Kontinenzförderung aus pflegerischer Sicht Brigitte Sachsenmaier Freiberufliche Dozentin für Pflegethemen Erkennen der Inkontinenz Scham und Verleugnung führt zu einer hohen Dunkelziffer der Inkontinenz Es geht primär um die Identifizierung der inkontinenten Menschen (DNQP) − Vor allem in den Bereichen, in denen sich die Betroffenen nicht unbedingt dazu äußern würden*.. 1 Sensibilisierung zum „AktivWerden“ Das Problem ist jedoch oft nicht, dass die Inkontinenz nicht erkannt wird. Das Problem ist, dass das Vorhandensein von Inkontinenz als normal erscheint. Dazu ein Beispiel*** Beispiele zur Kontinenzförderung und Prävention Beispiel: Dranginkontinenz Beispiel: „Überversorgung“ mit Hilfsmitteln Beispiel: Beckenbodenaktivierung Beispiel: Kontinenzförderung bei dementen Personen Beispiel: Inkontinenz und transurethraler Dauerkatheter Beispiel: Inkontinenz nach Apoplexie Beispiel: Intermittierender Katheterismus 2 Miktionsablauf und Inkontinenzformen Belastungsinkontinenz Dranginkontinenz (motorisch und sensorisch) Überlaufinkontinenz Neurogene Blase Extraurethrale Inkontinenz Belastungsinkontinenz Konservative Therapie − Beckenbodentraining − Hilfsmitteleinsatz, Biofeed-back − Elektrotherapie Operative Therapie − z.B. TVT Medikamentöse Therapie − Yentreve − Östrogene 3 Miktionsablauf und Inkontinenzformen Belastungsinkontinenz Dranginkontinenz (motorisch und sensorisch) Überlaufinkontinenz Neurogene Blase Extraurethrale Inkontinenz Kontinenztraining Der Expertenstandard unterscheidet: − Angebotene Toilettengänge Stärkung der Blasenkontrolle bei Menschen mit oder ohne kognitiver Einschränkung mittels verbaler Aufforderung und positiver Unterstützung − Toilettengänge zu individuellen Zeiten Unterstützung der Ausscheidung nach einem festgelegten Plan Basierend auf dem individuellen Ausscheidungsmuster Bei Menschen, die kognitiv und psychisch eingeschränkt sind und deshalb nicht von einem Verhaltenstraining profitieren − Toilettengänge zu festen Zeiten Zwei- bis dreistündliche Toilettengänge Ziel ist die Vermeidung von inkontinenten Episoden 4 Individuelles Kontinenztraining Vorgehensweise: − Erhebung mittels Miktionsprotokoll (3-5 Tage) Individuelles Kontinenztraining Umgebungsgestaltung − Festlegen der individuellen Zeiten − Probephase − Reflexion ggf. Veränderung der Zeiten − 5 Checkliste für das Kontinenztraining Diagnostik und Therapie, Inkontinenzursache und Inkontinenzform Nutzen des Kontinenztrainings, Einstellung des Betroffenen zum Kontinenztraining, Psychische Verfassung, Beziehung zu den Pflegepersonen und Mitbewohnern Bereitschaft des Pflegeteam, der Angehörigen, Behindernde Routineabläufe? Mobilität des Betroffenen Erlangen der Selbständigkeit möglich? Beckenbodenaktivierung Zeitliche und örtliche Orientierung Gebrauch von Hilfsmitteln (Selbständigkeit?), angepasste Inkontinenzversorgung? Äußerungsfähigkeit (z.B. Sprechen, Klingelbenutzung?), Sehfähigkeit des Betroffenen Räumlichkeiten (z.B. Entfernungen zur Toilette), Hindernisse auf dem Weg zur Toilette, Toilettenbeschriftung, Toiletten (warm, gemütlich, Höhe, Haltegriffe*) Waschmöglichkeiten nach dem Toilettengang Ausstattung des Bettes (Höhe, Bettgitter, Wärme etc.) Türgriffe und Türverriegelung Intimsphäre Kleidung (inkontinenzgerecht, warm, leicht zu bedienen?) Obstipation und Ernährung, Flüssigkeitszufuhr Medikamenteneinnahme Hilfsmittel Übersicht, Anforderung und Vorteile Praktische Tipps zum Anlegen 6 Hilfsmittelversorgung • Ableitende Systeme • • • • • Kondom-Urinale Urinkollektoren Intermittierender Einmalkatheterismus Transurethraler Dauerkatheterismus Suprapubischer Blasenverweilkatheter • externe Urinableiter, Fäkalkollektor bei immobilen Betroffenen Hilfsmittelversorgung • Bein- und/oder Bettbeutel • Funktionell-anatomische Hilfsmittel: • Pessare • Tampons, Harnröhrenstöpsel (vom Gynäkologen/Urologen angepasst) 7 Hilfsmittel Mobile Toilettenhilfen • Toilettenstuhl • Urinflasche • Steckbecken Hilfsmittel • Funktionell anatomische Hilfsmittel • z.B. Pessare, RECA air - ContiRing© Vaginalkonen oder –tampons Contam© (Med. SSE-System) 8 Hilfsmittel • Funktionell anatomische Hilfsmittel: • „PVA-Analtampons werden in verschiedenen Formen und Größen gefertigt. Sie sind aus Polyvinylalkohol (PVA)-Schaumstoff, dieser ist toxikologisch und dermatologisch unbedenklich“ ©Med. SSE-System Instrumentelle Ableitungen • „Katheter“ 9 Katheter – Pro & Contra Strenge ärztliche Indikationsstellung! Pro: Contra: − − − − − − − Harnwegsinfekte (extraluminäre Sekretstraße, Restharn!!) Drangsymptomatik Verletzung der Harnröhre und Blase Inkrustration Sekretstau Behinderung im täglichen Leben Sexualität ? Hilfsmittelüberblick • Aufsaugende Hilfsmittel • Vorlagen, Vorlagen mit Fixierungssystem, Pullups, Inkontinenzslips • Auswahlkriterien • Individuelle Beratung anhand der Kontinenzstörung und Situation • individuelle Aspekte • Tragekomfort / Sicherheit / Diskretion / Lebensqualität • Produkteigenschaften, Besonderheiten • Einfache Handhabung / Unabhängigkeit • Anlagetechniken, Tipps, und Tricks • Kosten • Argumentationen 10 Hilfsmittelversorgung • Absorbierende/saugende Hilfsmittel (Einmal- oder waschbare Materialien) • Tropfenfänger, Vorlagen • halboffene und geschlossene Systeme • Pullons und Pants oder Trainers - Moderne dreiteilig aufgebaute Einmalprodukte mit: Flüssigkeitsabweisendem Vlies Zellstoff mit integriertem Superabsorber (Gelbinder) Wasserundurchlässiger Schicht auf der Körper abgewandten Seite Übersicht • Leichte Saugstärke Urinverlust unter 50 ml (1 Kaffeetasse), Saugstärke bis 200 ml • Mittlere Saugstärke Urinverlust 50 – 100 ml (1 Kaffeebecher), Saugstärke 150 – 300 ml • Hohe Saugstärke Urinverlust 100 – 250 ml (2 Kaffeebecher), Saugleistung 300 – 750 ml • Starke Saugleistung Urinverlust über 250 ml, Saugleistung über 1.000 ml 11 Saugende Hilfsmittel Saugende Hilfsmittel Vorlagen „Halboffene Systeme“ • für immobile wie auch aktive, mobile Menschen geeignet • einfache Handhabung • Gute Akzeptanz Seitens der Betroffenen • angenehm zu tragen • Individuell und wirtschaftlich einzusetzen • große Sortimentsbreite 12 Saugende Hilfsmittel • Inkontinenzhosen Pants, Pullup, Pullons, Trainers* • Sind vor allem für mobile Betroffene bei mittlerer bis schwerer Inkontinenz bzw. bei unruhigen oder verwirrten Betroffenen geeignet • Handhabung wie Unterwäsche, ohne Öffnen und Schließen von Klebestreifen, dadurch leichtes Anund Ausziehen • Ideal beim Toilettentraining, hohe Akzeptanz seitens der Betroffenen Saugende Hilfsmittel Inkontinenzslips • Eignen sich bei Diarrhö und extrem unruhigen Bewohnern Ausschließlich diese beiden Indikationen rechtfertigen laut MDK den Einsatz von Inkontinenzslips!!! 13 Saugende Hilfsmittel Krankenunterlagen • Zum Schutz von Bettwäsche und Matratzen • Als textile, waschbare oder einmal Bettschutzeinlage erhältlich Funktionen der gesunden Haut Verhornung Talg- und Schweißdrüsen Infektvermeidung durch Säuerung Fettschutzmantel verhindert Austrocknung Wasserspeicher in der Haut 14 Hautprobleme können entstehen durch: Nachlassende Funktionen der Haut Säureproduktion Talgproduktion Wasserbindungsfähigkeit Austrocknung der Haut Verschiebung der Keimbesiedelung in pathogene Bereiche Ursachen für Hautprobleme bei Inkontinenz Kontakt mit Harn- und Stuhl Feucht-warmes Milieu Ungeeignete Inkontinenzversorgung − − Produktqualität Anwendungsfehler (Hautpflegeprodukte, Körperfern*) Starke Keimbesiedelung der Haut − − − Stuhlinkontinenz Hygienemängel Evtl. infizierter/alkalischer Urin Verlust des Säure-Fett-Schutzmantels der Haut Ammoniakentstehung Häufige Waschungen mit ungeeigneten Produkten 15 6-7 Waschungen täglich mit Seife Wundschutzcreme Unzureichende Inkontinenzversorgung Wechselintervall nicht an die Ausscheidung angepasst Hygienemängel Waschlappen nicht gewechselt Keimverschleppung in der Waschschüssel Hartes Reinigungmaterial (Zellstoff) Inkontinenzversorgung Guter Rücknässeschutz durch Gelbildner Angepasster Wechselintervall (dazu evtl. Miktionsprotokoll) Häufiger Wechselintervall Möglichst „offene“ Versorgung Evtl. ableitende Versorgung (Kondomurinal) Reduzierung oder Vermeidung der Hilfsmittel durch: Toilettentraining Beckenbodentraining Verhaltenstraining Therapie der paradoxen Diarrhöe Irrigation bei Stuhlinkontinenz 16 Feuchtigkeit der Haut Wasserbindungsfähig keit der Haut erhöhen (z.B. Harnstoffpräparate) Flüssigkeitszufuhr erhöhen Reinigung und Pflege (1) Wasser mit Zitrone oder Essig Evtl. PH-hautneutrale Syndets mit Rückfettern (Richtige Dosierung und Anwendung beachten!) Keine Seifen oder Pflegeschaum Nur so oft, wie nötig waschen! Waschrituale! *.und Gerüche?? 17 Reinigung und Pflege (2) Keine abdeckenden Salben, Pasten und Fette! Nährböden! Austrocknung (Lippenpflege-Effekt) Schlechte Entfernbarkeit Mineralöle oder Naturöle? Hautprotektor Therapie der Mykose nach Hautabstrich Reinigung und Pflege (2) W/O-Lotionen Möglichst: − − − − − Ohne Parfüm Ohne Farbstoffe Ohne ätherische Öle Ohne austrocknende Zusatzstoffe (z.B. Teebaumöl) Ohne desodorierende Stoffe 18 Intermittierender Katheterismus Schlaffe Blase (Detrusor) Spastischer Sphinkter Indikationen − − Schlaffe Blase (Detrusor) Schlaffer Sphinkter − − Spastische Blase Spastischer Sphinkter − Spastische Blase Schlaffer Sphinkter − Neurogene Blase Restharnproblematik Ersatzblase Blasenüberaktivität in Kombination mit medikamentöser Therapie (z.B. Botulinum-Toxin) Abflussbehinderung (gutartige Prostatavergrößerung) Chronischer Harnverhalt Spina bifida 19 Mainz-Pouch I ISK (1) Kathetertypen und Größen Katheterismus Steril Desinfektion Geeigneter Katheter Gleitmittel (Arten) Infektionsprophylaxe Handhabung Zeitabstand Ein-/Ausfuhrkontrolle anfangs Protokoll Flüssigkeitszufuhr 20 ISK (2) Technik Im Sitzen auf Toilette Im Rollstuhl, evtl. Beinspreizer Im Stehen, ein Bein aufstellen Im Liegen, evtl. Standspiegel Zu Hause/unterwegs/auf Reisen*. Sozialer Aspekt Angepasst an: Tagesablauf Behinderung (geistig oder körperlich) Ressourcen Handhabung Unabhängigkeit anstreben DNQP - Expertenstandard Kontinenzförderung in der Pflege Erwachsene Personen, die harninkontinent sind oder zu einer Risikogruppe für das Entwickeln einer Inkontinenz gehören Stuhlinkontinenz und Urostomie wurde nicht berücksichtigt Literaturrecherchen von 1990 – 2004 Zu vielen Punkten wurde ein Expertenurteil gefällt (mangels vorliegender Untersuchungen) Die Einführung des Expertenstandards erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen Der Expertenstandard orientiert sich an der Logik professionellen Handelns, er kann jedoch nicht vorschreiben, wie dieses Handeln in jedem Fall und unter spezifischen institutionellen Bedingungen umgesetzt wird. Hier kommt dem jeweiligen Management die Aufgabe zu, für eindeutige und effektive Verfahrensregelungen Sorge zu tragen. 21 Expertenstandard Kontinenzförderung S1 Die Pflegekraft verfügt über die Kompetenz zur Identifikation von Risikofaktoren und Anzeichen für eine Harninkontinenz − − − Identifikation der Harninkontinenz Präventive Maßnahmen Ermittlung der Risikofaktoren Personenbezogene Faktoren Umgebungsbedingte Risikofaktoren (Toiletten, Mobilität, Kleidung etc.) Ausgewählte (patientenabhängige) Risikofaktoren für Harninkontinenz Kognitive Einschränkungen Körperliche Einschränkungen Erkrankungen z.B.: − − − − − Schlaganfall Multiple Sklerose Morbus Parkinson Dement Diabetes mellitus Medikamente z.B.: − − − − − − − Diuretika Anticholinergika Antihistaminika Antidepressiva Neuroleptika Kalziumantagonisten Opiate Harnwegsinfektionen Obstipation Belastung des Beckenbodens durch z.B. Schwangerschaften/ Entbindungen, Adipositas Östrogenmangel Veränderungen der Prostata/Operationen der Prostata 22 Beispiele für umgebungsbedingte Risikofaktoren Räumliche Gestaltung (Wegstrecken, Haltegriffe etc.) Orientierung Toilettengestaltung Behindernde Routine! Kleidung Hilfsmittelauswahl Intimsphäre Expertenstandard Kontinenzförderung P1 Die Pflegekraft identifiziert im Rahmen der pflegerischen Anamnese Risikofaktoren und Anzeichen einer Harninkontinenz − Erste Einschätzung bei allen Patienten anhand der empfohlenen Initialfragen 23 Initialfragen Verlieren Sie ungewollt Urin? Verlieren Sie Urin, wenn Sie husten, lachen oder sich körperlich betätigen? Verlieren Sie Urin auf dem Weg zur Toilette? Tragen Sie Vorlagen/Einlagen, um Urin aufzufangen? Verspüren Sie häufig (starken) Harndrang? Müssen Sie pressen, um Wasser zu lassen? Expertenstandard Kontinenzförderung P1 Die Pflegekraft identifiziert im Rahmen der pflegerischen Anamnese Risikofaktoren und Anzeichen einer Harninkontinenz − − Erste Einschätzung bei allen Patienten anhand der empfohlenen Initialfragen Versteckte Anzeichen erkennen Verunreinigte Wäsche Auffälliger Geruch oder Hautveränderungen Stürze − Symptombeschreibung der Patienten 24 Symptombeschreibung der Patienten Diese können unter anderem sein: − − − − − − − Unwillkürlicher Harnverlust bei körperlicher Betätigung Unwillkürlicher Harnverlust einhergehend mit Harndrang Verzögerter Beginn der Miktion Ständiger Harnabgang Harntröpfeln Das Gefühl der nicht vollständig entleerten Blase Brennen beim Wasserlassen Expertenstandard Kontinenzförderung P1 Die Pflegekraft wiederholt die Einschätzung bei Veränderungen der Pflegesituation und in individuell festzulegenden Zeitabständen − − − − Individuell festlegen Bei Veränderung des Gesundheitszustandes Innerhalb weniger Tage (da häufig Kontinenzprobleme erst entstehen) Nach ein bis zwei Monaten nach Heimeinzug, danach in vierteljährigen Abständen 25 Expertenstandard Kontinenzförderung E1 Risikofaktoren und Anzeichen für eine Harninkontinenz sind identifiziert Konnten Risikofaktoren und/oder Anzeichen für eine Harninkontinenz oder bereits bestehende Probleme mit der Harninkontinenz festgestellt werden, muss eine differenzierte Einschätzung eingeleitet werden. Die Ergebnisse der ersten bzw. der wiederholten Einschätzung sind zu dokumentieren. Expertenstandard Kontinenzförderung S2a Verfahrensregelung − − − − Klärung der Zuständigkeiten der einzelnen Berufsgruppen z.B. im Rahmen der Anamnese, der Bestimmung des Restharns, der Urinanalyse, der körperlichen Untersuchung Ablaufdiagramm zur Förderung der Harnkontinenz/Kompensation der Harninkontinenz (Was hat wann zu erfolgen?) Aussagen zur Vorgehensweise bei der Risikoeinschätzung und der differenzierten Diagnostik (z.B. Festlegung, welches Miktionsprotokoll verwendet wird) Die Autorisierung der Pflegefachkraft für die Initiierung und Koordination der multidisziplinären Maßnahmen 26 Expertenstandard Kontinenzförderung S2b Zur differenzierten Einschätzung gehören: Ausführliche Anamnese mit körperlicher Untersuchung (Gewicht, Auffälligkeiten im Genitalbereich), Erfassung der Medikation, der Symptome, psychosoziale Auswirkungen und Einschätzung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten Urinanalyse zum Ausschluss eines Infektes Bestimmung des Restharnvolumens Führen eines Miktionsprotokolls Durchführen eines 24Stunden Vorlagengewichtstests Expertenstandard Kontinenzförderung P2 Die Pflegekraft führt beim Vorliegen von Kontinenzproblemen eine differenzierte Einschätzung (z.B. auf der Grundlage ein eines zielgruppenspezifischen Miktionsprotokolls) durch bzw. koordiniert in Absprache mit dem behandelnden Arzt erforderliche diagnostische Maßnahmen − Objektivierung der Kontinenzsituation durch entsprechende Instrumente Miktionsprotokoll Anamnese Restharnbestimmung Ausschluss eines Harnwegsinfektes Vorlagengewichtstest − Initiiert und koordiniert die ärztliche Diagnostik 27 Inhalt der Inkontinenzanamnese Fragen zu den Ursachen der Inkontinenz Fragen zur Miktion/Inkontinenzform Fragen zu kontinenzbeeinträchtigenden Faktoren Fragen zur bisherigen Bewältigung des Problems Fragen zum Leidensdruck Expertenstandard Kontinenzförderung P2 Miktionsprotokoll (drei bis fünf Tage) Anzahl und Volumen der Miktion Häufigkeit der ungewollten Entleerungen Die situativen Bedingungen Das Ersuchen um Unterstützung beim Toilettengang Trinkgewohnheiten Immer, wenn aus den Ergebnissen auch Konsequenzen abgeleitet werden kö können!! 28 Expertenstandard Kontinenzförderung P2 Wurden Risikofaktoren identifiziert, sollte gemeinsam mit anderen Berufsgruppen überlegt werden, ob diese modifizierbar sind (z.B. Gewichtsreduktion, BBT). Darstellung des Kontinenzprofils Kontinenzprofile Vollständige Kontinenz Abhängige Kontinenz Es kommt zu keinem Es kommt zu keinem unfreiwilligen Harnverlust. unfreiwilligen Harnverlust. Es ist keine personelle Personelle Unterstützung ist notwendig bei der Durchführung von Hilfe und es sind keine Maßnahmen wie: Hilfsmittel erforderlich. angebotener oder begleitender Toilettengang zu individuellen, Unabhängige Kontinenz festgelegten Zeiten Es kommt zu keinem unfreiwilligen Harnverlust. Medikamenteneinnahme Es ist keine personelle Unterstützung Intermittierender Fremdkatheterismus erforderlich. Eine oder mehrere der Gebrauch von mobilen Toilettenhilfen folgenden Maßnahmen werden selbständig durchgeführt: − Trainingsmaßnahm Unabhängige kompensierte Inkontinenz en, z.B. Blasentraining Es kommt zu unwillkürlichem Harnverlust. − Medikamenteneinnahme Personelle Unterstützung bei der Versorgung mit − Intermittierender Kontinenzhilfsmitteln (z.B. der Entleerung des Selbstkatheterismus Blasenkatheterbeutels, dem Wechsel der aufsaugenden Hilfsmittel oder Anlegen/Wechsel eines Kondomurinals) ist nicht − Gebrauch von notwendig. mobilen Toilettenhilfen 29 Expertenstandard Kontinenzförderung E2 Eine differenzierte Einschätzung der Kontinenzsituation und eine Beschreibung des individuellen Kontinenzprofils liegen vor. − Daraus gehen hervor: Reversible und irreversible Risiken für Harninkontinenz Die Diagnose der Harninkontinenz (wenn sie gestellt wurde) bzw. Symptome und pflegerelevante Befunde Notwendige weitere diagnostische Maßnahmen Auswirkungen auf die persönliche Lebensführung Das aktuelle Kontinenzprofil Beschreibung für die Bedeutung des Patienten: − Vermeidung von Kaffee − Nachtstuhl − Mögliche Tag- und Nachtunterschiede Expertenstandard Kontinenzförderung S3a/b S3a: Die Einrichtung hält die erforderlichen Materialien zur Beratung bei Problemen mit der Harninkontinenz (z.B. anatomische Modelle, Informationsbroschüren, Hilfsmittel) vor S3b: Die Pflegekraft verfügt über Beratungskompetenz zur Vorbeugung, Beseitigung, Verringerung oder Kompensation von Harninkontinenz 30 Expertenstandard Kontinenzförderung P3 Die Pflegekraft informiert den Patienten/Bewohner und ggf. seine Angehörigen über das Ergebnis der pflegerischen Einschätzung und bietet in Absprache mit den beteiligten Berufsgruppen eine ausführliche Beratung zur Kontinenzerhaltung oder – förderung und ggf. zur Kompensation einer Inkontinenz an. Darüber hinaus werden weitere interne und externe Ansprechpartner genannt. Expertenstandard Kontinenzförderung E3 Der Patient/Bewohner und ggf. seine Angehörigen kennen geeignete Maßnahmen zur Kontinenzförderung und zur Vermeidung von bzw. zum Umgang mit einer Inkontinenz 31 Expertenstandard Kontinenzförderung S4 Die Pflegefachkraft verfügt über Steuerungs- und Planungskompetenz zur Umsetzung von kontinenzfördernden Maßnahmen bzw. zur Kompensation der Harninkontinenz − − − Wissen zu den Maßnahmen Steuerungskompetenz (Hilfsmittel, Einbindung versch. Berufsgruppen) Auswahl der Interventionen Das multidisziplinäre Team... Physiotherapie/ Masseure Krankenkasse/ Pflegekasse Psychologische Begleitung Innerbetriebliche Dienste - Küche - Einkauf Selbsthilfegruppe Arzt - Diagnose - Therapie Der inkontinente Mensch Ergotherapie Heimleitung/ Pflegedienstleitung - Pflegekonzepte - Pflegestandards Hilfsmittelieferant/ Home-CareUnternehmen Facharzt Hilfsmittel zur Therapie Pflegende - pflegerische Interventionen - kons. Therapie 32 Expertenstandard Kontinenzförderung P4 Die Pflegefachkraft plant unter Einbeziehung der beteiligten Berufsgruppen mit dem Patienten/Bewohner und ggf. seiner Angehörigen individuelle Ziele und Maßnahmen zur Förderung der Harnkontinenz bzw. zur Kompensation der Harninkontinenz und zur Vermeidung von Beeinträchtigungen − − Selbstbestimmung des Betroffenen Individuelle Interventionen, die Erfolg versprechend sind Expertenstandard Kontinenzförderung P4 Allgemeine Maßnahmen: Gewichtsreduktion Mobilitätsförderung Regelung der Flüssigkeitsaufnahme Darmmanagement Spezielle Maßnahmen: Blasentraining Beckenbodentraining Toilettentraining (angebotene Toilettengänge, Toilettengänge zu individuellen Zeiten, Toilettengänge zu festen Zeiten) Nicht durchführen: Miktionsauslösende Techniken, Doppelund Dreifachmiktion Einsatz von Hilfsmitteln 33 Expertenstandard Kontinenzförderung E4 Ein Maßnahmenplan zum Erhalt des bisherigen oder Erreichen des angestrebten Kontinenzprofils liegt vor − Festlegung des Ziel (Welches Profil wird angestrebt oder soll erhalten bleiben?) Dokumentation der Maßnahmen Expertenstandard Kontinenzförderung S5 Die Einrichtung sorgt für eine bedarfsgerechte Personalplanung, ein kontinenzförderndes Umfeld (z.B. Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Toiletten, Wahrung der Intimsphäre), geschlechtsspezifische Ausscheidungshilfen und Hilfsmittel zur Kompensation von Inkontinenz (z.B. Vorlagen, Kondomurinale). 34 Expertenstandard Kontinenzförderung P5 Die Pflegefachkraft initiiert und koordiniert die multidisziplinäre Behandlung (z.B. durch Ärzte, Hebammen, Physiotherapeuten, Psychologen) und sorgt für eine kontinuierliche Umsetzung des Maßnahmenplans. Auf die Bitte des Patienten/Bewohners um Hilfe bei der Ausscheidung wird unverzüglich reagiert. − − − Unverzüglich heißt unmittelbar abklären Überforderung ist zu vermeiden Keine Mehrfachversorgungen Expertenstandard Kontinenzförderung E5 Maßnahmen, Umfeld und Hilfsmittel sind dem individuellen Unterstützungsbedarf des Patienten/Bewohners bei der Ausscheidung angepasst 35 Expertenstandard Kontinenzförderung S6/P6/E6 S6: Die Pflegefachkraft verfügt über die Kompetenz, die Effektivität der Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Kontinenz sowie zur Kompensation der Inkontinenz zu beurteilen P6: Die Pflegefachkraft überprüft in individuell festzulegenden Abständen den Erfolg der Maßnahmen und entscheidet gemeinsam mit dem Patienten/Bewohner, ggf. seinen Angehörigen und den beteiligten Berufsgruppen über deren Fortführung bzw. Modifikation. E6: Das angestrebte Kontinenzprofil ist erreicht bzw. das bisherige erhalten. Für den Patienten/Bewohner ist das individuell höchstmögliche Maß an Harnkontinenz mit der größtmöglichen Selbständigkeit sichergestellt. Fallbeispiel Nr.1: Frau Sorge ist 65 Jahre alt und lebt mit ihrem Ehemann im eigenen Haus in Stuttgart. Sie hat 4 Kinder geboren, zwei Töchter und zwei Söhne. Sie war bis zu ihrem 60. Lebensjahr berufstätig. Arbeitete in einer Bäckerei im Verkauf. Sie hegt und pflegt viele sozialen Kontakte mit Nachbarn und Freunden, läd gerne ein und geht gerne Besuche machen. Sie hat nie Sport gemacht, geht aber sehr gerne spazieren und auch mal in die Berge kleinere Wanderungen machen. Einmal wöchentlich ging sie zum Schwimmen, was sie aber seit Kurzen, wegen der aktuellen Beschwerden, nicht mehr macht. Frau Sorge ist 1.56 cm groß und wiegt 74 kg. Daraus ergibt sich ein BMI von 30,4. Sie ist kerngesund, nimmt keine Medikamente und fühlt sich auch sonst pudelwohl. Sie ist nie anfällig gewesen für Erkrankungen, Grippeepedemien zogen meist an ihr vorbei. Seit vielen Jahren leidet sie allerdings an Obstipation, manchmal kann sie nur nach hohen Abführmitteldosierungen zur Toilette. Verstärkend wirkt sich aus, dass sie in letzter Zeit die Trinkmengen reduziert hat und auch keinen Kaffee mehr trinkt (aus Angst vor Inkontinenz). Frau Sorge hatte nach der Geburt ihres 4.Kindes eine Belastungsinkontinenz, die aber dank der Rückbildungsgymnastik kompensiert wurde. In den Wechseljahren trat diese Problematik wieder auf. Die Gynäkologin stellte auch eine leichte Gebärmuttersenkung fest. Da sie auch beim Geschlechtsverkehr Pannen erlebte, zog sie sich mehr und mehr aus den Intimitäten mit ihrem Mann zurück. Der Mann leidet darunter, was ihr psychischen Druck macht. Die Inkontinenz ist eine Belastungsinkontinenz Grad 2. Sie trägt Damenbinden, die aber oft nicht ausreichend sind. Sie muss die Binden bis zu sechsmal am Tag wechseln. Sie erlebte dadurch auch schon peinliche Situationen. Frau Sorge merkt mehr und mehr, dass sie etwas tun muss, denn sie kann das Problem nicht mehr verstecken. Ihr soziales Leben ist gefährdet. Sie hat Angst vor den peinlichen Situationen und neigt zum Rückzug. Die Stimmung ist in letzter Zeit eher depressiv. Sie spricht mit niemandem darüber, weil sie sich schämt. Jetzt hat sie in einer Frauenzeitschrift vom Beckenbodentraining gelesen. Sie geht deshalb zur Beratung in die Inkontinenzsprechstunde, um mehr darüber zu erfahren. Sie ist guter Dinge und motiviert für eine Therapie. 36 Mögliche Ansätze*. Gynäkologisches Konsil (Medis, OP, BBT) Zum Schwimmen gehen motivieren, Hilfsmittel anbieten Soziale Kontakte aufrecht erhalten Sportliche Aktivitäten fördern (evtl. Nordic walking) Obstipationsprophylaxe (Diätberatung), evtl. Laxanzientherapie Physiotherapie: -BBT -Elektrotherapie -Femconen -Haltungsschulung -etc. Sozialen Rückzug verhindern HIlfsmittelversorgung Gewichtsreduktion (Ernährungsberatung) Trinkmenge erhöhen Gespräch mit dem Ehemann, evtl. Psychologin hinzuziehen Fallbeispiel Nr. 2: Auf der internistischen Station liegt Hr. Weiter, der akut aufgenommen wurde, wegen einer Blutzuckerentgleisung. Er ist seit 3 Tagen hier, die Blutzuckerwerte sind noch nicht stabil. Er wird neu eingestellt. Der HbA1 war bei 7,6 bei der Aufnahme. Der Diabetes Typ 2 besteht seit ca. 20 Jahren, seit 5 Jahren spritzt er Insulin. Hr. Weiter ist 72 Jahre alt, 84 kg schwer bei einer Körpergröße von 1,76 (BMI 28). Er lebt allein in seiner Wohnung, ist finanziell nicht sehr gut gestellt, da er von einer kleinen Rente lebt. Er ist mobil und selbständig, wirkt allerdings nicht sehr gepflegt. Seine Frau verstarb vor 7 Jahren an einem Apoplex. Zu der einzigen Tochter hat er keinen Kontakt. Er sagt, er hätte kein Kind. Hr. Weiter macht einen verbitterten Eindruck. Er ist mürrisch und schlecht gelaunt. Soziale Kontakte pflegt er zu zwei Männern, mit denen er regelmäßig Karten spielt. Ansonsten lebt er eher zurückgezogen. Hobbies hat er keine, er schaut gerne Fern, besonders Tiersendungen und Dokumentationen über fremde Länder. Er trinkt regelmäßig Weinschorle, manchmal 1- 1,5 l Wein pro Tag (Alkoholiker!). Er hat vermutlich eine neurologische Blasenentleerungstörung, evtl. Prostatahypertrophie – diagnostisch nicht gesichert. Die Symptome hat er schon mehrere Jahre, sind aber zunehmend. Seine Symptome: Harndrang, häufige Entleerungen, nächtlicher quälender Harndrang, das Gefühl der unvollständigen Harnentleerung, nachts manchmal inkontinent. Hilfsmittel benutzt er nicht, lehnt diese ab. Er verdrängt das Problem. Dem Pflegepersonal fiel auf, dass die Unterhosen sehr verschmutz waren und sprach ihn darauf an. Er ist grundsätzlich offen, über das Thema zu sprechen, erhofft sich ein Wundermittelchen (in Form einer Tablette), die das Problem beseitigt. 37 Mögliche Ansätze*.. Urologisches Konsil Beschäftigungstherapie, Entwicklung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten Soziale Kontakte aufrecht erhalten Sozialen Rückzug verhindern Physiotherapie Psychologe, evtl. Depressionsbehandlung, Therapie der Alkoholsucht Beratung zur HIlfsmittelversorgung Ernährungsberatung evtl. zum Kochkurs motivieren (Krankenkassenangebot), evtl. Essen auf Rädern Fallbeispiel Nr. 3: Frau Sauer ist seit zwei Monaten im Pflegeheim in Buxtehude. Sie ist 97 Jahre alt, Gr.1.65, Gew. 56 kg (BMI 20,7), größtenteils mobil und selbständig. Vor 3 Monaten verstarb ihre Tochter an Krebs. Die Tochter hatte sie bis dahin gepflegt. Durch den Tod der Tochter und der Berufstätigkeit der Enkelkinder wurde der Heimeinzug notwendig. Frau Sauer ist sehr gerne im Heim. Sie ist sehr kontaktfreudig, geht viel spazieren und hat schon Freundschaften geschlossen. Außerdem verfügt sie über ein gutes soziales Netz, so dass jeden Tag Besuch kommt (ehemalige Nachbarn, Frauen aus der Seniorengruppe etc.). Sie nimmt an allen Angeboten in der Einrichtung teil, Beschäftigungstherapie, Singstunde, Seniorentanz, Gottesdienst etc.. Sie ist sehr bescheiden, da sie auch so gelebt hatte. Ist für alles dankbar und stellt keine Ansprüche. Sie ist sehr offen und freundlich. Pflegerische Unterstützung benötigt sie beim Waschen des Intimbereichs, des Rückens und beim Haare hochstecken. Ansonsten wäscht sie sich am Waschbecken alleine. Sie geht mit dem Rollator teilweise selbständig, benötigt aber zum Toilettengang pflegerische Unterstützung, da sie mit dem An- und Auskleiden nicht klarkommt. Zu Hause hatte sie eine kleine Inkontinenzvorlage. Sie ist harninkontinent und stuhlinkontinent Grad 1 (leichte Verschmutzung, unkontrollierter Windabgang). Die Harninkontinenz hat sich seit dem Heimeinzug verschlimmert, weshalb ihr die Pflegenden jetzt große Vorlagen angeboten haben. Da sie niemandem zur Last fallen möchte, zögert sie, sich rechtzeitig zum Toilettengang zu melden. Diagnosen: arterielle Hypertonie, Diabetes Typ 2 (nicht behandlungsbedürftig), Gonarthrosen auf beiden Seiten, Hypercholesterinämie, Herzinsuffizienz Sie nimmt dafür Medikamente ein. Zur Nacht benötigt sie ein Schlafmittel, für die Obstipation nimmt sie Lactulose (täglich). Die Stuhlausscheidung gelingt trotzdem nur unregelmäßig (ca. jeden 3. Tag). Sie ist Gebissträgerin, welches sie aber wegen Druckstellen nicht immer trägt. Sie bevorzugt weiche, meist süße Speisen, freut sich immer, wenn es Brei oder Pudding gibt. Die Trinkmenge ist stark reduziert (ca. 600 – 700 ml pro Tag.). Teilweise ist sie, vor allem nachts räumlich desorientiert, findet z.B. die Klingel und auch die Toilette nicht. Es liegt eine hohe Sturzgefährdung vor (mehrere Stürze zu Hause). Psychisch ist sie stabil und zufrieden. Allerdings verheimlicht sie das Problem der Inkontinenz vor ihren Bekannten. Dem Pflegepersonal gegenüber ist sie jedoch offen und beschreibt auch ihre Symptome. Sie hat eine motorische Dranginkontinenz. Sie ist inkontinent, wenn sie es nicht zügig auf die Toilette schafft. Möglicherweise liegt auch eine Mischinkontinenz (Belastung, Drang) vor. Untersucht wurde sie deshalb noch nie. 38 Mögliche Ansätze*. Gespräch: Motivieren, Hilfsangebote anzunehmen Arzt: Medikamente überprüfen, Evtl. Medis Dranginkontinenz Zahnarzt wegen Gebisskontrolle Soziale Kontakte aufrecht erhalten Obstipationsprophylaxe (Diätberatung), evtl. Laxanzientherapie Physiotherapie: -Mobilitätsförderung -Sturzprävention -BBT in Seniorengymnastik integrieren Kontinenztraining (individuelles) - Selbständigkeit fördern, evtl. Erinnerungshilfen z.B. Wecker Sozialen Rückzug verhindern Hilfsmittelversorgung optimieren Gewichtsreduktion (Ernährungsberatung) ASE statt Schlafmittel zur Nacht Trinkmenge erhöhen Umgebungsgestaltung Fallbeispiel Nr. 4: Hr. Winter ist 62 Jahre alt. Er wurde vor 6 Wochen wegen eines akuten Harnverhalts in die Klinik notfallmäßig eingeliefert. Eine Woche später wurde er an der Prostata operiert. Die Histologie ergab ein gutartiges Prostataadenom. Der transurethrale Katheter wurde vor 2 Wochen durch den Urologen entfernt. Der Verlauf ist unauffällig, jedoch hat er seither massive Inkontinenzbeschwerden. Er stellt sich jetzt in der Urologischen Ambulanz zur Nachsorge vor. Hr. Winter lebt mit seiner Frau und einen behinderten Sohn in seinem Einfamilienhaus. Er ist wegen Rückenbeschwerden seit 3 Jahren berufsunfähig. Er genoss aber den Ruhestand und baute sein Haus an und um und pflegt den Garten. Die Operation mit allen Folgen trifft ihn sehr hart. Diese komplette Inkontinenz, die sexuellen Einschränkungen. Er fühlt sich unvollständig, zu nichts nutze, aussätzig (was er auch so sagt). Er fühlt sich gegenüber seiner Frau verpflichtet, hat massive Angst, dass das mit dem Liebesleben nicht mehr so wird und macht sich Sorgen über seine Zukunft. Er wirkt sehr erschüttert, depressiv, ist weinerlich. Symptome und Diagnosen: Mehrere Bandscheibenvorfälle, die mit TENS und morphinhaltigen Pflastern behandelt werden. Sonst keine Erkrankungen. Die Inkontinenz ist vollständig, er benutzt dafür Inkontinenzvorlagen (Lila). Die Haut ist massiv gerötet, in den Leisten Mazerationen. Starke Geruchsentwicklung. Seit ein paar Tagen brennt es beim Wasserlassen. Der Urologe zieht eine Behandlung mit Bio-feed-back, bzw. Elektrotherapie in Betracht. Hr. Winter glaubt noch nicht an eine Besserung, ist deswegen nicht sehr motiviert. Seither wurden die therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, keine medikamentöse Therapie. Die Trinkmenge ist gut, trinkt allerdings viel Kaffee und Tee (ca. 2,5 Liter pro Tag). Stuhlausscheidung ist regelmäßig. 39 Mögliche Ansätze*. Beratung zur Cystitisprophylaxe Evtl. auch Ernährungsberatung Beratung zur Hautpflege Soziale Kontakte aufrecht erhalten Hobbies und sportliche Aktivitäten fördern Physiotherapie: -Bio-feed-back -Elektrotherapie Sozialen Rückzug verhindern Gespräch mit der Ehefrau, evtl. Psychologin hinzuziehen Hilfsmittelversorgung evtl. Kondomurinale, evtl. Anleitung zum ISK Aufklärung über Getränkeauswahl Letzte Chance für Ihre Fragen**.. 40