter wie Heu oder Stroh sowie ständig
Nageobjekte zur Verfügung stehen müssen. Zudem dürfen Jungtiere in den
ersten acht Wochen nicht einzeln gehalten werden. Für die Käfige sind Mindestmasse vorgeschrieben, die sich nach der Grössenklasse der Tiere richten.
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§
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§ die Käfige abgedunkelte Rückzugsbereiche enthalten und
Zudem müssen
mindestens in einem Teilbereich so hoch sein, dass die Tiere aufrecht sitzen
können. Für hochträchtige Zibben sind eine eingestreute Nestkammer (mind.
1000 cm2 für mittlere Grössenklassen) und ein separates Abteil oder eine erhöhte Liegefläche zum Absondern vor den Jungtieren vorgeschrieben.
Die ausgewachsenen Kaninchen werden für die Flächenvorgaben in vier
Klassen unterteilt: Zwergrassen, kleine, mittlere und grosse Rassen (bis 2,3
kg, 2,3 – 3,5 kg, 3,5 – 5,5 kg, > 5,5 kg). Die Zibben der üblicherweise für die
Fleischproduktion eingesetzten Zika-Hybriden gehören der mittleren Rasse
an (3,5 – 5,5 kg). Für sie fordert die TSchV eine Grundfläche von mind.
7200 cm2 bzw. 6000 cm2, wenn erhöhte Liegeflächen vorhanden sind. Als
minimale Käfighöhe sind 60 cm über mindestens 35 % der Gesamtfläche
vorgeschrieben.
Bei den Jung- und Masttieren vom Absetzen bis zur Geschlechtsreife richten
sich die Gehegeflächen und -höhen ebenfalls nach den Grössenklassen sowie
auch nach der Anzahl der Jungtiere. Übliche Masttiere der mittleren Gewichtsklassen, wie z.B. Zika-Hybriden, erreichen bis zur Schlachtung ein
Lebendgewicht von rund 3 kg. Für diese Masttiere ist eine Höhe von 60 cm
und eine Grundfläche von 7200 cm2 (bzw. 6000 cm2, wenn erhöhte Liegeflächen vorhanden sind) für 4 Tiere vorgeschrieben. In grösseren Gruppen
bis zu 40 Tieren verlangt die TSchV für jedes weitere Jungtier ab 1,5 kg
Körpergewicht eine zusätzliche Bodenfläche von 1500 cm2. In Gruppen über
40 Tieren würden 1200 cm2 reichen, doch dies wird kaum praktiziert.
EU
In der EU gibt es bis heute keine gesetzlichen Vorschriften für die Haltung
von Kaninchen. Die in den Standardkäfigen vorhandenen Minimalmasse
entstammen der Praxis – noch enger wäre wohl unmöglich.
In jüngster Zeit hat der Detailhandel in Deutschland und Österreich aufgrund
von Kampagnen durch Tierschutzkreise nach besseren Standards für die Kaninchenhaltung verlangt. In der Schweiz blieben diese Kampagnen ohne Reaktion. Österreich kennt zwar nationale Vorschriften für die Kaninchenhaltung (Anlage 9 der 1. Tierschutzverordnung des Tierschutzgesetzes), diese gehen aber bislang nur unbedeutend über die WRSA-Richtlinien hinaus.
Aufgrund der Kampagne gab es in Österreich eine politische Diskussion, die
nun zu einem Käfighaltungsverbot für Mastkaninchen ab 2012 führen wird.
Die WRSA-Empfehlungen
Die World Rabbit Science Association (WRSA) hat Empfehlungen für die
Haltung von Kaninchen formuliert. Die Tiere leben in Drahtgitter-Käfigen.
Für Mastgruppen bis 5 Tiere werden 700 cm2 pro Tier und für grössere
Gruppen 600 cm2 pro Tier empfohlen. Zum Vergleich: Eine A4-Seite misst
624 cm2.
Das Schweizer Tierschutzgesetz schreibt für eine Gruppenhaltung bis 40
Mastkaninchen eine Mindestfläche von 1500 cm2 pro Tier vor, also über 100
% mehr Fläche als es die WRSA vorsieht. Eine Kaninchenhaltung nach den
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WRSA-Vorgaben wäre somit in der Schweiz verboten. Fazit: Die Empfehlungen der WRSA sind nach der Schweizer Tierschutz-Gesetzgebung als
nicht tiergerecht zu bezeichnen.
Die Vorgaben der GGE
Auch die in Deutschland ansässige und weltweit tätige Gütegemeinschaft
Ernährung (GGE) hat in der ’Qualitätsgemeinschaft Kaninchen’ Richtlinien
für die industrielle Kaninchenhaltung erlassen. GGE-Kaninchenfleisch
stammt ebenfalls aus Käfighaltung.
Zucht: Gemäss der Version 1.3 der online publizierten Richtlinien beträgt
die Mindestfläche der Käfige für Zuchtkaninchen mittlerer Grösse 3600 cm2
bei einer Höhe von 40 cm. Wird eine zweite Ebene angeboten, so muss die
Grundfläche mind. 3000 cm2 und die erhöhte Sitzfläche mind. 1000 cm2
betragen bei einer Mindesthöhe von 60 cm. Jede Zibbe (= Muttertier) muss
zudem über eine Wurfbox von mind. 800 cm2 Fläche verfügen.
Mast: In der Mast beträgt die Mindesthöhe der Käfige 35 cm und die Mindestfläche für eine Gruppenhaltung bis 5 Kaninchen 700 cm2 pro Tier, für
Gruppen über 5 Kaninchen 600 cm2 pro Tier. Zum Vergleich: Eine A4-Seite
misst 624 cm2.
Das Schweizer Tierschutzgesetz schreibt für Zuchtkaninchen dieser Grösse
die doppelte Grundfläche vor sowie in jedem Fall eine Mindesthöhe von 60
cm und eine Nestkammer von mind. 1000 cm2 pro Zibbe. Für eine Gruppenhaltung bis 40 Mastkaninchen fordert das Schweizer Gesetz pro Tier eine
Mindestfläche von 1500 cm2 bei einer Mindesthöhe von 50 cm. Die minimalen Flächenvorgaben der GGE für die Mast entsprechen nicht einmal 50 %
der Schweizer Gesetzesvorschriften. In der Zucht beträgt die Differenz exakt
50 %. Eine Kaninchenhaltung nach den GGE-Richtlinien ist somit in der
Schweiz verboten. Fazit: Die Richtlinien der GGE sind nach der Schweizer
Tierschutz-Gesetzgebung als nicht tiergerecht zu bezeichnen.
Teil 4
Die Käfighaltung
Der konventionelle Standard
Die weltweit verbreitete Standardhaltung für Kaninchen sind enge Drahtgitterkäfige. Ausgehend von den grossen europäischen Produktionsländern
(Ungarn, Deutschland, Frankreich, Italien, Tschechien, Belgien, Spanien,
etc.) wurden Standardkäfige nach Übersee verfrachtet. So finden sich z.B.
italienische Käfigbatterien ebenso in Argentinien wie auch in Ungarn. Vermutlich sieht es in China genauso oder noch schlimmer aus. Grundsätzlich
ist zwischen Zucht- und Mastkäfigen zu unterscheiden.
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Die Zucht
Die Standard-Zuchtkäfige verfügen meist über eine Grundfläche von etwa
90 x 40 cm und sind 33 cm hoch. Von aussen wird für den Wurf eine Nestbox mit Stroh oder Hobelspänen von ca. 28 x 40 cm angebracht. In modernen Käfigsystemen lässt sich die Wurfbox mit einem Metallschieber oder gitter verschliessen, so dass die Mutter nur etwa 2-3 Std. pro Tag Zugang zu
den Jungen hat. Wie in der Natur soll sie nur einmal pro Tag säugen und sich
dann vor den Jungen zurückziehen können. Dieser Managementaufwand
wird aber nicht überall betrieben: Es gibt auch Käfige ohne Schieber. Er
dient dem Schutz der Jungtiere vor Störungen und Aggressionen durch die
Mutter. Die dauernde Präsenz der Jungen – auch die Abtrennung verhindert
den Jungengeruch nicht – kann die Mütter überfordern oder stressen, kann
sie nervös und aggressiv machen. Sobald die Jungen gross genug sind, um
das Nest zu verlassen (i.d.R. nach 2-3 Wochen), werden die Schieber (falls
vorhanden) nicht mehr geschlossen. Die Mutter und im Schnitt neun Jungtiere teilen sich dann die rund 3600 cm2 grosse Grundfläche. Aufgrund der Enge kann es zu Aggressionen und Verletzungen kommen, allerdings ist dies
eher selten. Nach vier bis fünf Wochen werden die Jungen abgesetzt, indem
die Mutter für den nächsten Wurf entfernt wird. Üblicherweise werden die
Mütter bereits am 11. Tag nach einem Wurf mittels künstlicher Befruchtung
wieder gedeckt. Die Halbwüchsigen bleiben nach dem Absetzen allein im
Zuchtkäfig zurück, bis sie kaum mehr Platz haben und in die Mastkäfige
umgestallt werden.
Die Mast
Die Mast dauert etwa von der achten bis zur zwölften Lebenswoche, dann
werden die Kaninchen spätestens geschlachtet. Sie findet entweder in grösseren Gruppen mit etwa 6 bis zu 8 Tieren oder in Einzel- bzw. Doppelkäfigen statt. In diesen letzten vier Wochen der Mast werden die Halbwüchsigen
oft einzeln oder zu zweit platziert, weil der Energieverlust und damit die
Wachstumseinbussen in den grösseren Gruppen aufgrund von gegenseitigen
Störungen und Auseinandersetzungen wirtschaftlich relevant sind. Ein Standard-Mastkäfig ist maximal 35 cm hoch und bietet weniger als 800 cm2 Fläche – oft sind nur 30 cm Höhe und eine Fläche von 30 x 45 cm für zwei Tiere vorhanden, das ergibt 675 cm2 pro Tier oder geringfügig mehr als eine
A4-Seite (624 cm2)! Die Tiere können sich in diesen Käfigen nicht aufrichten, nicht ausstrecken geschweige denn hoppeln, ja sie können sich kaum
wenden. Sie haben nichts anderes zu tun als zu fressen und zu trinken und
möglichst schnell zu wachsen. Der Beschäftigungsmangel und die Reizarmut
führen zu Apathie und schweren Verhaltensstörungen.
Obwohl in der Schweiz verboten, landet solches Käfig-Kaninchenfleisch
auch massenweise auf Schweizer Tellern. Über 1 Mio kg dieses Quälfleisches wird jährlich in die Schweiz importiert. Es gelangt in den Detail- und
Grosshandel, wobei vermutlich mindestens die Hälfte im Gastrobereich landet.
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Teil 5
Das Leiden der Tiere
Das Leben in den engen Drahtgitterkäfigen ist eine Qual für die bewegungsfreudigen Kaninchen. Es kommt zu Schäden im Körperbau und Verhalten.
Die Zibben verbringen ihr ganzes Leben von durchschnittlich ein bis zwei
Jahren «hinter Gittern». Solange, bis sie vor lauter Trächtigkeiten erschöpft
und ausgelaugt sind und nicht mehr aufnehmen. Oder solange, bis sie ausgemerzt werden müssen wegen körperlichen Schäden wie Pfotenverletzungen, Wirbelsäulenverkrümmungen oder Selbstverletzung als schwere Verhaltensstörung (Automutilation), wegen Aggressionen gegenüber dem Nachwuchs oder wegen Erkrankungen (Kokzidiose, Pasteurellen, Schnupfen).
Viele der Zibben werden mit der Zeit völlig apathisch oder zeigen Stereotypien wie Gitternagen, eine repetitive Verhaltensstörung aufgrund des Beschäftigungsmangels und der Langeweile.
Im Vergleich dazu haben die Masttiere das weniger schlimme Los, sie leiden
«nur» 10-12 Wochen bis zur Schlachtung. Die Zeit ist zu kurz, als dass
schwerwiegende Pfotenverletzungen oder Knochenschäden entstehen könnten. Allerdings ist die Knochenmasse reduziert infolge mangelnder Bewegung. Für die verspielten Jungtiere ist die qualvolle Enge und die Reizarmut
eine grosse Belastung. Zusätzlich kommt es aufgrund der fehlenden Rückzugsorte immer wieder zu Reibereien. Spätestens ab der neunten Lebenswoche, wenn die Pubertät und die damit verbundenen Hormone einsetzen,
gibt es Rangkämpfe, die zu Verletzungen führen können. Die unterlegenen,
schwächeren Tiere sind den Aggressionen schutzlos ausgeliefert und dadurch umso mehr gestresst. Wird dies nicht früh genug entdeckt und die
Gruppe auseinander genommen, kann es zu gravierenden Verletzungen
kommen.
Unterdrückung des natürlichen Verhaltens
In der konventionellen Käfighaltung bedeutet der Tod die Erlösung aus der
lebenslänglichen Haft hinter Gittern. Insgesamt sind die konventionellen Gitterkäfige aus Tierschutzsicht völlig inakzeptabel, weil elementare Verhaltensbedürfnisse der Kaninchen grob vernachlässigt werden.
•
Natürliches Bewegungsverhalten (Hoppeln, Sprünge, sich Aufrichten
und Strecken)
Die engen Käfige verhindern jegliche arttypische Fortbewegung. Die bewegungsaktiven Tiere können keinen einzigen Hoppelsprung ausführen.
Sogar die noch kleinen Jungtiere können nicht richtig hoppeln, weil sie
mit ihren Pfoten durch die zu grossen Gittermaschen fallen. Spielerische
Verhaltenselemente wie Haken Schlagen, schnelles Wenden, Kapriolen
Machen, Aufspringen, etc. sind nicht möglich. Zudem sind die Käfige
mit einer Höhe von 30 bis 35 cm viel zu niedrig: Die Kaninchen können
nur Kauern, das arttypische Aufrichten (Männchen machen) ist nicht
möglich. Ebenso können sich die Masttiere nie ganz ausstrecken, wie
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Dossier zu Käfig-Kaninchenfleisch
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dies nach dem Schlafen typisch wäre, geschweige denn ausgestreckt liegen.
•
Natürliche Beschäftigung (Futtersuche, Fressen, Nagen)
Während der Dämmerung sind Kaninchen sehr aktiv: Sie suchen nach
Futter, fressen Gräser und Kräuter und nagen an Ästen. In der Käfighaltung haben die Tiere keinerlei Beschäftigung. Die Reizarmut und
Langeweile führen zu schweren Verhaltensstörungen wie Apathie, Gitternagen, Unruhe, Aggressionen oder Automutilation.
•
Rückzugsorte (Unterschlüpfe und Verstecke ermöglichen Ausweichen
und Schutz)
Kaninchen graben sich unterirdische Bauten, in die sie sich bei Gefahr
zurückziehen können, sie warnen sich auch gegenseitig vor Raubfeinden.
Die strukturierte Umgebung über und unter Boden erlaubt den unterlegenen Tieren, sich vor Angreifern zu verstecken. Dies alles ist in der Käfighaltung nicht möglich. Bei Rangkämpfen sind die unterlegenen Tiere den
dominanten schutzlos ausgeliefert. Es gibt weder Unterschlupf noch erhöhte Fläche, wo sich die gestressten Tiere zurückziehen könnten. Kaninchen haben zudem als Fluchttiere den Drang, bei Gefahr unter Boden
zu fliehen – da Unterschlüpfe fehlen, kommen die Tiere bei ungewohnten Störungen in grossen Stress, sie möchten wegrennen und
können dies nicht.
•
Wühlen und Graben (sich eigene Schlupflöcher erschaffen)
Die Kaninchen haben ein angeborenes Bedürfnis, sich unterirdische
Höhlen zu graben. In den einstreulosen Gitterkäfigen ist weder Wühlen
noch Graben möglich. Gelegentlich wird ein Scharren oder Grabbewegungen an den Gitterstäben beobachtet, was als Leerlaufverhalten zu interpretieren ist (der äussere Reiz, d.h. das Grabmaterial, fehlt). Zudem
kann ein Scharren an Artgenossen auftreten, wobei das Fell der Sozialpartner als Ersatzobjekt dient. Derartige Verhaltensabweichungen sind
eindeutige Anzeichen für die Nicht-Tiergerechtheit der Käfige.
•
Natürliches Sozialverhalten (grosse Verbände, unterirdische Bauten,
Warnen)
In der Natur leben die Kaninchen in stabilen Gruppen mit klarer Sozialstruktur. Die Gruppenmitglieder erkennen sich gegenseitig und pflegen
enge Beziehungen. Jede Kolonie hat einen eigenen Geruch, der erhöhte
Freundlichkeit bewirkt und die Aggressionsbereitschaft senkt. Die Käfighaltung verunmöglicht das natürliche Sozialverhalten. Die Zibben
sind nur mit den Jungtieren zusammen und diese sind nach dem Absetzen nur unter Gleichaltrigen. Zudem werden die Würfe bei Ausmast
im Einzel- oder Doppelkäfig auseinander gerissen.
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•
Natürliche Mutter-Jungtier-Beziehung (1-2x pro Tag säugen, Rückzug der Mutter)
In der Natur werden die Jungen nur ein- bis zweimal pro Tag während
wenigen Minuten von der Mutter gesäugt. Danach verlässt sie das Nest
und verschliesst es zum Schutz der Jungtiere. In den Käfigen hingegen
sind die Mütter permanent mit den Jungen konfrontiert. Selbst wenn das
Nest anfänglich durch Metallgitter oder -schieber verschlossen wird, so
ist die Mutter trotzdem den ganzen Tag dem Geruch der Jungtiere ausgesetzt. Sobald sich diese so weit entwickelt haben, dass sie sich selbständig im Käfig fortbewegen können, wird das Nest nicht mehr verschlossen. Spätestens dann beginnt der Dauerstress für die Mutter, die eigentlich ihre Ruhe vor dem Nachwuchs haben möchte. Die Mütter reagieren
entweder mit Apathie oder mit Unruhe, Nervosität und Rastlosigkeit.
In Nestern ohne Abtrennung kann die Zibbe wenigstens ein zweites Mal
säugen, wenn der Milchdruck hoch ist. Dafür kommt es eher zu Störungen oder gar Aggressionen gegenüber den Jungtieren, im schlimmsten
Fall zu Kronismus (Frass der Jungen), weil sich die Mutter nicht zurückziehen kann.
Die körperlichen Schäden
Die konventionellen Gitterkäfige sind nicht nur aus Sicht des Verhaltens inakzeptabel, sondern auch, weil sie zu körperlichen Schäden führen.
•
Pfotenschäden durch Drahtgitterböden
Die empfindlichen Pfoten der Kaninchen werden durch die Drahtgitterböden stark beeinträchtigt. Mit der Zeit treten übermässige Verhornungen, Schwielen und Schwellungen auf, die bis hin zu Verletzungen führen können. Auch Krallenabbrüche sind nicht selten. Die Pfotenschäden
sind bei den Zuchttieren stärker ausgeprägt, weil sie viel länger in den
Käfigen verbleiben und weil sie ein höheres Gewicht aufweisen. Besonders während der Trächtigkeit der Zibben wird die Belastung der Pfoten
noch erhöht. Die starken Verhornungen neigen bei Dauerbelastung zu
Rissen, welche dann Eingangspforten für Keime und damit Entzündungsherde darstellen.
•
Knochenschäden und Wirbelsäulenverkrümmungen durch zu niedrige Käfige
Die Bewegungsarmut in den Käfigen führt zu einer verminderten Kalziumeinlagerung in die Knochen. Diese sind dadurch weniger stabil und
bruchfest als bei grosszügig gehaltenen Kaninchen mit viel Bewegung.
Die Käfighöhen von 30-35 cm zwingen die Kaninchen zu einer dauernden Kauerhaltung. Diese führt zu Schäden an der Wirbelsäule. Bei Zibben treten in Kombination mit den häufigen Trächtigkeiten mit der Zeit
schwere Wirbelsäulenverkrümmungen auf.
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•
Reizung der Augen und Schleimhäute durch Ammoniakdämpfe
Die Kaninchen sitzen in Käfigen, die sich versetzt in mehreren Reihen
übereinander stapeln. Der Länge nach reihen sich hunderte bis tausende
solcher Käfige aneinander. Die Fäkalien der Tiere fallen durch den Gitterboden und lagern direkt unterhalb der Tiere. Die aufsteigenden Ammoniakdämpfe reizen die Schleimhäute und stellen eine grosse Belastung für die empfindliche Nase und die Augen der Tiere dar. Durch eine
andauernde, hohe Ammoniakbelastung werden die Tiere vermutlich
noch anfälliger für Krankheitserreger (z.B. Schnupfen und/oder Augenentzündungen durch Pasteurellen, etc.).
•
Hoher Krankheitsdruck
Durch die enorme Tierzahl in den Käfigbatterien entsteht ein grosser Infektionsdruck. Um hohe Verlustraten infolge von Schnupfen, Pasteurellen oder anderen Erkrankungen zu vermeiden, sind peinliche Hygiene
und regelmässige Desinfektion nötig. Die falsche Ernährung – nur Kraftfutter anstelle von rohfaserreichem Futter – führt vermehrt zu Durchfall
und fördert die gefürchtete Darmkrankheit Kokzidiose. Um diese zu bekämpfen, werden präventiv sog. Kokzidiostatika ins Futter gemischt.
Dieses Medikament kann aber den Ausbruch der Krankheit nicht immer
verhindern – Jungtiere nach dem Absetzen sind besonders gefährdet.
Aggressive Desinfektionsmittel, die in den Massentierhaltungen während
der Belegung eingesetzt werden müssen, um Epidemien zu verhindern,
gefährden die Gesundheit der Tiere. In Übersee, v.a. in China, werden
oft neben den in Europa noch tolerierten Kokzidiostatika auch Antibiotika ins Futter gemischt.
Teil 6
Die Delimpex-Mast
Einer der grössten Importeure von ausländischem Kaninchenfleisch und europaweit ein bedeutender Kaninchenfleisch-Produzent ist die Delimpex AG
mit Sitz in Pfäffikon (SZ). Delimpex-Kaninchenfleisch wird in den Läden
von Migros und Coop und von weiteren Unternehmen angeboten. Der Besitzer von Delimpex, Meinrad Odermatt, hat Pionierarbeit geleistet, indem er
Kaninchenfleisch nicht in Käfigen, sondern in Gruppenboxen produziert.
Die Delimpex-Boxenhaltung ist besser als Käfighaltung. Die Kaninchen leben in Gruppen in nach oben offenen Boxen und stehen auf Plastikrosten
statt auf Gitterstäben.
Dennoch ist Kritik angebracht. Die Zibben leben nach wie vor in konventionellen Gitterkäfigen. In der Mast beträgt die Grundfläche der Boxen 90 x 62
cm für sieben bis neun Kaninchen. Pro Tier sind das nur gerade mindestens
620 cm2. Zum Vergleich: Eine A4-Seite misst 624 cm2.
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Das Schweizer Tierschutzgesetz schreibt für eine Gruppenhaltung bis 40
Mastkaninchen eine Mindestfläche von 1500 cm2 pro Tier vor. Eine Haltung
gemäss den Flächenmassen der Delimpex ist somit in der Schweiz verboten.
Fazit: Die Delimpex-Boxenhaltung ist ein Fortschritt gegenüber der konventionellen Käfighaltung, aber noch nicht tiergerecht.
Teil 7
Die Ministälle
Die allermeisten Schweizer Kaninchen leben nach wie vor in den bekannten
«Ministällen», die an Tablare mit einzelnen Schubladen erinnern, daher auch
oft «Schubladenhaltung» genannt. Unzählige Kaninchen fristen ihr ganzes
Leben in diesen engen Käfigen und können nicht mehr als ein bis zwei Hoppelsprünge ausführen. Gemäss Aussage von Franz Blöchlinger, zuständiger
Mitarbeiter des Veterinäramtes des Kantons St. Gallen, gehört das Verhältnis
von «guten zu schlechten» Haltungen bei den Kaninchen im Vergleich zu
anderen Tierarten zu den schlechtesten überhaupt. Die Tiere würden noch oft
in zu kleinen und nicht strukturierten Käfigen gehalten, oft fehlten Einstreu,
Futterheu oder die ständigen Nageobjekte sowie der abgedunkelte Rückzugsbereich, was alles gemäss Schweizer Tierschutzverordnung vorgeschrieben wäre. Von 148 kontrollierten Kaninchenhaltungen mussten im
Jahr 2005 mit 91 weit über die Hälfte beanstandet werden – das ist rekordverdächtig! Demnach stellen die Kaninchen die am schlechtesten gehaltene
Tierart in der Schweiz dar – dies trifft nicht nur auf die Nutztierhaltung zu,
sondern auch auf die Hobby- und Labortierhaltung sowie auf die Rassetierzucht.
Teil 8
Die Alternativen
Die Stall-Gruppenhaltung
Die im Handel erhältlichen Schweizer Kaninchen stammen i.d.R. von bäuerlichen Betrieben mit professioneller Kaninchenhaltung. Diese Masttiere leben in grossen Buchten in Stallgruppenhaltung nach der Schweizer Tierschutzverordnung (TschV). Viele der Produzenten halten zudem das Tierhaltungsprogramm des Bundes BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltung)
ein. Die Mastgruppen gemäss TschV umfassen rund 20-28 Tiere, die in
Buchten mit einer Grundfläche von rund 3,5 m2 leben (die Buchtengrössen
variieren etwa zwischen 1,0 - 1,30 m x 3,0 - 3,5 m). Dank erhöhter Ebenen
beträgt die nutzbare Fläche mehr als 4 m2. Bei BTS leben nur etwa halb so
viele Tiere auf der gleichen Fläche (0,25 m2 pro Tier in der Ausmast statt
0,15 m2, eine Bucht muss mind. 2 m2 gross sein). Der Untergrund ist entwe- Seite 13 -
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KAGfreiland; Februar 2009
der mit Plastikrosten voll perforiert (nur TschV erfüllt) oder enthält teilweise
Festboden und Einstreu zum Wühlen, Scharren und Graben (BTS).
Die 1 cm breiten Plastikroste (Kunststoffroste wie in der Ferkel-Produktion)
sind zwar teuer, verhindern aber Pfotenverletzungen. Die Buchten sind nach
oben offen und strukturiert, d.h. sie weisen in gewissen Bereichen erhöhte
Ebenen auf. Die oberen Bereiche enthalten meist die Futter- und Tränkeautomaten sowie die Heuraufen, die darunter liegenden Bereiche werden gerne
als Rückzugsorte genutzt. Vorstehende Balken dienen als Nageobjekte. Beschäftigung und Ausweichmöglichkeiten sind von grosser Bedeutung für die
Tiere und das Funktionieren der Gruppenhaltung.
Gemäss BTS sind auch die Zibben in Gruppen zu halten. Die Zuchtgruppen
umfassen meist 5 bis 6, selten bis 8 Tiere. Pro Zibbe sind 1,6 m2 sowie je ein
separates Nest und eine erhöhte Liegefläche vorgeschrieben. Weil das Management von Zibben in Gruppenhaltung sehr anspruchsvoll ist, leben sie
auch in der Schweiz bis heute noch verbreitet in Einzelhaltung bzw. nur zusammen mit ihren Würfen.
Die Freilandhaltung von KAGfreiland
Die KAGfreiland-Kaninchen leben in Gruppen in vielfältig strukturierten
Gehegen mit Auslauf ins Freie oder in Freilandgehegen mit mobilen Ställen
und Zaunsystemen. Geschütze Ruhe- und Nestbereiche, erhöhte Rückzugsorte sowie grosszügige Aktivitäts- und Fressbereiche sind Vorschrift. Die festen Ställe verfügen über Wechselweiden oder werden, wenn immer der
gleiche Auslauf verwendet wird, regelmässig frisch eingestreut bzw. die
Holz- oder Rindenschnitzel werden erneuert. Die Mindestfläche für alle festen Kaninchenhaltungen beträgt unabhängig von der Gruppengrösse 6 m2,
damit sämtliche bewegungsaktiven Verhalten ausgelebt werden können
(rennen, hoppeln, Sprünge, Kapriolen, Haken schlagen, etc.). Ansonsten
werden für grössere Gruppen pro Jungkaninchen bis 8 Wochen mindestens
0,5 und pro Mastkaninchen 1,5 m2 vorgeschrieben, pro Zibbe und Rammler
werden je 2 m2 verlangt.
In der Freilandhaltung mit mobilen Systemen müssen für zwei erwachsene
Tiere oder eine Zibbe mit Nachwuchs immer 30 m2 Weide zur Verfügung
stehen. Sobald die Fläche abgeweidet ist, wird das Gehege auf die nächste
30 m2-Parzelle verschoben, so dass übers Jahr etwa 600 m2 notwendig sind.
Der Arbeitsaufwand für mobile Systeme ist einiges höher als für feste Ställe.
Der Auslauf bzw. die Weide muss unabhängig vom Haltungssystem mindestens zwei überdachte, im Winter eingestreute und klimageschützte Aussenbereiche von je 2500 cm2 enthalten. Den Kaninchen ist ein artgerechtes Futter anzubieten, das sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt.
Heu muss stets vorhanden sein, während der Vegetationsperiode auch Gras.
Zudem sind Äste mit frischem Laub und zum Benagen der Rinde vorgeschrieben. Neben dem breiten Futterangebot können sich die Tiere auch mit
Scharren und Graben im Auslauf bzw. auf der Weide beschäftigen.
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Dossier zu Käfig-Kaninchenfleisch
KAGfreiland; Februar 2009
Teil 9
Die Forderungen von KAGfreiland
Nur ein wirklich tiergerechtes Haltungssystem ermöglicht sämtliche arttypischen Verhaltensweisen. Im Idealfall erfüllt es folgende Bedingungen:
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viel Platz für die bewegungsaktiven Verhaltenselemente wie hoppeln,
rennen, springen, Laufspiele, etc.
genügend hohe oder oben offene Boxen zum Aufrichten, Männchen machen, hoch Springen, Kapriolen machen
ständig ausreichendes Beschäftigungsmaterial für alle Tiere: Heuraufen,
Nageobjekte (Äste, Rinden, Holzstücke) und rohfaserreiches Raufutter
(Heu, Stroh, Gras, Kräuter, Laub, etc.)
strukturierte Gruppenhaltungen für Zibben sowie für Masttiere (keine
Einzelhaltungen mehr!)
separate Nestboxen mit Einstreu für hochträchtige Zibben
mehrere erhöhte Rückzugsebenen für Zibben in Zuchtgruppen bzw. für
Masttiere in Mastgruppen
die darunter liegenden Bereiche als abgedunkelte Unterschlüpfe zulassen
keine Drahtgitterböden, sondern Kunststoffroste mit breiter Auflagefläche zur Schonung der Pfoten
in gewissen Bereichen Festboden mit Einstreu zum Wühlen, Scharren
(und Graben)
Tageslicht, gute Belüftung und regelmässige Entfernung des Mistes
gute Tierbetreuung, um Krankheiten sofort zu erkennen und möglichst
sanft zu bekämpfen
An die Adresse sämtlicher Schweizer Detailhandelsunternehmen, die KäfigQuälfleisch im Angebot haben, richtet KAGfreiland folgende Forderungen:
! Sofortiger Stopp des Verkaufs von Käfig-Kaninchenfleisch! Umstellung der ausländischen Kaninchenmast innerhalb eines Jahres auf
Stall-Gruppenhaltung mit Einstreu (BTS) und der Kaninchenzucht
mindestens auf das Niveau der Schweizer Tierschutzverordnung.
! Die Kaninchenfleisch-Anbieter verpflichten sich schriftlich mit
Terminangabe, das Sortiment bzw. die Produktionsbetriebe umzustellen. Unmittelbar nach der Umstellung wird KAGfreiland Einblick ins neue Haltungssystem gewährt.
! Die Anbieter lassen ihre Zuliefer-Betriebe mind. zweimal pro Jahr
von einer unabhängigen Kontrollfirma unangemeldet überprüfen.
! Die Anbieter fördern die Entwicklung der KaninchenFreilandhaltung im In- und/oder Ausland.
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Dossier zu Käfig-Kaninchenfleisch
KAGfreiland; Februar 2009
Porträt
Wer ist KAGfreiland?
KAGfreiland ist eine gemeinnützige Schweizer Tierschutz-Organisation.
Seit 35 Jahren setzen wir uns schweizweit mit eigenen Tierprojekten für die
artgerechte Tierhaltung von Nutztieren ein, führen Kampagnen gegen Tierquälereien durch und sind aktiv mit Öffentlichkeitsarbeit, in der Politik und
im Markt. Unser Grundsatz: KAGfreiland kritisiert nicht nur, sondern zeigt
die tierfreundliche Alternative auf.
KAGfreiland ist zugleich ein Label. Wir haben schweizweit die tierfreundlichsten Richtlinien. Unsere Bauern zeigen Tag für Tag, dass tierfreundliche Haltung in der Praxis funktioniert. Natürlich ist bei uns alles bio.
7000 Mitglieder und SpenderInnen unterstützen unsere Arbeit zugunsten von
Kuh, Schwein, Huhn & Co. Werden auch Sie Mitglied! Die Tiere brauchen
Sie!
Mit Ihrer Spende helfen Sie den Kaninchen. Vielen Dank.
Als kleine gemeinnützige Organisation ist KAGfreiland sehr auf Spenden
(PC 80-20500-5) und Mitglieder (Fr. 50.–) angewiesen. Mit einer Spende
helfen Sie, Käfigfleisch zum Verschwinden zu bringen und die Umstellung
auf bessere Tierhaltung zu fördern. Und mit Ihrer Mitgliedschaft bringen Sie
die artgerechte Tierhaltung vorwärts, ermöglichen kurze Tiertransporte und
fördern die Freilandhaltung von Kuh, Schwein, Huhn & Co.
! Dossier, Film, Bilder und weitere Infos auf www.kagfreiland.ch unter ’Kampagne’
! Rückfragen: Nadja Brodmann, Zoologin KAGfreiland,
Tel. 071 222 18 18 / 079 334 91 70 / [email protected]
Die schweizerische
Nutztierschutz-Organisation
Engelgasse 12a / 9001 St.Gallen
Tel. 071 222 18 18 / Fax 071 223 13 37
www.kagfreiland.ch / [email protected]
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