Stauffenbergs 100. Geburtstag

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Stauffenbergs 100. Geburtstag
Der Widerstand als Rührstück
Autor: U. Gellermann
Datum: 15. November 2007
»Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel
Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden
von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun.« Das schrieb im
ersten Jahr des Krieges, den wir den Zweiten Weltkrieg nennen, Claus Schenk
Graf von Stauffenberg an seine Frau Nina aus dem besetzten Polen. Es handelt
sich um jenen Stauffenberg, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre,
den legendären Hitler-Attentäter, den Kopf einer nationalkonservativen Fronde
gegen den »Führer«, das schrieb der Mann, dessen Name Straßen und Plätze
ziert, der für eine Reihe von Filmen und Büchern gut ist, insbesondere aber für
Gedenkreden.Dem Stauffenberg im Rückblick die persönliche Moral
abzusprechen, ihm eine gewisse Bewunderung zu versagen, seine
herausragende Rolle in einer Gesamtlandschaft des deutschen Widerstandes zu
negieren, wäre falsch und unehrlich. Allerdings nicht ganz so falsch und
verlogen, wie aus den Verschwörern des 20. Juli 1944, den Vorbereitern des
Attentates auf Hitler an eben diesem Tag, den einzigen deutschen Widerstand
zu destillieren, ein Rührstück der besonders süßlichen Sorte zu komponieren,
wie es seit Jahr und Tag eine deutsche Öffentlichkeit zelebriert, die das Rad der
Geschichte gerne rechts rum dreht. Der Widerstand, so geht die Sage, war
vornehm und edel, kam von oben und sollte uns allen ein Beispiel sei. Die
Wahrheit ist: Der wesentliche Teil des Widerstandes kam von unten, war blutig
und dreckig und begann bereits, als der deutsche Adel, die Reichswehroffiziere
und die gebildeten Stände des deutschen Bürgertums noch auf ihren Gütern
rumsaßen oder in ihren Salons, an ihren Orden spielten oder Klavier, und
allesamt Hitler wählten.Man darf Stauffenberg, das Klischee des Kampfes gegen
Hitler, durchaus als prototypischen Vertreter jener Kaste begreifen, die dem
verlorenen Ersten Weltkrieg nachweinte, im »Versailler Vertrag«, ein Vertrag im
Ergebnis deutscher Aggression, das Hauptübel Deutschlands sah und nicht in
im Krieg selber. Stauffenberg war an der militärischen Ausbildung der SA, der
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Knüppelgarde der Nazis, beteiligt und bei der Reichstagswahl im April 1932
sprach er sich für Hitler und gegen Paul von Hindenburg aus, so verstanden er
und nicht wenige seiner Standesgenossen die Erneuerung Deutschlands. Noch
im Dezember 1941 hieß Stauffenberg die Vereinheitlichung der Befehlgewalt des
Oberbefehlshabers des Heeres und des Obersten Befehlshaber der Wehrmacht
in den Händen Hitlers ausdrücklich gut: Hitler selbst sollte dem stockenden
Vormarsch auf die Sowjetunion Beine machen. Nur wenige der Verschwörer
des 20. Juli wandten sich vor dem Februar 1943 gegen die Nazis, erst nach der
Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad setzten bei vielen der Zweifel ein. Die
Ahnung vom bösen Ende belebte den Hinterkopf der Herren.Im Oktober 1943
überlegte Stauffenberg »Wenn es so weiter geht, bricht die Ostfront zusammen,
bevor es gelingt, den östlichen und westlichen Feind gegeneinander
auszuspielen.« Kleinlich und dumm wäre es, die frühen Erkenntnisse
Stauffenbergs und seine Empörung über Nazi-Verbrechen im Osten zu
verschweigen. Wer sich aber schlau glaubt, wie die offiziellen Gedenkrednerund -schreiber, und die Gruppe zur Vorbetreitung des Hitler-Attentats als eine
Art Geburtshelfer des Grundgesetzes zu propagieren, der lügt so vor sich hin.
Die Mehrheit der Verschwörer waren Feinde von Weimar, Feinde der
parlamentarischen Demokratie. Nach einem »ehrenvollen Frieden« Österreich
wieder frei zu geben, oder das den Tschechen geraubte Sudetenland, das stand
nicht auf dem Programm der Herrenreiter. In den grundsätzliche Thesen
Stauffenbergs, unmittelbar nach der Landung der Alliierten formuliert, findet
sich das Bekenntnis, dass »Die vom Nationalsozialismus vertretenen Ideen
größtenteils richtig gewesen; nach der Machtergreifung jedoch ins Gegenteil
verkehrt worden (sind).« Und was uns nach dem angestrebten Regimewechsel
erwartet hätte, das schreibt der Star des Widerstandes so auf: ». . . dass
insbesondere die Wehrmacht in der Hand ihrer Führer ein verwendbares
Instrument bleibt.«Es gab den Widerstand der Arbeiterbewegung, den
christlichen Widerstand, den Bündischen, den Jüdischen, sogar spontanen,
unorganisierten Widerstand gab es in Deutschland. »So braun wie Scheiße, so
braun ist Köln. Wacht endlich auf!«, stand auf einem Flugblatt der
»Edelweißpiraten«, eine der kleinsten organisierten Widerstandsgruppen.
Alleine dreitausend »Fälle« der bündischen Edelweißpiraten finden sich in den
Akten der Gestapo. Kleiner als die Widerstandsgruppe des 20. Juli? Tatsächlich
wurden die Mitglieder der »Edelweißpiraten« ohne Schauprozesse gehenkt. Schon 1938, als Militärs wie Stauffenberg noch die Segnungen des
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Wehrmachtsoffiziers in Hitlers Diensten genossen, hatten sich 5.000 Deutsche
auf der Seite der spanischen Republik den Kampf gegen den Faschismus
aufgenommen. Der spätere Bundeskanzler Willy Brandt war als Berichterstatter
unter ihnen, Schriftsteller wie Bredel, Renn und Weinert halfen der spanischen
Republik gegen Franco und die von Hitler gesandten Luftwaffentruppen, um
nach dem Krieg die DDR mit aufzubauen. Von den Spanienkämpfern haben
2000 nicht überlebt. Die Masse der Widerständler gegen die Nazis kam von
unten: Rund 150.000 KPD-Mitglieder waren während der Nazizeit in Haft,
geschätzte 20.000 von ihnen sind in den Folterkellern, den Zuchthäusern oder
Konzentrationslagern ermordet worden. Kein kleiner Widerstand.Die Sieger
schreiben die Geschichte. Was waren das wohl für Sieger, wie beispielsweise
Konrad Adenauer, der sich noch 1946 gegen eine finanzielle Unterstützung von
Angehörigen der Widerstandskämpfer des 20. Juli wandte? Immerhin rang man
sich 1963 durch, sich des Datums durch die Beflaggung von Dienstgebäuden zu
erinnern. Der noble Widerstand der konservativen Art hatte sich als nützliche
Entschuldigung des konservativen Lagers herausgestellt, das, außerhalb der
kleinen Gruppe um Stauffenberg, bis zum letzten Gehenkten, bis zur letzten
Patrone die Hitlerei unterstützt hatte. Die Sieger montieren auch gern die
Straßenschilder ab: Wer zählt die Schilder, nennt die Namen jener
Widerstandskämpfer, nach denen in der DDR eine Straße benannt war und die
nach 1990 der Demontage zum Opfer fielen. Widerstand? Schön und gut. Aber
bitte mit Stil und von oben. Man könnte sonst auf Ideen kommen.
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