18. Januar 2017 Elektrizitätslehre II Martin Loeser Laborpraktikum 5 – Dynamische Schaltvorgänge bei Kondensatoren und Spulen 1 Lernziele Bei diesem Versuch werden Einschaltvorgänge von Kondensatoren und Spulen untersucht und quantitativ beschrieben. • Sie können die in einem Kondensator gespeicherte Energie aus der Kondensatorspannung bestimmen. • Sie können den zeitlichen Spannungsverlauf für den Lade- und Entladevorgang eines Kondensators formal angeben (Exponentialfunktion). Sie wissen, von welchen Parametern dieser Verlauf abhängt. Unter anderem kennen Sie die Bedeutung und die physikalische Ursache der Zeitkonstanten τ . Sie kennen ausserdem die wesentlichen Eigenschaften von Exponentialfunktionen. • Sie können das Lade- und Entladeverhalten eines Kondensators mit MatlabSimulink modellieren und numerisch berechnen. Sie sind in der Lage dieses Simulationsmodell durch Vergleich mit theoretischen und messtechnischen Ergebnissen zu validieren. • Sie können die in einer Luftspule gespeicherte Energie aus der Spulenstromstärke bestimmen. • Sie können den zeitlichen Stromstärkeverlauf für den Ein- und Ausschaltvorgang des Stroms einer (linearen) Spule formal angeben (Exponentialfunktion). Sie wissen von welchen Parametern dieser Verlauf abhängt. Unter anderem kennen Sie die Bedeutung und die physikalische Ursache der Zeitkonstanten in diesem Verlauf. • Sie können den Ein- und Ausschaltvorgang des Spulenstroms modellieren, numerisch berechnen und die Resultate durch den Vergleich mit gemessenen Ergebnissen validieren. Laborpraktikum 5 – Dynamische Schaltvorgänge bei Kondensatoren und Spulen, Elektrizitätslehre II 2 2 Dynamische Kondensatorschaltungen 2.1 Theorie Wird ein ungeladener Kondensator der Kapazität C an eine Gleichspannungsquelle Uq über einen Widerstand R1 geschaltet (Figur 1, Schalterstellung 1), so wird sich die Kondensatorspannung u(t) nicht sprungartig verändern, sondern stetig bis zur Quellenspannung zunehmen. Dabei wird Energie im Kondensator in elektrischer Form gespeichert und dies kann nicht augenblicklich erfolgen. Diese Energie hängt wie folgt von der Spannung u(t) über dem Kondensator ab: 1 W (t) = Cu2 (t). 2 Der geladene Kondensator kann anschliessend über einen Widerstand R2 wieder entladen werden (Figur 1, Schalterstellung 2). Die im Kondensator gespeicherte Energie wird dann in diesem Widerstand vollständig Versuch dissipiert. 2.6 2/6 (1) R1 (2) Ri i(t) C Uq u(t) R2 i(t) C u1(t) uq(t) RS KO CH 1 u(t) KO CH 2 u2(t) Figur 1 Prinzipschaltung Figur 2 Schaltungstechnische Realisierung Schalterstellung (1): Aufladen RS Seriewiderstand Schalterstellung (2): Entladen Ri beInnenwiderstand desRechts: Funktionsgenerators Abbildung 1: Links: Kondensatorschaltung zum und entladen. Schaltbild mit schaltungstechnisch Funktionsgenerator. Um diesen Vorgang zu realisieren, wird kein Schalter benötigt. Anstelle der Gleichspannungsquelle wird ein Funktionsgenerator mit rechteckigem Spannungsverlauf verwendet, wie in Figur 2 gezeigt. Mit dieser Schaltung sind die Widerstände R1 und R2 natürlich gleich gross. Der massgebende besteht hier aus dem Ri des Generators Allgemeinen Um diesenWiderstandswert Vorgang schaltungstechnisch zuInnenwiderstand realisieren, wird kein Schalter(im benötigt. 50 !) und dem Seriewiderstand RS, so dass gilt: R1 = R2 = R = Ri + RS. Anstelle der Gleichspannungsquelle wird ein Funktionsgenerator mit rechteckigem RSpannungsverlauf als Ri gewählt werden, der Spannungsverlauf am Generatorausgang verwendet, wie in Figurdamit 1 rechts gezeigt. Mit dieser Schaltung sindu1 (t) S sollte wesentlich grösser sich nicht merklich von dem seiner Leerlaufspannung uq (t) unterscheidet2. die Widerstände R1 und R2 natürlich gleich gross. Die massgeblichen Widerstände Die Periodendauer T der Rechteckspannung der Quelle (im mussAllgemeinen grösser gewählt50werden alsder die zum Auf- und sind der Innenwiderstand Ri des Generators Ω) und SeriewiEntladen des Kondensators benötigte Zeit. Die entsprechende Generatorfrequenz (f"="1/T) kann durch derstand RS , so werden. dass gilt: R1 = R2 = R = Ri +RS . RS sollte wesentlich grösser als Ri Probieren eingestellt gewählt werden, damit der Spannungsverlauf am Generatorausgang u1 (t) sich nicht Die Kondensatorspannung muss aus der Differenz der KO-Spannungen gebildet werden: merklich von dem seiner Leerlaufspannung uq (t) unterscheidet. Die Periodendauer u(t)"="u 1 (t)"–"u2 (t). Die Spannung u2 (t) am Widerstand RS kann zur Strommessung benutzt werden. T der Rechteckspannung der Quelle muss grösser gewählt werden als die zum AufAnalytischer Verlauf der Kondensatorspannung (ohne Herleitung) und Entladen des Kondensators benötigte Zeit. Die entsprechende GeneratorfreWenn vom Kondensator ausgegangen wird (u(0)"="0), ergibtDie sichKondensatorspannung für den zeitlichen Verlauf der quenz f entladenen = 1/T kann durch Probieren eingestellt werden. Kondensatorspannung u(t) beim Aufladen auf die Spannung Uq : muss aus der Differenz der KO-Spannungen gebildet werden: u(t) = u1 (t) − u2 (t). "t # am Widerstand RS kann zur Strommessung benutzt werden. Die Spannung u2e(t) u(t) = U (1" ) q Dabei ist ! die sogenannte Zeitkonstante3 des Aufladevorgangs. Letztere ist nur von der Kapazität C und dem Widerstand R abhängig4: ! = R·C. Theoretisch braucht der Aufladevorgang unendlich viel Zeit. In der ! Praxis wird der Endwert nach einer Zeit von ca. 5"! erreicht. Für den zeitlichen Verlauf der Kondensatorspannung beim Entladen von Uq auf Null ergibt sich: u(t) = U q e"t # Laborpraktikum 5 – Dynamische Schaltvorgänge bei Kondensatoren und Spulen, Elektrizitätslehre II 3 2.2 Analytischer Verlauf der Kondensatorspannung (ohne Herleitung) Wenn vom entladenen Kondensator ausgegangen wird (u(0) = 0), ergibt sich für den zeitlichen Verlauf der Kondensatorspannung u(t) beim Aufladen auf die Spannung Uq : t u(t) = Uq 1 − e− /τ Die Grösse τ ist die sogenannte Zeitkonstante des Aufladevorgangs, und es gilt τ = RC. Theoretisch braucht der Aufladevorgang unendlich viel Zeit. In der Praxis ist der Kondensator nach der Zeit t = 5τ vollständig geladen. Beim Entladen von der Spannung Uq auf null ergibt sich für den Zeitverlauf u(t) = Uq e− /τ . t 2.3 Messaufgaben (mit Matlab-Teil) (a) Erstellen Sie ein kleines Matlab-Programm, mit dem die (theoretisch erwarteten) Zeitverläufe der Kondensatorspannung sowohl für den Einschalt- als auch für den Ausschaltvorgang dargestellt werden können. Hierfür können Sie gegebenenfalls auf Matlab-Code zurückgreifen, den Sie in Labor 2 erstellt haben. (b) Für verschiedene Kombinationen von R, C und Uq (i) stelle man den Kondensatorstrom und die Spannung über dem Kondensator als Funktion der Zeit dar, (ii) zeige man, dass τ unabhängig von Uq ist, (iii) vergleiche man die gemessenen Werte mit den theoretisch erwarteten Ergebnissen (in Matlab!!) (c) Untersuchen Sie durch Variation von Rs den Einfluss des Verhältnisses RS /Ri auf den Verlauf der Klemmenspannung u1 (t) des Signalgenerators. (d) Untersuchen Sie, ob der Spannungsverlauf am Kondensator davon abhängt, ob die Quellenspannung zwischen 0 und Uq oder zwischen −Uq /2 und Uq /2 oszilliert. 3 Dynamische Spulenschaltungen 3.1 Theorie Wird eine Spule der Eigeninduktivität L an eine Gleichspannungsquelle über einen Widerstand R1 geschaltet (Figur 2, Schalterstellung 1), so wird die Stromstärke i(t) nicht sprungartig, sondern stetig bis zum Wert Iq = Uq /R1 zunehmen. Dabei Versuch 2.6 4/6 2 Ein- und Ausschalten des Stroms in einer Spule bei Kondensatoren und Spulen, ElekLaborpraktikum 5 – Dynamische Schaltvorgänge trizitätslehre Wird eine SpuleII der Eigeninduktivität L an eine Gleichspannungsquelle über einen Widerstand (R )4 1 geschaltet (Figur 3, Schalterstellung 1), so wird die Stromstärke i(t) nicht sprungartig, sondern stetig bis zum Wert Iq = Uq /R1 zunehmen. Dabei wird Energie in der Spule in magnetischer Form gespeichert und wird Energie in der Spule in magnetischer Form gespeichert und diesI kann nicht dies kann nicht augenblicklich erfolgen. Diese Energie hängt wie folgt von der Stromstärke in der Spule ab: augenblicklich erfolgen. Diese Energie hängt wie folgt von der Stromstärke i(t) in der Spule ab: 1 1 2 W = L I 2 bzw. w ( t ) = L i( t ) 1 2 2 W (t) = L i2 (t). 2 Der Spulenstrom kann nicht ausgeschaltet werden, ohne dass diese Energie wieder stetig abgebaut (umgeformt) wird. Beikann einem nicht (schnellen) Unterbruch des Stroms wird Induktionsgesetz Der Spulenstrom ausgeschaltet werden, ohnenämlich dass gemäss diese Energie wieder an der Unterbruchstelle erzeugt, die zu einem leitenden Lichtbogen5 führen !eine (sehr hohe) Spannung ! kann. abgebaut (umgeformt) wird. Um den Strom nach dem Einschalten wieder stetig abzubauen, wirddem er über einenwieder Widerstand (Figur 2, Schalterstellung 2). Um den Strom nach Einschalten abzubauen,umgelenkt wird er über einen Widerstand umgelenkt (Figur 3, Schalterstellung 2). gespeicherte Die in der Spule Energie gespeicherte Energie wird in diesem Widerstanddissipiert. dissipiert (in Die in der Spule wird dann indann diesem Widerstand Wärmeenergie umgewandelt). (1) (2) KO CH 1 i(t) R1 i(t) Spule: L, RS Ri u(t) L u1(t) R2 Uq uq(t) u2(t) u(t) RS Rm KO CH 2 Figur 3 Prinzipschaltung Figur 4 Schaltungstechnische Realisierung Schalterstellung (1): Einschalten RS Spulenwiderstand Schalterstellung (2):Spulenschaltung Ausschalten m Messwiderstand Abbildung 2: Links: zum Rbeund entladen. Rechts: Schaltbild mit Funktionsgenerator. Um diesen Vorgang schaltungstechnisch zu realisieren, wird kein Schalter benötigt. Anstelle der Gleichspannungsquelle wird ein Funktionsgenerator mit rechteckigem Spannungsverlauf verwendet, wie in Figur 4 gezeigt. Mit dieser Schaltung sind die Widerstände R1 und R2 natürlich gleich gross. Der massgebende besteht hier aus dem zu Innenwiderstand (im Allgemeinen Um diesen Widerstandswert Vorgang schaltungstechnisch realisieren, Rwird kein Schalter benötigt. i des Generators 50!"), dem Spulenwiderstand6 RS und dem Messwiderstand Rm, so dass gilt: R1 !=!R2 !=!R!=!Ri!+ RS!+!Rm. Anstelle der Gleichspannungsquelle wird ein Funktionsgenerator mit rechteckigem Die Periodendauer T verwendet, der Rechteckspannung muss2grösser als dieSchaltung zum Ein- sind und Spannungsverlauf wie in Figur rechtsgewählt gezeigt.werden Mit dieser Ausschalten des Spulenstroms benötigte Zeit. Die entsprechende Generatorfrequenz (f!=!1/T) kann durch die Widerstände R1 und R2 natürlich gleich gross. Die wesentlichen Widerstände Probieren eingestellt werden. sind derumInnenwiderstand des Generators (im 50am Ω),Generatorausgang der SpulenwiRm sollte einiges grösser als R Ri i gewählt werden, damit derAllgemeinen Spannungsverlauf 7 u1 (t) sich nicht von dem seiner Leerlaufspannung uq (t) unterscheidet . 2 = R = Ri +RS +Rm . derstand RSmerklich und der Messwiderstand Rm , so dass gilt: R1 = R RS sollte wesentlich grösser als Ri gewählt werden, damit der Spannungsverlauf am Generatorausgang u1 (t) sich nicht merklich von dem seiner Leerlaufspannung uq (t) 5 Und damit auchDie zu einer Zerstörung des T Schalters. Aus diesem Grund ist der Figur 3grösser so unterscheidet. Periodendauer der Rechteckspannung derSchalter Quelleinmuss gebaut, dass es beim Umschalten zu keinem Stromunterbruch kommen kann. 6 gewählt werdenVerhalten als die zum Auf- undSpule Entladen des eine Kondensators benötigte Zeit. Die Das elektrische der vorhandenen kann durch Induktivität L und einen Widerstand R in Serie beschrieben werden. Letzterer entspricht dem Drahtwiderstand, dem sogenannten S entsprechende Generatorfrequenz f = 1/T kann durch Probieren eingestellt werden. "Kupferwiderstand", und ist im Allgemeinen nicht vernachlässigbar. 7 Die Spannung am Ausgang Innenwiderstand Ri abhängig von der Zur Strommessung wird des dieSignalgenerators Spannung u2ist (t)wegen am dem Widerstand Rm verwendet Belastung der Quelle, d.h. von der Stromstärke. ZHAW. School fo Engineering 7. Januar 2008, © M. Schlup 3.2 Analytischer Verlauf des Spulenstromes (ohne Herleitung) Wenn von einer stromlosen Spule ausgegangen wird (i(0) = 0), ergibt sich für den zeitlichen Verlauf des Spulenstromes i(t) beim Anschliessen an eine Stromquelle, die den zeitlich konstanten Strom Iq liefert: i(t) = Iq 1 − e− /τ t Laborpraktikum 5 – Dynamische Schaltvorgänge bei Kondensatoren und Spulen, Elektrizitätslehre II 5 Die Grösse τ ist die sogenannte Zeitkonstante des Aufladevorgangs, und es gilt τ = L/R. Theoretisch braucht der Einschaltvorgang unendlich viel Zeit. In der Praxis fliesst nach der Zeit t = 5τ der Strom Iq durch die Spule. Beim Entladen der Spule vom Strom Iq auf null ergibt sich für den Zeitverlauf des Spulenstromes t i(t) = Iq e− /τ . 3.3 Messaufgaben (mit Matlab-Teil) (a) Erstellen Sie ein kleines Matlab-Programm, mit dem die (theoretisch erwarteten) Zeitverläufe des Spulenstromes sowohl für den Einschalt- als auch für den Ausschaltvorgang dargestellt werden können. Hierfür können Sie gegebenenfalls auf Matlab-Code zurückgreifen, den Sie in Labor 3 erstellt haben. (b) Für verschiedene Kombinationen von Rm , Rs , L und Iq (i) stelle man den Spulenstrom und die Spannung über der Spule als Funktion der Zeit dar, (ii) zeige man, dass τ unabhängig von Iq ist, (iii) vergleiche man die gemessenen Werte mit den theoretisch erwarteten Ergebnissen (in Matlab!!) (iv) zeige man, dass die Zeitkonstanten für das Ein- und Ausschalten gleich sind. (c) Untersuchen Sie durch Variation von Rm den Einfluss des Verhältnisses auf den Verlauf der Klemmenspannung u1 (t) des Signalgenerators. RS +Rm Ri (d) Untersuchen Sie, ob der Stromverlauf in der Spule davon abhängt, ob die Quellenspannung zwischen 0 und Uq oder zwischen −Uq /2 und Uq /2 oszilliert. 3.4 Inventar • Funktionsgenerator TG 5011A • Multimeter Keysight 34450A • Digitaloszilloskop Tektronix TDS 2012C • Widerstandsdekaden 3.5 Messobjekte • diverse Polyester-Folienkondensatoren • Luftspulen