Königs Erläuterungen und Materialien Band 2 Erläuterungen zu Friedrich Schiller Die Jungfrau von Orleans von Wolfgang Pfister Über den Autor dieser Erläuterung: Wolfgang Pfister: Abitur 1959 in Bamberg, anschließend Studium der Fächer Deutsch und Geografie in Erlangen und Würzburg. 1964 bzw. 1966 Erstes und Zweites Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen. 1974 Erwerb des Pädagogischen Diploms an der Universität Bamberg und Ernennung zum Zweiten Realschulkonrektor, 1986 zum Realschulrektor als Leiter der Graf-Stauffenberg-Realschule Bamberg. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt oder gespeichert und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. 3. Auflage 2007 ISBN: 978-3-8044-1763-2 © 2003 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Friedrich Schiller Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk 2 Ke_002.p65 2 04.09.06, 16:19 Inhalt 1. 1.1 1.2 1.3 Vorwort ............................................................... 5 Friedrich Schiller: Leben und Werk .................. Biografie ................................................................ Zeitgeschichtlicher Hintergrund ............................. Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken ........................................ 7 7 10 20 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Textanalyse und -interpretation ........................ 24 Entstehung und Quellen ........................................ 24 Inhaltsangabe ........................................................ 28 Aufbau .................................................................. 79 Personenkonstellation und Charakteristiken .......... 89 Sachliche und sprachliche Erläuterungen ............... 99 Stil und Sprache ..................................................... 101 Interpretationsansätze ........................................... 103 3. Themen und Aufgaben ....................................... 105 4. Rezeptionsgeschichte .......................................... 108 5. Materialien .......................................................... 110 Literatur .............................................................. 115 3 4 Vorwort Vorwort Schillers Blick für menschliche Größe lässt sich an seiner romantischen Tragödie Die Jungfrau von Orleans zeigen. Dabei richtet sich das Geschehen auf ein Idealbild, das schwer zu erfassende Eigenschaften besitzt. Johannas arglose Offenheit ist anrührend und deswegen ihre stärkste Waffe. Ihre außergewöhnlichen Kräfte verleihen dem Drama eine romantische Grundstimmung, in die der spätmittelalterliche Wunder- und Hexenglaube, das religiöse Missionsbewusstsein und vordergründige Erscheinungsformen wie Schlachtenlärm und Königskrönung eingebettet sind. Das Lebensende der historischen Jeanne d’Arc und die Gestaltung ihres heldenhaften Todes entsprechen nicht den im Drama dargestellten Gegebenheiten: Das lothringische Hirtenmädchen steht zwar auch im Mittelpunkt des Geschehens und an der Spitze des Freiheitskampfes Frankreichs im 15. Jahrhundert, gerät jedoch in englische Gefangenschaft und wird als Hexe verbrannt. Bei Schillers Heldin stehen Gewissenskonflikte und das von Moral gesteuerte Verhalten im Mittelpunkt des Werkes: Johanna unterdrückt ihre weiblichen Gefühle und verzichtet auf ihre Wünsche. Ihr Einsatz für den Franzosenkönig Karl VII. und der Verzicht auf Anerkennung weisen auf Schillers Ethik hin. Das persönliche Schicksal rückt dadurch in den Vordergrund und prägt Stoff und Gestaltung des Dramas1. Der Untertitel „Eine romantische Tragödie“ zielt auf fühlende Menschen: Johanna, ihr Vater Thibaut d’Arc, aber auch Karl VII. oder der Engländer Lionel. Bei ihnen ist die Spannung zwischen dem sinnlichen Trieb und dem Formtrieb2 zu erkennen. 1 2 Gerhard Storz, Schiller. Jungfrau von Orleans. In: Das deutsche Drama. Vom Barock bis zur Gegenwart. Interpretationen I, hrsg. v. Benno von Wiese. Düsseldorf 1964, S. 325. Die deutsche Literatur in Text und Darstellung, Band 7, Klassik, hrsg. v. Gabriele Wirsisch-Irwin, Stuttgart (RU Nr. 9625), S. 64 f. Vorwort 5 Vorwort Romantische Merkmale sind äußerlich z. B. die Köhlerhütte zu Beginn des 5. Aufzuges oder Donner und Blitz in der Dunkelheit des Waldes. Den romantischen Höhepunkt bildet jedoch Johannas Gang durch den Regenbogen, den sie als goldenes Tor in ihren Himmel bezeichnet. Während des gesamten Dramas ist das Poetische stets zu erkennen: Johanna gelangt durch die Niederungen des Kriegshandwerkes auf die höhere Ebene der Menschlichkeit und schließlich zu ihrem eigentlichen Ziel, zur religiösen Erfüllung. Sie führt ihren Auftrag mit Konsequenz aus, weil sie ihre eigene Person hinter die Idee des klassisch denkenden Menschen im Sinne der „Ideen-Einheit“ zurückstellt.3 Damit ist das grundlegende Thema dieser Tragödie festgelegt und hebt sie von dem klassisch-neutralen Edelmut ab. Als Textgrundlage für Analyse und Interpretation dient Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans. Eine romantische Tragödie. Mit Anmerkungen von Ulrich Karthaus. Stuttgart (RUB Nr. 47) 1963 und 1997. Die Zeilenangaben von Textzitaten sind direkt nach dem jeweiligen Zitat in Klammern aufgeführt, die Quellenangaben der verwendeten Sekundärliteratur befinden sich in den entsprechenden Fußnoten. 3 6 Ebd., S. 67. Vorwort 1.1 Biografie 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk 1.1 Biografie Jahr Ort 1759 Marbach/ Neckar Ereignis Alter Geburt am 10. Nov. als Sohn eines Militärarztes; ursprünglicher Name Johann Christoph, ab 1802 Friedrich; Sohn des Johann Caspar Schiller, der als Wundarzt, Werbeoffizier und Verwalter der herzöglichen Hofgärten auf der Solitude in württembergischem Dienst stand; Mutter ist die Gastwirtstochter Elisabeth Dorothea Kodweiß aus Marbach; Kindheit in ärmlichen Verhältnissen; 1762 Ludwigsburg Umzug der Eltern; 1765 Lorch Besuch der Dorfschule in Lorch ab 1765; 7 1766 Ludwigsburg Schulbesuch in Ludwigsburg; 1767–73 Besuch der Lateinschule in 8–14 Ludwigsburg; Wunsch, Theologie zu studieren, nicht zu verwirklichen; 1773 Besuch der Militär-Pflanzschule auf der Solitude auf Befehl Herzog Karl Eugens; zunächst juristisches, ab 1776 medizinisches Studium; 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk 7 1.1 Biografie Ort Ereignis 1780 Stuttgart Studienabschluss; Regimentsmedikus in Stuttgart; Uraufführung der Räuber in Anwesenheit Schillers; Schreibverbot und Flucht nach Mannheim und Frankfurt; lebt unter dem Namen Dr. Ritter auf dem Gut der Henriette von Wolzogen in der Nähe von Meiningen; bis 1. September 1784 Theaterdichter in Mannheim am Nationaltheater; Mitglied der deutschen Gesellschaft in Mannheim; Bekanntschaft und Umgang mit Charlotte von Kalb; Gründung der Zeitschrift Rheinische Thalia; Entlassung vom Theater; Einladung durch Christian Gottfried Körner, den Vater Theodor Körners, nach Leipzig; nach der Übersiedlung Umgang mit Herder, Wieland und Charlotte von Kalb; Durchführung historischer Arbeiten; 1782 1782–83 Bauerbach 1783 Mannheim 1784 1785 1787 8 Alter Jahr Weimar 21 23 24 25 26 28 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk 1.1 Biografie Jahr Ort Ereignis 1789 Jena Berufung als unbesoldeter Pro- 30 fessor für Geschichte; Antrittsvorlesung am 16. Mai: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ Ehe mit Charlotte von Lengefeld; 31 schwere Lungenerkrankung; Kur 32 in Karlsbad und Erfurt; dreijähriges Stipendium des Erbprinzen Christian Friedrich von Augustenburg und Studium der Philosophie Kants und dessen Kunstauffassung; Reise nach Heilbronn, Ludwigs- 34/35 burg, Stuttgart; Freundschaft mit Wilhelm von 35 Humboldt, Vertiefung der Freundschaft mit Goethe, der Schiller zu weiterer Arbeit anregt; Umzug nach und Theaterarbeit 40 in Weimar; Die Jungfrau von Orleans (Uraufführung in Leipzig); 43 Erhebung in den Adelsstand; 45 Reise nach Berlin; Verschlechterung des Gesund- 45 heitszustandes; Tod am 9. Mai im 46. Lebensjahr durch akute Lungenentzündung; Überführung in die Weimarer Fürstengruft 1790 1791 1793/94 1794 Jena 1799 Weimar 1801 1802 1804 1805 Berlin Weimar 1827 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk Alter 9 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Die Lebensdaten Schillers zwischen 1759 und 1805 enthalten wegen der politischen Situation nachhaltige Ereignisse: Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahr 1756, den Friedrich II. mit Österreich, Russland, Frankreich und Kursachsen um Schlesien führt, stärkt Preußen mit seinen Reformen und der Modernisierung des Reiches. 1.2.1 Politisch folgenschwere Ereignisse in Europa zwischen 1759 und 1805 1759 1760 1761 1762 1763 10 Sieg der Österreicher und Russen über Friedrich II. bei Kunersdorf; schwere Krise des preußischen Staates; Geburt von Ludwig Yorck von Wartenburg, des späteren berühmten Heerführers, der zum Gegner von Gneisenau, Hardenberg und Stein wurde; Besetzung Berlins durch Russen; Eroberung Kanadas durch England als Beweis seines politischen Machtanspruches; Sieg der Preußen in der Schlacht bei Langensalza; Beginn der Geisteskrankheit von Zar Peter III.; Verhinderung der Niederlage Preußens durch Friedensschluss mit Russland; Friede zu Hubertusburg zwischen Österreich, Sachsen und Preußen; Schlesien bleibt bei Preußen; nachteilige Auswirkungen des Krieges für Preußen; Friedensschluss in Paris zwischen England, Frankreich und Spanien: Frankreich verliert Kanada und indischen Besitz an England; Spanien verliert Florida an England; 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1772 1773 Verbot des „Bauernlegens“ in Preußen, d. h. des Einzugs bäuerlichen Besitzes durch den Gutsherrn zur Vergrößerung seines Gutes; Tod des deutschen Kaisers Franz I., des Gemahls von Maria Theresia; Nachfolge durch dessen Sohn Joseph II.; Staatsmonopol Preußens für Salz; die Kartoffel wird in ganz Deutschland bekannt und als Grundnahrungsmittel eingeführt; Sonderrechte preußischer Adeliger; Lothringen kommt zu Frankreich; Geburt des Freiheitskämpfers Andreas Hofer in Tirol; Einberufung aller Stände durch Katharina II. zu Beratung und Beschluss der Gesetzesreform; Geburt Franz II., des Enkels Maria Theresias, als letzter römisch-deutscher Kaiser und König von Österreich; Frankreich kauft Korsika von Genua; Beginn des Krieges zwischen Russland und Türkei; Geburt Napoleon Bonapartes auf Korsika; Einführung eines neuen österreichischen Strafgesetzbuches; Geburt von Friedrich Wilhelm III., der 1797 König von Preußen wird; Ludwig XVI. heiratet Marie Antoinette von Österreich; Australien wird durch England erobert; erste Teilung Polens zwischen Österreich, Preußen und Russland; Überseehandel wird preußisches Monopol durch Gründung der „Seehandlung“; Gustav III. von Schweden beseitigt die Adelsmacht und den Einfluss der Stände; Geburt des Fürsten Clemens von Metternich, des späteren österreichischen antiliberalen Staatsmannes; 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk 11 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1774 1775 1776 1778 1779 1780 1781 1784 1785 1786 1787 12 Tod des Franzosenkönigs Ludwig XV.; Beginn des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen England; Verkauf von Leibeigenen in Russland; Bauernaufstand an der Wolga; Adam Smith legt liberale Volkswirtschaftslehre Natur und Ursachen des Volkswohlstandes vor; Erklärung der Menschenrechte und Unabhängigkeitserklärung der USA vom Kongress; Bayerischer Erbfolgekrieg mit Österreich: König Friedrich II. gegen Kaiser Joseph II., der Bayern zur Stärkung der Reichsmacht erwerben will; Frankreich und Spanien belagern erfolglos Gibraltar, das seit 1704 englischer Stützpunkt ist; Österreich erhält bayerisches Innviertel; Tod der Maria Theresia, der Gemahlin Kaiser Franz I.; der deutsche Kaiser Joseph II. wird Herrscher in Österreich; König Friedrich II. maßregelt preußische Richter zu Gunsten des Müllers Arnold; Reformen Kaiser Josephs II.: Abschaffung von Leibeigenschaft und Folter; Religionsfreiheit, Aufhebung der Klöster, Einwanderungserlaubnis auch für Nichtkatholiken nach Österreich; Österreich erlässt Auswanderungsverbot; Friedrich II. gründet den Fürstenbund, um den Kaiser am Erwerb Bayerns zu hindern; Tod des Preußenkönigs Friedrich II. (der Große); Nachfolger wird Friedrich Wilhelm II.; Herzog Karl Eugen von Württemberg vermietet das Kap-Regiment an die Holländisch-Ostindische Kompanie; 1. Friedrich Schiller: Leben und Werk