Süddeutsche Zeitung Nr. 103 5.5.64 STUTTGARTER BERICHTE ' Goethe und der Islam , Vor der Goethe-Gesellschaft sprach Frau Dr. Katharina Mommsen von der Freien Universität Berlin über das Verhältnis Goethes zum Islam. Man müsse, um Goethes Stellung in der richtigen Weise würdigen zu können, bedenken, daß bis ZtlI' Mitte des '18. J ahr.:. hunderts alle Schriften über den' Islam,!,!ine gegen den . Mohammedanismus gerichtete polemische Absicht verfolgt hätten und daß im 18, Jahrhundert die Wis~ schenschaft erst langsam begonnen habe, sich ein objektives Bild ,Von dieser Weltreli!i~ol). ,Zu ;j:\lac4en. Im Gegensatz dazu sei Goethes Verh~ltrii~i:i:umrslam ,hicht durch ein wissenschaftliches Interesse bestimmt gewesen, sondern durch ein persönliches Hingezogensein. Die Rednerin ' verfo lgte , dieses von innen her ge~ prägte Verhältnis zunächst - am Beispiel z'w eier religiöser Erlebnisweisen, die das Wesen Goethes rriitbestimmt haben: sein Glaube an die Offenbarung Gottes in der Natur und durch den Mund vieler Mittler ,und Propheten sowie sein Determinationsglaube, den Frau Mommsen zu Unrecht in die Nähe calvinistischer Gedanken brachte und der als Ergebung in den Willen Gottes oder in das unabwendbare Fatum auch als christlich oder stoisch erklärt 'w erden könnte. Freilich zitiert , Goethe an den entsprechenden Stellen oft den Koran. Neben vielen Zitaten aus Briefen, 'aus "pichtung und Wahrheit" und aus den "Gespräcllen mit Eckermaim" brachte die 'Rednerin zur Stützung ihrer Thesen vor allem eine eingehende Interpretation:' des Mahomet-Fragmentes und des "Westöstlicll.en Diwans", in dem viele Verse sich als eine unmittelbare Uebernahme aus dem Koran erweise!). O. B. ,