Der Anti-Treibhauseffekt des Herrn Ermecke

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Der Anti-Treibhauseffekt des Herrn Ermecke
20. Juni 2014 von Stefan Rahmstorf in Allgemein, Mechanismen
Kühlen Treibhausgase das Klima? Dieses und ähnliche Verrücktheiten konnte man am Montag
bei einer Expertenanhörung im Umweltausschuss des niedersächsischen Landtages hören –
FDP und CDU hatten einen ganzen Reigen von „Klimaskeptikern“ als Experten eingeladen.
Ich verschwende ja nur ungern meine Zeit mit “Klimaskeptiker”-Unsinn – aber manchmal wird man als
Klimaforscher nolens volens damit konfrontiert. Zum Beispiel am vergangenen Montag bei einer
Expertenanhörung im Umweltausschuss des niedersächsischen Landtags. Die dortigen
Oppositionsparteien brachten mehrere „Klimaskeptiker“ gegen das geplante Klimaschutzgesetz in
Stellung – unter anderem zwei Mitglieder der Sektierertruppe von EIKE, deren Beiratsmitglieder auch
schon mal unseren Institutsdirektor als „Seelenverwandten“ des Nazischergen Reinhard Heydrich bezeichnen oder
öffentlich zu Gewalt gegen Klimaforscher aufrufen, ohne dass sich EIKE davon klar distanzieren möchte. (EIKEPressesprecher Horst-Joachim Lüdecke verteidigte diese Äußerungen in einem Schreiben an das
Potsdam-Institut als zwar fragwürdig, aber dennoch nachvollziehbar und verständlich.) Von
wissenschaftlicher Kompetenz hält man bei EIKE dafür umso weniger („Wir brauchen keine Klimaforscher“,
Süddeutsche Zeitung). Leser der EIKE-Website finden dort etwa eine Erörterung der „Parallelen zwischen der
Euthanasie-Lehre der 30er-Jahre und der aktuellen Klimawandel-Agitation“ und werden regelmäßig mit so wahren
Sensationsmeldungen wie dieser beglückt: „Rahmstorf vom PIK bestätigt: Anthropogenen
Klimawandel gibt es nicht!”
Wer solche „Experten“ einlädt, dem geht es offenbar nicht darum, von ausgewiesenen Fachleuten etwas
zu lernen. Die Auswahl belegt einmal mehr, dass man schon lange keine auch nur halbwegs seriösen
Experten mehr auftreiben kann, die die Gefahren der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung
grundsätzlich anzweifeln.
Ich wurde im Ausschuss gebeten, zum Vortrag von einem Herrn Ermecke Stellung zu nehmen, und da
Ermeckes Thesen auch im Internet kursieren ist es vielleicht von Interesse, hier kurz die Kernpunkte
seines Vortrages durchzugehen.
Sahara vs. Mond
Herr Ermeckes empirischer Gegenbeweis gegen den Treibhauseffekt geht so. Er verglich die
Bodentemperatur in der Sahara (die ein Klimaskeptiker-Freund selbst gemessen habe) mit derjenigen
auf der Sonnenseite des Mondes und argumentierte: bei vergleichbarer Sonneneinstrahlung müsse
wegen des Treibhauseffektes die Sahara wärmer sein. Da das Gegenteil der Fall sei, sei die
herkömmliche Theorie des Treibhauseffektes widerlegt, dieser wirke vielmehr kühlend.
Dieses Argument ist falsch, weil es andere, wesentlich wichtigere Unterschiede zwischen dem Mond und
der Sahara gibt. Durch Luftbewegungen (Konvektion und Winde) wird tagsüber ständig Wärme von der
Oberfläche der Sahara abgeführt; diesen Mechanismus gibt es auf dem Mond mangels Atmosphäre nicht.
Außerdem scheint auf der Erde die Sonne nur einen halben Tag, dann kommt die kühlende Nacht. Auf
dem Mond scheint dagegen 13,5 Tage lang ununterbrochen die Sonne, sodass der Boden viel mehr Zeit
hat, sich aufzuheizen. Herrn Ermecke hätte schon auffallen müssen, dass es auf dem Mond nachts bis –
153 °C kalt wird, was nicht zu seiner Theorie des wärmeren Mondes passt, aber auf die extremen TagNacht-Unterschiede auf dem Mond hinweist.
Der Vergleich Erde-Mond ist aber an sich sinnvoll – nur sollte man die Durchschnittstemperaturen
vergleichen (über die ganzen Himmelskörper und über Tag und Nacht), dann kommen die oben
genannten lokal oder kurzzeitig wirksamen Unterschiede nicht zum Tragen, sondern es gelten nur noch
die drei wesentlichen Terme der Energiebilanz von Planeten (Sonneneinstrahlung, reflektierter Anteil,
langwellige Abstrahlung - siehe Grafik).
Im Durchschnitt liegt die Mondtemperatur bei -3 °C [dazu bitte auch die Diskussion unten beachten]; er ist
damit viel kälter als die Erde (mit rund +15 °C), was auf den fehlenden Treibhauseffekt zurückzuführen
ist. In meinem Vortrag erwähnte ich, dass bei ungehinderter Wärmeabstrahlung (ohne Treibhauseffekt)
und der gegebenen Wärmeaufnahme die Erde an der Oberfläche eine Temperatur von -18 °C hätte (nach
dem Stefan-Boltzmann-Gesetz der Physik). Der Mond ist wärmer als dies, weil er (mangels Wolken,
Schnee- und Eisflächen) weniger Sonnenstrahlung reflektiert (nur 11% statt wie die Erde 30%), sodass
seine Wärmeaufnahme größer als die der Erde ist (siehe NASA-Datenblatt zum Mond).
Planetenforscher können die Temperaturen an der Oberfläche anderer Planeten wie Venus und Mars
ebenfalls korrekt auf Basis des Treibhauseffekts in den Atmosphären der jeweiligen Planeten verstehen
und modellieren – ohne dies geht es nicht. Das war übrigens die Grunderkenntnis von Joseph Fourier aus
dem Jahr 1824, die sich seither glänzend und detailliert bestätigt hat.
Energiebilanz der Erde
Energiebilanz der Erde. Die Strahlung aus der Atmosphäre zum Boden (rechts, die Ursache des natürlichen
Treibhauseffekts) ist mit 333 Watt pro Quadratmeter sogar deutlich stärker als die am Boden ankommende
Sonnenstrahlung. Sie lässt sich nicht nur messen sondern direkt spüren: setzen Sie sich einfach nach Sonnenuntergang in
den Garten. Wann wird es rascher kälter: in einer klaren Nacht mit trockener Luft, oder bei bedecktem Himmel? Den
Unterschied macht die IR-Rückstrahlung von den Wolken. Die Nächte sind in der Sahara deshalb so kalt, weil die Luft so
trocken ist, d.h. es gibt wenig Rückstrahlung durch den Wasserdampf-Treibhauseffekt. Quelle: Trenberth und Kiehl 1997,
Zahlen nach genaueren Daten leicht upgedated im Jahr 2007.
Zum obigen Energiebilanzdiagramm der Erde hat Herr Ermecke viele korrekte Aussagen gemacht, über
die völlige Übereinstimmung besteht – auch wenn Ermecke sie mit der bei „Klimaskeptikern“ üblichen
Verschwörungsrhetorik verzierte, als würde er damit gut gehütete Geheimnisse lüften. Er wies darauf
hin, dass der größte Teil der ins All abgestrahlten Wärme nicht von der Erdoberfläche sondern aus der
Atmosphäre stammt. Diese Strahlung stammt von den Treibhausgasen wie Wasserdampf, CO 2 usw.,
denn diese sind es ja, die im relevanten Infrarotbereich Strahlung absorbieren und emittieren. Diese
Gase fangen die von der Oberfläche kommende langwellige Strahlung großenteils ab, absorbieren sie und
re-emittieren sie dann wieder in alle Richtungen, teils zurück zur Erdoberfläche (diesen Teil hat Ermecke
dann ausgeblendet), teils in All. Insofern sind sie sowohl Heizmechanismus für die Oberfläche (durch
Abstrahlung nach unten) als auch Kühlmechanismus für die Erde (durch Abstrahlung ins All). Diese
Strahlung stammt aus größeren Höhen und damit kälteren Luftschichten. Insofern muss man sagen, dass
diese Treibhausgase zwar Teil des Kühlmechanismus der Erde sind – sie kühlen aber weniger effektiv als
es der Erdboden ohne die zwischengeschalteten Treibhausgase könnte, denn der Boden ist wärmer und –
wie Herr Ermecke richtig betonte – die Kühlung durch Abstrahlung ist umso stärker je höher die
Temperatur ist.
Dann machte Herr Ermecke seinen zentralen Denkfehler: weil die Treibhausgase ins All abstrahlen und
somit Teil des „Kühlsystems“ seien, müsse die Kühlung bei mehr Treibhausgasen stärker werden.
Tatsächlich ist es umgekehrt. Denn noch weniger Strahlung kann dann direkt vom Erdboden ins All
abgestrahlt werden und ein noch größerer Anteil kommt von weiter oben in der Atmosphäre – wir
ersetzen also noch mehr der effektiven Kühlung vom Boden durch die weniger effektive Kühlung aus der
Atmosphäre heraus. Und es wird noch mehr Wärme von der Atmosphäre zurück zum Boden gestrahlt.
Daher steigt bei steigender Treibhausgaskonzentration auch die globale Temperatur; dieser Prozess der
globalen Erwärmung läuft seit Jahrzehnten genau so ab wie schon in den 1970ern vorhergesagt.
Die Erde im Infraroten - gesehen im Wellenlängenbereich 13 μm, in dem u.a. CO 2 absorbiert. Die Oberfläche ist nur
schemenhaft zu sehen, da von dort nur wenig Strahlung durchkommt. Man sieht vor allem die Rockies und die Anden, die
höher in die Atmosphäre aufragen. Die meiste Strahlung kommt aus der Atmosphäre. Quelle: GOES-15 Satellit, University
of Wisconsin-Madison, Space Science and Engineering Center.
Erwärmung durch mehr blauen Himmel?
Da die dramatisch wachsende Treibhausgaskonzentration nach seiner Theorie das Klima also kräftig
abgekühlt haben müsste, hat Herr Ermecke das Problem zu erklären, warum wir eine globale Erwärmung
beobachten. Seine Lösung: die globale Erwärmung ab den 1970-er Jahren sei durch eine geringe
Zunahme des Auftretens von „blauem Himmel“ zu erklären (dazu zeigte er eine Datenreihe), weil – wie
jedes Kind wisse – es bei blauem Himmel wärmer sei, da dann mehr Sonnenstrahlung am Boden
ankomme. Das Auftreten von blauem Himmel ist aber kein brauchbares Maß für die Strahlungsbilanz,
weil es (a) die sehr unterschiedlichen Strahlungseigenschaften des restlichen Himmels mit mehr oder
weniger hohen, dicken und durchlässigen Wolkentypen ignoriert ebenso wie (b) die auch bei blauem
Himmel vorhandenen Unterschiede in der Einstrahlung, u.a. durch die Luftbelastung mit Aerosolpartikeln.
Vielmehr wird die am Boden ankommende Sonnenstrahlung durch ein globales Strahlungsmessnetz
direkt gemessen. Zusätzlich gibt es an zahlreichen Wetterstationen Verdunstungsmessungen („pan
evaporation“), wobei die Verdunstungsraten von der Sonnenstrahlung abhängen. Beide Datensätze
zeigen übereinstimmend das in der Fachwelt bekannte Phänomen des „global dimming“ (siehe Wikipedia
für eine verständliche Einführung) – also eine Abnahme der ankommenden Sonnenstrahlung seit den
1950ern. Dieses „global dimming“ hat der globalen Erwärmung durch Treibhausgase teilweise
entgegengewirkt.
Thesen durch „andere Physiker“
Herr Ermecke sagte, es gebe auch Physiker, die der Treibhauswirkung von CO 2 fundamental
widersprechen, nota bene aus Deutschland. Konkret nannte er einen Aufsatz von Gerlich und
Tscheuschner (Inter. J. of Modern Physics B, 2009). Er erwähnte jedoch nicht, dass dieser Aufsatz von einer
Gruppe von US-Physikern umgehend und umfassend in der Fachliteratur widerlegt wurde (Halpern et al.,
Inter. J. of Modern Physics B, 2010). Deren Abstract ist lesenswert.
Ich habe selbst seinerzeit bei Erscheinen den Artikel von Gerlich und Tscheuschner gelesen. Der
wichtigste unter vielen fundamentalen Physikfehlern ist ihre These, die kühlere Atmosphäre könne gar
keine Strahlung zum wärmeren Erdboden senden, diesen Transfer von kalt nach warm verbiete der 2.
Hauptsatz der Thermodynamik. Dies ist physikalischer Unsinn (nur über den netto-Transfer macht der 2.
Hauptsatz eine Aussage); im Übrigen wird diese Strahlung aus der Atmosphäre routinemäßig gemessen (auch ihre
Zunahme).
Herr Ermecke argumentierte, „Kritiker“ wie Gerlich sollten auch als Autoren an den IPCC-Berichten
mitarbeiten. Die Auswahl der IPCC-Autoren erfolgt allerdings mit gutem Grund auf Basis nachgewiesener
Fachkompetenz, d.h. der entsprechenden Fachpublikationen. Laut der wissenschaftlichen
Literaturdatenbank Web of Science von Thomson Reuters hat Prof. Gerlich außer der genannten grob
fehlerhaften keine Arbeiten zum Klima vorzuweisen.
Fazit
Generell darf man wohl die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, zu einer wissenschaftlichen Frage einen
Laien ohne wissenschaftliche Qualifikation als „Experten“ in eine parlamentarische Anhörung einzuladen
– auch wenn dieser Laie selbst fest davon überzeugt ist, zweihundert Jahre Physikgeschichte im
Handumdrehen widerlegen zu können.
Bei der FDP mag eine solche Realitätsverweigerung nicht überraschen – hatte der FDP-Abgeordnete Dr.
Gero Hocker doch erst im Oktober in einer Landtagsrede u.a. voller Überzeugung verkündet, im
Mittelalter sei Grönland eisfrei gewesen, und war dafür mit dem Klimaschmock des Monats ausgezeichnet worden.
(Diese Blamage hätte er sich durch Nachlesen zum Thema bei der KlimaLounge erspart.) Dass es diese
Tendenzen auch in der CDU gibt beunruhigt mich dagegen. Vielleicht kann die Bundeskanzlerin,
immerhin Physikerin, einen kleinen Physikkursus für ihre Partei arrangieren?
Meine kommentierten Vortragsfolien von der Anhörung finden Sie hier.
Und (das muss sein) Gero Hockers Pressemitteilung zur Veranstaltung.
Quelle: http://www.scilogs.de/klimalounge/der-anti-treibhauseffekt-herrn-ermecke/
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