Mathematik und Lotto Bachelorarbeit von Marianne Höhenrieder aus Essen März 2008 Inhaltsverzeichnis I. Die Lotterie und ihre Gewinnchancen........................................................ 3 I.1 Einleitung......................................................................................................... 3 I.2 Lotto – Das Glücksspiel ................................................................................. 3 I.3 Gewinnchancen – Sind sie zu beeinflussen?............................................... 4 I.4 Kombinatorik.................................................................................................. 5 I.4.1 Historischer Hintergrund .....................................................................................5 I.4.2 Pseudo-Ovidius, De vetula ....................................................................................5 I.4.3 Terminologie ........................................................................................................... 8 I.4.4 Einführung in die elementare Kombinatorik ....................................................8 I.4.5 Binomialkoeffizient ..............................................................................................11 I.4.5.1 Das Pascalsche Dreieck ............................................................................11 I.4.5.2 Stirlingsche Formel ...................................................................................12 I.5 Sollte man mindestens eine Zahl zwischen 1 und 10 tippen? ................ 17 I.6 Gewinnoptimierung ..................................................................................... 19 I.7 Gewinnklassen beim Lotto............................................................................... 20 I.7.1 Hypergeometrische Verteilung ..........................................................................20 I.7.2 Die Auswirkung der Zusatzzahl.........................................................................21 I.7.3 Die Auswirkung der Superzahl ..........................................................................22 I.8 Faire Aufteilung des Einsatzes ................................................................... 23 II. Die Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung...................................... 27 II.1 Einleitung....................................................................................................... 27 II.2 Das Teilungsproblem ................................................................................... 27 II.3 Lösungsansätze ............................................................................................. 28 II.3.1 Die Anfänge der Glücksspielrechnung .............................................................28 II.3.2 Im 15. und 16. Jahrhundert ................................................................................29 II.3.3 Pascal......................................................................................................................30 II.3.4 Fermat ....................................................................................................................31 II.3.1 Huygens..................................................................................................................34 II.4 III. Fazit ................................................................................................................ 35 Literaturverzeichnis .......................................................................... 36 2 I. Die Lotterie und ihre Gewinnchancen I.1 Einleitung Die Lotterie ist nicht nur in Deutschland eines der beliebtesten Glücksspiele. Gegen einen scheinbar geringen Einsatz, den man bezahlt, um einen Lottoschein zu erhalten, wird jedem Lottospieler die Möglichkeit auf den großen Gewinn geboten. Doch lohnen sich der Einsatz und die Teilnahme am Lottospiel? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen? Und gibt es Möglichkeiten, seine Chance auf einen Gewinn zu vergrößern? Die folgende Arbeit soll sich mit diesen Fragen beschäftigen und eine mathematische Einführung in den Bereich der Wahrscheinlichkeit, insbesondere der Kombinatorik, liefern. Sie ist im Rahmen des Seminars „Mathematik und Spiel“ unter der Leitung von Prof. Dr. R. Verfürth entstanden. I.2 Lotto – Das Glücksspiel Die Lotterie findet ihren Ursprung in Genua. Dort bestimmte man seit 1576 alle zwei Jahre zwei neue Senatoren, indem sie aus 120 Kandidaten ausgelost wurden. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begannen die Bewohner Genuas zu wetten, wer Senator werden würde. Als sich nach und nach ein immer größerer Wetteifer entwickelte, wurde schließlich die Lotterie zu einem eigenständigen Spiel. So ist für den 22. September 1643 das erste erlaubte Lottospiel „5 aus 120“ dokumentiert. In Deutschland wird das Spiel „6 aus 49“ praktiziert, bei dem man auf einem Lottoschein sechs von 49 Zahlen ankreuzt, wobei deren Reihenfolge keine Rolle spielt. Bei der Lottoziehung werden sechs Zahlen gezogen, die jeder Lottospieler mit seinem Tipp vergleicht. Je mehr getippte Zahlen mit den gezogenen übereinstimmen, desto höher ist die Gewinnklasse, in der man sich befindet. Jede Gewinnklasse erhält einen bestimmten Anteil des gesamten Einsatzes, der 3 für die jeweilige Ziehung eingezahlt wurde.1 Der wahre Gewinner ist jedoch der Staat, der ungefähr die Hälfte des Einsatzes erhält. Darüber hinaus werden noch eine Zusatz- und eine Superzahl gezogen, die den Gewinn oder die Chance auf einen Gewinn erhöhen.2 I.3 Gewinnchancen – Sind sie zu beeinflussen? In Deutschland wurden 1433 Lotto-Ausspielungen, die dort vom Oktober 1955 bis Anfang 1983 stattfanden, statistisch ausgewertet. Das Ergebnis scheint zunächst erstaunlich zu sein: Bei 76,4% der Ziehungen waren mindestens eine Zahl zwischen 1 und 10 enthalten. Als Folgerung ergibt sich, dass die Lottospieler, die keine dieser Zahlen in ihre Tippreihe aufgenommen hatten, in 76,4 % der Lotto-Ausspielungen keine Chance auf „Sechs Richtige“ hatten. Diese Feststellung verleitet zu der Annahme, dass man immer mindestens eine der Zahlen 1 bis 10 tippen sollte. So trat beispielsweise diese Behauptung auf: „…wer Lotto spielt und dabei Reihen zusammenstellt, die mit einer Anfangszahl3 11 und höher beginnen, verschenkt mehr als drei Viertel der Chancen, einen Sechser zu treffen.“ [Alexander] Um diese Annahme zu prüfen, ist es zunächst ratsam, die Größe der Wahrscheinlichkeit rechnerisch zu ermitteln, mit der bei einer LottoAusspielung mindestens eine Zahl zwischen 1 und 10 auftritt. Bei der Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit benötigt man einige Grundkenntnisse im Bereich der Kombinatorik, die ich im Folgenden einführen werde. 1 Siehe Kapitel „8. Faire Aufteilung des Einsatzes“. Siehe Kapitel „7.2 Die Auswirkung der Zusatzzahl“ und „7.3 Die Auswirkung der Superzahl“. 3 Da bei einem Lottotipp die Reihenfolge der Zahlen unwichtig ist, bedeutet „Anfangszahl“, die niedrigste Zahl der Tippreihe. 2 4 I.4 Kombinatorik I.4.1 Historischer Hintergrund Leider ist es heute nicht mehr möglich, nachzuvollziehen, wann die ersten Versuche stattfanden, sich mit Wahrscheinlichkeits- und Glücksspielrechnung auseinander zu setzen. Unter anderem taten sich demgegenüber zwei große Schwierigkeiten auf. Erstens galt schon seit Aristoteles der Bereich des Zufälligen als „für menschliche Überlegung unerkennbar“ [Ineichen], also auch mathematischwissenschaftlich unergründlich. Zweitens bestand ein kirchliches und staatliches Glücksspielsverbot, dass die Behandlung dieses Themas deutlich erschwerte. I.4.2 Pseudo-Ovidius, De vetula Erst in einem Werk, das aus dem 13. Jahrhundert stammt, finden wir den frühesten Ansatz zur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der Autor des Werkes ist unbekannt, wird aber allgemein hin als „Pseudo-Ovidius“ bezeichnet, da der Text als Autobiographie von Ovid erscheint. Es handelt sich dabei um ein Epos, das in drei Büchern geschrieben ist, von denen das erste die Freuden der Jugend schildert. Dazu gehören unter anderem das Schach- und das Würfelspiel. Das zweite Buch erzählt von einer Liebesbeziehung, in die eine Frau einbezogen ist, die im Laufe der Geschichte alt wird und die dem Epos seinen Titel „De vetula“4, gibt. Die Überlegungen, die der Autor im ersten Buch im Zusammenhang mit dem Würfelspiel anstellt, liefern uns eine gute Einführung in den Bereich der Kombinatorik. Er betrachtet die Augensummen, die bei einem Wurf mit drei Würfeln auftreten können. Dafür erstellt er eine Tabelle, in der er die einzelnen Augenzahlkombinationen auflistet. Beispielsweise gibt es für die Augensumme 4 Auf Deutsch: „Über die alte Frau“. 5 18 nur eine einzige Augenzahlkombination (666), für die Summe 11 hingegen sechs verschiedene. 18 17 16 15 14 13 12 11 666 665 664 663 662 661 651 641 ------655 654 653 652 642 632 631 621 ---555 644 643 633 551 622 531 611 ---554 553 552 542 541 522 521 511 ---544 543 533 532 441 431 421 411 ---444 443 442 432 422 331 321 311 ------- 433 333 332 322 222 221 211 111 10 9 8 7 6 5 4 3 Die linke und rechte Spalte beschreiben die Augensummen der drei Würfel, während mittig die jeweiligen Augenzahlkombinationen aufgelistet sind. Der Autor hat also auf direktem Wege die 56 verschiedenen Möglichkeiten ermittelt, die man bei einem Wurf mit drei Würfeln erhalten kann. Bei dieser Betrachtung spielt die Reihenfolge der Augenzahlen keine Rolle. Er berücksichtigt sie jedoch im Folgenden, wenn er feststellt: « Rursum sunt quedam subtilius inspicienti de punctaturis, quibus una cadentia tantum est, suntque, quibus sunt tres aut sex, quia scema cadendi tunc differre nequit, quando similes fuerint tres predicti numeri; si vero sit unus eorum dissimilis similesque duo, tria scemata surgunt dissimili cuicumque superposito deciorum; sed si dissimiles sunt omnes, invenies sex verti posse modis, quia quelibet, ex tribus uni cum dederis, reliqui duo permutant loca, (…) » [Klopsch] „Wiederum gibt es für den, der genauer auf die Augenzahlkombinationen schaut, gewisse, die nur eine Permutation haben, und es gibt gewisse, die drei oder sechs haben, weil das Vorkommensschema sich genau dann nicht unterscheiden kann, wenn die drei vorher erwähnten Zahlen gleich sind; wenn 6 aber eine von ihnen unterschiedlich und zwei gleich sind, zeigen sich drei Schemata5, weil die andersartige Zahl an jede mögliche Stelle gesetzt wird; wenn aber alle unterschiedlich sind, wirst du entdecken, dass man sie auf sechs Arten wechseln kann, weil, wenn du einer der drei Zahlen eine Stelle zugewiesen hast, die übrigen zwei ihre Stellen tauschen; (…)“ Der Autor betrachtet die verschiedenen Permutationen, die bei dem Wurf dreier Würfel auftreten können und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass es 216 unterschiedliche Arten dieses Würfelwurfs gibt, wenn man die Reihenfolge der auftretenden Augenzahlen mitberücksichtigt. In der folgenden Tabelle verdeutlicht er, wie man diese Zahl ermitteln kann. In den beiden linken Spalten zählt er wiederum die Augensummen der drei Würfel auf und ordnet ihnen die Anzahl der Augenkombinationen zu, die er konkret in der obigen Tabelle aufgeführt hat. Die rechte Spalte kommt dadurch zustande, dass es pro Augenzahlkombination jeweils ein bis drei Permutationen geben kann, je nachdem aus wie vielen verschiedenen Augenzahlen der Würfelwurf besteht. Beispielsweise können die Summen 10 und 11 aus sechs verschiedenen Augenzahlkombinationen bestehen. Drei von diesen besitzen nur zwei verschiedene Augenzahlen, also jeweils drei Permutationen und drei besitzen drei verschiedene Augenzahlen, also sechs Permutationen. Daher gibt es für 10 bzw. 11 insgesamt 3 ! 3 + 3 ! 6 = 27 mögliche Augenzahlkombinationen, wenn man die Reihenfolge der auftretenden Augenzahlen mitberücksichtigt. 3 4 5 6 7 8 9 10 18 17 16 15 14 13 12 11 Augenzahlkombination Augenzahlkombination Augenzahlkombinationen Augenzahlkombinationen Augenzahlkombinationen Augenzahlkombinationen Augenzahlkombinationen Augenzahlkombinationen 1 1 2 3 4 5 6 6 Permutation Permutationen Permutationen Permutationen Permutationen Permutationen Permutationen Permutationen 1 3 6 10 15 21 25 27 Addiert man die Zahlen der letzten Spalte und multipliziert sie mit zwei, da ja immer zwei Augensummen betrachtet wurden, erhält man die gesuchte Anzahl von 216 Kombinationen der drei Würfel. 5 Gemeint sind Permutationen. 7 I.4.3 Terminologie Um die Betrachtungen, die der Autor in seinem Werk „De vetula“ anstellt, mathematisch nachzuvollziehen und abstrakt darstellen zu können, werde ich nun eine gewisse Terminologie einführen, die es ebenfalls ermöglicht, von dem Bereich der Kombinatorik auf den der Wahrscheinlichkeit zu schließen, so dass ich später noch einmal auf das Anfangsproblem eingehen werde. Definition: - ! sei der Ergebnisraum, d.h. die Menge aller möglichen Ergebnisse. - A sei ein Ereignis. Es gilt A " ! , also ist A die Menge aller günstigen Ergebnisse. - A sei die Anzahl der Elemente in A. P(A) sei die relative Häufigkeit des Ereignisses A. Definition: Sei " ! ∅ eine endliche Menge. Wir definieren die Laplace-Verteilung auf ! durch P( A) = A ! für alle A " ! . I.4.4 Einführung in die elementare Kombinatorik In dem Text „De vetula“ werden die Kombinationen betrachtet, die bei einem dreifachen Würfelwurf entstehen. Diese Überlegung kann man auch durch das Beispiel einer Urne ersetzen, die sechs nummerierte Kugeln enthält und aus der man dreimal hintereinander eine Kugel zieht und sie wieder zurücklegt. Auf andere Weise verfährt man jedoch bei der Darstellung der Permutationen von drei Würfeln mit drei unterschiedlichen Augenzahlen. Bei diesem Beispiel würde es sich um eine Urne mit drei verschiedenen Kugeln handeln, aus der man die drei Kugeln nacheinander zieht und sie nicht zwischendurch zurücklegt. Letztendlich muss man also bei dem Beispiel der Urne vier verschiedene Möglichkeiten betrachten: 8 • Ziehen mit / ohne Zurücklegen • Mit / ohne Berücksichtigung der Reihenfolge Wir untersuchen nun drei dieser Möglichkeiten anhand verschiedener Beispiele, um sie dann verallgemeinert darzustellen. 1. Ziehen mit Zurücklegen, mit Berücksichtigung der Reihenfolge Beispiel: Wie uns bereits aus „De vetula“ bekannt ist, ergibt das Werfen dreier Würfel 216 Kombinationen, da jeder Würfel 6 unterschiedliche Augenzahlen zeigen kann. Es gilt also: 6 ! 6 ! 6 = 216 Allgemein: Bei k-fachem Ziehen aus einer Urne mit n Kugeln ergeben sich ! I = n k Kombinationsmöglichkeiten. 2. Ziehen ohne Zurücklegen, mit Berücksichtigen der Reihenfolge a) Beispiel: In „De vetula“ wurden als Beispiel drei Würfel mit unterschiedlichen Augenzahlen aufgeführt, beispielsweise die Zahlen 1, 2 und 3. Als Anordnung ergeben sich die sechs Kombinationen: 123 132 231 213 312 321 Für die erste Stelle stehen drei verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, für die zweite noch zwei, für die letzte eine. Es gilt also: 6 = 3 ! 2 ! 1 = 3! Allgemein: Bei n-fachem Ziehen aus einer Urne mit n Kugeln ergeben sich n! Kombinationsmöglichkeiten b) Beispiel: Man kann auch den Fall betrachten, dass eine Urne 6 Kugeln enthält, aber nur 3 gezogen werden. Hierbei ergeben sich 6 ! 5 ! 4 = 120 mögliche „Sequenzen“. [Bewersdorff] Allgemein: Bei k-fachem Ziehen aus einer Urne mit n Kugeln ergeben sich: n " (n ! 1) " ... " (n ! k + 1) = : (n) k ! ! II = (n) k Kombinationsmöglichkeiten. 9 3. Ziehen ohne Zurücklegen, ohne Berücksichtigung der Reihenfolge Beispiel: Wir kehren hier wieder zu unserem Anfangsproblem zurück, bei dem 6 aus 49 Kugeln gezogen werden. Wie wir gerade erfahren haben, gibt es (49) 6 = 49 ! 48 ! 47 ! 46 ! 45 ! 44 Sequenzen der 6 Kugeln, bzw. Lottozahlen. Allerdings unterscheiden sich einige nur in ihrer Reihenfolge. Um herauszufinden, wie viele es sind, betrachten wir die Abbildung: T: ! II " ! III , wobei ! III die Menge aller möglichen Ergebnisse, bei k-fachem Ziehen aus einer Urne mit n Kugel ist. Sei (a1 , a 2 ,..., a k ) " ! II und {a1 , a 2 ,..., a k }" ! III und es gelte ai ! a j "i ! j . (a1 , a 2 ,..., a k ) T {a1 , a 2 ,..., a k } (a1 , a 2 ,..., a k ) T !1 ({a1 , a 2 ,..., a k }) = alle möglichen Permutationen von (a1 , a 2 ,..., a k ) Aus 2. a) wissen wir, dass es k! mögliche Permutationen gibt. # ! II = k! " ! III " ! III = ! II k! = nk k! Kehren wir nun wiederum zu dem obigen Beispiel zurück, erhalten wir (49) 6 = 13.983.816 „Variationen“ [Bewersdorff], für sechs von 49 Zahlen. 6! Die Anzahl der Elemente von ! III lässt sich auch auf andere Weise darstellen. 10 I.4.5 Binomialkoeffizient Definition: Für n ! , k∈ &n# definieren wir $$ !! („n über k“) durch %k " $ ( n) k ! * n ' ! k! (( %% = # )k & ! 0 ! " k! k < 0, k ! Bemerkung: &n# $$ !! wird Binomialkoeffizient genannt und es gilt: %k " 'n$ n! %% "" = & k # k!(n ! k )! I.4.5.1 Das Pascalsche Dreieck Alle Binomialkoeffizienten lassen sich in dem „Pascalschen Dreieck“ &n# darstellen. $$ !! steht bei diesem Schema in der (n+1)-ten Zeile an der (k+1)%k " ten Stelle. 1 1 1 1 1 1 2 3 4 5 … 1 1 3 6 10 … 1 4 10 … 1 5 … 1 … Das Dreieck wird auf diese Weise konstruiert: Die Schenkel des Dreiecks bestehen aus Einsen und die innen liegenden Zahlen entstehen durch Addition der beiden darüber liegenden Zahlen. Der Grund dafür ist die Gleichung: & n # & n ' 1# & n ' 1# $$ !! = $$ !! + $$ !! % k " % k ' 1" % k " 11 Sie lässt sich leicht nachvollziehen, wenn man sich wiederum den Bereich der Kombinatorik vor Augen führt. &n# $$ !! gibt die Kombinationsmöglichkeiten an, die entstehen, wenn man k-mal %k " aus einer Urne mit n Kugeln zieht und dabei weder die Kugeln zurücklegt noch die Reihenfolge beachtet. Es gibt zwei Möglichkeiten vorzugehen: - Ich wähle die erste Kugel und ziehe die restlichen k-1 aus den übrig gebliebenen n-1 Kugeln aus. - Ich wähle nicht die erste Kugel und ziehe k aus den übrig gebliebenen n-1 Kugeln. &n# Diese beiden Vorgehensweisen ergeben zusammen alle $$ !! Kombinations%k " möglichkeiten. Daher gilt die obige Gleichung. I.4.5.2 Stirlingsche Formel Um die Anzahl von Permutationen und Variationen herausfinden zu können, sehen wir uns sehr oft vor die Aufgabe gestellt, n! zu berechnen. Je größer n ist, desto mühsamer wird die Bestimmung. Beispielsweise muss man 52! berechnen, um die Anzahl der Anordnungen ermitteln zu können, die beim Mischen eines Pokerspiels entstehen können. Hierbei entsteht eine 67-stellige Zahl. Die Stirlingsche Formel ermöglicht es uns den Wert solch immenser Fakultäten näherungsweise zu bestimmen. Sie lautet: 'n$ n!( % " &e# n 2!n Um die Formel beweisen zu können, benötigen wir zunächst die Trapez-Regel: Sei f : [0,1] ! eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Dann ist 12 1 " f ( x)dx = 1 2 ( f (0) + f (1)) ! R , 0 wobei für das Restglied gilt 1 R= 1 2 ! x(1 # x) f ""( x)dx = für ein " ! [0,1] . f ""($ ) 1 12 0 Beweis: Sei " ( x) := 12 x(1 ! x) . Es gilt # "( x) := 12 ! x und # ""( x) = !1 . Durch zweimalige partielle Integration erhält man 1 1 1 R = ! $ ( x) f ""( x)dx = $ ( x) f "( x) # ! $ "( x) f "( x)dx 0 142430 0 =0 1 1 0 0 1 = "$ #( x) f ( x)) + ! $ ##( x) f ( x)dx = ( f (0) + f (1)) " ! f ( x)dx . 1 2 0 Andrerseits kann man wegen " ( x) ! 0 für alle x ! [0,1] , auf das Integral für R den Mittelwertsatz anwenden und erhält ein " ! [0,1] mit 1 1 R = ! % ( x) f ""( x)dx = f ""($ ) ! % ( x)dx = 0 0 3 2 2 3 x # x 12 12 1 0 f ""($ ) = 121 f ""($ ) , q.e.d. Beweis der Stirling’schen Formel: Sei die Funktion ! : definiert durch ! " ( x) := 12 x(1 ! x) für x ! [0,1] ! ( x + n) := ! ( x) für alle n ! Ersetzen wir in der Trapezregel ln ""( x) = ! und x ! [0,1] f (x) durch ln(x) erhalten wir wegen 1 die Beziehung x2 k +1 k +1 ! ln( x)dx = 1 2 (ln(k ) + ln(k + 1)) + ! k k " ( x) dx . x2 Summation über k = 1,..., n ! 1 ergibt n n #1 1) + " 2 ln(k ) + ! ln( x)dx = 1ln( 23 1 2 1 1 2 =0 k =2 n 1 2 $ ( x) dx 2 1 x ln(n) + ! 13 n n n ! ln( x)dx = " ln(k ) # ! 1 2 k =1 1 $ ( x) dx 2 1 x ln(n) + ! n Es gilt ! ln( x)dx = n ln(n) " n + 1 . Daraus folgt 1 n n $ ( x) 1 dx + ln( n ) = ln(k ) ! 2 2 k =1 1 x n ln(n) # n + 1 # " n n ! ln(k ) = (n + ! 1 2 # ( x) dx . 2 1 x ) ln(n) " n + # n , wobei $ n := 1 " ! k =1 Wir bilden nun von beiden Seiten der Gleichung die Exponentialfunktion und erhalten n!= n ! cn = n + 12 e !n cn , wobei c n = e ! n n! e n n nn " Da ! beschränkt ist und 1 !x 2 dx < " , existiert der Grenzwert 1 " % ( x) dx . 2 1 x & := lim & n = 1 $ ! n #" Somit existiert auch der Grenzwert c := lim c n = e ! . Es ist n #" c n2 (n!) 2 e 2 n 2n (2n) 2 n 2 2 n (n!) 2 = = 2 c2n n n n (2n)!e 2 n n (2n)! c n2 c2 = = c. n "! c c 2n und lim c n2 Um den Grenzwert lim zu berechnen, verwenden wir das Wallissche n "! c 2n Produkt [Verfürth] " n % ( 2k ) 2 ( 2k ) 2 =! = lim ! 2 k =1 (2k ) 2 $ 1 n#" k =1 (2k ) 2 $ 1 n ! & = 2 lim % n $# k =1 ( 2k ) 2 2 " 2 " 4 " 4 " ... " 2n " 2n = 2 lim 2 n $ # 1 " 3 " 3 " 5 " ... " (2n ! 1)(2n + 1) ( 2k ) ! 1 Es gilt n & ( 2k ) 2 # $$ 2 ( ) !! 2 % k =1 (2k ) ' 1 " 12 = 2 2 " 4 " ... " 2n 3 " 5 " ... " (2n ! 1) 2n + 1 14 = = 2 2 ! 4 2 ! ... ! (2n) 2 ! 2n + 1 2 ! 3 ! 4 ! 5 ! ... ! (2n " 1) ! 2n 2 1 n + 12 ! 2 2 n (n!) 2 , (2n)! also 1 lim n + 12 n $# ! 2 2 n (n!) 2 = ! (2n)! " n + 12 1 2 2 n (n!) 2 lim " lim " = ! 1 n $# n $# ( 2 n )! n n + 2 14243 =1 ! lim 2 2 n (n!) 2 n (2n)! n #" = !. Daraus folgt c = 2! , d.h. ! n! lim 2%n ! n n e " n n $# = 1, q.e.d. Fehlerabschätzung: Die Fakultät n! liegt zwischen den Schranken n n &n# &n# 2(n $ ! < n!' 2(n $ ! e1 12 n . %e" %e" Beweis: Es gelten die gleichen Bezeichnungen wie oben. Aus dem obigen Beweis wissen wir: ! 'n$ n!= % " &e# n )n& n!= ' $ (e% n n ! c n , c n = e ! n und c = e " = 2! . n )n& n * 2" e ! n #! = 2"n ' $ e ! n #! (e% n ( " * ( x) % " * ( x) * ( x) &1 ) ! 2 dx # = ! 2 dx , dx ) 2 & # x 1 ' 1 x $ n x Es gilt + n ) + = 1 ) ! wobei " ( x) = 12 z (1 ! z ) für z = x # !x " . Wir müssen also zeigen " $ ( x) 1 . dx # 2 12 n x n 0<! 15 Da " ( x) ! 0 und " ! 0 , gilt offensichtlich die erste Ungleichung. Um das Integral nach oben abzuschätzen benötigen wir den folgenden Hilfssatz. Hilfssatz: Sei f : [0,1] ! eine zweimal differenzierbare konvexe Funktion. Dann gilt 1 ! 1 x(1 # x) f ( x)dx " 1 2 0 1 f ( x)dx . 12 !0 Beweis: Um die Symmetrie der Funktion 1 2 x(1 ! x) um den Punkt 1 2 besser ausnutzen zu können, machen wir die Substitution t = x ! 12 und setzen g (t ) := f (t + 12 ) . Dann ist g ebenfalls konvex und es ist zu zeigen 12 !( " 1 8 1 2 12 ) t 2 g (t )dt # "1 2 12 #( 1 8 ! "1 2 12 1 " t g (t )dt " g (t )dt ! 0 12 "1#2 2 1 2 ) 12 #( " 1 8 ! 1 g (t )dt 12 "1!2 1 2 ) t 2 " 121 g (t )dt ! 0 "1 2 12 #( 1 24 ! ) " 12 t 2 g (t )dt ! 0 . "1 2 Die letzte Ungleichung können wir zeigen, indem wir partiell integrieren. Sei " (t ) := 12 !( 1 24 1 24 t ! 16 t 3 , dann gilt # "(t ) := 1 24 ! 12 t 2 und " (! 12 ) = " ( 12 ) = 0 , also 12 ) " 12 t 2 g (t )dt = "1 2 12 12 12 ! $ #(t ) g (t )dt = $ (t ) g (t ) "1 2 " "1!$2 (t ) g #(t )dt = ""1!$2 (t ) g #(t )dt "1 2 14243 =0 Ausnutzen der Antisymmetrie ! ("t ) = "! (t ) liefert weiter 12 ! 12 0 $ (t ) g "(t )dt = !$ (t ) g "(t )dt + !$ (t ) g "(t )dt #1 2 #1 2 12 0 12 12 = !$ ("t ) g #("t )dt + !$ (t ) g #(t )dt = !$ (t )(g #(t ) " g #("t ) )dt . 123 0 "$ ( t ) 0 0 16 Da g konvex ist, ist g ! monoton steigend, also g #(t ) " g #("t ) ! 0 für t ! [0, 12 ] . Da außerdem " (t ) ! 0 für t ! [0, 12 ] , ist das letzte Integral nicht- negativ. Daraus folgt die Behauptung des Hilfssatzes. Fortsetzung des Beweises der Fehlerabschätzung: Da die Funktion x a 1 x 2 konvex ist, erhalten wir mit dem Hilfssatz # # $ ( x) 1 1 1 "n x 2 dx ! 12 "n x 2 dx = 12n , q.e.d. 'n$ Die Fehlerabschätzung für n! sagt, dass der Näherungswert % " &e# n 2!n zwar zu klein ist, aber der relative Fehler ist höchstens gleich e1 12 n ! 1 . Für n = 10 z.B. ist der Fehler weniger als ein Prozent, für n = 100 weniger als ein Promille. I.5 Sollte man mindestens eine Zahl zwischen 1 und 10 tippen? Wir wissen nun, dass es ' 49 $ %% "" ! 14.000.000 &6# verschiedene mögliche Kombinationen von sechs Zahlen gibt, die von 49 gezogen werden können. Es lässt sich daher folgern, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Tippreihe mit der Reihe der gezogenen Gewinnzahlen übereinstimmt 1 = 0,000.00715 % beträgt. 14.000.000 Die anfänglich gestellte Frage war jedoch: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine der Zahlen zwischen 1 und 10 gezogen wird? Sei nun A:= „die möglichen Lottotipps, die sich nur aus Zahlen von 11 bis 49 zusammensetzen“, d.h. es werden nur noch sechs aus 39 Zahlen gewählt. & 39 # Daher gilt A = $$ !! . %6" 17 ' 39 $ % " A %& 6 "# ) P( A) = = ! 0,233 , ( ' 49 $ %% "" &6# d.h. es wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 23,3% keine Zahl zwischen 1 und 10 gezogen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in 76,67% aller Fälle mindestens eine Zahl zwischen 1 und 10 gezogen wird. Die mathematische Lösung stimmt also mit dem Ergebnis der anfangs erwähnten Statistik überein. Doch sollte man tatsächlich dem Rat folgen, immer mindestens eine der Zahlen 1 bis 10 in seine Tippreihe aufzunehmen? Die Antwort lautet: Nein! Die Behauptung ist ein Fehlschluss. Wir können sie mit zwei Betrachtungen widerlegen: 1. Wenn wir keine der Zahlen zwischen 1 und 10 tippen, werden wir in 76,67% aller Fälle nicht sechs Richtige getippt haben. Dies wussten wir aber von vornherein, da wir ja sowieso nur zu 0,000.007.15% die Gewinnzahlen getippt haben. Mathematisch ausgedrückt: Wenn B:= „ich tippe sechs Richtige und meine Zahlen enthalten keine Zahl zwischen 1 und 10“ und C:= „es wird keine Zahl zwischen 1 und 10 gezogen“, dann gilt B ! C. Wir wussten also von vornherein, dass P(B) = 0,000.000.0715 < P(C) = 0,233 gilt. Und die Aussage, dass die Wahrscheinlichkeit von B kleiner als 23,3% ist, verrät uns nichts Neues. 2. Außerdem ist zu beachten, dass wir zwar zu 76,67% zu erwarten haben, dass eine Zahl zwischen 1 und 10 gezogen wird. Erfahren wir jedoch, dass unter den Gewinnzahlen keine der ersten zehn sind, steigt unsere Gewinnchance an. Denn nun müssen unsere sechs getippten Zahlen mit den sechs übereinstimmen, die lediglich aus den Zahlen 11 bis 49 gezogen wurden. Es müssen also nur noch 6 aus 39 Zahlen richtig getippt werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt 18 ' 39 $ %% "" &6# (1 ! 0,000.000.307 . Sie ist also immerhin mehr als viermal so groß wie die Wahrscheinlichkeit 6 aus 49 Zahlen richtig zu tippen. I.6 Gewinnoptimierung Wir gelangen schließlich zu dem Ergebnis, dass man seine Gewinnchance zwar nicht erhöhen kann, indem man gewisse Zahlen auf dem Lottoschein ankreuzt, andere wiederum meidet. Richtet man seinen Blick jedoch auf die jeweiligen Gewinnquoten, die bei der Auszahlung entstehen, darf man sich durchaus berechtigterweise die Frage stellen: Welche Zahlen sollte man eher tippen und welche nicht? Hierbei sollte man folgendes berücksichtigen: Je mehr Lotto-Spieler die gleiche Tippreihe haben, desto geringer fällt deren Gewinn aus, wenn ihre getippten Zahlen mit den Gewinnzahlen übereinstimmen. Denn so müssen sie sich den Gewinn, der ausgezahlt wird, teilen. Daher ist es erstrebenswert, Zahlen auf dem Lottoschein anzukreuzen, die eher seltener getippt werden. Man sollte also folgendes beachten: 1. Die Zahlen von 1 bis 31, bzw. 1 bis 12 werden sehr häufig verwendet, da viele Lottospieler ihre Geburtsdaten oder andere Daten in ihre Tippreihe aufnehmen. Deswegen ist es auch ratsam die 19 zu meiden. 2. Es zeigen sich auch Vorlieben bei Zahlen, die mit einer gewissen Symbolik verbunden sind, wie zum Beispiel die Zahl 7. 3. Besonders beliebt sind ebenfalls geometrische Muster, die beim Ankreuzen der Zahlen auf dem Schein entstehen können. Beispielsweise bilden die Zahlen 7, 13, 19, 25, 31 und 37 eine fast vollständige Diagonale. Bei einer Auswertung [Bosch] von ca. 7 Millionen Tippreihen, wurde diese am häufigsten verwendet. 19 I.7 Gewinnklassen beim Lotto Beim Lotto gibt es nicht nur eine Gewinnauszahlung, sobald ein Spieler sechs Richtige getippt hat, sondern auch Auszahlungen, sofern man sich in einer der Gewinnklassen befindet. Lassen wir zunächst die Zusatzzahl außer Acht, so existieren vier Gewinnklassen, die wir mit „3/4/5/6 Richtige“ benennen. Wir betrachten zuerst das Ereignis D:= „man hat 3 Richtige“. Das bedeutet, dass 3 der 6 Gewinnzahlen und 3 der 43 übrigen Zahlen gezogen ' 6 $ ' 43 $ wurden. Es gilt daher B = %% "" ! %% "" = 20 ! 12341 = 246820 & 3# & 3 # ' 6 $ ' 43 $ %% "" ( %% "" 3 3 1 P( B) = & # & # ! 0,01765 ! 57 ' 49 $ %% "" &6# I.7.1 Hypergeometrische Verteilung Allgemein wird die Chance auf „k Richtige“ aus n Kugeln mit der hypergeometrischen Verteilung berechnet. Da die Reihenfolge bei der Ziehung keine Rolle spielt, kann man auch farbige Kugeln betrachten. Beim Lotto wären dann beispielsweise die sechs Richtigen Kugeln rot und die übrigen 43 weiß. Seien nun allgemein R rote und N-R weiße Kugeln in einer Urne enthalten. Wir ziehen n-mal aus dieser Urne. Wir definieren das Ereignis E:= „wir ziehen r rote Kugeln“ und wollen wissen: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit von E? E impliziert, dass wir r aus R roten Kugeln und n-r aus N-R weißen Kugeln ziehen. Daher erhalten wir & R# & N ' R# !! . E = $$ !! ( $$ %r" % n'r " &N# Die Urne enthält insgesamt N Kugeln. Da wir n-mal ziehen, gibt es ' = $$ !! %n" Kombinationsmöglichkeiten, die aus der Urne gezogen werden könnten. 20 & R# & N ' R# $$ !! ( $$ ! r " % n ' r !" % ) P( E ) = &N# $$ !! %n" Beim Lottospiel lautet also die allgemeine Formel für die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses F:= „ich tippe k Richtige“: & 6 # & 43 # $$ !! ( $$ ! k " % 6 ' k !" % P( F ) = & 49 # $$ !! %6" I.7.2 Die Auswirkung der Zusatzzahl Die Chance, in eine der Gewinnklassen zu gelangen, wird dadurch erhöht, dass es eine Zusatzzahl gibt, die neben den 6 Gewinnzahlen noch gezogen wird. Es gibt also auch die Gewinnklassen: „3/4/5 Richtige mit Zusatzzahl“. In solch eine Klasse gerät man, wenn drei, vier oder fünf Zahlen der eigenen Tippreihe mit den Gewinnzahlen übereinstimmen und eine getippte Zahl mit der Zusatzzahl übereinstimmt. Um herauszufinden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses G:= „ich tippe 3 Richtige mit Zusatzzahl“ ist, halten wir fest, dass das Ereignis genau dann eintritt, wenn: 1. 3 der 6 getippten Zahlen 2. die eine Zusatzzahl 3. 2 der 42 nicht getippten Zahlen gezogen werden. Daraus folgt: ' 6 $ '1$ ' 42 $ G = %% "" ! %% "" ! %% "" = 20 ! 861 = 17220 & 3 # &1# & 2 # Es gibt also 17.220 Kombinationsmöglichkeiten und daher beträgt die Wahrscheinlichkeit 21 ' 6 $ '1$ ' 43 $ %% "" ( %% "" ( %% "" 3 1 2 1 P(G ) = & # & # & # ! 0,01231 ! 812 ' 49 $ %% "" &6# Die Wahrscheinlichkeiten aller Gewinnklassen sind in der folgenden Tabelle aufgeführt: Gewinnklasse Anzahl der Kombination Wahrscheinlichkeit 6 Richtige 1 1/14 Mill. 5 Richtige mit Zusatzzahl 6 1/2,3 Mill. 5 Richtige 258 1/542001 4 Richtige mit Zusatzzahl 630 1/22197 4 Richtige 13545 1/1032 3 Richtige mit Zusatzzahl 17220 1/812 3 Richtige 246820 1/57 Kein Gewinn 13705336 0,98 I.7.3 Die Auswirkung der Superzahl Den Lottojackpot knackt jedoch nur derjenige, der neben den sechs Gewinnzahlen auch die richtige Superzahl auf seinem Spielschein hat. Sie wird zusätzlich aus 10 Kugeln gezogen, die mit den Zahlen 0 bis 9 versehen sind und unabhängig von den anderen 49 Kugeln in einem extra Ziehungsgerät gemischt werden. Durch die Ziehung der Superzahl, wird die Chance den Jackpot zu gewinnen also noch einmal um 90% gesenkt, d.h. die Wahrscheinlichkeit für den Hauptgewinn beträgt nur noch ca. 1 . 140 Mill. 22 I.8 Faire Aufteilung des Einsatzes Die Lotterie ist ein Gewinnspiel, in erster Linie jedoch für den Staat, da dieser bei jeder Ausspielung von vornherein die Hälfte des Einsatzes behält. Wie wird jedoch die andere Hälfte unter den Lottogewinnern verteilt? Fest steht, dass nur diejenigen etwas gewinnen, die sich in einer der Gewinnklassen befinden. Außerdem betrachten wir nur eine Aufteilung des Gewinnes unter den Gewinnklassen und vernachlässigen dabei zunächst, dass sich bei den Ausspielungen in den einzelnen Klassen auch kein oder mehrere Spieler befinden können. Als fair wird angesehen, dass derjenige, der zu der ersten Gewinnklasse gehört, den größten Anteil erhält, da die Chance in diese Klasse zu geraten am geringsten ist. Umgekehrt erhält jemand, der in der letzten Gewinnklasse ist, den kleinsten Anteil. Wie hoch ist jedoch der jeweilige Anteil am Gewinn? Um eine faire Aufteilung zu erhalten, betrachten wir zunächst ein anderes Beispiel. Wir beschäftigen uns mit einer Verlosung, bei der der gesamte Einsatz unter den Gewinnern aufgeteilt werden soll. Sei der erste Preis mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% zu gewinnen und der zweite mit einer Wahrscheinlichkeit von 2%. So würde der Gewinner des ersten Preises 66,6% und der zweite 33,3% des Einsatzes erhalten. Denn die Chance den ersten Preis zu gewinnen ist nur halb so groß wie die den zweiten zu erhalten. Im Umkehrschluss bekommt der zweite Gewinner nur die Hälfte des Gewinnes, den der erste erhält. Wäre der zweite Gewinn jedoch mit einer Chance von 3% zu gewinnen, wäre die Aussicht des zweiten Gewinners sogar dreimal so groß wie die des ersten. Daher hätte er nur ein Drittel des Gewinnes des ersten verdient. Gäbe es bei dieser Verlosung noch einen dritten Preis, der mit 5%-tiger Chance zu erhalten sei, hätte der dritte Gewinner ein Fünftel des Gewinnes des ersten zu erhalten. Man muss also stets von dem Preis des ersten Gewinners ausgehen und je nach Gewinnchance, den Anteil der anderen Gewinnklassen berechnen. Dieser ergibt sich aus dem Kehrwert der Gewinnwahrscheinlichkeit. 23 Wir betrachten nun ein Glücksspiel, bei dem folgende Wahrscheinlichkeiten gelten: Gewinnklassen Gewinnwahr- Anteil am scheinlichkeit Gewinn 1. Preis 1 50 50 ! x 2. Preis 1 25 25 ! x 3. Preis 1 10 10 ! x 4. Preis 1 5 5! x Um x (in Prozent) herauszufinden, muss man beachten, dass alle Anteile zusammen 100% ergeben müssen, d.h. es muss gelten 50 x + 25 x + 10 x + 5 x = 100% ! (50 + 25 + 10 + 5) x = 100% ! x= 100% ! 1,1 % 90 Daraus ergibt sich als Anteile am Gewinn für den 1. Preis → 55, 5 % 2. Preis → 27, 7 % 3. Preis → 11,1 % 4. Preis → 5, 5 % Allgemein könnte man die Anteile der unterschiedlichen Gewinnklassen am Gewinn auf folgende Weise ausdrücken: Seien i = 1,..., n die Gewinnklassen mit den Gewinnwahrscheinlichkeiten y i , so erhalten sie einen Gewinnanteil von x " y i!1 , wobei x = 100% n !y . "1 i i =1 Kehren wir zurück zu der fairen Aufteilung des Gewinnes beim Lotto, so betrachten wir die sieben Gewinnklassen y1 , … , y 7 , die wir bereits in einer Tabelle festgehalten haben. Es gilt 24 7 !y "1 i = 14.000.000 + 2.300.000 + 542001 + 22197 + 1032 + 812 + 57 = 16866099 i =1 "x= 100% ! 0,000006% 16866099 Daraus ergeben sich die folgenden Gewinnanteile und Gewinnsummen, wenn man das Beispiel betrachtet, dass insgesamt ein Gewinn von 10.000.000 € zu verteilen ist: Gewinnklasse Anteil am Gewinn (in Prozent) Gewinnsumme 6 Richtige 84% 8.400.000 € 5 Richtige mit Zusatzzahl 13,8% 1.380.000 € 5 Richtige 3,25% 325.000 € 4 Richtige mit Zusatzzahl 0,13% 13.000 € 4 Richtige 0,006% 600 € 3 Richtige mit Zusatzzahl 0,0049% 490 € 3 Richtige 0,00034% 34 € Außerdem existiert noch ein Jackpot, der dadurch entsteht, dass es in einigen Wochen keinen Gewinner in einer gewissen Gewinnklasse gibt. Fast immer handelt es sich dabei um die erste oder zweite Gewinnklasse, d.h. „6 Richtige (mit Superzahl)“. Der Gewinn, den diese Spieler erhalten hätten, wird in einem Jackpot aufbewahrt und nur derjenige, der in einer der nächsten Ziehungen „6 Richtige mit Superzahl“ zieht, erhält diesen Jackpot. Wie bereits erwähnt berücksichtigten wir bei der Verteilung des Gewinnes nicht die Tatsache, dass sich auch mehrere Spieler in einer höheren Klasse befinden können und nur ein Spieler in einer niedrigeren, so dass der eine Spieler letztendlich mehr Geld gewänne als die Spieler, die sich den höheren Gewinn teilen müssten. 25 Daher hielt man durch Statistiken fest, wie viele Gewinner sich durchschnittlich in jeder Gewinnklasse befinden und man legte folgende Gewinnanteile am Gesamtgewinn fest6, damit jeder Gewinner einen fairen Anteil erhält: Gewinnklasse Anteil am Gewinn (in Prozent) 6 Richtige mit Superzahl 10% 6 Richtige 8% 5 Richtige mit Zusatzzahl 5% 5 Richtige 13% 4 Richtige mit Zusatzzahl 2% 4 Richtige 10% 3 Richtige mit Zusatzzahl 8% 3 Richtige 44% Bei dieser Betrachtung ist es nicht verwunderlich, dass die niedrigste Gewinnklasse den höchsten Anteil erhält, da sich in dieser Klasse ja auch die meisten Gewinner befinden, unter denen das gewonnene Geld verteilt werden muss. Letztendlich zeigt sich, dass die Aufteilung des Einsatzes bei einem Glücksspiel nicht sofort eindeutig ist. Um eine faire Gewinnausschüttung zu gewährleisten, müssen zunächst die Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, mit denen man etwas gewinnen kann. So einleuchtend und alltäglich diese Berechnungen heutzutage für uns sind, so schwierig schien sich der Bereich des Zufalls früher fassen zu lassen. Wie bereits festgehalten, stammt das erste Dokument, das sich mit diesem Bereich auseinandersetzt aus dem 13. Jahrhundert.7 Doch lassen sich die dort angestellten Überlegungen bereits als Wahrscheinlichkeitsrechnung bezeichnen? Oder wann sollte man die Entstehung dieses neuen Bereichs der 6 7 http://www.dielottozahlen.de/lotto/6AUS49/regeln.html Siehe Kapitel „4.2 Pseudo-Ovidius, De vetula“. 26 Mathematik ansiedeln? Und in welchem Zusammenhang oder durch welche Motivation entstand er? Der nun anschließende Teil „II. Die Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung“ soll diese Fragen beantworten und ein historisches Fundament für den ersten Teil der Arbeit liefern. II. Die Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung II.1 Einleitung „The generally accepted birth date for the Probability calculus is 1654, the year of the Pascal-Fermat correspondence.” [Heyde] Wie wir aber bereits an dem Epos “De vetula” erkennen konnten, gab es schon vor dieser Zeit eine Auseinandersetzung mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Betrachtet man die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie, so stellt man fest, dass die Beschäftigung mit Chancen und Wahrscheinlichkeiten durch das Glücksspiel animiert wurde. Bei der Entstehung der Glücksspielrechnung lassen sich zwei Stränge ausmachen. Der eine beschreitet – wie es uns schon aus „De vetula“ bekannt ist – den Weg der Kombinatorik. Der andere behandelt das so genannte „Teilungsproblem“ [Schneider]. II.2 Das Teilungsproblem Schon im ersten Teil der Arbeit stellte sich für uns die Frage nach einer fairen Aufteilung des Gewinnes bei der Lotterie. Betrachten wir hingegen ein Spiel bei dem die Chance auf einen Gewinn bei jedem Spieler gleich hoch ist, stellt sich die Frage, wie der Einsatz gerecht aufgeteilt werden sollte, wenn das Spiel vorzeitig abgebrochen wird. Diese Aufgabe legte der Chevalier de Méré Blaise Pascal vor, der wiederum in Kontakt mit Fermat trat, um die Lösung dieses Problems zu diskutieren. Ihr Briefwechsel fand im Jahr 1654 statt und wird heute als Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeits- und Glücksspielrechnung angesehen. 27 Konkret lässt sich die gestellte Aufgabe folgendermaßen formulieren: Zwei Personen spielen ein Glücksspiel, bei dem derjenige den ganzen Einsatz gewinnt, der drei Partien gewonnen hat. Beide Spieler können in jeder Partie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% gewinnen. Der momentane Spielstand ist 2:1. Die Spieler entscheiden sich jedoch das Spiel an dieser Stelle vorzeitig abzubrechen und nicht zu Ende zu spielen. Wie sollte der Einsatz gerecht aufgeteilt werden? II.3 Lösungsansätze II.3.1 Die Anfänge der Glücksspielrechnung Das früheste uns überlieferte Dokument, das sich mit dem Teilungsproblem auseinandersetzt, ist eine Handschrift, die um 1400 geschrieben wurde. Der Autor dieses Textes versucht das Problem der Gewinnaufteilung mit algebraischen Mitteln zu berechnen. Er setzt voraus, dass beide Spieler bei dem Gewinn eines Einzelspiels den gleichen Zugewinn erhalten müssen. Er betrachtet den Spielstand 2:0 und hält fest, dass der erste Spieler bereits zwei Einheiten des Spieleinsatzes in Anspruch nehmen dürfe. Gewinnt er ein drittes Mal, erhält er den Rest. Gewinnt aber der zweite Spieler, so müsste sein Zugewinn der Menge des Restes entsprechen, die der erste Spieler gewonnen hätte. Schließlich gelingt ihm die Lösung des Teilungsproblems bei diesem Spielstand. Jedoch hat er Probleme bei der Behandlung eines weiteren Spezialfalls, dessen Berechnung er abbricht und bei dem er ein scheinbar willkürlich gewähltes Argument benutzt, das andeutet, dass er das Prinzip des Teilungsproblems nicht mehr durchblickt. Daher liegt die Vermutung nahe, dass die algebraische Lösung dieses Problems der Gewinnaufteilung aus einem anderen Umkreis stammt. Dafür wäre unter Umständen der islamische Kulturkreis denkbar. Es wurden zwar bis heute keine Quellen gefunden, aber die Tatsache, dass die islamische Welt des Mittelalters sich ebenfalls mit der Glücksspielrechnung auseinandergesetzt hat, liegt klar auf der Hand, wenn man bedenkt, dass sie einen großen sprachlichen Einfluss auf die spanische Glücksspielterminologie hatte. 28 II.3.2 Im 15. und 16. Jahrhundert Ein weiterer Hinweis darauf, dass die soeben beschriebene Lösung aus einem anderen Umfeld stammt, ist die Tatsache, dass man auch im 15. und 16. Jahrhundert die Lösung des Teilungsproblems nicht mehr auf algebraischem Wege anging, sondern sich an wirtschaftlichen Modellen orientierte. Es wurde die Auffassung vertreten, „daß im Glücksspiel in zeitlich verkürzter Form die Tätigkeit des Kaufmanns nachvollzogen wird, (und so wurde das Problem) nach gängigen Regeln zur Aufteilung von Gewinn und Verlust unter Handelspartnern gelöst.“ [Schneider] Diese Meinung vertrat sowohl Luca Pacioli als auch seine Kritiker. Pacioli war ein Franziskanermönch und Wanderlehrer der Mathematik. Von ihm stammt das erste gedruckte Werk, das sich auf das Teilungsproblem bezieht. In seiner 1494 publizierten „Summa de Arithmetica Geometria Proportioni et Proportionalita“ ist er der Ansicht, man solle nur die bereits gespielten Runden betrachten und den Einsatz im Verhältnis der gewonnenen Partien aufteilen. In der konkret gestellten Aufgabe würde dies bedeuten, dass der eine Spieler 2 3 des gesamten Einsatzes erhält, während sich der andere mit 1 zu begnügen hätte. 3 Diese Lösung rief im 16. Jahrhundert Kritik sowohl bei Nicolò Tartaglia, als auch bei Geronimo Cardano hervor, der vorschlägt, nur die Partien zu betrachten, die für jeden Spieler noch ausstehen, um zu gewinnen. Es ist also festzuhalten, dass es zwar bereits vor der Korrespondenz zwischen Pascal und Fermat Auseinandersetzungen mit der Problematik der Gewinnaufteilung gab. Jedoch wurden die Betrachtungen, die zu dieser Zeit stattfanden, lediglich als Überlegungen und Vorschläge dargestellt und nicht mathematisch bewiesen. Jede Lösung scheint nur durch das Empfinden des jeweiligen Autors begründet zu sein und Tartaglia ist sogar der Meinung: „denn egal, auf welche Art und Weise man es löst, es gibt immer Grund zu streiten.“ [Schneider] Es ist daher nicht allzu verwunderlich, dass Pascal, Fermat und Huygens die Lösungsansätze dieser Italiener nicht einmal andeuten und sich selber als diejenigen ansahen, die als erste Wissenschaftler in der Lage waren, „die 29 Verbindung zwischen Mathematik und dem Bereich des Zufalls herzustellen“ . [Schneider] II.3.3 Pascal Blaise Pascal wurde 1623 als Sohn eines Mathematikers in Clermont, Frankreich, geboren. Im Alter von acht Jahren zog er mit seinem Vater nach Paris, damit er eine bessere Ausbildung erhalten konnte und wurde mit 14 Jahren in den Gelehrtenkreis um Mersenne eingeführt. Nachdem er sich einige Zeit mit der Erfindung einer Rechenmaschine und naturwissenschaftlichen Fragen auseinandersetzte, kehrte er 1654 wieder zu der Mathematik zurück. In demselben Jahr trat er in Kontakt mit Pierre de Fermat, der schon 1636 Anschluss an den Zirkel von Mersenne fand. Der erste uns überlieferte Brief ist eine Antwort Fermats an Pascal, der wohl in seinem vorausgehenden Brief das kombinatorische Problem eines Würfelwurfs angesprochen hatte. Den zweiten Brief, der uns heute noch erhalten ist, schrieb Pascal am 29. Juli 1654 an Fermat. Dieses Mal wird das etwas kompliziertere Thema der Gewinnaufteilung bei vorzeitigem Spielabbruch angesprochen und Pascal stellt seine Lösung vor. Er geht von der zu Anfang erklärten Aufgabe aus und setzt dabei voraus, dass beide Spieler jeweils 32 Pistoles8 gesetzt haben, um die es zu spielen gilt. Gehen wir also davon aus, dass Spieler A bereits zwei Punkte und Spieler B einen erzielt haben, so betrachtet Pascal die Partie, die nun folgen würde, wenn das Spiel nicht abgebrochen würde. Entweder A erzielt einen weiteren Punkt und gewinnt das Spiel und somit den gesamten Einsatz oder B erhält den Punkt und es gibt einen Gleichstand, so dass jeder sein eingesetztes Geld zurückerhält. In jedem Fall erhält Spieler A seinen Einsatz zurück. Die übrigen 32 Pistoles kann jeder Spieler mit gleicher Wahrscheinlichkeit gewinnen, so dass also beide die Hälfte dieses Geldes beanspruchen können. Spieler A besitzt nun 8 Goldmünze, die 1566 von Philipp II. geprägt und später in Frankreich als Ausdruck für zehn Livres verwendet wurde. 30 48 Pistoles, d.h. 3 1 4 4 des Gesamteinsatzes, Spieler B hingegen 16 Pistoles, d.h. des Gesamteinsatzes. Von dieser Spielsituation aus lassen sich die übrigen ableiten. Würde das Spiel bei dem Spielstand 2:0 beendet werden, gäbe es für die folgende Partie wieder zwei Möglichkeiten. Entweder Spieler A gewänne ein drittes Mal und somit das ganze Spiel oder Spieler B gewänne und wir befänden uns in der oben diskutierten Situation. Auf die eine oder andere Weise stände Spieler A ein Gewinn von 48 Pistoles zu und die übrigen 16 müssten wieder zwischen beiden Spielern geteilt werden. Dieses Mal würde der Gesamteinsatz also im Verhältnis 7:1 geteilt werden. Als letzte bisher ungeklärte Situation bleibt noch der Spielstand 1:0. Gewinnt Spieler A die zweite Runde, ist die Situation die soeben beschriebene, gewinnt Spieler B, erhält jeder seinen Einsatz aufgrund eines Gleichstandes wieder. Spieler A erhält wiederum in beiden Fällen seinen Einsatz von 32 Pistoles zurück, während Spieler B 8 Pistoles sicher bekommt. Von den insgesamt gesetzten 64 sind daher nur noch 24 zu verteilen, so dass Spieler A einen Gewinn von 12 Pistoles macht, weil er im Ganzen 44 Pistoles erhält und Spieler B lediglich 20. Pascal teilt den Einsatz im Gegensatz zu den Lösungsansätzen der Italiener im 15. und 16. Jahrhundert nicht im Verhältnis der gespielten oder noch zu spielenden Runden auf, sondern im Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten der Spieler zu gewinnen. Jedem Spielstand wird solch ein Teilungsverhältnis zugeordnet, wobei man den Spielverlauf chronologisch rückwärts verfolgen muss. Denn die Gewinnaufteilung kurz vor Spielschluss ist eindeutig zu ermitteln, während die Aufteilung bei den vorausgehenden Spielständen aus den noch folgenden herzuleiten ist. II.3.4 Fermat Pierre de Fermat kommt bei dem Teilungsproblem auf dasselbe Ergebnis wie Pascal, jedoch auf anderem Wege. 31 Wie bereits erwähnt trat er durch den Gelehrtenkreis um Mersenne mit Pascal in Kontakt. Dort wurde er von Pierre de Carcavi eingeführt, der wie er Conseiller im Parlament von Toulouse war. Fermat wurde 1601 in Beaumont-de-Lomagne geboren. In dieser Stadt wuchs er auf und erhielt seine erste Schulausbildung in einer Franziskanerschule. 1631 schloss er sein Studium an der Universiät von Orléans mit dem baccalaureus juris civilis ab, um danach in Toulouse seinem Beruf als Anwalt und 1634 als Conseiller nachzugehen. Fand er neben dieser Tätigkeit noch Muße, so beschäftigte er sich neben den klassischen und modernen Sprachen Europas auch mit der Mathematik und wurde so in Frankreich der größte Mathematiker des 17. Jahrhunderts. Zusammen mit Pascal gab er den Anstoß zur Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie. Im Gegensatz zu ihm fand er einen Weg die Gewinnaufteilung bei einem vorzeitig abgebrochenen Spiel direkt zu berechnen. Pascal äußert sich dazu in seinem oben beschriebenen Brief auf diese Weise: „ich bin damit gänzlich befriedigt; denn ich zweifle nun nicht mehr daran, daß ich auf dem richtigen Weg bin nach der erstaunlichen Übereinstimmung, in der ich mich mit Ihnen finde.“ [Schneider] Fermat betrachtet ebenfalls die Partien, die nach dem Spielabbruch noch folgen müssten. Dabei müssen so viele Runden berücksichtigt werden, wie zu einem eindeutig entschiedenen Spiel notwendig sind. In unserer konkreten Aufgabe wäre das Spiel zwar beendet, wenn Spieler A ein weiteres Mal gewinnt. Gewinnt hingegen Spieler B, so wäre noch eine zweite Runde nötig, um den Gewinner des gesamten Spieles zu ermitteln. Es werden also alle Gewinnvarianten betrachtet, die in den letzten beiden Runden noch auftreten könnten. Das sind die folgenden vier Spielverläufe: Gewinner nächsten übernächste in der Runde Runde A A A B B A B B 32 Die letzte Variante ist die einzige, bei der Spieler B gewinnt, d.h. die Chance für Spieler B, das Spiel zu gewinnen liegt bei 1 4 , für Spieler A hingegen bei 3 . Und auf diese Weise würde wiederum der Spieleinsatz verteilt werden. 4 Wollen wir nun das Teilungsproblem allgemeiner betrachten, nehmen wir an, dass Spieler A noch n gewonnene Runden und Spieler B m Runden bis zum endgültigen Sieg fehlen. Das Spiel ist also nach spätestens n + m ! 1 Partien eindeutig entschieden. Dabei handelt es sich um ein Spiel, bei dem es in jeder Runde nur zwei Ergebnisse geben kann: „A gewinnt“ oder „B gewinnt“. Denken wir an den Bereich der Kombinatorik zurück9, so erhalten wir 2 n +m !1 Kombinationen von Verläufen, die das Spiel nehmen kann. Um die Wahrscheinlichkeit für den Sieg von Spieler A zu berechnen, müssen wir ermitteln, wie viele Möglichkeiten es für ihn gibt n-mal in diesen n + m ! 1 Runden zu gewinnen. Wie uns wiederum aus der Kombinatorik bekannt ist, & n + m ' 1# !! . beträgt die Anzahl $$ n % " Es könnte allerdings auch möglich sein, dass Spieler A erst in der n+1-ten oder n+2-ten und schlimmsten Falls in der n+m-1-ten Runde das Spiel für sich entscheidet. Dementsprechend treten diese Spielverläufe noch zu den Gewinnmöglichkeiten von Spieler A hinzu und es ergeben sich insgesamt & n + m ' 1# & n + m ' 1# & n + m ' 1# & n + m ' 1# $$ !! + $$ !! + $$ !! + ... + $$ !! n n + 1 n + 2 n + m ' 1 % " % " % " % " Möglichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler A gewinnt erhält man nun, wenn man die Gewinnmöglichkeiten durch die Kombinationen aller Spielverläufe, also 2 n +m !1 teilt. Es ergibt sich demnach die Gleichung n + m !1 P(„A gewinnt“) = ( n + m ! 1% ## i ' $ " && i =n 2 n + m !1 . Spieler A erhält daher einen Anteil am Gewinn, der ebendieser Wahrscheinlichkeit entspricht. 9 Siehe Kapitel „4. Kombinatorik“. 33 II.3.1 Huygens Christiaan Huygens, der 1629 in Den Haag geboren wurde, hörte, als er 1656 das erste Mal in Paris war, von dem Briefwechsel, der zwischen Pascal und Fermat stattgefunden hatte, konnte darüber jedoch nichts Näheres in Erfahrung bringen. Daher erarbeitete er sich eigenständig eine Lösung des Teilungsproblems, die auf der „expectatio“ […], der Erwartung der beiden Spieler beruht. Seine Erörterungen wurden 1657 als „Tractatus de Rationciniis in Ludo Aleae“ als Anhang des Werkes „Exercitationes mathematicae“ von Franz Schooten publiziert. Huygens betrachtet darin die gleiche Situation, wie Pascal sie erläutert hatte. Wie dieser geht auch er die möglichen Spielverläufe durch, die bei einer weiteren Runde entstehen können. In dem aufgeführten Beispiel nimmt er die Rolle des Spielers ein, der bereits zwei Partien des Spiels gewonnen hat. „Porro ad inveniendum quanta pars utrique debeatur, advertendum est quid fieret, si in lusu peregeremus. Certum enim est, si primum ludum vincerem, me praescriptum numeru implementurum & omne depositum confecuturum, id quod vocetur a. Quod si autem alter primum ludum vinceret, tunc aequata utriusque fors foret, (quippe utrique uno adhuc deficiente ludo,) adeoque cederet cuique 1 2 a. Manifestum autem est me aequam habere fortem ad primum ludum vincendum aut perdendum, ita ut mihi nunc aequa sit expectatio ad obtinendum a aut 1 2 a: quod ipsum per I mam Propositionem tantum est ac si utriusque fortis dimidium, is est, collusori 1 4 3 4 a, haberem; & relinquitur alteri meo a …” [Huygens] „Weiter aber muss man, um zu ermitteln, wie groß der Teil ist, der jedem von beiden bestimmt ist, bedenken, was geschehen kann, wenn wir das Spiel fortführen. Denn es ist gewiss, dass ich, wenn ich das nächste Spiel gewinne, die vorgeschriebene Anzahl (an Spielen) vollenden werde und den ganzen ausgesetzten Preis erhalten werde, diesen, der a genannt werden soll. Wenn aber nun der andere Spieler das nächste Spiel gewinnt, dann wird das Glück (zu gewin34 nen) beider Spieler gleich sein (da ja jedem von uns beiden nur noch ein einziges Spiel fehlt) und jedem steht daher 1 2 a zu. Aber es liegt auf der Hand, dass ich die gleiche Aussicht habe, das nächste Spiel zu gewinnen oder aber zu verlieren, so dass ich nun die gleiche Erwartung habe a oder 1 2 a zu erhalten: was gerade mit Rücksicht auf den Lehrsatz I so viel ist, und zwar wie wenn ich die halbe Summe von beiden erhalte, dies ist spieler bleiben 1 4 3 4 a; und meinem anderen Mit- a übrig …“ Insgesamt zeigte das kleine Traktat von Huygens im folgenden halben Jahrhundert eine größere Wirkung als der Briefwechsel von Pascal und Fermat. Dies wird in der „Ars conjectandi“ von Jakob Bernoulli besonders deutlich, in der er den Text von Huygens wiederholt und mit Anmerkungen erweitert. II.4 Fazit Es steht jedoch fest, dass sowohl Pascal als auch Fermat und Huygens mit ihren korrekten Lösungen von Problemen, die den Zufall und die Wahrscheinlichkeit betreffen, ein neues bedeutendes Gebiet in der Mathematik geschaffen haben. Dieses ist nicht nur unerlässlich bei der Berechnung von Gewinnwahrscheinlichkeiten im Lotto, sondern es besitzt heutzutage noch viel weitreichendere Funktionen sogar bis in die meisten Bereiche der Wirtschaft. 35 III. Literaturverzeichnis - Rolf B. Alexander, Das Taschenbuch vom Lotto, München 1983. - Günther G. Bauer, „Lotto und Lotterie“, Homo ludens, Der spielende Mensch VII, München/Salzburg 1997. - Jörg Bewersdorff, „Glück, Logik und Bluff“, 3. Auflage, Wiesbaden 2003. - Karl Bosch, „Lotto und andere Zufälle“, Braunschweig 1994. - Herold Dehling / Beate Haupt, „Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik“, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg 2004. - Otto Forster, „Analysis 1“, Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen, 6. Auflage, Braunschweig/Wiesbaden 2001. - Christopher C. Heyde, „Statisticians of the centuries”, New York 2001. - Cristiaan Huygens, “De Ratiociniis in Ludo Aleae, Amsterdam 1657. - Robert Ineichen: Würfel, Zufall und Wahrscheinlichkeit. Ein Blick auf die Vorgeschichte der Stochastik. Magdeburger Wissenschaftsjournal 2/ 2002. - Paul Klopsch, „Pseudo-Ovidius, De vetula“, Untersuchungen und Text, Leiden / Brill 1967. - Ivo Schneider, „Die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie von den Anfängen bis 1933“, Einführung und Texte, Darmstadt 1988. - Rüdiger Verfürth, „Analysis II“, Vorlesungsskriptum SS 2006, RuhrUniversität Bochum. 36 Eigenständigkeitserklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Titel: Mathematik und Lotto selbständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die im Literaturverzeichnis angegebenen Bücher und Artikel benutzt habe. Essen, 30. März 2008 37