AMERIKA DIENST U. S. Feature Service Bad Codesber; I • Postfach Wirtschaft und Arbeit 3 0 0 • Telefon Bad Godesberg 713257 V I I . JAHRGANG, N r . 44/C 2. November 1955 INHALTSVERZEICHNIS WIRTSCHAFTSREPORTAGE GRUNDLEGENDER STRUKTURWANDEL DES US-TRANSPORTSYSTEMS Eisenbahnen verloren Monopolstellung Straßenfahrzeuge auf dem Vormarsch (76 Zeilen) STREIFLICHTER AUS DER US-WIRTSCHAFT US-WIRTSCHAFTSBOOM WEITERHIN UNGEBROCHEN Allgemein günstige Beurteilung der Konjunkturlage - Zu keinerlei Befürchtungen Anlaß (84 Zeilen) VORBEREITUNGEN DER USA ZUR 4.GATT-RUNDE Zollsenkungsliste für rund 1000 Waren aufgestellt (75 Zeilen) REKORDUMSÄTZE BEI "GENERAL MOTORS" (10 Zeilen) PLÄNE FÜR ZUSAMMENSCHLÜSS ZWISCHEN AFL UND CIO NAHEZU FERTIGGESTELLT (12 Zeilen) AUS WISSENSCHAFT UND TECHNIK AUTOMATISCHE EISENBAHN (12 Zeilen) NEUES FUNKPEILGERÄT FÜR ZERSTÖRERFLUGZEUGE (11 Zeilen) MENSCHLICHE STIMME ALS ENERGIEQUELLE FÜR FUNKGERÄT (15 Zeilen) FREMDSPRACHEN-SCHREIBAUTOMAT FÜR US-ARMEE (8 Zeilen) WARME MAHLZEIT AUS DEM AUTOMATEN (8 Zeilen) WELT DER ARBEIT DER "SUPERVISOR" IN DER AMERIKANISCHEN INDUSTRIE Stellung, Tätigkeiten und Pflichten (70 Zeilen) * * * * * Seite 1 Seite 4 Seite 7 Seite 10 Seite 10 Seite 11 Seite 11 Seite 11 Seite 12 Seite 12 Seite 13 "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 WIRTSCHAFTSREPORTAGE GRUNDLEGENDE STRUKTURWANDLUNG DES US-TRANSPORTSYSTEMS Eisenbahnen verloren Monopolstellung - Straßenfahrzeuge im Vormarsch Von Henry W. Martin (76 Zeilen) WASHINGTON — (AD) — In dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum von rund 30 Jahren hat das Transportsystem der Vereinigten Staaten eine revolutionierende Wandlung erfahren - eine tiefgreifende Veränderung, durch die sämtliche Elemente der Volkswirtschaft entscheidend beeinflußt wurden. Während noch bis Anfang der zwanziger Jahre die Eisenbahnen - mit Ausnahme einiger weniger Gebiete, in denen die Schiffahrt dominierte - praktisch ein Beförderungsmonopol besaßen, stehen heute der Wirtschaft eine Vielzahl von hochleistungsfähigen Beförderungsmitteln zur Verfügung. Diese Feststellung wird in einem Bericht getroffen, der von dem Beratungskomitee des US-Präsidenten für Transportfragen ausgearbeitet wurde, dem unter anderem verschiedene Kabinettsmitglieder angehören und dessen Aufgabe es war, die vor mehr als einer Generation erlassenen Verkehrs- und Beförderungsbestimmungen den heutigen Verhältnissen anzupassen. Während die Einzelperson heute für ihre Erholungs- und Geschäftsreisen entweder das Privatauto, den Fernbus, die Eisenbahn oder das Flugzeug benutzen kann, steht dem Verlader von Fertigwaren und Massengütern eine weitreichende Skala an Transportmitteln zur Verfügung: seine eigenen Fahrzeuge, eine große Zahl von Fernlastunternehmen, ein integriertes Eisenbahnsystem sowie Binnenund Küstenschiffe oder Flugzeuge» Eine nicht unwesentliche Rolle in dieser Entwicklung hat dabei die amerikanische Regierung gespielt, die durch Bereitstellung von Mitteln für die Modernisierung und den Ausbau der Fernverkehrsstraßen und Autobahnen, der Häfen, Kanäle und Flugplätze teilweise erst die Voraussetzungen für die dynamischen Veränderunger im Transportsystem schuf. Das Ergebnis dieser tiefgreifenden Veränderungen ist ein wettbewerbsfähiges Transportsystem, durch das ^as "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 das monopolistische Element ausgeschaltet wurde, das noch vor rund 30 Jahren für diesen Sektor der amerikanischen Wirtschaft charakteristisch war. Wie bedeutend die einzelnen Faktoren dieses gewaltigen Transportsystems heute sind, zeigt eine Aufstellung des Berichts über die Betriebsmittel der verschiedenen Verkehrsträger. Danach verfügen die Eisenbahnen heute über rund 2,1 Millionen Güterwagen, 38 000 Lokomotiven und 40 000 Personenwagen, wozu auch eine kleine Anzahl von Schienenbussen gehört, die im Vorortsverkehr eingesetzt sind. Von den rund 10 Millionen ständig im Fernverkehr eingesetzten Lastwagen laufen nur rund 600 000 auf Charter-Basis. Im Personenverkehr sind zur Zeit zwischen 25 000 und 30 000 Omnibusse eingeset Die Zahl der ständig auf den inneramerikanischen Strecken eingesetzten Flugzeuge dürfte heute etwa 1400 bis 1500 betragen. Mit rund 48 Millionen Fahrzeugen stellt die Flotte der Privatkraftwagen einen beachtlichen Faktor im heutigen Transportsystem der USA dar, zumal die meisten heute viele Personen befördern, die früher die öffentlichen Verkehrsmittel benutzten. Rund 60 Prozent aller Angestellten, Verkäufer, Fabrikarbeiter und ungelernten Arbeitskräfte: fahren, wie dem Bericht zu entnehmen ist, in einem Privatkraftwagen zur Arbeitsstelle. Den gummibereiften Fahrzeugen - Lastwagen, Busse und Personenkraftwagen - steht heute ein Netz öffentlicher Straßen in einer Gesamtlänge von 5»356 Millionen Kilometern zur Verfügung, von denen rund 4,8 Millionen Kilometer oder 90 Prozent Bundesstraßeh sind. Der Rest sind Straßen innerhalb der Städte und Gemeinden. Während innerhalb der Städte fast sämtliche Straßen eine feste Decke haben, sind von den Bundesstraßen mehr als 60 Prozent gepflastert. Zu diesem Straßennetz treten noch verschiedene Mautstraßen in einer Gesamtlänge von 1692 Kilometern. • Mit insgesamt 595 200 Kilometern ist heute das Fernsehtransportnetz erheblich länger als das der Eisenbahnen, die ein Strekkennetz von 356 800 Kilometern im Betrieb haben. Stark entwickelt hat sich auch das Pipelinenetz, das heute in erster Linie für die "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 die Beförderung von Erdöl und Naturgas verwendet wird, und eine Länge von insgesamt 1,084 Millionen Kilometern (284 000 km Erdöl -, 800 000 km Naturgasleitungen) aufweist. Während schließlich das Netz der inneramerikanischen Flugstrecken 99 200 Kilometer ausmacht, beträgt das schiffbare Wasserstraßennetz (Flüsse, Kanäle) 44 800 Kilometer. Wie aus dem Bericht des Regierungsausschusses weiter hervorgeht ,ist in den USA zwischen 1930 und 1953 sowohl der Personenais auch der Frachtverkehr gewaltig angestiegen, wobei der frühere, relativ hohe Anteil der Eisenbahnen und der Binnenschiffahrt erheblich zurückgegangen ist. Der Frachtverkehr 'nahm von 536 Milliarden Tonnen-Meilen im Jahre 1939 auf insgesamt 1167 Milliarden Tonnen-Meilen im Jahre 1953 zu, während der Passagierverkehr von 34,9 Milliarden Personen-Meilen auf 68,2 Milliarden Personen-Meilen anstieg. Im einzelnen sehen die Veränderungen im Frachtverkehr hinsichtlich des Anteils der einzelnen Verkehrsträger am Gesamtverkehrsvolumen (in Tonnen-Meilen ausgedrückt) so aus: Eisenbahnen Lastwagen Schiffe Pipelines 1939 1953 63$ 10$ 17$ 10$ 53$ 18$ 15$ 14$ Im Personenverkehr ergaben sich folgende Veränderungen:(in PersonenMeilen) 1939 1953 Eisenbahnen Busse Flugzeuge Schiffe 68$ 26$ 2$ 4$ * 47$ 29$ 22$ 2$ * * * - 3 - * "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 STREIFLICHTER AUS DER US-WIRTSCHAFT US-WIRTSCHAFTSBOOM WEITERHIN UNGEBROCHEN Allgemein günstige Beurteilung der Konjunkturlage - Zu keinerlei Befürchtungen Anlaß Von Henry W. Martin (84 Zeilen) WASHINGTON — (AD) — Es dürften jetzt kaum noch Zweifel darüber . bestehen, daß 1955 das beste Wirtschaftsjahr der Geschichte für die USA werden wird. Denn da in diesem Jahr im dritten Quartal die sonst üblichen, saisonbedingten Rückgänge sich kaum bemerkbar machten, die Auftriebstendenzen in den Herbstmonaten zum anderen genau so stark sind wie gewöhnlich, und die Produktion als auch die Investitionen und das Volkseinkommen sich auf Rekordhöhen bewegen, brauchte die wirtschaftliche Entwicklung in den restlichen •Monaten eigentlich nur dem normalen jahreszeitlichen Trend zu folgen, um sämtliche bisher erreichten Rekordziffern zu übertreffen. Dabei deut.en alle Anzeichen, darauf hin, daß sich der gegenwärtige Boom auch in den kommenden Monaten weiter fortsetzen und nicht - wie vereinzelt befürchtet - in eine Rezession umschlagen wird. Nach Ansicht der Wirtschaftsexperten, wie sie in einem Bericht der "National City Bank" zum Ausdruck kommt, sind die Auftriebstendenzen und Expansionskräfte immer noch ungebrochen. Vor allem das derzeitige Fehlen von übermäßig großen Lagerbeständen, eine Erscheinung, die gewöhnlich wirtschaftliche Rückgänge andeutet und begleitet, lasse diese Folgerung zu. Ein Blick auf die Statistik bestätigt dies. Trotz der Rekordproduktion im dritten Quartal haben sich die Lagerbestände nur langsam erhöht. Die Zunahme machte eine Jahresrate von 3»0 gegenüber 4,3 Mrd. Dollar im Vorjahre aus. Seit Jahresbeginn haben sich die Gesamtlagerbestände wertmäßig um 2,5 Mrd. Dollar erhöht, während auf der anderen Seite eine Steigerung der Umsätze um mehr als 4 Mrd. Dollar eintrat. Zum anderen setzt sich immer mehr die Ansicht durch, daß die amerikanische Wirtschaft noch einen weiten Weg zurückzulegen hat, "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 hat, um die steigenden Bedürfnisse einer wachsenden Bevölkerung zu befriedigen. Die New Yorker "Federal Reserve Bank" zum Beispiel weist in ihrem Oktoberbericht darauf hin, daß das Bruttosozialprodukt im dritten Quartal 1955 mit einer Jahresrate von über 390 Mrd. Dollar eine neue Spitze erreichte. Wie weiter ausgeführt wird, betrug die Bevölkerungszunahme der USA in den vergangenen zwei Jahren 3,5 Prozent, wobei die natürliche Zunahme des Bruttosozialprodukts unter Berücksichtigung des veränderten Dollarwertes zwischen dem zweiten Quartal 1953 und dem zweiten Quartal 1955 fast gleichhoch gewesen sein dürfte. Die weiterhin hohen Aufwendungen der Industrie für die Erstellung neuer und die Modernisierung alter Anlagen, durch die die Produktionskapazität des Landes erheblich ausgeweitet wird, veranlaßt die Bank zu der Peststellung, das "noch mehr Raum für eine weitere Expansion in der wirtschaftlichen Aktivität vorhanden ist". Die Verbraucherausgaben, die mit einer Jahresrate von 256,5 Milliarden Dollar im dritten Quartal 1955 ebenfalls einen Rekordstand erreichten, dürften auch in Zukunft einen wichtigen Expansionsfaktor bilden. Trotzdem sind aber verschiedene Wirtschaftler über das erhebliche Ansteigen der Verbraucherkredite, die sich in diesem Jahr bisher um 4 Mrd. auf insgesamt 34 Mrd. Dollar erhöhten, besorgt. Andere wiederum weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Kredite nicht stärker zugenommen hätten als die wirtschaftliche Aktivität und ihr Anteil an den Verbraucherausgaben der gleiche sei - etwa 13 Prozent - wie im Vorjahr. Die Geschäftsleute andererseits sehen in der Zunahme der Verbraucherkredite einen direkten Zusammenhang mit der steigenden Produktionsrate, wobei sie die Ansicht vertreten, daß die durch die Kredite unterstützte steigende Verbrauchernachfrage erst die gewaltige Expansion der Massengüterindustrien ermöglicht hätte. Die amerikanische Regierung hat von ihren finanzpolitischen Möglichkeiten in diesem Jahr bisher dahingehend Gebrauch gemacht, als sie zu verhindern suchte, daß ihr die Kontrolle über die Verbraucherkredite aus den Händen glitt. So durch die Erhöhung der _ 5 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 der Diskontsätze und die Herabsetzung des Kreditvolumens für den Wohnungsbau. In den ersten acht Monaten dieses Jahres konnte der private Wohnungsbau neue Spitzen erzielen, wobei die Summe der ausstehenden Hypotheken um eine Jahresrate von 20 Milliarden Dollar anstieg. Die soeben veröffentlichten Zahlen der Bauwirtschaft für September zeigen aber, daß die Absicht der Regierung, sowohl das Kreditvolumen als auch die Hypothekenausleihungen einzudämmen, erfolgreich waren: zum ersten Mal seit Dezember 1953 wies der Auftragsbestand der Bauwirtschaft für Privatwohnhäuser gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres keine Zunahme auf. Mit einem Auftragsvolumen von 733 Millionen Dollar war der Wohnungsbauindex (Dodge) im September dabei um vier Prozent niedriger als 1954. Dennoch aber deuten viele Paktoren darauf hin, daß die allgemein günstige Lage in der Bauwirtschaft auch weiterhin andauern wird. Einer dieser Paktoren ist die sehr niedrige Angebotsrate für Wohnungen, die, gemessen am Gesamtangebot freier Wohnungen, zur Zeit 2,3 Prozent beträgt, im Vergleich zu 1,6 Prozent im Jahre 1950 und 5 Prozent 1940. Die meisten dieser freien Räume sind dabei Mietwohnungen, während das Verkaufsangebot für Wohnhäuser weiterhin außergewöhnlich gering ist. Desgleichen zeigen die anderen Sektoren der Bauwirtschaft im September erneute Zunahmen. Der Auftragsbestand an Industrieund Geschäftsbauten lag mit 709 Millionen Dollar dabei um 10 Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahres. * * * * * - 6 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 VORBEREITUNGEN DER USA ZUR 4. GATT-RUNDE Zollsenkungsliste von rund 1000 Waren aufgestellt Von Guy Sims Fiten (75 Zeilen) WASHINGTON — (AD) — Auf der zur Zeit in Genf stattfindenden 10. Vollversammlung der Gatt, an der insgesamt 35 Länder teilnehmen und die etwa fünf Wochen dauern wird, dürften in erster Linie die Grundlagen für weitgehende internationale Zollsenkungen geschaffen werden. Zum anderen jedoch wird sich die Konferenz noch mit den Problemen befassen müssen, die sich aus den letzten Abkommen bisher ergeben haben. Eines der Hauptziele der amerikanischen Delegation bei den derzeitigen Verhandlungen wird es sein, darauf hinzuwirken, die noch in vielen Ländern bestehenden Importkontrollen gegenüber amerikanischen Waren zu lockern. Mehr als ein Dutzend Staaten werden sich dabei zu diesem Punkt der Tagesordnung zu äußern und die Gründe für die Aufrechterhaltung dieser Beschränkungen zu erläutern haben. Aber gerade diese Beratungen dürften wieder mit der Offenheit geführt werden, die sich auch schon bei früheren Verhandlungen zur Beilegung von Differenzen innerhalb des GATT als so vorteilhaft erwiesen hat. Was die Verhandlungsposition der Vereinigten Staaten anbetrifft, so ist diese weitaus günstiger als noch vor einem Jahr, da von der US-Regierung in den vergangenen Monaten verschiedene Importbeschränkungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse gelockert wurden. Bekanntlich wurden die USA im letzten Abkommen von den GATT-Verpfichtungen hinsichtlich der Aufhebung der Kontrollbestimmungen für den Import von Agrarerzeugnissen entbunden, um das Preisstützungsprogramm der US-Regierung nicht zu gefährden.. In die sem Jahr können die Vereinigten Staaten dagegen dem GATT davon Mitteilung machen, daß sie die Importbeschränkungen für insgesamt zehn Warengruppen in den vergangenen Monaten gelockert haben. Hierzu gehören Haselnüsse und Mandeln, Roggen, Roggenmehl- und -schrott sowie Gerste und Gerstenerzeugnisse. Die "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 Die ebenfalls auf der jetzigen Vollversammlung von den Delegierten auszuarbeitende Verfahrensordnung für die am 10. Januar 1956 beginnende 4. Zollverhandlungsrunde, dürfte ähnlich aussehen wie die vorhergehenden. In verschiedener Hinsicht dürfte die 4. Zollverhandlungskonferenz die bedeutendste seit Gründung der GATT im Jahre 194-7 sein, vor allem deshalb, weil hieran zum ersten Mal rund 25 Länder teilnehmen werden. Zum anderen wird diese Konferenz den USA erstmalig Gelegenheit geben, im großen Rahmen von den,durch den Kongreß im vergangenen Jahr gebilligten Zollsenkungsermächtigungen Gebrauch zu machen. Die amerikanischen Delegierten werden dabei den Verhand-lungspartnern 15prozentige Zollsenkungen - je fünf Prozent pro Jahr - über einen Zeitraum von drei Jahren anzubieten haben. Hier in Washington ist man schon jetzt eifrig mit den-Vorbereitungen für diese Verhandlungen beschäftigt. Die Regierung hat bereits eine liste von rund 1000 Waren veröffentlicht, für die sie bereit ist, Zollsenkungen zuzugestehen. Die Waren dieser Liste repräsentieren einen Importwert von etwa 1,8 Milliarden Dollar das sind rund 17 Prozent des gesamten Importwertes des vergangenen Jahres und rund ein Drittel aller zollpflichtigen Einfuhren. Auf dieser Liste stehen unter anderem solch wichtige Güter wie Kupfer, Aluminium, Mangan, Nickel, Wolfram, Melasse, Flugzeuge, Stahlprodukte und Automobile. Aufgestellt wurde sie von einem Komitee, das sich aus Vertretern von neun verschiedenen Regierungsstellen zusammensetzte, von denen jede ihre eigenen Ansichten über die zu gewährenden Konzessionen hatte. Die Tatsache aber, daß so viele Regierungsstellen sich über eine so lange und differenzierte Liste einigen konnten, dürfte wohl am besten zeigen, mit welcher Gewissenhaftigkeit sich die Eisenhower-Administration auf die kommenden Verhandlungen vorbereitet. Natürlich wird nicht für jedes auf dieser Liste stehende Erzeugnis eine Zollsenkung gewährt werden. Viel wird dabei davon abhängen, inwieweit die USA ähnliche Konzessionen von den anderen Partnern dafür einhandeln können. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß diese Liste noch nicht endgültig ist. Denn die amerikanische Geschäftswelt wird noch eine Möglichkeit haben-, ihrs Ansichtei "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 Ansichten zu den vorgesehenen Zollsenkungen zu äußern, und zwar vor der US-Zollkommission und dem "Interdepartmental Committee on Reciprocity Information", dem gleichen Ausschuß also, der die Liste aufstellte und der in dieser Woche mit den "hearings" begonnen hat. Diese "hearings" waren in der Vergangenheit oft sehr hitzig und von scharfen Protesten der Industrie gekennzeichnet. In diesem Jahr, wo die Reaktion aus Industriekreisen - wie zum Beispiel aus der Textilindustrie- genauso heftig sein dürfte, ist bisher aber nicht zu erkennen, welcher Art die zu erwartende Opposition sein wird. Zum anderen aber ist es so, daß die Regierung nicht gehalten ist, diesen Protesten stattzugeben, es sei denn, daß die vorgebrachten Argumente und Beweise überzeugend und erdrückend sind. Aus diesem Grunde ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß die endgültige liste fast das gleiche Aussehen haben wird, wie die, die zur Zeit zur Diskussion steht. * * * * * - 9 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 REKORDUMSÄTZE BEI GENERAL MOTORS (10 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die General Motors Corporation stellt in ihrem neuesten Vierteljahresbericht fest, daß das Jahr 1955 das beste Jahr in der Geschichte der Gesellschaft zu werden verspreche. Sowohl die Umsätze wie auch die Gewinne hätten in den ersten neun Monaten dieses Jahres neue Höchststände erreicht. Die Umsätze der Gesellschaft in den ersten neun Monaten dieses Jahres werden in dem Bericht mit über 9»5 Milliarden Dollar angegeben, während der Nettogewinn auf etwa 10 Prozent des Umsatzes veranschlagt wird. # * # * * PLÄNE FÜR ZUSAMMENSCHLUSS ZWISCHEN AFL UND CIO NAHEZU FERTIGGESTELLT (12 Zeilen) NEW YORK - (AD) - Die Präsidenten der beiden amerikanischen Gewerkschaftsverbände AFL und CIO, George Meany und Walter Reuther, gaben bekannt, daß die Pläne für den bevorstehenden Zusammenschluß der beiden Gewerkschaftsorganisationen nunmehr nahezu fertiggestellt sind. Nur noch einige Einzelheiten seien bis zu dem für den 5.Dezember angesetzten gemeinsamen Konvent zu klären. Der erste gemeinsame Konvent der beiden Gewerkschaftsverbände soll über die Annahme des Fusionsabkommens abstimmen und wird voraussichtlich George Meany zum ersten Präsidenten der neuen 15 Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaftsorganisation wählen. * * * * * - 10 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 AUS WISSENSCHAFT-UND TECHNIK AUTOMATISCHE EISENBAHN (12 Zeilen) BOSTON - (AD) - Ein "unbemannter" Eisenbahnzug soll probeweise im nächsten Monat auf der Strecke New York - New Haven Hartford verkehren, wie der Präsident dieser Eisenbahngesellschaft bekanntgab. Die Steuerung des Zuges, der zwischen New Rochelle und New Haven eingesetzt wird, erfolgt von einem Lkw aus, der sich auf einer parallel zur Eisenbahnstrecke laufenden Straße befindet. Nach Ansicht von Präsident Ginnis dürfte sich die Automatisierung, wie sie jetzt in den USA betrieben wird, auch für den Eisenbahnbetrieb lohnen; die Fahrten der "automatischen Eisenbahn im kommenden Monat sollen den ersten Schritt zu einer weitgehenden Automatisierung auch bei den Eisenbahngesellschaften darstellen. * * * * * NEUES FUNKPEILGERÄT FÜR ZERSTÖRERFLUGZEUGE (11 Zeilen) CULVER CITY (Kalifornien) - (AD) - Die Entwicklung eines neuen Elektronengeräts, das kurz nach dem Start eines Zerstörerflugzeuges die Steuerung der Maschine vom Piloten übernehmen kann, wurde von der US-Luftwaffe und einem Vertreter der HughesWerke bekanntgegeben. Nachdem das Gerät das Ziel, feindliche Bomberverbände, ausgemacht hat und die eigene Maschine an dieses Ziel "angehängt" worden ist, werden durch elektronische Auslösung Bordwaffen, Raketen oder ferngelenkte Geschoße im direkten Luftkampf abgefeuert. Dadurch erhält das Zerstörerflugzeug praktisch selbst den Charakter eines ferngelenkten Geschoßes. * * * * * MENSCHLICHE STIMME ALS ENERGIEQUELLE FÜR FUNKGERÄT (15 Zeilen) FORT MONMOUTH (New Jersey) - (AD) - Im Forschungsinstitut für das Nachrichtenwesen der US-Armee wurde eine Funksendean- "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 Punksendeanlage entwickelt, die als Energiequelle nur die menschliche Stimme benötigt und so klein ist, daß sie in einer TelephonSprechmuschel Platz hat. Eine wichtige Rolle spielt bei diesem Gerät ein nur erbsengroßer Transitor. Der kleine Sender hat nach -den bisherigen Versuchen eine Reichweite von 180 Metern, man hofft aber, diese durch Verwendung einer Spezialantenne und höherer Frequenzen auf 1600 Meter steigern zu können. Zur Zeit sind Entwicklungsarbeiten im Gange, einen ebenso kleinen Empfänger zu bauen, der nur 85 Gramm wiegt und die gleiche Energiequelle benutzt. Und schließlich hofft man, eine kombinierte Sende- und Empfangsanlage zu konstruieren, die in einem Behälter von der Größe einer Streichholzschachtel Platz hat. * * * * * FREMDSPRACHEN-SCHREIBAUTOMAT FÜR US-ARMEE ( 8 Zeilen) WASHINGTON - (AD) - Die Entwicklung einer schreibmaschinenähnlichen Apparatur für die Schriftzeichen von mehr als 50 fremden Sprachen wurde jetzt von der amerikanischen Armee bekanntgegeben. Auch sprachlich nicht vorgebildetes Personal wird dadurch in die Lage versetzt, Meldungen in völlig ungewöhnlichen fremdiea Sprachen abzufassen. Zu diesen Sprachen gehören Arabisch, Hebräisch, Persisch, Malaiisch, ferner die Urdu-, Jowi- und Pushtu-Sprache. * * * * * WARME MAHLZEIT AUS DEM AUTOMATEN (8 Zeilen) . PITTSBURGH - (AD) - Die in aller Welt bekannten Nahrungsmittelwerke H.J. Heinz haben einen Automaten zur Abgabe von warmen Mahlzeiten herausgebracht, der besonders in Industriebetrieben und großen Bürohäusern gefragt sein wird, wo durch großen Andrang in der Mittagspause eine rasche Bedienung notwendig wird. Die Automaten können ausreichende Portionen an Eintopfgerichten mit Hammel- und Schweinefleisch, mit Huhn sowie mi,t spanischem Reis "servieren". _ m M "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 WELT DER ARBEIT DER "SUPERVISOR" IN DER AMERIKANISCHEN INDUSTRIE Stellung, Tätigkeiten und Pflichten ( 70 Zeilen) (AD) — Der "Supervisor" oder "Meister", wie man ihn vorwiegend in der Industrie kennt, nimmt -halb Arbeiter, halb Ilanager eine seltsame Zwitterstellung ein. Als Vertreter der Betriebsführung ist er dafür verantwortlich, daß die für seinen Arbeitsbereich festgesetzten Produktionsziele erreicht werden. Andererseits muß er als Leiter einer Arbeitergruppe mit der Mentalität der ihm Unterstellten vertraut sein, er muß ihnen bei ihren Arbeitsproblemen helfen und sich für sie einsetzen, wenn sie eine berechtigte Beschwerde vorbringen. Die meisten "Supervisor" haben selbst einmal an einer Maschine oder Werkbank gestanden. In ihrer Stellung als Vorgesetzte gelten sie heute jedoch rechtlich als Mitglied der Betriebsführung und dürfen daher auch bei Abschluß von Arbeitsverträgen ihre Stimme nicht abgeben, wenn sie andere Arbeitnehmer "einstellen, versetzen, entlassen, befördern, belohnen, bestrafen können oder befugt sind, bei Beschwerden Abhilfe zu schaffen oder derartige Aktionen zu veranlassen..." Nach der Volkszählung von 1950 sind in den amerikanischen Fertigungsbetrieben etwa 500 000 "Supervisor" tätig. Die meisten dürfen keiner Gewerkschaft angehören, die gesetzlich zum Abschluß von Arbeitsverträgen berechtigt ist. Allerdings gehört eine große Anzahl Vorgesetzter Verbänden an, die mit den Unternehmern auf freiwilliger Basis verhandeln. Einer der bekanntesten Verbände dieser Art ist die "Foremen's Association of America" mit ihren 90 örtlichen Verwaltungsstellen bei einer Gesamtmitgliederzahl von etwa 20 000. Aus einer kürzlich vom amerikanischen Unternehmerverband durchgeführte Untersuchung geht hervor, daß der "typische" Vorarbeiter in der Industrie etwa 6200 Dollar monatlich verdient, 45 Jahre alt ist, seine Position als Supervisor seit 8 bis . 13 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 bis 9 Jahren innehat und 42 Arbeiter beaufsichtigt. Dieses Bild ergab sich nach einer Überprüfung von 6500 Vorarbeitern in rund 100 amerikanischen Betrieben in allen Teilen des Landes. Welches sind nun die Pflichten eines "typischen" Meisters? Was hat er an einem gewöhnlichen Tag zu tun? Werfen wir zu diesem Zweck einmal einen Blick auf Howard Johnson, der in einem Werk der "U.S. Rubber Company" in Eau Clair, im Staate Wisconsin als Supervisor tätig ist. Howard trat im Jahre 1934- als Reifenbauer in die Firma ein und war vorwiegend in der Versuchsabteilung tätig. Schon sehr bald galt sein Interesse den Produktionsmethoden und später entwarf er auch einige der Werkzeuge, die jetzt in dem Werk verwendet werden. Im Jahre 1944 wurde er Supervisor in der Kontrollabteilung und im vergangenen Jahr ernannte man ihn - nachdem er einige Monate in dem Werk in Detroit (Michigan) verbracht hatte, um hier die technische Seite der Reifenherstellung kennenzulernen - zum Produfctionssupervisor. Technisch betrachtet, hat nun Howard dafür zu sorgen, daß seine Arbeitsgruppe täglich 2400 Reifen herstellt. Dabei muß er sich aber auch um scheinbar recht nebensächliche Dinge kümmern, einem Arbeiter Anerkennung zollen oder sich bei einem anderen freundlich nach dessen Familie erkundigen... Howard macht bei seiner Gruppe regelmäßig die Runde, um die Arbeit zu überprüfen und Fragen zu beantworten. Am Zahltag händigt er jedem in seiner Gruppe Beschäftigten den Lohnscheck aus. Muß ein Arbeiter den Platz an der Maschine verlassen, so sorgt Howard dafür, daß ihn ein anderer einnimmt. Häufen sich wegen irgendwelcher Schwierigkeiten beim Arbeitsvorgang an einer Stelle die Reifen, so muß er die notwendigen Anordnungen treffen. Geht an einem Platz das Arbeitsmaterial aus, so sorgt er für Nachschub. Werden von den Prüfern Reifen zurückgewiesen, so geht Howard der Fehlerquelle nach und versucht sie zu beseitigen. Auch - 14 - "AMERIKA DIENST" - WIRTSCHAFT UND ARBEIT 2. November 1955 Auch verbringt er täglich einen Teil seiner Zeit am Schreibtisch, fertigt Produktionsberichte an, stellt Inventarverzeichnisse und Arbeitspläne und ähnliches zusammen. Weiter muß er in seinem Arbeitsbereich für die Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen. Er ist dafür verantwortlich, daß Jedermann weiß, wie er unfallsicher zu arbeiten hat, und er muß dafür sorgen, daß alle Gefahren bei der Arbeit ausgeschaltet werden. Howard kennt praktisch jeden in dem riesigen Werk in Eau Ciaire, und er nimmt an allem Anteil, was die Arbeiter innerund außerhalb des Betriebes bewegt. Er selbst sagt über seine Tätigkeit: "Als Supervisor vertritt man die Betriebsführung gegenüber den Arbeitern an den Maschinen und hat die Aufgabe, für eine gute Zusammenarbeit beider zu sorgen." • * * # - 15 - *