Hans Walser, [20130407] Die Möndchen von - walser-h-m.ch

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Hans Walser, [20130407]
Die Möndchen von Hörhausen
Ausarbeitung einer Idee von R. L.
1 Das Möndchen
Der Hypotenuse eines rechtwinklig gleichschenkligen Dreiecks setzen wir gemäß Abbildung 1 ein Möndchen auf.
Abb. 1: Möndchen. Rot = Gelb
Der Außenrand des Möndchens ist ein Bogen des Thaleskreises über der Hypotenuse
des Dreieckes, der Innenrand ein Bogen mit dem Zentrum in der rechtwinkligen Dreiecksecke.
Das Möndchen und das Dreieck haben denselben Flächeninhalt. Der Beweis verläuft
rechnerisch, wobei wir für das Dreieck die Kathetenlänge 1 wählen. Es ist zunächst für
die Dreiecksfläche:
ADreieck = 12
Weiter erhalten wir für die Möndchenfläche:
( ) π−
AMöndchen = 12 + 12 22
2
1π
4
= 12 = ADreieck
2 Unterteilung des Dreiecks
Wir unterteilen das Dreieck gemäß Abbildung 2 und setzen einem der beiden Teildreiecke ebenfalls ein Möndchen auf.
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Abb. 2: Noch ein Möndchen
Bevor wir mit der Unterteilung entsprechend weiterfahren, einige Bemerkungen.
Der Flächeninhalt des neuen Möndchens ist halb so groß wie der Flächeninhalt des ersten Möndchens. Dies ergibt sich daraus, dass das zugehörige rechtwinklig gleichschenklige Dreieck den halben Flächeninhalt des ursprünglichen Dreiecks hat. Das gibt Anlass
zur Figur der Abbildung 3. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der so genannten
Möndchen des Hippokrates (vgl. [Heinrich/Schmitz/Walser 1999]).
Abb. 3: Blau = Rot = Gelb
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Der Innenrand des kleinen Möndchens der Abbildung 2 liegt auf demselben Kreis wie
der Außenrand des großen Möndchens. Zusammen bilden die beiden Ränder einen
Dreiviertel-Kreis, in der Abbildung 4 blau eingezeichnet.
Abb. 4: Kreisbögen
Der hellblaue Innenrand des großen Möndchens geht glatt in den violetten Außenrand
des kleinen Möndchens über. Glatt heißt, dass wir im Übergangspunkt keinen Richtungssprung haben. Da die beiden Kreisbögen aber verschiedene Radien und verschiedene Zentren haben, ergibt sich ein abrupter Krümmungssprung. Die Krümmung wird
beim Übergang von hellblau zu violett verdoppelt. Ein schnelles Fahrzeug könnte beim
Übergang vom hellblauen Bogen zum violetten Bogen aus der Spur kippen. Als Trasse
für einen Verkehrsträger lebensgefährlich.
3 Iteration
Wir unterteilen das Dreieck weiter gemäß Abbildung 5.
Abb. 5: Iteration der Unterteilung
Es ergibt sich eine eckige Spirale mit einem Grenzpunkt. Der Grenzpunkt passt in einen
Fünftel-Raster (Abbildung 6).
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Abb. 6: Fünftel
Nun zeichnen wir auch noch die Möndchen zu den Dreiecken (Abbildung 7).
Abb. 7: Dreiecke mit Möndchen
Addieren wir vom zweiten Möndchen an die Flächeninhalte der Möndchen, erhalten wir
den Flächeninhalt des ersten Möndchens.
In der Abbildung 8 sind die Dreiecke weggelassen.
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Abb. 8: Möndchen
Die Randlinien der Möndchen bilden zwei logarithmische Pseudospiralen (Abb. 9).
Abb. 9: Zwei Spiralen
Die Spiralen sind aus Dreiviertelkreisen zusammengesetzt. Die Figur erinnert an den
Kornkreis von Hörhausen (Abb. 10). Im Literaturverzeichnis diverse Artikel aus der
Thurgauer Zeitung über diesen Kornkreis.
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Abb. 10: Kornkreis von Hörhausen, 18. 7. 2009, Foto Beni Sidler (Nachzeichnung
des Autors)
Eine einzelne Spirale sieht recht unnatürlich aus (Abb. 11). Das liegt an den Krümmungssprüngen. Bei jedem Übergangspunkt wird die Krümmung verdoppelt.
Abb. 11: Eine der beiden Spiralen
Die Abbildung 12 zeigt im Vergleich dazu eine echte logarithmische Spirale (vgl.
[Heitzer 1998]). Die Krümmung nimmt gegen innen kontinuierlich zu.
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Abb. 12: Logarithmische Spirale
In der Abbildung 13 sind die beiden Möndchenspiralen zusammen mit der logarithmischen Spirale eingezeichnet.
Abb. 13: Vergleich mit der logarithmischen Spirale
Die Möndchenspiralen pendeln auf beide Seiten der logarithmischen Spirale.
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4 Verallgemeinerung
Wir sind in unserer Konstruktion von einem rechtwinklig gleichschenkligen Dreieck
ausgegangen. Wir können aber auch mit einem beliebigen gleichschenkligen Dreieck
starten (Abb. 14). Das Startdreieck habe die Schenkellänge r0 und den Spitzenwinkel
2φ .
r0
r0
r1
Abb. 14: Beliebiges gleichschenkliges Dreieck
In dieses Dreieck zeichnen wir den Umkreismittelpunkt. Für den Umkreisradius r1 erhalten wir:
r1 =
1
r
2 cos(φ ) 0
Das Startmöndchen hat den Außenbogen mit dem Radius r1 und dem Zentrum im Umkreismittelpunkt des gleichschenkligen Dreieckes und den Innenbogen mit dem Radius
r0 und dem Zentrum in der Spitze des gleichschenkligen Dreieckes.
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Nun passen wir ein weiteres zum Startdreieck ähnliches Dreieck ein gemäß Abbildung
15.
r0
r2
r1
Abb. 15: Einpassen eines weiteren Dreieckes
Das neue Dreieck hat die Schenkellänge r1 und ist gegenüber dem Startdreieck um 3φ
verdreht. Der Außenrand des Startmöndchens und der Innenrand des neuen Möndchens
liegen auf demselben Kreis. Der Innenrand des Startmöndchens geht glatt in den Außenrand des neuen Möndchens über. Wir haben aber einen Krümmungssprung mit dem
Faktor 4 cos2 (φ ) .
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Die Abbildung 16 zeigt den nächsten Schritt.
r0
r0
r3
r2
r1
.
Abb. 16: Nächster Schritt
Schließlich können wir ad infinitum iterieren (Abb. 17).
Abb. 17: Iteration
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5 Sonderfälle
Nachdem wir mit einem beliebigen gleichschenkligen Dreieck starten können, ergeben
sich weitere reizvolle Spezialfälle.
5.1
Der Clan des gleichseitigen Dreiecks
5.1.1 Gleichseitiges Dreieck
Wir starten mit einem gleichseitigen Dreieck (Abb. 18).
Abb. 18: Gleichseitiges Dreieck
Aufeinanderfolgende Dreiecke und Möndchen sind jeweils um 90° verdreht und mit
1
dem Faktor
= 1 ≈ 0.577 gestreckt, inhaltlich also geschrumpft.
2 cos( 30° )
3
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Die Abbildung 19 zeigt die Iteration.
Abb. 19: Iteration
Der Grenzpunkt der Spirale ist ein Seitenmittelpunkt des Startdreieckes.
5.1.2 Spitzenwinkel 120°
Das Startdreieck hat an der Spitze einen Winkel von 120°. Die Abbildung 20 zeigt die
Situation.
Abb. 20: Startsituation
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Für den ersten Schritt ergibt sich der Streckfaktor
1
2 cos( 60° )
= 1 . Das nächste Dreieck
und das zugehörige Möndchen sind also gleich groß (Abb. 21).
Abb. 21: Erster Schritt
Wir erhalten also eine stabile Situation ohne Spirale.
5.2 Goldener Schnitt
Es werden Startdreiecke untersucht, welche mit dem Goldenen Schnitt zusammenhängen. . Über den Goldenen Schnitt vgl. [Walser 2013].
5.2.1 Spitzes Goldenes Dreieck
Das Spitze Goldene Dreieck hat an der Spitze einen Winkel von 36°. Schenkellänge und
Basislänge stehen im Verhältnis des Goldenen Schnittes, und zwar ist:
Schenkellänge
Basislänge
= 1+2 5 = Φ ≈ 1.618
Das Spitze Goldene Dreieck tritt im regelmäßigen Fünfeck auf. Die Abbildung 22 zeigt
die ersten drei Schritte, die Abbildung 23 die Iteration.
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Abb. 22: Spitzes Goldenes Dreieck
Abb. 23: Iteration
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5.2.2 Das Sektordreieck im Fünfeck
Das Sektordreieck im regelmäßigen Fünfeck hat den Spitzenwinkel 72°. Für den Streck1
1 ≈ 0.618 , also den Kehrwert des Goldenen Schnittes.
faktor erhalten wir
=Φ
2 cos( 36° )
Die Abbildung 24 zeigt den Start, die Abbildung 25 die Spirale. Eine neue Form der
Goldenen Spirale.
Abb. 24: Sektordreieck des Fünfeckes
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Abb. 25: Spirale
In der Abbildung 26 wird die fünfteilige Drehsymmetrie ausgelebt.
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Abb. 26: Fünfteilige Drehsymmetrie
5.2.3 Stumpfes Goldenes Dreieck
Das Stumpfe Goldene Dreieck hat an der Spitze einen Winkel von 108°. Basislänge und
Schenkellänge stehen im Verhältnis des Goldenen Schnittes, und zwar ist:
Basislänge
Schenkellänge
= 1+2 5 = Φ ≈ 1.618
Wir haben also im Vergleich zum Spitzen Goldenen Dreieck das umgekehrte Verhältnis. Die Abbildung 27 zeigt die ersten drei Schritte, die Abbildung 28 die Iteration. Wir
haben gewaltige Überlappungen.
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Abb. 27: Stumpfes Goldenes Dreieck
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Abb. 28: Iteration
5.3 Der Grenzfall
Wir haben gesehen, dass ein rechtwinklig gleichschenkliges Startdreieck zu einer nicht
überlappenden Spirale führt (Abb. 8), während ein Winkel von 108° an der Spitze schon
zu gewaltigen Überlappungen Anlass gibt (Abb. 28). Daher muss es zwischen 90° und
108° einen Grenzfall geben, bei dem sich die Spirale selbst berührt, aber nicht überlappt. Dieser Grenzfall lässt sich nicht elementar berechnen (jedenfalls ist es mir nicht
gelungen), mit dem numerischen Verfahren von Newton-Raphson erhielt ich den Näherungswert 100.8406064°. Die Abbildung 29 zeigt die Startsituation. Wir sehen die Berührung mit dem übernächsten Möndchen.
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Abb. 29: Startsituation
Die Abbildung 30 schließlich zeigt die sich selbst berührende Spirale.
Abb. 30: Spirale
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6 Weitere Verallgemeinerung
In den bisherigen Beispielen sind wir von einem gleichschenkligen Dreieck ausgegangen. Bis auf Skalierung haben wir dabei einen freien Parameter, in unserer Notation den
Winkel 2φ an der Spitze des Dreiecks.
Wir werden nun so verallgemeinern, dass wir bis auf Skalierung drei freie Parameter
haben. Dabei gehen wir schrittweise vor.
6.1
Die Mittellinie
Jede technische Zeichnung geht von der Mittellinie aus.
Handbuch für Ingenieure
In unserem Fall ist die Mittellinie aus Kreisbögen zusammengesetzt. Wir beginnen mit
einem Kreisbogen mit dem Öffnungswinkel µ (Abb. 31). Dieser Öffnungswinkel µ ist
der erste Parameter.
µ
Abb. 31: Startbogen
Als zweiten freien Parameter wählen wir einen Streckfaktor s. Damit die anvisierte Spirale einwärts läuft, wählen wir s < 1 . Nun üben wir auf den Startbogen eine Drehstreckung mit dem Drehwinkel µ und dem Streckfaktor s aus und heften das Bild gemäß
Abbildung 32 an den Startbogen an. Im Beispiel der Abbildung 32 wurde s = 0.8 gewählt. Im Übergangspunkt der beiden Bögen haben wir einen glatten Richtungsübergang, aber einen Krümmungssprung. Die Krümmung nimmt um den Faktor 1s zu.
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µ
µ
Abb. 32: Der nächste Bogen
Das Vorgehen kann iteriert werden. Es ergibt sich eine logarithmische Pseudospirale
(Abb. 33).
Abb. 33: Spirale
Diese Spirale ist ein Beispiel eines so genannten Korbbogens (vgl. [Giering 1992] und
[Walser 1996]). Für µ = 90° und s = Φ−1 ergibt sich die klassische Spiralen-Figur im
Goldenen Rechteck (Abb. 34).
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Abb. 34: Logarithmische Pseudospirale im Goldenen Rechteck
Die Korbbogen-Spiralen werden wir nun als Mittellinien unserer Möndchen verwenden.
6.2 Möndchen
Wir wählen einen Winkel α , der zum Winkel an den Möndchenspitzen werden soll.
Dieser Winkel α ist der dritte freie Parameter. Dann konstruieren wir gemäß Abbildung 35 das Startmöndchen.
2
2
Abb. 35: Startmöndchen
Der blaue Startsektor ist die Winkelhalbierendenfigur zum Startmöndchen. Wir können
nun weitere Möndchen ansetzen (Abb. 36).
Hans Walser: Die Möndchen von Hörhausen
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Abb. 36: Weitere Möndchen
Der Innenrand eines Möndchens geht glatt in den Außenrand des Folgemöndchens über
und umgekehrt.
Die Abbildung 37 zeigt die Möndchenspirale.
Abb. 37: Möndchenspirale
Erinnerung: Im Abschnitt 4 waren wir von einem gleichschenkligen Dreieck mit dem
Winkel 2φ an der Spitze ausgegangen. Nach dem Konzept in diesem Abschnitt gelten
für die drei Parameter dann folgende Beziehungen:
1
α = φ , µ = 3φ , s = 2 cos
(φ )
Hans Walser: Die Möndchen von Hörhausen
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6.3 Zweiecke
Wir können die Möndchen durch konvexe, von zwei Kreisbögen berandete Zweiecke
ersetzen gemäß Abbildung 38.
2
2
Abb. 38: Zweieck
Die Abbildung 39 zeigt die zugehörige Spirale. Die Randkreise gehen glatt ineinander
über, aber in den Übergangspunkten wechseln die Krümmung sogar das Vorzeichen
(Wendepunkte).
Abb. 39: Zweieckspirale
Hans Walser: Die Möndchen von Hörhausen
Literatur
[Borkert 2009]
26/26
Borkert, Stefan: Das Rätsel von Hörhausen. Thurgauer Zeitung,
22. Juli 2009
[Engelhard 2009]
Engelhard, Imarc: Die kleinen grünen Männchen warens nicht.
Thurgauer Zeitung, 25. Juli 2009
[Gerteis 2009]
Gerteis, Sarah: Es muss etwas hinter Kornkreisen stecken. Thurgauer Zeitung, 21. Juli 2009
[Gerteis 2009]
Gerteis, Sarah: Tendiere auf menschliches Dazutun. Thurgauer
Zeitung, 22. Juli 2009
[Giering 1992]
Giering, Oswald: Zur Geometrie der Polygon-Korbbögen. PM,
Praxis der Mathematik (34), 1992, S. 245-248
[Heinrich/Schmitz/Walser 1999]
Heinrich, Frank / Schmitz, Michael / Walser, Hans:
Verallgemeinerungen der ”Möndchen des Hippokrates”. MNU
Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht 52/5,
1999, 264-270
[Heitzer 1998]
Heitzer, Johanna: Spiralen, ein Kapitel phänomenaler Mathematik. Leipzig: Klett 1998. ISBN 3-12-720044-7
[Sandl 2009]
Sandl, Iida: Der schönste Kornkreis ist platt. Thurgauer Zeitung,
7. August 2009
[Sandl 2009]
Sandl, Iida: Im Kornkreis den Aliens auf der Spur. Thurgauer
Zeitung, 22. Juli 2009
[Walser 1996]
Walser, Hans: Geschlossene Korbbögen. PM, Praxis der Mathematik (38), 1996, 169-172
[Walser 2013]
Walser, Hans: Der Goldene Schnitt. 6., bearbeitete und erweiterte
Auflage. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2013. ISBN 978-3937219-85-1
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