Übergewicht bei Kindern In der Schweiz sind aktuell jeder fünfte Junge und jedes sechste Mädchen übergewichtig oder sogar fettleibig. Und es werden trotz vieler Gegenmassnahmen nicht weniger. Das Phänomen von Übergewicht und Adipositas bei Kindern hat sich in der Schweiz erst seit den 1980-er Jahren entwickelt. Damals waren nur gerade fünf Prozent aller Kinder zu schwer, und Fettleibigkeit trat praktisch nicht auf. Übergewicht wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. Vor allem Kinder und Jugendliche aus unteren sozialen Schichten und mit Migrationshintergrund sind von Übergewicht betroffen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Schulbildung der Eltern und dem Gewicht ihres Kindes. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Kinder umso dicker sind, je mehr Stunden pro Tag sie vor dem Fernseher verbringen. Auch Computer, Spielkonsolen, Tablets und Smartpho- nes verleiten heute viele Kinder zum Herumsitzen, was ihrem angeborenen Bewegungsdrang widerspricht. Dadurch entsteht schnell eine positive Energiebilanz, das heisst, Kinder nehmen mehr Kalorien zu sich als sich benötigen. Die Folge ist Übergewicht. Einflussfaktor Werbung Eine Studie aus England hat die für Kinder beworbenen Lebensmittel im Fernsehen untersucht und festgestellt, dass diese einen hohen Gehalt an Fett, Zucker und Salz und wenig (frisches) Fleisch, (frische) Früchte und (frisches) Gemüse enthalten. Die Werbung konzentriert sich dabei auf vier grosse Lebensmittelkategorien: Frühstückscerealien, Süss- waren, Snacks und Süssgetränke. Die Autoren dieser Untersuchung kommen zum Schluss, dass Kinder grösstenteils Werbung von ungesunden Lebensmitteln ausgesetzt sind und dass es sich bei den beworbenen Lebensmitteln um solche handelt, die zu einer ungesunden Ernährung beitragen. Ähnlich sieht die Situation in der Schweiz aus. Auch hier hat Werbung für gesunde Lebensmittel, die im Rahmen von Kinderprogrammen ausgestrahlt wird, Seltenheitswert. Eine Untersuchung aus den USA zeigt, dass Fernsehwerbung die Lebensmittel-Präferenz von Kindern in der Altersgruppe von 2 bis 11 Jahren wesentlich beeinflusst. Fernsehwerbung führt dazu, dass Kinder kalorienreiche Lebensmittel mit wenigen Nährstoffen bevorzugen. Obwohl das Problem der Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel in vielen europäischen Ländern erkannt wurde, haben erst wenige gehandelt. Grossbritannien beispielsweise hat die Werbung für Lebensmittel mit hohem Gehalt an Fett, Zucker und Salz in kinderspezifischen FernDas hilft beim Abnehmen: sehsendungen für Kinder unter 16 Jahren verN Essen Sie viel Gemüse, Salat, boten. In der Schweiz Früchte sowie genügend Progibt es noch keine solteine und hochwertige Fette. chen Regulierungen. N Trösten und belohnen Sie Ihr Kind nicht mit Esswaren. Zu wenig Schlaf N Schaffen Sie eine reizarme Umgebung, indem Sie mögEin weiterer Einflusslichst wenig Süssigkeiten hefaktor auf das Körperrumliegen lassen. gewicht ist der Schlaf. N Halten Sie sich an die Regel: Wer in der Nacht nicht Maximal einmal pro Tag eine gut oder zu wenig gekleine Süssigkeit. Oder geben schlafen hat, verspürt Sie Ihrem Kind pro Woche am nächsten Tag mehr eine Box mit einer SüssigkeiHunger als sonst und tenration, die es selber einisst auch mehr und öfteilen kann. ter. Studien belegen, N Trinken Sie Wasser und ungedass ein Schlafdefizit zuckerten Tee statt Süssgebei Erwachsenen die tränke. Wahrscheinlichkeit, N Essen Sie am Familientisch übergewichtig zu werregelmässig gemeinsam, den, um etwa 50 Prolangsam und genussvoll. zent erhöht. Bei KinN Schränken Sie den Mediendern und Jugendlichen konsum Ihres Kindes ein, um steigt dieses Risiko auf es nicht mit Werbung für un68 Prozent, bei besongesunde Lebensmittel zu ders grossem Schlafdeüberfluten. fizit sogar auf 92 ProN Stellen Sie Regeln betreffend zent. Das heisst: Das Medienkonsum auf und sorRisiko, dick zu werden, gen Sie dafür, dass Ihr Kind ist umso höher, je wesich viel bewegt. niger man schläft. Zudem werden bei Schlafmangel die Zellen insulinresistent und können trotz genügend Insulin im Blut Kohlenhydrate weniger gut aufnehmen. Dies wiederum fördert die Entwicklung von Diabetes und anderen Krankheiten. Übergewicht früh vorbeugen Studien zeigen, dass Eltern das Gewicht ihrer Kinder oft nicht richtig einschätzen können. Viele beurteilen 20 schweizer hausapotheke 1/15 Das grosse LOGI-Familienkochbuch. Marianne Botta, Dr. Nicolai Worm, Systemed Verlag, 2012. ihr Kind auch mit massivem Übergewicht noch als normalgewichtig. Marianne Botta, die Expertin für Kinderernährung, weiss: «Mit etwa vier Jahren sollte ein Kind den Babyspeck verloren haben. Auch das Umfeld sollte wachsam bleiben und die Eltern sanft darauf aufmerksam machen, wenn ein Kind übergewichtig ist. Denn man tut ihm nichts Gutes, wenn man ihm nicht hilft.» Übergewicht ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern zieht gravierende gesundheitliche Folgen nach sich. Aus übergewichtigen Kindern werden mit hoher Wahrscheinlichkeit übergewichtige Erwachsene. Auch Kinder mit übergewichtigen Eltern haben ein hohes Risiko, selber einmal dick zu werden. Marianne Botta empfiehlt deshalb, Übergewicht möglichst früh vorzubeugen, damit Gewichtprobleme nicht zum ständigen Begleiter des Lebens werden. Abnehmen ja, aber wie? Zahlreiche Studien belegen, dass eine kohlenhydratarme Ernährung (LOGIMethode) einer fettarmen überlegen ist und man damit besser und langfristig abnehmen kann. Oder einfach ausgedrückt: Zu viel Stärke und Zucker – insbesondere in Kombination mit Bewegungsmangel – machen dick und krank. Auch die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydraten und Fetten fördert Übergewicht. Kohlenhydrate liefern lediglich Energie, sind aber nicht lebensnotwendig, Proteine und Fettsäuren hingegen schon. Marianne Botta empfiehlt, den Kohlenhydratanteil zu reduzieren und Lebensmittel zu essen, die anhaltend satt machen, etwa Eiweisse, Nahrungsfasern und Wasser. Kohlenhydrate aus Vollkorn, Gemüse und Früchten sind besser als der Zucker in Süssgetränken. «Ideal ist eine Mischkost mit weniger Kohlenhydraten wie Süssigkeiten und Produkten aus Weissmehl, mit viel Gemüse und Salat, genügend Eiweiss und hochwertigen Fetten», sagt die Fachfrau. Ausserdem sollten Familien das Abendessen frühzeitig (ca. um 18 Uhr) einnehmen und später nicht mehr naschen. «Der Genuss von Snacks am Abend führt zu einem hohen Insulinspiegel und zum Speichern von Fett», erklärt Marianne Botta. Hungern ist nicht klug Fakt ist: Fettzellen werden erst angegriffen, wenn längere Zeit kein Kohlenhydratnachschub erfolgt. Genau deswegen sollten wir wenn möglich höchstens dreimal täglich essen – und dazwischen nicht naschen. Dies gibt dem Körper die Gelegenheit, die eigenen Fettdepots anzugreifen, anstatt sich den immer von neuem ankommenden Kohlenhydraten zu widmen – das Gewicht sinkt. «Übergewichtige Kinder sollten beim Abnehmen aber auf keinen Fall hungern», rät Marianne Botta, «wenn sie zwischen den drei Hauptmahlzeiten Hunger verspüren, sind kleine kohlenhydratarme Zwischenmahlzeiten, etwa ein Stück Käse und ein Rüebli oder eine Handvoll Nüsse, ideal.» Milchprodukte wie Käse helfen übrigens beim Abnehmen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder und Erwachsene, die regelmässig Milch und Milchprodukte konsumieren, schlanker sind als solche, die darauf verzichten. Für alle, die ein gesundes Körpergewicht anstreben, ist viel Bewegung genauso wichtig wie die Ernährung. Vorbild Eltern Wichtig ist die Erkenntnis, dass gesunde Ernährung vorgelebt und nicht anerzogen wird. «Eltern sollten aber gegenüber ihrem Kind nie von gesunder Ernährung sprechen», empfiehlt Marianne Botta; «denn damit kann es nichts anfangen. Entscheidend ist, dass das Essen dem Kind schmeckt.» Auch wenn die Eltern normalgewichtig sind, empfiehlt die Expertin eine Mischkost mit viel Gemüse und Salat sowie mit genügend Eiweiss und hochwertigen Fetten: «Damit können Eltern etwas für ihre Gesundheit tun und zum Beispiel ihre Blutfettwerte verbessern.» Susanna Steimer Miller